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Prolog

Vor ein paar Jahren hätte wirklich niemals gedacht, dass ein Plan eine ganze Lawine von Ereignissen auslösen würde. Ich hatte auch gedacht mich selbst am besten zu kennen:

Meine Leibenswürdigen, aber auch meine Verachtenswürdigen Seiten.

Doch da hatte ich mich geirrt. Ich entdeckte eine erschreckend andere Seite, die ich verdrängte und unter einer Maske versteckt hatte.

Im Leben gibt es immer eine Person, die dich besser kennt, als du dich. Die deine Schwächen akzeptiert und diese sogar Liebenswürdig findet. Die dich einfach hinnimmt wie du bist, die dich liebt egal was du bist.

Solch ein Gefühl habe ich erst seit kurzem bei mir entdeckt. Es hat mich irritiert, mich geschockt und auch verärgert. Nie im Leben hätte ich mir vorstellen könne, noch einmal zu solchen Gefühlen in der Lage zu sein.

Dieses Gefühl heißt Liebe. Es ist ein starkes, unabhängiges Gefühl und mein ständiger Begleiter.

 

Jetzt weiß ich es besser.

Kapitel 1

Der leichte Sommerwind wehte in mein Gesicht, als ich nachdenklich am geöffneten Fenster saß.

Von draußen schienen warme Sonnenstrahlen, die mein Gesicht erwärmten. Ich hockte auf meinem roten Drehstuhl und knabberte in Gedanken versunken an die frisch manikürten Fingernägel. Es herrschte absolute Stille. Die einzigen Geräusche die ich wahrnahm, waren mein leiser, regelmäßiger Atem und das Rascheln der frischgrünen Baumblätter.

Ich starrte aus dem Fenster raus und beobachtete den faszinierenden Tanz des Windes.

Ein plagendes Geräusch weckte mich aus meiner Trance. Einwenig mürrisch folgte ich dem Lärm und entdeckte einen dekorativen, roten 80ger Jahre Wecker auf meinem Computertisch. Einwenig verwundert suchte ich den Ausschaltknopf, kam aber nicht zurecht, da ich diesen Wecker nie verwendet hatte. Ich brauchte keinen Schlaf. Wesen wie ich es war, wurden nicht müde und mussten keine Kraft tanken.

Das Geräusch wollte nicht aufhören, da warf ich den Wecker einfach gegen die Wand. Ich hatte meine Kraft nicht richtig eingeschätzt. Er prallte gegen die Wand und zersprang in tausend Teile. Die Fetzen lagen verstreut in meinem Zimmer. Ich machte mir erst gar nicht die Mühe sie weg zu räumen, da ich ein Hausmädchen angestellt hatte, die die Zimmer des Hauses auf Vordermann brachte.

Ich ließ mich elegant auf das nebenstehende, rot überzogene Bett fallen und vergrub mein Gesicht in ein samtiges Kissen. Dieser anhaltende „deprimierend nachdenkliche“ Zustand war bei mir in letzterer Zeit häufig auf zu finden.

„Ich hab ja eigentlich kein Recht rum zu meckern, mein Leben ist wundervoll“, sagte ich in mein Kissen hinein. Viele Mädchen in meinem Alter würden sich für so ein Leben prügeln.

Ich wohnte im sonnigen Seattle. Mein Haus stand im schönsten und gleichzeitig teuersten Örtchen Seattles. Der Garten war schön gepflegt, hier und da sprießen Blumen in gelben, blauen, roten, und lila Tönen. Das Grass war stets frisch gemäht und der kleine Teich war klar. Wenn man ihn genauer betrachtete, erkannte man kleine Frösche die in den Seerosen schliefen.

Die Nachbarn waren freundlich aber nicht zu neugierig. Meine Schule war die beste der Stadt. Die Jugendlichen dort waren gebildet, witzig und fast immer gut gelaunt. Die Lehrer beherrschten ihr Fach, waren nett, hilfsbereit und gut manipulierbar, letzeres hatte mir schon die einen oder anderen Freistunden in der Shoppingmall eingebracht. Die Innenstadt Seattles war groß und enthielt viele schöne Orte mit teueren Boutiquen, und hübschen Allen mit zahlreichen Essensständen. Seattle war buchstäblich ein perfekter Ort für einen normalen siebzehnjährigen Jährigen Teenager.

Doch ich war nicht normal. Mich ödete diese Lebensweise einwenig an, was ziemlich schnell passieren kann, wenn man schon hundertsiebzehn Jahre lang auf der Erde verweilte.

Ich suchte nach neuen, interessanteren Möglichkeiten mir die Zeit zu vertreiben, aber ich kam nie auf eine mögliche Lösung. Meine Ideen wurden immer spannender, aber auch immer unrealistischer.

Auch an diesem Tag war mir kein vernünftiger Plan in den Sinn gekommen. Frustriert schüttelte ich meinen Kopf. Die braunen Locken flogen mir um die Schultern.

Ich stand auf und verharrte weiter in meiner Sitz-und-Nachdenk Position.

Da mir in der nähren Zeit nichts einfiel, suchte ich eine anderweitige Beschäftigung.

 

Den Dachboden des Hauses hatte ich schon seit längerer Zeit nicht betreten, daher beschloss ich ihm mal einen Besuch abzustatten. Früher war er mein Lieblingsplatz gewesen. Ich saß die meiste Zeit auf dem ausgestellten, blauen Sofa. Über dem Sofa befand sich ein Fenster. Bei besonders sonnigen Tagen schienen die Sonnenstrahlen durch das kleine Dachfenster und gaben mir ein wohliges Gefühl von Zufriedenheit.

Ich kletterte die Leiter hoch, öffnete die kleine Tür zum Dachboden und stieg hinein.

Ich betrachtete ihn. Obwohl der Raum ziemlich muffig und staubig war, passte er äußerlich perfekt zum Haus. Er war aufgeräumt, die Sachen waren ordentlich aufgestapelt und sortiert.

An den grauen Wänden waren Kisten mit verschiedenen Sachen aufgestellt. In der Mitte befand sich ein uralter Schrank, der noch dem Vorbesitzer dieses Hauses gehört hatte. Darin hatte ich zwei Schachteln mit Fotos versteckt. Ich nahm den kleinen Schlüssel zum Schrank, der an meiner umgebundenen Halskette hing und steckte ihn in das Schloss. Die quietschenden Türen öffneten sich und entblößten einen leeren Schrank. Die kaum sichtbaren Kisten versteckten sich in den oberen Regalen. Ich griff nach der rechten Schachtel, zog aber an der falschen Kante. Ich reagierte zu langsam. Die schwere Schachtel knallte scheppernd auf den Boden, gleichzeitig verstreute such der Inhalt in alle Himmelsrichtungen. Diese Schachtel machte einen derartigen Lärm, dass es wahrscheinlich im ganzen Haus zu hören war.

„Ist alles klar Cassey?“, hörte ich schon von unten die Stimme meines Vaters John.

„Ja John, es war nur eine Schachtel, keine Sorge“, rief ich mit klarer Stimme.

„Okay, aber pass bitte auf“.

„Ist gut“.

Seine besorgte, unangebrachte Art nervte mich.

In unmenschlicher Geschwindigkeit platzierte ich die Fotos zurück in die Kiste. Sie alle zeigten verschiedene Orte in denen ich schon gewesen war. Kein einziges von ihnen zeigte mich. Ich hielt nichts von „Selbstbildern“. Andere Menschen und Wesen fand ich viel interessanter. Sie zu beobachten, sie auf Bildern festzuhalten faszinierte mich auf eine eigenartige Weise. Ich war schon immer jemand der beobachtend durch die Welt ging. Das war auch schon vor meiner Verwandlung so gewesen. Noch heute wünsche ich mir, ich wäre nicht so gewesen, dann wäre mir diese Leben erspart geblieben. Das Letzte Bild wollte ich gerade in den Karton legen, doch irgendetwas hielt mich davon ab. Mein starrer Blick wanderte zu dem Bild in meiner Hand. Darauf war ein blonder Mann, Mitte 30 abgebildet, der in die Schwarzweiß Camera lächelte und eine Reihe perfekter weißer Zähne entblößte. Seine Augen strahlten. Dieser atemberaubend schöne Mann hielt eine Rose in der Hand. Hinter ihm erkannte ich das Schlossartige Gebäude. Es war mein Haus in Frankreich, wo ich als Menschenmädchen Cassey mit meiner Familie gelebt hatte.

Mir schossen Tränen in die Augen. Das passierte immer, wenn ich mein altes Zuhause erblickte, denn dann erinnerte ich mich an mein unbeschwertes Lebens als Cassey de la Varine.

Wie ich früher immer mit Mutter und Schwester Tee getrunken hatte und wir uns ausgelassen über den Tag unterhielten. Es waren zwar unbedeutende Momente, aber doch waren sie für mich wertvoller als jedes Gold der Welt. Wie schön es doch war mit meiner geliebten Mutter und meiner kleinen Schwester Frauennachmittage bzw. Teestunden, wie wir sie nannten, zu haben. Ich sah wieder weg vom Hintergrund des Bildes auf den gut aussehenden Mann.

„Du Bastard“, schrie ich den Mann im Bild an.

Ich zeriss das Foto in kleine Fetzen und streute sie über den Boden. Dann lief ich zur Couch und ließ meinen Tränen freien lauf. Eigentlich bin ich keine Heulsuse und bin auch fiel besser darin meine Tränen zu unterdrücken, aber jedes Mal wenn ich ein Bild meines Erzeugers sah, wurde ich wütend. Es entstanden Gefühle, die ich selbst nie deuten konnte. Ich war Traurig, Wütend, Beschämt. Mein Herz klopfte in ungleichmäßigen Abständen. Ich atmete hyperventilierend und versuchte mich zu beruhigen, in dem ich an etwas Schönes dachte. Wie an meine Mutter. Die wunderschöne, braunhaarige Frau. Die wundervollste, fürsorglichste Muter auf Erden.

Es funktionierte immer.

Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte ging ich wieder zur Kiste und hob sie auf. Obwohl sie eigentlich ziemlich schwer sein musste, hatte ich damit keinerlei Probleme. Die Kiste trug ich zur Couch und fing an Fotos aus dem Karton zu kramen. Grade als ich einige herausgefischt hatte, kam mir plötzlich eine geniale Idee. Wieso war ich da nicht früher drauf gekommen. Meine Hände kramten im Karton rum, bis ich das vertraute, widerlich süße Gesicht von Eric de la Suse auf eineigen Bildern sah. Ich legte sie auf die Couch und schloss den Karton wieder, um ihn dann abzusetzen. Ich nahm eines der Bilder in die Hand und sprach zu meinem Erzeuger im Bild.

„Ach Eric fast 100 Jahre ist es her, seit unserer letzten Begegnung. Weißt du noch, die Nacht wo du mir versichert hast, als Vampir ein besseres Leben zuhaben und mich dann leidenschaftlich Gebissen hast, du widerlicher pädophiler Schweinehund? Ist es nicht toll, wie viel Schmerz es mir bereitet daran zu denken, dass ich alle meine Geliebten Mensche zurückgelassen habe, nur um dir in ein unsterbliches Leben zu folgen. Und ist es nicht toll, dass du mich am Tag unseres geplanten Reise, mich einfach zurückgelassen hast und mich mir meinem Schicksal überlassen hast. Wie geehrt ich mich fühlen muss, dass du wenigstens noch einen Diener da gelassen hast, der mir half mein Verlangen nach Blut in Schacht zu halten und mich dann auch einfach dem Schicksal überlassen hat. Und wie viel besser ich mich fühle, wenn ich daran denke, dass du bald das Tausendfache von diesem Schmerz zurück kriegst! Ja ich hoffe du hast Familie, die bald wegen dir Schmerz und Leiden fühlen wird. Denn wenn ich dich besuche, wo auch immer du bist, wird kein Familienmitglied mehr leben!“

Ich war so in Fahrt, dass ich anfing laut rumzubrüllen und damit Johns Interesse geweckt hatte. Plötzlich stand er hinter mir, leget seine schwere Hand auf meine Schulter und fragte fürsorglich „ Ist alles Okay mit dir?“.

Erschrocken über die Tatsache, dass ich sonst immer aufmerksam genug war, um die Gegenwart anderer Personen zu spüren, zuckte ich zusammen.

„Oh, John. Du bist es“ rief ich erleichtert. Als meine Atmung sich wieder beruhigt hatte, drehte ich mich zu John um und funkelte ich ihn böse an. Mein sonst so elfengleiches Gesicht, verzog sich zu einer biederen Grimmasse.

„Was suchst du hier? Ich hab doch gesagt ich will ungestört sein!“

„Entschuldige! Hab mir nur sorgen gemacht!“

Schützend hob er die Arme vor sein markantes Gesicht. Er war wie immer super gekleidet. Seine blaue Männerbluse passte hervorragend zur dunklen Jeans und den schlichten Turnschuhen. Die braunen, kurz geschnittenen Haare waren einwenig gegellt, aber sahen nicht wie bei einem peinlich Vater aus, der seine alten Jeans rausholt um noch einmal 17 zu sein. Die Kristallblauen Augen schmeichelten seinem Gesicht und ließen seinen Blick strahlend wirken. Seine Anziehungskraft lenkte von den überflüssigen Kilos ab die sich um sein Bauch und sein Gesicht gehängt haben. Er sah wirklich verdammt jung aus, so um die 30, was daran lag, das ich ihn mit 38 Jahren verwandelt hatte und er seit diesem Tag nicht mehr alterte.

„John du nervst mich. Akzeptiere endlich die Tatsache, dass ich keine engere Verbindung mit dir eingehen will. Ich habe keine Lust auf diese väterlichen Gefühle, die von dir aus kommen. “

Ich funkelte ihn weiter an.

„Tut mir leid“ sagte er noch einmal entschuldigend.

„Cassey, wir haben nicht das beste Verhältnis, aber ich befürchte wir werden noch weiter aneinander gekettet sein und da können wir ja mal versuchen eine Familie zu sein…

Nicht nur so tun“.

„Bitte John. ICH habe dein verdammtes Leben zerstört. ICH habe dir deine Kinder, deine Frau und deinen heißgeliebten Job weggenommen. ICH habe dir dieses lange, ätzende Vampirdasein beschert. ICH!“. Zornig starrte ich in sein von Schmerz geplagtes Gesicht. „ICH! Vergiss das niemals, wenn du in mein Gesicht blickst. Ich bin der einzige Grund, weshalb deine Welt zusammengebrochen ist. Wegen MIR musstest du fortgehen, ohne ein Wort zusagen.“

John sah wirklich ziemlich gekränkt aus. Einweinig tat er mir schon Leid. Ich selbst erinnerte mich auch nicht gerne daran, dass vor der Begegnung mit Eric, mein Leben wunderschön war. Ich hatte meine geliebte Familie. Genau wie John sie vor unsere Begegnung hatte. Andererseits war dieser Mann ein echter Sturkopf. Egal was man ihm sagte, er behielt seinen Kopf. Er hatte sich in den Kopf gesetzt eine väterliche Beziehung zu mir aufzubauen und egal was ich tun würde, er würde mich nicht in Ruhe lassen. Meine Wut auf ihn, aber auch auf mich selbst ließ mich aufschnauben. Ich nahm ein Bild von Eric, stellte schnell die Schachtel zurück in den Schrank und schloss die Türen zu. Zornig stürmte ich in Richtung Ausgang und ließ den verzweifelten John alleine.

 

Eine Weile lang lag ich in meinem Bett und spürte die kalte Nachtluft auf meinen Armen. Den ganzen Tag lang hatte ich an meinem Plan gebastelt. Der Zettel in meiner Hand wies krakelige, geschwungenen Schriftzügen nach. Ich öffnete die Augen und starte die weiße Decke an. Mein Plan ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Es hörte sich eigentlich alles ganz leicht an:

Es war sozusagen ein Racheplan, in dem ich Eric aufsuchen wollte, um ihm einen „Streich“ zu spielen. Nur viel mir kein Streich ein. Das einzige worin ich mir sicher war, das er sehr leiden würde. Noch mehr al sich jemals gelitten hatte.

Ich richtete mich auf und setzte mich an meinen Schriebtisch. Meine Hände griffen nach dem wirwarr von Stiften auf dem Tisch und fischten einen roten Kugelschreiber. Eine weile lang saß ich da ohne mich zu regen und überlebte fieberhaft. Plötzlich kam mir eine geniale Idee.

Kapitel 2

 

,, Jamilia Töchterchen, komm mal bitte nach unten“ hörte ich die Stimme meines Vaters. „Ich komme gleich! “, rief ich zurück. Ich war gerade damit beschäftigt mein neues Zimmer zu erkunden. Der Umzug war ziemlich gut gelaufen. Die Männer vom Umzug hatten meine Sachen genau dahin gestellt, wo ich sie haben wollte.

Ich setzte mich auf meinen neuen roten Drehstuhl und blickte aus meinem Fenster. Es hatte eine atemberaubende Aussicht auf den kleinen See in unserer Nähe.

Noch vor 3 Monaten, hatte ich eine ganz andere Aussicht, aber das war noch in meinem Haus in Seattle. Ich war immer noch ziemlich perplex darüber, dass alles so reibungslos verlaufen ist.

Es war so erstaunlich leicht, etwas über Eric und sein Leben herauszufinden.

Nach dem ich mein Opfer ausgewählt hatte, kam John rein und ich weihte in mein Plan ein. Danach ging alles schnell. Zunächst erhielt ich Informationen über Eric de la Suse, oder Sebastian Onadon, wie er sich in Deutschland nannte. Laut meiner Informanten habe er sich zuletzt aus New Orleans erhoben, wo er seine jetzige Frau Erica kennen lernte und daraufhin 3 Junge Vampire aufnahm, und in Berlin, der schönen Hauptstadt Deutschlands niedergelassen hatte. Zwei seiner adoptierten Söhne, Marlin und Leonard gehen auf ein Gymnasium, sind laut gefälschten Ausweisen beide 18, der dritte studiert Medizin. Da ich nicht vorhatte auf eine Uni zugehen, schloss ich den letzeren aus meinem Plan aus. Wer nun mein auserwähltes Opfer für meinen Plan sein würde, wollte ich erst in Berlin entscheiden. Desweiteren ging ich zu Fridiano, um mir einen Gefallen einzulösen. Er wollte mich eigentlich anfangs nicht in die Kunst der Gedankenmanipulation einweihen, aber als ich ihn dann noch einmal erinnerte wer ich war, empfang er mich mit offenen Armen und einem gebrochenem Bein. Ich hatte kein Problem mit dem neu Erlernten, auch wenn es ziemlich lange dauerte, bis ich die Gabe perfektionierte. Ich ging zum Frisör, der mir meine wunderschönen Haare rot färbte und mir einen ganz neuen kurzen Fransenschnitt verpasste. In Berlin hatte ich mir vorgenommen sie zu glätten. Außerdem hatte ich mir braune Kontaktlinsen besorgt. Ich verabschiedete mich von meiner Garderobe und besorgte mir weniger auffallende Kleidung. Für mein neues aussehen war gesorgt. In Berlin wollte ich auch jeden Tag in Parfüm baden, damit mein spezieller Vampir Geruch für andere Vampire nicht erkennbar war. Am Spiegel übte ich naive Gesichtsausdrücke und gewöhnte mir eine andere Art des Gehens und des Sprechens an. So wirkte ich weniger auffallend und eher schüchtern. Als ich mir sicher war, dass mich Eric in Berlin nicht so leicht erkennen würde, erzählte ich meinen Freunden, dass ich nach Berlin umziehen würde. Die waren natürlich sehr bestürzt und traurig, da mich alle sehr mochten und schätzten. Meine Abschiedsfeier fiel tränenreich aus. Gut, das ich schon immer ein Talent für das Schauspielern besaß. Wir zogen 1 Woche nach dieser Party um. Ich versprach allen Freunden Kontakt mit ihnen zu halten und fügte 30 Nummern in meine Telefonansammlung hinzu.

„Jamilia? Kommst du jetzt bitte mein Schätzchen!?“. Johns bzw. Elevens Stimme rief mich aus meinen Gedanken. Ich verließ mein blau gestrichenes Zimmer und lief die Treppe hinunter.

Ich hatte diesmal Schwierigkeiten damit, mir und John Namen zugeben, aber nach langem Blättern in Zeitschriften, wurde ich doch noch fündig.

Eleven standen in unserer Einfahrt und hielt ein Körbchen mit Früchten in der Hand. Vor ihm stand eine pummelige Frau, die sich mit ihm über das Wetter unterhielt. „Wahrscheinlich ist es Zeit den neuen Nachbarn Hallo zu sagen“, dachte ich frustriert. Ich setzte mein süßestes Lächeln auf und sprach freundlich „Hallo, Entschuldige Dad, ich war gerade so begeistert von meinem neuen Zimmer, dass ich gar nicht raus gehen wollte“. „Ah bist du ein süßes Mädchen“, rief die Frau entzückt. „Hallo Kleines Ich bin Frau Steiner, deine neue Nachbarin. Und du bist Jamilia nicht war? Ein wirklich schöner Name“. Die Frau streckte mir ihre füllige Hand entgegen. Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie freudig. „Ja, Frau Steiner, ich bin Jamilia. Es ist mir eine Freude sie kenne zulernen. Eine wirklich schöne Kette haben sie da an!“. Frau Steiner blickte auf ihre hässliche Holzkette und quiekste entzückt. „Danke Jamilia. Ein wirklich höffliches und gut erzogenes Kind haben sie da Herr Lovegood.“ Sie zwinkerte Elvens zu und kniff mir in die Wange. „Wirklich goldig. Ich muss jetzt leider gehen, aber wenn sie irgendetwas brauchen sagen sie mir ruhig Bescheid, ich stehe euch gerne zu Verfügung“. Frau Steiner winkte uns noch einmal zum Abschied zu und verließ unser Grundstück. Beim gehen flatterte ihr widerlich langer Rock um ihre dicken Beine und entblößte eine kleine Narbe an ihrer Wade. Ich haste Frauen, die mich wie ein kleines Kind behandelten(wenn die nur wüsste wie ich alt ich wirklich bin), aber ich musste meine Altes-Ich Gedanken abschalten. Ich lächelte und rief „Danke Frau Steiner, wir nehmen Ihre Hilfe gerne an“. Grade wollte Frau Steiner ihre Haustür öffnen, da drehte sie sich wieder um und schrie aus voller Kehle. „Heute ist ein Nachbarschaftsfest, dass zu ehren von euch statt findet. Um 19 Uhr nicht vergessen“. Danach war sie ins Haus verschwinden

„Oh nein, stöhnte ich, kein dummes Fest“ „Es muss aber sein, du willst doch ein guten Eindruck schinden. Außerdem willst du doch das süße naive, kleine Mädchen spielen. Das wird dein erster Einsatz sein“, hörte ich Elvens sagen. Ich wusste, dass er Recht hatte und ging wortlos ins Haus.

Der restliche Tag verlief darin, dass ich mein neues Zimmer mit verschiedenem Krams ausfüllte, mir ein bisschen die Gegend ansah und danach Gedanken Manipulation übte. Dies klappte derart gut, dass ich sogar schon vergaß, was mir noch bevor stand. Um 18.55 waren wir fertig gekleidet und betraten Frau Steiners Grundstück, die uns mit offenen armen Empfang. Ich hatte mir extra ein niedliches, unschuldiges blaues Kleid ausgesucht zu passenden Halbschuhen. Ich war ungeschminkt und sah aus wie ein naives, kleines Mädchen. Elven hatte einen schlichten grauen Anzug an. Das ganze Fest war ziemlich langweilig. Ich lernte verschiedene Nachbarn kennen. Es gab sogar einen ganz süßen Jungen in meinem Alter, der aber leider gar nicht mein Typ war. Er stand auf Mathe und rechnete gerne in seiner Freizeit Formeln aus. Ja, nicht mein Typ.

Ich saß auf Frau Steiners Hängematte, mit einem Pappteller voller Würstchen in der Hand. Zum Glück war ich alleine und konnte über die nächsten Tage nachdenken. Das Wochenende stand kurz bevor. Ich überlegte mir mit Elven eine Sightseeing tour in Berlin zumachen. Wir würden uns dann gemeinsam am nächsten Tag auf ins Einkaufszentrum Berlins machen. Elven würde mir helfen ein passendes Outfit für meinen ersten Tag an dem Denteno-Rolf Gymnasium, auszusuchen.

Kapitel 3

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Musik. Die Klänge der rhythmischen Gitarre und der harten Schläge des Schlagzeugs drangen an mein Ohr. Ich liebe diese abwechselnd langsamen und schnellen Stellen eines Metal Songs. Wenn ich Musik höre, bin ich immer sehr konzentriert auf das Schlagzeug, da ich mir so jeden Schlagzeug still einpräge und sie miteinander Kombiniere, um meinen eigenen Style zukreieren. Leider merke ich nie, dass sich andere Menschen zu mir gesellen. Und diese merken nicht, dass ich Musik hörte. Als ich aufblickte starrte ich in Melinas hübsches, wutverzehrtes Gesicht. Sie hatte wahrscheinlich irgendetwas erzählte, dass mich ihre Meinung nach interessieren könnte. Ich zog meine Kopfhörer aus und erklärte ihr, dass ich sie nicht gehört hatte. Sofort veränderte sich ihr Gesicht.. Sie lächelte fast Engelhaft und erzählte mir aufgeregt von der neuen Schülerin, die in unsere Stufe kam. „Ich hab gehört sie heißt Jamilia Lovegood, sie kommt aus Seattle und ist mega reich.“ „Aha“ antwortete ich desinteressiert. Ich hatte kein wirkliches Interesse an Menschen. Es war überhaupt ein wunder, dass ich Melina in meiner nähe duldete. Als ich neu an dieser Schule war, hatte Melina ein bedeutend hohes Interesse und obwohl ich sie sehr oft zurück gewiesen hab, war sie sehr nett und hilfsbereit. Ich wollte sie los werden, da ich schon in den Stunden Probleme damit hatte, mich zusammenzureisen und meinen sämtlichen Mitschülern nicht die Adern aus den Körpern zu reißen. Ich konnte sie nicht abschütteln, egal wie oft ich es versuchte und so blieb sie mein einziger Freund an dieser Schule (jetzt mal abgesehen von meinem Bruder).

Mein Bruder Leonard hat diese Probleme nicht. Er ist auch schon viel länger Vampir als ich und hat keinerlei Problem mit den Menschen. Im Gegenteil. Er erinnert sich kaum an seine Zeit als Mensch und ist deshalb sehr interessiert an ihnen. Besonders an die Mädchen. Er hat fast jede Woche eine neue. Wenn die alte ihm zu langweilig wird, hat er keinerlei Schwierigkeiten sich eine neue zu finden. Die Mädchen liegen ihm zu Füßen. Kein Wunder. Er ist ja auch ein Vampir und sieht ziemlich unwiderstehlich aus. Nicht das ich das nicht von mir behaupten könnte, aber ich lasse niemanden an mich ran und wirke sehr abweisend. Deshalb vermeiden die Menschen längeren Augenkontakt mit mir. Alle außer Melina. Sie weiß natürlich nicht, dass ich ein Vampir bin, sonst wäre es erst gar nicht zu dieser Freundschaft gekommen. Melina rieß mich aus meinen Gedanken. „Hey Marlin ich muss gehen, hab jetzt Sport und du weißt ja, wenn man bei Herrn Leitener zu spät kommt, kriegt man 10 extra Runden. Wir sehen uns dann später“. Sie lächelte mich an und wollte grade davon laufen, als sie sich wieder zu mir drehte und mich mit ihren strahlend blauen Augen ansah. „Ah ja, falls du die neue heute noch triffst, sagst du mir Bescheid, Ja?“. „Kein Problem Melina“, antwortete ich. „Aber lauf jetzt los sonst überlebst du die Sportstunden nicht“. Ich grinste hämisch. Sie lächelte zurück und lief in Richtung Sporthalle. Ihre blonden Haare wehten hinter ihr her. Eigentlich sah sie wirklich ziemlich hübsch aus, aber ich bin nicht wie meine Bruder, ich hab kein sonderliches Interesse an Menschenmädchen. Ich setzte wieder meine Kopfhörer auf und hörte noch 3 Songs durch. Nach dem dritten Song machte ich mich auf in die Biologie Kurs. Ich war schon 20 Minuten zu spät und wollte keinen Tadel kassieren. Als ich den Raum betrat murmelte ich eine Entschuldigen und ging aufmeinen Sitzplatz zu. Ich setzte mich und ließ meine Tasche auf den Boden fallen. Plötzlich bemerkte ich, dass der sonst so leere Platz neben mir besetzt war. Verwundert blickte ich in das schönste Menschengesicht, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. Das mir unbekannte Mädchen lächelte mir zu und entblößte 2 Reihen strahlend weißer Zähne. Ihre braunen Augen funkelten. Bei genauerer Betrachtung erkannte ich einen Hauch von gelb an ihrem Pupillen Ansatz. Ihr rotes, glattes Haar umrahmte das engelsgleiche Gesicht. Ich konnte mich nicht von ihrem wundervollen Antlitz lösen drehte mich aber widerwillig zur Richtung der Tafel, um nicht wie eine gaffender Idiot auszusehen. Ich war nicht der einzige, dem es so erging. Ich besitze die Gabe Gedanken anderer Menschen zu hören und interessierte mich grade in dem Moment für die Gedanken meiner Mitschüler. „Meine Güte sieht die toll aus. Was für ein Gesicht. WOW!“ Gerade wollte ich mich wieder zu ihr umdrehen und sie mir genauer anschauen, da bemerkte ich etwas Ungewöhnliches an dem neuen Mädchen, Jamilia. Wenn ich neue Menschen sah, prägte ich mir ihren Blutgeruch ein. So erkannte ich alle mir bekannten Menschen schon vom weiten. Aber an diesem Mädchen roch nichts Blutähnliches. Ich konzentrierte mich, da ich dachte der Geruch würde gleich von selbst in meine Nase steigen. Nichts. Das einzige was ich vermag, war ein starker Rosengeruch, als hätte sie sich in Parfüm gebadet. Ich versuchte in meinem Kopf die verschiedenen Gedanken meiner Mitschüler zu ignorieren und suchte eine neue, mir unbekannte Stimme. Aber da war nichts. Ich konnte keinen einzigen Gedanken meiner Nachbarin hören. Diese zwei Tatsachen verwirrten mich, da mir so was noch nie untergekommen war. Ich überlegte fieberhaft, was diese Änderung bewirkt hatte. Eine zarte Stimme drang an mein Ohr und katapultierte mich wieder in die Realität zurück. Jamilia lächelte beim Sprechen. „Hallo, ich bin Jamilia“, sagte sie schüchtern. Sie streckte mir ihre perfekt manikürte Hand entgegen. Ich schüttelte sie widerwillig und stammelte „Ehmm, Hi Ich … bin Marlin!“. Sie zeigte auf das Modell vom Menschenherzen auf unserem Tisch. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Frau Schöner, die Bio Lehrerin, verschiedene Modelle auf die Tische platziert hatte. „Wir sollen uns das Modell genau unter die Lupe nehmen und dann gemeinsam den Aufbau des Herzens benennen. Möchtest du anfangen?“. „Mir egal“, antwortete ich angespannt, grabschte nach dem Modell und ließ es vor mir auf den Tisch plumpsen. Während der Bio Stunde wechselten wir kein Wort mehr miteinander. Sie kam mir sehr schüchtern vor, da sie immer wieder verstohlen zu mir hinblickte, aber sich nicht traute etwas zusagen. Als das Klingeln der Pausenglocke ertönte, packte ich schnell meine Sachen zusammen und flüchtete aus dem Klassenraum, ohne mich nach ihr umzudrehen oder mich zu verabschieden. Ich musste unbedingt meinen Bruder sprechen. „Hey Leo, wo bist du“, fragte ich ihn in Gedanken. Er konnte nicht weit weg sein, da er mir antwortete „Was willst du Brüderchen? Ich bin gerade etwas beschäftigt.“ „Es geht um die neue. Bitte es ist wichtig“. „Ja, ja ist gut, wir treffen uns am Raucherplatz“. Ich ging mit raschen Schritten durch den Schulhof und sah ihn schon am Raucherplatz stehen. Mit einem Bein stützte er sich an der grauen Wand ab. In der einen Hand hielt er eine Zigarette in der anderen seinen Rucksack. Ich hoffte, dass er mir eine logische Antwort zu meinen Fragen geben konnte.

Kapitel 4

Das Klingeln der Pause ließ mich zusammen schrecken, da ich tief in meinen Gedanken versunken war. Der hübsche schwarzhaarige Junge neben mir packte schnell seine Sachen und schnellte aus dem Klassenzimmer. Die Biostunde war meine erste Begegnung mit Marlin. Ich merkte, dass er ziemlich angespannt war. Erst betrachtete er meine Schönheit und erst danach merkte ich an seiner Reaktion, dass ihm auffiel, das ich anders war als normale Menschen.

Ich spielte meine Rolle sehr gut in dem ich immer wieder schüchtern zu ihm blickte. So wie ich meine Schauspieltalente kannte, wirkte ich überzeugend. Ich erhob mich von meinem Platz und schwang mir meine Tasche über den Rücken. Ich wusste gar nicht genau wo hin mit mir, da die deutschen Schulen nicht gerade den amerikanischen entsprachen. Hier gab es keine Schulkantine, wo sich Schüler in der Pause hinbegeben konnten. Ich war ziemlich glücklich, dass ein auf mich selbstbewusst wirkendes Mädchen mit blonden kurzgeschnittenen Haaren mich ansprach. „Hi. Ich bin Daniela. Möchtest du dich zu mir Gesellen?“. „Oh, Hallo, ja, Danke“ erwiderte ich schüchtern. „Komm ich zeig dir in der Pause ein bisschen die Schule“. Sie ergriff meine Hand und zog mich hinter sich her. Widerwillig ging ich mit. „Und? Wie gefällt dir der Teil der Schule, den du schon gesehen hast?“ „Mir gefällt die Schule. Ich muss mich aber noch ein bisschen dran gewöhnen. Ich bin aus Seattle hergezogen und dort sind die Schulen ziemlich anders!“ Daniela drehte sich zu mir und blickte mich interessiert an „Du kommst aus Seattle? Wie geil! Ich wollte schon immer mal eine Stadt in den USA! Erzähl mir mal wie es dort so ist?“ Als wir die Treppen runter gingen, sah ich den großen Schulhof, überall waren Bänke mit Tischen platziert. Daniela führte mich zu einem fast voll besetzten Tisch. Sie bedeutet mir mich neben einen locken köpfigen Jungen hinzusetzen. „Hallo Leute, das ist Jamilia die neue aus unserer Stufe. Sie kommt aus Seattle und wollte mir gerade ein bisschen über ihre Heimat erzählen!“ 18 interessierte Augen musterten mich und warteten gespannt. „Öhmm, ja es ist wirklich ziemlich toll in Seattle. Fast immer nur Sonne. Die Innenstadt ist echt groß, dort kann man wirklich den ganzen Tag verbringen ohne das einem langweilig wird.“ Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte und war erleichtert als ein Mädchen an unserem Tisch mich unterbrach und ich nicht mehr der Mittelpunkt des Gesprächs war. Sie erzählte gerade, dass ihr Onkel mal 2 Wochen in Seattle war. Die anderen hörten interessiert zu, so achtete keiner auf mich. Ich schaute an dem Jungen gegenüber von mir vorbei und betrachtete die Umgebung. Der Schulhof war ziemlich grün. Es standen viele Bäume rund herum. Es gab auch eine Wiese, wo sich eine Gruppe von schwarz bekleideten Jugendlichen über irgendeine Band unterhielten. Ich folgte ihrem Gespräch eine Weile, bis plötzlich zwei melodische Stimmen an mein Trommelfell drangen. Ein Tisch in unsere nähe war bis auf zwei Jungen komplett leer. Ich erkannte sie erst einmal nicht, da einer von ihnen mir den Rücken zukehrte und die andere Person damit verdeckte. Aber aus ihrem Gespräch konnte ich erraten das es Marlin und Leonard Ondon waren. Wegen ihren Stimmen war nicht schwer zu identifizieren welche zu ihnen gehörten. Sie unterhielten sich gerade über mich. „Ich verstehe immer noch nicht wie so was möglich sein kann“. Hörte ich Marlin sagen. „Ich auch nicht. Am besten fragen wir Eric nach der Schule. Bis dahin beobachten wir sie genauer.“ „Okay, abgemacht. Ah ja, wir werden beobachtet.“ Jetzt erkannte ich, dass Leonard  derjenige war der mit dem Rücken zu mir saß. Marlin starrte mich an. Ich drehte mich schnell zu meinen Mitschülern um und tat so als hätte ich ihnen zugehört. Sie hatten das Thema Seattle schon längst vergessen und redeten über irgendeinen Laden der neu eröffnet hatte.

Die Pausenglocke ertönte. Manche Schüler standen auf und liefen zu ihren Stunden. Marlin und Leonard waren schon längst weg. Die Leute um mich herum blieben sitzen, deshalb machte ich keine Anstalt ,ich zu erheben. „Hey Jamilia, was hast du gleich.“ Ein Mädchen mit freundlicher Miene sah mich an. „Ich weiß nicht genau, warte mal bitte ich guck nach. Ich kramte in meiner blauen Tasche (sie war das einzig interessante an meinem langweiligen Schulmädchen Outfit) nach dem Stundenplan. Ich hatte sie in meinen Collegeblock reingelegt. Ich entdeckte ihn und zog ihn raus. „Ich habe gleich Deutsch und als letztes Englisch“. „Hey ich auch‘‘, rief die blonde Daniela. Toll dann können wir ja zusammen hingehen.“ Ich lächelte Daniela an. „Auch wenn sie ziemlich aufdringlich war, gefiel sie mir. Sie hatte ein normales Gesicht. Wenn sie lächelte wirkte sie aber sehr hübsch und freundlich. Sie hatte einen guten Style, was Kleidung anging. Unter ihrem kurzen Blümchen-Kleid trug sie einen Rock. So wirkte ihr Kleid nicht zu kurz. Sie kombinierte das Blümchen Kleid mit rockiger Lederjacke und süßen Riemchensandalen. Sie wäre eine perfekte Kandidatin für eine normale Freundin. Mit ihr hätte ich bestimmt Spaß in Berlin. Sie könnte mir ihre Lieblingsplätze zeigen und auch die beliebte Innenstadt.

„Komm Jamilia, lass uns gehen“ sagte sie freundlich, aber bestimmt. Ich stand auf und ging zu ihr rüber. Die anderen gingen zu ihren Kursen. Gemeinsam gingen wir Richtung Neubau der Schule.

Der restliche Tag lief relativ ruhig. Ich traf keinen der Vampir Brüder mehr, hatte aber meinen Spaß mit Daniela. Sie saß mit mir in Englisch und Deutsch. Sie war ziemlich beeindruckt von meinen Kenntnissen in beiden Fächer. Wir tauschten uns über unsere Interessen aus und entdeckten Gemeinsamkeiten im Musik und Filmgeschmack. Obwohl ich ja eigentlich gar nicht auf Hip-Hop stand. Ich bin eher der Metal, Rock Typ, aber das konnte ich ihr ja nicht anvertrauen, da  es nicht zu meinem Image gepasst hätte.

Nach dem Unterricht verabschiedeten wir uns. Ich hatte ihr meine Telefonnummer gegeben und erwartete heute einen Anruf von ihr. Sie wollte mir eine Willkommensparty schmeißen, obwohl ich ihr sagte, dass es nicht nötig wäre. Sie ignorierte das uns sagte mir, dass sie gerne Partys schmiss und es für sie kein Problem wäre. Ihre Eltern wollten übers Wochenende weg fahren und überließen ihr und ihrem Bruder Calvin (22) das Haus. Ich willigte ein und verabschiedete mich von ihr.

Leider muss man in Deutschland, wenn man einen Führerschein mit 17 besitzt, einen Beifahrer haben. Deshalb musste ich mit dem Bus fahren. Bevor ich nach Hause fuhr, statte ich dem Direktor der Schule nochmals einen Besuch ab, um Information zur Schule und den Regeln zu erhalten. Als ich danach zur Bushaltestelle ging, war die Schule schon fast leer. Der Fahrplan war übersichtlich gestaltet und informierte mich darüber, dass ab 15 Uhr der Bus nur alle 20 Minuten fuhr. Ich schaute auf meine Handy Uhr. Es war 15 Uhr. „Na super noch 20 Minuten warten.“ dachte ich verärgert. Ich stand am Bushalteschild und beobachtete die Umgebung. Gegenüber der Haltestelle, befand sich der Parkplatz der Schule. Es standen einpaar Autos und ein Motorrad. „Gehört bestimmt keinem Lehrer“ dachte ich mir musste aber bei über die Vorstellung, meine gebrechliche Deutsch Lehrerin auf einem Motorrad zusehen, lachen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass jemand neben dem Motorrad, verdeckt von einem nebenstehenden Van. Stand und schreckte auf, als der Motor losging. Ein schwarzhaariger Junge zog sich seinen Helm an und manövrierte sein Bike in Richtung Ausgang des Parkplatzes. Erst jetzt bemerkte der Junge mich. Es war Marlin. Er sah in seiner Bikerjacke echt scharf aus. „Zum Glück kann er meine Gedanken nicht hören“, dachte ich und lächelte ihm zu. Er erwiderte mein Lächeln nicht und fuhr davon.

„Du bist ne harte Nuss“, flüsterte ich ihm nach. Meine Entscheidung hatte ich getroffen. Marlins Bruder war mir eine zu leichte Beute. Ich erkannte ihn sofort als Mädchenaufreißer. Er würde denken, dass er mich um den Finger wickeln kann. Und ich würde ihm scheinbar restlos verfallen sein. Viel zu einfach. In Leonard sah ich keinen Reiz. Marlin hingegen wirkte verschlossener und deshalb unnahbar.

,,Eric es wird mir ein Vergnügen sein deinen Sohn, dein Leben und dich zu zerstören‘‘, dachte ich laut und zerquetschte in Gedanken versunken eine Dose Cola, die ich in der Hand hielt. Ich warf sie achtlos auf den Asphaltboden und stieg grinsend in den anfahrenden Bus ein.

Kapitel 5

Der Rest der Woche verlief ohne besondere Ereignisse. Es gab nichts wirklich Interessantes zu berichten. Während dieser Woche hatte ich nur noch einmal Bio, aber da war Marlin nicht da. Wahrscheinlich hatte er diese Stunden geschwänzt, denn in den Pausen sah ich ihn öfters alleine an einem Tisch sitzen. Er hörte fast in jeder Pause Musik. Öfters gesellte sich ein gelbhaariges  Mädchen zu ihm. Sie war scheinbar der einzige Menschenkontakt für ihn, wie ich es aus ihren Gedanken erraten konnte. Sie war ein ziemlich hübsches Mädchen, hatte matte braune Augen und ein spitzes Kinn. Sie hatte einen kleinen Bauch, der manchmal unter ihren kurzen T-Shirts zum Vorschein kam. Was meinen Geschmack anging, hatte sie einen eigenartigen Style. Sie kombinierte auch nicht alle Farben passend zu einander. Aber ich verurteilte die Menschen nicht nach ihrem äußeren. Seit dieser ersten Woche hatte ich Melina immer gutgelaunt gesehen, was daran liegen könnte, dass sie sich mit jedem neuen Tag neue Chancen bei Marlin erhoffte. Er wirkte ein wenig abweisend und auch nicht sonderlich interessiert daran, eine Beziehung mit ihr zuführen. Ich gebe zu einwenig eifersüchtig war ich schon. Sie konnte, was das äußere anging, mir nicht das Wasser reichen. Aber sie ging so locker und frei mit ihm um, so wie ich es eigentlich normaler Weise auch getan hätte. Doch musste ich in meiner Rolle bleiben, und ein schüchternes introvertiertes Mädchen spielen.

Außerdem war sie wirklich der einzige Mensch den Marlin duldete, was deutlich für Melina sprach.

Ich spürte oft Marlins Blick auf meinem Rücken, er beobachtete mich hin und wieder. Somit hatte ich mein erstes Ziel erreicht, ich war ihm aufgefallen.

In dieser einzigen Woche arbeitete ich daran, Beziehungen zu andern aufzubauen. Danielas Clique hatte mich aufgenommen. An ihrer Art zu reden und ihrem Aussehen merkte ich, dass sie in der Schule sehr angesehen waren. Wenn ich nicht so gut ausgesehen hätte, wäre ich nicht bei ihnen gelandet, das war mir sofort klar. Manche von ihnen waren ziemlich oberflächlich. Mit denen bin ich auch keine engere Beziehung eingegangen. Die drei einzigen, die ich wirklich mochte waren Daniela, Alicia und Chacie. Alicia hatte sofort versucht mich kennen zulernen. Alicia, das Mädchen mit der immer freundlichen Miene. Sie hatte eine eigenartige, schon fast vampirische Ausstrahlung, die alle im Umkreis zum lächeln brachte. Niemand der neben ihr stand konnte schlecht gelaunt sein. Die Kleine war ein wenig frech und vorlaut, genau der Typ Mensch der mir gefiel. Ihr rot-blondes Haar war zu einem schulterlangen Fransenschnitt geschnitten. Sie hatte einen blau gefärbten Pony und dazu passende blau, dunkele Augen. Manchmal konnte ich ihre Pupille nicht mehr von der Iris unterscheiden. Ich hab eine sehr gute Sehkraft, wie die einer Fledermaus und kann wirklich die Details jedes Objektes sehen. Aber bei ihren Augen half auch die beste Sehkraft nicht. Sie faszinierten mich sehr. Alicia hatte eine klare Lieblingsfarbe: Schwarz. Ihr Kleiderschrank bestand fast nur aus schwarzen Teilen. Nur manchmal kleidete sie sich in braunen oder blauen Tönen.

Chacie, Alicias Bruder war wohl der schüchternste in der Clique. Er sagte nicht oft etwas, aber wenn er was zusagen hatte, dann war dies sehr interessant und bedeutend. Er sprach nicht mit, wenn die anderen über Mitschüler lästerten oder über Mädchendinge sprachen. Er beteiligte sich nur bei Diskussionen über ihm wichtige Themen, wie Umweltschutz oder die Präsidenten-Wahl. In seinem Kopf sah es nicht anders aus. Er schien ein Beobachter zu sein. Chacie betrachtete die Welt um sich herum mit anderen Augen als die meisten Teenager in seinem alter sie sahen. Viele fantasiereicher. Er sah wirklich alle Farben des Himmels, und der Bäume. Wahrscheinlich war er ein Dichter oder schrieb gerne Bücher. Wir ähnelten uns ein bisschen. Ich sah äußerlich zwar schon immer so aus, als würde ich mir nur Gedanken über mein Aussehen machen. Aber so war ich nicht immer. Ich konnte auch anders sein. Viel erwachsener und bescheidener. Diese Seite von mir kannte kaum einer (Soll sich das bald ändern?). Die einzigen die mich wirklich mit anderen Augen betrachtete hatten waren meine Mutter und Eric. Eric war in meinem Menschenleben ganz anders, als die anderen jungen Männer. Sie wollten allesamt nur mich zur Braut haben, um vor Anderen mit mir angeben zu können (ich sah auch noch vor meiner Verwandlung bezaubernd aus). Eric war anders und das war es, was mir so an ihm gefiel. Er interessierte sich für alles was ich sagte und bewunderte mich. Ihm gefiel meine stumme und in Gedanken versunkene Art. Hätte er mich nicht nach meiner Verwandlung im Stich gelassen, wäre ich heute vielleicht ein ganz anderer Vampir geworden. Vielleicht wäre ich Chacie heute noch viel ähnlicher. Chacie sah nicht aus wie ein allseits beliebter Footballspieler, wie man sie in amerikanischen Filmen, aber auch im echten Leben antraf. Er hat eine ziemlich dürre Figur. Er spielt gerne Fußball, hat aber keinen superdurchtrainierten Sixpack. Er wirkte anfangs ziemlich zerbrechlich, aber wenn man ihn etwas genauer betrachtet, kann er auch ganz anders sein. Dieses andere hoffte ich, würde ich bald mal entdecken. Er fasziniert und interessierte mich sehr.

Die anderen in der Clique waren ganz nett, interessierten mich aber nicht besonders. Es gab noch 3 Mädchen, Luisa (die super Schlanke), Elen (die Kleine) und Susan (die Kluge). Dann gab es noch Mike (der Möchtegern Komiker) und Tim (der echte Komiker).Tim war von den andern noch am erträglichsten, aber auch nicht weiter interessant. Obwohl es nur eine Woche war, verstand ich mich blenden mit ihnen und so kam es zu unserer Verabredung am Freitagabend, gemeinsam die Party bei Daniela zu planen.

 

Wir saßen bei Daniela im Wohnzimmer, sie hatte dort so viel Platz, man hätte meinen können, dass es für jeden von uns ein Sofa hätte geben können. Danielas Eltern hatte ich nicht kennenlernen können, da sie schon morgens abgereist waren. Aber ich erhaschte einen Blick auf ihren Bruder Calvin. Er sah gut und sportlich aus und war erstaunlich groß. Er schien sich für mich zu interessieren, verwarf aber den Gedanken, da er dem Anschein nach die Freundinnen seiner kleinen Schwester nicht anbaggern wollte. Trotzdem warf er mir einen verführerischen Blick zu, als wollte er mir sagen „Vielleicht kann ich trotzdem mal knabbern“.

So saßen wir nun und überlegten wen wir einladen sollten und was wir an Alkohol anschaffen wollten. Ich vertrug Alkohol sehr gut, dachte aber darüber nach nicht soviel zutrinken, da naive, kleine Mädchen nicht viel trinken.

„Auf jeden Fall sollte es Bier geben“ rief Mike.                                              

Er spielte gerade an der xBox von Calivn und war damit Beschäftigt einpaar Soldaten abzuschlachten. Neben ihm saß Daniela und starrte ihn amüsiert an. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie schon seit längerem auf ihn stand, da sich ihre Gedanken fast nur um ihn drehten.

 „Mein Bruder will auch Leute einladen, ist aber auch bereit ein paar Getränke zu mischen. Er arbeitet in einer Bar und ist ein echter Profi“, sagte Daniela und sah Mike weiter noch verträumt an.„Hey, das ist super. Ich stehe sowieso nicht auf Bier“, Alicia blickte in die Runde und klimperte mit ihren dunkel getuschten Wimpern.

 „Ich sag ihm dann Bescheid, er weiß ja sowieso was er für seine Drinks besorgen muss, also besorgt er uns Alkohol! Was ist mit irgendwas zu essen? Brauchen wir was?!“ Daniela schaute endlich weg von Mika in die Runde.

„Höchstens Chips oder so was, aber mehr auch nicht“, ertönte es aus der Küche nebenan. Susan hatte Hunger bekommen und kramte grade im Kühlschrank rum. „Man ihr habt ja nichts vernünftiges zu Essen“, sie betrat das Wohnzimmer mit einer Karotte im Mund. Susan steht nicht so auf gesundes Zeug, was mich wirklich zum erstaunen bringt, da sie aussieht als würde sie noch nicht mal in betracht ziehen Fastfood zu berühren. „Wen sollen wir eigentlich alles einladen?“. Die blonde Luisa saß am Fenster und starte aus dem Fenster. Sie beobachtete, wie die Tropfen auf dem Asphalt plätscherten und sich schnelle zu einer Pfütze bildeten. Chacie saß neben ihr und hielt ihre Hand. (Ich hatte vorher gar nicht bemerkt, dass sie zusammen waren. Sie waren so Unterschiedlich, da hatte ich es gar nicht in betracht gezogen. Gegensätze ziehen sich doch an. )Es regnete nicht mehr so stark wie vorher, aber Luisa war trotzdem verärgert, da sie sich noch nicht von Sommer verabschieden wollte. Bald würde, sie wieder ihre Wintersachen auspacken müssen und könnte so ihre Figur nicht zur Geltung bringen. Sie müsste die unter dicken, kratzigen und unförmigen Pullovern verstecken. Sie übertrieb einwenig, auch wenn sie das nur dachte. So kalt war es noch gar nicht, der September fing erst gerade an,  außerdem gab genug  Pullover, die Figuren betonten. Menschenmädchen und ihre Probleme. Ich verdrehte innerlich die Augen und sagte das erste Mal was an diesem Abend. „Vielleicht könnten wir die Leute aus unserer Stufe einladen?!“. Natürlich sagte ich das nur, da ich wusste das Daniela Marlin sonst nicht einladen würde. Sie fand ihn zwar super schnuckelig, verstand sich aber nicht so gut mit ihm. „Stimmt eigentlich, ist ne gute Idee. Du musst ja schließlich die Menschen kennen lernen, mit denen du es das ganze Jahr zu tun haben wirst“. Daniela war ziemlich froh darüber, dass ich mich so langsam in die Gruppe einbrachte. Sie mochte mich wirklich und wollte mich auf jeden Fall beibehalten. Ich stand vom Sofa auf, wo ich neben Tim gesessen hatte, der vergeblich versuchte mein Interesse auf sich zu lenken (armer kleiner Junge), strich mein langärmliges Shirt glatt und setzte mich auf den Stuhl neben dem Computertisch. Danielas Eltern waren wirklich sehr reich und besaßen das neuste Modell eines PC’ s. Nicht das ich das auch nicht hätte.

„Kann mir jemand vielleicht ein Blatt und Stift geben und mir die Leute aus unserer Stufe aufzählen.‘‘

 „Das kann ich machen“, Tim stand von seinem Platz auf und gesellte sich zu mir. Er hatte es wohl immer noch nicht aufgegeben. Er reichte mir ein Blatt und einen roten Kugelschreiber und grinste mich fröhlich an. „Bist du bereit?“. Ich nickte und er fing an die Leute aufzuzählen: „Nina Penselenskei, Esmeralda Seiner, …, Marlin Ondon,... . „Öhmm“, unterbrach ich ihn, „was weißt du eigentlich über Marlin?“. Ich versuchte meine Frage so uninteressiert wie möglich klingen zu lassen, aber so ganz hatte es nicht geklappt. Tim musterte mich skeptisch, lächelte aber wieder und fragte

„Wieso fragst, du?“.

 „Ahh, nur so. Er sitz neben mir in Bio und wirkt ziemlich abweisend!“.

„Ja, das ist er auch.“ Er wartete auf Zustimmung der anderen, aber die waren mit anderen Dingen beschäftigte. Daniela beobachtete Mike, der jetzt mit Elen Autorennen auf der xBox spielte. Luisa und Chaice saßen immer noch am Fenster. Alicia konnte ich nicht entdecken und Susan genoss ihre Karotten.

„Ich kenn ihn zwar nicht so gut, aber das scheint ihn nicht zu stören. Ich weiß nur, dass seine Familie vor ein paar Jahren hergezogen ist und sein Vater ziemlich angesehen ist. Er ist Professor der Universität Berlin und hat vor ein paar Jahren irgendetwas Tolles in der Medizinforschung entdeckt. Marlin hat einen gleichaltrigen Bruder Leonardo. Er ist ein echter Aufreißer und beliebet bei den Mädchen. Wenn Marlin nicht so abweisend wäre, muss ich zugeben, wäre auch er nicht unbeliebt! Er hängt aber immer mit dieser Melisa ab, ah ne Melina hieß die. Gott weiß warum. Und er spielt Gitarre in einer Band.“

„Und Geige“, fügte ich im Gedanken hinzu“.

„Ich sehe ihn nicht wirklich außerhalb der Schule, habe ihn aber mehrmals im Rockcafe rumhängen sehen. Der Schuppen ist eigentlich ganz gut. Es ist so etwas wie eine Mischung aus Bar, Disko und live Musik. Aber halt für Menschen die gerne Rockmusik hören“. Tim wusste zwar nicht viel, hatte mir aber einen wichtigen Punkt verraten: Wo Marlin die meiste Zeit verbrachte. Nachdem er mir die ganzen für mich unwichtigen Namen auflistete, besprachen wir noch wer welche Musik mitbringen sollte. Chacie und Luisa waren früh gegangen. Alicia, Susan und Elen waren zum übernachten eingeladen. Eigentlich wollte Daniela mich auch dabei haben, aber ich sagte ab, mit dem Vorwand nicht zu dürfen. Der eigentliche Grund war, dass ich mal wieder Hunger hatte und nach saftigen Menschen Ausschau halten musste (Bei Nacht ist es immer am unauffälligsten). Ich wollte nicht, dass meine neuen Freundinnen die Opfer waren. Dafür waren sie mir doch zu schade. Mike blieb etwas länger. Als ich mich auf den Weg machen wollte lud mich Tim ein bei ihm mitzufahren, aber ich lehnte ab. Sein enttäuschtes Gesicht war nicht zu übersehen. Es nieselte noch einwenig, aber ich hatte sowieso nicht vor nach Hause zu gehen. Ich wollte mir mal ein wenig das Rockcafe ansehen. Ich bestellte mir ein Taxi, der mich in die Innenstadt brachte. Der Taxifahrer war nicht gerade das, was man freundlich nennen konnte. Er stoppte, da wir schon am Platz angekommen waren. Als ich ihn nach einer Wegbeschreibung zum Rockcafe fragte, musterte er mich er mich und lachte. „Finde nicht, dass du da reinpassen würdest.“ „Hast Recht“, lachte ich freundlich, „aber was geht dich das an?“ Meine Mine ändert sich schlagartig. Meine sonst so kindlichen Züge härteten sich. Die Augen wurden rot. Ich packte ihn an den Haaren und zog ihn zu mir ran. Er war von meinem plötzlichen Angriff schockiert und überrascht zugleich. Ich zerrte seine langen, Straßenköterblonde Haare aus dem Weg und schaute begierig auf seinen Hals. Unter meiner Hand pulsierte seine Ader. Ich zog ihn noch näher an mich ran und bis schnell zu. Das warme Blut füllte meinen Mund. Es schmeckte sehr bitter. „Bestimmt ist das so ein Drogen- und Alkoholsüchtiger“, dachte ich und trank weiter, merkte aber bald, dass sein Körper immer schwerer wurde und riss mich widerwillig von ihm los. Mein Mund beugte sich über die offene Wunde. Ich streckte die Zunge raus und leckte das übrige Blut weg. Die Wunde schloss sich langsam. An ihrer Stelle tauchten zwei kleine Punkte auf. Das Markenzeichen des Vampirbisses. In seinem Taxi kramte ich nach einem Stofffetzen und wickelte seinen Hals damit ein. So würden ihm, wenn er wieder beim vollen Bewusstsein war, die Punkte nicht auffallen. Sein Kopf hatte sich zur Seite gedrehte, ich packte ihn und schob ihn zu mir rüber. Er sah mich halbschlafend an. Meine Augen glühten und bohrten sich in die seiner. „Du wirst das hier vergessen und nach dem aufwachen denken, dass deine Drogen zu spät gewirkt haben.“, flüsterte ich ihm zu und schob ich ihm eine kleines Tütchen in die Pullovertasche. Im Tütchen waren zwar nur Reste meines weißen Puders drin, aber das musste er ja nicht wissen. Er nickte und kippte dann nach vorne. Ich stieg aus dem Wagen und machte mich auf die Suche nach dem Rockcafe. Hoffentlich dachten die Menschen um uns herum, dass wir mit anderen Dingen beschäftigt waren. Aber eigentlich bestand kein Grund zur Sorge, da es schon ziemlich dunkel war. „Die U-Bahn ist bestimmt irgendwo in der nähe, dort hängt immer ein Plan der Innenstadt, vielleicht finde ich dort das Cafe“, dachte ich mir. Meine Intuition ließ mich nicht im Stich. Die Treppe, welche zur U-Bahn führte, war mitten auf dem Platz. Rund um ihn gab es viele Läden, die aber um diese Uhrzeit schon längst geschlossen waren. Hier und da flackerten Lichter, die aus der weite zu mir her schienen. Ich stieg die Treppen runter und fand den Plan am Aushängeschild. Das Rockcafe befand sich weiter nördlich. Nachdem ich mir die Mappe eingeprägt hatte, ging ich wieder nach oben. Es dauerte nicht lange, da sah ich schon ein großes Schild, das mit leuchtend blauen Neonlampen darauf hinwies, dass das hier das Rockcafe war. Ich betrat den Raum und staunte. Tim hatte diesen Schuppen nicht mal annähend so gut beschrieben, wie er in Wirklichkeit war. Das Licht hier war abgedunkelt, auf jedem Tisch stand eine Kerze. Zu jedem Holztisch gab es einen passend rote Couch und je nach Tischgröße, 2-6 dunkelrote Stühle. In der Mitte des Raumes waren kleinere Tische mit 2 schwarzen Stühlen platziert. Ganz Hinten ragte eine große Tribüne, auf der eine Band performte. Sie spielten einen langsamen Rocksong von den Beatles. Ein wirklich schöner Song. Die Tanzfläche war vor der Tribüne platziert und durch einen blauen Teppich markiert. Die Bar stand direkt neben der Tribüne. Aus der Sicht konnte man die Band von der Seite betrachten. Das Besondere an den Sitzen neben der Bar war, das sie mit einem Jeans ähnlichem Stoff ausgelegt und beschriftet waren. Beim näheren betrachten, merkte ich, dass es Unterschriften von verschiedenen Bands waren. An dem Stuhl, auf dem ich saß erkannte ich sogar die Unterschrift von einem der Rolling Stones. Ich hatte schon seit langem, keinen so coolen Laden gesehen. Dieser Viertel Berlins gefiel mir. Schnell begab ich mich auf einen Platz in einer hinteren Ecke. Die Kellnerin, ein grosses dunkelhäutiges Mädchen eilte zu mir, um meine Bestellung aufzunehmen. Ich bestellte ein Whisky-Cola, rechnete aber damit, dass das Mädel mich nach meinem Aufweis fragen würde. Das tat sie aber nicht, lächelnd verliess sie meinen Tisch und stolzierte zu den Zapfhähnen. Ich saß eine Weile auf dem Stuhl rum, wartete auf mein Getränk und betrachtete die Band, welche einen mir unbekannten Song spielte. Mein Kopf war voll von Menschengedanken. Es ist immer besonders schlimm in einem großen Raum. Ich versuchte sie zu ignorieren und konzentrierte mich auf den Song. Er gefiel mir. Doch lange wollte ich nicht bleiben. Ich schaute durch die Menge und stand auf, als plötzlich eine mir bekannte melodische Stimme an mein Ohr drang.

Kapitel 6

Sobald ich im Rockcafe war konnte ich immer ich selbst sein. Dort spielte ich oft mit meiner Band „Golden Rock“. Die Zuschauer liebten uns, was mir immer ein Gefühl von Stolz und Selbstsicherheit gab. Aber das Schönste daran war, dass ihnen das gefiel, was ich so Leidenschaftlich verfolgte und tat. So empfanden auch meine Bandmitglieder, was uns letzten Endes zusammengeführt hatte. Ich atmete tief ein und genoss den holzig- rauchigen Geruch der Bar. Danach drehte ich mich um und blickte in die Runde der Band. Rick (der Schlagzeuger) war 20 Jahre und auch ein Vampir. Er war ein guter Kumpel meines Vaters. Wir verstanden uns blendend. Dann gab es noch Toni (Bass) ebenfalls Vampir und Luce( Gitarre). Luce war zwar kein Vampir, wuchs aber als Adoptivsohn in einer Vampirfamilie auf. Sie warteten auf seinen 18ten Geburtstag, dann würde er auch verwandelt werden. Ich wusste nie, ob Luce ein Vampir sein wollte, aber er schien sich nicht zu beklagen. Ich sah es ihm aber manchmal an, dass wenn er eine Wahl hätte, er sich lieber für ein kurzes Menschenleben entschieden hätte.

Am Freitagabend spielte ich mit meiner Band wieder im Rockcafe. Wir waren dort sozusagen Stammgäste. Wir spielten meinen neu komponierten Song. Es war ein langsames, aber trotzdem rockiges Lied. Das Publikum war begeistert und stimmte mit ein. Als wir fertig waren spielten wir noch einen Song. Diesmal hatte der Song ein schnelleres Tempo, gefolgt von sanften Bass Klängen und harten Schlägen des Schlagzeugs. Ich rückte mit einer Hand das Mikrophon ein wenig näher und begann zu singen. „You’re one human being in this world. Do not try to change it. Take it easy, live you’re pretty live. And don’t forget to dance a lot”. Beim spielen konzentrierte ich mich immer sehr und vergaß alles um mich herum. Doch irgendetwas hinderte mich an dem Tag. Ich spürte plötzlich klar einen fremden Vampirgeruch. Es war süß und roch einwenig nach Parfüm. Ich dachte erst ich hätte mich geirrt und ignorierte es. Aber er war so stark, dass ich noch von Glück sagen konnte irgendwelche Töne zu treffen. Ich dachte erst ich würde unseren ganzen Auftritt versauen, da merkte ich, wie der Geruch sich langsam verflüchtigte. Mein Kopf hob sich fast automatisch nach oben und ich erhaschte noch einen Blick auf die roten, nassen Haare einer sich weg bewegenden Figur. Plötzlich johlten die Menschen begeistert um uns herum und ich verstand, dass unser Auftritt zu Ende war. Wir packten unsere Sachen und machten der nächsten Band platz. Danach setzten wir uns erschöpft an unseren Tisch. Es war einer am Fenster in der hintersten Ecke. Dieser Tisch war sozusagen unser persönlicher V.I.P Tisch. Dort saßen wir immer und konnten uns ungestört unterhalten und entspannen. Rick hatte es sich neben mir bequem gemacht und nippte an seinem frischen Bier. Meines stand unberührt auf dem Tisch.

„Hey Man“, Rick drehte sich zu mir und blickte mich forschend mit seinen braunen Augen an. Seine Glatze schimmerte im Kerzenlicht (er erinnert mich immer an eine Bulldoge). „Was war eigentlich gerade mit dir los. Du wirktest so steif und unkonzentriert, das ist doch sonst nicht deine Art“. „Verdammter Mist“, dachte ich, „Vampire merken auch echt alles“.

 „Ah nichts Man!“, antworte ich unglaubwürdig. „’s jetzt nicht dein Ernst? So schlecht hab ich gespielt, als ich 5 war“.

„Hey Rick du kennst doch alle Vampire in Berlin?“.

 „JA, aber lenk nicht vom Thema ab“, Rick starte mich an. Man sah ihm an, dass er nicht locker lassen würde, bis ich die Wahrheit sagen würde.“

„Naja“, stammelte ich „Beim spielen kam plötzlich ein echt ziemlich, starker, fremder Vampirgeruch zu mir rüber. Es war so seltsam. So was hab ich noch nie erlebt“.

 Rick sah mich belustigt an. Alle Bandmitglieder lachten gleichzeitig los.

„Hey, das ist mein Ernst Leute“, ich versuchte gegen ihr Gebrüll durch zu dringen, schaffte es aber nicht. „Ich glaube du brauchst einwenig Luft.“, brach Rock hinter seinem Lachen hervor. „Ja, ich glaub ihr habt Recht, sehen uns dann morgen“, ich versuchte ein Lächeln aufzubringen. Ich packte meine Gitarre und meine Jacke und stürmte aus dem stickigen Raum. „Ich nehme mir dein Bier, Ja?“, rief mir Jeffrey hinterher. „Ja, ja“, rief ich hinterher. Eigentlich hätte kein normaler Mensch im lauten Gebrüll meine Stimme hören können, aber wir waren ja auch keine Menschen (naja, fast alle).

Ich lief zu meinem Motorrad und landete elegant auf dem Sitz. Ich wollte in den Wald fahren. Rennen half mir immer mich ein bisschen abzuregen. „Das habe ich mir bestimmt alles nur eingebildet“, flüsterte ich und bemerkte die rothaarige Gestalt nicht, die ein paar Meter abseits stand.

Kapitel 7

Es füllte sich gut an den pfeifenden Wind auf meinem Gesicht zu spüren, als ich durch den Wald lief. Ich war zwar nicht der schnellste in unserer Familie, konnte aber als Vampir ungefähr 100-mal schneller laufen als ein gewöhnlicher Mensch. Ich liebte diese Eigenschaft des Vampirseins, da es ein berauschendes Gefühl war; als ob man auf einer Achterbahn fahren würde. Es erfüllte mich immer mit Glücksgefühlen und lenkte mich ab, da ich rechtzeitig reagieren musste, um nicht gegen einen Baum zu knallen und ich so zu beschäftigt war, um an die Geschehnisse im Rockcafe nach zudenken. Das Renen hatte mich ablenkt, doch jetzt wo ich damit aufgehört hatte, kamen wieder alle Gedanken an die Oberfläche. Eigentlich war nichts Besonderes daran, einen unbekannten Vampir anzutreffen. In meinem 58 Jährigen Leben war mir das schon öfters passiert. Vor 3 Jahren, als meine Vampirfamilie und ich in Tokio lebten, kannten wir dort ein nettes Vampirpärchen, dir schon 300 Jahre zusammen waren und wirklich viel erlebt hatten. Es faszinierte mich immer ihnen bei ihren Geschichten zuzuhören. Aber am meisten faszinierte mich, wie sie nach 300 Jahren Zusammenlebens, immer noch so frisch verliebt, wie an dem Tag ihrer ersten Begegnung wirkten. Wenn die Frau, Susanne, etwas erzählte, löste ihr Mann, Thimon, seinen Blick niemals von ihr. Er lächelte verliebt und hörte ihr Aufmerksam zu. Ihre Zuneigung zueinander präsentierten sie allen. Ihnen war nicht wichtig wer alles zu guckte. Es war als ob sie in ihrer eigenen kleinen Welt lebten und nur manchmal die Tür zur Realität öffneten, um ihre Erlebnisse mit anderen zu teilen. Zugegeben war ich schon immer einwenig Eifersüchtig auf sie, da ich noch nie so eine Zuneigung zu jemanden verspürt hatte. Auch als ich ein Mensch war und als Emilian Soventinus Spanien unsicher machte, verspürte ich diese Art der Gefühle nie. Meine Freunde waren toll, ich verstand mich auch gut mit den Mädels, aber es gab niemals das eine besondere Mädchen.

Auf dieser Welt gibt es viele Vampire. Sie vermehren sich immer schneller, da die meisten Neugeborenen, die sich mit ihren neuen Kräften nicht auskennen, von ihren Erzeugern im Stich gelassen werden und so niemals lernen mit ihren Kräften richtig umzugehen. So beißen sie weitere Menschen und können ihnen nicht helfen, da sie selbst nie gelernt haben, was richtig ist und was nicht. Diese Vampire sind überall auf der Welt verteilt. Die meisten bevorzugen kältere Regionen, wo nur selten die Sonne scheint. Die Sonne schwächt uns sehr und macht uns mit ihren Strahlen kurzzeitig hilflos wie einen gewöhnlichen Menschen. Wen uns Vampiren zu viel Sonne ausgesetzt wird, können wir dadurch sogar einen qualvollen Tod erleiden. Es gibt nur wenige Vampire, die es schafften, die Sonne zu überlisten. Wie zum Beispiel meine Familie. Wir haben gelernt die Sonne auszutricksen, indem wir mit viel Mühe eine Schutzkuppel um uns errichteten, die ca. 15 Minuten hält. So schafften wir es bei plötzlichen Sonnenstrahlen uns zu schützen und schnell einen sicheren, dunklen Ort aufzusuchen. Mein Vater Eric war durch seine langjährige Erfahrung, sogar in der Lage, eine Kuppel um sich und andere in der nähe stehende Vampire zu errichten.

Berlin ist im Sommer ein ziemliche warmer Fleck in Deutschland und deshalb nicht gerade ein Vampir besiedelter Ort. Jeder kennt hier jeden. Wenn neue Vampire in die Stadt gelangen, werden sofort alle benachrichtigt, damit jeder Bescheid weiß. Auf diese Weise haben wir Luce und Luce’s Familie kennen gelernt, die aus dem Norden hier her gezogen sind. Sie haben die Kuppel Technik erlernt und so ein fünfjähriges, angenehmes Leben in Berlin geführt.

Kein Vampir macht ein Abstecher in Berlin, ohne vorher dem Staat bescheid zu sagen, welcher mit mächtigen Vampiren besetzt ist. Diese leben schon seit 500 Jahren auf dieser Welt und sind sehr erfahren. Sie regeln alles und lassen keine Lücken zu. Doch ich hatte den Beweiß für eine Lücke heute gefunden. Auch nachdem ich mich 1 Stunde lang im Wald abreagiert hatte, war ich mir sicher, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Ich habe einen sehr stark ausgeprägten Geruchssinn, der mich niemals im Stich lässt. Ich hatte den fremden Vampir deutlich gespürt. Diesen leicht süßen Parfüm-Vampir Geruch würde ich niemals Vergessen können. Er war so intensiv gewesen, dass er mir für einen kurzen Moment meine Konzentration raubte und meine ganzen anderen Sinne benebelte, so dass ich nicht schnell genug reagieren konnte und meine Chance verpasste den Vampir zu Gesicht zu benommen.. Das einzige was ich noch sah, waren diese dunkel roten, nassen Haare die im Kerzenschein glänzten und von denen ein Blumiger Geruch kam. Tief in Gedanken versunken näherte ich mich meinem schwarzen Motorrad. Ich war nach den Geschehnissen im Rockcafe so derart verwirrt, dass ich mich nicht erinnern konnte, den Helm am Motorrad liegen gelassen zu haben. Ich setzte den rot, schwarz karierten Helm auf und stieg auf das Mottorad. Danach drehte ich den Zündschlüssel im Schloss und brauste los. „Na, toll, dachte ich enttäuscht, „das einzige was ich weiß ist, dass der Vampir atemberaubend riecht, rote Haare hat und…“. Abrupt stoppte ich und wäre wahrscheinlich vom Mottorad geflogen, wenn ich als Vampir keine unfassbare Stärke besäße, und somit das Mottorad leicht zum stoppen brachte. „ Es war eindeutig ein Mädchen-Duft.“, flüsterte ich vor mich hin und ließ die vom Beinahe-Unfall Geschockten Passanten hinter den von meinem Motorrad erzeugten Rauchwolken stehen.

Kapitel 8

Tschüss Elven“, rief ich laut hinter mir her und Schloss die Tür unseres Hauses hinter mir zu. Ich musste mich einwenig beeilen, da ich sonst meinen Bus verpasst hätte. „Man, als Vampir hab ich so was eigentlich gar nicht nötig“, brummte ich leise vor mich hin und kickte auf dem Weg zur Bushaltestelle einen Stein aus dem Weg. „Klar hab ich das nicht nötig, aber wir wollen die Menschen hier ja nicht verschrecken und ihnen auch nicht in der zweiten Woche, einen Beweiß für die Existenz von „Monstern“ vorlegen.“ Ich lief weiter über den gepflasterten Gehweg, beobachtete aber währenddessen die Umgebung. Unsere Straße und unsere Nachbarn sahen wirklich wie aus einem Bilderbuch entsprungen aus. Die kleinen, braven Kinder vergnügten sich auf dem großen Nachbarschaftsspielplatz. Die perfekten Hausfrauenmütter saßen gemeinsam auf einer naheliegenden Bank und unterhielten sich über ihre Kinder und den Haushalt. Dabei ließen sie ihre süßen Kinder nicht aus den wachsamen Augen, um im Falle einer Verletzung sofort zu ihnen zu eilen mit einem kleinen Reisemedizintässchen und einpaar Lollis im Handgepäck.

Die perfekten Ehemänner waren nicht zu sehen, da alle reiche Geschäftsmänner waren und maßen weiße zu tun hatten. Die Häuser rund um den Spielplatz sahen hübsch und ordentlich aus. Die Drecksflecken der Wände wurden überstrichen. Die Fenster glänzten blitzeblank. Jedes Haus besaß einen perfekten Garten mit Bilderbuch Rosen und frisch gemähtem Garten. Die Autos, die vor der Veranda standen waren allesamt die neusten Modele, welche im leichten Sonnenschein (perfektes Wetter) glänzten und ihre volle Pracht präsentierten.

Hier sah es genauso wie bei den „Desperate Housewives“ aus. Ich hoffte nur, dass die Menschen  auch hier schmutzige Geheimnisse hinter ihren perfekten Masken verbargen. Es würde mir meinen Alltag in Berlin erheblich versüßen.

Bis zur Bushalttestelle dauerte es noch einwenig, deshalb beeilte ich mich. Ich traf auf meinem Weg niemanden und konnte deshalb auch nicht vorgewarnt werden, dass der Busplan geändert wurde und die Busse jetzt schon alle 15 Minuten fuhren .Diese Erkenntnis kam zu spät. Der alte, gelbe Bus rollte genau vor meinen Augen weg. Ich vernahm noch Gelächter und Getuschel aus dem Inneren des Busses und die durcheinander gewirbelten Gedanken der Schüler, die, wie ich erkennen konnte, nah aneinander standen und kaum Platz zum atmen hatten. „Verdammter Mist, wieso grade ich? Nein“, ich wirbelte wütend mit meinen Armen umher. Wütend warf ich meine Tasche gegen das massive Bushalteschild, das bedrohlich anfing zu wackeln. Wenn ich wütend war, konnte ich meine Kraft nie einschätzen. Schnell griff ich nach dem Schild, um es am Fallen zu hindern und zwang es mit Leichtigkeit zu einem festen Stand. Ich warf mich auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich musste mir schnell einen Plan überlegen, da ich nicht zu spät kommen durfte (negativer Einfluss auf mein Image). Laufen konnte ich nicht zur Schule, die Menschen um mich würden meine unnatürliche Schnelligkeit bemerken. Ich stütze meinen Kopf auf die Glasscheibe der Buskabine und grübelte nach einem Weg, rechtzeitig in die Schule zu kommen. Dadurch löste sich mein loser Pferdeschwanz. Die rot geglätteten Haare fielen mir ins Gesicht. Ich ordnete sie und schaffte es sogar eine halbwegs vernünftige Frisur hinzukriegen. Ich hatte also drei Möglichkeiten. Ich konnte zurück nach Hause gehen und mich krank melden, oder ich konnte einfach auf jemanden warten, der mich mit nehmen könnte. Ich würde die Person einfach manipulieren und mich kutschieren lassen. Andererseits würden alle Fragen stellen wie, „Wer ist das? Wieso bringt der dich zur Schule?“. Und solche Fragen konnte ich nicht gebrauchen. Der dritte Plan war ein Umweg zur Schule durch den naheliegenden Wald zu nehmen. Dort könnte ich ungestört laufen und so sogar früher in der Schule sein, als die die es gerade auf den Bus geschafft hatten. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich für den dritten Plan. Das echt faszinierende an Berlin war dieser Wald. Seine überwältigende Grösse nahm fast die Hälfte Berlins ein. Ziemlich praktisch für Vampire, die es eiliger hatten. Ich erhob mich vom Boden, streichte den kaum vorhanden Bodendreck von meiner schlichten, blauen Röhrenjeans und hob meine Umhänge-Tasche auf. Ich streifte sie mir um die rechte Schulter und ging in Richtung Wald.

 

Im Herbst, hatte ich mal gehört, soll der Wald in Berlin einem tropischen Regenwald gleichen. Aber im Sommer war dieser ziemlich trocken.

Ich ging in den Wald hinein und betrachtete in. Anfangs gab es fast nur Boden und Büsche. Doch je weiter ich eindrang desto mehr Bäume erscheinen. Hier und da zwitscherten ein paar Vögelchen und knacksten einpaar Äste unter mir. Sonst war es hier sehr still. Diese Stille war sehr angenehm. Ich mochte Wälder schon immer. Sie faszinierten mich wegen ihrer ruhigen Atmosphäre. Ich liebte es umher zuwandern und einwenig in Gedanken zu schwelgen. Früher liebte ich die Natur über alles. Nur in ihrer Nähe konnte ich mich sicher, geborgen fühlen und meiner Fantasie freien lauf lassen. Als kleines Kind machte ich viele Spaziergänge durch unsere riesigen Gärten. Dabei stellte ich mir immer vor, dass irgendwelche Wesen erblicken würde, die mit mir spielen würden. Ich hatte wirklich eine blühende Fantasie.

Als ich mich umdrehte und mir sicher war, das kein Licht mehr von der Seite des Waldes woher ich kam, zu sehen war, lief ich los. Das wunderschöne Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus, welches ich immer bekam wenn ich schnell lief. Der Wind peitschte mir die Harre aus dem Gesicht. Ich konzentrierte mich ausschließlich aufs Laufen und bemerkte die rasende Gestalt nicht, die nur wenige Meter vor mir, auf mich zu rannte. Erst als ich plötzlich gegen etwas prahlte und nach hinten geschleudert wurde, merkte ich, dass ich nicht alleine war.

 

Benommen lag ich in Mitten von Dreck und Zweigen. Dieser überraschende Zusammenprall hatte mich für einen kurzen Moment benebelt, sodass ich erst nicht registrierte, wo ich da eigentlich lag. Als ich dann meine Arme streckte und die Zweige unter mir spürte, kamen die Erinnerungen wieder zurück. Ich sprang elektrisiert auf und torkelte zu einem nahestehenden Baum. Ich griff nach einem der Moosbefallenen Äste, um nicht gleich wieder runter zufallen. Meine Gedanken und mein Körper ordneten sich wieder. Ich sah einwenig panisch um mich herum, da ich nicht wusste welches Geschöpf in der Lage gewesen war, mich mit einer derartigen Geschwindigkeit und Kraft aus dem Weg zu kicken. Ich spitzte die Ohren, konnte aber weit und breit nur Vögel zwitschern hören. Plötzlich vernahm ich leise Atemzüge hinter mir und drehte mich blitz schnell um. Ich blickte auf einen großen, breitschultrigen Mann, dessen Gesicht ich unter seiner hellbraunen Mähne nicht erkennen konnte. Dieser mir unbekannte Mann, hatte lässig seine Hand neben meinem Kopf auf dem Baum platziert und seine Körper gefährlich nah an meinen gebracht. Ich versuchte seine Gedanken zu hören, doch da war nichts. Plötzlich packte er meine rechte Hand und schob sie grob gegen den Baum. Somit saß ich in der Falle. Alle Bemühungen mich von seinen Griffen zu befreien scheiterten kläglich. Ich wartete darauf, dass er etwas sagen würde, aber alles was ich zu hören bekam, war sein ruhiger Atem. Da ich es bereits aufgegeben hatte mich aus seinem Griff zu befreien, öffnete ich meinen Mund um etwas zu sagen. So plötzlich wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Das einzige was ich noch spürte war dieser eiserne Griff, der immer noch auf meiner braungebrannten Haut zu spüren war.

Kapitel 9

Jetzt war ich mir eindeutig sicher. Es gab einen neuen Vampir in dieser riesigen Stadt. Um genau zu sagen eine Vampirin. Ich schlich zu der Raucherecke der Schule und zog eine Zigarre und das Feuerzeug aus meiner Tasche. Ich nahm einen kräftigen Zug und lehnte mich an die kahle Wand. Dabei achtete ich drauf, dass man mich vom Schulhof aus nicht sehen konnte. Der ausgeatmete Rauch stieg hoch zum Himmel. Diese Vampirin hatte mein Interesse stark geweckt. Es war mir einfach unbegreiflich, wie sie es hier hin geschafft hatte, ohne das die Fürsten etwas bemerkt hatten. Sie waren die mächtigsten und gleichzeitig ältesten Wesen auf dieser Welt. Niemand hatte es zuvor unbemerkt in ein anderes Land geschafft, ohne von ihnen registriert zu werden. Es wäre auch kein Problem gewesen, wenn die Vampirin beschlossen hätte in Berlin zu verweilen. Alle Vampire hätten hier eine Benachrichtigung gekriegt und alles wäre normal. Doch wir bekamen keine Benachrichtigung. Niemand bekam sie. Meine Blicke wanderten zum Schulhof, wo ich einpaar Gestalten bemerkten. Es waren diese ahnungslosen, schwarz gekleideten Teenager, die Vampire und andere Geschöpfe der Nacht anbetteten. „Unglaublich“, flüsterte. Ich verabscheute diese Jugendlichen. Sie hatten überhaupt keine Ahnung, wen und was sie überhaupt anbetten. In ihrer Vorstellung waren Vampire, wie Dracula: toten weiße, bleiche Haut; schwarze Haare; rote Augen; Umhang, Wesen der Nacht. Diese Kinder hatten nie daran gedacht, dass dieser ganze Dracula Mist einfach nur eine ausgedachte Geschichte war.

„Ahh“, ich rümpfte verachtend die Nase und zog an der Zigarette. Sie haben noch niemals daran gedacht, dass ein Vampir äußerlich genauso wirken kann wie ein Mensch. Wir sind nicht alle Bleichgesichter. Wir sind äußerlich so verschieden, wie ein Mensch sich von einem anderen Unterscheiden kann. Jeder Vampir ist bild schön, da er einfach eine mitreißend Ausstrahlung besitzt. Jeder hässliche Menschenzwerg würde großartig wirken, wenn er diese Ausstrahlung besäße. Deswegen ist es auch so einfach unter Menschen zu leben. Wenn man sich unter Kontrolle zu halten weiß, ist es viel leichter als es wirkt.

Ich warf zornig den Zigarettenstummel auf den Boden und zerdrückte ihn mit meinen Tretern.

Meine Hand wanderte in die Tasche und holte eine weite Zigarre raus. Ich machte sie an und drehte mich mit dem Rücken zum Schulhof.

Vampire können sich auch gegenseitig spüren. Erst hatte ich gedacht ich hätte mich im Wald geirrt und es wäre ein Menschenmädchen. Doch ein Menschenmädchen hätte ich noch viel früher bemerkt und hätte den Zusammenstoß verhindern können. Außerdem hätte ich das Menschenblut pulsieren hören müssen. Das Gehör war mein best ausgebildeter Sinn.

„Außerdem hätte sie nach diesem Aufprall nicht überleben können“, überlegte ich laut.

Meine Argumente waren alle berechtigt. Doch da gab es das eine, was ich nicht verstehen konnte. Wie konnte ein Vampir so stark und mächtig sein, um den Staat zu umgehen und alle Vampire um sich herum zu täuschen. Dieser Gedanke ging mir nicht aus dem Kopf, deshalb beschloss ich diese Vampirin aufzusuchen. Sie hatte mein Interesse wirklich geweckt. Es war für mich viele aufregender, als meine Zeit mit langweiligen durchschaubaren Menschenmädchen zu verbringen.

„Ich werde dich finden, darauf kannst du dich verlasen“, flüsterte ich und trat aus der Raucherecke hinaus in Richtung Wald.

 

Kapitel 10

 

„Bitte nicht“, stöhnte mein Bruder. “Wirklich nicht, ich hab keine Lust ins Erdbeerfeld zu gehen… Erst recht nicht mit der gesamten zwölften Stufen“. Ein mürrisches Gesicht tauchte vor mir auf. Leonard klatschte ein Blatt auf den Küchentisch und gesellte sich zu mir. Ich nahm das Blatt und las laut vor:

 

Liebe 12 Klässler,

Es ist mir eine besondere Freude euch mit zuteilen, das am 13. 09. 10 die alljährliche Fahrt zum berühmtesten Erdbeerfeld Deutschlands ansteht. Wie immer werden uns um 8 Uhr morgens an der Schule treffen und dann gemeinsam in einem roten Bus (oh, so typisch Englisch) zum Feld fahren. Bringt bitte alle einen großen Korb, Zucker, Wasser und viel gute Laune mit.

Wir werden um ca. 15 Uhr wieder an der Schule sein, wo ihr dann befreit seid.

Das wird ein besonderer Spaß und Erholung für euch sein, das könnt ihr mir Glauben.

 

Mit immer freundlichen Grüßen,

 

Helene Schein

 

„Unglaublich, diese unterbelichtete Lehrerin denkt doch wirklich in unserem Alter wollen alle ins Erdbeerfelchen.“, genervt seufzte Leo auf und blickte mich erwartungsvoll an. Er dachte wirklich ich würde ihm zu stimmen. Mich interessierte die Schule nie wirklich. Ich ging da auch nur hin, weil mein Vater darauf bestand. Wenn ich in der Schule saß, schaltete ich ab und konzentrierte mich kaum auf das vorne gesagte. In letzter Zeit war ich aufmerksamer seit dieses komische Menschenmädchen Jamila auf meiner Schule war. Egal was ich machte, sie ging mir nicht aus dem Kopf. Dabei war sie mir als Mensch herzlich uninteressant. Naiv, brav, schüchtern, langweilig. Trotzdem weckte sie mein Interesse, da sie doch nicht ganz normal schien. Von ihr kam kein bisschen Blutgeruch zu mir an. Nur diese Parfümwolke, in der sie sich zu baden schien. Ich konnte nicht in ihren Kopf schauen, was mir sonst immer bei Menschen gelang.

 „He, hör mir zu“. Leos Stimme drang in mein Unterbewusstsein.

 „Ich hör dir doch zu“, antwortete ich unglaubhaft. Ich war noch nie gut im Lügen.

 „Hmm klar, was hab ich den grade gesagt?“

 Irgendetwas über Frau Scheine!?“, versuchte ich mich raus zu winden.

 „FALSCH“, dröhnte Leo’s Stimme bevor er mir mit seiner Faust in den Bauch drosch. Ich stöhnte auf. „Hey man was soll das. Vergiss doch nicht, das du viel stärker bist als ich“. Mein Magen krampfte zusammen und gab einen komischen Laut von sich.

Ich versuch’s mir mal zu merken“, flüsterte er mürrisch und ließ sich dann wieder auf den roten Küchendrehstuhl fallen. „Wieso bist du in letzter Zeit so weggetreten?“. Ich schaute Leo mit gespielter Unschuld an.

„Was meinst du?“. Wie schon gesagt ich konnte noch nie besonders gut lügen.

 

Kapitel 11

Lange betrachtete ich mich im Spiegel. Ich stand Hüllenlos in meinem Zimmer und dachte darüber nach, was ich anziehen sollte. Der Besuch im Erdbeerfeld bildete für mich die perfekte Gelegenheit, um besser an Marlin heranzukommen. Ich musterte meinen perfekten apfelförmigen Busen. Schnell zog ich einen seidenen weißen BH aus meinem Schrank und eine dazu passende Unterhose und streifte sie über.

,,Und, seh ich nicht verdammt heiss aus‘‘, fragte ich den benebelten Mann in meinem Bett.

,,Aber sowas von, Süsse. Lass mich nochmal ran bevor du gehst.‘‘

Schnell flitzte ich zum Bett, setzte mich auch den Mann und packte ihn schmerzhaft am Arm.

(,,Eh Babe was machst du?‘‘).

,,Du wirst alles was heute passiert ist schnell vergessen. Geh jetzt sofort zu deiner Frau zurück“, meine Augen bohrten sich in seine, glühten förmlich. Schnell leckte ich an der Bisswunde an seinem Hals und ließ den verdutzten Mann auf dem Bett liege. Er suchte seine Sachen zusammen und verließ mein Zimmer.

,,Kümmer dich um ihn James‘‘, schrie ich durch das Haus und widmete mich wieder meinem Spiegel. Ich dachte über ein Outfit nach, das naiv und unschuldig wirken sollte. Ich streifte mir eine graue Jeans und einen weichen rosafarbenen Kaschmirpullover über. Danach packte ich meine Tasche zusammen und stolzierte nach unten in die Küche. James saß am Tisch und lass Zeitung. Eine seiner nervigen Angewohnheiten war es, so zu tun als wäre er ein normaler Mensch, auch wenn er wusste, dass er es nie wieder sein könnte.

„Und, sehe ich schön brav und langweilig aus? ‘‘.

James sah von seiner Zeitung auf. ,, Schon aber du solltest dir das Blut aus dem Gesicht wischen. Oder ist dein Lippenstift verwischt?“, fragte er amüsiert. Ich grinste ihn an und leckte mir genüsslich über die Lippen. ,,Das war wirklich ein leckeres Frühstück‘‘.

Schnell eilte ich ins Bad, machte mich fertig, zog mir meine Jacke und die Schuhe über und war bereit zu verschwinden. Bevor ich aus dem Haus stolzierte, drehte ich mich noch um und rief James zu, „Wünsch mir Glück für heute. Diesmal krieg ich ihn rum.“

 

„Jami, komm hier hin, ich hab dir einen Platz frei gehalten.“ Daniela grinste mich an und deutete auf den vergilbten Sitz neben ihr. Ich ließ mich darauf fallen und begrüßte die anderen, welche alle in unserer Nähe saßen. Frau Schein, die nervige Lehrerin für Haushaltswissenschaften stieg als Letzte ein, ging die Anwesenheitsliste durch und hielt einen Vortrag über die Benehm regeln auf dieser Fahrt. Ich schaltete uninteressiert ab. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinen Schultern. Ich drehte mich um und blickte in Tims Gesicht.

,,Heeeey. Na du. Siehst gut aus‘‘, er zwinkerte mir zu und ich sah förmlich seinen hoffnungsvollen Gesichtsausdruck.

,,Hallo. Danke dir.“, sagte ich lächelnd.

Er versuchte mich in ein Gespräch einzulullen, in dem er etwas über die Bevorstehende Fahrt sagte, doch ich wurde abgelenkt. Ich erblickte in der hintersten Ecke Marlin, der alleine saß. Sein Bruder hatte es sich eine Sitzreihe vorher mit einem Mädchen gemütlich gemacht. Marlin sah auf seine eigene Art und Weise bezaubernd aus. Er hatte seine Kopfhörer aufgesetzt und summte im Takt der Melodie. Seine grünen Augen funkelten in der Sonne. Die Locken hatte er sich aus dem Gesicht gegellt. Der lederne Rucksack lag auf dem Sitz neben ihm, auf dem auch seine Hand ruhte. Er lächelte nicht und zeigte auch keinerlei Interesse, weder an der Lehrerin, noch an der Fahrt und erst Recht nicht an seinen Mitschülern.

(,,Ja das wird bestimmt total cool. So Erdbeeren pflücken. Ich mein klar kann man sich interessanteres vorstellen. Aber Hey besser als …“)

Ich war so fasziniert von Marlins Anblick, dass ich gar nicht merkte, dass er mein Interesse an ihm bemerkt hatte. Ich starrte in seine grünen Augen. Ich errötete nicht und konnte auch nicht wegschauen, bis mich Tim von meiner Starre erlöste.

,,Hey Hallo du kleine Träumerin. Willkommen auf dem Planeten Erde‘‘. Er gluckste und sag mich amüsiert aber auch liebevoll an.

„Oh Entschuldige Tim. Ich hab heute nicht so gut schlafen können, deshalb lässt meine Konzentration nach“, sagte ich sah ihn entschuldigend an.

„Ah ist nicht so schlimm. Du bist süß. Du darfst das‘‘. Er zwinkerte mir zu und ich drehte mich zu Daniela. Der Bus kam in Bewegung und brauchte Anderthalb Stunden, um das Feld zu erreichen. Während der Fahrt unterhielt ich mich mit der Clique und traute mich nicht, noch einmal in Marlins Richtung zu blicken. Alicia verteilte Kekse, die ich dankend annahm. Ich tat so als würde ich sie essen, zerkrümelte sie aber in meiner Hand und verstreute sie langsam auf dem Boden. Vampire können zwar feste Nahrung zu sich nehmen, doch mir wurde meistens schlecht davon. Als Bus endlich das Ziel erreichte stiegen alle aus. Ich erhaschte noch einen kurzen Blick auf Marlin, der mit seinem Rucksack beschäftigt war, bevor ich aus dem Bus stolperte. Als alle Schüler aus den Bus geklettert waren, verteilte Frau Schein Körbe für die Erdbeeren an die, die keine dabei hatten und eröffnete das ,,fröhliche Erdbeerfangen“.

Die Clique sammelte sich gesondert. Luisa und Chacie hielten sich an den Händen und setzten sich auf den Boden. Luisa sah wieder top aus. Sie kleidete sich so, wie ich es auch getan hätte, wenn ich nicht die Rolle einer anderen angenommen hätte. Sie trug einen gelben Blazer, darunter eine weiße Bluse. Diese kombinierte sie mit dunklen Jeans und Chucks. Chacie sah neben ihr einfach wie eine graue Maus aus.

Daniela hackte sich bei mir ein und ging mit mir voraus. Die anderen folgten uns. Einen vollen Erdbeerkorb später merkte ich, dass wir uns verteilt hatten. Susane war mit Tim, Alicia, Elen und Mike in eine andere Richtung gegangen. Chacie und Luisa waren nicht mehr auffindbar. Etwas weiter weg erblickte ich Marlin und Leonard, die auf dem Boden des Feldes saßen, der Korb neben ihnen glänzte in gähnender Leere. Ich witterte meine Chance, Marlin ein bisschen näher zu kommen, aber dann erinnerte mich wieder daran, dass ich noch Daniela am Hals hatte. Diese hatte sich ebenfalls auf dem Boden gemütlich gemacht. Dabei kreuzte sie ihre Beine und zupfte an ihrem Rock herum. Plötzlich fiel mein Blick auf Mike, der etwas abseits mit den anderen Stand und da kam mir eine brillante Idee. Ich rief ihn zu uns und zeigte ihm unseren prall gefüllten Korb. Daniela war sichtlich nervös in seiner Umgebung.

„Das meiste hat eig. Daniela gepflückt, sie hat eine wunderbare Ausdauer“, sagte ich und kicherte. Könntest du ihr helfen den Korb zu tragen, ich wollte noch weitersammeln.“ Mit der Hand deutete ich auf den zweiten leeren Korb.

„Ja klar. Ich bin doch auch ein starker Mann“. Mike ließ seine Muskeln spielen und Daniela musterte ihn beeindruckt. Ich verdrehte innerlich die Augen. Mike war nun wirklich nicht das, was man eine interessante Persönlichkeit nennen konnte. Aber das war nicht mein Problem. Ich zwinkerte Daniela zu und formte ein „Bitte schön“ mit dem Mund und schlenderte davon.

(Oh ja Mike… Ehm… Danke dir. Du bist echt stark. Haha.)

Ich schlich mich so nah wie möglich an die Vampirbrüder und setzte mich auf den Boden, wo ich anfing Erdbeeren zu pflücken.

„Nein hör auf. Lass die in Ruhe.“

„Warum? Tiffany wird langsam langweilig. Ich brauche Frischfleisch.“

Leises Geflüster, das für mich doch laut genug war um es wahrzunehmen, drang an mein Ohr.

Ich tat so, als hätte ich nichts gehört, wie es für Menschenwesen üblich ist und pflückte weiter die Beeren.

„ Hallo Liebes. Ich glaube wir kennen uns noch gar nicht. Ich heiße Leonard Onadon.“

Ich drehte mich um und blickte in die funkelnden Augen meines Gegenübers.

„Kannst mich auch Leo nennen.“ Er grinste mich an und streckte mir seine Hand entgegen.

Ich drückte sie und spürte einen elektrisierenden Puls. Erschrocken zuckte ich zurück und bemerkte, dass auch er verblüfft war. Schnell versuchte ich der Situation zu entkommen.

 „Hi, ich bin Jamilia Lovegood. Nett dich kennen zu lernen.“

„Du hast aber ganze Arbeit geleistet“, sagte er staunend und blickte von mir zu meinem Korb und dann wieder zurück.

„Haha ja… hat aber auch Spaß gemacht“.

„Das glaube ich dir gerne. Apropos, du kennst bestimmt schon meinen Bruder Marlin.“

Leonard drehte sich nach rechts und zeigte auf Marlin, der die Szene aus seiner Bodenperspektive beobachtet hatte.

„Ahja… Wir besuchen gemeinsam denselben Biologie Kurs“, ich winkte ihm schüchtern zu und beobachtete ihn, wie er sich vorsichtig von seinem Platz erhob und mit grazilen leichten Schritten zu uns wanderte. Er sah und zurückhaltend an und erwiderte ein halbherziges Hallo.

„Ich sehe ihr habt gar keine Erdbeeren gesammelt“, sagte ich um wieder in das Gespräch einzuleiten (Mein Gott die Erdbeeren sind mir doch scheiß egal).

„Ja. Wir hatten viel mehr Spaß daran dich fleißiges Bienchen bei deiner Arbeit zu bearbeiten.“ Leonard grinste mich an, Marlin jedoch schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Ich ignorierte den frechen Spruch seines Bruders. „Vielleicht kommen wir ja mal dazu, uns die Erdbeeren unter dem Mikroskop anzuschauen.“ Erwartungsvoll blickte ich Marlin an.

„Ja. Vielleicht“. Ich konnte es mir nicht erklären, aber Marlin schien scheinbar kein Interesse an mir zu haben. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Sogar die mächtigsten Vampire auf dieser Erde waren in meinen Händen Wachs. So war ich auch in der Lage, den Dekan Berlins dazu zu überreden, dass nicht jeder von meiner Ankunft in Berlin erfahren sollte.

„Wäre auf jeden Fall cool. Wir könnten das ja mal Frau Schöner vorschlagen. Die wird bestimmt begeistert sein“, versuchte ich es noch einmal. Das einzige was Marlins schönes Gesicht hervorbringen konnte, war ein müdes Lächeln. Die Erdbeere, die ich bis dahin in der Hand gehalten hatte, wurde durch meine Hände pürierter. Die rötliche Flüssigkeit zerlief und tropfte durch meine Finger auf den Boden. Ich hätte innerlich vor Wut schreien und Köpfe rollen lassen können, aber ich zwang mich zu Selbstkontrolle.

Ich bemerkte ich, dass Marlin angestrengt versuchte, mir nicht in die Augen sehen zu müssen. Um mich zu vergewissern, dass er meine Blicke meidet, bat ich ihn darum mir in die Augen zusehen, mit dem Vorwand, dass ich bloß wissen wollte welche Farbe seine Iris hatte. Unsere Blicken trafen sich und ich spürte förmlich ein angespanntes elektrisches Feld um uns herum. Leonard, das Erdbeerfeld, die Schüler. Alles um mich herum vermischte sich zu einer Einzigen grauen Masse. Marlins Augen zogen mich in einen magischen Bann. Heute waren seine Augen nicht nur grün. Sie umgab auch ein geheimnisvolles honigfarbenes gelb. Ich konnte nicht hören was er dachte, aber ich war mir sicher, dass auch er die magische Anziehungskraft spürte, die uns eingefangen hatte.

„Ich glaube deine kleinen Freunde wollen etwas vorn dir.“

„Was?“. Benommen wie aus einem Traum erwacht blinzelte ich. Dann wurde mir wieder auf einem Schlag klar wo ich war. Zum ersten Mal, seit ich in Berlin war errötete ich aufrichtig.

„Oh ja, ich sollte gehen“, sagte ich schlaftrunken und torkelte in Richtung von Alicia, die mich schon ungeduldig erwartete.

„Es war sehr nett mit dir zu plaudern, Jamilia. Ich hoffe man sieht sich wieder.“, rief Leonard mir noch hinterher. Ich winkte ihm benommen hinter, traute mich dabei aber nicht Marlin anzublicken.

Kapitel 12

„War das heute eigentlich echt nötig, Leonard Onadon?“Sichtlich verärgert, musterte Marlin mich.

„Hast du schon mal etwas von, erst anklopfen bevor man reinkommt, gehört?“ Ich sah in amüsiert an. Ich saß grade auf meiner Couch und zappte mich durch das langweilige deutsche Fernsehprogramm. Ich vermisste die Zeiten, in den man ins Theater gehen konnte. Die englischen 60er waren toll. Viele schöne Frauen. Alle fein und zurechtgemacht mit ihren Kleidern und den hohen Schuhen. Alle wunderschön und zum fressen gern. Und ich. Ich trug die feinen Anzüge, die jede Frau an mir geliebt hatte. Es war so einfach die ganzen verheirateten Frauen, die sichtlich wenig Spaß in ihrer Ehe hatten, an mein Bett zu Ketten und ihnen das Leben aus den Gliedern zusagen.

„Was grinst du denn so blöd?“, unterbrach Marlin meinen Gedankenfluss. Er hatte sich auf meine Couch geworfen, ungeachtet davon, dass für seinen langen Körper kein Platz gewesen ist.

„Mach dich mal ein bisschen locker, kleiner Bruder. Die war doch ne Süße. Aber sie hat wohl keinen guten Geschmack. Ich mein sie konnte gar nicht die Augen von dir lassen und meine Gegenwart hat sie kalt gelassen.“ Ich lachte laut und schlug leicht auf Marlins Schulter.

„Sie ist komisch. Mich irritiert es immer noch, dass ich ihre Gedanken nicht hören kann. Und das mit dem Blut. Jeder verdammt Mensch hat einen Geruch. Nur sie nicht. Dass ist doch nicht normal. Wie geht das?“

„Weiß du was Bruder, Du hast an diesem Wochenende die Möglichkeit das herauszufinden“.

Ich überreichte Marlin einen Briefumschlag, denn mir die kleine Blonde in die Hände gedrückt hatte, bevor sie davon zog, aber nicht ohne anzügliche Gedanken von mir zu haben.

„Was ist das?“

„Mach es auf, dann siehst du es. Muss ich denn immer alles für dich machen?“

Marlin öffnete den Umschlag und lass laut vor

 

Liebe Lieblingsstufe,

Wie ihr alle mitgekriegt habt, haben wir eine neue Mitschülerin. Die Süße Jamilia Lovegood. Sie ist eine bezaubernde Person, aber leider auch etwas schüchtern. Deswegen schmeiße ich für sie eine super tolle Willkommensparty, damit sie sich so richtig schön einleben kann.

Meine Eltern  sind übers Wochenende auf Reisen, das heißt meine ganze Bude steht uns zur Verfügung. Für Essen ist gesorgt. Alkoholische Getränke haben wir zwar auch, aber nicht ausreichend. DESHALB bitte ich euch darum, bringt etwas ALKOHOL mit.

 

Meine Adresse:

Universitätsstraße 11

55890 Berlin

 

Falls ihr noch Fragen habt, könnt ihr mich unter folgender Nummer erreichen: 01756609485.

Wer leider an diesem Tag verhindert ist, meldet sich bitte rechtzeitig bei mir.

Wir freuen uns auf euer kommen.

Auf einen schönen Abend und eine glückliche Jamilia,

 

Mit süßen Grüßen, Daniela Friedrichs <3

 

„Oh nein, hört sich das schlimm an“. Marlin starrte fassungslos auf den Brief, zerknüllte das Papier und warf ihn gegen den Fernseher.

„Hab dich nicht so. Du willst wissen was mit diesem Mädchen ist. Dann komm mit mir.“

„Du tust dir das wirklich an?“

„Natürlich. Betrunkene Miezen sind noch leichter zu haben.“ Ich grinste ihn breit an.

„Ah…. Ja ok. Bin dabei“, sagte Marlin wiederwillig.

„Super Brüderchen.“, ich wuschelte ihm über den Kopf und schob ihn dann energisch vom Bett.

„Und jetzt hau ab, ich erwarte noch Damenbesuch.“

Kapitel 13

„Eric, beruhige dich.“ Ich schloss die Augen und atmete noch einmal tief ein und aus. Als ich sie wieder öffnete blickte ich in gefühlte Millionen Augenpaare. Ich verstand nicht was mit mir los war. Ich hatte schon tausende von Reden gehalten. Sie verliefen alle reibungslos. Doch heute war irgendetwas anders. Ich hatte einen richtigen Kloß im Hals. Irgendetwas war heute anders.

„So mein lieber Herr Onadon, wollen Sie nun anfangen?“

Benommen schaute ich zu meiner Rechten uns sah denn Fortbildungsleiter etwas unbeholfen stehen.

„Entschuldigen sie mich Professor. Ich glaube ich brauche ein Schluck Wasser.“

Ein junger Mann im Blazer reichte mir ein Tablett, auf dem Gläser mit verschiedenen Getränken ruhten. Leider war keines davon blutrot. Das war nämlich genau das was ich eigentlich brauchte. Frisches, dickflüssiges Blut der Blutgruppe 0. Ich griff nach einem der Gläser und trank die Flüssigkeit in einem Zug.

„Lieber Kollegen, liebe Kolleginnen,  Dr. prof.med. Sebastian Onadon wird Ihnen jetzt die neuste Technologie der Krebsforschung vorstellen. Herr Onadon“

Damit übergab mir der etwas pummelige Mann das Wort.

„Sehr geehrte Damen und Herren. Wir dachten der Krebs hat uns besiegt. Aber heute besiegen wir ihn. Sogar blind und haarlos.“

Allgemeines Gelächter erhellte den Raum und half mir, mich in der Rede wiederzufinden und ich fing an die einstudierten Worte zusprechen.

„Denn wir haben etwas ganz grandioses entdeckt. Diese Technologie könnte sogar die Künsten Träume Einsteins übertreffen…“

Ich blickte durch die Runde. Frauen und Männer. Manche in Kitteln. Blonde, Braune, schwarze Haare. Rote Haare. Mein Blick war an einer sehr, sehr jungen Professorin hängengeblieben. Sie sah sogar etwas zu jung aus. Ich musterte ihr Gesicht, während mein Mund weitere Worte rauswarf. Ein sehr kindliches Gesicht. Kleine Sommersprossen. Plötzlich drang an meine Nase ein feiner rosiger Geruch. Er mischte sich mit anderen Gerüchen. Denn von Parfüms, Deos, von Staub und Schweiss. Und dann war da noch etwas anderes. Ein lieblicher, heller Geruch. Ein funkelnder. Er stieg mir in die Nase und ließ nicht mehr von mir los. Plötzlich merkte ich, dass der ganze Raum still war. Ich hörte meinen eigenen Atmen und das stammeln. Mein Mund versuchte Worte zu bilden, aber es gelang ihm nicht.

„Z-e-ellen, T-t-t-t-um-oore…“. Meine Beine gaben nach und ich stürzte zu Boden. Überall nervöses Geschrei. Ein Chaos brach aus. Bevor ich bewusstlos wurde, nahm ich noch war, dass die junge Frau mit den roten Haaren verschwunden war. Da wo sie gesessen hatte, war nur noch ein leerer Platz aufzufinden.

 

 

 

Kapitel 14

Vampire schlafen nicht. Das heißt sie träumen auch nicht. Aber manchmal verfallen sie in einen Traumartigen Zustand, der bis zu 3 Stunden anhalten kann. Dabei sind die Augen geöffnet, der Geist jedoch befindet sich in einem parallel Universum. Mein parallel Universum hieß in dieser Nacht Frankreich.

Meine Schwester und ich sitzen unter dem Eichenbaum in unserer Gartenlandschaft. Auf der Decke liegen jede Menge Äpfel und Angelina hält ein Buch in der Hand. „Anna Karenina“, steht mit Schnörkellinien auf dem Buchcover. Ich lausche ihrer zarten lieblichen Stimme.

„Er drehte sich auf den Diwan, der unter seinem korpulenten, gepflegten Körper federte, auf die andere Seite, schon die Hand unter das Kissen, vergrub das Gesicht darin und war dabei, nochmals fest eingeschlafen; plötzlich jedoch schnellte er in die…“

 „Casssssiiiieee, ma petite cherie.“ Die laute melodische Stimme meiner Mutter unterbricht die Lesestunde. Wir erheben uns und eilen in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Meine wunderschöne Mutter hatte sich auf eine Bank nahe des Springbrunnens niedergelassen. Neben ihr sitzt ein junger mir unbekannter Mann. Die Kirschblütenbäume blühen im Spätfrühling. Durch den Wind werden die Blüten in der Luft verteilt und wirbeln unkontrolliert umher. Ein traumhaftes Fleckchen in Lyon. Mein Herz erwärmt sich, wie jedes Mal, wenn ich die schöne Landschaft betrachte. Ich liebe mein zu Hause.

„Bonjour meine lieben Töchter. Habt ihr einen schönen Tag?“

„Oui maman“, antworten Angelina und ich gleichzeitig.

„Das ist schön“, Maman dreht sich lächelnd zu ihrem Sitznachbarn und sagt: „Monsieur de la Suse, ich möchte Ihnen meine bezaubernden Töchter vorstellen, Angelina und Cassie.“

Der grosse Mann erhebt sich von seinem Platz und kniet nieder. Er begrüßt uns und küsst unsere Hände. Als sich seine Hand meiner nähert merke ich einen leichten Schlag in meinem Brustkorb. Mein Herz pochte unkontrolliert. Der Monsieur schaut mir in die Augen. Ich werde sofort in seinen Bann gezogen und kann vor Anspannung kaum atmen.

„Es ist sehr schön Sie kennen zu lernen Madame Cassie.“

Ich bin sprachlos. Seine atemberaubende Ausstrahlung und seine liebliche Stimme verschlagen mir die Sprache. Ich versuche ein Wort herauszubringen, aber das Einzige was ich hinbekomme, ist ein leises Murmeln. Ich vergesse alles um mich herum und sehe nur den Mann mit seinen eisblauen Augen, der kleinen Nase und den vollen Lippen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

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