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1.Hamburg

 

Es war zu der Zeit, als eine große Dunkelheit über dem Land lag, von der niemand wusste, woher sie gekommen war. Ein Mann in mittleren Jahren, etwa vierzig, bekleidet mit einem hellen Trenchcoat, zerschlissenen Jeans und ausgetretenen Halb stiefeln, schlenderte scheinbar ziellos durch die Hamburger Innenstadt. Es war Sonntagnachmittag und Neujahr. Von der vergangenen Silvesternacht lagen noch überall abgebrannte Knallkörper herum. Es waren nur wenige Spaziergänger unterwegs.

Missmutig stieß der Mann einige Knaller mit dem Fuß beiseite. Er bog bald in eine Straße ein, in der alte Kaufmannshäuser standen, wohl noch aus alten Hanse tagen. Diese waren erst vor Kurzem restauriert worden und boten nun ein schönes Bild, weil die Fassaden im Sonnenlicht leuchteten.

Die Straße wurde nun von einer anderen gekreuzt und der Mann überquerte diese. Es war schneidend kalt, denn es wehte ein eisiger Wind. Der Mann dachte nach.

Wie war es gewesen, vor einigen Jahren, als noch alles in Ordnung war ? Hatte er nicht an diesem Tag, an Neujahr, einen Spaziergang gemacht und war Freunde besuchen gegangen ?

Als er anschließend nach Hause kam, stellte seine Frau ihm eine dampfende Tasse Kaffee hin, dazu ein Stück selbst gebackenen Kuchen, der noch warm war, da er gerade aus dem Backofen kam.

Als die große Dunkelheit über das Land kam, musste er sie verlassen und quer durchs Land fliehen. Er versteckte sich bei Leuten, die ihm für kurze Zeit Unterschlupf gaben. Schließlich schien ihr das Warten zu lang geworden zu sein und so hatte sie sich einen anderen genommen.

Einmal hatte er auch versucht, sie aufzusuchen, doch das Haus wurde gut überwacht und er wollte sie auch nicht gefährden. Es schmerzte ihn sehr, wenn er jetzt daran dachte und Bilder aus der Vergangenheit stiegen in ihm auf, standen vor ihm, als wenn sie gegenwärtig wären.

Vor seinem Weggang hatte es noch Meinungsverschiedenheiten gegeben, aber einige Stunden waren sie noch scheinbar unbeschwert und glücklich gewesen.

Der Mann schreckte aus seinen Gedanken hoch. Beinahe wäre er gegen einen Baum gelaufen, der ihm im Weg stand, so vertieft war er gewesen. Ein älteres Ehepaar lief an ihm vorüber und sie sprachen miteinander, wobei sie auf ihn sahen und an ihm herab blickten. Ihm wurde im Moment bewusst, wie schäbig er eigentlich aussehen musste. Wann hatte er das letzte Mal gebadet und die Wäsche gewechselt ?

Wieder schrak er aus seinen Gedanken auf. Ein wenig entfernt von ihm stand ein junger Mann, den er bei näherem Hinsehen zu erkennen glaubte. Dieser junge Mann hatte krause Haare und bald darauf erkannte ihn der Mann. Es war Ali, der Jugoslawe. Auf einer Rund fahrt durch Jugoslawien hatte er ihn kennen gelernt und sie verlebten ein paar ruhige, unbeschwerte Tage. Sie hatten sich aus den Augen verloren, aber Ali teilte ihm noch mit, dass er in Hamburg lebte.

 Neben dem Jugoslawen stand ein kleiner Junge, der abgebrannte Knallkörper aufhob und damit spielte. Der Mann sprach Ali an und dieser wusste zuerst nicht, wen er da vor sich hatte, doch dann lagen sie sich lachend in den Armen. Dem Mann fiel auf, dass Ali auch abgerissen aussah. Seine Hosen waren weit und speckig und um seine Hüfte baumelte ein weit ausgeleierter, verwaschener Pullover.

 Der Jugoslawe erzählte, das er Pech gehabt und seine Arbeit verloren habe, nun lebe er von der Sozialhilfe, die er durch das Sammeln von Pfandflaschen aufbesserte.

Zeitweise schien der Jugoslawe beim Erzählen mit seinen Gedanken weit weg zu sein und der Mann rief ihn ein paar mal an, so dass dieser aufschrak. Ali ist auch nicht mehr der, den ich in Jugoslawien kennen gelernt habe, dachte der Mann, aber ich bin es ja auch nicht mehr. Sie unterhielten sich noch eine Weile über die gemeinsame Zeit im Urlaub.

 Irgendwann deutete der kleine Junge, der neben Ali spielte und den sie vergessen hatten, auf ein Verkehrsschild am Straßenrand. „Werktags Einfahrt verboten“ stand darauf. „Ich kann nichts Besonderes daran finden“, sagte der Mann und dachte nach. Doch dann begriff er. „Die Woche hat sieben Tage ..., das ist es“, murmelte er, „das Buch ... , die sieben Weisen ..., weißt Du noch, Ali, ... in Jugoslawien ...“, er war ganz aufgeregt. Der Jugoslawe schaute ihn blöde an und begriff nichts.

„So verstehe doch, damals im Urlaub als die sieben Herren zu uns kamen. Sie sagten doch voraus, was geschehen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 17.10.2013
ISBN: 978-3-7309-5589-5

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Widmung:
Meinen Schutzengeln gewidmet.

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