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Es ist früher Nachmittag als wir in Twee Rivieren im Kgalagadi Transfrontier Park, eintreffen. Der ehemalige Kalahari Gemsbok Park, der im äußersten Norden Südafrikas auf einem Landzipfel zwischen Namibia und Botswana liegt, der wie ein ausgestreckter Zeigefinger gen Norden zeigt, wurde 1999 mit dem angrenzenden Gemsbok National Park in Botswana formell zusammengelegt. Der nun länderübergreifende Nationalpark mit dem klangvollen Namen gehört somit zu den größten Naturschutzgebieten der Welt. Die Grenzen innerhalb des Parks sind nur mit weiß gestrichenen Steinen markiert und der Besucher kann, genau wie das Wild, in den beiden Ländern umher-
streifen – allerdings nur auf den angelegten Pisten. Erst kürzlich ist ein Grenzposten nach Namibia bei Mata Mata eröffnet worden, langfristig plant auch Namibia einen Teil seines Landes dem Kgalagadi Park beizusteuern.

Will man, so wie wir, den Park anschließend in eines der angrenzenden Länder verlassen, muss man hier im Hauptcamp Twee Rivieren die Grenzformalitäten schon vorab erledigen und mindestens zwei Nächte innerhalb des Parks übernachten. Aus diesem Grund haben wir für heute das Erreichen unseres Tagesziels so geplant, dass ausreichend Zeit bleibt die Grenzformalitäten zu erledigen, unser Zeltlager auf dem angeschlossenen Campingplatz zu errichten und einen ersten Gamedrive zu unternehmen. Wir, das sind meine Partnerin Karen und ich. Zusammen mit zahlenden Gästen unternehmen wir maßgeschneiderte Safaris im südlichen Afrika und bereisen vornehmlich Südafrika, Namibia, Botswana oder Mozambique. Während Karen sich hauptsächlich um die Verpflegung und die damit zusammenhängende Organisation kümmert, stelle ich die Touren zusammen und bin der Chefmechaniker, Tierspotter und Anführer in einer Person.
Dieses Mal sind wir mit Petra und Daniel und aus Deutsch-
land unterwegs. Die beiden sind auf ihrer Hochzeitsreise und erfüllen sich im Rahmen dessen einen lang gehegten Traum von einer Afrikareise. Wir sind mit zwei Gelände-
wagen, auf denen je ein Dachzelt montiert ist, und einem Offroadanhänger, in dem unsere Vorräte untergebracht sind, unterwegs. Die Wunschroute der beiden führt uns nach einem mehrtägigen Aufenthalt hier im Kgalagadi Park über den neuen Grenzübergang Mata Mata nach Namibia, wo wir den Fish River Canyon und den ebenfalls erst kürzlich neu geschaffenen Ai-Ais/Richtersveld Transfrontier Park aufsuchen werden. Nach einem mehrtägigen Besuch des einsamen und rauen Richtersveld-
Park auf der südafrikanischen Seite geht es anschließend entlang der Westküste Südafrikas wieder zurück nach Kapstadt.

Gegen 17.00 Uhr haben wir die Formalitäten für den anstehenden Grenzübergang soweit erledigt, den Offroadanhänger abgehängt und unser Lager halbwegs auf dem Campingplatz aufgebaut. Wir besteigen alle einen der Geländewagen, den zweiten lassen wir im Lager zurück, und brechen zu einem ersten Gamedrive auf.

Wir haben Ende Januar und die Temperaturen liegen selbst jetzt noch, am frühen Abend, bei runden 30 Grad. Jetzt, am Abend, wenn die Temperaturen wenigstens ein bisschen abkühlen, sind die Aussichten Wild anzutreffen höher. In den heißen Mittagsstunden verkriecht sich alles Wild im Schatten und meist ist dann nur sehr wenig zu sehen.
Wir entscheiden uns für die Route entlang des Auob River. „Beide Hauptrouten des Parks führen entlang der normalerweise ausgetrockneten Flussbetten des Nossob und des Auob Riviers und beginnen hier in der Nähe von Twee Rivieren.“, erkläre ich unseren Gästen, „Auch wenn die Flussbetten oberirdisch trocken sind, so führen sie doch tief unterirdisch noch Wasser. So finden sich im Abstand von etwa 5 bis 20 Kilometern Wasserlöcher in den staubigen Flussläufen, aber nur wenige von ihnen sind natürlichen Ursprunges. Die meisten sind Bohrlöcher, die durch Windpumpen betrieben werden. In der Vergangen-
heit wurden in zahlreichen heutigen Teilen des Parks Ziegen- und Rinderfarmen betrieben. Viele der künstlichen Bohrlöcher stammen noch aus diesen Zeiten und wurden unter viel Anstrengung von den damaligen Farmern gebohrt. Heute versucht man die künstlichen Bohrlöcher intakt zu halten, da selbst in dem riesigen Gebiet die alten Wanderrouten des Wildes zu permanenten Wasser-
ressourcen durch Zäune und menschliche Siedlungen unterbrochen sind. Derzeit plant die Parkverwaltung die alten Wasserräder nach und nach durch solarbetriebene moderne Pumpen zu ersetzt. Allerdings geht diese Umstellung nur sehr langsam vonstatten, denn wie so häufig fehlen die notwendigen Geldmittel.
Ob künstliche oder natürliche Wasserstelle, in den frühen Morgenstunden und auch am späten Nachmittag lässt sich hier hervorragend Wild beobachten.“

Daniel und Petra schauen gebannt aus den Fenstern, während ich als Fahrer eher auf die Piste achte. Die Strecken im Park sind ungeteert und teilweise recht sandig oder mit tiefen Schlaglöchern versehen. Demzufolge ist ein wenig Aufmerksamkeit für die Piste zu unserer aller Sicherheit von Nöten.
Vor wenigen Tagen muss es geregnet haben, denn teilweise stehen noch tiefe, schlammige Pfützen auf den Pisten. Tausende von grünen Schmetterlingen laben sich an der seltenen Feuchtigkeit und sitzen zu Tausenden auf dem feuchten Schlamm. Schon am ersten Wasserloch Houmoed werden wir fündig. Eine Herde Streifengnus hat die freie Fläche in Beschlag genommen. Ich halte an, damit wir die Tiere besser beobachten können. Innerhalb der Herde befinden sich einige Jungtiere. Die Regenzeit und somit eine Zeit des Überflusses beginnt in wenigen Wochen. Sie hat bereits ihre Vorboten in Form von vereinzelten Regenfällen geschickt, die wir unschwer an den Schlammpfützen an den Pisten erkennen können. Die meisten Tiere bekommen zu dieser Jahreszeit ihre Jungen, damit den Jungtieren ausreichend Nahrung geboten wird, um schnell heranzuwachsen. Infolge der Regenfälle explodiert die Vegetation in der Kalahari förmlich, die rostroten Dünen sind dann mit herrlich gelben Jochblumen bewachsen, Gräser sprießen aus dem sonst staubigen Boden, Tsamma-Melonen (eine Wildform der Wasser-
melone, auch Zitronenmelone genannt) und Gemsbock-
kürbisse oder Nara-Melonen gedeihen vorzüglich und bieten den Pflanzenfressern unter den Tieren ein reichlich großes Nahrungsangebot. Wir werden Zeuge mehrer Rangeleien zwischen den Gnus, vielleicht sind sie aber auch nur einfach aufgrund der bevorstehenden guten Zeiten übermütig. Es macht uns allen Spaß die irgendwie doch ein wenig hässlich wirkenden Tiere zu beobachten.

Wir kommen nur langsam voran, ich fahre durchschnittlich etwa 30 Kilometer pro Stunde. Die malerische Landschaft


überrascht mit ihren roten, sanft geschwungenen Sanddünen und den dazwischen liegenden weiten offen Ebenen, die durch die Flussbetten des Auob und des Nossobs durchschnitten werden. Am Rande der trockenen Flussbetten haben sich widerstandsfähige Kameldorn-
bäume und Dornakazien zu größeren Bäumen entwickelt, in deren Kronen Siedlerwebervögel teilweise riesige Gemeinschaftsnester errichtet haben. Die Nester werden von den lebhaften Vögeln jahrelang genutzt und mit der Zeit immer größer durch ständige Anbauten. Weit über 100 Nester können sich innerhalb des Gemeinschaftsbaus, der eine Breite von über mehreren Metern erreichen kann, befinden. Häufig brechen Äste unter der Last des Nestes ab und das ganze Nest oder Teile davon fallen zu Boden. Was sicher eine Tragödie für die Vögel darstellt.

Karen hält gerne in den Bäumen nach Leoparden Aus-
schau, die dort häufig während der heißen Tageszeit ruhen. Doch diese einzelgängerischen, heimlichen und nächt-
lichen Jäger sind schwer zu entdecken. Ihre Fellfärbung tarnt sie nahezu perfekt im Spiel von Licht und Schatten in den Blättern der Bäume.
Statt eines Leoparden sichten wir einen Raubadler. Majestätisch sitzt der Greifvögel im Geäst eines Baumes und beobachtet seine Umgebung. Etwas später entdecken wir ein zierliches Steinböckchen im spärlichen Schutz eines Busches. Die hübsche, rehbraune Zwergantilope hat eine markante Zeichnung in ihren riesigen Ohren und schaut uns gebannt an. Doch dann dreht sie sich schnell herum und ist mit wenigen Sprüngen außer Sichtweite. Auf

der nächsten steppenartigen freien Fläche tun sich einige Oryxantilopen und eine kleine Herde Springböcke an dem gerade erst sprießenden Gras gütlich. Die schönen, kräftigen Oryxantilopen wirken anmutig schön, unter ihrem grauen Fell zeichnen sich deutlich ihre kräftigen Muskeln ab. Die hauptsächlich in ariden Gebieten wie Wüsten oder Halbwüsten lebende Oryxantilope hat eine interessante schwarz-weiße Gesichtszeichnung und verfügt über lange gerade Hörner, die bis zu 150 Zenti-
meter lang werden können. Mit diesen gefährlichen Waffen kann die, auch Gemsbock genannte Antilope sogar Löwen erfolgreich in die Flucht schlagen. Friedlich teilen sich die Tiere die savannanartige, freie Fläche mit den Springböcken und sind völlig entspannt. Es ist also garantiert kein Raubtier in der Nähe!
Die Springböcke haben ihren Namen von ihrem sehr eigenwilligen Laufverhaltens auf der Flucht vor Feinden. Die Tiere springen während der Flucht immer wieder hoch in die Luft. Während des Sprunges lassen sie Kopf und Beine herabhängen und wölben den Rücken nach oben. Dieses Verhalten wird als Prellsprung oder Prunken bezeichnet und ist häufig auch bei Jungtieren im Spiel zu beobachten. Der gut 80 Zentimeter große Springbock ist das Wappentier von Südafrika. Das gazellenartige Tier ist auf dem Rücken leuchtend gelbbraun, der Bauch ist weiß. Ein schwarzbrauner Flankenstreifen trennt die Ober- und Unterseite des Springbockes. Sein Gesicht ist weißlich und insgesamt haben die agilen Tiere eine sehr hübsche Erscheinung.


Langsam fahre ich weiter und wir begegnen einigen Erdhörnchen. Die knapp 30 Zentimeter großen, tagaktiven Tiere heißen eigentlich Kap-Borstenhörnchen und leben in sozialen Gruppen, die rund 5 bis 10 Tiere umfassen. Die Erdhörnchen leben in komplexen Bauten unter der Erde, die aus einer Vielzahl an Tunneln und Kammern, sowie Ein- und Ausgängen bestehen. Diese Bauten sind oft erstaun-
lich weit verzweigt und können sich über Hundert Quadratmeter erstrecken. Gleich hier neben der Piste können wir mehrere Eingänge zu der unterirdischen Behausung der Tiere erblicken. Obwohl das gelbgrau bis graubraune Fell der Erdhörnchen aus der Entfernung weich aussieht, haben Erdhörnchen ein steifes, borstiges Fell, das sich beim Berühren wie Igelstacheln anfühlt. Deshalb hat es wohl den Namen Borstenhörnchen erhalten.

Ganz in der Nähe finden wir zwei Fuchsmangusten. Die kleinen Raubtiere haben ihren Namen von ihrem fuchs-
ähnlichen Äußeren und sind von Kopf bis zum Ende des Rumpfes etwa 40 Zentimeter lang. Hinzu kommt noch der buschige Schwanz, der etwa 25 bis 30 Zentimeter misst und beim Laufen immer waagerecht parallel zum Boden gehalten wird. Die gelblichbraun gefärbten Fuchs-
mangusten zählen Insekten, Nager und Vögel zu ihrer bevorzugten Nahrung. Allerdings können es die äußerst flinken und reaktionsschnellen Tiere auch mit Gift-
schlangen aufnehmen, die ebenfalls gerne gefressen werden.


Wenig später läuft uns ein Schabrackenschakal über den Weg. Die kleinen, etwa nur 40 Zentimeter hohen Wild-
hunde sind echte Opportunisten. Mit großem Geschick beschaffen sich die fleißigen Jäger und Sammler jeden Tag ihre Nahrung, wobei sie so gut wie alles fressen. Ihr Speiseplan umfasst Insekten, Käfer und Heuschrecken und reicht über Mäuse, Vogeleier, Springhasen und Eidechsen bis hin zu Knollen, Beeren und Tsamma- oder Nama-
Melonen. Gerne folgen Schabrackenschakale auch Löwenrudeln und fressen die Reste der Beute, die die Löwen übrig gelassen haben oder aber sie reißen Jungtiere. Sie sind sogar in der Lage einen ausgewachsenen Springbock zu schlagen. Seinen Namen verdankt der Schabracken-
schakal der dunkelgrauen Färbung seines Rückenfells. Diese erinnert an eine Satteldecke für Pferde, welche früher auch "Schabracke" genannt wurde.

An einer Stelle im Tal des Auob Rivers, die von besonders vielen Kameldornbäumen gesäumt ist, entdecken wir sogar eine Giraffe. Karen sieht das im Schatten der Bäume perfekt getarnte Tier als Erste und macht uns auf die Giraffe aufmerksam: „Schaut. Dort im Schatten der Bäume steht eine Giraffe!“ Ich halte an, damit wir die fressende Giraffe besser beobachten können. Die Giraffe äugt zwar etwas beunruhigt zu uns herüber, frisst aber weiter. „Es gibt Giraffen hier im Park?“, fragt Daniel erstaunt. „Ja, erst vor wenigen Jahren sind ein paar Giraffen von Etosha in Namibia hier ausgewildert worden. Früher gab es auch in diesem Teil der Kalahari Giraffen, die aber irgendwann alle verschwunden waren. Aus diesem Grunde möchte man die Tiere hier wieder ansiedeln.“, erkläre ich. „Ihr könnt Euch wirklich glücklich schätzen eine zu sehen. Es gibt im ganzen Kgalagadi Park nur etwa 30 Giraffen.“, fügt Karen hinzu. „Es ist allerdings auch ungewöhnlich soweit südlich eine Giraffe zu sehen. Normalerweise halten sich die Giraffen in dem Gebiet um Mata Mata auf!“, erkläre ich weiter. „Vielleicht haben sie die vielen Kameldornbäume hierher gelockt.“, vermutet Karen. „Der Kameldorn ist eine Akazienart und ein charakteristischer Baum in der Kalahari. Seine weit ausladende Krone ist das ganze Jahr über belaubt. Der Kameldorn gedeiht überall dort wo es Grundwasser gibt, so wie hier am Trockenflussbett des Auob. Seine Äste und Zweige sind zum Schutz gegen Wildfraß mit bis zu 5 Zentimeter langen Dornen besetzt, was Giraffen allerdings wenig stört. Mit Vorliebe fressen sie die Blüten, das Laub und die Fruchthülsen der Bäume. Mit ihren langen dünnen Zungen und dem äußerst beweglichen Maul, fressen sie einfach um die Dornen herum. Der Name Kameldorn leitet sich von der Vorliebe der Giraffen für diesen Baum ab, die auf Afrikaans als Kamelpferd bezeichnet werden. Kameeldoring, wie der Baum auf Afrikaans heißt, bedeutet Giraffendorn und aus diesem Wort leitet sich die deutsche Bezeichnung Kameldorn ab.“, erkläre ich unseren Gästen. Ich reiche ein Fernglas herum, damit Daniel und Petra besser sehen können, wie die Giraffe die Blätter zwischen den Dornen frisst. Doch allmählich scheint unsere Anwesenheit die Giraffe zu beunruhigen. Sie schaut noch einmal in unsere Richtung und zieht sich dann zurück. Wir lassen das Tier in Ruhe ziehen und fahren weiter.

Wir sind bereits ungefähr eineinhalb Stunden unterwegs, als Petra leise anmerkt: „Ich mach ja ungern Umstände, aber ich müsste echt mal auf die Toilette!“ Angesichts eines solch menschlichen Bedürfnisses müssen wir alle lächeln. „Bei Auchterlonie ist ein Picknickplatz, da wollten wir sowieso anhalten. Es ist nicht mehr weit entfernt und da ist auch eine Toilette!“, verspreche ich Petra und ernte einen dankbaren Blick.

Kurz darauf erreichen wir mehrere hölzerne Picknicktische, die im Schatten einiger höher Bäume stehen. „Hier können wir aussteigen?“, fragt Petra ein wenig verwirrt, „Aber hier gibt es doch Löwen!“ Karen und ich schauen uns sorgfältig um und nehmen die Umgebung genau unter die Lupe. „Wir können aussteigen, die Luft ist rein!“, antworte ich schließlich, „Es sind gerade keine Raubtiere zugegen. Mach Dir keine Sorgen!“. Zögerlich öffnen Daniel und Petra die Autotüren. „Löwen dürfen nicht hierher! Hast Du eben nicht die Schilder ‚Für Löwen verboten’ gesehen?“, scherzt Karen beim Aussteigen. „Du willst mir doch nicht erzählen, dass die Kalaharilöwen neuerdings Lesen können!“, fragt Daniel schlagfertig zurück. „Es gibt auch keine Zäune hier!“, wirft Petra ein. „Nein, es gibt keine Zäune. Man muss die Augen schon aufhalten und die Umgebung im Auge behalten! Wir haben schon beobachtet, dass Löwen hier auf den Tischen lagen! Aber glaub mir, im Moment ist die Luft rein. Die Springböcke dort vorne sind völlig entspannt. Das wären sie nicht, wenn Löwen oder andere Raubtiere in der Nähe wären. Nun geh schon auf die Toilette! Oder soll ich mitkommen?“, sage ich. In einiger Entfernung zu den Tischen steht ein winziges Holz-
häuschen, das die Toiletten beherbergt. Schiebegitter und doppelte Türen schützen die Toiletten vor einem Ein-
dringen durch Tiere, so dass man dort relativ sicher ist. „Na, das schaffe ich schon alleine!“, sagt Petra und stapft mutig in Richtung der Toiletten davon. Währendessen richtet Karen einen Sundowner-Drink aus der mitgeführten Kühltasche für uns alle und einen kleinen Snack in Form von Nüssen.

Gemütlich sitzen wir an einem der Holztische und trinken ein kühles Bier. Schweigend genießen wir die uns umgebende Kalahari und die frühe Abendstimmung. Im Baum über uns hocken zwei schwarze Kapkrähen, die sich offensichtlich sehr für die Nüsse interessieren, die wir zum Bier knappern. Sie hopsen heran und schließlich erbarmt sich Daniel und wirft den Krähen ein paar Nüsse hin. Immer näher kommen die Vögel und stören sich überhaupt nicht an unserer Anwesenheit. Als die Nüsse verspeist sind, wendet sich unsere Aufmerksamkeit wieder der beeindruckenden Kalaharilandschaft zu. Keiner von uns achtet mehr auf die Krähen, die sich noch immer in unserer Nähe aufhalten.





Urplötzlich und aus heiterem Himmel erklingt kurz hinter Daniel ein lautes ‚Raaahhhhh’! Alle vier springen wir zutiefst erschrocken auf und schauen uns entsetzt um! Tief im Innersten haben wir wohl alle nicht vergessen, dass wir uns inmitten der Wildnis mitsamt Raubtieren befinden! Doch es ist kein Raubtier zu entdecken und das Geräusch deutete auch eher auf einen Vogel hin. Nach einigem Suchen entdecke ich den Übeltäter in einem Baum. Eine der beiden Krähen hatte sich uns unbemerkt genähert und in unmittelbarer Nähe diesen markerschütternden Schrei losgelassen. Als wir erschrocken aufsprangen, flüchtete sich die schlaue Krähe mit ein paar raschen Flügelschlägen auf einen nahen Baum, indem schon mehrere andere Kapkrähen saßen.
„Da! Die Krähen wollten uns wohl ein wenig ärgern!“, erkläre ich den anderen. Die Vögel krächzen nun völlig aufgeregt vor sich hin und ein kleiner Aufruhr ist unter ihnen ausgebrochen. Je mehr wir die Tiere beobachten, desto mehr gewinnen wir den Eindruck, dass die Tiere sich prächtig über den gelungenen Streich amüsieren und uns tüchtig auslachen! Das diebische Vergnügen der ge-
samten Vogelgruppe ist unübersehbar!

Allmählich wird es Zeit die Heimfahrt anzutreten. Von Auchterlonie nehmen wir die Dune Road in östliche Richtung und hinüber zum Bett des Nossob. Vorbei an den Wasserlöchern Kielie Krankie, Kji Gamies und Tier Kop führt die Strecke quer über die Sanddünen, die sanft geschwungen immer parallel zueinander verlaufen, bis Kij Kij am Nossob. Von dort geht es über Rooiputs und Leeuwdril zurück nach Twee Rivieren. Unterwegs halten wir nach Raubtieren Ausschau, aber leider sichten wir außer einigen Oryxantilopen, Springböcken und ein paar Straußenvögel nichts Lebendiges. In der Nähe von Leeuwdril können wir ein paar frische Löwenspuren im Sand ausmachen, doch von den Verursachern der Abdrücke fehlt jedoch weit und breit jede Spur. Unweit der Spuren finden sich ein paar alte Risse, Überbleibsel einer nächtlichen Löwenmahlzeit. Weiß scheinen die Knochen schon unter den Fleischresten und der Felldecke hervor. Einmal können wir die Überreste einer Elenantilope erkennen und ein anderes Mal sind von einem Gnu

nur der angenagte Kopf und die weit in der Landschaft verstreuten Knochen übrig geblieben!




Um 19.30 Uhr müssen wir den Park verlassen und wir erreichen das Gate zu Twee Rivieren gerade mal 5 Minuten vor Schließung des Tores. Die Sonne ist dem Horizont schon gefährlich nahe gekommen, das Licht ist weich und die Schatten sind bereits lang. Es dauert nicht mehr lange bis sich die Nacht über die Kalahari. Da es schon so spät ist, verzichtet Karen heute darauf die Campküche anzu-
schmeißen. Nachdem wir uns ein wenig frisch gemacht haben, wandern wir nun, da es völlig dunkel ist, mit Taschenlampen bewaffnet hinüber in das Restaurant des Restcamps und lassen uns dort mit einem schmackhaften Mahl verwöhnen.

Später, als wir nach der Mahlzeit zurück in unser Lager laufen, begegnen wir unterwegs unzähligen afrikanischen Riesentausendfüßlern. Etwa zwanzig Zentimeter lang und dick wie ein kleiner Gartenschlauch sind diese unge-
wöhnlichen Gliederfüßer. Zuhauf wandern diese schwarz glänzenden Tiere umher, ob sie auf Partnersuche oder Futtersuche sind – ich weiß es wirklich nicht! Ich weiß nur, dass diese Tausendfüßer, tritt man auf sie oder greift sie ein Fressfeind an, ein Schleimhaut reizendes Wehrsekret absondern. Deshalb rate ich unseren Gästen, nicht auf die Tiere zu treten. Ansonsten sind sie aber völlig harmlos. Daniel tauft die Tausendfüßer zugleich auf den lustigen und zutreffenden Namen „Kalahari-Express“! Über die gelungene Wortschöpfung amüsieren wir uns königlich und brechen in lautes Gelächter aus!

Wieder in unserem Lager, begrenzt von den beiden Wagen mit den Dachzelten und dem Offroadanhänger, haben wir es uns bei einem Becher Wein gemütlich gemacht. Die Nacht ist angenehm warm und die Sterne leuchten zuhauf vom Himmel. In der Ferne ist das leicht hysterisch wirkende „Lachen“ einer Hyäne zu hören, dann ist es bis auf die allgegenwärtigen Zikaden wieder still. Ein leichter Nachtwind kommt auf. So angenehm diese leichte Brise auch ist, doch befürchte ich deshalb, dass wir einige Skorpione in dieser Nacht zu sehen bekommen. In windigen Nächten treten die meist nachtaktiven Spinnen-
tiere häufiger auf, als in windstillen Nächten. Dann scheint es fast so, als würde jeder Skorpion der Kalahari sein Erdloch oder sein Versteck verlassen und auf Jagd gehen. Bei Skorpionen gilt eine Faustregel, anhand derer man die jeweilige Gefährlichkeit eines Tieres gut einordnen kann. Hat das Tier große Scheren und einen kleinen Stachel ist es weniger gefährlich. Umgekehrt gelten Skorpione mit kleinen Scheren und einem großen Stachel als gefährlich und giftig. Hier in der Kalahari kommen giftige und weniger giftige Skorpionarten vor. Wir könnten heute also als Bekanntschaft mit beiden Varianten machen.

Kaum habe ich meinen Gedanken zu Ende gedacht, tauchen auch schon die ersten verhuschten Tiere am dunklen Boden auf. Wir Menschen passen nicht wirklich in das Beuteschema der Skorpione, dennoch ist es sinnvoll einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und beispielsweise nach Einbruch der Dunkelheit nicht barfuss zu laufen, Zeltein-
gänge sowie Schlafsäcke immer geschlossen zu halten und niemals Kleidungsstücke auf den Boden lagern.

Als Petra und Karen die umherhuschenden Skorpione entdecken, sehen sie sich gezwungen den Rest des Abends die Füße einzuziehen und in der Hocke auf den Campingstühlen zu sitzen. Dabei amüsiere ich mich innerlich über meine Partnerin Karen. Wir sind nun schon einige Jahre in Afrika unterwegs und sie hat sich immer noch nicht an das Skorpion-Phänomen gewöhnt! Daniel und ich unternehmen eine kleine Skorpion-Expedition und nehmen die Tiere genauer in Augenschein. Wir folgen ihnen und ihren Wegen und leuchten sie mit Taschen-
lampen an, so dass wir die Tiere besser beobachten können. Karen und Petra beobachten uns kopfschüttelnd von ihren Stühlen aus. Trotz unserer Unerschrockenheit achte ich darauf, die Tiere nicht unter Druck zu setzen oder in die Enge zu treiben. Einige Arten der Skorpione können mehrere Zentimeter hoch springen und uns, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen, attackieren!

Doch irgendwann verlieren Daniel und ich das Interesse und kehren zu unseren Stühlen zurück. Eine halbe Stunde sitzen wir noch zusammen und genießen die afrikanische Nacht. So ein Abend inmitten der Wildnis ist immer wieder etwas Besonderes. Unter dem leuchtenden afrikanischen Sternendach zu sitzen, den Busch zu riechen und zu hören, ist für mich fast das Schönste auf der Welt. In weiter Ferne ist das tiefe, dunkle Brüllen eines Löwen zu vernehmen. Gebannt spitzen wir die Ohren, doch der Löwe verstummt wieder. Allmählich werden wir alle müde und nachdem unser Fläschchen Wein geleert ist, gehen wir zu Bett. Ich bin sicher Petra und Daniel sind froh, mehrere Meter über dem Boden in den sicheren und bequemen Dachzelten zu schlafen, die auf die Autodächer montiert sind. Keine Krabbel- oder Kriechtiere können dort hin gelangen! Und auch ich schätze den Komfort der Dachzelte, mit ausge-
stellten Fenstern und geschlossenen Fliegennetzen ist dort die Belüftung doch immer besser als auf dem Boden. So ist es dem Nachtwind möglich sanft durch das Zelt streichen und man kann wunderbar schlafen.

In aller Herrgottsfrühe müssen wir morgen aufstehen, denn wir wollen der Strecke entlang des Nossobs in den Norden folgen. Für die morgige Nacht ist eine Über-
nachtung im Camp Nossob geplant und übermorgen soll es weitergehen bis nach Unions End. Dort wollen wir im Wilderness Camp Grootkolk übernachten, bevor wir am nächsten Tag wieder zurückfahren und bei Mata Mata über die Grenze nach Namibia gehen. Ich bin sehr gespannt, was wir noch alles sehen und erleben werden. Gemütlich in meinen Schlafsack gehüllt, schaue ich aus dem Fenster in den Sternenhimmel. Karen ist neben mir bereits einge-
schlafen und atmet ruhig und leise. In Nächten wie diesen, bin ich glücklich und denke, ich habe den schönsten Job auf der ganzen Welt! Ganz sicher geht es morgen weiteren Erlebnissen und Abenteuern entgegen, auf die ich mich schon sehr freue!

Impressum

Texte: Die folgende Geschichte ist frei erfunden, wenngleich auch ein paar reale Erlebnisse eingeflochten sind. Die erwähnten Örtlichkeiten gibt es tatsächlich und die Fotos sind alle von mir selbst oder von meinem Partner Karl Rutins aufgenommen, zum großen Teil im erwähnten Kgalagadi Transfrontier Park. Ach ja: eventuell vorhandene Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind voll beabsichtigt… Copyright by Karen Keiper
Tag der Veröffentlichung: 17.03.2009

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