Das Lagerfeuer lodert in der dunklen Nacht. Es ist sternenklar. Unzählige leuchtende Himmelskörper reihen sich gleich einem Sternenteppich aneinander und erhellen das nächtliche Firmament. Die Nacht ist angenehm warm und die Luft trägt den würzigen Duft der Savanne. Zikaden singen ihr nächtliches Lied, in der Ferne fallen Frösche mit ihren Klingklong-Gesang in die Symphonie der Wildnis ein. Die Flammen lodern ruhig an dem Holzscheit empor, den ich soeben aufgelegt habe.
Wir sind im Mapungubwe Nationalpark im äußersten Norden Südafrikas, nahe den Grenzen zu Botswana und Simbabwe. Heute haben wir unser Nachtlager auf der Mazhou Camp Site aufgeschlagen. Zusammen mit Karl, der sich um unser leibliches Wohl kümmert, leite ich eine Selbstfahrertour durch den Park. Wir sind nur eine kleine Gruppe mit insgesamt drei Fahrzeugen. Thomas und Andreas aus Deutschland sind begeisterte Offroadfahrer. Genau wie Marion und Dieter aus der Schweiz sind sie das erste Mal in Südafrika. Die heutige Tagestour, der 45km lange Tshugulu 4x4Trail und die anschließende Strecke hier zur Camp Site, verlief ohne Zwischenfälle. Wir sind zwar nur langsam vorangekommen und haben für die normalerweise 7stündige Strecke knapp 9 Stunden gebraucht, doch dafür haben wir unterwegs reichlich Wild gesichtet. Zahlreiche Antilopenarten wie Kudus, Gnus und Impalas kreuzten unseren Weg. Die hübschen Zebras und der beeindruckende Spießbock, meist Oryxantilope genannt, fehlten nicht auf der Liste. Genauso wenig wie die riesig großen und im Schutz der Bäume doch so schwer zu entdeckenden Giraffen. Selbst Elefanten und die hier im Park selten vorkommenden Löwen haben wir entdeckt. Für den ersten Tag war das gar keine schlechte Ausbeute und unsere Gäste sind so weit recht zufrieden mit uns.
Nach einem gelungenen Abendessen, das Karl am Grill zubereitet hat, sitzen wir nun um das Lagerfeuer und lassen den ereignisreichen Tag gemütlich bei einem Glas südafrikanischem Pinotage ausklingen. Es ist nicht wirklich kalt, im Gegenteil die Nachtluft ist angenehm lau, aber so ein nächtliches Lagerfeuer gehört nun einmal zu dem Safarifeeling dazu. Außerdem hält das Feuer ungebetene Gäste vom Lager fern. In unmittelbarer Nähe vom unserem Camp habe ich im Sand frische Leopardenspuren entdeckt. Es ist nicht auszuschließen, dass der heimliche und nachtaktive Jäger uns in den frühen Morgenstunden ein Besuch abstattet. Ich werde auf jeden Fall die Augen aufhalten müssen!
„Was war eigentlich dein aufregendstes Erlebnis mit Elefanten?“, fragt Andreas über das Lagerfeuer hinweg.
Ich überlege einen kleinen Augenblick, denn ich hatte schon viele Begegnungen mit Elefanten, emotionale wie Furchteinflössende. „Das war vor einiger Zeit in Namibia.“, antworte ich, „Ich war mit meinem Vater im Kaokoland unterwegs, im Reich der seltenen Wüstenelefanten. Wir campten in Puros auf einer einsamen Camp Site direkt am trockenen Flussbett des Horusib-River. Unter einer hohen Akazie hatten wir es uns gemütlich gemacht und unser Camp aufgeschlagen. Das Auto, der Offroad-Anhänger und mehrere dichte Büsche bildeten eine Art Mauer, gleich einer Wagenburg, um unseren kleinen nun sehr privaten Bereich herum. Das besagte Camp am Hoarusib-Rivier wird von Einheimischen aus dem etwa 4 Kilometer entfernten Dorf Puros betrieben. Abends auf ihrem Nachhauseweg ins Dorf besuchten uns die beiden Einheimischen, die in der Rezeption arbeiteten, und berichten, dass sich eine im trockenen Flussbett fressende Elefantenherde langsam auf uns zu bewegte. Fressende Elefanten bewegen sich oft recht langsam voran und verweilen manchmal sogar Stunden, gemütlich einen Zweig nach dem anderen fressend, an der gleichen Stelle. So machten wir uns keine großen Sorgen und fuhren einfach fort unser Abendessen zuzubereiten.
Gerade als unser wunderbares Filetsteak, auf das wir uns schon den ganzen Tag gefreut hatten, fertig gegrillt war und wir am Tisch Platz genommen hatten, um es genüsslich zu verspeisen, hörten wir ganz in der Nähe Zweige brechen. Beide spitzten wir die Ohren und lauschten. Es dauerte nicht lange, da vernahmen wir das typische dumpfe tiefe Grollen von Elefanten! Es war finstere Nacht und erkennen konnten wir zwischen den tiefschwarzen Silhouetten der vielen umstehenden Bäume nichts, aber wir konnten die Elefanten hören. Aufgrund der Intensität der Geräusche war klar, dass die Tiere ganz in der Nähe waren. Schnell schalteten wir unsere Stirnlampen aus und ließen nur die Kerze auf dem Tisch brennen. Wüstenelefanten können recht aggressiv sein und man sollte sie in der Dunkelheit auf gar keinen Fall anleuchten, dies könnte die Tiere erschrecken und einen Angriff herauf beschwören. Mit klopfenden Herzen unterhielten wir uns zuerst übertrieben laut und klapperten mit dem Besteck, um zu demonstrieren dass wir da waren. Wobei die Elefanten uns mit Sicherheit schon längst vorgenommen hatten. Wir hofften, die Dickhäuter würden auf Grund des Krachs den wir veranstalteten, um uns herumziehen. Doch die Geräusche wurden immer intensiver und lauter und schließlich hörten wir einen Elefanten sogar atmen! Weit von uns entfernt konnten die Elefanten nun nicht mehr sein!
Mein Vater stand auf und trat aus unserem kleinen Refugium zwischen den Büschen und dem Offroad-Trailer heraus in den Schein der erlöschenden Glut, wo wir Minuten zuvor unser Fleisch gegrillt hatten….und stand keine zwei Meter vor einem Elefanten! Beide, mein Vater wie der Elefant, waren gleichermaßen erschrocken und suchten so schnell wie möglich das Weite!
„Schnell in den Wagen!“, zischte mein Vater mir zu und Sekunden später saßen wir beide atemlos im Auto! Mein Herz klopfte bis zum Hals, wir fürchteten der Elefant könnte zurückkommen und seinen Gebietsanspruch geltend machen. Gespannt lauschten wir aus den geöffneten Autofenstern auf die Geräusche der Dickhäuter. Der Elefant kam zum Glück nicht zurück und hatte sich offensichtlich wieder in den Schutz seiner Herde zurückgezogen. Die Herde Elefanten umfasste mehrere Tiere und hatte sich offenbar weitläufig um uns herum verteilt. Von überall hörten wir wie Zweige knackten und Äste von Bäumen gerissen und anschließend geräuschvoll verspeist wurden. Atmen, das tiefe dumpfe Grummeln und sogar Fürze waren zu deutlich hören. Doch sehen konnten wir nichts, in der dunklen Nacht waren die grauen Dickhäuter in dem dichten Buschwerk einfach nicht zu erkennen. Da wir die Elefanten nicht verärgern wollten, wagten wir nicht die Schweinwerfer oder eine Taschenlampe einzuschalten! Über eine Stunde lauschten wir den Geräuschen der Elefanten bis diese schließlich leiser wurden und sich entfernten. Erst als absolut klar war, dass die Herde weiter gezogen war, wagten wir uns wieder aus dem Auto.
Mittlerweile war unser Abendessen kalt geworden, doch nach diesem außergewöhnlichen Erlebnis schmeckte es auch so.
Am nächsten Morgen stellten wir fest, dass die Herde doch noch einmal zurückgekommen war, während wir selig im Dachzelt schliefen. Wir fanden sehr deutliche Fußabdrücke in unmittelbarer Nähe zum Wagen und zum Dachzelt. Wahrscheinlich hat in der Nacht ein Elefant dort gestanden, während wir schliefen, und von uns unbemerkt interessiert durch die Fliegennetze in unser Zelt geschaut! Vielleicht war es der Elefant, den mein Vater so erschreckt hatte, und der nun wissen wollte wer oder was ihn zuvor in die Flucht geschlagen hatte!“
„Wow!“, antwortet Andreas, nachdem ich meine Geschichte beendet habe, „Hört sich echt aufregend an!“ Ich nicke und nehme einen großen Schluck Wein aus meinem Becher. Karl geht mit einer weiteren Flasche Wein ums Lagerfeuer und schenkt allen einen weiteren Becher nach.
„Gibt es nicht auch schöne Erlebnisse mit Elefanten?“, fragt Marion. „Ja, die gibt auch!“, antworte ich ohne lange zu überlegen, „Ich habe einmal miterleben dürfen, wie Elefanten einander halfen. Eines der schönsten Dinge, die ich je gesehen habe! Das war am Chobe in Botswana und ich war mal wieder mit meinem Vater unterwegs. Wir beobachteten eine Elefantenherde, die in den Abendstunden zum Fluss gezogen war, um zu trinken. Einer der Elefanten war alt und lahmte stark, er litt offenbar an einer schweren Deformierung seines Hüftgelenkes. Es war offensichtlich, dass die gesamte Herde ihr Tempo an das langsame Laufen des kranken Elefanten angepasst hatte. Immer wieder warteten sie auf den Nachzügler. Als die Dickhäuter genug getrunken hatten, bewegten sie sich gemächlich vom Fluss weg und überquerten nur wenige Meter vor unserem Wagen die Sandpiste. Über eine mit Büschen bewachsene Anhöhe zogen sich die Elefanten in den Busch zurück. Mühelos erklommen die gesunden Elefanten die Anhöhe, doch der lahme Elefant hatte ganz offensichtlich immense Schwierigkeiten dort hinauf zu kommen. Sehr zu unserem Erstaunen kam einer der gesunden Elefanten dem Kranken zu Hilfe. Er platzierte seinen Kopf am Hinterteil des Lahmenden und schob diesen vorsichtig den Berg hinauf. Diese hilfreiche Geste hatte etwas völlig Selbstverständliches an sich und wirkte absolut natürlich, so als ob die Tiere dies jeden Tag so praktizieren würden! Das Sozialverhalten und der Gemeinschaftssinn von Elefanten ist wirklich erstaunlich.“, berichte ich unseren Gästen.
„Wir sollten die Tiere nicht unterschätzen. Manchmal können wir Menschen uns ein Scheibchen von Ihnen abschneiden.“, stellt Dieter fest.
Einen Augenblick ist es ruhig ums Lagerfeuer, jeder hängt seinen Gedanken nach. Nach einer Weile fragt Marion in die Runde: „Was heißt Safari eigentlich?“
„Das ist eine gute Frage.“, antworte ich, “Wahrscheinlich versteht jeder etwas anderes darunter. Das Wort Safari entstammt dem Kisuaheli, einer Sprache aus Ostafrika, und bedeutet eigentlich ganz einfach ‚Reise’. Streng genommen ist also jeder, der sich auf einer Reise befindet, auf einer Safari. Ursprünglich hat man in Ostafrika die Trägerkarawanen als Safari bezeichnet und später wurden Jagdreisen, bei denen hauptsächlich Großwild erlegt wurde, ebenfalls Safaris genannt. Mittlerweile hat sich der Begriff abermals gewandelt, heute versteht man eher eine Fotoreise darunter. Die Erklärung ‚Ausflug in die Wildnis’ trifft den übertragenen Sinn wohl am ehesten.
Was mir daran ein bisschen leid tut, ist das viele Menschen ihr Augenmerk fast ausschließlich auf die so genannten Big 5 legen. Also Büffel, Elefant, Löwe, Leopard und Nashorn. Für sie ist es nur wichtig diese Tiere gesehen und fotografiert zu haben. Man darf aber nicht vergessen, dass etwa 80% aller Tiersichtungen reines Glück sind. Die restlichen 20% sind Strategie und Wissen über das Verhalten der Tiere. In freier Wildbahn haben Tiersichtungen aller Art also eher damit zu tun, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Afrikas Tierwelt lebt in freier Natur und verfügt über Instinkte und Sinne die für ein Überleben in der Wildnis erforderlich sind. Auch wenn diese Wildnis heutzutage leider viel zu oft nur noch in geschützten Nationalparks existiert. Doch trotz allem Können und aller Strategie hat so manches Tier uns bereits wahrgenommen und das Weite gesucht, bevor wir überhaupt ahnen, dass da etwas war. Wir sind nur Gast in ihrer Welt und dürfen uns glücklich schätzen einen kleinen Blick hinein werfen zu dürfen.
Für mich ist der wahre Geist einer Safari der Weg und der Ausflug selbst, auf dem wir den ganzen Zauber der Wildnis bewundern dürfen. Die einzigartigen und vielfältigen Landschaften eine schöner als die andere, angefangen bei der Savanne, über sandige Wüstenweiten und tropisch bewachsene Flussläufe bis hin zu verkarsteten Berglandschaften. Die extrem artenreiche Pflanzenwelt mit ihren Sukkulenten, Aloen, Euphorbien, den oftmals bizarren Köcherbäumen, bis hin zu Kameldorn- und Weißdornbäumen und den markanten Baobabs, auch Affenbrotbäume genannt. Und die einzigartige Tierwelt, die nicht nur mit den Big 5 beeindruckt. Oftmals lohnt sich auch ein Blick in die Welt der kleineren Tiere, auf die Reptilien oder gar Insekten. Sonst nimmt man das putzige Erdhörnchen gar nicht wahr, das seinen buschigen Schwanz als Sonnenschirm benutzt oder die possierlichen Fuchsmangusten mit dem ausgeprägten Fuchsgesicht. Den Pillendreher, der unermüdlich den frischen Dung von Huftieren zu großen Kugeln formt und diese auf den Vorderbeinen stehend von dannen transportiert, in dem er die Kugel mit den Hinterbeinen anschiebt oder die immense Leistung der winzigen Termiten, die ihre Hügel zu gigantischen Bauwerken auftürmen. Die südafrikanische Fauna besticht nicht nur durch seine Raubtiere, Elefanten, Giraffen und Antilopen sondern auch durch zahlreiche Vogelarten, Eidechsen, Spinnen, Skorpione, Schlangen – eine Artenvielfalt, der kaum Grenzen gesetzt sind. Sie alle, Groß und Klein, verdienen unseren Respekt, unsere Aufmerksamkeit und unseren Schutz. Ich finde, es ist nicht wichtig was wir gesehen haben, sondern das wir einfach sehen!“
„Wie war und wie Recht du hast!“, sagt Marion. Noch eine Weile diskutieren wir über die Bedeutung und den Geist der Safari, doch dann wird es still ums Feuer, das langsam herunter brennt. Alle sind müde nach dem langen Tag. „Zickezacke, das Feuerholz ist alle, wir gehen jetzt in die Falle!“, reimt Karl und spricht aus, was alle denken. „Ja, wir sollten schlafen gehen. Morgen liegt ein anstrengender Tag vor uns.“, pflichte ich Karl bei.
Einer nach dem anderen begibt sich in sein Schlafgemach in den luftigen Dachzelten, die auf den Autos montiert sind. Ich bleibe noch einen Augenblick am Feuer sitzen und betrachte die erlöschende Glut. Meine gespitzten Ohren lauschen auf die trockenen hustenartigen Laute des Leoparden, doch alles ist ruhig und außer dem Zirpen der Zikaden ist nichts zu hören.
Nach einem langen Blick auf den Sternenhimmel, begebe auch ich mich langsam ins Bett. Morgen fahren wir entlang des Limpopo nach Mapungubwe Hill. Dort befinden sich auf einem Hügel eigentümliche Ruinen, die von einer etwa 3.000 bis 5.000 Einwohner zählenden Stadt stammen, die aus noch immer unbekannten Gründen vor etwa 800 Jahren verlassen wurde. Schon damals betrieb das hoch entwickelte, städtische Volk regen Handel mit Ägypten, Indien und China und gelangte dadurch zu Wohlstand. Zahlreiche archäologische Funde, Zeugen eines reichen afrikanischen Königreiches, sind heute im Mapungubwe Museum in Pretoria zu bewundern. Doch bis zum Mapungwe Hill liegen noch einige Kilometer an Offroad-Strecke vor uns. Man kann nie wissen, was unterwegs passieren wird und welche Erlebnisse und Begegnungen Mama Afrika für uns eingeplant hat. Hoffentlich wird es ein genauso schöner Tag wie heute.
Texte: Copyright by Karen Keiper
Das Titelfoto stammt von der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 10.02.2009
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