Es ist ein strahlend schöner Tag, die Sonne scheint und die Temperaturen liegen bei angenehmen 26 Grad. Kein Wölkchen ziert den azurblauen Himmel. Wir haben Proviant für eine Woche eingepackt, das Dachzelt auf unseren Geländewagen installiert und sind unterwegs zum Ai/Ais-Richtersveld Transfrontier Park im äußersten Nordwesten Südafrikas. Der erst 1991 gegründete und somit jüngste Nationalpark des Landes liegt am Verlauf des Oranje, der über eine Strecke von etwa 500 Kilo-
metern die natürliche Grenze zwischen Namibia und Südafrika bildet und unweit von hier bei Alexander Bay in den Atlantik mündet. Erst seit wenigen Jahren gehört diese harsche Bergwüstenlandschaft zu den drei grenz-
überschreitenden Peaceparks in Südafrika. Touristisch ist der Park kaum erschlossen und wird zu Recht als einer der letzten wirklich wilden Nationalparks bezeichnet. Besuchen kann man die Richtersveld-Sektion des Parks nur mit einem guten geländetauglichen Wagen und einige Erfahrung im Offroadfahren sollte man ebenfalls mitbringen. Zum Schutz des äußerst empfindlichen Ökosystems ist die zugelassene Besucherzahl pro Tag begrenzt.
Hier, in der Richtersveld-Sektion des Parks, wollen wir uns der Offroad-Herausforderung stellen, die unzugänglichen schwierigen Pisten bezwingen und die menschenleeren einsamen Landschaften erkunden.
Die Anfahrt über Steinkopf, Port Nolloth und Alexander Bay ist etwas langatmig. Besonders die Gegend um Alexander Bay ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Wie in einer Mondlandschaft reihen sich die berghohen Abraum-
halden der Minen- und Diamanten-Gesellschaften aneinander. Auf der Suche nach Diamanten wurden ganze Landstriche Millimeter für Millimeter durchsiebt und umgegraben. Geblieben ist eine verwüstete und mit, teilweise schon verrosteten, Stacheldrahtzäunen durch-
zogene, traurig anmutende Landschaft. Die meisten der Diamanten fanden sich in Küstennähe und entlang des Oranje und so ist zum Glück die einmalige Berglandschaft des Richtersveld erhalten geblieben. Doch noch heute wird in der Nähe von Sendelingsdrif und entlang des Orange Rivers innerhalb des Nationalparks Diamantbergbau betrieben, allerdings gibt es bestimmte Auflagen die den Schaden in Grenzen halten sollen. Von Alexander Bay verläuft die breite Schotterstraße zunächst entlang des Oranje und später durch das Vorland der Berge nach Sendelingsdrif.
Nachdem wir uns im Büro der Parkbehörde in Sendelings-
drif angemeldet haben und unsere Gebühren bezahlt haben, machen wir uns gleich auf den Weg zu dem Zeltplatz De Hoop, den wir für als unser Ziel auserkoren haben. Der idyllisch am Oranje gelegene Zeltplatz ist nur knapp 40 Kilometer von Sendelingsdrif entfernt, aber die Strecke dort hin hat es in sich. Es geht über Stock und Stein, wir erklimmen felsige Anhöhen und werden unterwegs im Wagen ordentlich durchgeschüttelt. Unsere Durch-
schnittsgeschwindigkeit beträgt gerade mal etwas über 10 Kilometer pro Stunde. Die Piste führt an perfekt von der Natur in Szene gesetzten Miniatursteingärten vorbei, die sich an steile oder bizarre Felsen schmiegen. Dickblättrige Sukkulenten, winzige Pflanzen, die sich als Steine tarnen, Aloen und Gewächse, die wir noch nie zuvor gesehen haben, ragen aus steinigen und felsigen Untergrund. Eine rätselhafte und einsame Berglandschaft, die mich sofort begeistert. Nach einigen Kilometern passieren wir den so genannten „Halfmens Cluster“. Hier stehen einige der seltsamen „Halb-Menschen“, den Halfmens, in einer kleinen Ansammlung. Die Halfmens sind eine Suk-
kulentenart, die hauptsächlich nur hier im Richtersveld vorkommt. Die winzige Baumkrone besteht lediglich aus ein paar Blättern und erinnert so an einen Menschenkopf. Erstaunlicherweise sind die Köpfe der Pflanzen immer leicht nach Norden ausgerichtet, deshalb wird der Halfmen lokal auch „Noorderkyker“ (Nordgucker) genannt. Das Volk der hier beheimateten Nama hat für dieses Phänomen eine erklärende Legende. Als ihre Ahnen in grauer Vorzeit in Folge eines Krieges aus Namibia über den Oranje in das Richtersveld gedrängt wurden, schauten sich einige von Ihnen nach Norden um. Vor Sehnsucht nach ihrer alten Heimat erstarrten sie zu Bäumen, ähnlich Lots Frau im Alten Testament. In der Tat sehen diese Baumsukkulenten aus der Ferne aus wie menschliche Silhouetten aus, was nach tagelanger Einsamkeit in diesem einzigartigen Landstrich vielleicht auch auf Wunschdenken zurück-
zuführen ist!
Später arbeiten wir uns den Akkedispas herauf. Ein teils steiler Bergpass mit scharfen und engen Kurven, umrahmt von bizarren Felsen. Abenteuerlich schlängelt sich die Piste an ihnen vorbei, oft passt der Wagen gerade so zwischen zwei Felsen hindurch. Manche der Gesteins-
brocken schrammen nur ganz knapp an unserem Wagen vorbei. Die tieferen Regionen sind oft mit blockigen Steinen oder Spurrillen durchsetzt, schneller als Schritt-
tempo können wir auf gar keinen Fall fahren. Ab und an muss ich die Augen schließen, tief durchatmen und mich irgendwo festkrallen! Fast schon bereue ich unseren Ehrgeiz diese schwierigen Pisten alleine, ohne ein zweites Fahrzeug, bezwingen zu wollen! Was ist wenn der Wagen einen schwerwiegenden Schaden erleidet und wir stecken bleiben? Es dauert sicher Tage, bis man uns hier in der Einsamkeit findet!
Doch das verschwenderische Pflanzenreichtum dieses ökologischen Paradieses, die Traumlandschaften und die erstaunliche Anpassungsfähigkeit der Pflanzen- und Tierwelt an die rauen Bedingungen der Bergwüste lenken mich schnell ab. Wir halten häufig an und laufen ein paar
Meter, um die botanische Schatzkammer zu unseren Füssen und die wilde raue Schönheit der schroffen Felslandschaft gebührend zu bewundern.
Nach Bergpässen folgen Täler, ein jedes besticht auf seine Art und durch seine Einmaligkeit. Die flachen Ebenen der Täler sind begrenzt von fernen Bergsilhouetten, die häufig eine unwirkliche Kulisse abgeben. Die Koeroegab Plains, eine weitere flache Ebene, ist durchzogen von sandigen oder kieselsteinigen Flächen. Streckenweise ist die Piste hier tiefsandig und jedes Mal wenn wir durch so ein Sandstück fahren, halte ich dem Atem an. Bloß nicht stecken bleiben! Normalerweise soll man im Tiefsand den Reifendruck vermindern, um ein Einsinken der Reifen zu verhindern. Doch wegen der überwiegend felsigen und steinigen Pisten haben wir darauf verzichtet. Nun heißt es auf dem Sand: bloß nicht bremsen!
Aber der Wagen arbeitet sich zuverlässig voran und nach etwas über 3,5 Stunden erreichen wir De Hoop. Sanft schlängelt sich der Oranje in seinem grünen Bett zwischen majestätischen Bergketten entlang. Die üppig grüne Vegetation am Flussufer, bestehend aus Schilf, Büschen und Bäumen, erscheint fast paradiesisch, nach den ockerfarbenen und bräunlichen Tönen der Wüstenfarben.
Nach dem Geschüttel im Wagen und der nervlichen Anspannung auf den schwierigen Pisten freuen wir uns, dass wir unser Ziel erreicht haben.
Zwölf Camp Sites stehen hier zur Verfügung, doch außer einem namibianischen Ehepaar ist sonst keiner mehr hier. Rasch suchen wir uns ein schattiges Plätzchen unter einem hohen Baum mit einer einmaligen Sicht auf den Fluss und gönnen uns zuallererst ein kühles Bier aus unserem Kühlschrank, der von der Autobatterie betrieben wird. Die Sonne neigt sich schon dem Horizont und das Licht beginnt weich und warm zu werden. Die umliegenden Gipfelfelsen der Berge erglühen in den Farben der untergehenden Sonne und der Oranje macht seinem Namen alle Ehre, und reflektiert ebenfalls das leuchtende Orange der sich neigenden Sonne. Es ist so friedlich und still, nur das ferne Rauschen einiger Stromschnellen und das abendliche Lied der Vögel ist zu hören. Kein Zivilisationslärm weit und breit ist zu vernehmen! Ein magischer Moment. Auf uns wirkt diese einmalige Atmosphäre wie der Zauber einer entrückten, unwirklichen Welt.
Das Nachtlager ist schnell aufgebaut und zum Abendessen grillen wir ein leckeres Steak am Lagerfeuer. Nachdem die Sonne untergegangen ist, ist es leicht kühl geworden und wir müssen uns einen Fleecepulli überziehen. Nach dem Essen beobachten wir bei einem Gläschen Wein die aufgehenden Sterne, die sich im dunklen Wasser des Oranje reflektieren. Ein paar Frösche und Grillen sind zu hören, ansonsten ist es so still, das wir unseren eigenen Atem hören können. Aus Respekt vor der nächtlichen Stille wagen wir es nur, uns flüsternd zu unterhalten. Der nächtliche Himmel ist so klar und so voller hell leuchtender
Sterne, wie es nur ein Nachthimmel fernab jeglicher Zivilisation sein kann. Irgendwie hat die unmittelbare Nähe zur unberührten Natur und ihrer Schönheit etwas zauber-
haftes, magisches. Wir fühlen uns auf unbeschreibliche Weise mit dem Universum verbunden. Ein wunderbarer Abend in der Einsamkeit, voll bleibender Eindrücke, die wir wohl niemals vergessen.
Am nächsten Morgen erwachen wir bei Sonnenaufgang. Schnell ist ein herzhaftes Frühstück mit Eiern und Speck zubereitet. Während einer in dem einfachen Gemein-
schaftshäuschen, das nur über kaltes Wasser verfügt, schnell duscht, spült der andere und so sind wir zeitig aufbruchbereit. Mit Wanderstiefeln an den Füssen, mehreren Litern Wasser, Müsliriegeln, frischem Obst und einem GPS-Gerät im Rucksack machen wir uns heute zu Fuß auf den Weg. Wir wollen die rauen Schluchten, die hohen Berge und die Landstriche voller Dramatik zu Fuß er-
kunden. Jetzt am frühen Morgen ist die Luft noch frisch und wir kommen gut voran. Im Richtersveld fällt das ganze Jahr über nur wenig Niederschlag, Wasser ist fast heilig. Die wenigen Niederschläge versichern schnell in größeren Tiefen und so haben sich viele Pflanzen auf das wenige oberflächennahe Wasser und auf den von Atlantik herziehenden Seenebel spezialisiert. Die frühmor-
gendlichen Nebelschwaden, von den Einheimischen „Malmokkie“ genannt, ziehen landeinwärts und versorgen Pflanzen, wie Tiere mit der notwendigen Feuchtigkeit. Doch trotz der harschen Umgebung gibt es eine artenreiche Flora im Park. Die bereits erwähnten Halbmensch-Bäume, knorrige Köcherbäume, verschiedene Aloearten, Flechten, Hoodias, zahlreiche Sukkulenten und eine Vielzahl an unterschiedlichem Buschwerk sind zu finden. Über 190 verschiedene Vogelarten, 60 Reptilien- und etwa 25 Schlangenarten sind im Park identifiziert worden. Klippspringer, Kudus, Bergzebras, Oryxantilopen, Paviane, Schakale, braune Hyänen und auch die seltenen Leoparden sind im Richtersveld zuhause. Leider entdecken wir unterwegs nicht sehr viele Tiere, nur ein paar Agamen kreuzen unseren Weg und einige Vögel ziehen am Himmel ihre Runden.
Aber auch ohne viel Tiersichtungen sind wir glücklich, denn wir finden einige natürliche Felsskulpturen, geschaffen in Jahrtausenden aus Wind und Erosion. Mit viel Phantasie kann man in ihnen Gesichter, Tiere und andere Figuren entdecken. Wir klettern über Felsen, suchten uns querfeldein einen Weg und durchqueren offene sandige Flächen. Die bergige, wüstenartige Landschaft ist einzigartig, dramatisch und beeindruckend. Wir können uns einfach nicht satt sehen und bleiben oft einfach stehen, um die raue Schönheit und einzigartigen Bergkulissen zu bewundern. Diese Berglandschaft ist theatralisch schön, gar so, als wäre sie von einem Künstler entworfen und gestaltet.
Es ist später Nachmittag als wir zu unserem Lager zurückkehren. Die Hitze des Tages und Anstrengung des langen Marsches waschen wir bei einem Bad in den kühlen Fluten des Oranje ab. Entspannt auf dem Rücken liegend lassen wir uns im Wasser treiben und betrachten dabei die wenigen weißen Wölkchen am Himmel. Anschließend lassen wir uns von der Nachmittagssonne auf ein paar Steinen am Ufer hockend trocknen und genießen für ein Stündchen das Nichtstun. Wir beobachten in der Luft kreisende Falkenvögel und ein paar hübsche gelbe Webervögel, die im Schilfgras am Ufer nisten und immerzu beschäftigt, sind ihre Nester auszubauen. Ein kleiner gräulicher Vogel mit einer weißen Zeichnung um seine Augen, ein Cape White Eye, auf deutsch Oranjebrillenvogel genannt, hat gefallen an uns gefunden. Er nähert sich neugierig und scheint uns ebenfalls zu beobachten.
Da wir unseren Hunger tagsüber nur mit Müsliriegeln und Obst gestillt haben, fangen wir heute schon früh mit der Zubereitung des Abendessens an. Es gibt Folienkartoffeln aus der Feuerglut, frischen Tomatensalat und ein herrlich saftiges über dem Lagerfeuer gegrilltes Stück Rinderfilet. Dank dem Kühlschrank können wir uns solch einen Luxus erlauben! Nach dem Essen sitzen wir noch lange in der sternenklaren kühlen Nacht, eingehüllt in unsere Schlaf-
säcke gegen die Kühle, am Lagerfeuer. Eine himmlische Ruhe hat uns eingehüllt, nur das Knacken der ver-
brennenden Holzscheite und das übliche Lied der Zikaden sind zu hören.
Am Morgen sind wir wieder früh auf den Beinen. Heute müssen wir das Lager abschlagen und das ist immer etwas mehr Arbeit. Es braucht seine Zeit bis wir das Dachzelt umgeklappt und in seine Hülle verpackt haben. Da bleibt kaum noch Zeit, die wundervolle friedliche Morgen-
stimmung am Oranje zu genießen. In dem noch frischen Licht zeichnen sich die Kuppen der Bergketten sanft gegen den blauen Himmel ab. Noch sind die Schatten lang und die Farben der Landschaft mild und weich. Die kühle Morgen-
luft riecht würzig und trägt noch die duftenden Aromen der Nacht. Am Horizont erscheint bereits die Sonne. Sie schickt ihre wärmenden Strahlen voraus und verspricht einen heißen Tag.
Nach einem deftigen Frühstück brechen wir auf und verlassen die romantische Campsite am Oranje. Sorgfältig stellen wir sicher, dass wir nichts auf unserem Campplatz zurückgelassen haben. Sämtliche Abfälle müssen beim Verlassen des Parks mitgenommen werden und außerhalb des Parks an geeigneter Stelle entsorgt werden. Generell sollte überall in der Wildnis das Prinzip „Wir nehmen nichts außer Erinnerungen oder Fotos mit und lassen nichts weiter außer Fußspuren zurück“ gelten.
Vorbei am 882 Meter hohen Rooiberg arbeiten wir uns durch mehrere Hochebenen und Täler und über dessen steinige und schwierige Pisten. Ein Tal ist schöner als das andere, soweit das Auge reicht liegen schroffe Bergketten am Horizont, bläulich glänzen sie in weiter Ferne. Die Berge sind wirklich das große Schaustück im Richtersveld. Unterschiedlich in ihrem Erscheinungsbild reicht ihre Bandbreite von Bergen in weichen geschwungenen Linien mit warmen, erdigen Farben über Berge mit zackigen, kantigen Graten bis hin zu riesigen Gesteinshaufen, deren Gestein sich durch Erosion im Zerfall befindet. Viele Täler zu Füssen der Berge und Hochebenen bestehen aus plattigem oder blockigem Gestein. Dazwischen gibt es Kieselsteinebenen und Sandflächen. Manche Stellen sind von kleinen, blühenden, dickblättrigen Pflänzchen bedeckt, die den Boden wie einen Teppich überziehen. Andere Gegenden sind einfach steinig und kahl und wirken trostlos, verwüstet. Wir sind mitten in unverfälschter Natur, nirgendwo sind Anzeichen irgendwelcher Zivilisationen zu sehen, weit und breit sind wir die einzigen Menschen Wir kommen nur langsam vorwärts, wir brauchen fast eine Stunde für 10 bis 15 Kilometer. Die Sonne steigt langsam höher und brütende Hitze legt sich wie ein Schleier über die trockenen Schluchten und Berge. Allmählich gewinnen wir an Höhe, die Hochregion um den Helskloof ist erreicht und wir werden auf waschbrettartigen, steinigen Pisten ordentlich durchgerüttelt.
Den Weg den wir gewählt haben, führt über den Helskloof Pass und dessen Hochregion zurück nach Sendelingsdrif. Zuerst habe ich mir bei diesem Namen gar nichts gedacht. Doch als ich den Pass in all seiner Steilheit vor uns sehe, fällt mir die Bedeutung des Wortes auf: Höllenpass! Erst jetzt schwant mir fürchterliches! Doch zurück können wir nicht mehr, die schmale Piste ist von Felsen und Abhängen begrenzt und viel zu schmal, um umzudrehen. So quälen wir uns den irre steilen Weg auf rutschigen Felsen nach oben, geradewegs in den Himmel hinein...oder doch in die Hölle? Ich kralle mich am Sitz fest, der Wagen rumpelt über vom letzten heftigen Regen ausgehöhlte Schlaglöcher und Rinnen, schlägt über wellblechartige flache Felsbrocken und schlängelt sich an steilen Abhängen und tiefen Schluchten vorbei. Ich bin so angespannt, dass mir die ganze Nackenpartie schon schmerzt ...dabei bin ich doch nur Beifahrer! Gerade wenn ich dachte, nun haben wir es geschafft, taucht hinter einem steilen Anstieg ein weiterer, noch steilerer Anstieg auf!
Doch trotz der Anspannung und des Geschüttels fallen mir seltsame, etwa ein Meter hohe, rote Aloepflanzen auf, die ganze Berghänge aus der Ferne rot erscheinen lassen, so dicht gedrängt und in solch großer Vielzahl stehen sie dort beieinander. Später habe ich gelernt, dass es sich hierbei um Pearson´s Aloen handelt, die weltweit nur hier um den Helskloof herum in einer solch verschwenderischen großen Anzahl vorkommen.
Wer einen Berg oder einen Pass hinauf fährt, muss ihn auch irgendwann wieder hinunter. Irgendwann haben wir den höchsten Punkt erreicht und nun geht es langsam aber stetig wieder in flachere Gefilde. Die Piste windet sich durch enge Täler, scharfe Kurven führen an steilen Schluchten und dicken Felsbrocken vorbei. Noch immer befinden sich viele Schlaglöcher und vom Regenwasser ausgewaschene Rinnen auf der Piste, der Wagen holpert und poltert über felsige Wege. Es ist nun schon nach-
mittags und wir sind immer noch einige Kilometer vom Helskoof-Gate entfernt, von dem eine breite komfortable Gravelroad nach Sendelingsdrif führt. Über mehrere Stunden sind wir nun kräftig durchgeschüttelt und durchgerüttelt worden und allmählich habe ich keine Lust mehr! Es ist fast so als wären wir in den Schleudergang einer Waschmaschine geraten, ich sehne mich nach ein paar Kilometer Fahrstrecke ohne diese immense Schüttelei!
Die Anspannung auf schwierigen Offroad-Strecken ist schon enorm, von bequemen Reisen kann wirklich nicht die Rede sein! Der Fahrer muss sich konzentrieren, innerhalb von Sekundenbruchteilen muss er entscheiden, wie er über Felsen und an Hindernisse vorbei fährt. Schon ein kleiner Fehler kann immense Folgen haben. In Gedanken fahre ich immer mit und deshalb spannt mich das Ganze auch so an. Doch trotz der Anstrengung ist das Offroadfahren immer wieder ein Erlebnis. Irgendeinen Kick gibt es schon dabei – sonst würde man sich ja nicht immer wieder diesen Strapazen für Mensch und Auto aussetzen!
Allmählich rücken die hohen Berge in den Hintergrund, das trockene Bachbett in dessen Verlauf wir uns nach unten kämpfen, wird flacher. Weidende Ziegenherden kommen von irgendwo herangezogen und irgendwann breitet sich vor uns eine sandige Ebene aus. Sollte das schon der Oranje sein? Nach ein paar weiteren Kilometern stellt sich unsere Vermutung als richtig heraus, das wir haben das Helskloof-Gate des Richtersveld Park erreicht.
In uns macht sich Erleichterung breit, endlich hört die Schüttelei auf! Wir haben es geschafft und wir sind sehr stolz auf uns, die schlechten und bisweilen gefahrvollen Wege gemeistert zu haben! Die Richtersveld-Sektion des Ai/Ais-Richtersveld Park gehört mit seinen schwierigen und anspruchsvollen Pisten zu den letzen Offroad-
Abenteuern im südlichen Afrika und ist eine echte Herausforderung. Oftmals wird das Richtersveld in einem Atemzug mit dem einsamen Kaokoveld oder dem tief-
sandigen, ebenfalls schwierig zu bezwingenden Kaudom Park Namibias genannt.
Dafür sind wir Eindrücken und Erlebnissen belohnt worden, die wir so schnell nicht wieder vergessen werden. Aufgrund der trockenen mondähnlichen Gebirgs-
landschaft und des einsamen Wüstenklimas für viele Menschen sicher erst auf den zweiten Blick interessant, ist das Richtersveld für mich ein wahres Land für Entdecker. Die spektakulären Schluchten und Gebirgskulissen, die wilde und raue Einsamkeit des Landstriches haben meine Erwartungen bei weitem übertroffen und bergen eine magische Schönheit, die ich wohl nie wieder vergessen werde.
Froh und stolz fahren auf der breiten und bequem befahr-
baren Gravelroad die wenigen Kilometern nach Sen-
delingsdrif. Hier werden wir heute am späten Nachmittag von einem Kanutourveranstalter erwartet. Für die nächsten Tage werden wir unseren Wagen hier stehen lassen und gemeinsam mit einem Guide des Veranstalters und ein paar weiteren Abenteuerlustigen den Oranje und dessen Ufer vom Kanu aus erkunden.......Aber davon erzähle ich Euch ein anderes Mal....!
Texte: Copyright by Karen Keiper
Sämtliche Fotos sowie das Titelfoto stammen von der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2009
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