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„Ich liebe dich!“ flüsterte er. Langsam glitt ihre Hand durch sein braunes Lockenhaar.
„Ich dich auch.“ Erwiderte sie. Die Sonne sank und der Himmel wurde so rosa wie ihr kurzes Kleid das sie trug. Die Bäume des Waldes wurden hell erleuchtet. Es war doch wirklich beeindruckend wie schnell die Sonne unterging. Langsam kamen sie sich näher. Eine Strähne ihres langen, blonden Haares verfing sich in einem Ast, doch es war egal. Das nächste was sie spürte waren seine Lippen auf ihren. Glücklich erwiderte sie den Kuss. Sie liebte seine Haare, seine muskulösen Arme und seine tief braunen Augen. Plötzlich löste er sich von ihr. „Sieh mal da!“ er deutete auf eine Stelle hinter ihrem Rücken. Erwartungsvoll drehte sie sich um. Der Himmel war jetzt eine Mischung aus blau, lila und pink. „Hübsch nicht?“ fragte sie. Er antwortete nicht. Fragend drehte sie sich zu ihm um. Sein Gesichtsausdruck war ernst und angespannt.
„Was ist los?“ fragte sie und ihre Stimme zitterte. Er bewegte die Hand und etwas reflektierte das Sonnenlicht. Es war lang und silbern. Ein Messer! Eine Messerklinge.
„Mike, was ist los? Warum hast du ein Messer dabei?“ Ihre Stimme zitterte noch heftiger.
„Es tut mir leid Marina aber wenn ich es nicht tue…“
„Was ist dann? Mike! Was ist wenn du was nicht tust?“
„Ich muss es tun, Patrick reißt mir den Kopf ab!“
„Patrick? Mein Ex? Was ist mit ihm? Ich hab doch Schluss mit ihm gemacht!“
„Ja, das hast du. Und mit wie vielen Jungen noch? Auch von mir wolltest du dich bald trennen. Wir sind so sauer auf dich! Aber diesmal Marina meine“, Mike lachte, ein höhnisches Lachen, „Prinzessin. Diesmal trennst du dich nicht von dem Jungen, sondern der Junge trennt sich von dir!“
„Mike bitte,“ begann Marina, „das stimmt nicht, ich liebe dich. Ich war noch nie so glücklich wie mit dir.“ Sie versuchte ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, was ihr nicht wirklich gelang.
„Ach ja? Hast du das Patrick auch gesagt? Und Georg, Marti, Kasimir, Leonard und wie sie alle heißen? Leonard ist heute noch nicht darüber hinweg. Er schwört Rache! Genau wie ich und alle anderen!“
Er hob das Messer. Es war ein normales, großes Küchenmesser. Ein Küchenmesser mit dem seine Mutter gestern vielleicht noch Fleisch geschnitten hatte. Heute wollte er sie damit ermorden!
„Mike bitte!“ Marinas Stimme klang hysterisch vor Angst. „Mike du brauchst Hilfe. Wenn du mich am Leben lässt sorge ich dafür, dass du Hilfe bekommst!“
Sein Gesicht war vor Zorn rot und verzerrt. Marina wollte aufstehen, doch ihre Beine wollten sie nicht tragen. Mike hielt das Messer immer noch in der Hand, den Griff mit seinem roten Halstuch umwickelt.
„Ach ja? Das glaubst du doch nicht wirklich. Du willst mir Hilfe holen? Wozu? Ich brauche keine! Marina hatte nun so viel Angst, dass sie kein Wort mehr herausbrachte. Langsam kam Mike auf sie zu. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren: Lauf! Lauf weg! Marina so lauf doch! Mike will dich umbringen! Tatsächlich schaffte sie es ein wenig zurück zu weichen, bis sie in ein tiefes Loch stürzte. Drei endlos wirkende Meter hinunter. Und doch… es ging so schnell, dass Marina nicht einmal Zeit zu schreien hatte. Schon lag sie unten auf dem feuchten Waldboden. Ihr Kopf tat höllisch weh. Als sie die Hand von der schmerzenden Stelle vor ihre Augen führte, klebte Blut daran. Marina konnte es nicht sehen, doch neben ihr lag ein großer Stein auf dem sie sich den Kopf angeschlagen hatte. Mike kam auf sie zu. Er war ihr hinunter gefolgt. Er lächelte sie an und sagte: „Es ist aus Marina! Nicht jede Prinzessin wird irgendwann mal Königin und manche haben es nicht verdient. Und du gehörst zu der zweiten Gruppe. Schwer atmend stand er über ihr, das Messer hoch erhoben.
„Mike bitte! Marina schrie auf, als das Messer durch ihre Haut in ihren Hals fuhr.
Ihre Arterie pumpte Blut aus der schmalen Wunde. Kurz danach sahen Mikes Sachen aus als wäre er in einen roten Regen geraten. Er warf der nun verbluteten Marina noch einen letzten abschätzigen Blick zu. Dann verschwand er. Marina lag da und ihr Kleid wurde von ihrem eigenen Blut durchtränkt. Noch einmal sah sie Mikes wutverzerrtes Gesicht, anschließend das ihrer Familie. Dann wurde es schwarz um sie. Wäre sie nicht voller Blut hätte man denken können, das Mädchen schliefe. Denn sie hatte sich damit abgefunden wie es war. Die Tat war nicht rückgängig zu machen, das wusste sie auch. Ein Schlaf, ein Tiefschlaf, aus dem sie nie wieder erwachen sollte.


Marinas Mutter sah auf die Uhr. Elf Uhr nachts! Wo war ihr Tochter? Sie hatte versprochen um neun zu Hause zu sein. Sie beschloss Mike anzurufen.
„Mike?!“
„Hallo Mike, ich bin es, Alexandria, Marinas Mutter. Sag mal ist sie bei dir?“
„Bei mir? Nein, wir waren Eis essen und dann sagte sie, sie wolle nach Hause fahren! Es tut mir leid aber…ich habe keine Ahnung wo sie sein könnte.“
„Danke Mike, du hast mir sehr geholfen. Tschüss und gute Nacht.“
„Nacht!“
Schneeweiß lehnte Alexandria sich an die Wand und rief die Polizei.


„Milo komm! Na komm! Was hast du denn?“ Tina lief zu ihrem Hund und wollte ihn weiter ziehen, da sah sie die Tote.
„Oh Gott!“ war das einzige was sie herausbrachte. Die Haare des toten Mädchens hatten die gleiche Farbe wie Tinas lange Locken. Sie wandte sich ab und übergab sich in einem nahen Gebüsch. Als sie sich wieder umdrehte war ihr Hund, Milo, verschwunden. Doch Tina konnte ihn in der Nähe atmen hören. Noch einmal schaute sie über den Rand des Loches. Unwillkürlich blickte sie auf den toten Körper. Wie friedlich sie doch aussah.
„Pfui Milo! Komm sofort hoch!“ Milo hob bedauernd die Nase von der linken Hand der Leiche und kam zu seinem Frauchen zurück. Die hielt schon ein Handy in der Hand und rief die Polizei an, um den grausamen Fund zu melden.


Alexandria saß neben dem Telefon und wartete ungeduldig darauf dass es klingelte. Ihre Tochter war immer noch nicht zu Hause. Endlich! Eine kleine Melodie erfüllte das hübsch eingerichtete Wohnzimmer.
„Alexandria Mohle?“ meldete sie sich.
„Guten Tag Frau Mohle, hier spricht Kommissar Wolfgang Haue, könnten sie bitte zu uns aufs Revier kommen?“
„Haben sie meine Tochter gefunden?“ Alexandrias Stimme klang angsterfüllt.
„Bitte, kommen sie her.“
„Ich komme, auf Wiedersehen.“ Sie wusste es war etwas Schreckliches passiert und eigentlich wollte sie es auch gar nicht wissen, doch etwas in ihr konnte nicht Ruhen bis sie die Information hatte.


Patrick schloss die Zimmertür hinter Mike und blickte ihn erwartungsvoll an.
„Und?“
„Die Prinzessin wird demnächst ein Bett aus Holz haben und für immer unter der Erde schlafen!“
„Wow, super gemacht!“
„Danke.“
„Hast du alle Spuren verwischt?“
„Klar! Das Messer ist sauber und sie ist in irgend so ein Loch gefallen. Ich denke da kann sie erst einmal eine Weile verfaulen!“ Mike grinste schadenfroh.
„Sie hatte es wirklich verdient!“ Patrick klang sehr sauer. Auch Mike bekam schlechte Laune vom bloßen Gedanken an sie. An Marina. An die kleine Prinzessin! Von ihren ganzen Freunden die sie im Leben schon gehabt hatte (und das waren unzählige) waren es nur Patrick und Mike die Rache gewollt hatten. Bei seiner Tat hatte Mike nur die anderen Namen genannt um Marina, noch kurz vor ihrem Ende, ein schlechtes Gewissen zu machen. Denn das, so fanden die beiden, hatte sie reichlich verdient!


Tina hatte die beiden Polizisten zu der Stelle geführt, wo sie die Mädchenleiche entdeckt hatte. Sie sperrten die Stelle ab und riefen über Funk Verstärkung herbei. Über die Todesursache musste keiner lange Rätseln. Denn Dank der schmalen, tiefen Wunde in ihrem Hals war klar, dass sie erstochen worden war.
„Also, du bist Tina Scholl, zweiundzwanzig Jahre alt und wohnst in der Seestraße 13 c. Erreichbar bist du unter der Telefonnummer,… der Polizist hatte eine Ziffernfolge vorgelesen und Tina hatte genickt.
Motorgeräusche ertönten in Wald – die Verstärkung kam. Zwei Gerichtsmediziner – ein Mann und eine Frau – stiegen gleich hinunter in das Loch um die Leiche noch in ihrer ursprünglichen Lage zu untersuchen. Eine braunhaarige Polizistin führe eine zweite Befragung Tinas durch. Und dann war die Sache für sie erledigt. Stumm stand sie etwas abseits, an einen Baum gelehnt, und beobachtete das Treiben. Das blaue Licht der Polizeiautos leuchtete sie von der Seite an. Milo hatte sie nach Hause gebracht. Es war Samstag, Tina hatte frei. Nur ganz langsam drang es zu ihr durch was sie da gefunden hatte.
Noch einmal erlebte sie den Moment in dem sie die Leiche gefunden hatte. Mit einem leisen Keuchen sank sie an der großen Eiche nieder und brach in haltloses Schluchzen aus.


Die junge blonde Polizistin Emyli band gerade ihren langen Pferdeschwanz fest, als sie hinter sich ein Schluchzen hörte. Sie drehte sich um und erblickte das Mädchen das die Leiche gefunden hatte. Es saß an einem Baum und wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Vorsichtig legte Emyli ihr einen Arm um die schlanken Schultern.
„Kann ich dir helfen?“ fragte sie leise und zaghaft. Tina schüttelte den Kopf. Emyli gab ihr ein Taschentuch. Geräuschvoll putzte sie sich die Nase.
„Soll ich dich nach Hause bringen?“ fragte Emyli.
„N – Nein danke, ich, ich hab nicht weit zu laufen.“
Emyli zog sie auf die Füße und Tina ging den Waldweg entlang. Nach Hause.


„Bitte setzen sie sich!“
Alexandria zog sich einen Schreibtischstuhl mit Rollen heran und setzte sich. Sie war bleich und angespannt. Leonz, ihr Mann, saß neben ihr und sah kein bisschen besser aus.
„Möchten sie etwas trinken?“ fragte der etwas rundliche Polizist die beiden. Sie schüttelten stumm die Köpfe. Der Polizist sah sie aus seinen warmen braunen Augen an.
„Wir haben ihre Tochter gefunden.“ Sagte er.
In den Eltern stieg ein kleiner Funken Hoffnung auf. Gleich wieder erstickt vom traurigen Gesichtsausdruck des Polizisten.
„Sie, also sie ist …“
„Sagen sie es schon!“ sagte Leonz barsch.
„Also, ihre Tochter ist tot!“
Die Welt um Alexandria und Leonz schien zu verschwimmen. Alexandria merkte nicht wie sie sich weinend an die Schulter ihres Mannes lehnte und dieser merkte nicht wie er ihr über das blonde Haar strich.
Tod! Tod! Tod! Für immer weg! Ihr einziges Kind…
„Wo ist sie?“ Alexandria war wieder erwacht.
„Sie wird gerade geborgen und müsste jeden Augenblick in der Gerichtsmedizin eintreffen.“


„Eins, zwei, drei und…“ Sie hoben die Leiche, die noch in einem weißen Sack verpackt war auf den kalten, glatten und stählernen Seziertisch. Toni, der Assistent, zog den Reißverschluss auf und der blasse Körper eines Mädchens kam zum Vorschein.
„Wen haben wir denn da?“ Antje, die Gerichtsmedizinerin, zog sich gerade noch die hellblauen Gummihandschuhe über, dann begann sie die Leiche mit den Händen zu untersuchen.
„Marina Mohle, siebzehn Jahre alt, einen Meter und siebzig Zentimeter groß und achtundsiebzig Kilogramm schwer!“ Toni hatte die übliche Liste heruntergeleiert.
„Siebzehn ja?“ Antje hob nicht einmal den Blick. Eine Strähne ihres roten Haares rutschte ihr aus der Haube. Toni schob sie ihr wieder hinein.
„Auf welche Schule geht sie?“
„Auf ein Gymnasium im Zentrum der Stadt.“
„Hatte sie einen Freund?“
„Ja, Mike Fleischer.“
„Ist er schon vernommen worden?“
„Das ist nicht unser Job!“
„Stimmt, aber trotzdem wüsste ich es gerne.“
„Wer nicht? Aber sie wollten es mir nicht sagen.“
„Na schön und was ist mit …, oh sie ist erstochen worden!“
Toni wusste ganz genau warum er das wichtigste immer zum Anfang sagte. Hatte Antje erst einmal angefangen ihren Job zu machen, konnte man bis zur nächsten Pause kaum ein vernünftiges Wort mit ihr reden. Also machte er sich daran ihr bei der Obduktion zu assentieren – wie immer.


Es klingelte. Und das an einem Sonntag. Sie öffnete. Zwei Polizisten standen draußen vor der Tür.
„Guten Tag Frau Fleischer.“, Sagte der jüngere von beiden. „Ist ihr Sohn zu Hause?“
Mike? Schoss es ihr durch den Kopf. Mike? Mein Sohn? Warum mein Sohn?
„Ja, ja das ist er.“ Sie strich sich eine braune Locke aus dem Gesicht. Die gleiche Geste wie ihr Sohn.
„Können wir mit ihm sprechen?“ fragte der andere.
„Ja natürlich aber warum denn?“
„Hat er ihnen das nicht erzählt?“ der ältere Polizist wirkte überrascht.
„Nein! Was denn erzählt?“ ihre Stimme wurde immer hysterischer.
„Seine Freundin ist tot. Ermordet durch einen Messerstich.


Mike lief so schnell und leise er konnte zurück in sein Zimmer. Er hatte alles gehört. Rasch griff er zum Telefon und wählte die Nummer.
„Patrick?“ kam die Stimme aus dem Hörer.
„Mike hier!“, flüsterte er, „Patrick vergrab die Waffe!“
„O.K. ich vergrab sie! Tschau!“
„Tschau! Ach Patrick?“
„Ja?“
„Wir waren nicht Schuld, klar?“
„Klar!“


„Hallo Mike.“ Die beiden Polizisten betraten Mikes Zimmer.
Mike ließ sein Buch sinken das er gerade scheinbar las. Das Römische Reich. Er kannte es so gut wie auswendig. Cesar war auch ermordet worden.
„Hallo.“ Sagte er mit täuschend echt wirkender kratziger Stimme vom vielen Weinen um seine tote Freundin.
„Mike, es tut uns wirklich sehr leid, dich in dieser Situation zu stören, doch wir müssen dir ein paar Fragen stellen.“ Der jüngere hatte gesprochen.
„Mh…“
„Wann hast du Marina das letzte Mal gesehen?“
„Am Nachmittag, wir waren Eis essen und plötzlich springt sie auf, meint sie hätte noch etwas zu erledigen und geht. Also, sie sagte sie müsse nach Hause.“
„Hattet ihr Streit miteinander?“
„Nein.“
„Na gut Mike, danke für deine Auskünfte. Auf Wiedersehen.“
„Wiedersehen.“
Die Polizisten schlossen die Tür hinter sich und Mike atmete erleichtert aus.


Tina betrat unsicher das Büro. Dort saßen sie. Die Eltern des ermordeten Mädchens.
„Ah, Frau Scholl, schön das sie so kurzfristig Zeit gefunden haben. Setzen sie sich doch, wir rufen gleich den Freund des Opfers an. Ich bin sicher, er möchte auch kommen.“
Tina stellte sich dem Ehepaar vor, sie redeten eine Weile. Dann ging die Tür erneut auf und ein junger Mann stand im Rahmen.
„Hallo.“ Er wirkte gehetzt.
„Hi, Mike.“
„Hallo.“
Tina zog die Hand aus der Tasche ihres Mantels, wobei ein Foto heraus fiel. Mike war schneller als sie und hob es auf.
„Dein Hund?“ frage er.
Sie bejahte.
Er gab ihr das Foto wieder.
Da ging die Tür ein drittes Mal auf und ein junger Mann mit dunkelblondem Haar steckte den Kopf durch die Tür.
„Wolfgang?“, fragte er, „die Ergebnisse sind da.“
„Wunderbar, gib nur gleich her Toni.“
Kommissar Wolfgang durchblätterte den Ordner und las sich die Blätter durch, dann begann er zu erzählen.
„Todeszeitpunkt circa zwanzig Uhr. Also vor, “ er überlegte kurz, „14 Stunde. Todesursache: Zuerst Schlag auf den Kopf, dann ist sie in ein Loch gefallen. So als wollte sie flüchten und anschließend hat man ihr den Gnadenstoß versetzt. Mit einem Küchenmesser. Artikelnummer drei. Von der Firma KITCHEN SHOP. Sehr interessant.“
Er ließ den Ordner sinken. Alle hatten Tränen in den Augen. Sogar Mike, doch bei ihm waren es Tränen der Verzweiflung. Wie hatte die Polizei das rausfinden können?!? Für ihn stand eines fest: Wenn er hier raus war, würde er so schnell wie möglich Patrick anrufen.


Anmerkung: Das Küchenmesser, die Tatwaffe, ist vor drei Tagen gefunden worden. Sie wurde im Wald vergraben. Dort wo man sie fand, waren Hundehaare verstreut. Genau solche Hundehaare wie Milo, Tinas Hund, sie besitzt. Und Tina sitzt nun Kommissar Wolfgang gegenüber.
„Bitte, ich schwöre es ihnen, ich war es nicht!“
„Tina, es wäre für alle leichter wenn du es gestehst.“
„Gestehen? Was denn gestehen? Was soll ich gestehen was sich nicht getan habe?!“
Tina war so verzweifelt, dass ihr die Tränen kamen. Der Kommissar hatte ihr den Rücken zugewandt und schaute aus dem Fenster. Das Wetter spiegelte Tinas Stimmung wieder: Grau, kalt und verregnet.
„Tina, es sind fünf einfache Wörter: „Ja ich habe es getan!“ Mh?“
Am liebsten wäre sie aufgesprungen, doch flankiert von zwei Wachtmeistern die, da war sie sich sicher, sie schnell wieder auf den Stuhl drücken würden.
„Aber ich war es nicht.“ beteuerte sie erneut.
„Und wie erklärst du dir dann die Hundehaare an der Tatwaffe?“ Der Kommissar hatte sich umgedreht und sah sie fragend und abschätzig an. Tina zuckte die Achseln. Er drehte sich wieder zum Fenster um und sagte: „Abführen!“ Er hörte wie sich seine Bürotür öffnete und wieder schloss. Er war sich sicher, dass sie die Schuldige war. Das kleine, stumme, freundliche Mädchen von Nebenan, auf das niemand geachtete hätte, wenn sie nicht den Fehler begangen hätte zum Begraben der Tatwaffe ihren Hund mitzunehmen. Er lachte leise und schaute wieder aus dem Fenster. Seine Bürotür öffnete sich erneut und viel mit einem leisen Klick ins Schloss. Er drehte sich um und blickte Emyli ins Gesicht. Das lange blonde Haar wie immer zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre blauen Augen sahen ihn anklagend an in dem weiß gestrichenem Büro.
„Was ist?“ fragte er.
Sie setzte sich.
„Ich glaube nicht, dass sie es ist!“
Einen Moment herrschte Stille.
„Warum?“
„Warum? Warum sie es getan hat? Oder warum sie glauben das sie es getan hat?“
„Nichts von alledem.“
„Sondern?“
„Warum glauben sie das Frau Scholl es nicht wahr?“
„Frau Scholl geht zur Polizeischule und sie ist schon sehr weit. So doof kann sie wohl nicht sein. Und selbst wenn sie es wäre, “ Emyli schaute Wolfgang mit schräg gelegtem Kopf an, „dann war sie sicher nicht so dumm ihren Hund mitzunehmen, denn so ein Tier verliert ständig Haare. Das weiß sie!“
Wolfgang war still. Es dachte nach. Emyli wartete noch fünf Minuten, dann sagte sie: „Ich werde schauen, dass die Tatwaffe noch einmal untersucht wird.“
„Das wirst du nicht tun!“
„Wieso?“
„Weil, weil… das doch nichts bringt!“
„Das, werden wie ja sehen!“ Und damit schlug sie die Tür des Büros hinter sich zu!“


„Hi Antje.“
„Emyli?! Was führt dich zu mir?“
„Kannst du dir nochmal die Tatwaffe anschauen?“
„Klar, wenn du mir sagst warum.“
„Weil ich denke, dass Tina Scholl nicht schuldig ist!“
„Ich sehe schon wir sind gute Freunde, denn das hab ich mir auch schon überlegt.“
„Richtig, wann kannst du es machen? Hast du jetzt Zeit?“
„Ich fürchte nicht!“ Antje schlug das weiße Tuch auf dem Tisch zurück und das Gesicht eines Mannes kam zum Vorschein. „Erschossen!“ sagte Antje und beantwortete damit Emyli´s unausgesprochene Frage.
„Gut“, sagte Emyli, „ruf mich an. Ich bin …“
„… immer und rund um die Uhr für dich erreichbar! Ich weiß, wie immer. Ich werd mich ranhalten.“ Sie grinsten sich beide an.
„Danke.“ Emyli zog die Tür auf.
„Klar doch!“


Vier Tage später

Tina schaute auf ihr Schwarzbrot mit Käse, den Apfel und das Glas Wasser. Sie hatte keinen Hunger. Seit einer Woche saß sie hier. Und das obwohl sie gar nicht Schuld war. Sie hatte Maria Mohle nicht das Küchenmesser in den Hals gestoßen, sie hatte nicht …
Die Schlüssel klapperten vor der Tür, sie öffnete sich und eine junge Polizistin kam herein. Sie wirkte etwas gehetzt und war außer Atem. Tina konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Die Tür krachte wieder ins Schloss und die kleine kahle Zelle lag wieder in Düsternis.
„Hallo Tina“, die Blonde sprach, „ich bin Emyli.“
Tina krächzte ein „Hi.“ Und räusperte sich.
„Tina, ich bin nicht von deiner Schuld überzeugt.“
Tina schaute auf. Die ganze Zelle schien zu strahlen und die blonde Polizistin Emyli sah aus wie ein Engel, der sie aus der Hölle befreien wollte.
„Wirklich?“ Tina wäre ihr am liebsten und den Hals gefallen.
„Das wollte ich dir nur sagen. Ich habe auch veranlasst, dass die Tatwaffe genauer untersucht wird. Tina, wir bringen dich hier raus!“
„Danke.“ Tinas Augen waren feucht.
Emyli nahm sie in den Arm. Dann klopfte sie an der Tür und wurde wieder hinausgelassen.


Emyli klingelte. Patrick öffnete.
„Guten Abend. Ich weiß es ist spät aber ich muss dringend mit ihnen reden.“
„Kein Problem, kommen sie doch rein wir gehen in die Küche. Möchten sie einen Tee?“
„Gerne.“
Er machte sich daran Wasser auf zu setzen.
„Haben sie Maria gut gekannt?“
„Ja hab ich.“
„Was ist das für ein Tuch?“
„Oh, das ist das Halstuch von Mike. Er hat es bei mir vergessen.“
„Er, war also hier?“
„Ja.“
„Warum?“
„Wir haben uns über Maria unterhalten, schließlich war sie auch meine Freundin.“
„Wirklich?“
„Ja.“ Patricks Stimme klang gepresst.
„Wie viele Freunde hatte sie? Ich meine männliche.“
Er zuckte die Schultern und suchte Teetassen.
„Vermissen sie, sie sehr?“
„Ja!“ er spuckte die Antwort förmlich aus.
Das war für Emyli genug. Es klingelte.
„Ich geh schon“ sagte er.
Kurz darauf kam er, zusammen mit Mike, zurück in die Küche.
„Oh Hallo“ sagte dieser freundlich als der Emyli sah.
„Keine Ursache ich wollte grade gehen. Auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen.“
Als sie sich umdrehte wäre sie beinahe stehen geblieben. Dort neben der Mikrowelle stand ein schwarzer Messersatz. Mit roter Schrift stand darauf: KITCHEN SHOP
Ein Messer fehlte.


Müde hatte Emyli sich am Abend ins Bett gelegt und war sofort eingeschlafen. Jetzt erwachte sie. Etwas klingelte. Sie hämmerte auf ihren Wecker ein, aber es wurde nicht still. Nun sah sie das hellerleuchtete Display ihres Handys. Sie nahm es in die Hand und schaute darauf. Antje ruft an. Rasch drückte sie die richtige Taste und meldete sich.
„Emyli?!“
„Halohooo, ich bin es Antje!“
„Ja klar Hi.“
„Sorry, ich denke ich hab dich grad aus deinem Schönheitsschlaf gerissen oder?“
„Wenn du es so nennen willst ja.“
„Tschuldigung, aber weshalb ich eigentlich anrufe … ich habe die Waffe noch mal untersucht und rate mal was ich gefunden habe.“
„Was?“
„Eine rote Faser aus Baumwolle.“
„Emyli war wie erstarrt. Sie hatte die Vermutung gehabt, aber dass sie es wirklich waren, dass diese beiden es wirklich getan hatten …
„Antje hör mal …“ Emyli erzählte ihr, was sie bei Patrick gesehen und erlebt hatte. Dann sagte sie: „Wir müssen Patrick und Mike dringend verhaften, sag das Kommissar Wolfgang o.k.?“
„Das würde ich nicht tun.“
„Warum?“
„Ich habe an der Faser ein Haar gefunden, zum Glück mit Wurzel, und einen ganz feinen Fingerabdruck. Oder besser gesagt ein Teil davon. Und drei mal darfst du raten zu wem der gehört. Und das Haar auch versteht sich.“
Emyli stockte.
„K – Kommissar Wolfgang?“ frage sie schockiert.
„Ganze einhundert Prozent!“


In Windeseile schlüpfte Emyli in ihre Sachen und jagte in ihrem Auto zur Polizeistation. Dort wartete schon Antje auf sie.
„Wie gehen wir vor?“ frage sie.
„Wir müssen Patrick und Mike jetzt festnehmen. Und Kommissar Wolfgang überraschen wir morgen in seinem Büro.“
„O.k., es haben heute drei Kollegen Nachtschicht, meinst du das reicht?“
„Locker, ich nehm mir zwei die mir die Jungen beschaffen und du bleibst hier!“
Bevor Antje noch protestieren konnte war Emyli schon auf dem Weg zu ihrem Büro. Dort rief sie über Telefon die zwei Kollegen an, die fünf Minuten später in ihrem Büro standen. Ein kahlköpfiger Polizist und eine schwarzhaarige Polizistin die ihre Haare kurz trug. Emyli erklärte ihnen die Lage und dann ging es los. Aus dem Auto rief sie Antje an: „Hey, na du, lass Tina Scholl aus der Zelle.“
„Jetzt? Aber sie schläft doch sicher noch.“
„Sie schläft sicherlich in deinem Büro besser, vor allem wenn sie weiß, dass wir wissen, dass sie unschuldig ist.“
„Na schön, ich hohl sie. Muss mir aber noch was einfallen lassen! Ciao! Und pass auf dich auf!“
„Na aber immer doch.“
Das Gespräch war beendet. Es war jetzt drei Uhr dreißig. Zuerst fuhren sie zu Patrick. Sie mussten Sturm klingeln bis endlich Patricks Vater aufmachte. Patrick war viel zu verschlafen um richtig mit zu bekommen was los war. Erst als er kurze Zeit später in Jeans, Pullover und Handschellen im Auto saß, schien er seine Situation zu verstehen. Ein Stöhnen entfuhr ihm und er ließ sich deprimiert in den Sitz sinken.
Mike war schon wesentlich wacher als sie ihm erklärten sie müssten ihn festnehmen. Seine Mutter brach in Tränen aus und beteuerte, dass ihr Sohn nie jemanden umgebracht hätte. Emyli beruhigte sie und zu dritt schleiften sie Mike zum Auto in den gleiche Klamotten wie Patrick, der sich seine ja auch nur schnell übergeworfen hatte. Um vier Uhr fünfzig kamen sie wieder im Präsidium an. Dort verfrachteten sie Patrick in eine Zelle und Mike in einen Vernehmungsraum, wo er alles haarklein erzählte. Es kam raus, dass Patrick, Mike das Messer gegeben und Mike es mit seinem Halstuch umwickelt hatte.
„Und was ist mit Kommissar Wolfgang?“ fragte Emyli.
„Der? Sein Sohn Leonard war auch mal mit Maria zusammen. Als sie dann mit ihm Schluss gemacht hat, hat er das nicht verkraftet. Er ist verrückt geworden. Und hat sich nie wieder erholt – bis heute. Und der Kommissar wollte Rache. Er hat Patrick auf die Idee mit dem Mord gebracht. Und hat ihm geholfen die Tatwaffe zu vergraben.“
„Mit den Hundehaaren? Woher wussten sie, dass Frau Scholl einen Hund hat?“
„Ihr ist ein Foto aus der Tasche gefallen, da hab ich ein paar Haare ihres Hundes genommen. Das war so einfach.“
„Und der Mord an Maria, deiner Freundin, war der auch einfach?“
„Ja.“
„Warum?“
„Weil ich wusste, sie würde mich auch bald verlassen. Aber diesmal nicht.“
„Ja, denn du hast sie von der Erde getrennt.“
„Ja, zum Glück.“


Um neun Uhr kam Kommissar Wolfgang zur Arbeit. Am Anfang wollte er noch alles abstreiten. Doch als er die Aussagen von Patrick und Mike hörte, gab auch er alles zu. Widerstandslos ließ er sich abführen.
Am Nachmittag kam Tina Scholl mit ihren Eltern zu Emyli und Antje, die sich gerade unterhielten, um sich zu bedanken.
Emyli meinte sie habe es doch gerne getan.
„Ich hätte dir sowieso keinen Mord zugetraut.“
Am Abend ging sie früh schlafen. Mit dem Gefühl alles richtig gemacht zu haben.
Ein weiterer gelöster Fall in ihren Leben.


Impressum

Texte: Bild: Google Idee: von karinaweine
Tag der Veröffentlichung: 15.02.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle krimi Fans!

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