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Nach Köln

Nach Köln

Vor dem Dauerregen hatte ich mich in die Bahnhofsgaststätte unserer Stadt gerettet, die auf meinem Nachhauseweg lag.

Trotz des schlechten Wetters war sie nur mäßig besucht. Zwei Männer im mittleren Alter saßen am Tresen und eine blonde Frau um die vierzig hantierte dahinter mit Flaschen. Als ich hereinkam und mich setzte, nahm niemand Notiz von mir. Dann kam die Frau auf mich zu und fragte nach meinem Begehr. Ich orderte einen Kaffee, um mich auch innerlich aufzuwärmen.

Nach einer Weile betrat ein Mann den Schankraum. Er war mit einem weiten Gewand gekleidet und trug schulterlange Haare, sowie einen Vollbart. Als ich an ihm hinab sah, bemerkte ich, dass er Riemensandalen an den Füssen hatte. Er schien um die vierzig zu sein. Der Mann ist entweder ein verspätetes Relikt der 68 er oder ein Urlauber, der sich hierher verirrt hatte, dachte ich. So wurde ich neugierig und sprach ihn an.

„Wohl von weit her?“, fragte ich ihn, als er sich an die Theke stellte. Er sah mich an und antwortete lächelnd: „Von sehr weit.“

Die Bedienung kam und er orderte ein Mineralwasser.

Ich war neugierig geworden und sagte dreist: „Man könnte meinen, du bist Jesus.“

„Du sagst es“, antwortete er immer noch lächelnd. Ich war verwirrt, mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Aber ich fragte weiter: „Wo willst du heute Abend noch hin? Du hast sicher keine Unterkunft?“, wobei ich an die Geburt Jesus im Stall von Bethlehem dachte.

Er aber antwortete: „Ich muss noch nach Köln, du weißt doch, die drei Könige.“

„Aber die sind doch schon lange tot“, antwortete ich.

„Das entbindet mich nicht davon, nach ihnen zu sehen. Und für eine Unterkunft wird schon der himmlische Vater sorgen.“ Ich war erstaunt über die Antwort. Er machte eine Pause und trank von seinem Mineralwasser.

Ich blickte auf die Uhr. „Der Zug fährt bald“, meinte ich und er antwortete: „Ich habe alle Zeit der Welt und wenn du willst, kannst du mich begleiten.“ Ich erklärte mich einverstanden mit diesem mysteriösen Mann zu reisen und kurz darauf standen wir auf dem Bahnsteig, von dem der Regionalzug nach Aachen über Köln abfuhr. Kurz darauf lief er ein.

Wir hatten den Zug bestiegen und uns im Abteil gemütlich gemacht, welches sehr voll war. Er hatte nur gesagt: „Folge mir“, und wir saßen auf zwei freien Plätzen, dazu noch in Fahrtrichtung. Besser konnte es gar nicht gehen. In dem Abteil waren Fußballfans und sangen Wolfgang Petrys Lied von der Hölle, wobei sie den Refrain: „Hölle, Hölle, Hölle“, laut hinaus schmetterten.

„Am besten hältst du dir die Ohren zu“, sagte ich zu Jesus, aber der winkte ab und sagte: „Da stehe ich drüber. Du hast ja keine Ahnung, was ich früher alles zu hören bekommen habe.“ Das sah ich ein und sagte es ihm. Er lächelte wieder.

Dann erzählte er mir von den Heiligen und den himmlischen Heerscharen und ich berichtete ihm von den Gegebenheiten unserer Zeit, aber er schien sie zu kennen. Schließlich langten wir in Köln an und zu den heiligen drei Königen hatte er es nicht weit. Ihre Gebeine liegen ja in einem Schrein und der befindet sich im Dom, der direkt an den Bahnhof grenzt.

Am Schrein betete er leise und als er geendet hatte, verließen wir die Kathedrale. Draußen sagte er: „Das war ich ihnen schuldig.“ Wir wandten uns nun der Altstadt zu.

„Sag mal, trinkst du auch Bier, du warst ja immer als Weintrinker bekannt?“, fragte ich ihn auf dem Weg dorthin.

„Es wurde später erfunden“, antwortete er mir, „aber es schmeckt mir. Dem Mönch der es erfand, erleuchtete ich mit dem Rezept.“

„Dann lass uns mal in die Hausbrauerei Sion gehen, dort bekommen wir es.“ „Sion ist Zion“, sagte er, „das hört sich gut an.“

Wir wandten uns dann der Hausbrauerei zu. Nachdem wir einen freien Platz gefunden hatten, kam der Köbis in blau, das ist der Kölner Kellner und brachte uns zwei Kölsch. „Wenn man bedenkt, wie viele Sorten Bier es gibt“, gab ich zu bedenken.

„Ja, aber das Kölsch ist eins der besten, es ist weich und noch dazu schmackhaft.“ Wir stießen miteinander an.

„In der nächsten Zeit werde ich viele solcher Besuche, wie bei den heiligen Königen machen. Ich werde dann auch nach St. Marie de la Mere fahren, wo die beiden Marien und ihre Bedienstete Sarah gelandet sind.“ Ich nickte.

„Ich weiß es würde dich einige Zeit kosten, mich zu begleiten“, sagte er, „aber da sind sowieso auch noch andere, zu denen ich sprechen muss.“

„Außerdem war ich schon bei der schwarzen Sarah“, fügte ich hinzu, woraufhin sich ein Lächeln auf sein Gesicht legte.

Wir tranken einige Kölsch und er wurde immer beschwingter. Das führte soweit, dass er begann vor den Tischen zu tanzen. Die anderen Gäste klatschten und Jesus gab einige Runden aus. Bald verließen wir das Sion und wandten uns an eine andere Kneipe.

Es war inzwischen dunkel geworden und die Lampen leuchteten anheimelnd.

„Wir werden bald eine Unterkunft für die Nacht finden, die Kölner sind sehr hilfsbereit“, sagte er. Wir tranken noch einige Kölsch und Jesus tanzte zur Musik. Zufällig lief „My sweet Lord“ über die Lautsprecher. Das freute ihn besonders. Einige Gäste schlossen sich dem Tanz an und auch ich bewegte mich sonderbar beschwingt auf den Fliesen der Gastwirtschaft. Wir schlossen Freundschaft mit einem Paar, einem Mann mit schon gelichteten Haaren und seiner Frau einer fidelen Blondine und durften sie mit nach Hause begleiten. In ihrem Gästezimmer übernachteten wir.

 

Nach Frankreich, Wiedersehen

 

Am nächsten Morgen war Jesus schon früh auf. Auch ich erwachte bald. „Heute muss ich weiter“, sagte er, „zuerst muss ich nach Lourdes. Dann, wie du ja weißt, nach St. Maries. In einer Woche werde ich wieder zurück sein.“

Ich war ein wenig traurig und er sah mich an. „Ich komme wieder“, sagte er, „und wir werden noch ein gutes Frühstück bekommen. Du weißt, ich halte mein Versprechen.“

Nach einem wirklich guten Frühstück und Gesprächen mit unseren Wirtsleuten, die nicht ahnten, wen sie da beherbergt hatten, brachte ich Jesus zum Bahnhof. Die Gastgeber mussten leider arbeiten.

„Also in einer Woche, in der Bahnhofsgaststätte“, rief er, als er in den Zug nach Paris stieg. Ich winkte ihm nach und war ein wenig traurig. Aber in einer Woche sollte ich ihn ja wieder sehen.

 

Eine Woche später konnte ich es kaum erwarten, in die Bahnhofsgaststätte zu kommen. Ich schaute mehrere Male hinein, aber er war nicht da. Sollte er aufgehalten sein? Aber hatte er nicht gesagt, dass er alle Zeit der Welt hätte?

Erst am Abend sah ich ihn am Tresen stehen. Er trug wieder das weite Gewand und die Schnürsandalen. Als er mich sah, kam er mir entgegen und umarmte mich.

„Ich habe auf dich gewartet“, sagte er.

„Ich war voller Ungeduld“, erwiderte ich. „Ich weiß“, sagte er und lächelte.

Er bestellte mir eine Cola und sich ein Mineralwasser. „Du trinkst doch gern Cola?“, fragte er. „Na, ja, manchmal“, stotterte ich.

„Und Kölsch,“ er lachte.

Die Wirtschaft war heute voller und wir fielen nicht weiter unter den Leuten auf. Eine etwa zwanzigjährige, blonde Schönheit bediente. „Sie ist hübsch“, merkte er an.

„Du denkst sicher an Maria Magdalena?“, fragte ich.

„Ich soll dich von ihr grüßen“, antwortete er, „und du sollst dir jemand suchen.“ Dabei lächelte er wieder. Er schien alles zu wissen! Aber er wäre nicht Jesus, wenn es nicht so wäre. Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss

Aus den Lautsprecher kam jetzt Phil Collins Song von Jesus. „Man hat mich doch nicht ganz vergessen“, meinte er daraufhin und lächelte wieder.

„Das wäre nicht gut“, sagte ich, „zu mindestens wird an den Feiertagen an dich gedacht.“

Er nickte. „Leider werden die Tage zum Feiern im Überfluss benutzt“, sagte er.

„Wem sagst du das“, fügte ich hinzu. Die Bedienung brachte unsere Getränke.

Ein Mann, mit kariertem Hemd, der mit einem anderen gesprochen hatte und neben uns stand, wandte sich um und sagte zu Jesus: „Wenn ich, wie du angezogen wäre, wäre mir kalt.“ Jesus sagte nichts, sondern lächelte abermals. Der Andere wandte sich wieder seinem Gesprächspartner zu.

„Du fällst auf“, sagte ich, „und das willst du ja nicht? Du bist doch nicht zum letzten Mal hier?“

„Nein, auffallen wollte ich nicht. Es hat mir das letzte Mal gereicht, als sie mich ans Kreuz nagelten. Und ich komme noch einmal, wie du ja weißt, dann zum letzten Mal.“ Er blickte jetzt ernst zur Theke, als wollte er die Gerechten suchen. Doch dann wandte er sich mir wieder zu: „Denke jetzt nicht dran, ist noch nicht so weit. Sei fröhlich.“

Mir gelüstete nach einem Bier und er lächelte wieder. „Kölsch haben die hier nicht“, stellte er fest und bestellte zwei Pils. Das wurde uns gleich darauf von der Blonden hingestellt. Wir stießen miteinander an und tranken. „Wir haben noch ein date – es heißt doch date?“, fragte er dann. Ich sah

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 12.04.2014
ISBN: 978-3-7309-9957-8

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