Cover

Schwer atmend lag die Frau da. Sie wusste nicht, wo sie sich befand. Mühevoll versuchte sie sich aufzurichten, um besser sehen zu können. Ihre Arme konnten das Gewicht des Körpers nicht tragen. So fiel sie wieder zurück auf den Boden. Sie musste die Augen schließen, als ein Schmerz durch ihren Körper fuhr, als hätte man sie mit spitzen Nadeln beschossen. Noch einmal versuchte sie sich umzusehen, etwas zu erkennen, dass ihr vertraut war; an dem sie sich orientieren konnte, wo sie war. Doch es war dunkel und es gab keine Lichtquelle, außer dem Mond, der leicht durch eine Schicht von Wolken schimmerte. Das Glas ihrer Digitaluhr war zersprungen, vielleicht durch einen Sturz.

Doch wie sie hier her an diese Stelle gelangt war, was genau passiert war, sie konnte sich an nichts erinnern. Wie jeden Tag hatte sie um Punkt 8 Uhr mit ihrem Freund telefoniert, der mit der ISAF in Afghanistan stationiert war. Danach war sie mit ihrem Hund laufen gegangen. Draußen fing es schon an zu dämmern. Danach ein Schatten, eine Gestalt, welche im Gebüsch gekauert hatte, sonst nichts.

Erst jetzt nahm sie ein weiteres Geräusch wahr. Ein leises Fiepen, zu leise. Bisher wurden alle Geräusche verdrängt, vom Blut, dass durch ihren Kopf, ihr Gehirn raste, und versuchte, es mit Sauerstoff zu versorgen. Umso heftiger dröhnte das Fiepen nun in ihrem Kopf. Als ob man eine Kreissäge genau neben ihrem Ohr platziert hätte. Die Frau versuchte in die Richtung zu kriechen, aus der das Geräusch kam. Etwas anderes war ihr unmöglich. Plötzlich lief eine warme Flüssigkeit ihre Hüfte herunter. Sie erstarrte. Ihr linke Hand, die zu Zittern begonnen hatte, tastete sich an ihrem Körper entlang, unwissend, was das für eine Wärme war. Ihr Puls beschleunigte, obwohl es so schien, als ob ihr das Atmen Probleme bereiten würde.

Nun hatte ihre Hand die Hüfte erreicht. Mit den Fingern ertastete sie eine dickflüssige Substanz. Sie hob sich die Hand vor das Gesicht. Wenn man sie gefragt hätte, sie hätte die Finger nicht zählen können, so sehr zitterten ihre Hände nun. Und auch ihre Augen begannen sich zu trüben. Ihr Sehvermögen ließ nach. Dennoch erkannte sie schlagartig, was das für eine Flüssigkeit war.

Es war Blut. Ihr Blut. Die Hand sank auf den Boden. Schmerzen verspürte die Frau nicht mehr, nur ein leichtes Kribbeln am ganzen Körper. Doch mit dem Schmerz verschwand auch jedes andere Gefühl, in ihren Armen und Beinen. Es war, als mit dem Blut noch mehr ihren Körper verlassen würde. Langsam begann sich eine Müdigkeit in ihr auszubreiten.

Wie ein Schleier legte diese sich über sie. Dabei wollte sie hier nicht liegen bleiben, sie wollte nach ihrem Hund gucken, vom dem das Fiepen gekommen sein musste. So lag sie da und versuchte zu horchen. Das Fiepen war verstummt. Die Frau versuchte ihren Zustand zu verdrängen. Wahrscheinlich hatte sie sich nur irgendwo die Haut geschürft und blutete etwas schlimmer.

Sie musste sich zwingen, voran zu kriechen und nicht liegen zu bleiben, obwohl es schwer fiel. Das Herz in ihrem Körper schlug nun so schnell, dass es sicher platzen würde. Dieser Gedanke kam ihr urplötzlich. Kopfschüttelnd versuchte sie ihn zu verdrängen. Eher wohl die Müdigkeit. Ihr Sehvermögen war inzwischen auf nicht mal mehr einen Meter geschrumpft, doch in dieser Dunkelheit war das Egal. Mit rasselndem Keuchen schob sie ihren Körper vorwärts, der Tonnen zu wiegen schien. Sie gelange an eine Reihe von Sträuchern an und sackte erschöpft zusammen.

Eine kleine Pause würde sie sich vielleicht gönnen, ein paar Sekunden, oder eine Minute, bis sie weiter suchen würde. Die Müdigkeit drängte sich nun immer weiter in sie, umspülte ihr Gehirn, machte das Denken schwer. Sie versuchte sich zu Wehren, nicht einzuschlafen. Doch sie verlor diesen Kampf, den sie nie hätte gewinnen können. So schloss die Frau ihre Augen. Zum letzten Mal.

Impressum

Texte: Text unterlieg alleinig dem Recht des Autors.
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /