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„Warum bin ich so wie ich bin? Es gibt soviel an mir und meinem Leben, was ich ändern will.“, dachte ich, während ich schon triefnass durch den Park lief. Glücklicherweise waren es nur noch zwei Straßen bis ich zuhause war. Ich beschleunigte meine Schritte und dachte währenddessen weiter darüber nach, was bisher schon alles schief gelaufen war:
Ich hätte meinen Allgemeinzustand als gut beschrieben, auch wenn ich mit den Jahren gelernt hatte, meine Gefühle zu überspielen. Ich konnte lächeln, wenn ich weinen wollte. Das war sowohl gut als auch schlecht. Gut, weil nicht jeder merken musste, dass es mir mies ging. Schlecht war es, weil ich manchmal so überzeugend war, dass ich mir selbst glaubte. Aber im Vergleich zu anderen Phasen ging es mir mittlerweile wieder gut. Schließlich hatte ich vor einigen Jahren darüber nachgedacht, was die beste Methode wäre mich umzubringen. Für welche ich den Mut hätte und ob ich überhaupt Suizid begehen könnte. Darüber dachte ich nach, weil ich damals noch abhängig war. Abhängig von meinem damaligen Freund. Das heißt in der schlimmen Phase schon Exfreund. Das war ja das Problem daran, denn ich war abhängig davon was andere von mir dachten; ich fühlte mich nur gut, wenn ich geliebt wurde (oder glaubte geliebt zu werden). In die Krise gestürzt wurde ich dadurch, dass er mit mir Schluss machte und dass mit einem Satz auf den ich allergisch reagierte. Ich war so sauer und verletzt und wusste nicht wie ich weiter meinen Alltag durchleben sollte.
In dieser Phase fühlte ich mich morgens nach dem aufstehen, als würde ich in ein tiefschwarzes Loch fallen. Abends fühlte ich mich leer und allein und vor allem hilflos, was den Tag über auch nicht anders war.
Aus dem Loch fischte mich ein junger Mann, in den ich mich verliebte. Er hatte wohl auch Gefühle für mich, aber erfahren hatte ich das erst, als er sich eine andere gesucht hatte. Das hatte er mir nicht mal gesagt. Ich habe das nur erfahren, weil ich zufällig mit ihr gechattet hatte. Als ich ihn darauf ansprach, meinte er nur, er hatte nicht den Eindruck gehabt, dass ich Interesse an ihm hätte und sich deswegen in eine andere Richtung orientiert. Dadurch fiel ich dann zurück in mein Loch. Nicht so tief, wie vorher und es wurde auch noch verschlimmert, weil ein guter Freund von mir in der Zeit den Kontakt zu mir abbrach. Warum, weiß ich bis heute nicht.


Ich seufzte und war wieder in der Gegenwart. Ich war mittlerweile zuhause angekommen und ging schnell in meine Wohnung.
„Ich bin wieder –„ Ich brach ab. „Ich bin wieder allein.“, formte ich den Satz um. Wieder seufzend ließ ich meine durchnässte Jacke auf den Boden fallen und sank an der nächstbesten Wand zusammen. Ich starrte mich in dem Spiegel mir gegenüber an und sah mir plötzlich Tränen über die Wangen laufen. Es war ein stummes Weinen. Ich schluchzte nicht, sondern weinte einfach nur leise vor mich hin. Ich sah mich leicht apathisch im Spiegel an und flüsterte mir zu:
„Wenn ich wenigstens was besonderes wäre… wenn ich ein Talent hätte… wenn ich nur nicht einfach nur Durchschnitt wäre!“ Mein Kopf fiel zurück und schlug mit einem dumpfen Schmerz, den ich kaum wahrnahm, gegen die Wand hinter mir. Die Tränen tropften von meinem Kinn, was ich nicht mehr spürte. Ich war vollkommen unempfindlich für alle äußeren Gefühle geworden. Das einzige was ich noch spürte, war der tiefe Schmerz in meiner Brust.
„Ich kann so nicht mehr lange weitermachen! Ich will das auch nicht…“ Meine Stimme wurde immer lauter und wütender. „Ich will mich nicht immer in die falschen verlieben! Am liebsten würde ich mich gar nicht mehr verlieben! Aber sag das mal meinem verblödeten Herz!!“ Ich sprang auf und schlug mit der flachen Hand gegen den Spiegel, der unter dem Schlag gefährlich vibrierte. Ich schrie mein Spiegelbild an:
„Warum musst du nur so blöd sein? Warum kannst du nicht so sein, wie ich das will? Du bist total unscheinbar, tollpatschig und einfach nur auf andere angewiesen! Kannst du nicht auch mal was alleine auf die Beine stellen?? Immer willst du alles perfekt machen und dann bekommst du am Ende doch nur Scheiße zustande!“ Diesmal schlug ich nicht den Spiegel, sondern mich selbst. Ich war völlig außer mir und hatte wild um mich geschlagen. Das machte mich nur noch wütender und ich lief in mein Wohnzimmer, was direkt um die Ecke war. Ich riss die Decken und Kissen von meinem Sofa und schmiss sie, inzwischen schluchzend, aus dem Zimmer.
„Du dummes Ding, du!!“, schrie ich verzweifelt und rannte dann halb blind, durch die Tränen in meinen Augen, ins Bad. Ich riss den Spiegelschrank auf und durchwühlte ihn, dabei fielen unter anderem Parfümproben und andere Schminksachen ins Waschbecken und gingen zu Bruch. Als ich Ersatzklingen für meinen Rasierer fand, sah ich triumphierend auf und sah mich für einen Sekundenbruchteil im Spiegel. Ich erschrak, lies die Klinge fallen und stolperte zurück. „Was mach ich denn?! Bist du eigentlich verrückt?!“ Ich wich soweit zurück, bis ich mein Spiegelbild nicht mehr sehen konnte. Mit weit aufgerissenen Augen und außer Atem, lies ich mich auf den Boden fallen. Dort blieb ich bestimmt 15 Minuten sitzen, bis ich mich wieder besser fühlte. Ich stand auf und stellte fest, dass ich noch ganz benommen war. Ich lief langsam und leicht wankend zum Waschbecken und wusch mir das Gesicht. Danach fing ich an wie in Trance mein Spiegelschränkchen wieder einzuräumen. Die kaputten Kosmetiksachen warf ich weg und wie ich letztendlich im Bett gelandet bin, weiß ich nicht mehr. Ich hatte es aber offensichtlich geschafft, mich unbeschadet aus dem Bad in mein Zimmer zu manövrieren.

Als am nächsten Morgen mein Wecker klingelte, schaltete ich ihn aus und trat noch ziemlich schläfrig mein morgendliches Programm an: Zähne putzen, duschen, anziehen, Tee kochen und dann zum Frühstück setzen. Als ich dann entspannt vor meinem Marmeladenbrötchen saß, erinnerte ich mich wieder an meinen Ausbruch vom letzten Abend. Ich musste schwer schlucken und schüttelte dann entschieden denn Kopf. „Nein!“, sagte ich und hatte somit wieder mal etwas verdrängt, anstatt mich damit auseinander zusetzen und es somit vielleicht zu überwinden. Das einzige was noch vom gestrigen Abend übrig geblieben war, waren einige zerbrochene Fläschchen aus dem Bad und die drückende Einsamkeit, die auf meinen Schultern lag.

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Tag der Veröffentlichung: 24.11.2008

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