Erste Erfolge
Mehrere Brücken verbinden in New York den Stadtteil Manhattan mit anderen. Die bekannteste ist wohl die Brooklyn Bridge, die von Manhattan nach Brooklyn führt. An diesem Morgen wallte Nebel auf dem Wasser und nur wenige Schiffe waren unterwegs. Dafür nahm der Straßenverkehr auf der Brücke stetig zu.
Paul war an diesem Morgen früh aufgestanden, um hier die morgendliche Stimmung einzufangen und zu genießen. Es war Spätsommer. Claire hatte schon früh die Wohnung verlassen und ihm einen Zettel hingelegt. Er las ihn und warf ihn in den Papierkorb. Dann brühte er sich einen Kaffee auf und lief los, nach dem er ihn getrunken hatte.
Als er auf der Brücke stand, schaute er hinaus auf den Fluss, betrachtete die mächtigen Brückenpfeiler und sah auf die Straße. Nur wenige Fußgänger liefen über die Brücke.
Paul ging keiner geregelten Arbeit nach. Ab und an schrieb er kleine Artikel für ein Magazin und manchmal malte er Aquarelle, die er meistens gleich verschenkte. Paul blickte zur Skyline von Manhattan.
Er holte seinen Skizzen block heraus, den er unter die Jacke gesteckt hatte und fing an, die Bilder, die er sah, zu zeichnen. Dafür setzte er sich auf einen Stein, der auf dem Fußweg ragte. Bald war er mit dem Malen fertig und ließ den Block wieder unter seiner Jacke verschwinden.
Er hatte die Absicht, nach Manhattan zu laufen, um ein wenig einzukaufen. Die Sonne stand jetzt höher und Sonnenstrahlen fielen auf das Wasser des Flusses. Als er die Brücke überquert hatte, schaute er noch einmal zurück. Die Häuser von Brooklyn lagen nun vollends im Sonnenschein.
Er klingelte bei Ken, den er vom Studium kannte. Sie hielten eine gute Freundschaft aufrecht und Paul besuchte Ken ab und an, um ihn um Rat zu fragen, so wie auch heute. Ken wohnte in einem der riesigen Wohntürme in Manhattan. Seine Wohnung war im 19. Stock und das Haus lag am Central Park.
Der Tür Öffner summte und Paul stieß die Tür auf. Er hastete durch den, mit großen Steinfliesen ausgelegten Flur zum Lift. Der stand auch schon bereit und er fuhr in die 19. Etage. Als er den Aufzug verließ, sah er Ken schon in seiner geöffneten Wohnungstür stehen und winkte ihm zu. Schnell hatte er ihn erreicht.
„Du beehrst mich ja früh“, sagte Ken, öffnete die Tür ganz und ließ ihn herein.
„Ich muss Dir etwas zeigen“, erwiderte Paul und zog die Skizzen, die er auf der Brooklyn Bridge angefertigt hatte, hervor.
Ken sah sie sich an. Dazu setzte er seine Goldrand Brille auf „Nicht schlecht“, antwortete er dann, „daraus lässt sich was machen.“
Er bot dem Freund etwas zum Trinken an und der nahm einen eisgekühlten Orangensaft.
„Es wird warm heute“, meinte er.
„Allerdings“, erwiderte Ken, „im Wetterbericht sprachen sie heute von 90 Grad. Aber deswegen bist Du doch bestimmt nicht vorbeigekommen?“
„Allerdings nicht“, sagte Paul, „ich wollte mir das Buch von Einstein von Dir ausleihen. Ich schreibe gerade darüber und da fehlen mir noch einige Details.“
„Ich hol es Dir gleich“, sagte Paul und wuchtete seinen drahtigen Körper aus dem Sessel.
Er eilte ins Wohnzimmer und kam gleich darauf mit einem, in braunem Einband gebundenem Buch wieder. Er reichte es Paul.
„Du weißt ja, Wiedersehen macht Freude.“
Paul nahm ihn an sich.
„Ist doch Ehrensache, wie immer.“
Sie sprachen noch eine Weile. Dann nahm Paul das Buch, trank das Glas leer, verabschiedete sich von seinem Freund und verließ die Wohnung. Mit dem Lift fuhr er nach unten.
Ein lauer Wind empfing ihn, als er auf die Straße trat. Wenn er nun schon so nah beim Central Park war, konnte er auch hingehen, dachte er. Einer der vielen Gespanne, die im Park herum fuhren, eilte an ihm vorbei. Außer dem Kutscher auf dem Bock, befand sich keine Person darin.
Er gelangte in den Park und setzte sich auf eine Bank unter einem riesigen Ahorn Baum. Das Buch, welches ihm der Freund gab, schlug er auf und las darin. Dazu machte er sich Notizen auf einen Zettel, die er stets mit sich führte. Eine junge Mutter mit einem Kinderwagen lief vorbei. Er sagte ein Hallo und sie erwiderte es. Dann war sie vorbei. Die Sonne schien durch die Blätter und warf Lichtfetzen auf ihn.
Paul war vierzig Jahre alt, circa 1,80 groß und trug neben seinen Jeans meistens karierte Hemden. Er hatte Claire vor etwa 4 ½ Jahren in einem der vielen Bars in Manhattan kennen gelernt. Sie verliebten sich ineinander und beschlossen bald darauf zusammen zu ziehen. Während Paul nur sporadisch arbeitete, ging sie einer Tätigkeit in einem Makler Büro in Big Apple nach. Morgens sahen sie sich kaum, dafür gehörte der Abend ihnen.
Er hatte am Nachmittag seinen Artikel über Einstein ausgearbeitet und zur Post gebracht. Nachmittags begann er auch von seinen Skizzen an der Brooklyn Bridge schnell ein paar Aquarelle anzufertigen. Die wollte er Claire zeigen, wenn sie von der Arbeit kam. Aber er hatte noch ein wenig Zeit, bis sie erschien. So beschloss er zu John und Betty zu gehen, die eine Straße weiter um die Ecke wohnten. Seine Aquarelle packte er in eine Mappe und machte sich auf den Weg.
Es war kaum Verkehr auf der Straße, als er sich dem Haus von John und Betty näherte. Nur ein Radfahrer in typischer Montur kam ihm entgegen. Irgendwo bellte ein Hund. Dann stand er vor ihrem Haus, dass einem Farmer Gebäude in Großbritannien nachempfunden sein konnte. Es war aus Ziegeln gemauert und oben war ein Aufsatz aus Holz. An den Fenstern waren die grüne Läden zurück geklappt.
Paul klingelte und das Schellen hallte im Hause wieder. Er wartete und wartete, aber nichts im Haus deutete daraufhin, dass ihm gleich geöffnet wurde. Er hörte weder Bettys Stöckel Absätze, noch Johns schlurfenden Schritt. Enttäuscht beschloss er heim zugehen und dort auf Claire zu warten. Auf dem Rückweg trat er eine leere Coladose weg, die am Straßenrand lag. Zu Hause angekommen, beschloss er, sich noch ein bisschen an seinen Aquarellen zu schaffen zu machen.
Er fertigte gerade ein Bild vom Blick auf die Skyline von Manhattan an, als er die Schlüssel im Schloss hörte. Es war Claire, die mit Tragetaschen voll gepackt nach Hause kam. Schnell legte er den Pinsel weg und eilte ihr entgegen. Er nahm ihr die Tragetaschen ab und brachte sie in die Küche. Dann legte er seine Arme um sie und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Claire war nur etwa 1,65 groß und er musste sich zu ihr runter bücken.
„Lass mich erst einmal sitzen“, sagte sie, „ich hatte nur Rennerei, das Einkaufen im Supermarkt und dann noch der Straßenverkehr ... .“
Sie ließ sich in einen der, mit braunen Stoff überzogenen Sessel fallen und Paul eilte in die Küche, um ihr ein Glas Saft zu holen. Das reichte er ihr, als er zurück kam.
„Das habe ich gebraucht“, sagte sie, nachdem sie fast das ganze Glas ausgetrunken hatte. Er setzte sich ihr gegenüber und sie strich sich eine Strähne ihrer langen, blonden Haare aus dem Gesicht.
„Schreibst Du wieder?“, frage sie und er erwiderte: „Nein, ich war heute morgen auf der Brooklyn Bridge und da habe ich Skizzen angefertigt. Davon mache ich jetzt Aquarelle.“
„Du kannst sie mir später zeigen, aber erst einmal muss ich die Lebensmittel wegräumen.“
Sie stand auf und trippelte in die Küche. Er folgte ihr und half.
„Ich werde uns eine Pizza im Ofen warm machen, dann kannst Du mir Deine Bilder zeigen.“
Sie packte zwei Pizzen aus und schob sie in den Backofen. Nachdem sie den Herd angemacht hatte, nahm sie ihn bei der Hand und sie gingen in sein Zimmer. Dort standen die Bilder am Boden zum Trocknen.
„Du solltest sie einer Galerie anbieten“, sagte sie und streichelte ihm liebevoll über die Wangen. „Ich kann auch mal John fragen, ... Du kennst ihn, ... wir waren mal auf seiner Gartenparty. Er kennt da ein paar Galeristen.“
„Es wäre lieb, wenn Du es machen würdest“, antwortete er.
Gemeinsam liefen sie wieder in die Küche und sie holte die Pizzen aus dem Herd.
„Sie sind schön kross. Dann lass uns mal.“
Sie tat die Speise auf einen Teller und gemeinsam machten sie sich an den Schmaus. Danach wuschen sie ab und räumten das Geschirr weg.
„Ich mache weiter“, sagte er und entfernte sich in sein Zimmer. Sie prüfte die Einkaufsbons, dann ging sie zu ihm und sah ihm zu, wie er die Sonne, die sich im East River spiegelte, zu Papier brachte.
Paul hatte einen kleinen Raum in einer Galerie im Stadtteil Greenwich Village bekommen. Natürlich hatte Claire ihre Finger im Spiel gehabt und ihre Beziehungen spielen lassen. Bei dem Raum, in dem er ausstellte, handelte es sich mehr um einen Zwischenraum, der als Durchgang diente. Aber seine Bilder passten hier genau hinein.
Als er das letzte Bild aufgehängt hatte, schaute er zufrieden auf seine Arbeiten. Hier an den weißen Wänden, mit Strahlern aufgehellt, machten sich die Bilder, überwiegend in orangefarbenen Farben gemalt, bestens. Es störte ihn auch nicht, dass sie in einem Zwischenraum hingen. Immerhin war die Galerie bekannt.
Er lief in den vorderen, größeren Raum und schaute noch einmal aus dieser Perspektive. Aber er fand nichts, was er hätte daran aussetzen können. Schließlich trat der Galeriebesitzer, ein gewisser Mister Brown, in dunklem Anzug zu ihm. Paul hatte ihn nicht kommen hören und zuckte ein wenig zusammen. Mister Brown lächelte.
„Dann können Sie am Samstag eine kleine Vernissage hier veranstalten“, sagte er. „Mein Geschäftsführer, Mister Herold, wird sie hineinlassen. Ich selbst werde nicht anwesend sein, ich bin am Wochenende auf meinem Landsitz.“
„Wir werden es schon schaffen“, erwiderte Paul. „und vielleicht hilft mir Claire.“
Mister Brown nickte.
Paul nahm nun den Hammer und die Schachtel mit Nägel an sich.
„Ich will dann mal wieder, Claire wartet mit dem Abendessen auf mich.“
„Lassen Sie sich nicht aufhalten, junger Mann und einen schönen Abend.“
„Einen schönen Abend, Mister Brown ... und vielen Dank!“
Damit war Paul schon an der Tür und schlüpfte hinaus. Beim Zumachen winkte er noch einmal Mister Brown zu. Der lächelte. Paul begab sich heim.
Am Samstag war Ausstellungseröffnung. Claire hatte die Einladungen verschickt. Mister Brown hatte einige seiner Geschäftsfreunde eingeladen. Der kleine Raum, in dem die Bilder hingen, wurde immer voller. Man wich in die anderen Bereiche aus. Claire hatte alle Hände voll zu tun, sie schenkte Wein aus und reichte Knabbereien. Paul schaffte es nicht, ihr zu helfen. Immer wenn er ansetzte, kam jemand, den er begrüßen oder seine Bilder erklärten musste.
Mister Herold, der Geschäftsführer, in dunklem Anzug, stand etwas abseits, im Eingangsbereich und begrüßte seinerseits die Gäste.
Paul hatte einiges von seinen Bildern verkauft und die Nachfrage war groß gewesen. Aber er brauchte Ruhe, um wieder kreativ zu werden. Deshalb hatte er sich heute in den Central Park zurückgezogen. Seine Malutensilien nahm er mit.
Er setzte sich unter einen Baum und begann, die Hochhäuser, die, die Bäume des Parks überragten, zu malen. Er fertigte mehrere Skizzen an, zerriss sie aber immer wieder. Jetzt zeichnete er den vierten Entwurf und war endlich zufrieden. Zu hause würde er davon wieder Aquarelle anfertigen.
Er hielt kurz inne, denn er musste an Claire denken. Auf der einen Seite war sie stolz auf ihn gewesen, auf der anderen hatte sie sich beklagt, dass er so wenig Zeit für sie gehabt hatte. Er hätte sie beim Weinausschank unterstützen sollen. Aber sie hatte eingesehen, dass auch er seinen Part bei dieser Ausstellung zu spielen gehabt hatte. Wenn er heute Abend nach Hause kommen würde, würde er sie in die Arme nehmen und ganz toll drücken. Mit diesen Gedanken fuhr er fort, die Spitze des gegenüber liegenden Hochhauses auf das Papier zu bringen. Ein Sonnenstrahl fiel durch das Laubdach, unter dem er stand.
Auf der Manhattan Brücke hatte es einen Auffahrunfall gegeben. Ein Taxi war nach dem Überholen, beim Ein scheren mit dem nachfolgendem Auto kollidiert. In dem Yello Cab saß Ken. Er war mit dem Schrecken davongekommen, während der Fahrer eine blutende Kopfwunde hatte. Ken konnte ein anderes Taxi stoppen, denn er wollte nach Hause, da Paul sich angesagt hatte. Der Krankenwagen kam und der Sanitäter versorgte den Fahrer. Als die Ambulanz abfuhr, brannte noch ein Warnstab an der Unfallstelle.
Paul war auf dem Weg zu Ken nach Manhattan. Auch er hatte sich ein Taxi genommen. Er hatte mit Ken telefoniert und der berichtete ihm von seinem Missgeschick.
„Ist Dir etwas passiert?“, fragte Paul und Ken antwortete: „Zum Glück nicht.“
So setzte sich Paul seinerseits ins Taxi, um zu Ken zu fahren.
Als er bei dem Haus angekommen war und zu ihm hinauf eilte, stand Ken, wie immer schon in Tür. „Du bist schnell hier“, empfing er den Freund.
„Kunststück“, erwiderte Paul, „mein Fahrer hat Rennen gefahren, wie er mir versicherte. Da ging es in Null Komma nichts.“
Ken nickte und fragte: „Was willst Du trinken?“
„Gib mir mal zur Feier des Tages ein Bier.“ Paul reichte Ken das Buch von Einstein.
„Was kann ich sonst für Dich tun“, fragte Ken, „wie war übrigens Deine Ausstellung?“
„Es war gut und ich habe fast alle Bilder verkauft. Ich komme mit dem Malen gar nicht mehr nach. Weswegen ich komme, ist ..., ich suche jemanden, der mich bei meiner Arbeit unterstützt. Die Bilder zur Galerie bringen, verhandeln ... . Claire hat ja ihren Job und den will sie auf keinen Fall aufgeben.“
„Und ich habe meinen“, antwortete der Freund, „aber ich will mich gern für Dich unter meinen Bekannten um hören. Vielleicht gibt es da den einen oder anderen. Im Moment fällt mir nur Jim ein, der lebt von Gelegenheitsarbeiten. Aber ich werde ihn gern fragen.“
„Da wäre ich Dir sehr verbunden“, antwortete Paul, „... und vielleicht hast Du noch ein Bier. Es ist wieder heiß heute.“
Ken eilte zum Kühlschrank in die Küche und kam mit einer geöffneten Flasche wieder, die er Paul reichte. Sie redeten noch eine Weile über dieses und jenes miteinander, dann verabschiedete sich Paul und Ken brachte ihn zur Tür. Gleich darauf fuhr er mit der U-Bahn zurück zu seinem Stadtteil, wo es nicht so hektisch, wie in Manhattan zuging.
Der Herbst war gekommen. Er hatte sich zwar durch das bunt gefärbte Laub angekündigt, aber in den letzten Tagen hatte es heftig geregnet, so dass es kaum auffiel. Heute schien jedoch wieder die Sonne und die bunt belaubten Bäume im Central Park boten eine wahre Pracht.
Paul war diesmal mit seiner Staffelei direkt hin gegangen. Er hatte sich gegenüber eines Kastanienbaumes positioniert. Er wollte diesmal auf seine Skizzen verzichten und die Natur so malen, wie sie sich ihm feil bot.
Kaum hatte er angefangen, näherte sich ihm eine Gruppe Kinder. Neugierig fragten sie nach seinem Tun und er erklärte es ihnen. Sie gingen bald darauf, nachdem ihr Wissensdurst gestillt zu sein schien.
Zwischendurch aß er ein paniertes Stück Fleisch, welches Claire ihm eingepackt hatte. Er dachte jetzt an Jim. Ken hatte ihm Jim vorgestellt. Jim war schwarz wie die Nacht, groß und hatte eine humorvolle Art, die Dinge anzugehen. Paul war von Anfang an von ihm begeistert.
Und Jim war damit einverstanden, die Bilder von Paul anzubieten und für den Ablauf des Verkaufs zu sorgen. Paul wollte ihn am Abend treffen, um alles mit ihm zu besprechen. Jetzt malte er erst einmal unter seinem Baum.
Er dachte an Präsident Bush, der die amerikanischen Soldaten im Irak besuchte. Wie lange würde man sie dort noch verheizen und was hatten sie dort zu suchen. Er seufzte.
Paul und Claire waren zu Jim gefahren und der hatte die Verträge mitgebracht, die er zwischendurch abgeschlossen hatte. Jim war erfolgreich, stellte Paul fest, denn er hatte mit guten Konditionen abgeschlossen. Dabei war er höflich und zuvorkommend. Jim bot beiden einen Drink an, den sie gern nahmen. Dann wies Paul seinen neuen Mitarbeiter an. Jim wollte ihn telefonisch unterrichten, wenn alles geklappt hatte.
Paul und Claire wollten noch in den Boston Club. Von daher baten sie Jim, sie zu begleiten, worauf dieser einwilligte. Zu dritt fuhren sie hin. Der Laden war gerammelt voll, aber sie hatten Glück. Jim organisierte ihnen einen Platz an der Bar. Jim und Claire fanden sogar noch einen leeren Barhocker. Jim erwies sich noch einmal als Meister der Organisation. Paul blieb aber lieber stehen.
Jim schaffte es sogar binnen kürzester Zeit bei dem Barmann, der alle Hände voll zu tun hatte, die Getränke zu ordern. Besonders Claire war von Jim beeindruckt. Das sagte sie ihm auch unverblümt und er lächelte. Paul grinste in sich hinein. Claire war es auch, die sich nun mit Jim unterhielt.
„Haben Sie schon immer so einen Erfolg?“, fragte sie und er antwortete: „Manches ist einfach Glück. Das andere ist Geschicklichkeit. Das bekommt man halt mit der Zeit.“
Claire nahm ihr Glas und sagte: „Dann trinken wir auf Ihre Geschicklichkeit.“
Die beiden Männer nahmen ebenfalls ihre Drinks und stießen miteinander an.
„Auf gute Zusammenarbeit.“
„Chers.“
Claire kam wieder voll bepackt mit Tragetaschen nach Hause. Sie klingelte, aber niemand machte auf. "Paul ist wohl weggegangen", dachte sie. Es kam öfters vor, dass er nicht da war, wenn sie von der Arbeit kam. So stellte sie die Taschen ab und kramte ihren Schlüsselbund aus der Manteltasche hervor.
Dann schloss sie auf und stellte ihren Fuß zwischen geöffneter Tür und Rahmen. Sie nahm die Taschen an sich und stieß die Tür ganz auf. Dann huschte sie ins Haus und ging gleich in die Küche. Dort stellte sie die Taschen auf den Tisch und sah den Zettel, den Paul ihr hingelegt hatte. "Bin bei der Brooklyn Brücke", stand darauf. Sie legte das Papier auf den Tisch zurück und begann ihre Taschen auszupacken und die Lebensmittel in den Schränken zu verstauen. Dann machte sie sich einen Kaffee, setzte sich auf einen Stuhl und trank. Langsam wich die Anspannung von ihr.
Paul hatte sich wieder an die Brooklyn Brücke gestellt. Es begann dunkel zu werden und er hatte seine Staffelei aufgebaut. Er hatte sich eine Batterie gespeiste Lampe mitgenommen. Bei ihrem Licht wollte er die erleuchtete Skyline Manhattans versuchen, zu malen. Er hatte so etwas noch nie gemacht und war jetzt gespannt, wie er es erleben würde. Auf die Schnelle machte er noch eine Skizze, wie die Sonne unterging.
Dann war es dunkel. Über die Brücke fuhren jetzt Autos mit eingeschaltetem Licht. Ein Anblick, den er bisher nicht aus dieser Perspektive erlebt hatte. Er war fasziniert. Dann aber wandte er sich seinem eigentlichem Motiv zu. Er schaltete die Lampe ein und begann behutsam den Pinsel anzusetzen, nachdem er ihn in goldgelbe Farbe getaucht hatte. Die Farbe hatte er vorher gemischt. Zuerst wollte er die in hellem Neonlicht getauchten Hochhäuser malen. Es gelang ihm. Dann mischte er ein tiefes dunkel Blau und stellte den Himmel dar. Er war schon gespannt, wie das Bild bei normalem Tageslicht aussah.
In seiner Nähe lief ein Mann mit einem Hund an der Leine vorbei. Der andere grüßte und fragte: „Ist es nicht zu dunkel für so was?“
„Ich probiere es selbst gerade aus“, antwortete Paul.
Er plauderte noch eine Weile mit dem Mann, der dann mit dem Hund weiter zog. Paul setzte den letzten Farbton an. Anschließend packte er seine Sachen zusammen, winkte ein Taxi heran und ließ sich nach Hause fahren. Er war gespannt, wie sein Werk im Licht der Innenbeleuchtung der
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2013
ISBN: 978-3-7309-5471-3
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