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Ich wusste nicht, wie ich es meinem Vater erklären sollte. Lange saß ich schweigend in meinem Zimmer. Die Tränen rollten mir über meine gerötenden Wangen. Ich wusste er würde mich rausschmeißen wenn ich ihm die Wahrheit sagte. Ich stand zwischen zwei Stühlen. Entweder ich entschied mich für Giovanni, die Liebe meines Lebens oder für meinen Vater, der immer nur das Beste für mich wollte.
Ich wusste nicht, wie lange ich hier schon saß und über die auswegslose Situation nachdachte. Ich hörte die Stimme meines Vaters den Flur entlangschreiten. Es war so weit, er musste die Wahrheit erfahren, ich konnte und ich wollte ihn nicht länger anlügen. Die Schritte verstummten und es klopfte an meiner Tür "Marie, ich bitte dich jetzt das letzte Mal zu Tisch!" waren die Worte, die mit barscher Stimme folgten. Leise bat ich ihn einzutreten. Als er mein trauriges Gesicht sah, kniete er sich vor mich. "Mein Täubchen, was bedrückt dich? Es tut mir Leid, wenn ich vorher ein wenig zu streng mit dir war. Sei nicht traurig." "Vater, das ist es nicht...ich weiß nicht wie ich es dir sagen soll." "Sag es mir, ich werde nicht böse auf dich sein." "Doch das wirst du! Deshalb kann ich es dir nicht sagen." "Aber nein mein Täubchen, du weißt, du kannst mit mir über alles reden." Er nahm mein Gesicht in seine warmen Hände und trocknete meine Tränen mit seinen Daumen. "Na, gut...aber versprich mir, dass du nicht böse wirst." "Ich werde dir niemals böse sein, mein Schatz." "Weißt du noch, als ich zur Frühlingszeit mit Hilde am Bodensee war?" "Ja natürlich, von dort hast du mir diese schöne Krawatte mitgebracht" zeigte er auf seine Brust. Ich blickte ihm ins Gesicht, seine Augen wirkten freundlich, sein Mund zu einem Lächeln verzogen. Gleich würde ich in ihm alles zerstören, ich-seine eigene Tochter!
"Vater, sei nicht all zu streng aber ich habe dort jemanden kennengelernt." "Schön. Du kannst sie natürlich gern hierher einladen." "Vater, lass mich ausreden. Meine Bekanntschaft...ist ein Mann. Um ehrlich zu sein, ist es auch keine Bekanntschaft mehr. Vater, ich liebe ihn!" "Ach, Mariechen...ich dachte du turtelst mit Henning und jetzt erfahre ich, dass du schon seit längerer Zeit einen anderen Mann liebst?" Das Freundliche in seiner Stimme war verschwunden. Doch ich malte mir seine Reaktion in Gedanken schlimmer aus als sie tatsächlich war. "Aber Vater...nur weil er dein "bester Mann" im Unternehmen ist, muss ich ihn doch nicht gleich lieben!" "Er wäre die beste Wahl für dich gewesen. Er ist diszipliniert und ordentlich und vor Allem weiß er was er will. Er will nach ganz oben und genau das brauchst du. Du hättest mit ihm im Wohlstand leben können, willst du das alles hinwerfen für einen anderen, den ich noch nicht einmal begutachtet habe?" "Aber ich liebe Giovanni." Plötzlich nahm mein Vater die Hände von meinen Knien und sprang auf. "Giovanni?" fragte er laut. "Giovanni? Bitte, sag mir, dass es kein Italiener ist!" Seine Worte kamen nur stockend aus seinem Mund. Sein Gesicht war zu einer Fratze verzogen. Die Gesichtsfarbe ähnelte einer reifen Tomate. Er hatte etwas Bedrohliches, wie er mich von oben herab anschaute. Mit zitternder Stimme gestand ich "Er ist es. Er ist seit einem Jahr hier in Deutschland als Gastarbeiter." Wieder rollten mir die Tränen das Gesicht hinunter, doch dieses Mal war da keiner um sie zu trocknen. Ich blickte zu Boden, konnte nicht in das Gesicht meines Vaters blicken. In diesem Moment verspürte ich Angst, keine Angst vor ihm, aber Angst davor was er mit mir machen würde. "Junges Fräulein, das glaube ich gerade nicht. Ein Gastarbeiter? Ich kann es wirklich nicht fassen. Ich dachte, ich hätte dich zu einem anständigen und intelligenten Mädchen erzogen. Was soll dir der schon bieten? Du hättest glücklich mit Henning werden können, er hätte dir ein schönes Leben bieten können. Aber meine Tochter verliebt sich in einen schmutzigen Italiener, der dazu auch noch Gastarbeiter ist." Ich stand von meinem Bett auf um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. Ich zögerte kurz bevor ich Widerstand leistete, doch es ging schließlich um meine Zukunft. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen um meinem Vater endlich das zu sagen, was ich ihm all die Jahre sagen wollte. "Hör mir jetzt gut zu, geliebter Vater. Ich weiß, dass du alles für mich tun würdest. Ich weiß auch, dass du das in der Vergangenheit bereits getan hast. Du willst nur das Beste für mich, das kann ich auch verstehen. Aber ich will jetzt gerne nach meinen Vorstellungen leben und nicht wie du es gerne haben möchtest. Es ist schließlich mein Leben und nicht deines. Ich liebe Giovanni nun mal, auch wenn er nicht das ist was du dir für mich vorstellst. Wenn du meine Liebe zu ihm nicht akzeptierst, bitte, aber dann wirst du mich für längere Zeit nicht mehr sehen, denn er hat mich eingeladen zu ihm nach Konstanz zu ziehen, falls du nicht einverstanden mit unserer Liebe bist." "Marie, ich bin sehr enttäuscht von dir. All die Jahre habe ich mich für dich und deine Zukunft aufgeopfert und alles für dich getan und dann tust du mir das an? Einen jämmerlichen Gastarbeiter? Und jetzt drohst du mir zu alle dem auch noch damit, dass du abhauen willst?" "Vater, du weißt, dass ich für alles was du für mich geleistet hast, dankbar bin. Aber ich bin erwachsen geworden. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, das du vor allen Bosheiten dieser Welt beschützen kannst. Bitte, Vater, lass mich endlich nach meinen Vorstellungen glücklich werden!" "Glücklich werden? Mit einem Gastarbeiter? Weißt du überhaupt auf was du dich da einlässt? Soll ich dich und deine Kinder später in einem Container besuchen und dabei immer im Hinterkopf haben, dass du eigentlich etwas besseres haben hättest können? Ich habe dir schon als kleines Mädchen gesagt, dass für mich nur ein deutscher Schwiegersohn in Frage kommt. Einen Italiener? Niemals. Einen Italiener, der dazu auch noch Gastarbeiter ist? Nur über meine Leiche." "Aber Vater, lerne ihn doch erstmal kennen.." "Nein! Meine Ansichten werden sich dazu niemals ändern. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, dann geh!" Aber Vater.." "Nichts aber, du solltest das tun, was ich dir gesagt habe. Es muss ja nicht unbedingt Henning sein. Ich akzeptiere nur den Besten an deiner Seite und sonst nichts." "Bitte, Vater. Wenn du mich liebst, dann lerne Giovanni erstmal kennen, bevor du über ihn urteilst!" Meine Stimme klang, wie die eines kleinen Mädchens. "Nichts werde ich tun! Es liegt in deiner Hand. Ich stelle dich zwischen die Wahl. Ich oder dieser schmutzige Italiener. Wenn du dich für ihn entscheidest, dann brauchst du dich hier nicht länger sehen zu lassen. Wenn du allerdings zu mir stehst, was du als ein kluges Mädchen tun solltest, dann kannst du gerne hier bleiben, studieren und einen anderen Mann, der meinen Ansprüchen genügt, kennen lernen." "Das kannst du doch nicht machen. Ich liebe euch doch beide." Meine Worte klangen flehend. "Doch, das kann ich sehr wohl machen. Hast du doch gerade gesehen. Ich geb dir Zeit bis morgen. Dies sind meine letzten Worte dazu, entscheide dich klug!" Mit einem lauten Knall schlug er die Tür zu. Wieder saß ich allein in meinem Zimmer.Doch dieses Mal hatte ich die Gewissheit. Die Gewissheit, dass mein bisher unbekümmertes Leben sich schlagartig verändern würde.

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Tag der Veröffentlichung: 25.06.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Weil meine Oma die Beste war. -Für dich-

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