Die Nacht war sternenklar.
Wie wahllos, auf dunkelblauen Samt, hingeworfene Diamanten funkelten die Sterne um die Wette. Der Vollmond ließ die Lichtung sanft erstrahlen.
Der Duft von warmer Erde, Gräsern und verschiedenen Blumen erfüllte die Luft.
Mit geschlossenen Augen stand die hochgewachsene Gestalt da,
lauschte den Geräuschen der Nacht und verschmolz mit dem Schatten der Bäume.
Lautlos glitt sie zwischen den Stämmen der alten Bäume hindurch.
Seine Füße berührten kaum den Boden unter sich. Am Rande einer Klippe blieb die Gestalt stehen, blickte auf die Kleinstadt zu seinen Füßen.
Es war spät. Viele der Wohnhäuser lagen im Dunkeln, nur ein paar vereinzelte Fenster strahlten sanftes, einsames Licht aus.
Wie still und friedlich es da lag.
Naiv auf Dinge die für sie für Märchen, Geschichten oder Fantasien waren, konnten sie,
wie so vieles, doch wahr sein.
Aber das interessierte die Gestalt nicht. Eher interessierte es sie, ob es möglich wäre, hier ein neues Leben anzufangen.
Wer weiß, was die Zukunft brachte, denn die Vergangenheit war voller Überraschungen.
Kapitel 1
„Hey, Soy! Beeil dich, “ brüllte eine weibliche Stimme. Dazu war das schrille Geräusch der Klingel zu hören, ebenso das laute Klopfen an der Tür.
Bevor jedoch vor lauter Ungeduld wieder an die Tür gehämmert wurde, wurde sie aufgerissen.
Die Haare der Person in der Tür, standen wirr vom Kopf ab. Der Mund war mit einem Stück Brot voll gestopft und hüpfend versuchte sie den linken Schuh anzuziehen.
„Na endlich, wird ja langsam zeit. Ich steh hier schon seit Stunden und warte auf dich.“
Die gehetzte Stimme gehörte einer zierlichen Person. Große violettblaue Augen schauten unter dem Fransenponny auf ihre Freundin.
„Wn megen eit stunden. Ds maten…. “mit einem lauten Seufzer wurde Soy das Brot aus dem Mund gerissen.
„Sprich deutlich mit mir und außerdem hat man dir nicht beigebracht das man mit vollem Mund nicht spricht.“
Dieses lehrhafte Getue am frühen morgen konnte einem schon nerven.
„Und hat man dir nicht beigebracht wie man sich höflich und zurückhaltend benimmt?
Anscheinend nicht, denn sonst würdest du nicht wie eine Furie auf die Tür einschlagen. Sei froh das meine Eltern schon zur Arbeit sind, sonst hätte dich mein Vater einen Kopf kürzer gemacht und Mom dir ne Moralpredigt gehalten.“ Blaffte Sonea zurück.
Leicht sauer zog sie die Tür hinter sich zu und schnappte sich ihr Frühstück, das Tia ihr einfach entrissen hatte.
Lachend warf diese ihr schwarzes Haar zurück.
„Dazu brauche ich deine Eltern nicht, das machst du auch ganz gut.“
Entschuldigend blickten blaue Augen in grüne.
„Ich weiß das ich heute früh nervig bin, aber du weißt doch, heute kommen die Neuen und ich will mit unter den ersten sein, die sie zu Gesicht bekommen.
Ich muss mir doch den süßesten der Kerle schnappen, bevor Jenny ihre Krallen nach ihm ausstreckt.“
Zwischen Tia und Jenny lag eine lang gepflegte Feindschaft. Sonea glaubte das die beiden ohne diese Streitigkeiten nicht überleben würden. Wenn einer von beiden nicht da war, sah man den anderen still durch die Flure gehen, so als ob ein Teil fehlen würde.
Sonst konnten sie die Pausen kaum abwarten um wie Bluthunde übereinander herfallen.
Einen Maulkorb anzulegen brachte nichts, das haben alle schon festgestellt.
Während früher auch mal ein blauer Fleck oder eine Schramme davon getragen wurde, so beschränkte sich die heutige Kampfart auf Worte.
Beide stehen über Handgreiflichkeiten, hatten sie ihren Freunden erzählt.
Sonea verstand sich eigentlich super mit Tim, Jessica, Sophy und Mimi, der Clicke von Jenny, aber weder Tia noch Jenny sahen es gern wenn die vier mit Sonea plauderten. Interessenkonflikt oder noch besser, man wurde zum Verräter in den eigenen Reihen, bzw. Spion.
Was für ein Spion? Sie glaubte nicht dass es jemanden interessierte, was der andere für Unterwäsche kaufte, okay, das will keiner wissen.
Es sei denn man ist ein Junge. Tim konnte man nicht als Jungen ansehen, da er auf Jungen stand, aber das wussten nur die engsten Freunde.
Also blieb Sonea nichts anderes übrig, als sich heimlich mit ihnen zu treffen. Was ihr leid tat und ihr öfters ein schlechtes Gewissen einbrachte, aber anders ging es nicht.
Sie blickte Tia aus dem Augenwinkel an und stellte fest dass ihr das Kleid wunderbar stand. Es hatte dieselbe Farbe wie ihre Augen und bracht die zierliche Gestalt zur Geltung.
Seufzend sah sie an sich hinunter und musste wiedermal feststellen dass sie doch ein paar Kilo zuviel hatte, aber sie aß nun mal gerne, also waren Diäten oder dergleichen nichts für sie.
Sie würde dabei eingehen, Kalorien zu zählen oder nur die Hälfte auf dem Teller zu haben. Aber irgendwann müsste sie abnehmen, sonst würde sie nicht in das tolle grüne Kleid passen für das sie so lange gespart hatte. Sonea bemerkte das Tia immer noch über Jenny redete.
Um sie von dem Thema abzubringen fragte sie, sie einfach etwas, worüber sie sich stundenlang unterhalten konnte.
Jungs.
„Sag mal Tia, weißt du wie die Neuen aussehen?“
„Öhm, ja klar, “ sagte sie, überlegte kurz und meinte, „Naja nicht ganz.
Ich habe nicht alle Akten einsehen können, denn Mrs. Mirkowitch hatte dann etwas anderes für mich zu tun. Aber das was ich gesehen hatte war Durchschnitt, bis auf einen Jungen.“
Seufzend und mit verklärtem Gesichtausdruck lief sie neben Sonea her.
Tia war Schülersprecherin und daher oft im Büro der Sekretärin des Direktors.
Sie half viel bei den Vorbereitungen von Veranstaltungen oder Ausflügen und erledigte auch viel Büroarbeit.
Tia wusste nicht mehr warum es so gekommen war, dass sie Mrs. Mirkowitch half, aber es hatte sich mit den Jahren so eingebürgert das es undenkbar wäre wenn Tia aufhören würde.
Während Tia sich über die einzelnen neuen Schüler ausließ, verließen sie den Vorort der Kleinstadt um einen Feldweg zwischen den Getreidefeldern zu folgen. Die Schule befand sich außerhalb der Stadt auf einem riesigen Gelände.
Hinter einem kleinen Wäldchen befand sich das Schulgelände. Zwischen den Baumwipfeln konnte man die roten Dächer durchblitzen sehen.
Zur Schule gehörten mehrere Wohnheime, drei Bibliotheken, vier Sportplätze und Tennisplätze, mehrere Schulgebäude, Turn - und Schwimmhallen.
Das Hauptgebäude war ein altes Schloss, aus dem 17. Jahrhundert.
Halbverfallen wurde es vor über hundert Jahren gekauft und restauriert. Am Anfang war es ein Mädcheninternat, aber nach und nach wurden weitere Gebäude im gleichen Stil dazugebaut und nun war es eines der begehrtesten Schulen des Landes und darüber hinaus.
Sie brachte die besten Absoventen hervor, die von den Universitäten mit Kusshand genommen wurden.
Vor dem großen schwarzen schmiedeeisernen Tor blieben sie stehen.
„Was ist eigentlich, wenn er sich für Jenny entscheidet?“ fragte Sonea.
„Mmmh,“ überlegte Tia.
„Dann ist er nicht so intelligent wie er aussieht. Wäre wirklich zu schade.“
Leise seufzten sie.
Sie durchschritten das Haupttor und folgten der Baumallee.
„Wie sieht er eigentlich aus?“ fragte Sonea neugierig.
„Wer?“ fragte Tia überrascht.
„Ah so, Lucien, “ rief sie, als es klick gemacht hatte
„Sagen wir es mal so, wenn die Mädchen ihn gesehen haben, sind alle anderen Jungen Geschichte.“
Selbstgefällig lächelte sie.
„Ach komm schon, so gut kann kein Junge aussehen.“ Skeptisch zog Sonea eine Augenbraue hoch.
„Oh doch, glaub mir. Als ich sein Foto gesehen hatte, fragte ich mich, wer sind Orlando Bloom, Brad Pitt und Gackt?
Die existierten gar nicht mehr.
Und …..“ sie holte tief Luft, “ ich hatte einen seeehr erotischen Traum mit ihm.“
Leise lächelnd schwelgte sie in Erinnerungen.
Überrascht sah Sonea ihre Freundin an und blinzelte.
Tia wurde tatsächlich rot.
Dabei war sie abgebrüht. Schmunzelnd sah sie nach vorne.
„Er sieht so aus, wie man sich einen Lucien vorstellt.“
„Ahsooo,“ meinte Sonea und verstand nichts.
Wie sieht ein Lucien aus, dachte sie.
Woher soll ich das wissen, überlegte sie.
Die Baumallee war nicht sehr lang und die Strasse gabelte sich danach. Aber die beiden Mädchen gingen nicht eine der Strassen entlang sondern schritten die Treppe hinauf in der mitte der kleinen grünen Insel, zwischen den beiden Wegen.
Oben angekommen, versetzte der Anblick Sonea jedes Mal in verzücken.
Ein kurz geschnittener Rasen erstreckte sich vor ihnen, mit Blumenbeeten in Mustern angelegt. Aus Buchsbäumen waren Figuren geschnitten und in der Mitte befand sich ein elfenbeinfarbener Springbrunnen. Schlicht, mit nur leichten Mustern verziert.
Wege aus weißem Kies schlängelten sich zwischen den Bäumen und Beeten hindurch. Vereinzelt standen dort auch Bänke im Schatten von jungen Pappeln.
Die beiden Strassen umrandeten das kleine Paradies, führten leicht den Berg hinauf und wurden vor dem Schloss wieder vereint.
Das Schloss an sich strahlte in einer herrlichen Pracht. Die zartgelbe Fassade wurde von weißem Stuck und Säulen unterbrochen. Zimmerhohe Fenster spiegelten das Licht der aufgehenden Sonne wieder. Verträumt starrte Sonea es an. Traumhaft, kam es ihr in Gedanken. Eine geschwungene Treppe führte zur weißen großen Doppeltür. Zwei Statuen von Drachen standen am Anfang der Treppe.
Sie passten eigentlich nicht dazu, wenn man bedachte das normalerweise zwei Löwen den Eingang bewachten, aber der Besitzer dieser Schule hieß Dragon mit Nachnamen, einem alten adeligen Geschlecht. Er ließ die Löwen durch die Drachen ersetzen und nun zierten sie den Eingang.
Neben dem Schloss befanden sich riesige alte Eichen und Kastanien.
Wege führen durch sie hindurch, ließen aber keinen hinter sich blicken, denn dort erstreckte sich dann das Schulgelände mit großflächigen Grünanlagen.
Es gab sogar einen kleinen See, an dem man sich gemütlich in den Schatten setzen konnte.
Der vorletzte Direktor hatte sich bei der Gestaltung des Geländes ausgetobt und doch war alles durchdacht und präzise geplant.
Es gab Schüler, die sah Sonea das erste Mal und das obwohl sie schon seit vier Jahren auf diese Schule gingen.
Man musste auch selten über das ganze Gelände rennen um zur nächsten Stunde zu kommen, da hier von der Grundschule bis zu den Absolventen alles vertreten war.
Es gab mehrere Eingänge, die auf das Schulgelände führten, denn der Haupteingang wurde selten benutzt, nur wenn etwas Wichtiges anlag.
Wie heute zum Beispiel.
Vor dem Eingang standen schon mehrere Schüler.
Stöhnend fuhr Tia sich durchs Haar.
Sonea entdeckte den Grund dafür sofort.
Jenny.
Jenny aufgebrezelt, also ob sie zur Modenschau wollte.
Ein knall-grell rotes Kleid, das viel Haut zeigte.
Die blonden Haare auftupiert.
Es sah toll aus, davon mal abgesehen, dachte Sonea, aber es passte nicht in die Schule.
Seufzend schüttelte sie den Kopf und hielt Auschau nach den anderen.
Jessica und Tim standen halb schlafend hinter ihr und stützten sich gegenseitig ab. Die Zwillinge waren keine Morgenmenschen und heute war es wirklich früh.
Sophy und Mimi konnte sie nicht entdecken. Sie würden Jenny auch töten, wenn sie die beiden mitgeschleppt hätte.
Schlaf war den beiden Mädchen heilig. Nichts stellte sich zwischen sie und einer Runde Schlaf.
Ergeben gingen Sonea und Tia zu den anderen.
Noch hatte Jenny sie nicht entdeckt, dafür aber Tim.
Er blinzelte Sonea ein verschlafenes Lächeln zu und schloss die Augen wieder.
Tia wollte sich hinter Jenny vorbei schleichen, selbst für sie war es noch zu früh zum streiten.
Aber anscheinend besaß Jenny einen siebenten Sinn, denn sie drehte sich um und verzog das Gesicht, als ob sie auf eine Zitrone gebissen hätte als sie Tia sah.
„Ach nein, wen haben wir denn da. Wenn das nicht die kleine immer liebe Tia ist, “ sprach sie von oben herab mit Soneas bester Freundin.
„Tja Jey, ich bin es“, lächelte sie freundlich.
„Freut mich auch dich zu sehen. Aber sag mal, wie kommt es das du hier bist und das noch in diesem Aufzug. Erwartest du den Kaiser von China?“ Spöttisch blickte sie Jenny in die Augen.
„Oh nein, nicht doch. Ich wollte ein bisschen Stil zeigen, wenn die Neuen kommen.“
Stirnrunzelnd blickte sie auf ihre Fingernägel.
„Es kann ja nicht schaden wenn die Neuen gleich wissen wer Stil hat und wer nicht.“
Die Augenbraue leicht gehoben, blickte sie Tia von oben bis unten an.
Diese aber blieb ungerührt und legte den Kopf leicht schief.
„Weißt du, nicht jeder mag oder kann sich den Luxus von Designerklamotten leisten. Viele wollen es auch nicht, da sie es unter ihrer Würde erachten anzugeben.“
Immer noch lächelte sie.
„Warum bist du eigentlich hier? Normalerweise interessiert es dich nicht, wer neues auf die Schule kommt.“
„Weißt du Tia, wir bekommen auch nicht jedes Mal so einen Leckerbissen an unsere Schule, daher wollte ich mich jetzt schon vorstellen bevor man nachher tot getrampelt wird von den ganzen geifernden Mädchen. Und du, bist du auch deswegen hier? Bekommst sonst keine Chance ihn zu sehen oder?“
damit wandte sie sich von Tia ab und Sonea zu.
„Hallo Sonea. Schönes Kleid was du da trägst.“ meinte sie und das ohne sarkastisch zu sein.
„Hi, Jenny. Öööhm danke.“
Irritiert blinzelte sie Jenny an. Das war neu. Entweder gefiel ihr das Kleid wirklich, oder sie hatte eine neue Angriffstrategie.
Normalerweise kam außer einem Hallo nichts.
Sonea war uninteressant für sie, also musste sie nicht beachtet werden, selbst wenn sie die beste Freundin ihrer Gegnerin war.
Aber jetzt beugte sie sich sogar zu ihr hinunter und starrte auf ihre Kette.
„Einen tollen Anhänger hast du da. Wo hast du ihn her?“
„Letztes Wochenende war ich mit meinen Eltern in der Stadt und sind auf eine Antik – Flohmarkt gestoßen. Von dort habe ich den Anhänger.“ Sanft berührte sie den Stein dabei.
„Mmmh ich war noch nie auf einen Flohmarkt, aber vielleicht sollte ich es mal tun.“
Ein letzter Blick auf den Stein und sie blickte wieder nach vorn zur Straße hin.
„Ach Tia“, meinte sie überraschend.
„Mach dir keine Hoffnungen, auch wenn du jetzt schon hier bist. Der Neue gehört mir.“
Ein leichter Blick aus dem Augenwinkel war alles was sie Tia gönnte.
„Danke, aber ich bin nicht wie du. Rein zufällig gehen zwei der Neuen in meine Klasse und Miss Lendor bat mich sie in Empfang zu nehmen.“
Damit drehte sie sich um und lies Jenny hinter sich.
Sonea lächelte Tim und Jess an, die diese Unterhaltung gespannt mit angehört hatten und lief hinter Tia her.
„Was bildet die sich ein. Mich mit ihr auf eine Stufe zu stellen. Unverschämt.
Woher weiß sie überhaupt von dem Neuen?“
Mmmh überlegte Sonea, hatte Tia heute Morgen nicht genau dasselbe gesagt? Das sie auch hier sei um sich den Neuen zu schnappen? Aber das sollte nicht ihr Problem sein, dachte sie und zuckte mit den Schultern.
Grübelnd blieb Tia stehen und schnippte mit den Fingern als es ihr einfiel.
„Ramona. Sie war im Büro, als wir die Unterlagen der neuen Schüler durchgegangen sind. Sie hat bestimmt ein Foto rausgeschmuggelt.
Der werd ich was erzählen.“
Wütend stapfte sie weiter.
Sonea blieb nichts anderes übrig als ihr zu folgen.
„Ach, in einem muss ich ihr zustimmen. Dein Kleid sieht wirklich toll aus. Wieder eins aus deiner Kollektion?“
„Ja“, seufzte Sonea.
„Danke, mir gefällt es auch. Bin richtig stolz darauf.“
Sie blickte an sich hinunter und strich den Rock glatt.
Das Kleid war schwarz mit einem schwarzen Überkleid aus zarter und sehr teurer Spitze.
Der Ausschnitt war groß und viereckig und zeigte den Ansatz ihres Busens. Die langen weiten Ärmel verdeckten ihre Hände. Der einzige Kontrast war die dunkelrote Korsage und die silbernen filigranen Ketten, die um ihre Hüfte in verschiedenen Längen geschlungen waren.
Das rot spiegelte sich in dem Stein ihrer Kette wieder, der in einer silbernen antiken Fassung saß und an einem schwarzen Spitzenband, der gleichen Spitze wie ihr Überkleid, befestigt war.
Es war als ob der Stein von innen heraus leuchten und die kleinen Tropfen, die an hauchzarten Ketten hingen, anfeuerte mit ihm zufunkeln.
Die Tropfen sahen aus, wie blutige Tränen, die sich aus dem Stein gelöst hatten.
Sonea wäre beinahe mit Tia zusammengestoßen als diese abrupt stehen blieb.
Mit einem Lächeln kam Mrs. Mirkowitch auf die beiden Mädchen zu.
„Guten Morgen, schön dass ihr schon da seid.“
Misstrauisch sah Sonea sie an. Normalerweise lächelte sie nicht so strahlend. Sonst hatte sie immer einen leicht verkniffenen Gesichtsausdruck.
Stirnrunzelnd stellte sie eh fest dass heute die Menschen anders drauf waren. Alle waren sie zu nett.
Hoffentlich war das nicht für immer so.
Schaudernd dachte sie an diese Möglichkeit. Sie hatte sich daran gewöhnt das sie ignoriert wurde und ehrlich gesagt mochte sie es.
Denn so hatte sie ihre ruhe.
Seufzend wartete sie auf die Attacke von der Sekretärin.
„Sonea es freut mich das du auch gekommen bist. Ich muss dich um einen gefallen bitte.“
Ups und da hatten wir den Grund, sie wollte etwas.
„Torben ist krank geworden und nun ist keiner da, der die neuen Schüler seiner Klasse in Empfang nimmt. Würdest du das bitte tun?“
Ihr Blick sagte aber das dies keine Bitte war, sondern ein Befehl.
Torben war ein Schüler aus ihrer Parallelklasse und der dortige Klassensprecher.
Soweit sich Sonea erinnerte war er sehr oft krank. Er sah auch schon sehr schwächlich aus. Klein, sehr schlank, immer blass, was durch seine schwarzen Haare noch hervorgehoben wurde und außerdem trug er eine überdimensional große Brille, mit gläsern die seine Augen wie die eines Frosches wirken ließen.
Er entsprach einem typischen Klischee eines Strebers und Langeweilers. Außer das er keine Hochwasserhosen mit Hosenträgern trug.
Er legte wert auf seine Kleidung.
Nicht das er ein Markenfreak war nein alles musste stimmen, da er sich präsentieren wollte.
Er gehörte verschiedenen Vereinen an. Langweiligen Vereinen. Dem Schachclub, dem Buchclub und dem Teezeremonieclub um nur einen Teil seiner Freizeitaktivitäten zu nennen. Aber die anderen Clubs waren auch nicht besser.
Das gute an ihm war wenn man seine Hilfe brauchte war er immer da. Auch wenn man nicht in seine Klasse gehörte und er lachte viel.
„Und Sonea, wirst du diese Aufgabe übernehmen?“ riss die frage sie aus ihren Gedanken.
Ein klägliches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
„Aber sicher Mrs. Mirkowitch. Natürlich übernehme ich die Aufgabe von Torben.“
Sichtlich erleichtert seufzte sie und nickte zustimmend.
„Danke Sonea.“
Damit ging sie zu den anderen Vertrauenslehrern und unterhielt sich mit diesen.
„Na super. Danke dass du mich mitgenommen hast Tia. Jetzt darf ich Babysitter spielen.“
Mürrisch blickte sie auf den Boden.
„Das wollte ich schon immer.“
Sarkastisch schniefte sie und blickte hoch zum azurblauen Himmel.
Sonea war gern alleine und mochte es nicht wenn sie im Mittelpunkt stand.
Dass sie sich jetzt wegen dieser Kleinigkeit aufregte verstand sie selbst nicht.
Zu wenig Schlaf, dachte sie und gab sich mit dieser Erklärung zufrieden.
„Sorry Tia. War nicht so gemeint. Ich bin heute anscheinend mit dem falschen Fuß aufgestanden.“
Seufzend fuhr sie sich mit den Fingern durch ihr dunkelrotes Haar.
„Buchen wir es einfach als ignoriert ab“, meinte Tia lächelnd.
Ein Raunen ging durch die Menge. Schnell blickten die Mädchen zu den anderen. Ein kleiner Bus kam die Straße hinauf gefahren.
Endlich waren die Neuen da. Angespannt blickten sie den Bus an und folgten ihm mit gebannten Augen.
„Mrs. Mirkowitch, ich hätte da mal ne Frage. Wen soll ich denn in Empfang nehmen?“
„Oh stimmt ja. Hier hast du die beiden Akten der Schüler. Sieh sie dir an und kümmere dich um sie.“
Schnellen Schrittes ging sie zum Bus der nun vor dem Eingang zum Halt gekommen war und wartete bis die ersten Schüler ausgestiegen waren.
Neugierig war Sonea am meisten auf Lucien. Da sie schon so viel von ihm gehört hatte, über sein Aussehen, war sie nun wirklich gespannt.
Die beiden Akten in der Hand, die im leichten Takt an ihr Bein schlugen, wartete sie mit den anderen.
Nach fünf Schülern kam er endlich und das was sie sah verschlug ihr den Atem.
Wow dachte sie, denn mehr fiel ihr nicht ein.
Er war groß und schlank aber doch leicht muskulös, wie es sein Hemd zeigte als er aus dem Bus stieg.
Doppel wow, dachte sie als sie in sein Gesicht sehen konnte.
Er hatte klassische Gesichtszüge eine schlanke Nase eine sinnliche volle Unterlippe sanft geschwungene Augenbrauen.
Aber am meisten faszinierten sie die Augen. Dunkel braun fast schwarz genauso wie seine Haare und seine langen Wimpern.
Er hatte etwas Elbenhaftes an sich, aber trotzdem war er von den Gesichtszügen auch Männlich.
Verdutzt blickte sie ihn an, als er mit dem Rücken zu allen stand um seine Tasche in empfang zu nehmen.
Er hatte lange Haare, die mit einem schwarzen Samtband zusammengehalten wurden.
Cool.
Sie passten zu ihm.
„Tia“, flüsterte sie.
„Ich kann dich verstehen. Er sieht wirklich fantastisch aus.“
„Mmmh“, nickte ihre Freundin nur und starrte weiterhin auf Lucien.
Jenny sah aus wie eine Katze die gerade ein Schälchen süßer Sahne entdeckt hatte, denn sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und fixierte den Schüler mit leicht zusammen gekniffenen Argusaugen.
Oh ho, das konnte interessant werden, dachte Sonea.
Mal sehen wie lange es dauert bis Lucien in ihr Netz geht.
Er konnte einem jetzt schon Leid tun, denn so schnell gab Jenny nicht auf.
Tia neben ihr ging auf zwei der Schüler zu und begrüßte sie. Es waren zwei Mädchen die gleicher nicht sein könnten.
Beide hatten sie dunkelbraunes langes Haar, eine schlanke Figur und trugen auch fast das gleiche Outfit. Zwei beste Freundinnen dachte Sonea und schmunzelte leicht.
Da fiel ihr ein, dass sie auch zwei Schüler begrüßen musste.
Schnell schlug sie die erste Akte auf und las, Simon Krell. Unscheinbar und langweilig, wenn da nicht das Funkeln in seinen Augen gewesen wäre, was die Kamera aufgefangen hatte, Wohnheim 3.
Gut dann wusste sie schon mal wo sie ihn hinbringen musste.
So dann mal die zweite Akte.
Lucien Ferrion. Okay der musste in kein Wohnheim.
Dann stutze sie.
Oh oooooh…. Ich hab Lucien in meiner Gruppe.
Hatte sich das Schicksal sich gegen sie verschworen? Anscheinend ja.
Seufzend blickte sie nach vorn zu ihren anvertrauten Schülern.
Dann straffte sie die Schultern und ging auf die beiden zu, die nebeneinander standen.
Der eine ein bisschen einsam, der andere umlagert. Sie warf Tia am vorbeigehen einen gequälten Blick zu. Diese hob fragend die Augenbraue.
Jenny hing förmlich an ihm, stellte Sonea fest und Tim, der stand gelangweilt in der Ecke.
Das war ja mal was Neues. Normalerweise geriet er aus dem Häuschen wenn ein toll aussehender Junge seinen Weg kreuzte und bei Lucien traf das Wort toll aussehen noch nicht mal zu, es war noch zu mild um wahr zu sein.
Aber das war ihr jetzt egal. Sie überlegte kurz wie sie an den Schülern vorbeikam ohne blaue Flecken zu bekommen, denn sie konnten ganz schön rabiat werden.
Sie entschloss sich, jede noch so kleine Lücke zu benutzen um zu Simon und Lucien zu kommen.
Um sie herum schwirrten die üblichen Fragen. Wie heißt du? Welche Klasse besuchst du? Was sind deine Hobbys? Und die wichtigste natürlich, hast du eine Freundin?
Selbst Sonea spitzte hier die Ohren, nicht weil es sie interessierte, nein nur weil sie….ja was?
Innerlich ließ sie den Kopf hängen.
Er war genau ihr Typ, aber so wie sie die Männerwelt bis jetzt kennen gelernt hatte, war sie nicht sein Typ.
Er stand bestimmt auf Mädchen wie Jenny.
Sexy, durchgestylt, beliebt und unglaublich hübsch.
Naja unglaublich hübsch war vielleicht übertrieben, aber Jenny war wirklich ein sehr gut aussehendes Mädchen.
Eine tolle Figur, blendend weiße Zähne, bei denen Sonea beim ersten Mal dreimal hinsehen musste um festzustellen ob es nicht eine Sinnestäuschung war, hellblaue Augen und blonde lange Haare.
Nicht umsonst rannten ihr die Jungs die Türen ein, oder machten sich zum Affen wenn sie es wollte.
Arg Jungs… ein Buch mit zwanzigtausend Siegeln, die Sonea nie öffnen würde können.
Gekonnt wich sie einem Ellebogen aus und stand nun genau neben Jenny.
Überrascht blickte diese Sonea an.
„Mmmh, ich hätte nie gedacht das du dich für Jungs interessieren könntest. Ich dachte immer deine Bücher seien dir wichtiger.
Und weißt du was, so sollte es auch bleiben.“
Trotzt dieser leicht gemeinen Worte lächelte sie und wandte sich wieder Lucien zu der gerade einem Jungen interessiert zuhörte.
Sonea verdrehte die Augen und bekam am Rande ein kichern mit.
Als sie sich umdrehte sah sie ein Mädchen neben sich stehen das sie schmunzelnd ansah.
„Hat man so was schon erlebt, sie droht mir. Mir, die gegen sie eh keine Chance hat.“ Den Kopf leicht schüttelnd flüsterte sie die Worte dem Mädchen zu.
„Ich glaub wenn sie könnte würde sie jeden wegscheuchen und beißen. Sieh sie dir mal an, es passt ihr nicht das er ihr nicht seine volle Aufmerksamkeit schenkt.“ Das Mädchen nickte mit dem Kopf zu Jenny.
Und jetzt da sie darauf aufmerksam gemacht wurde fiel es ihr auch auf.
Jenny hatte die Augen leicht zusammengekniffen und blitzte jeden an der sich an Lucien wendete.
„Stimmt. Arme Jenny, da steht ihre Beute neben ihr, fest umklammert und sie kann sie nicht abschleppen. Da hilft es wohl nicht viel, als gute Miene zum bösen spiel zu machen.“
Leise lachend beobachtete sie das Mienenspiel weiter.
„Ich glaube das tut ihr gut. Sonst hängen die Jungs ihr an den Lippen. Soll sie mal ruhig feststellen wie es ist wenn es nicht der Fall ist.“
Bejahend nickte Sonea.
„So, alle mal hergehört?“ rief eine Stimme hinein mitten in den Tumult.
„Ruhe bitte“, sagte Mrs. Mirkowitch und klatschte dabei in die Hände, nachdem Sonea die Stimme erkannt hatte.
Langsam wurde es leiser und nach kurzer Zeit hatte die Sekretärin die ganze Aufmerksamkeit der Schüler.
„Danke.
So, als erstes möchte ich die Schüler an unserer Schule willkommen heißen.
Wir freuen uns, dass ihr euch für unsere Bildungseinrichtung entschieden habt.
Euch wurden Vertrauensschüler zugewiesen die sich die nächsten Tage um euch kümmern werden. Falls es fragen geben sollte wendet euch bitte an sie.
Sie begleiten euch zu euren Wohnheimen und zeigen euch anschließend das Schulgelände und die Klassenräume die ihr in der nächsten zeit besuchen werdet. Stundenpläne und Prospekte der einzelnen Clubs haben sie ebenfalls dabei. Eine Karte mit der Übersicht des Geländes befindet sich auch darunter.
Ich wünsche euch viel spaß an unserer Schule und hoffe das ihr viel von dem was wir euch beibringen auch verinnerlichen werdet.“
Ein letztes strahlendes Lächeln und damit drehte sie sich um und ging in das Verwaltungsgebäude der Schule, das Schloss.
Die Vertrauenslehrer standen noch da und warteten darauf das man sich an sie wandte mit Fragen oder ähnlichen. Einige der Schüler die mit der Aufgabe betraut waren sich um die neuen zu kümmern, gingen auf sie zu und unterhielten sich mit ihnen.
Tia stand mit ihren beiden zusammen und anscheinend verstanden sie sich prima, denn sie lachte des öfteren.
Nur Sonea hatte noch kein Wort mit ihren beiden Schülern gesprochen.
Simon würde kein Problem werden, aber Lucien.
Die Geräuschekulisse hatte zugenommen und Sonea die jetzt vor den beiden stand musste ziemlich laut sprechen.
„Hallo. Mein Name ist Sonea Blessten und ich …….“da wurde sie schon unterbrochen.
„Ja ja..wir wissen wie du heißt, stör uns nicht und geh. Lies ein Buch oder mach sonst etwas.“ Genervt sah Jenny sie an wedelte mit der linken Hand vor Soneas Gesicht herum.
Lucien blicke sie an und hob leicht die Augenbraue.
Warum hob heute jeder, der sie ansah die Augenbraue, dachte sie.
Sitzt mein Haar nicht richtig, ist mein Make up verschmiert? Am Kleid kann es nicht liegen…also lag es wirklich an mir.
Kann ich nach hause gehen und mich wieder hinlegen?
Das wäre eine tolle Idee. Vielleicht mach ich das auch.
Mist, ging nicht. Sie war Vertrauensschülerin und musste hier sein.
Dann hoffen wir mal das der Tag schnell vorbei geht und die beiden sich dann super hier auskennen und keine Fragen mehr haben.
„Jenny, ich kann wenigstens lesen. Also sei mal kurz still, okay?“ meinte Sonea gereizt.
Dann wandte sie sich wieder den beiden Jungen zu. Beide sahen sie nun aufmerksam und neugierig an.
Jenny hingegen bekam eine leicht ungesunde Hautfarbe. Sie war es nicht gewohnt dass man ihr widersprach.
„Okay also noch mal von vorne.
Hallo mein Name ist Sonea Blessten und ich bin eure Vertauensschülerin.
Ich würde euch beziehungsweise dir Simon dein Wohnheim und dein Zimmer zeigen. Anschließend wie Mrs. Mirkowitch schon sagte das Schulgelände. Falls es etwas gibt was ihr unbedingt sehen oder wissen wollt, dann fragt und ich werde sehen was ich machen kann.
Die Prospekte und die Stundenpläne gebe ich euch dann in Simons Zimmer und von dort aus können wir planen was wir sehen wollen.
Wenn ihr mir nun bitte folgen wollt.“
Sie lächelte Simon an, nickte Lucien kurz zu und brauchte nicht warten da die beiden ihr folgten.
Allerdings kamen die anderen Schüler hinterher und Jenny allen voran.
Während des Laufens drehte sich Sonea um und blickte alle an. „Mmmh ich wusste gar nicht das wir so viele neue Schüler bekommen haben. Habt ihr nicht irgendwas anderes zu tun? Schauen ob ihr für die heutigen Klausuren gelernt habt, andere drangsalieren oder vielleicht ein Buch lesen, oder aber schauen ob die Frisur sitzt?“ dabei schaute sie Jenny genau in die Augen.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie das Simon und Lucien leicht schmunzelten.
„Aber aber Sonea, warum so gehässig, wir wollen doch nur freundlich sein und dir helfen.“ Unschuldig blickte Jenny sie an.
„Oh ich bin nicht gehässig, das Wort kommt noch nicht mal in meinem Wortschatz vor, ich will euch nur loswerden, das ist alles.“
Demonstrativ drehte sie sich um und ignorierte die Gruppe hinter sich. Tia, die denselben weg hatte wie ihre Freundin lachte leise.
Zwinkernd sah Soy sie an und musste sich ein grinsen verkneifen, denn anscheinend war Jenny sprachlos, da sie bis jetzt noch keine Antwort von sich gegeben hatte.
„Ihr habt die beiden die nächsten Jahre, wenn es so sein sollte, da werdet ihr es ihnen doch gönnen, sich alles in ruhe ansehen zu können, oder?“
Leichtes zustimmendes Gemurmel drang von hinten nach vorne und so wusste sie, das sie gewonnen hatte, denn kurz darauf war sie mit ihren beiden und Tia mit deren beiden allein unterwegs.
„Ich fass es nicht. Du hast Lucien. Nicht schlecht.“ Sie zwinkerte Sonea zu und schmunzelte leicht vor sich hin.
„Ich hab mich nicht darum gerissen. Also hör auf.“
Mokiert sah sie auf ihre Freundin runter.
„Ach komm schon. Du kannst mir nicht erzählen das du dich nicht doch ein bisschen freust ihn die nächsten Tage immer ansprechen zu können ohne eigentlich Hintergedanken haben zu müssen.
Sieh ihn dir an.
Er ist phantastisch. Jeder würde sich darum reißen sein Ansprechpartner zu sein. Also mach was draus.
Vielleicht sieht Jenny ja in die Röhre wenn du ihn dir schnappst.“
Grinsend klopfte sie ihr auf die Schulter.
„Hab ich was verpasst? Ich bin der Vertrauensschüler und das heißt noch lange nicht dass ich ihn mir krallen will. Vielleicht solltest du mal tief durchatmen.
Wenn du ihn betreuen müsstest und man würde dich mit solchen Vermutungen volltexten wie würdest du darauf reagieren. Bestimmt auch nicht mit Begeisterung.
Du weißt dass ich momentan keine Lust auf einen Freund habe. Der letzte hat mir vollkommen gereicht. Also mäßige dich in deinen Andeutungen.“ Verschnupft sah sie wieder nach vorne.
„Sorry“, seufzte Tia.
„War nicht so gemeint. Ich hab mich hinreißen lasse.
Ich wäre auch nicht begeistert wenn man mir so etwas vorhalten würde.“
Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Bittend blickte sie Sonea an.
„schon okay. Vergessen wir das ganze einfach. Tun wir so als hätte diese Unterhaltung nie stattgefunden.“
Zustimmend nickend gingen sie weiter.
Nach ein paar Minuten trennten sich ihre Wege. Die Mädchen waren in einem anderen Wohnheim untergebracht und das lag etwas weiter weg.
Was sollte sie den beiden erzählen, überlegte sie, als sie mit den beiden allein war.
Ihr fiel nichts ein. So etwas lag ihr nicht. Sich mit anderen zu unterhalten, Konversation zu machen.
Sie war schüchtern. Sie mochte es wenn man sie nicht beachtete, was aufgrund ihres Kleidungsstils leider nicht immer klappte, aber da ignorierte sie die anderen halt.
Grübelnd ging sie vor den beiden und egal was ihr einfiel, nichts war passend um etwas zu sagen.
Aber da nahm Simon ihr die Entscheidung ab und sprach sie einfach an.
„Sonea, sag mal wer war das Mädchen vorhin gewesen?“
Erwartungsvoll sah er sie an.
„Oh das war Jenny. Sie ist in der 1d. Also in einer Parallelklasse. Sie ist Captain des Cheerleaderteams und momentan das beliebteste Mädchen der Schule.“ Lächelnd blickte sie ihn an.
„Nein nicht die. Das Mädchen das gerade noch hier war. Die mit den unglaublich faszinierenden blauen Augen.“
„Oh ach so. Du meinst Tia.“ Erleichtert atmete sie auf. Doch nicht noch so einer der hinter Jenny herlief und ihr schon zu großes Ego steigerte.
„Tia geht in die 1a. Sie besucht den Literaturclub und den Theaterclub. Sie ist meine beste Freundin. Man kann sich auf sie verlassen und man kann mit ihr Pferde stehlen.“
„Hat sie einen Freund?“
Oh ha, daher wehte also der Wind. Von wegen der Junge war schüchtern so wie es sein Aussehen schließen ließ.
Nein, das war er wirklich nicht.
„Nicht das ich wüsste. Ihre letzte Beziehung liegt schon etwas länger zurück. Momentan stürzt sie sich mit Feuereifer in die Theaterproben.
Aber wenn du willst kann ich sie ja mal fragen.“
Fragend sah sie ihn an, doch er schüttelte den Kopf.
„Nein danke. Das ist gut gemeint, aber ich käme mir ziemlich blöd vor wenn du sie das fragen würdest.“
„Kann ich verstehen, mir würde es auch nicht gefallen. Aber wenn du willst. In den großen Pausen verbringen wir unsere Zeit am See, an der Eiche neben dem versenkten Boot. Du kannst dich zu uns gesellen und dann, mal sehn.“
„Danke“
„Und in welche Clubs gehst du?“ fragte eine dunkle Stimme sie.
Oh ihn hatte sie schon vergessen. Lucien war ja auch noch dabei.
„Ich? Nichts Besonderes. Ich bin im Chor, dem Kunstclub und besuche auch wie Tia die Theatergruppe. Außerdem bin ich im Schwimmverein.“
Mit den Schultern zuckend blickte sie ihn an.
„Das sind aber ne menge Clubs die du da hast, bekommst du das überhaupt miteinander vereinbart?“
„Das ist kein Problem. Viele der Schüler hier haben noch mehr Clubs denen sie angehören. Wie sie das schaffen weiß ich allerdings nicht, denn ich bin mit meinen voll ausgelastet.
Bei Veranstaltungen oder Wettkämpfen müssen dann die anderen kürzer treten.
Was bei Chor und Theater nicht so einfach ist. Da bei Veranstaltungen immer beide auftreten. Wochen vorher wird dann schon ein Schlachtplan erarbeitet damit ich bei beiden genug proben kann. Bis jetzt hat es immer geklappt.“
Grinsend sah sie ihn an und versank in seine dunklen Augen.
Hach waren die schön und wenn sie lachten wollte man am liebsten nie mehr auftauchen.
Reiß dich zusammen Sonea, du hattest dir geschworen nie mehr auf ein schönes Gesicht hereinzufallen und nun bist du kurz davor zu sabbern.
„Ihr habt die Möglichkeit zwischen einer Menge von Klubs. Wir haben verschiedene Clubs, Literatur, Kunst, Schach, Computer, Film, Physik, den Chor, Theater, Garten, verschiedene Sportclubs, wie Fußball, Schwimmen, Kendô, Kyudô, Boxen, Tischtennis, Tennis, Volleyball und Football. Und nicht zu vergessen den Teezeremonieclub.
Darauf legen die zehn Mitglieder viel wert. Er muss immer erwähnt werden.
Ich war einmal bei so einer Zeremonie. Nach einer Stunde war es Folter. Diese unbequeme Sitzhaltung und so spannend ist es auch nicht.
Aber die Jungen sind sehr stolz darauf und nehmen es als Beleidigung auf wenn man nur ein abfälliges Wort darüber verliert.
Es gibt auch einen Prospekt dafür. Ich werde ihn euch mit den anderen nachher geben.“
Sie hob die Akten hoch und wedelte damit kurz rum.
Das Hauptgebäude hatten sie schon lange hinter sich gelassen und folgten seit geraumer Zeit einen etwas schmalen Kiesweg.
Die Bäume spendeten jetzt schon genug schatten gegen die Sonne die am wolkenlosen Himmel brannte und dabei war es erst sieben Uhr morgens. Aber im Hochsommer war es immer so, daran hatte sich Sonea in den letzten Jahren gewöhnt.
Der Weg führte leicht nach oben und am Rande des Schulgeländes entlang. Das Wohnheim 3 lag etwas abseits und war wegen seiner ruhe gerne von Schülern ausgesucht worden, die viel wert auf das lernen legten.
Dann waren sie endlich oben auf dem kleinen Hügel angekommen.
Ein Blick nach unten zeigte ihnen die ganzen Gebäude, die diese Schule ausmachten. Mit Bäumen, Sträuchern und Blumen verziert, verbanden die Wege alle Gebäude seien es nun Wohnheime, Schulgebäude oder Sporthallen.
In der Mitte des Geländes reflektierte das Wasser des kleinen Sees das Sonnenlicht wieder und blendete einen leicht.
Hinter einigen Häusern sah man noch kleinere stehen oder aber Sportplätze und Schwimmbecken.
„Da hinten steht es, seht ihr es?“
Mit dem Zeigefinger deutete Sonea auf ein kleines abseitsstehendes Gebäude. Die blicke der beiden Jungen folgten ihren Finger und nickten.
„Das ist das Wohnheim 3. Viele die dort leben sind Schüler der oberen Klassen oder aber Schüler die viel wert auf das lernen legen.
Die Regeln in diesem Wohnheim sind sehr streng. Wenn man sich nicht daran hält, kann es passieren dass es harte Strafen gibt.
Der Wohnheimleiter Steven ist bekannt für sein penibles auftreten und für sein strenges Regiment.
Also Simon, achte darauf das du dich an alles hältst was in der Hausordnung steht.“
Leichtfüßig lief Sonea die Stufen hinunter und bog rechts ab um einen verschlungenen weg zu folgen.
„Leider sind die Wege hier etwas weiter als in anderen Schulen, da das Gelände hier extrem groß ist. Am Anfang hasst man diese Strecken, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran.“
Schmunzelnd sah sie die beiden an.
„Zum Glück muss ich nicht diese Strecken laufen.“ Lachend blickte sie Simon an.
„Mein Weg ist noch weiter. Ich wohne unten in der Kleinstadt und laufe jeden morgen die gesamte Strecke hierher. Meistens brauchen Tia und ich fast eine dreiviertel stunde für diesen Weg, aber was soll’s. Dafür wohnen wir zu hause, da nehmen wir es gern in kauf.
Einige der Schüler wohnen auch hier, obwohl sie in der Stadt ein Elternhaus haben, aber bei ihnen wäre der weg noch weiter, also haben sie sich entschlossen hier ein Zimmer zu nehmen.“
Neugierig wandte sie sich an Lucien.
„Wie kommt es das du in keinem Wohnheim bist? Du kommst doch nicht von hier und soweit ich gelesen habe hast du hier auch keine Verwandtschaft.“
„Ich wohne bei Freunden.“ War seine kurz angeschlossene Antwort.
Anscheinend wollte er nicht darüber reden und Sonea die es eigentlich wissen wollte zuckte nur mit den Schultern. Wer nicht will der hat schon dachte sie sich und stieg die Stufen zum Wohnheim hoch, das sie endlich erreicht hatten.
Hinter der Tür erwartete sie regsames treiben. Lange Flure erstreckten sich auf beiden Seiten und einige üppig wachsende Pflanzen ließen sie wohnlich aussehen.
Türen wurden immer wieder geschlagen und man konnte leicht bekleidete Jungen mit Handtüchern über der Schulter und einem Kulturbeutel unter dem arm geklemmt durch die Flure gehen sehen.
Auf jeder Etage waren zwei Gemeinschaftswaschräume, die für genügend Schüler Platz ließen.
Hier konnte man duschen und sich waschen.
Einzelne Zimmer hatten eigene Duschen. Diese gehörten meistens sondergestellten Schülern. Wie den Klassensprechern, Wohnheimleitern und anderen höhergestellten der Schule.
Aber die meisten dieser Schüler zogen es vor mit die Gemeinschaftswaschräume zu nutzen.
Auf der dritten Etage angekommen folgten sie dem linken Flur und vor der zimmernummer 345 blieben sie stehen.
„Na da hat die Spinne ja wieder zwei Kerle in ihr Netz gelockt. Hoffen wir mal das sie nicht irgendwann wegen ihrer Gefräßigkeit platzt!“ tönte es von der anderen Flurseite her.
Wie angewurzelt blieb sie stehen und Simon hielt den Atem an, während Lucien ganz gekonnt seine rechte Augenbraue hochzog, was unglaublich sexy aussah.
Langsam drehte Sonea sich um und blickte in die Richtung aus der die Stimme gekommen war.
Spöttisch grinsend stand dort ein Junge etwas älter als der Rest der Schüler. Strubbelige braune Haare, grün – blaue immer lächelnde Augen, sah sie als erstes.
Er trug ein grünes Hemd und eine schwarze Jeans. Die Hände hatte er in die Seiten gestützt und blickte Sonea an.
„TIMO…..!“ kreischte sie und schubste Lucien, der ihr im Weg war beiseite.
Einige Türen wurden geöffnet, neugierige Köpfe schauten raus und nach einem kurzen Blick zogen sie sich wieder zurück. Sie kannten die beiden und nichts wunderte sie mehr.
Sonea stürmte auf ihn zu, er hob sie schwungvoll hoch und drehte sich mit ihr im Kreis.
Lachend schlang sie die Arme um ihn und jauchzte.
Verwundert sahen Simon und Lucien zu.
Sie verstanden nicht.
Sie wussten nicht das Timo und Sonea ein Herz und eine Seele waren.
Seit Kindesbeinen an waren die beiden zusammen. Sie sind zusammen durch dick und dünn gegangen. Haben so manchen gemeinsamen Streich ausgeheckt und gemeinsam dafür Strafe bezogen.
Er beschützte sie immer und war für sie da wenn sie ihn brauchte. Timo war drei Jahre älter als Sonea und damit schon seit einem Jahr auf der Midhtforter Universität. Eine der besten des Landes. Sie sahen sich daher nur in den Semesterferien oder am Wochenende wenn es die Zeit erlaubte, was leider nicht oft der fall war.
Nachdem er sie abgesetzt hatte blickte sie in lachend an.
„Was machst du hier? Wie lange bleibst du? Wie geht es dir? Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt das du kommst?“ sprudelten die Fragen nur so aus ihr heraus.
Er zog sie an sich und glücklich legte sie den Kopf auf seine Brust. Für Fremde sahen sie wie ein Liebespaar aus, aber das waren sie nicht, obwohl Timo Soneas erste große liebe war,
wenn man das als fünfjährige schon so bezeichnen konnte. Er legte sein Kinn auf ihren Kopf und schloss die Augen.
„Ich bin nur zur Durchfahrt hier. Ich bin Tia unterwegs begegnet und sie sagte mir dass du hier im Wohnheim bist. Da hab ich ein paar Fragen gestellt, wo der Neue untergebracht sein könnte und siehe da hier bin ich.“
„Ja, hier bist du. Wann musst du wieder weg?“
Sie hob den Kopf und blickte ihn an.
„Ich muss leider gleich weiter. Ein paar Freunde sind unten vor dem Tor und warten auf mich.
Wir haben nen kleinen Umweg gemacht um hierher zukommen.
Wir sind auf den Weg zum Professor Dump. Er hat uns das Wochenende zu sich eingeladen damit wir uns ein bisschen unterhalten können über unsere Studienfächer.“
Traurig blickte sie ihn an. Seufzend gab er ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Komm schon. Sei nicht traurig. So bald ich wieder Zeit habe, komme ich dich über das Wochenende besuchen.
Aber momentan haben wir ne menge zu tun. Und du weißt auf dieser Uni ist es nicht einfach.“
Er drückte sie noch mal ganz fest und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Ihr trauriges Gesicht hellte sich auf und ein lächeln trat in ihre Augen.
Ein letzter Kuss auf den Mund, eher ein Schmatza und dann war er leider schon wieder weg.
Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr und nach einem wehmütigen Blick zur Treppe ging sie zu den beiden Jungs die immer noch auf sie warteten.
Ein leichtes trauriges lächeln schenkte sie ihnen und dann klopfte sie an Tür.
Sie gab keine Auskunft darüber was gerade passiert war, denn es ging die beiden nichts an fand Sonea.
Ein zerzauster blonder Schopf lugte aus der Tür an die Sonea eben noch geklopft hatte.
Verschlafenen Augen blickten die drei leicht gereizt an und fragend öffnete er den Mund, was jedoch in ein gähnen überging.
„Hallo…Philippe, “ sagte sie, nachdem sie einen Blick in die Akte von Simon geworfen hatte.
„Ich bin Sonea und das hier ist Simon. Er ist ab heute dein Zimmernachbar. Dürfen wir in das Zimmer reinkommen?“
Nach ein paar Minuten, in denen er anscheinend das gesagte verarbeiten musste, öffnete er die Tür und ließ die drei rein.
Neugierig sah sich Soy um. Sie war noch nie in einem Zimmer der Wohnheime gewesen, außer in dem von Timo und daher gespannt darauf wie es aussah. Was sie sah war das was sie erwartet hatte.
Zwei Betten an der rechten und linken Wand, dazwischen zwei Nachtschränkchen. Ein großer Schrank der anscheinend ausreichend Platz bot für die Kleidung der beiden stand gegenüber des rechten Bettes. Timo hatte ein Zimmer für sich allein gehabt, da er Wohnheimsprecher gewesen war und Vorsitzender verschiedener Clubs und natürlich Schulsprecher. Links stand ein riesengroßer Schreibtisch an dem zwei Schüler platz hatten ohne sich ins Gehege zu kommen. Zwischen dem Bett und dem Schreibtisch war eine Tür die in das kleine Bad führte. Auf der rechten Seite waren lauter Poster aufgehängt. Nicht von Stars oder Sternchen nein von Wissenschaftlern und Menschen aus der Geschichte wie Einstein, Beethoven und Newton. DNA Stränge, Atome und diverse andere Poster beklebten die Wand. Die Einrichtung war aus Buche und weiße Gardinen blähten sich leicht auf im sanften Wind der durch das offene Fenster drang.
Leicht verzog Sonea das Gesicht. Graue Wände. Es gab nichts schlimmeres als diese Farbe an den Wänden, dann doch lieber weiß, obwohl sie diese Farbe auch nicht mochte. Ungemütlich kam es rüber.
Philippe setzte sich auf sein Bett und sah den dreien zu wie sie sich im Zimmer umsahen.
Simon warf seine große Tasche auf das leere Bett und öffnete die Tür zum Bad.
Hellblaue Fliesen leuchteten Sonea entgegen und leicht schüttelte es sie. Sie mochte keine Fliesen in dieser Farbe. Sie wirkten kalt und unpersönlich, aber es war ja ein Wohnheimbad also muss es ja nicht gemütlich sein. Denn man hielt sich hier ja nicht stundenlang auf.
Außer einer Toilette, einem Waschbecken mit Unterschrank, zwei Regalen, einem Schränken und einem Spiegelschrank war hier für nichts platz.
Schnell schloss Simon die Tür. Anscheinend war ihm das Bad zu klein. Schmunzelnd sah sie ihn an.
Er zuckte nur mit den Schultern, als ob er sagen würde, was soll´s ich will hier ja keine Partys drin feiern.
„Die rechte Seite des Schrankes gehört dir.“
Nickend öffnete Simon sie und blickte sich darin um. Platz war genug vorhanden.
Mehrere Fächer teilten sich eine Seite. Die untersten beiden waren Schubfächer.
Auf der Seite daneben konnte er seine Kleidung hinhängen. An Kleiderbügeln mangelte es nicht.
Philippe stand auf und ging in das Bad hinein.
„Ähm…Simon, komm mal kurz.“ Rief er in das Zimmer hinein.
Der angesprochene ging zu ihm und hörte sich an, welche Fächer für ihn waren.
Sonea hatte sich derweilen auf einen der beiden Stühle gesetzt und blickte aus dem Fenster. Sanft drang das Sonnenlicht hinein und bildete Muster auf dem Boden, welche sie fasziniert betrachtete.
Lucien stand an der wand gelehnt neben ihr und sah sich gelangweilt um.
Nach ein paar Minuten kamen die beiden zurück aus dem Bad und Philippe setzte sich zurück auf sein Bett und ließ sich zurückfallen.
Er griff nach seinem Kissen und legte es sich über sein Gesicht.
Leise sprach Sonea daher mit den beiden, denn sie wollte nicht, dass sie ihn weckten, da leise Schnarchgeräusche zu hören waren.
So schnell einschlafen konnte also noch jemand.
Bisher dachte sie, das sie die einzige war die es konnte, aber anscheinend doch nicht.
Sie reichte den Schülern mehrere Blätter.
Unter ihnen befanden sich die aktuellen Stundenpläne und die verschiedenen Prospekte der Clubs.
Auch ein Grundriss des Schulgeländes war dabei und für Simon noch eine Hausordnung des Wohnheimes 3.
„Was wollt ihr sehen?
Das Schulgebäude der ersten bis dritten Stufe zeige ich euch zum Schluss, da wir anschließend gleich zum unterricht gehen. Die wichtigsten Gebäude zeige ich euch heute.
Das wären die Turnhalle, der Sportplatz für unsere Stufen, die Bibliothek und die Cafeteria. Die anderen Gebäude sind eigentlich uninteressant, da sich dort die anderen Stufen aufhalten und ihr mit ihnen wenig in Berührung kommt.
Die Klubs befinden sich in dem Schulgebäude oder in unseren bereichen.
Ich finde das schade, das die einzelnen Stufen der unterklassen wenig mit uns zu tun haben oder auch andersrum, aber so herrscht Ordnung und es entsteht kein Chaos.“
Während sie mit den beiden gesprochen hatte, hatten sie schon das Zimmer verlassen und befanden sich auf den Weg in die Bibliothek, die dem Wohnhaus am nächsten war.
Das Gebäude war zweistöckig und wie jedes andere Haus hatte es auch zimmerhohe Fenster.
Im inneren roch es nach alten Büchern, Druckerschwärze und Räucherstäbchen.
Sonea verdrehte die Augen.
Schon wieder hatte Mr. Shoten die Dinger angezündet.
Sie sollten seiner Meinung nach die Schüler beruhigen und ihren Geist für das lernen öffnen.
Allerdings rochen sie leicht unangenehm und viele der Schüler bekamen Kopfschmerzen davon. Daher hatte Direktor Smithon ihn gebeten keine Räucherstäbchen mehr anzuzünden.
Eine weile hatte sich Mr. Shoten daran gehalten aber anscheinend waren alte Gewohnheiten nicht so leicht abzulegen.
Das Innere der Bibliothek ähnelte den anderen. Wenn man am Empfangstresen vorbeigegangen war, musste man ein paar Stufen hinuntergehen. Regale voll mit Büchern standen nebeneinander und Rücken an Rücken. Zwischen den Regalreihen standen Tische mit Stühlen an denen schon vereinzelt Schüler saßen und in Büchern blätterten und lasen.
Mehrere Wendeltreppen führten in die zweite Etage. Von dort aus hatte man einen guten überblick auf die untere Ebene. Hier oben standen Regale an Regale. Nur schmale Gänge ließen sie dazwischen.
Die hohen Fenster ließen genug Licht herein.
Die Einrichtung war aus hellem Holz, aus Ahorn.
Obwohl die Bibliothek voll gestopft mit Regalen war, wirkte sie doch luftig.
Sonea machte die beiden Jungen auf die Decke aufmerksam.
Sie war mit Stuck und einem blauen, leicht wolkenbehangenen Himmel verziert, aber das was sie ihnen zeigen wollte war das riesige Dachfenster, das zusätzlich Licht hineinließ.
Anschließend zeigte sie ihnen die restlichen Gebäude, die nun dichter aneinander standen und den Sportplatz.
Der befand sich direkt hinter dem Schulgebäude der oberen Stufe und wurde schon vom Fußballclub benutzt.
Zum Schluss folgten sie ihr in das Schulgebäude. Es war in verschiedene Ebenen aufgeteilt. In der untersten Etage befanden sich die künstlerischen Bereiche wie der Musikraum, oder der Kunstraum.
In der mittleren Etage die wissenschaftlichen Räume, wie Physik, Chemie und Astronomie. In der obersten befanden sich die Klassenräume.
So hatte alles seine Ordnung und niemand konnte sich verlaufen. Dieses System gab es schon seit der Entstehung der Schule und es war praktisch.
Großen weiten Flure mit breiten Treppen, auf denen schon Schüler saßen und immer noch für Klausuren lernten, folgend, betraten sie in der obersten Etage das neue Klassenzimmer von Simon und Lucien. Mr. Sobarts saß am Lehrertisch und schaute in Unterlage die er für den Unterricht gebrauchte.
Vorsichtig klopfte Sonea an die offene Tür und trat ein als der Lehrer den Kopf hob.
„Guten Tag Mr. Sobarts. Ich bin´s Sonea. Mrs. Mirkowitch bat mich den beiden neuen Schülern das Gelände zu zeigen.
Das sind Simon Krell uns Lucien Ferrion. Sie sind in ihrer Klasse.“
Lächelnd stand der Lehrer auf und ging mit ausgestreckter Hand auf die drei zu.
„Guten Tag. Danke Sonea, dass du dich um die beiden gekümmert hast. Ich hoffe das Torben bald wieder gesund wir, “ seufzte er.
„Ja das hoffe ich auch. In letzter Zeit ist er leider häufiger krank geworden. Seine Mutter macht sich riesige Sorgen.“
Nickend schaute er auf den Boden.
Dann blickte er wieder auf und nahm die beiden Jungen in Augenschein.
„So so, ihr seit also meine neuen Schüler. Freut mich euch kennen zu lernen.“ Er schüttelte ihnen die Hand.
„Ich hoffe wir kommen miteinander klar. So lange ihr eure Aufgaben macht die ich euch aufgebe und ihr keine Unruhe in die Klasse bringt, dürfte es kein Problem sein.“
Leise seufzte Sonea, als sie sein leichtes Lächeln sah.
Er war der Schwarm aller Mädchen, was die Lehrer betraf.
Mit seinem kurzen schwarzen Haar, den azurblauen Augen und den immerlächelnden Mund, ließ er jedes Herz höher schlagen.
Das er verheiratet war, tat dieser Bewunderung keinen Abbruch, denn seine Frau war super nett und passte wunderbar zu ihm.
Er wusste, dass er der Schwarm de Mädchen war, aber er ignorierte es und tat als ob er nichts davon ahnen würde.
Sonea reichte ihn die beiden Akten drehte sich zu Simon und Lucien um.
„So ich verlass euch nun. Wenn ihr fragen habt oder so, ich bin gleich nebenan im Raum. Ich wünsch euch viel spaß an der Schule und hoffe das ihr euch wohlfühlen werdet.“
Sie winkte den beiden ein letztes Mal zu und war verschwunden.
Wie nicht anders erwartet, wurde Lucien die nächsten Stunden umlagert. Sonea und Tia saßen draußen auf einer Bank am See und beobachteten das Geschehen.
„Mmmh was meinst du, ist er nun sexy oder nicht?“
„Ach Tia. Was fragst du, wenn du die Antwort eigentlich schon weißt. Sicher ist er sexy. Aber was nutzt es so auszusehen wenn man allen emotionslos entgegensieht. Sieh ihn dir an. Die Mädchen himmeln ihn an, reißen sich darum seine Aufmerksamkeit zu erlangen und er lächelt.“
Fragend sah Tia sie an, während sie an ihrem Strohhalm zog.
„Naja was sollte er denn sonst. Vielleicht schreien?“
„Nein, aber sieh dir doch mal seine Augen an.
Sie lächeln nicht. Sie schauen gelangweilt aus. Vielleicht täusche ich mich ja und sehe etwas was nicht ist, aber für mich wirkt es so als ob ihn alle nicht interessieren.“
„Jetzt wo du es sagst. Seine Augen lächeln wirklich nicht.
Vielleicht hat er heute einen schlechten Tag. Schauen wir was die nächste Zeit mit sich bringt.“
Sonea blickte auf als Simon sich ihnen näherte. Sie lächelte ihn an und lud ihn ein sich mit ihnen auf die Bank zu setzen.
„Tia darf ich dir vorstellen, das ist Simon. Simon darf ich dir vorstellen das ist Tia, meine beste Freundin.“
„Hi Tia, “ lächelte er sie schüchtern an.
„Hi Simon. Freut mich dich kennen zu lernen. wir sind uns ja heute schon kurz über den Weg gelaufen, als Sonea euch zum Wohnheim gebracht hat.
Wie gefällt es dir bis jetzt hier?“
„Freut mich auch dich kennen zulernen. Das was ich bis jetzt gesehen habe gefällt mir sehr gut. Das Gelände ist ja riesig. Ich dachte mich trifft der Schlag als ich es gesehen hatte.
Im Prospekt stand zwar das es sehr weitläufig ist, aber man hat keine genauen Vorstellungen darüber wie groß die Ausmaße sind.
Und von den Schülern die ich bis jetzt kennen gelernt habe, kann ich nur gutes berichten. Sie sind alle sehr freundlich und helfen einem weiter wenn man Probleme hat. Das kannte ich nicht. Von der Schule wo ich vorher war, hieß es jeder ist sich selbst der nächste. Es ist eine Umstellung, aber eine die ich gerne hinnehme.“
Grinsend sah er die beiden Mädchen an und biss in sein Sandwich. Mit vollem Mund sprach er weiter.
„Hier ist auch viel Grün. Das finde ich klasse, da fühlt man sich gleich doppelt wohl.“
Lachend blickten Tia und Sonea sich an.
„Das sagst du nicht mehr wenn du zum ersten Mal Unkraut gejätet hast. Hier ist jeder Schüler für das aussehen der Schule verantwortlich. Jede Klasse hat Ordnungsdienst. Das beinhaltet sowohl das Klassenzimmer wie auch das Gelände.
Neben dem schwarzen Brett ist ein Plan angeheftet. Dort steht drauf wann und wo jede Klasse ihren Gartendienst zu leisten hat. Man ist nicht jede Woche dran, zum Glück, aber dafür muss man dann die restlichen Räume säubern, wie den Musikraum oder den Chemieraum.
Mit der Zeit aber gewöhnt man sich an diese Aufgaben und einen Teil der Räume säubern die Clubs selbst, da sie sich ja dort aufhalten.
Viele Schüler mussten erst einmal schlucken, als sie die Schulordnung gelesen haben.
Hattest du sie dir eigentlich schon durchgelesen?“ Neugierde sprach aus Tias Blick.
„Öhm nein, hatte ich nicht. Ich nahm an das jede Schulordnung gleich sei. Aber anscheinend habe ich mich da geirrt.
Das ich Gartenarbeit machen muss finde ich nicht schlimm. Ich bin gern draußen. Wir haben zu hause einen eigenen großen Garten. Dort helfe ich gerne und ich muss sagen ich liebe es.“
„Dann glaube ich ist die Garten AG genau dein Ding. Dort kannst du dich austoben, in der Erde wühlen und was man sonst noch so macht.
Sonea wollte eigentlich auch in diese Gruppe aber weil sie schon in so vielen anderen Klubs ist, hatte es zeitlich nicht mehr geklappt. Naja eigentlich wollte sie wegen etwas anderem, besser gesagt wegen jemand anderem in diesen Club, aber es hatte sich eh erledigt gehabt nach kurzer Zeit.“ Gekonnt wich sie dem Ellebogen von Sonea aus, die gespielt entrüstet protestierte.
„Ich helfe auch gerne meinem Vater im Garten, aber das reicht mir auch. Lieber esse ich die ganzen Früchte die es dort gibt.“
Zum Beweis hielt sie eine Dose mit saftig roten Erdbeeren hoch.
Sie bot beiden welche an, die sie gerne annahmen.
Sie schmeckten süß. Genießerisch schloss Sonea die Augen.
Mmmh Erdbeeren. Das waren die ersten die sie dieses Jahr gegessen hatte. Ihre Mutter hatte eine Allergie gegen Erdbeeren und daher vergaß sie immer wieder dass der Rest des Haushaltes gerne welche essen würde.
Warum keiner etwas sagte wusste sie nicht, vielleicht einfach weil es nicht so wichtig war.
Bis zum Gong der das Ende der Pause verkündete saßen sie auf der Bank, machten sich über die Erdbeeren her und plauderten über dies und das.
Der Schultag ging schnell vorbei und Sonea wurde in ruhe gelassen von den anderen Schülern die erfahren hatten, das sie sich um Lucien kümmern musste.
Wenn eine Schülerin ankam ergriff sie schnell wieder die flucht, wenn der gereizte blick sie traf, den Sonea ihr zuwarf.
Nach der letzten Stunde verließ sie das Schulgebäude um sich mit Tia kurz zu treffen.
Dann besprachen sie, wann sie sich wieder hier treffen wollten, da beide in ihre Clubs mussten.
Tia in ihren Literaturklub und Sonea in den Chor.
Nachdem sie fleißig die Tonleiter hoch und runtergesungen hatte und einige Stücke geübt hatten, waren schon drei Stunden vergangen.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, das Tia schon am Treffpunkt war und dort wartete.
Schnell verabschiedete sie sich von den anderen aus ihrer Gruppe und lief so schnell sie konnte aus dem Schulgebäude.
Tia stand an einer Eiche gelehnt und schaute in den Himmel. Die Sonne färbte ihn langsam in ein sanftes orange. Die schönste Zeit fand Sonea.
„Hi Tia. Sorry das es etwas länger gedauert hat, aber unsere Leiterin ließ uns immer wieder „Moon“ neu singen. Sie war nicht zufrieden. Es hat schon langsam genervt.“
„Kein Problem. Ich hab die Stille genossen.
Es ist so herrlich ruhig, wenn es Abend wird hier. Nichts erinnert mehr an den Lärm der sich tagsüber hier abspielt.“
Sie drehte sich einmal im Kreis und lächelte Sonea an. Diese erwiderte ihr Lächeln und dann machten sie sich endlich auf den Heimweg. Diesmal war der Weg kürzer.
Zwar mussten sie wieder den Feldweg zwischen den Kornfeldern folgen, doch dafür brauchten nicht durch das Haupttor zu gehen.
„Und, was hältst du von den Neuen?“
„Naja. Christina und Melanie sind richtig nett. Vielleicht etwas zu nett. Nicht das es unecht rüberkommt. Nein ich glaube das ist ihre Art, aber es ist wie, als ob man zu viel Zucker zu sich nimmt. Man bekommt Karies. Weißt du was ich meine?
Mit der Zeit wird es zuviel mit ihnen.
Die beiden ergänzen sich wunderbar. Sie sind humorvoll, offen und ehrlich und scheinen richtig etwas auf den Kasten zu haben. Aber wir schwimmen nicht auf derselben Wellenlänge.
Aber weißt du was, ich finde diesen Simon richtig süß. Von ihm bekomme ich keine Karies, glaub ich jedenfalls.
Ich mag seine Augen. Sie zeigen dass er lebendig ist und Feuer hat.
Vielleicht wird mit der Zeit ja was mit ihm werden. Mal schauen wie er die ganze Sache sieht.“
„Tja Tia, das gleiche hat er auch gesagt. Er findet deine Augen toll.“
„Oh, meine Augen. Das ist ja schon mal ein Anfang.“
„Und was hältst du von Lucien? Ich meine wir hatten ja schon in der Pause über ihn gesprochen, aber ansonsten.“
„Ich finde Lucien ist ein Kapitel für sich. Das was ich bis jetzt von ihm mitbekommen habe ist er sehr zurückhaltend.
Sei es weil er schüchtern ist und neu oder aber weil er keinen näheren Kontakt zu seinen Schulkameraden haben möchte.
Ich tippe aber eher auf das zweite. Wenn er sich unbeobachtet fühlt lässt seine höfliche Fassade nach. Dann kommt ein verächtlicher Zug zum Vorschein. Keine Ahnung warum.
Mich würde es zwar interessieren, aber so neugierig bin ich auch wieder nicht.“
„Stimmt er schaut schon wirklich herablassend auf die anderen wenn er sich unbeobachtet fühlt. Vielleicht gibt sich das ja mit der Zeit, wenn er sich an uns alle gewöhnt hat, aber vielleicht auch nicht.
Aber was keine verleugnen kann er sieht phantastisch aus. Wenn gleich das nicht das Wichtigste ist.“
Sonea strich gedankenverloren mit der Hand über das goldene Getreide.
„Er spricht viele an mit seinem Aussehen und es werden sich auch sehr viele blenden lassen, aber hoffen wir das sich sein verhalten mit der Zeit gibt und er sich bei uns eingewöhnt und Freundschaften schließt.“
„Ach ja da fällt mir ein. Wusstest du dass er in keinem der Wohnheime untergebracht ist? Er hat auch keine Familie hier oder Verwandtschaft. Er meinte er sei bei Freunden untergekommen. Hast du ne Ahnung bei welchen?“
„Das er in keinem der Schülerunterkünfte ist wusste ich, aber nicht das er bei Freunden wohnt. Mir fällt keiner ein. Aber unseres kleine Städtchen hat noch ein paar Bewohner die ich noch nicht kenne.“
Grinsend sah sie Sonea an, die, die Augen leicht verdrehte.
Tias Vater gehörte der größte Lebensmittelladen in der Stadt und wenn es ihre Zeit erlaubte, half sie an der Kasse aus.
Sie wollte später einmal das Geschäft übernehmen und vergrößern, daher verbrachte sie viel zeit im Laden.
Es war darum auch kein Wunder das sie viele der Bewohner der kleinen idyllischen Stadt kannte. Es gab hier die beste Qualität zu fairen Preisen. Der Services war hervorragend und das Personal immer freundlich und hilfsbereit.
Darauf legte ihr Vater immer viel wert.
Seufzend blickte Sonea nach vorn zu den ersten Häusern die in Sicht kamen.
Drunter befand sich auch ihr Haus.
Es war nicht zu übersehen, denn es war das einzige haus, das nicht neu aussah. Viele der Häuser waren modern gebaut mit rotem Klinkersteinen und riesigen Fensterfronten, aber das Haus in dem Sonea wohnte hatte Charme.
Ihr Vater wollte schon immer ein Haus im viktorianischen Stil haben. Vor etwa 13 Jahren setzte er seinen Traum in die Realität um. Da er selbst Architekt war brauchte er sich keinen zu Rate ziehen. Mit kleinen Erkern, dem überdachten Eingang mit Veranda, sowie den spitzen Türmdächern und den kleinen Balkon hatte es sich in das Herz von Sonea geschlichen.
Die großen Fenster spiegelten das Licht der untergehenden Sonne wieder und hießen Sonea willkommen.
Der große Garten mit seinen Äpfel und Kirschbäumen, sowie der üppigen Blumenvielfalt lud zum verweilen ein. Im Vorgarten duftete es herrlich nach den vielen Lavendelsträuchern und den verschiedenen Sorten von Rosen.
Ihre Mutter war mit Leib und Seele für den Garten da und fand es schade das sich ihre Tochter nicht so dafür interessierte wie sie selbst.
Vor dem weißen knapp ein meterhohen schmiedeeisernen Tor blieb sie stehen und drehte sich zu Tia um.
„Willst du noch mit reinkommen?“
„Nee lass mal, wir haben ne menge Aufgaben für zu hause bekommen die muss ich noch durcharbeiten. Mr. Sillton quält uns anscheinend gerne.“
„Zum Glück hatte ich ihn heute nicht. Er musste nach der vierten Stunde weg.
Seine Frau lag da in den Wehen. Wir sind also verschont geblieben.“
„Waaas, wie unfair. Unsereins kann er noch quälen mit seiner monotonen Stimme und seinen ellenlangen langweiligen Gequatsche und ihr habt das Glück das seine Frau das Kind bekommt. Wie ungerecht.“ Schimpfte sie wie ein Rohrspatz. Frustriert stampfte sie mit dem Fuß auf und schniefte einmal laut.
„Aber wie sagt man so schön, das Glück ist mit den Dummen.“
Sie streckte schnell noch die Zunge raus bevor sie die Straße im schnellen Schritt runterging.
„Ey das war gemein! Das gibt Rache!“ schwor Sonea und winkte Tia zum Abschied zu. Im Haus empfing sie der Duft von Essen.
Anscheinend war ihre Mutter schon zu hause, was nicht oft vorkam. In der Firma in der sie als Chefsekretärin arbeitete war sie häufig bis mitten in der Nacht noch beschäftigt Schreibkram zu erledigen. Oft sah Sonea ihre Mutter tagelang nicht, da diese vor ihr aus dem Haus war und erst dann wieder nach hause kam wenn ihre Tochter im Bett lag.
Ein Blick nach rechts zeigte Sonea, das ihr Vater im Esszimmer die Pflanzen goss.
Mit seinen braunen Haaren und den blauen Augen sah er Sonea gar nicht ähnlich. Er war hochgewachsen und sehr schmal. Mit seiner schwarzen Brille sah er wie ein Professor aus.
Ein kleiner Fluch ließ sie schmunzeln. Er hatte sich am ovalen Glastisch gestoßen.
Er nahm die Mitte des Raumes ein. Um ihn herum standen 8 cremefarbene Stühle mit einem dezenten Rosendruck Stoffbezug. Alles war aufeinander abgestimmt.
Die Übergardinen passten zu den Stuhlbezügen, sowie der dicke flauschige Teppich unter dem Tisch. In creme gehalten waren die Möbel die einen leicht antiken Touch hatten.
Sonea zog sich die Schuhe aus und stellte sie in den dafür vorgesehenen Schrank. Sich ihre Tasche schnappend lief sie die Stufen der Treppe hoch.
Nach den ersten paar Stufen blieb sie stehen, beugte sich über das Geländer und blickte Richtung Küche, die sich neben dem Esszimmer befand.
„Sonea, bist du das“, rief ihre Mutter aus der Küche.
„Jahaa, ich bin’s.“
„Es gibt gleich Essen beeil dich.“
„Mach ich“, und polterte weiter die Treppe hinauf, die nach oben einen kleinen Bogen machte. Genau gegenüber von ihr befand sich die Tür zu Soneas Zimmer.
Die Tasche einfach auf den Boden werfend, ging sie in das angrenzende Bad.
Ihr Zimmer war neben dem Wohnzimmer der größte Raum im Haus. Sie konnte sowohl nach vorne hinaus auf die Straße, sowie nach hinten hinaus auf die Getreidefelder blicken.
Ihr Reich besaß auch den großen Erker über dem Vordach und den angrenzenden kleinen Balkon, der zwischen zwei Wänden eingequetscht war.
Im Bad wusch sie sich schnell die Hände und steckte mit mehreren Haarklemmen ihre widerspenstigen Haare, die ihr nun auf die Nerven gingen, hoch.
Wieder im Zimmer öffnete sie die Balkontüren weit und ließ den sanften Wind und die duftende Abendluft in ihren Raum.
Den begehbaren Kleiderschrank aufreißend, stolperte sie erst einmal über ihre Hausschuhe, die sie heute Morgen in ihrer Eile hat liegen lassen.
Vor sich hinschimpfend zog sie sich ihr Kleid aus und hang es vorsichtig zu den anderen aus ihrer Kollektion. Im Kleiderschrank herrschten die Farben Schwarz, Rot und dunkelgrün. Ab und zu blitze es auch weiß dazwischen auf.
Sie mochte den Gothiclook. Mit ihren Korsagen, Kreuzen, langen Röcken, Gürten, Schnallen, der Spitze, Ketten und was es sonst noch so gab.
Sie schneiderte sich viel in dieser Richtung, da ihr die Mode die sie im Internet zu sehen bekam, was Kleider betraf, zu billig rüber kam.
Nicht das sie nur Gothic trug, nein sie nähte sich auch normale Kleidung und welche im asiatischen Stil.
Sie hatte nicht das große Talent wie ihre Freundin, die, die aufwendigsten und tollsten Kleider machen konnte. Bei Sonea reichte es für die schlichteren Varianten.
Sie rannte gegen die Schranktür, die sich von allein geschlossen hatte und fluchte erst einmal laut.
Sie warf ihre schwarze legere Hose und das dunkelrote Top auf das große Himmelbett, welches diesen Teil des Zimmers beherrschte und lief in Unterwäsche noch einmal ins Bad.
Schnell duschte sie und zog sich dann die bequeme Kleidung an.
Wieder polterte sie die Treppe runter.
Im Esszimmer war der Tisch schon gedeckt. Ihre Eltern saßen schon an ihm und warteten auf ihre Tochter, die sie lächelnd begrüßten.
Genießerisch zog Sonea den Duft von Hackbraten, Wirsinggemüse und Kartoffelbrei ein.
Das war einer der Gründe warum sie nie abnehmen würde. Ihre Mutter kochte einfach zu gut. Während des Essens drehte sich fast alles ausschließlich um den heutigen Schultag von Sonea. Sie erzählte ihnen von den neuen Schülern und was sie von ihnen hielt.
Auch ihre Mutter berichtete warum sie heute schon so zeitig nach hause gekommen war. Ihr Chef hat für sie eine Assistentin eingestellt, damit sie die ganzen Arbeiten auch schaffte. Er sah ein, das die Bewältigung der ganzen Aufgaben zuviel für eine Person waren, sei sie noch so schnell und effizient. Das hieß sie konnte immer eher zu hause sein.
Das freute Sonea. Denn ihre Mutter nur am Wochenende sehend war nicht genug.
Nach dem Essen half sie noch schnell in der Küche, bevor sie sich nach oben in ihr Zimmer verkroch.
Wenn man es betrat sah es eher wie ein Bücherzimmer aus. Regale so hoch wie die Wände zierten zwei sichtbare Wände und die hälfte der gegenüberliegenden von der Tür aus. Selbst über der Tür waren Regale angebracht. In ihnen standen Bücher der Richtung Fantasy und Horror, sowie tausende von Mangas und Artbooks. Eine dunkelrote bequem Couch und ein noch bequemerer Sessel luden zum verweilen ein. Ihnen gegenüber stand ein riesiger Flachbildfernseher auf einen ahornfarbenen TV Schränkchen. Daneben waren jeweils zwei große Regale mit hunderten von DVD´s gefüllt. Sie gingen in jede Richtung, aber besonders fielen die Animes und asiatischen Filme auf, für die sie ein besonderes Faible hatte.
Ein großer Vogelkäfig stand auf einem Sockel und in ihm befanden sich zwei Wellensittiche. Ein kleiner zierlicher gelber, der auf den Namen Minni hörte und eine kleine Zicke war, und ein stattlicher grüner, der von seinem Namen Olli nichts hören wollte. Eine Quasselstrippe wie sie im Buch steht.
Sonea liebte die beiden abgöttisch und konnte beiden stundenlang zusehen.
Um die Ecke standen dann ihr Bett, eine wunderschöne Kommode und ihr Schreibtisch. Zarte weiße Spitze umschlang die silbernen verschnörkelten Stangen ihres Bettes und fielen in weichen Falten auf den Boden.
Die leichte Abendbriese bauschte die Vorhänge sanft auf und ließen das Bett verträumt und romantisch wirken.
Vereinzelt hingen an den Wänden Bilder von Drachen, asiatischen Motiven und Mangacharakteren.
Das Bad und der begehbare Kleiderschrank grenzten aneinander. Die Türen waren fast nicht zu erkennen, da sie mit der Tapete übereinstimmten. Nur die Griffe verrieten sie.
Neben ihrem Schreibtisch stand ein riesiges CD Regal. Es sah wie eine cremefarbene Säule aus, aber in ihrem inneren fanden über 500 CD´s platz.
Ein Blick auf die Uhr zeigte Sonea das es acht Uhr abends war.
Sie haderte mit sich. Legte sie sich mit einem Buch aufs Bett zum lesen hin oder sah sie sich etwas im Fernseher an.
Vor einem ihrer Regale blieb sie stehen und überlegte welches Buch sie lesen solle.
Vor einer Woche kam eine neue Lieferung von Büchern an die sie sich im Internet bestellt hatte.
Sie war regelrecht süchtig nach Büchern. Sie konnte an keiner Buchhandlung vorbeigehen ohne einen Blick hineingeworfen zu haben. Meistens endete es damit, dass sie mit neuem Lesestoff raus kam.
Sonea schaltete die Lampe an ihren Nachttischen an und legte sich auf das Bett.
Sie versank so tief in das Buch, das wieder einmal von Vampiren, einem blonden schuhsüchtigen Vampir, handelte, dass sie nicht mitbekam wie die Zeit verging.
Als es an der Tür klopfte zuckte sie zusammen.
Ihre Mutter schaute um die Ecke in ihrem Zimmer und setzte sich mit auf das Bett.
„Maus, es wird Zeit. Wir haben es schon halb zwölf und ich weiß wie schwer es dir fällt morgens aus dem Bett zu kommen.“
„Ich weiß. Danke dass du mir Bescheid gesagt hast. Ich hatte nicht mitbekommen das es schon so spät ist.“
„Dafür bin ich ja da.“ Liebevoll lächelte sie ihre Tochter an und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Schlaf schön Kleines.“
Sonea drückte ihre Mutter und gab ihr auch einen Kuss.
Sobald sie wieder allein im Zimmer war, schloss sie das Buch, legte es auf ihr Nachttischen und ging ins Bad um sich für das Bett fertig zu machen.
Mit ihren Shortys und dem Trägerhemdchen kroch sie unter die Decke und schon fielen ihr die Augen zu.
Die Grillen sangen ihr ein Gute Nachtlied und schon schlief sie tief und fest.
Der nächste Morgen begann damit, dass sie schon vor dem Weckruf aufwachte. Sich gähnend und streckend öffnete sie die Augen und blickte aus dem Fenster genau gegenüber.
Die Sonne schaute gerade vorsichtig über die Gipfel der Bäume auf dem Hügel und sandte ihr Licht in zarten orangefarben aus.
Es schien wieder ein schöner Tag zu werden.
Sonea schüttelte den Kopf um den Rest ihrer Müdigkeit loszuwerden, aber das geschah erst richtig als sie unter der Dusche stand und sich kalt abbrauste.
Jetzt war sie hellwach.
Mit einem Handtuch als Turban um ihren Kopf gewickelt, betrat sie ihren Kleiderschrank und überlegte was sie heute anziehen sollte.
Sie entschied sich für eine asiatisch geschnittene rote Weste, deren Saum ihr bis zum Oberschenkel reichte und eine schlichte schwarze weite Hose.
Ihre Haare flocht sie zu einem Zopf und die Haare die sich sträubten wurden mit Klemmen in schach gehalten.
Schnell wurde noch ihre Tasche für den heutigen Tag umgeräumt und dann verließ sie ihr Zimmer.
In der Küche saß ihr Vater und las wie immer in der Morgenzeitung.
Er blickte auf wünschte Sonea einen Guten Morgen und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.
Ihre Mutter war schon seit fast einer Stunde aus dem Haus, wie sie nach einem Blick auf die Uhr feststellte.
Vor dem Toaster stehend wartete sie darauf dass ihre Brotscheibe kross und leicht gebräunt herauskam.
Leider war der Toaster anderer Meinung.
„Dad, wir brauchen einen neuen. Mein Toast ist schon wieder schwarz und das auf Stufe eins.“
Sie bekam nur ein „mmh“ zu hören und damit hatte sich die Sache erledig.
„Kannst du bitte einen neuen heute mitbringen? Ich mag nicht immer das schwarze abkratzen.“
Genervt sah sie ihn an, während das Verkohlte entfernte.
Lecker…. Verbrannter Toast. Auf so was stehe ich total.
Nachdem sie sich Käse draufgelegt hatte, nahm sie sich eine Tasse und füllte sie mit Kakao.
Sie saß ihrem Vater gegenüber und trank stillschweigend.
So ging es jeden morgen zu. Ihr Vater las und sie starrte vor sich hin.
Das Handy neben ihr auf dem Tisch zeigte ihr, das es zeit wurde zur Schule zu gehen.
Sie wünschte ihren Vater einen schönen Tag, gab ihm einen Kuss auf die Wange und verließ das Haus.
Die Luft war klar und noch angenehm kühl.
Laut Wetterbericht, den sie im Radio in der Küche gehört hatte, versprach der Tag sehr warm zu werden.
Lange brauchte sie nicht vor dem Haus zu warten, da sah sie schon Tia kommen.
Heute trug sie eine kurze schwarze Hose und ein dunkelblaues Top. Ihre Haare schwangen fröhlich hin und her. Eine blaue schleife zierte den Pferdezopf.
„Guten morgen, Tia.“
„Moorgen“, rief sie gut gelaunt. Sie grinste Sonea an und gemeinsam machten sie sich wie jeden Tag während der Woche auf den Weg zur Schule.
„Und, wie war dein Abend gestern.“
„Wunderbar. Mom war schon zu hause.“
„Was, das ist ja toll. Das hieß ja, gemeinsames Abendessen.
Wie kam es denn das sie schon da war? Normalerweise seht ihr euch nicht so oft in der Woche.“
„Ihr Chef hatte Einsehen. Sie hatte sich mal beschwert, dass es zu viel Arbeit für eine Person sei. Darum hat er Mama seit gestern eine Assistentin zur Seite gestellt.“
„Ey das ist klasse. Wenn ich meinen Vater öfters sehen will, brauch ich nur in den Laden zu gehen.“
„Das machst du doch eh. Soweit ich weiß bist du fast jeden Tag da. Also tu nicht so.“
Sie boxte Tia in die Seite und lief lachend voraus.
Auf dem Schulhof standen schon etliche Schüler und eine besonders große Traube bildete sich um Lucien.
Er war heute ganz in schwarz angezogen. Ein enges schwarzes Shirt und eine enge schwarze Jeans. Man sah der vielleicht sexy aus.
Sonea konnte fast die Augen nicht von ihm wenden, so gut stand ihm die Farbe.
Wenn man schwarz eh mochte, dann sowieso, dann sah jeder für sie sexy aus… fast jeder.
Den Blick losreißend ging sie an ihm vorbei.
Leider musste sie doch noch einen Seitenblick zu ihm rüber werfen.
Wieder stand er gelangweit da, als ob ihn die ganze Aufmerksamkeit nicht interessierte, ja sogar nervte.
Warum ging er dann nicht einfach weg, warum sagte er nichts.
Aber, ihr sollte es egal sein. Ein wehmütiger Blick zu ihm und sie verschwand im Schulgebäude. Dort wartet Simon auf sie.
„Morgen Sonea, morgen Tia.“ Freudestrahlend stand er vor ihnen.
Das nannte man mal gute Laune am morgen.
„Sonea ich muss dich nachher mal was fragen. Kann ich in der Pause zu dir kommen?“
„Ja sicher kannst du das. Dein Klassenzimmer ist ja gleich neben meinem. Das dürfte ja nicht zu verfehlen sein.“
„Okay dann bis nachher.“ Er winkte noch mal zum Abschluss und verschwand im Musikzimmer.
Welch ein Glück. Er hatte Musik sie musste sich jetzt zwei Stunden mit Mathe rumplagen.
Betrübt ging sie nach oben in die dritte Etage.
Tia verabschiedete sich schon vorher, sie musste zum Chemieunterricht.
Die nächsten zwei Stunden waren so zäh wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle. Die Zeit wollte einfach nicht verrinnen. Sonea hatte das Gefühl aller fünf Minuten auf die große Uhr über der Tafel zu sehen. Und tatsächlich tat sie es auch.
Neben ihr der Platz war leer.
Markus war krank. Das hieß keine Ablenkung.
Wie von selbst schlossen sich die Augen. Gewaltsam musste sie sie wieder öffnen.
War gar nicht so einfach. Es fühlte sich so an, als ob Zentnerlasten an ihnen hingen und diese zogen die Augenlider immer wieder runter.
Irgendwann gab sie der Schwere nach und schloss ergeben die Augen. Immer kurz bevor Mrs. Kinnrey zu ihr kam hustete Paul kurz und sofort öffnete Sonea die Augen.
Was für ein tolles Warnsystem. So lief es immer ab. Sobald jemand bemerkte das einer der Schüler schlief und der Lehrer kam in seine nähe wurde dieser gewarnt.
Sie lächelte Paul dankbar an, der zurückzwinkerte.
Nach der zweiten Stunde, die endlich vorbei war, wartete sie ein paar Minuten auf Simon, aber er kam nicht. Also machte sie sich auf den weg zu ihm.
Sie fand ihn im Klassenzimmer neben Lucien sitzend und unterhaltend.
Seufzend ging sie hinein und stellte sich vor den Tisch der beiden.
Gleichzeitig schauten sie auf, der eine neugierig der andere ablehnend.
„Hi Simon, du wolltest mich sprechen? Ich dachte, weil du nicht gekommen bist, schau ich mal vorbei.“
„Oh stimmt. Entschuldige das ich dich hab warten lassen.“
Er nickte Lucien zu, Sonea ignorierte ihn und folgte Simon aus dem Zimmer.
Sich an die Wand zwischen den Fenstern lehnend wartete er auf sie.
Sonea setzte sich auf das breite Fensterbrett und blickte ihn erwartungsvoll an.
„Also es geht darum. Ich hab mir die verschiedenen Prospekte für die einzelnen Clubs angesehen. Es sind einige dabei die mich interessieren würden.
Ich wollte dich bitten mich zu den Clubs die für mich in frage kämen zu begleiten. Ich weiß das klingt blöd, so als ob ich Angst hätte dort allein aufzukreuzen. Aber es ist eher, dass du die Leute hier kennst und so einfacher ist mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Würdest du das für mich machen?“
Bittend sah er sie an.
Sie konnte diesem Blick noch nie widerstehen. Wie große braune Hundeaugen war dieser Blick.
„Ja sicher kann ich das machen. Sag mir einfach welche Clubs es sind und ich führ dich in der großen Pause zu den Leitern dieser AG´s.“
„Danke dir.“
Stürmisch umarmte er sie was sie völlig perplex schauen ließ.
Dann verschwand er wieder im Klassenzimmer.
Kopfschüttelnd ging sie zurück in ihren Klassenraum und bereitete sich auf Geschichte vor. Das Buch vor sich aufgestellt, legte sie ihren Kopf auf ihre verschränkten Arme und schlief die Stunde durch.
Dem Geschichtslehrer war es egal was die Schüler in seinem Unterricht taten.
Er ratterte den Lehrstoff runter und derjenige der lernen wollte schrieb mit und der der nicht wollte ließ es einfach bleiben, Hauptsache die Noten stimmten.
Leicht ausgeschlafen ging sie mit den anderen hinunter in das Musikzimmer.
Sie wurden mit der Tonleiter gequält und mussten anfangen das Lied auf Seite 54 auswendig zu lernen. Diese Seite hatte es in sich. Keiner mochte diese beiden schnulzigen Lieder, aber leider stand Frau Lehrerin drauf.
Das hieß nächste Musikstunde wurde es dann bewertet und anschließend wurde diskutiert über die Bedeutung dieses Stückes.
Das hasste jeder. Man hatte Musik und kein Deutsch – Literatur.
Da war es üblich, aber hier?!
Das Läuten der Schulglocke, bedeutete Erlösung und dreißig Minuten Pause. Schnell schnappte sich Sonea ihre Schulsachen, brachte sie in ihr Klassenzimmer auf ihren Platz und flitzte dann nach unten auf den Hof um geradewegs auf der Bank am kleinen See platz zunehmen.
Kurz darauf traf Tia ein und reicht Sonea ein kleines Päckchen.
Zum Vorschein kamen zwei belegte Brote mit Bratenaufschnitt.
In einer kleinen Box, die zwischen ihnen auf der Bank stand, befanden sich verschiedene Obst und Gemüsesorten.
Still aßen sie auf und blickten entspannt auf den See.
Als sich Schritte näherten, blickten sie auf.
Simon kam auf sie zu und setzte sich vor ihnen auf das Gras im Schneidersitz.
Tia reichte ihm die Box und er nahm sich ohne lange zu zögern drei Stück rote Paprika heraus.
„Danke dir.“
„Nicht der rede wert.“
„Du wolltest mir noch sagen welche Clubs du besuchen möchtest.“
Nickend verschlang er ein Stück Gemüse und mit vollem Mund fing er an zu sprechen.
„Ja. Also ich wollte gerne in den Schachclub, den Theaterclub und Computerclub.
Kannst du mich zu den Leitern der Clubs bringen?“
„Ja kann ich. Ich hab es dir ja versprochen. Den Theaterclub kannst du heute Nachmittag kennen lernen. Da wir uns heute alle treffen.
Und die anderen beiden dürften auch kein Problem sein. Der Chef des Computerclubs geht in meine Klasse. Er heißt Paul und wird sich freuen wenn er ein neues Mitglied bekommt.
Bei dem Schachclub, da muss ich erst noch mal nachfragen.
Bei dem weiß ich leider nicht wer der Leiter ist. Aber den find ich schon.“
„Da brauchst du nicht lange suchen“, unterbrach Tia das Gespräch. Das ist Marcel. Er geht in die 2d.
Du weißt schon. Groß, braunes Haar, stolpert über alles und jeden.“
Erkenntnis blitzte in Soneas Augen auf.
„Ach, das ist der Chef des Schachclubs?
Das ist ja interessant. Gut zu wissen. Werd ich mir merken.“
Nach kurzem überlegen fügte sie hinzu.
„Also ich stelle dir Paul vor und Tia Marcel.
Soweit ich weiß kennst du ihn ein bisschen. Dann fällt es dir leichter als mir.“
„Ach komm. Du willst bloß nicht in seine Nähe. Ich meine, es ist schon über ein Jahr her. Da wird es doch schon vergeben sein oder.“
„Vergiss es. Ich hatte ihn so schön aus meinem Gedächtnis verbannt und du kommst jetzt mit ihm an.“
Fragend blickte Simon von einem zum anderen.
Tia erlöste ihn dann und klärte ihn auf.
„Also, Marcel ist ein Tollpatsch wie er im Buche steht. Egal wo was rum steht er reißt es um oder stolpert darüber. Auch wenn ein riesiges Reklameschild davor stehen würde, es würde trotzdem passieren.
Vor etwas über einem Jahr, da hat er sich und Sonea in eine peinliche Lage gebracht.
Er ist wie immer gestolpert und voll auf meine liebe Freundin gefallen. Das wäre ja noch nicht mal so schlimm, aber dabei riss er ihr das Shirt auf. Man konnte Soneas BH sehen und das Shirt war nicht mehr zu retten.
Viele aus der Schule standen darum und haben gelacht.
Seit diesem Moment an geht Sonea Marcel aus dem Weg.
Kann man eigentlich verstehen, aber ich finde nach einem Jahr sollte es genug sein, oder.“
Sie blickte Sonea erwartungsvoll an und diese gab sich geschlagen und nickte.
„Okay, okay. Ist ja schon gut. Aber trotzdem wirst du mit ihm über Simon reden.
Ich mach das mit Paul und heute Abend wirst du den Rest der Theatergruppe kennen lernen.“
Zustimmend nickend, genossen sie noch die restliche Pause schweigend und nach dem Gong gingen sie langsam zurück in den Klassenraum.
Dort angekommen schnappte sie sich Paul und erzählte ihm von Simon.
Dieser war begeistert und beschloss ihn in der nächsten Pause aufzusuchen.
In der letzten Unterrichtsstunde des Tages kamen alle Klassensprecher wieder zum Unterricht. Sonea hatte gar nicht bemerkt das Steven verschwunden war. Es dauerte einen Augenblick ehe ruhe in den Raum eingekehrt war.
„So Leute. Ich komm gerade von der Schülerkonferenz und außer den ganzen langweiligen Kram, gibt es zwei Sachen die Euch alle betreffen und bei der ihr aktiv werden müsst.“
Der Klassensprecher stand vorn am Lehrertisch und wartete bis wieder ruhe eingekehrt war. Es war ihm ein Rätsel, warum sich alle so aufregen.
„Steven, was haben wir getan?? Wir haben doch nichts verbrochen, was auf der Schülerkonferenz besprochen werden musste.“
Keil, stand als einziger und sprach für alle in dieser Klasse.
„Hab ich irgendetwas davon gesagt das ihr was verbrochen habt? Nein, es betrifft alle Klassen in dieser Schule. Der Dirktor hat den Vorschlag gemacht, eine Schuluniform einzuführen. Er vertritt die Meinung das wir so unsere Schule noch besser vertreten können und wir eine bessere Einheit bilden. Die Lehrer waren sofort Feuer und Flamme dafür und was das Aussehen der Uniform betrifft, so haben alle Klassen ein Mitspracherecht.
Jeder der will kann Entwürfe einreichen.
Alle Entwürfe werden dann ausgestellt und der Entwurf, der die meisten Stimmen hat gewinnt.“
„Cool, eine Schuluniform. Das wollte ich schon immer haben. Ich fand die anderen Schulen die so etwas hatten immer klasse.“
„Oh ja und die Mädchen tragen ganz kurze Röcke.“
Lüsternd blickte Fabian zur Decke. Er malte sich schon die Mädchen in der Kleidung aus. Was jetzt noch fehlte war die Sabber die den Mundwinkel hinunterlief.
„Ja klar immer her mit den kurzen Röcken. Dann kommt man doch gern zur Schule.“ Warf ein anderer Junge ein.
Kerstin sah sich ihre Fingernägel an und meinte trocken.
„Oh ja immer her mit den kurzen Röcken. Da wird sich aber Lea und co freuen.“
Wie erstarrt blieben die Jungen stehen und eine Gänsehaut breitete sich auf den Armen sichtbar aus.
Lea war eine Klasse über ihnen und so unfair es klingen mag sie war nicht gerade die Schlankeste. Der Künstler Rubens mochte üppige Formen, aber Lea übertraf diese noch bei weitem.
Kichernd sahen die Mädchen die Jungen an, deren Elan sichtlich geschrumpft war.
„Okay, dann doch keine so kurzen Röcke. Vielleicht sollte man sich aussuchen können was man trägt. Entweder Rock oder Hose.“
„Ja klar Fabian. Und du trägst dann nen Rock oder was.“
„Ach halt die Klappe, Mike. Dich hat keiner um die Meinung gefragt. Die Mädchen sollen entscheiden können. Denn Lea und ihre Clique würden dann bestimmt die Hosen wählen.“
„Woher willst du das wissen? Vielleicht gefallen ihnen ja die Röcke und tragen dann diese. Und wer weiß, wenn die Mädchen die Wahl haben, vielleicht tragen dann viele ne Hose“
„Man ey, nimm mir nicht meine Illusionen.“
„Kommt mal wieder runter Jungs“, rief Steven und fuchtelte mit den Armen durch die Gegend.
„Es steht fest das die Mädchen Röcke tragen und die Jungen Hosen. Schade für dich Fabian.“
„Klappe du Streber!“
„Es geht um Design und Farbe. In zwei Wochen werden die Entwürfe eingesammelt und ausgestellt. Bis dahin habt ihr Zeit euch was auszudenken.“
„Hey wie wäre es mit weißen Uniformen. Die sehen klasse aus.“
„Ja sicher und man sieht jeden Schutzfleck. Meine Mutter wäscht bestimmt nicht jeden Tag die Uniform.“
„Und schwarz? Sieht elegant aus“
„Ich hatte nicht vorgehabt im Sommer an nen Hitzeschlag zu sterben. Wer trägt schon im Sommer schwarz. Der muss ja bekloppt sein….Oh, sorry Soy, damit warst nicht du gemeint.“
„Denk doch nach bevor du was sagst. Idiot“, schimpfte Kerstin.
„Soy, ignorier den Kerl einfach… der hat nix im Hirn außer einer Fliege die sich einsam fühlt und den Ausgang nicht mehr findet.“
„Dann also ne andere Farbe. Wie wäre es mit einer grünen Uniform.“
„Sag mal spinnst du, bin ich ein Frosch oder was?“
„Hey, jetzt hört mal auf zu streiten. Es soll jeder sein Ding machen und die ganze Schule entscheidet dann. Jeder Schüler kann übrigens so viele Entwürfe einreichen wie er möchte. Sie sollten aber ernst gemeint sein, denn sonst werden sie sofort aussortiert. Und wenn möglich gut gezeichnet, damit man erkennen kann was es darstellen soll.
Die zweite Sache ist das Sommerfest. Es findet wie jedes Jahr Anfang August statt. Vorschläge für das Thema bitte bis nächste Woche überlegen. Dann haben wir erneut eine Schülerkonferenz und dort wird dann abgestimmt wer welchen Raum zur Verfügung bekommt. Es gibt dieses Jahr wieder ein Gemeinschaftsprojekt. Das Thema ist noch nicht raus, das kommt bei der Abstimmung. Wir sollten uns etwas Originelles einfallen lassen.“
„Steven, das wird sich jeder einfallen lassen. Das brauchst du uns nicht erst sagen.“
„Schon gut. Also überlegt euch was und wir stimmen dann ab und reichen den Vorschlag nächste Woche ein.
Also frisch ans Werk.“
Steve klatsche in die Hände und verabschiedete sich damit und nahm auf seinen Stuhl platz.
Nachdem der Unterricht vorbei war trafen sie sich vor dem Schulgebäude und gemeinsam gingen sie in Richtung Aula. Dort fand das Treffen der Theater AG statt und dort wurde auch geprobt.
Simon wurde freudig begrüßt und nachdem alle sich im Kreis auf den Boden gesetzt hatten, begann die Diskussion über das Theaterstück welches sie in einem Monat aufführen wollten.
Es war eine heftige Diskussion entbrannt. Zum Schluss blieben noch „Kabale und Liebe“, „Romeo und Julia“, „Dornröschen“, „Die Falsche Zofe“ und „Ein Sommernachtstraum“ übrig.
Sonea mochte jedes dieser Stücke, aber sie war der Meinung „Romeo und Julia“ war das klassische Theaterstück, welches immer aufgeführt wurde.
Es wurde noch „Die sieben Zwerge“ eingeworfen, aber das wurde sofort ausgebuht, denn keiner wollte einen Zwerg spielen.
Sonea lehnte sich zurück und horchte nur noch zu. Diese Diskussion konnte sich noch Stunden hinziehen.
Sie selbst war ja für „Kabale und Liebe“ oder „Die falsche Zofe“, aber „Ein Sommernachtstraum“ war auch nicht zu verachten.
Seufzend sah sie sich die Decke an. Das Neonlicht brannte in ihren Augen und wenn sie diese schloss tanzten Punkte vor ihren Augen in verschiedenen Farben. Sie probierte es immer wieder aus und die Größe der Punkte änderte sich jedes Mal.
Ihr war wirklich langweilig.
Zusammenzuckend blickte sie wieder zu den anderen Schülern. Einige von ihnen hatten angefangen zu jubeln.
Als sie die Gesichter sah, wusste sie welches Stück aufgeführt werden würde. „Romeo und Julia“.
Schniefend stand sie auf. Es war ja nicht so das sie dieses Werk nicht mochte, aber irgendwie wurde es immer aufgeführt. Klar es war ein Klassiker, aber selbst an den konnte man sich satt sehen.
Als es an die Verteilung der Rollen ging, setzte sie sich schnell wieder hin und machte sich klein.
Sie wollte lieber einer der Statisten sein, als einer der auf der Bühne stand. Bis jetzt hatte sie sich immer erfolgreich drücken können, aber seit gestern war ihr das Glück nicht mehr hold, also wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen und nichts provozieren.
Tia bekam wie immer die Aufgabe die Kostüme zu entwerfen und zu schneidern. Sie hatte das unglaubliche Talent aus nichts etwas Besonderes zu machen. Ihre Vorschläge für die Kleidung waren immer der Renner. Nichts topte sie.
Für die Bühnenbauten wurden auch wieder die gleichen genommen. Sie arbeiteten effizient und rasend schnell.
Sonea beschloss Tia bei den Näharbeiten zu helfen, aber leider machte ihr Felix einen strich durch die Rechnung.
„Sonea, ich glaube für die Rolle als Julia bist du sehr gut geeignet“, hörte sie ihn sagen. Ihr wurde schwummerig. Glück wo bist du, warum hast du mich verlassen?
„Du hast die richtige unschuldige Ausstrahlung, die auch Julia hat und keiner der anderen passt daher besser in diese Rolle.“
Uiii, wenn sie geahnt hätte dass ihr ihre Unschuld noch mal zum Verhängnis werden sollte, wäre sie mit Chris weitergegangen.
„Du bist doch einverstanden, oder?“ neugierig und fragend blickten alle sie an. Tia strahlte über das ganze Gesicht, dabei wusste sie doch dass sie es nicht mochte auf der Bühne zu stehen. Warum sie sich entschlossen hatte überhaupt in die Theatergruppe zu gehen? Weil sie hier kreativ arbeiten konnte.
Klar konnte sie in vielen AG´s kreativ arbeiten, aber hier war das Feeling etwas Besonderes. Sie mochte es, fühlte sich wohl hier.
Aber gerade im Moment nicht. Sie sollte die Julia spielen, vor hunderten von Schülern und Eltern und vor Besuchern.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Ihr Magen krampfte sich zusammen bei dem Gedanken daran und ihr wurde schlecht.
Es war noch eine menge Arbeit zu erledigen, bis sie diese Angstgefühle überwunden hatte.
Ein gequältes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
„Ja, ich mach es.“
Zustimmend nickend wandte er sich an die restlichen der Gruppe.
Wer würde nun ihr Partner werden, der, der die Rolle des Romeos übernahm.
Nun war sie am aufatmen. Michael.
Mit ihm würde es kein Problem werden zu spielen.
Er war humorvoll, hatte viel Geduld und seine braunen Augen waren wie die eines Teddys.
Groß, sanft und vertrauensvoll.
Er grinste über beide Wangen als er Sonea ansah und sie stellte fest, dass sie zurück grinste.
Dann ging es weiter mit der restlichen Rollenverteilung, aber das interessierte sie nicht mehr.
Simon sollte erst einmal bei den Bühnenbauten helfen und sich einen Überblick über die ganze Gruppe machen und über den Gesamtablauf.
Auf dem Nachhauseweg schwelgte Tia im siebenten Himmel.
Sie war schon dabei die Kostüme zu entwerfen.
Aber auch freute sie sich, dass sie für ihre Freundin etwas entwerfen konnte.
Sie würde die schönste Julia werden die es je gab, schwärmte sie.
Grummelnd ging Sonea neben ihr.
Sie musste sich erst einmal daran gewöhnen auf der Bühne zu stehen. Vielleicht lag ihr die ganz Sache ja und sie machte sich umsonst Sorgen, aber vielleicht auch nicht.
Sie gab Tia einen Kuss auf die Wange und verschwand im Haus.
Die nächsten Tage verbrachte Sonea mit üben des Textes.
Leider musste sie zwischendurch auch noch zu den Chorproben.
In ihrem Kopf schwirrten Texte aus „Romeo und Julia“, aber auch die von den Liedern die der Chor auf dem Sommerfest vortragen wollte. Außerdem hing sie über einen Entwurf für die Schuluniform und machte sich Gedanken über ein Thema für das Sommerfest. Ihr qualmte schon der Kopf von so vielem Denken.
Aber trotzt der ganzen Rumplagerei, schaffte sie es doch heimlich Lucien zu beobachten.
Schwärmerisch und träumerisch sah sie ihn beim essen, beim Sport, beim lesen und den anderen Tätigkeiten zu, bei denen sie ihn unauffällig zusehen konnte.
Nachts träumte sie von ihm. Wie er Romeo sei und sie Julia.
Peinlich war es ihr immer am nächsten morgen wenn sie aufwachte.
Mit jedem Tag mehr, den sie ihn sah, verliebte sie sich mehr und mehr.
Doch sie fasste es nicht als Liebe auf, sondern als Schwärmerei und Interesse, wegen seiner Perfektion.
„Na, wirst du zum Stalker?“ grinsend sah Tia sie an und biss in ihren Apfel.
„Wie kommst du denn darauf“, verwundert sah Sonea sie an.
„Egal wann man dich sieht, deine Blicke kleben regelrecht an Lucien.
Ich meine du bist nicht die einzige die ihn mit den Augen verfolgt, aber du bist meine beste Freundin, da fällt es besonders auf.“
„Ich weiß dass ich ihn immer wieder ansehe, aber irgendwie kann ich den Blick nicht von ihm wenden. Außerdem finde ich es faszinierend wie er Jenny ignoriert.“
„Ja“, seufzte Tia.
„ Es ist wirklich erstaunlich. Er beachtet sie überhaupt nicht und trotzdem weicht sie nicht von seiner Seite. Sie macht sich lächerlich.“
„Nein, man bekommt eher mitleid mit ihr. Wie kann man sich so für einen Jungen demütigen. Ich kann sie verstehen, aber ich würde mich nie so verhalten wie sie. Wo ist ihr Stolz geblieben?“
„Ich glaube ihr Stolz existiert momentan nicht. Sie ist nur von dem Gedanken besessen, ihn zu krallen. Eine Trophäe mehr in ihrer Sammlung.“
„Tja, so wie es aussieht, wird es wohl nix werden mit dieser Trophäe.
Die hat kein Interesse.“
„Ich bin ja mal gespannt ob sich das ändert. Bis jetzt hat sie ja Jeden rumbekommen.“
„Tia, du entsetzt mich“, gespielt schockiert sah sie ihre beste Freundin an.
„Lucien ist doch nicht jeder. Also bitte. Er ist absolut einzigartig.“
Diese Antwort brachte ihr ein zerzausen der Haare ein.
Lachend gingen sie zum Unterricht. So verliefen viele der Pausen, Tia zog sie auf und Sonea konterte gekonnt.
Dieses viele lernen strengte sie extrem an. Sie klagte pausenlos über Kopfschmerzen. Abends fiel sie todmüde ins Bett und schlief wie ein Stein.
Selbst das Wochenende, wo sie ausschlafen konnte brachte nichts.
Die Zeit die sie nicht mit schlafen verbrachte wurde für das lernen des Theaterstücks genutzt. Die Lieder für den Chor kannte sie schon, daher fiel es nicht schwer sie üben.
Jeden morgen stand sie halbschlafend im Bad vor dem Spiegel, was sich die nächsten Stunden nicht änderte, auch wenn Tia und Simon alles versuchten um sie schneller munter zu bekommen.
Die Krönung war, als Simon um halb sechs morgens vor ihrem Haus stand und sie zum Frühsport abholen wollte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben zeigte sie jemand den bösen Finger und verkroch sich wieder unter ihre Bettdecke.
Leider fand ihre Mutter die Idee toll und so ließ sie Simon in das Haus und holte Sonea aus dem Bett.
Was soll man sagen, dieser morgen war eine Katastrophe.
Sauer, halb schlafend, lustlos und durch die Gegend schlurfend folgte sie Simon.
Er tat wirklich sein bestes, aber sie wollte es nicht. Wenn er sie wirklich mögen würde, hätte er sie ausschlafen lassen.
Die ersten beiden Unterrichtsstunden lag sie schlafend auf dem Tisch.
Heute aber, nahm sie sich frei. Kein Chor, kein „Romeo und Julia“.
Sie bummelte mit Tia am Rande des Schulgeländes durch die großflächig angelegte Parkanlage.
Sie kamen an der Tribüne vorbei, auf der gerade eine Schulband probte.
Die beste der Schule übrigens.
Beide kannten die Mitglieder, da sie auf die gleiche Stufe gingen und zwei von ihnen in Tias Klasse waren.
Früher hatte Sonea mit ihnen gesungen, spaßeshalber.
Sie setzten sich zu ihnen auf den Rand der Bühne und lauschten der Musik.
Gedankenverloren schweiften Soneas Blicke über die Parkanlage und sah Lucien mit seinem Fanclub.
Egal wo sie sich aufhielt, überall fand sie ihn.
Es war als provozierte das Schicksal die Treffen.
Sie legte sich hin um ihn nicht sehen zu müssen.
Es war ihr schon unheimlich, das sie ihn nicht mehr loswurde.
In ihrer Gedankenwelt, in ihren Träumen, überall hin verfolgte sie sein Bild.
Überrascht öffnete sie die Augen, als es über ihr dunkel wurde.
Steven blickte lächelnd auf sie hinunter.
„Na Kleine, wie geht es dir denn? Ich hab gehört du bist voll im Stress.
Vielleicht solltest du ihn abbauen.“
Er hockte sich neben sie und blickte weiter in ihre Augen.
„Was hältst du davon, wenn du mit uns singst. Wir brauchen eine Pause vom proben und du könntest etwas Entspannung brauchen.“
Fragend blickte er sie an.
Sich aufsetzend überlegte sie und grinste ihn dann an.
„Okay, aber ich darf den Song aussuchen, einverstanden?“
„Na los Kleene, dann wollen wir mal. Lass hören welches Lied du haben willst.“
Sich das Mikro greifend stellte sie sich mit geschlossenen Augen hin und genoss die Sonne.
Steven komponierte selbst und ab und spielte er Sonea seine Songs vor.
Als Sonea nickte, schlugen sie die ersten Takte an um ein Gefühl für den Sound zu bekommen.
Dann fing es endlich an.
Sonea liebte diesen Song. Von ihm bekam sie nie genug. Es war einer der ersten die Steven geschrieben hatte. Eine wunderschöne Ballade.
Sie blickte auf Tia runter und lächelte, als sie Simon neben ihr stehen sah.
Langsam bahnte sich etwas zwischen den beiden an. Sie passten auch wunderbar zusammen.
Den ganzen Song über sprühte Sonea vor Energie und Elan.
Sie ging richtig auf im singen.
Erstaunt sah Simon ihr zu.
„Sonea ist toll oder?“ Tia wartete keine Antwort ab, sie erwartete auch keine.
„Das klingt richtig professionell. Die sind voll auf einander abgestimmt.“ Überrascht und bewundernd sah er ihr weiterhin zu wie sie auf der Bühne sang.
„Ja nicht wahr. Sie ist nicht umsonst im Chor. Steven wollte sie unbedingt als Sängerin in seiner Band haben, aber sie lehnte ab.
Ab und zu singen sie noch zusammen, aber meistens nur aus vergnügen.“
„Du magst sie sehr oder?“
„Ja, sehr gern. Weißt du als für mich vor drei Jahren eine Welt zusammengebrochen war, war sie die einzige die sich wirklich um mich gekümmert hatte.
Meine Mutter starb bei der Geburt meiner Schwester. Zwei Stunden später, die Ärzte hatten alles versucht starb auch Melissa. Die ganze Zeit über war sie an meiner Seite. Sie hatte sich genauso wie ich gefreut, dass ich eine Schwester bekomme und hat mit mir gelitten als diese starb. Mein Vater und ich haben eine ganze weile nichts mehr auf die Reihe bekommen. Sonea hatte meine Großeltern angerufen, die sofort kamen.
Sie kümmerte sich darum, dass ich nicht in die Schule musste. Sie wollte vermeiden dass ich die mitleidigen Blicke und Kommentare ertragen musste.
Sie zog praktisch bei mir ein. Rund um die Uhr war sie da. Schlief mit mir in einem Bett, tröstete mich. Bei der Beerdigung legten wir ein kleines Buch bei meiner Mutter bei. Wir haben tagelang daran gesessen und die schönsten Bilder von uns ausgesucht und Melissa bekam ein wunderschönes Gedicht. Ich wusste nicht dass sie es schreiben würde. Wir hatten so über alles geredet, wie sehr ich mich auf sie gefreut hatte, was ich alles mit ihr unternehmen wollte und wie sehr ich sie vermisse. Eine Kopie habe ich in dem Fotoalbum eingeklebt. Dort sind auch die Ultraschallbilder von Melissa zu sehen.
Fast drei Wochen war sie bei mir. Wir sind viel spazieren gegangen und haben uns viel über meine Mutter und meine Schwester unterhalten. Es tat gut nur mit ihr zu reden.
Das ist einer der Gründe warum ich Sonea so sehr schätze und achte.
Sie ist immer da wenn man sie braucht, immer.
Bis jetzt konnte ich mich bei noch nicht richtig bedanken. Sie brauchte meine Hilfe bis heute noch nicht. Also kann ich ihr nur alles Gute wünschen und immer an ihrer Seite sein, falls sie mich braucht.“ Seufzend sah sie zum Himmel.
„Was mich am meisten überraschte war eigentlich das ich Sonea erst seit einem Jahr kannte und sich diese Freundschaft schon damals wie eine angefühlt hatte, als ob wir uns seit Jahrhunderten kennen würden.“
Nachdenklich sah sie ihre Freundin an.
Wenn sie sich jetzt sehen konnte. Sie leuchtete förmlich und hatte so eine Ausstrahlung, die jeden mitriss und in ihren Bann zog.
Nach dem Song folgten noch ein paar weitere und bei einem Blick hinter sich, stellte Tia fest, das sich mehrere Schüler versammelt hatten und zusahen.
Selbst Lucien war dabei, aber wie immer ohne eine Regung im Gesicht.
Am liebsten hätte Tia ihn schlagen können. Wie konnte er so dastehen während ihre Freundin so toll sang. Sie verstand ihn nicht und mit jedem Tag mehr, den Sonea ihn anhimmelte, mochte sie ihn weniger.
Kopfschüttelnd wandte sie sich wieder nach vorn und sah ihr weiter zu.
Nach dem letzten Song, war Sonea erschöpft und setzte sich auf den Holzboden der Tribüne.
Sie lächelte glücklich und Tia konnte sehen das sie sich mit mühe munter hielt.
Steven setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm.
Leise flüsternd unterhielten sie sich. Lachend gab Sonea ihm einen Kuss auf den Mund, stand auf und ging zu Tia und Simon.
Noch einmal winkend verließen sie das Gelände rund um die Bühne und machten sich auf den Heimweg.
„Man bin ich kaputt.“ Sich streckend, gähnte Sonea und klaute Simon ein paar Kirschen, die er in einem Plastikbeutel bei sich trug.
„Aber es tat gut. Ich hab schon seit Ewigkeiten nicht mehr richtig gesungen. Im Chor kann ich das auch nicht.“
Sich drehend, fiel sie fast ins Kornfeld.
„Hoppla, pass auf Soy“, gerade noch so konnte Simon sie festhalten, sonst läge sie jetzt zwischen dem Getreide.
„Ich könnte jetzt auf der Stelle einschlafen. Man, ich glaube ich hab die letzten Reserven für das singen aufgebraucht.“ Vor sich hinnuschelnd kuschelte sie sich an Simons Brust, der sie schnell hochhob, bevor sie schlafend umkippte.
So trug er sie nach hause. Das nennt man schnell einschlafen. Tia grinste die ganze zeit.
Jetzt hatte sie wieder etwas mit dem sie ihre Freundin aufziehen konnte.
Soneas Vater nahm seine Tochter in Empfang und trug sie vorsichtig nach oben ins Zimmer.
Ihre Mutter bedankte sich bei den beiden und zog anschließend ihre Tochter bis auf die Unterwäsche aus.
Liebevoll blickte sie auf sie hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Die ganze Nacht schlief sie durch und wachte frisch und munter am nächsten Tag auf.
Weg war die bleierne Müdigkeit am morgen und das Gefühl neben sich zu stehen.
Anscheinend war der gestrige Tag genau das gewesen was sie brauchte.
In der Küche erwartete sie ihr Vater. Diesmal blickte er von der Zeitung auf und legte sie beiseite.
„Na Princessin, ausgeschlafen? Als deine Freunde dich gestern nach hause gebracht hatten, hast du tief und fest geschlafen.“
„Guten Morgen Dad.“ Schnell machte sie sich einen Toast und füllte sich ein Glas mit Gemüsesaft. Immer noch derselbe Toaster, seufzte sie leise.
„Ja ich hab wunderbar geschlafen. Es ist als ob ich nie diese Müdigkeit gehabt habe.“ Nachdenklich sah sie in ihr Glas.
„Ich fühl mich taufrisch. So gut hab ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.“
Lächelnd trank sie den Saft aus und ging zur Tür, an der es geklingelt hatte.
Tia stand davor und wollte Sonea abholen.
Heute war vor der Schule schon Theaterprobe.
Nach dem Unterricht, hatten viele der Mitglieder schon andere Verpflichtungen und so hatte man beschlossen alles in die Früh zu verlegen.
Sich noch einmal streckend verließen sie das Haus und gingen zügig in Richtung Schule.
Diesmal war Tia es, die noch leicht zu schlafen schien, denn sie zog Sonea nicht mit dem geschehen am gestrigen Tag auf.
Schweigend liefen sie nebeneinander her und gequält zuckte Tia zusammen, als sie die lauten Stimmen hörte, die ihnen aus dem Proberaum entgegenwehten.
„Was ist los? Du wirkst so müde heute, das kenne ich gar nicht von dir.“
„Frag nicht“, gähnend setzte sie sich auf einen freien Stuhl.
„Ich hab die ganze Nacht über an den Entwürfen für die Kostüme gesessen. Es sprudelte einfach so vor Ideen. Jetzt sind sie fertig und müssen nur noch genäht werden.
Schade dass du nicht dabei bist. Jetzt fehlt uns eine Kraft, aber wir werden es trotzdem schaffen. Außerdem hab ich mich an den Entwürfen für die Schulkleidung gewagt. Irgendwie fällt mir nichts ein. Hab wohl meine ganze Kreativität in die Kostüme gelegt.“
Sie blickte Sonea von der Seite an, „Wie weit bist du mit den Entwürfen?“
„Tja, irgendwie bin ich noch nicht fertig. Mir fehlt es an Ideen. Ich habe schon einen ganzen Zeichenblock verbraucht und nichts brauchbares dabei heraus bekommen.“
Bevor es mit den Proben beginnen konnte wurden die anderen Themen angesprochen die wichtig waren.
Wie weit die Bühnenbauten waren, was die Kostüme machten und wie weit die Gestaltung des Theaterprospekts war.
Danach ging es endlich ans proben.
Michael und Sonea waren ein gutes Team. Sie harmonierten zusammen und man nahm ihnen die Rollen von den Verliebten glaubwürdig ab.
Sie mochte Michael, daher hatte sie auch keine Probleme mit den Liebeszenen.
Es wurde auch viel gelacht, da eine menge Patzer geschahen und Michael auch ein kleiner Spaßvogel war.
Nach zwei Stunden mussten sie aufhören, da die Uhr anzeigte das es zeit für die Schule war.
Aufgeputscht durch die Probe heute morgen liefen sie lachend durch das Schulgelände. Sie sahen alle wie gagernde Hühner aus wie sie so den Weg entlangliefen.
In einem der Flure des Schulgebäudes trafen sie Lucien. Leise seufzend sah Sonea ihn an.
Hach sah er wieder gut aus. Er trug ein enges schwarzes Hemd mit offenen Kragen, mmh lecker und eine schwarze Jeans. Alles ganz schlicht, aber an ihm sah es aus, als wäre es nur für ihn geschneidert.
Sonea musste sich zwingen ihn nicht anzustarren, was gar nicht so leicht war. Er war zwar von vielen Schülern umgeben, aber er überragte jeden von ihnen, so hatte sie eine sehr gute Sicht auf ihn.
Entschlossen sah sie zu Tia und versuchte der Unterhaltung zu folgen, was schwer war, da sie immer wieder abgelenkt wurde.
Aufatmend betrat sie ihr Klassenzimmer und bereitete sich auf den Unterricht vor.
Die Stunden vergingen wie im Fluge.
In der großen Pause saßen sie wieder an ihrem Lieblingsplatz und genossen die Sonne.
Nach dem Unterricht wurde es für Sonea zeit für den Chor.
Dieser fand im Musikzimmer statt.
Mrs. Furtanen saß am Klavier und begleitete sie bei ihrem Gesang.
Immer wieder mussten sie einzelne Stücke wiederholen, bis sie zu ihrer Zufriedenheit gesungen wurden.
Nach drei Stunden war es endlich soweit und die Chormitglieder durften gehen.
Tia war schon lange zu hause, da sie heute keine Klubaktivitäten nach der Schule hatte.
Sie war freigestellt, damit sie sich um die Kostüme kümmern konnte.
Allein lief Sonea zwischen den Getreidefeldern hindurch.
Leise summte sie noch einmal die Songs vor sich hin, in denen sie alleine singen musste.
Aufatmend blieb sie stehen und streckte ihr Gesicht der untergehenden Sonne entgegen. Mit geschlossenen Augen genoss sie die warmen Strahlen.
Ihre Gefühle spielten Purzelbaum. Ihre Freude war überschäumend, sie fühlte sich frei, glücklich und sie konnte es nicht beschreiben dieses letzte Gefühl, aber es war herrlich.
Sich drehend sang sie laut und lief danach beschwingt nach hause.
Dort stand schon das essen auf dem Tisch und nachdem sie ihrer Mutter beim abwaschen geholfen hatte ging sie in ihr Zimmer und setzte sich auf das Bett. Von dort aus betrachtete sie ihre beiden Wellensittiche und musste lachen, als Minni sich auf Olli stürzte, weil er es gewagt hatte an ihr Futter zu gehen.
Sich zurückfallend griff sie nach der Fernbedienung, die neben ihr auf dem Nachttischen stand und schaltete die Anlage an. Kurz darauf klang sanfte Musik aus den Boxen.
Mit ihrem Buch auf dem Bett bequem gemacht las sie ein paar Stunden bevor ihr die Augen vor Müdigkeit zufielen.
So wachte sie am nächsten morgen auf. Erschrocken saß sie im Bett.
Ein Blick auf den Wecker zeigte das sie verschlafen hatte.
Keiner hatte sie geweckt. Was auch eigentlich kein Wunder war. Heute war Freitag, das hieß dass ihr Vater schon viel eher aus dem Haus war und Tia die ersten Stunde frei hatte.
Seufzend musste sie auch eingestehen, das sie es doch noch nicht geschafft hatte einen Entwurf für die Schulkleidung fertig zu machen.
Vorsichtshalber nahm sie noch einen Zeichenblock mit. Vielleicht küsste sie die Muse ja noch in der Schule.
Sie stürzte ins Bad, wusch sich schnell, nach einem hektischen Besuch ihn ihrem Kleiderschrank, stürmte sie aus dem Haus.
Wenn man zu spät war, kam einem der Weg zur Schule unendlich lang vor.
Vor dem Klassenzimmer blieb sie kurz stehen und nach einem kurzen klopfen öffnete sie die Tür.
Nach Luft ringend entschuldigte sie sich bei dem Lehrer und nahm auf ihrem Stuhl platz.
Vorher aber musste sie sich von einem Schock erholen. Die Klasse 1b stand und saß mit in diesem Raum.
Sonea beugte sich leicht zur Seite um Paul zu fragen warum die Klasse mit hier sei.
Sie erhielt zur Antwort das Mr. Rasden krank sei und Mrs. Zoesel beide Klassen zu beaufsichtigen hatte. Sie hatte beschlossen mit beiden zusammen Literatur zu unterrichten.
Die ganze Unterrichtsstunde konnte sie sich kaum konzentrieren, da ihre Sinne auf Lucien ausgerichtet waren.
Dafür aber grinste sie Simon an, der schräg hinter ihr stand.
Wie immer war die Stunde langweilig. Mrs. Zoesel sprach monoton und gefühllos.
Seufzend rieb sie sich über die Augen.
Schon jetzt war sie gestresst vom Unterricht und dabei hatte gerade erst die zweite Stunde begonnen.
Paul, der heute neben ihr saß reichte Sonea einen Zettel.
Neugierig faltete sie ihn auseinander.
Sie musste sich ein lachen verkneifen.
Auf dem kleinen Blatt war eine Karikatur von Mrs. Zoesel und einer schnarchenden Sonea abgebildet.
Sie kannte diesen Zeichenstil.
Leicht den Kopf zur Seite geneigt blickte sie Simon an und steckte ihm die Zunge raus.
Er zog die Nase kraus und seine Augen lachten.
Paul, nahm ihr den Zettel ab und kicherte leise.
Um ihre Karikatur wieder zu bekommen trat sie ihm auf den Fuß und schnappte sich ihr Blatt.
Das lang ersehnte Läuten der Schulglocke ließ alle aufseufzen.
Wer nicht bei der Unterrichtsstunde eingeschlafen war saß apathisch da und riss nun die Augen auf.
Sonea wartete auf Simon und gab ihm eine Kopfnuss.
„Was sollte das denn? So eine große Nase hab ich doch gar nicht.“
„Wie? Nicht? Und ich dachte, “ erstaunt blickte er sie an, aber das spöttische funkeln in seinen Augen sagte alles.
„Aber danke das hab ich gebraucht. Ich wäre sonst eingeschlafen.
Literatur ist soooo öde und dann noch die enthusiastische Stimme, da kann man ja nicht anderes tun als ins Koma zu fallen. Warum sie Lehrerin geworden ist, bleibt mir ein Rätsel, “ grummelte sie.
Beide nickten in Einverständnis.
Leider war die Pause wie immer zur kurz und so saßen sie kurz darauf wieder im Unterricht.
Simon hatte Physik und Sonea Geschichte.
Tia bekamen sie nicht zu sehen, da sie gleich zu Beginn zwei Stunden Sport hatte.
„Was machst du am Wochenende?“ fragte Tia in der großen Pause.
Gemeinsam standen sie am kleinen mobilen Eiswagen, der ab und zu vorbei kam und seine leckeren Eissorten anbot.
Der Direktor hatte es gestattet, denn normalerweise wurde hier nur das Essen der Cafeteria zugelassen.
„Weiß noch nicht, vielleicht werde ich den Text lernen oder einfach nur faul im Garten liegen.“
„Tja ich werde mit Simon ins Kino gehen“, sagte Tia so neben bei, als ob es nichts Besonderes wäre, dabei war er erst seit zwei Wochen in der Schule und schon ist das Kino angesagt.
„Ist nicht dein ernst oder? Wie war das noch vor ein paar Wochen,
Ich werde nie mehr mit einem Jungen ausgehen!
An diesen Satz kann ich mich noch sehr gut erinnern.“
„Naja vor ein paar Wochen gab es ja noch keinen Simon.“
Grinsend schleckte sie an ihrem Eis und ging fröhlich summend zum See.
„Ist es jetzt nur ein normales Treffen unter Freunden, oder ein Date?“
Vorsichtig ihr Eis festhaltend rannte sie hinter Tia her.
„Nein, es ist eindeutig ein Date. Wir wollen anschließend noch ins Betha gehen und was trinken.“
Betha war der Treffpunkt für die jungen Leute. Hier konnte man Billard spielen, darten, tanzen und was trinken.
An manchen Wochenenden fanden hier kleine Konzerte von neuen Bands der Umgebung statt.
Ab und zu verirrten sich auch Ältere hierher, aber meistens war die Jugend hier unter sich.
„Nicht schlecht“, meinte Sonea beeindruckt.
„Wollt ihr heute oder morgen hin gehen?“
„Morgen. Heute muss ich meinem Vater noch aushelfen. Ich komm morgen vorbei damit wir mein Outfit besprechen können.“
Kichernd lehnte sie sich zurück.
„Ich fühl mich total chaotisch. Extrem nervös, aber auch total aufgeregt und neugierig. Die ganze Zeit über könnte ich kichern.“
„Wann hat er dich denn gefragt?“
„Gestern. Er kam am Abend vorbei und hat an der Tür geklingelt.
Mein Vater hat aufgemacht und ihn skeptisch rein gebeten.
Dad hat sich mit ihm erst einmal eine ganze weile unterhalten, bevor Simon überhaupt einmal mit mir sprechen konnte. Manchmal ist Dad übertrieben vorsichtig.
Aber Simon hat es locker genommen und meinte nur das er auch so handeln würde wenn ein daher gelaufener seine hübsche Tochter ausführen wöllte.
Er hat mich hübsch bezeichnet. Da konnte ich doch nicht nein sagen.“
Ihre Augen leuchteten die ganze zeit über während sie von Simon sprach.
Das hieß sie war wirklich verliebt. Das freute Sonea. Denn Tia hatte es verdient einen tollen Freund zu bekommen und glücklich zu sein. Nach ihrer letzten Beziehung war sie sehr zerstört gewesen.
Keiner mochte es belogen und betrogen zu werden, keiner.
Schon gar nicht Tia, die alles für einen tun würde und die Liebenswürdigkeit in Person war.
„Dann hoffe ich dass euer Date toll wird. Vielleicht wäre es aber besser, wenn ich zu dir kommen würde um dein perfektes Outfit zu finden. Ich meine, deine Klamotten befinden sich in deinem Schrank und nicht in meinem.“
Sich auf die Stirn schlagend stimmte Tia ihr zu.
„Auch wieder wahr. Aber du hast ein tolles Kleid in deinem Schrank, das würde mich interessieren.“
Mit großen bittenden violettblauen Augen sah Tia ihre beste Freundin an.
„Oh nein, vergiss es. Dieses Kleid bekommst du nicht. Ich hab es selbst noch nicht einmal getragen und wenn du es trägst und damit gesehen wirst kann ich es nicht mehr anziehen.
Du weißt wie die dann denken und das möchte ich nicht. Such dir was anderes aus, aber das Kleid ist tabu.“ Bestimmt blickte sie ihre Freundin an und ließ sich nicht von dem Hundeblick erweichen.
Enttäuscht schaute Tia zu den anderen Kids, die immer noch den Eiswagen belagerten.
„Kann ich verstehen. Ich würde es auch nicht hergeben.
Und fassen kann ich es immer noch nicht. Wie konntest du so ein Kleid finden. Wir haben jeden Laden in der Stadt abgeklappert und nichts gefunden. Ich wollte ja noch nicht einmal in diesen Schmuddelladen. Wenn ich doch nur mit rein gegangen wäre, dann hätte ich jetzt dieses Kleid.
Aber irgendwann musst du es mich tragen lassen, einverstanden?“
„Okay, einverstanden.“
Sie grinste ihre Freundin an und stand auf, da es zum Pausenende geläutet hatte.
„Sehen wir uns nachher?“
Kurz bevor Sonea in ihrem Klassenzimmer verschwand blickte sie noch mal auf den Flur zu Tia. Der Rest des Tages verlief ereignislos und doch hatte Sonea keine Zeit an einem Entwurf zu arbeiten, was sie frustrierte.
Als die letzte Schulstunde angebrochen war, begann die heftige Diskussion um das Thema für das Sommerfest.
Sonea hatte sich keine Gedanken darüber gemacht. Nicht so wirklich jedenfalls. Neben einer Spielehöhle, die natürlich von Keil und Fabian stammte, gab es noch ein Gruselzimmer, ein Cafe in dem die Mädchen viel Haut zeigen sollten und einem Antikcafe.
Auf dem Bleistift rumkauend, starrte Sonea aus dem Fenster. Ein paar Spatzen zankten sich auf einem dicken Ast der Eiche die vor dem Fenster stand. Das fand sie faszinierender als die Wortgefechte die nun stattfanden. Die Jungen bestanden auf ihre Spielehöhle, was die Mädchen kategorisch ablehnten, genauso wie das leicht bekleidete Cafe.
Jeder zuckte zusammen als Kerstin die Fäuste auf den Tisch schlug und bestimmte, dass es das Antikcafe sein sollte.
Keil und Fabian wollten protestieren, allerdings schüttelten die anderen Jungen mit dem Kopf.
Keiner stellte sich gegen Kerstin. Sie konnte richtig einschüchternd wirken. Mit ihren 1, 85 m war sie größer als die Jungen in dieser Klasse. Ihre blauen Augen konnten so kalt funkeln, das es einem vorkam das selbst in Sibieren nie Winter herrschte. Meist trug sie das braune Haar zu einem hoch angesetzten strengen Pferdezopf, der wiederum dann geflochten war. Wenn sie sich enthusiastisch drehte gingen alle in ihrer Nähe in Deckung denn der Zopf reichte ihr bis zur Hüfte und flog nur so durch die Gegend. Die, die der Zopf schon getroffen hatte, konnten ein Lied von den Schmerzen singen.
Recht muskulös war sie auch noch, denn ihre Leidenschaft war Tennis.
Steven räumte das Feld, als Kerstin nach vorne ging und die Führung übernahm.
„Wir machen das Antikcafe und damit hat es sich. Wenn ihr ein Cafe machen wollt wo viel nackte Haut gezeigt wird, dann stellt euch gefälligst selbst hin und lasst uns in ruhe.“
Alle saßen stumm da und nickten die ganze Zeit über, in der Kerstin die Aufgaben verteilte.
„So, also die Stoffe, Kleidung, bekommen wir aus dem Stadttheater. Möbel und Deko auch. Bleibt nur noch das Geschirr, die Kronleuchter und so. Ich mache eine Liste fertig und ihr reserviert das ganze Zeug dann so schnell wie möglich.“
„Warte Kerstin. Du kannst die Liste fertig machen, aber ob alles genehmigt wird steht erst heute Abend fest, wenn ich von der Schülerkonferenz wieder komme. Ich sag euch dann morgen bescheid.“
„Wie willst du uns morgen bescheid sagen. Wir haben Wochenende, da werd ich bestimmt nicht auf dich treffen wollen, “ grummelte Keil.
„Keine Angst, du musst mich auch nicht treffen, ich hab doch all eure E-Mail Adressen. Schaut einfach morgen im laufe des Tages rein.
Kerstin wenn du die Liste fertig hast, kannst du sie mir ja mailen und ich gebe sie dann weiter an die Schüler die die Besorgungen machen sollen. Einverstanden?“
Alle stimmten zu und obwohl es noch eine Viertelstunde bis Unterrichtsende war, verließen die Schüler die Klasse.
Das Sonnenlicht kitzelte Soneas Nase. Genüsslich streckte sie sich und gähnte herzhaft dabei. Die Augen leicht zusammengekniffen, blickte sie zum Vogelkäfig. Wütend zwitscherte Mini hinter Olli her und verfolgte ihn. Morgendliches Vogelgezwitscher hatte sie sich anders vorgestellt.
Noch leicht schlafend tapste sie in ihr Bad und blickte sich im Spiegel an. Anscheinend war es zu einem Ritual geworden.
Straf band sie sich die Haare zu einem Pferdeschwanz und wusch sich ihr Gesicht mit eiskalten Wasser. Da sie sich gestern Abend nicht abgeschminkt hatte, lief ihr nun die schwarze Mascara die Wangen runter. Schmunzelnd betrachtete sie sich nun. Sich mal komplett die Augen schwarz zu schminken wäre auch nicht schlecht, denn wie sie fand stand es ihr.
Zwanzig Minuten später, frisch geduscht, neu geschminkt, ging sie die Treppe hinunter in die Küche.
Sie war leer, genauso wie im Haus Stille herrschte. Einen Blick in den Kühlschrank ließ Sonea vermuten, das ihre Mutter einkaufen war und wo ihr Vater steckte, das wusste sie nicht.
Gähnend packte sie sich zwei Aufbackbrötchen in den Ofen und deckte derweilen ein Tablett, das sie nachher mit hinauf in ihr Zimmer nehmen wollte.
Der Duft von warmen, knusprigen Brötchen zog durch die Küche und ließ dem jungen Mädchen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Genießerisch sog sie das Aroma ein.
Mit dem Tablett in der Hand stand sie vor der Treppe, überlegte kurz und entschied sich dafür im Garten zu essen. Vorsichtig mit dem Ellebogen drückte sie die Klinke der Terrassentür runter und ein kleiner Stoß mit der Hüfte konnte sie in das grüne Reich ihrer Mutter gehen.
Neben hellen Holzgartenmöbeln stand eine einladend gemütliche Hollywoodschaukel in Creme-rosa auf dem Holzboden. Drei Stufen führten in das Paradies. Denn so konnte man es wirklich bezeichnen, jedenfalls nach Soneas Meinung.
Wie eine kleine verwunschene Lichtung erstreckte sich vor ihr der Garten. Eine Farbenpracht von den hier gepflanzten Blumen berauschten die Sinne. Dazu kam der Duft von den viele Rosen und Kräutern. Das leise plätschern von Wasser ließ erahnen, das es hier auch einen Teich gab.
Leichtfüßig folgte Sonea einen Weg aus, wie wahllos hingeworfenen Steinplatten und tauchte weiter ein in das grüne Reich. Nach ein paar Metern konnte man schon fast nicht mehr das Haus erkennen, so tief hingen die Äste der Bäume. Der Weg führte um den bis jetzt nur zu hörenden Teich, der von Schilf, Gräsern und Pflanzen eingesäumt war. Weiter hinten kam sie in ihr kleines Reich. Unter einem cremefarbenen Pavillon standen weiße schmiedeeiserne Gartenmöbel. Hier stellte Sonea ihr Tablett ab und ließ sich seufzend auf das Creme-grüne Polster nieder. Hier konnte man es aushalten. Gemütlich lehnte sie sich zurück, legte ihre Beine auf einen anderen Stuhl und trank einen Schluck Kakao.
Die Augen geschlossen, die Tasse in beiden Händen, lauschte sie der Natur. Wie der Wind sanft durch die Baumkronen rauschte, den Vögeln, die sanft zwitscherten und dem Teich, dessen Wasser wisperte.
Das nannte man einen guten Start in den Tag. Den Morgen so genießen wie man es möchte und das Gefühl von Zufriedenheit zu spüren. Das leichte grummeln ihres Magens passte nicht in diese verträumte Idylle, erinnerte sie aber, dass der Duft von den frisch aufgebackenen Brötchen schwächer geworden war und ein Hungergefühl an ihr nagte.
Während sie ihre beiden Brötchen genoss, sah sie sich um. Wenn man es nicht genau wüsste, könnte man glatt denken, dass man hier mitten in der Natur saß, fernab von der Zivilisation. Aber hinter der Trauerweide, deren Äste in den Teich reichten und den anderen paar Laubbäumen, befand sich ihr Elternhaus. Eine große Backsteinmauer überwuchert von Efeu, wilden Wein und Clematis grenzte das grüne Reich vor den Nachbarn ab.
Genüsslich streckte sie sich noch einmal, bevor sie sich auf den Rückweg machte.
Kaum hatte sie die Terrassentür passiert traf sie auf ihre Mutter.
„ Kleines, du warst doch nicht so draußen im Garten oder?“, skeptisch blickte sie ihre Tochter an.
Sonea blickte an sich hinunter und stellte fest das sie immer noch ihre Schlafsachen trug.
„ Doch hab ich.“
Seufzend schüttelte die ältere Frau den Kopf.
„ Aber Engelchen, du kannst doch nicht so nach draußen gehen. Du erkältest dich doch noch. Wenigstens eine längere Hose hättest du dir anziehen können.“
„ Mom, wir habe Sommer. Draußen sind es mindestens 23°, da kann ich mich bestimmt nicht erkälten.“
Die Fürsorge ihrer Mutter war zwar nett gemeint, aber sie nervte doch so manches Mal.
Schnell räumte sie ihre Sachen weg und verschwand in ihrem Zimmer. Ein Blick auf die Uhr zeigte Sonea, das sie sich bald auf den Weg zu Tia machen musste.
Sie schaltete ihren PC an und checkte ihre E-Mails, denn heute wollte ja Steven die Liste reinsetzen für das Sommerfest.
Das Thema Antikcafe war angenommen worden und Sonea hatte nur die Aufgabe dekorieren zu helfen, wenn sie nicht bei den Proben war. Das war doch mal was. Sie konnte sich voll und ganz auf den Chor und das Theaterstück konzentrieren. Eigentlich wenn es nach ihr ginge, würde sie auf das Letzte verzichten und mit beim Cafe mitmachen.
Nach ein paar Klicks, kam aus den Boxen des PC einer der vielen verschiedenen Animesoundtracks. Ihre Lieblingsstücke, bei denen sie laut mitsingen konnte, obwohl sie den Text nicht verstand.
Während sie mitsang räumte sie schnell ihr Zimmer auf und tanzte mit ihrem Kopfkissen durch den Raum, bei einem besonders tollen Lied.
Olli schaute sie mit schiefem Kopf an, während Mini sich desinteressiert ihr Gefieder putzte. Solange es nicht um sie ging war alles uninteressant.
Zum Glück beobachtete sie keiner, während sie hier mit ihrem Kissen durch die Gegend hüpfte und laut sang. Das wäre mega peinlich gewesen.
Als sie fertig war schmiss sie sich auf ihre gemütliche Couch und wippte mit dem Fuß im Takt der Musik mit.
Ihre Gedanken kehrten zurück zum Schulfest. Was die anderen Klassen wohl machten? Auch das Gemeinschaftsprojekt interessierte sie.
Viele der Attraktionen werden die gleichen wie die Jahre davor sein, eigentlich werden sie alle wieder gleich sein, nur der Umfang wird anders ausfallen.
Was sie allerdings am meisten interessierte war, was machte die Klasse 1b. Vielleicht ein Gruselkabinett und Lucien spielte den verführerischen Vampir. Oder sie führten ein Stück auf. Letztes Jahr hatte eine Klasse eine Parodie zu „Krieg der Sterne“ aufgeführt. Wenn Sonea jetzt noch daran dachte musste sie lachen. Das Stück war so genial gewesen, so humorvoll, das alle Zuschauer sich auf dem Boden vor lachen kringelten. Bildlich gesprochen.
Obwohl sich Sonea Lucien nicht in einer solchen Komödie vorstellen konnte, denn irgendwie passte das nicht zu ihm. Seufzend starrte sie die Decke an. Was passte eigentlich zu ihm? Wenn sie ihn sich so bildlich vor Augen hielt, dann am besten in einem Kostüm aus dem 13. oder 14. Jahrhundert oder etwas später. Die jetzigen Klamotten standen ihn auch, aber irgendwie sah er etwas fehl darin aus. Obwohl diese enge Jeans, die hatte schon was.
Sie legte einen Arm über ihre Augen im feuerroten Gesicht. Dieser Hintern war schon eine Augenweide und eine Sünde wert.
Oh Gott, ich werd wirklich zum Stalker, dachte sie. Auch in ihren Gedanken verfolgte sie ihn, betrachtete sie ihn genüsslich.
Wo soll das denn noch hinführen?
Grummelnd setzte sie sich auf, schüttelte den Kopf in der Hoffnung all diese Gedanken loszuwerden. Das einzige was passierte, war, das ihr schwindelig wurde.
Ein Summen ertönte und Sonea spitzte die Ohren. Was war das für ein Geräusch. Sie lehnte sich über die Lehne der Couch und sah in die Richtung aus der dieser Laut kam.
Auf dem Schreibtisch, neben der Maus, tanzte fröhlich ihr Handy über den glatten Grund. Schnell sprang sie auf und erkannte dass es Tia war, am anderen Ende der Leitung.
„ Hallöööööchen Tia, was gibt es denn?“ Fröhlich mit einem leichten lachen sprach sie in das Handy.
Gespannt lauschte sie, was ihre Freundin zu erzählen hatte und grinste. Wie es aussah beherrschte das Gefühl der Panik Tia.
„ Ruhig Tia. Wir haben es erst eins. Du hast noch ne menge Zeit dich fertig zu machen. Ich wollte eh um zwei bei dir sein. Also ruhig Blut.“
Wieder lauschte sie. Seufzend klappte sie das Handy nach Gesprächsende zusammen und packte es in den kleinen dunkelroten Rucksack. Sie kramte ihre anderen Sachen die sie mitnehmen wollte aus ihrer Schultasche und packte sie zum Handy.
Im Kleiderschrank stand sie vor ihren Sachen und wusste nicht was sie anziehen sollte. Anscheinend hatte ihre Freundin sie angesteckt.
Nach zehn Minuten hatte sie sich endlich entschieden.
Zu einem weinroten T-Shirt trug sie einen schwarz-weiß karierten kurzen Karorock und darunter eine schwarze Leggin, die ihr bis zu den Knien reichte. Mit einem schwarzen Nietengürtel war ihr Outfit komplett.
Laut polterte sie die Treppe hinunter, setzte sich auf die unterste Stufe und zog sich ihre Inline - Skater an.
„Sonea, bist du das?“
„ Ja Mom.“
„Wo willst du hin? Es gibt gleich zu essen.“ Verwirrt schaute sie auf ihre Tochter die gerade den letzten Klettverschluss festzog.
„Ich bin auf den Weg zu Tia. Wir wollten zusammen nach dem passenden Outfit für sie suchen.“
„Sonea.“, seufzte ihre Mutter.
„Hättest du es mir nicht eher sagen können? Du weißt dass ich es nicht mag, wenn du einfach so verschwindest. Außerdem habe ich gekocht. Ein bisschen eher Bescheid zu sagen, wäre nicht schlecht gewesen. Da brichst du dir keinen Zacken aus der Krone.“
„ Tut mir leid, Mom. War nicht mit Absicht. Wirklich. Ich hab es einfach vergessen.“
Lieb guckte sie mit ihren grünen Augen ihre Mutter an. Früher hatte der Blick immer gewirkt, man konnte also nur noch hoffen, dass es auch heute noch klappte.
„ Okay, ist schon in Ordnung. Aber das nächste Mal möchte ich bitte eher etwas davon wissen.“
Kurz bevor sie in der Küche verschwand, drehte sie sich noch einmal um.
„ Warum wollt ihr was für Tia zum anziehen raussuchen? Kann sie das denn nicht selbst, oder hat sie etwa für heute Abend eine Verabredung?“
Irgendwie merkte ihre Mutter alles.
„ Ich hab doch von den Neuen an der Schule erzählt, von Simon und so. Naja und mit dem hat sie sich heute Abend für das Kino verabredet.“
„ Oh das ist ja schön. Bestell ihr mal schöne Grüße und sag ihr viel Glück.“
Lächelnd ging sie wieder in die Küche.
Den Rucksack auf dem Rücken befestigt, trat sie aus dem Haus und kurz bevor sie die Tür schloss, schaute ihr Vater aus dem Wohnzimmer heraus und rief dem Mädchen etwas hinterher.
„Sonea, kannst du mir bitte meine Drops mitbringen? Am besten gleich zweimal.“
Sie hob den Arm zum Zeichen das sie es verstanden hatte und flitzte schon kurz darauf die Straße entlang zur Innenstadt.
Während hier noch sehr viele Einfamilienhäuser standen, veränderte sich langsam aber stetig das Bild. Moderne mehrstöckige Häuser wichen den kleineren, allerdings waren diese nicht höher als vier Stockwerke.
Je mehr sie sich aber dem Kern der Stadt näherte veränderten sich wieder die Häuser. Einladend und gemütlich wirkten die Fachwerkhäuser mit ihren gepflanzten Kästen vor den Fenstern. Im Zentrum durfte man nur noch zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sein, dafür waren die Straßen und Gassen zu schmal. Auf dem Marktplatz mit dem alten Rathaus, stand ein riesiger Springbrunnen, um den herum auf den Bänken viele Menschen saßen und den Kindern, die im Wasser planschten zusahen. Die Eisdiele platzte aus allen Nähten und suchend schauten sich die Kellner um wo sie noch neu ankommende Gäste unterbringen konnten.
Langsamer fahrend, folgte sie der Haupteinkaufsstraße, den heute am Wochenende und bei dem schönen Wetter waren viele unterwegs. Einladend mit den vielen Bäumen und hoch angelegten Pflanzbeeten, konnte man sich hier gut aufhalten. Die kleinen Cafes luden zum verweilen ein und die gemütlichen Geschäfte zum shoppen.
Vor einem großen Fachwerkhaus mit zartgelber Fassade und weiß gestrichenen Balken hielt Sonea an. Sie war kaum außer Puste, denn zum Glück war der Weg von zu Hause aus zur Stadt fast eben. Wenn es mehr bergig gewesen wäre, hätte sie sich niemals die Inliner genommen, sondern das Rad.
Wie an jedem anderen Fenster, waren auch hier Kästen mit Pflanzen angebracht. Mit ihrem Kontrast leuchteten die blauen Glockenblumen und Vergissmeinnicht zu den zarten Farben. Und der weiße Jasmin mit dem Efeu hatten schon eine beachtliche Länge erreicht. Außer einem großen Schild zwischen dem Erdgeschoss und der ersten Etage, zeigte nichts, das es sich hier um einen Lebensmittelladen handelte. Sonea trat durch die offene Tür und blickt sich vorsichtig um. Eine Verkäuferin hatte sie gesehen und lächelte sie erkennend an.
Entschuldigend und fragend blickte Sonea die Frau an und zeigte auf ihre Inliner.
Wie in jedem anderen Geschäft war es verboten mit ihnen in den Laden zu kommen. Eine kleine Bewegung mit dem Kopf von der Kassiererin und Sonea huschte vorsichtig in den Laden. Wenn sie nicht so gut mit Tia und ihrem Vater befreundet gewesen wäre, dann hätte die Sache anders ausgesehen. Vor dem Süßigkeitenregal blieb sie stehen und nach kurzen suchen zog sie mit drei Tüten rosa und weißer Drops zur Kasse.
Ihr Vater liebte diese Süßigkeit. Er verschlang sie regelrecht, denn der Geschmack von Schokolade und Pfefferminz in einer knusprigen süßen Hülle war auch lecker. Nach einem Danke und einem schönen Wochenende Gruß verschwand sie nach draußen gleich in die weiße Tür nebenan. Das ganze Haus gehörte Tias Familie. Schon seit Generationen war unten ein Lebensmittelgeschäft vorhanden.
Und einer in der Familie hatte immer den Drang dieses weiterzuführen.
Nachdem sie ihre Inliner ausgezogen hatte, folgte sie der Treppe nach oben in einen großen weitläufigen Flur und einem offenen hellem Wohnzimmer. Es war Vanille grün gehalten, denn es waren die Lieblingsfarben von Tias Mutter gewesen. Eine große Wohnlandschaft lud zum verweilen ein. Die vielen Pflanzen ließen es wohnlich aussehen.
Barfuss, nur in knallroten Socken lief sie den Flur entlang zur hintersten Tür. An den weißen Wänden hingen bunte abstrakte Bilder in einer Linie, die nur von Türen oder hohen Pflanzen unterbrochen wurde. Sonea klopfte nicht an die Tür, sondern öffnete sie vorsichtig, dabei rief sie „Ich bin´s“ um Tia nicht zu erschrecken. Überrascht hob sie eine Augenbraue. So wie es hier aussah, war der Kleiderschrank explodiert. Alles was ihre Freundin an Klamotten besaß lag verstreut im Zimmer herum. Grübelnd und in Gedanken versunken, stand Tia vor dem fast leeren, riesigen, eingebauten Schrank. Das kurzärmelige violette Shirt mit Spitze flog nach einer genauen Musterung kopfschüttelnd und im hohen Bogen durch das Zimmer.
Soneas Augen folgten der Flugbahn, während sie es sich auf dem großen Bett mit schokobrauner Tagesdecke im Schneidersitz gemütlich machte.
„ Sag mal Tia, was machst du hier?“, fragte Sonea und zeigte auf das Chaos.
„ Ich finde irgendwie nicht das richtige.“, murmelte sie.
„ Du gehst doch nur zu einem Date, alá Kino und Betha und nicht in ein schickes Restaurante mit Staatsempfang, oder?“, hakte die rothaarige vorsichtig nach.
„ Mmmhmmm, Kino und Betha. Aber trotzdem muss ich doch was Vernünftiges anziehen und kann nicht einfach so hingehen.“ Verzweiflung lang in den blauen Augen.
Aus dem Schrank zog sie ein schwarzes, kurzes, enges Kleid heraus.
„ Was ist mit dem hier?“, und hält es vor sich hin.
„ Tia, für Kino ist das da zu schick. Das ist das berücht berühmte Schwarze Kleine, das passt absolut nicht.“
Kaum hatte Sonea das gesagt, lag es ein paar Meter weit entfernt vom Schrank.
So ging das fast eine ganze Stunde lang und Sonea bekam das Gefühl, das Tia irgendwie das Date mit einem Galadinner verwechselte. Während ihre Freundin weiterhin den Kleiderschrank leerte, war Sonea aufgestanden und hatte angefangen die Kleidung von überall her aufzusammeln.
Sie hingen über der cremefarbenen Ledercouch, die mitten im Zimmer stand, dem ahornfarbenen Sideboard und Schreibtisch, ach einfach überall. Sogar Pflanzen knickten unter der Last der Kleidung um.
Seufzend schüttelte sie den Kopf. Wie konnte man nur so panisch sein. Sie selbst war es bei Chris nicht gewesen. Vielleicht hätte sie sich damals schon Gedanken machen müssen, warum es nicht so war.
Immer noch raufte Tia sich die Haare, die schon wirr im Pferdeschwanz hingen.
„ Was ist den mit dem hier?“, fragte nun Sonea und hielt ein dunkelblaues Kleid hoch.
„ Ich finde es ist perfekt. Nicht übertrieben elegant, leicht sportlich. Also meiner Ansicht nach perfekt. Dazu noch der schöne silberne Kettengürtel, die tolle Halskette mit dem blauen Tropfen und die dazugehörigen Ohrringe und fertig bist du.“
Nachdenklich betrachtete Tia das Kleid. Mit den breiten Trägern und dem leicht fließend fallenden Oberteil, das in der Mitte des Gesäßes in einen weichen Faltenrock überging.
Langsam trat das unsicher schauende Mädchen näher, schnappte es sich und nach dem sie das weite rote T-Shirt mit dem Aufdruck „ Ich bin der Mittelpunkt des Universums“ ausgezogen hatte, probierte sie Soneas Vorschlag an.
„ Flechte dir doch die Haare zu zwei Zöpfen, dann sieht es normal aus.“
Tia drehte und wandte sich vor dem großen Spiegel und kam zu dem Schluss, dass das Outfit genau das richtige sei.
„ Okay dann hätten wir da geklärt.“, meinte sie zufrieden. Während sie sich wieder umzog schaute sie Sonea überrascht an.
„ Warum räumst du auf? Lass das doch liegen. Ich mach das hier dann später.“
Nebenbei und uninteressiert deutete sie auf die wenigen Kleidungsstücke die noch am Boden lagen. Skeptisch hob Sonea ihre rechte Augenbraue.
„ Du willst das ich das hier liegen lasse, überall verstreut?“; fragte sie und bekam ein nicken.
„ Bist du dir völlig sicher? Ich frage mich nur wann du alles wegräumen willst. Kurz vor dem Treffen, wenn du nervös bis, oder nach dem Date, wenn du glücklich zurückkommst und einfach nur quatschen und danach zufrieden schlaffen willst.“
Mit leicht schrägem Kopf betrachtete sie Tia. Die Arme über und über mit Klamotten belegt.
„ Wir machen das jetzt, dann hast du es aus den Füßen und kannst dich auf dein Treffen mit Simon freuen. Außerdem möchte ich mir nachher nicht anhören müssen wie chaotisch dein Zimmer war und
wie lange es gedauert hat es aufzuräumen.“
Schicksalsergeben, ohne zu murren, sammelte Tia ihre Sachen auf und gemeinsam hangen sie sie auch in den Schrank.
Sie waren gerade fertig, da fing Sonea an zu lachen.
„ Sag mal Tia, wann hast du zuletzt was gegessen. Nach deinem Magen knurren zu urteilen seit Ewigkeiten nicht mehr.“
Gespielt empört boxte Tia sie mit dem Ellebogen in die Seite, weil ihre Freundin es gewagt hatte zu lachen.
„ Sorry, ich hab halt vor Aufregung nichts runter bekommen.“, verteidigte sie sich.
„ Würdest du auch, wenn du mit dem Richtigen ein Date hättest, also mach dich bloß nicht lustig über mich.“
Besänftigend hob Sonea die Arme.
„ Warte, so hab ich das gar nicht gemeint. Du weißt, ich würde mich nie über dich lustig machen. Aber dein Magen knurrte so laut, das ich dachte du hast nen Bären als Haustier….Autsch, das tat weh!“; rief Sonea aus und rieb sich die Stelle wo sie eine Kopfnuss bekommen hatte.
„ Selbst Schuld.“, murmelte ihre Freundin und ergriff die Hand der anderen.
„ Lass uns was essen, bevor wir uns noch richtig streiten.“
Grinsend zog sie das etwas größere Mädchen hinter sich her in ihre Küche.
Ein großer langer Tresen mit fünf Barhockern trennte das Wohnzimmer von der Küche. Gleich anschließend etwas tiefer am Tresen, befand sich eine rotbraune Arbeitsfläche und der Ceranherd, so konnte man während des Kochens sich entweder mit den anderen unterhalten, die auf den Hockern saßen, oder aber fernsehen, da der Fernseher im Wohnzimmer so stand, das es möglich war.
Über der Spüle war ein großes Fenster, das den schön bepflanzten Balkon zeigte.
Die hellen cremefarbenen Küchenmöbel zeigten sich antik und die Glasfronten der Hängeschränke, spiegelten die Samstagnachmittagsonne wieder. Obwohl sie ein nostalgisches Flair hatte, war sie sehr modern. Sonea träumte von so einer Küche, auch das sie sich dem Wohnzimmer anschloss. Genauso war es mit den Farben, einfach perfekt.
Während sie die Küche noch betrachtete, schaute Tia im Kühlschrank nach.
„ Auf was hast du Lust?“
„ Was habt ihr denn alles da?“
„ Dad hat gestern den Kühlschrank aufgefüllt, also alles, was das Herz begehrt.“
Sonea stellte sich neben ihre Freundin und starrte auch auf den Inhalt der Kühleinheit.
„ Lasagne mit Zucchini und Paprika.“
Das grün und rot des Gemüses lachte die beiden Mädchen an.
„ Okay, einverstanden. Ich schneid die Zucchini und die Paprika, du taust derweilen das Hack auf und herhackst den Knobi und die Zwiebeln.“, verteilte Tia die Aufgaben und seufzend folgte Sonea ihnen.
Nach kurzer Zeit breitete sich der Duft von gebratenen in der Küche aus. Schweigend und konzentriert arbeiteten beide. Seufzend setzte sich Tia und sog den angenehmen Geruch der Lasagne im Ofen ein.
„ Ich bin müde.“, nuschelte sie. Die Wange auf dem Tresen gelegt und die Arme baumelten kraftlos herab.
„ Warum das denn?“, fragte Sonea, die an der Spüle stand und die benutzten Sachen abwusch.
„ Seit zwei Tagen schlafe ich schlecht. Das hab ich vorher auch, weil es um die Kostüme ging, aber seit Simon hier war, geht es gar nicht mehr.“
Gähnend hauchte sie die Theke an.
„ Jedes mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihn vor mir, wie er lacht und wie seine Augen funkeln. Dann kann ich einfach nicht mehr an Schlaf denken.“
Sonea kannte das. Vor ihren geschlossenen Augen tauchte immer Lucien auf. Allerdings lachte er da nicht, sondern schaute überheblich aus.
„ Ich hab Angst, dass unser Date heute Abend ein Reinfall wird und wir uns ab Montag meiden. Das unser jetziges Verhältnis zerstört wird.“, fuhr sie fort.
Überrascht sah Sonea auf. Damit hatte sie nicht gerechnet. Ihre Freundin war zwar nervös, aber wirkte trotzt alledem zuversichtlich. Dass sie solche Gedanken hatte, sah man ihr nicht an.
„ Mach dir nicht so einen Kopf darüber. Wenn du zulässt dass sich solche Gedanken einschleichen, kann es passieren, dass es wahr wird. Ich glaube nicht dass du dir darüber den Kopf zerbrechen musst. Wenn ich euch zwei beobachtet habe, konnte ich nur feststellen, dass ihr wunderbar miteinander auskommt. Als ob euch etwas Tieferes, Festeres verbindet und je mehr ich darüber nachdenke, glaube ich dass ich dieses Gefühl schon oft gesehen habe. Bei meinen Eltern.“
Verwundert hob Tia den Kopf.
„ Wirklich? Du glaubst das Simon und mich das selbe verbindet wie deine Eltern?“
wenn sie so an Soneas Eltern dachte, fielen ihr immer die liebevollen Blicke und die zärtlichen Lächeln ein oft hatte sie sich gefragt, ob es jemanden auf dieser Welt gab, mit dem sie genauso glücklich zusammen leben konnte.
Wenn Sonea meinte, das es zwischen ihnen beiden genauso war, freute es sie.
„ Schön wäre es ja. Warten wir erst einmal ab.“, meinte sie und schloss wieder die Augen.
„ Apropo…da fällt mir noch was ein. Hast du gestern den Entwurf abgegeben?“
Sonea, die gerade die Ceranplatten saubergemacht hatte seufzte schwer.
„ Nein. Ich bin gar nicht dazu gekommen den Entwurf fertig zu zeichnen. Eigentlich wollte ich es noch gestern in der Schule machen, aber es blieb keine Zeit dafür und nach dem Unterricht hatte ich es vergessen. Unsere Klasse hat sich gefetzt wegen dem Thema und ich musste wieder einmal feststellen, vor Kerstin kann man Angst bekommen. Hast du in schon abgegeben?“
Neugierig schaute sie ihre Freundin an und setzte sich neben sie.
„ Ich hatte ihn fertig, aber hab in gestern morgen zu hause liegen lassen. Wenn ich daran denke, könnte ich mir in den Hintern beißen. Ich Transuse.“, beschimpfte sie sich selbst.
„ Jetzt warten wir ab und wählen den besten Entwurf. Weißt du wann sie ausgestellt werden?“
„ Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht wie viele etwas eingereicht haben, aber vor ende nächster, anfang übernächster Woche glaub ich nicht.“
„ Bin mal gespannt was alles eingereicht wird. Hoffentlich auch etwas vernünftiges.“
Kurz lachte Tia auf.
„ Wenn ich an unsere Jungs in der Klasse denke dann eher nicht.“
„ Mmmh, unsere sind auch nicht besser. Hättest sie erleben sollen, als Steven mit dem Thema Schuluniform kam. Die versauten Gedanken waren regelrecht ins Gesicht geschrieben.“
„ Jungs….unmöglich.“
Gleichzeitig nickten sie.
Eine zeitlang saßen sie schweigend da, starrten Löcher in die Luft. Das Geräusch des Umluftherdes war das einzige was man hörte.
„ Wie lange muss die Lasagne noch drin bleiben?“, fragte Sonea nach ein paar Minuten.
„ Keine Ahnung, wann haben wir sie denn rein getan?“
Fragend sahen sie sich an.
„ Wir sind schon Köche.“, seufzte Tia, lief zum Ofen hin und schaute prüfend hinein.
„ Nimm mal ne Rouladennadel und überprüf wie fest die Platten sind.“
Tia stocherte mit ihr kurz darauf in der Lasagne rum.
„ Du solltest zwar prüfen wie weit sie ist, aber ich meinte nicht dass du ein Sieb aus ihr machen solltest.“
Genervt von dem Kommentar blickten blaue Augen auf und sprühten Funken.
„ Nerv nicht.“
„ Ich mein ja nur.“
Grinsend blickte Sonea ihre Freundin an. Man merkte dass diese Hunger hatte, denn ihre Gereiztheit sprach für sich.
„ Ich würde sagen noch etwa zehn Minuten und dann ist sie fertig. Lass uns noch schnell den Salat waschen und zubereiten, denn dann können wir essen.“
Salatschleudern sind schon praktisch, dachte Sonea und beobachtete fasziniert wie sie die nassen Blätter durch die Gegend schleuderte.
„ Tisch oder Tresen?“
„ Tisch und Fernseher.“
„ Sonea, du und dein Fernseher. Irgendwann hast du viereckige Augen.“
„ Hä? Wie kommst du denn darauf? Eigentlich dachte ich dass wir einen Musiksender einschalten. Da können wir uns wenigstens nicht streiten was wir hören.“
Der Musikgeschmack war unterschiedlich bei den beiden. Während bei Sonea, viel Power hinter der Musik sein musste, zog Tia die softeren, langsameren Songs vor. Sonea hatte versucht, die Musik ihrer Freundin mal einen Tag lang anzuhören, aber mit der Zeit wurde sie irgendwie aggressiv. Um runter zu kommen brauchte sie erst einmal die volle Dröhnung. Ein paar Lieder waren ja in Ordnung, aber die ganze Zeit über? Nein danke.
Der köstliche Duft von der Lasagne zog durch die Wohnung und wie zwei Verhungernde, die seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen hatten, stürzten sie sich auf sie.
Genüsslich kaute Sonea. Das ist es wert nicht gertenschlank zu sein, dachte sie.
„ Du solltest ihn dir krallen.“, sprach die, die jeden rügte mit vollem Mund zu sprechen, aber es selbst tat…manchmal.
„ Sieh mal, wäre das ein Roman, hätte ich ihn schon längst beiseite gelegt.“ Mit ihrer schwenkenden Gabel unterstrich sie den Satz.
„ Hä?“, brachte Sonea nur heraus. Irgendwie kam sie gerade nicht mit.
„ Also, wie lange ist Lucien schon hier? Zwei, drei Wochen.? Du starrst ihn an wie ein verhungernder ein Festtagsbuffet. In den vielen Büchern die ich gelesen habe…und lesen werde, “, betonte sie, „ Ist nach ein paar Tagen schon mehr passiert als bei euch beiden.“
Als sie Luft holte um weiter zu sprechen unterbrach Sonea sie.
„ Öhm.“, begann sie immer noch verdutzt.
„ Sag mal warum vergleichst du mein Liebesleben mit einem deiner Schmöker? Hallo?!? Alles in Ordnung bei dir? Ich glaube du liest zuviel von denen.“
„ Quatsch, tu ich nicht. Aber mal ehrlich. Ihr tümpelt noch genauso rum wie am Anfang.“
„ Na das hat ja wohl einen Grund. Er interessiert sich nicht für mich. Ich meine, sieh ihn dir mal seinen Fanclub an, seinen weiblichen. Die schönsten aus unserer Schule laufen hinter ihm her, da wird er mich wohl kaum beachten.“
„ Soy, du musst dich an ihn ranmachen. Sei öfters in seiner Nähe. Simon hilft dir dabei.“
„ Warte mal, was hat Simon damit zu tun?“
„ Die beiden gehen doch in eine Klasse, die sitzen neben einander, Simon ist der einzige mit dem Lucien sich wirklich unterhält.“, zählte Tia auf.
„ Er hilft dir bestimmt.“
„ Na danke. Vielen dank in dein Vertrauen in mich, das ich es selbst schaffen könnte.“, grummelte Sonea leicht angesäuert.
„ Ach komm schon. Wir beide wissen, dass du es nie in Angriff nehmen wirst. Dafür bist zu schüchtern.“
Nachdenklich, den Kopf zur Seite geneigt, kaute sie langsam und sah ihre beste Freundin an.
„ Am besten setzten wir uns drei mal zusammen und machen einen Schlachtplan.“
Überrascht und misstrauisch sah sie Tia an. Sonea wusste das ihre Freundin Lucien nicht leiden konnte, wegen seiner Art, aber warum half sie nun?
Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber da fuhr Tia fort.
„ Du weißt das ich Lucien nicht unbedingt leiden kann und am liebsten würde ich ihn auf den Mond schießen, als ihn als deinen Freund zu sehen. Aber ich weiß, das du verrückt nach ihm bist. Ich meine, deine Zeichnungen sind da eindeutig. Und da du meine beste Freundin bist, werde ich dir helfen.“
Tia hatte ihre Zeichnungen gesehen? Wann denn das? Sonea dachte das sie außer ihr selbst keiner zu Gesicht bekommen hatte. Das war nicht gut, das war peinlich.
„ Ich weiß dein Angebot zu schätzen, wirklich.“, beteuerte Sonea.
„ Aber ich möchte das nicht.“
Seufzend sah sie zum Fernseher, wo gerade ein aktueller Song gespielt wurde.
„ Ich käme mir schäbig vor auf ihn Jagd zu machen und alles zu provozieren.“
Sie hob abwehrend die Hand, als Tia wiedersprechen wollte.
„ Ja, andere hätten da keinen Skrupel, aber ich. Ich empfinde es als nicht richtig und es passt auch nicht zu mir. Ich bin kein Vamp oder so. wenn es passieren sollte, dann durch Zufall, oder Schicksal. Vielleicht sehe ich das falsch oder habe eine verdrehte Ansicht, aber ich empfinde es so und daher lasse ich es auf mich zukommen. Okay öfters in seiner Nähe sein ist gut und das wird ich auch machen, aber das war es auch schon.“
Nachdem Sonea alles gesagt hatte herrschte Ruhe. Tia legte ihre Gabel weg und lehnte sich zurück.
„ Okay, hab verstanden. Ich werde mich zurückhalten und es dir überlassen. Aber es war doch eine gute Idee.“ Lächelnd schaute sie ihre Freundin an, die immer noch aß und wenn sie sich nicht täuschte schon die dritte Portion.
Ein Blick auf die Uhr zeigte, das die Zeit wie im Fluge verging.
„ Ich muss mich ranhalten, wenn ich alles schaffen möchte.“
Während sie im Bad verschwand, packte Sonea das benutzte Geschirr in den Geschirrspüler und den Rest der Lasagne abgedeckt in den Kühlschrank.
Um sich die Zeit zu vertreiben, während ihre Freundin duschte, betrachtete sie in deren Zimmer die Bücher in den vielen Regalen. Genauso wie sie selbst las Tia viel. Nur der Geschmack war anders. Bei ihr handelte es sich überwiegend um Fantasy und Mangas, wobei es sich bei ihrer Freundin eher um Schmöker und historische Liebesromane handelte. So richtig konnten sie sich beide für ernstere Bücher nicht begeistern.
Da die knalligen Farben der Bücherrücken sich mit den schlichten Farben des Zimmers bissen, hingen schwere Stoffraumteiler vor den Regalen. Ein paar Bücher hatte Sonea auch gelesen. Sie fand sie zwar nicht schlecht, aber auf die Dauer wäre der Herzschmerz zuviel für sie. Außerdem liefen sie immer nach dem gleichen Schema ab.
Mit gespitzten Ohren stellte sie fest, dass die Dusche still geworden ist und nach einem kurzen klopfen betrat sie das kleine cremefarbene Bad.
Gemütlich nahm Sonea auf den Wannenrand platz und beobachtete Tia. So skeptisch wie sie in den Spiegel schaute, sah Sonea jeden Morgen nach dem aufstehen rein.
Die Unterwäsche aus zarter fliederfarbener Spitze hatte sie ihrer Freundin letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Seufzend, leicht neidisch betrachtete sie die Figur des Mädchens vor sich. Kein Gramm zuviel auf den Hüften. Schlank aber nicht so, das sie als dünn zu bezeichnen war. An ihre eigene Figur dachte sie lieber nicht.
„ Soll ich mich schminken, oder lieber lassen?“; riss sie die Frage aus den Gedanken.
Anscheinend war Tia wirklich nervös.
„ Schminkst du dich sonst auch?“.
„ Ja.“
„ Also warum solltest du es dann jetzt nicht tun?“
„ Auch wieder wahr.“
Sonea musste sich ein Schmunzeln unterdrücken, als Tia sich selbst einen Klaps auf die Stirn gab.
Mit einem Fuß zu sich auf den Wannenrand gezogen, betrachtete sie das hektische, planlose Treiben.
Ob sie auch mal so sein würde, wenn der richtige da ist? Sie hoffte es, denn es war süß anzusehen.
Ein Blick auf die Funkuhr zeigte Sonea, das nicht mehr viel Zeit war und wies das nervöse Mädchen darauf hin.
So schnell wie diese aus dem Bad war, so schnell konnte Sonea gar nicht hinter her schauen. Gemächlich folgte sie ihr und schaute zu wie Tia sich rasend schnell anzog, die Haare flocht und nach ihrer Tasche griff.
Nach einem Kuss auf die Wange war der Wirbelwind weg.
Verdutzt blinzelnd, stand Sonea im Schlafzimmer ihrer Freundin.
Ähm…, Tia?
Das ist jetzt doch nicht wirklich passiert oder? Kopfschüttelnd ging sie zurück in das Bad, räumte das Badelaken und den Rest ordentlich weg und machte sich daran ebenfalls die Wohnung zu verlassen.
War Tia so hektisch und nervös, das sie ihre Freundin vergessen hatte? Irgendwie war es schon komisch so allein in der Wohnung zu sein. Das war das erste Mal. Vertrauen in allen Ehren, aber sein musste das nicht. Sie konnte noch nicht einmal die Haustür abschließen und sie zu verlassen und offen stehen zu lassen kam gar nicht in Frage.
Unschlüssig stand sie da, ratlos was sie tun sollte, denn soweit sie wusste, war Tias Vater nicht unten im Laden. Nach kurzen Überlegungen, griff sie zum Hörer und hoffte dass er sein Handy an hatte.
„ Hallo Samuel, ich bin es, Sonea. Ähm, Tia ist aus dem Haus und hat keinen Schlüssel dagelassen.“
Noch immer hatte sie sich nicht daran gewöhnt ihn mit seinen Vornamen anzusprechen, aber seit dem er es angeboten hatte, ignorierte er sie, wenn sie ihn beim Nachnamen nannte.
Ein Seufzen war am anderen Ende der Leitung zu hören.
„ Da ist wohl jemand kopflos davon gestürmt. Tinka hatte anscheinend nur noch das Date im Kopf.“
„ Sieht ganz danach aus.“
Ein leises Lachen drang durch den Hörer. Schmunzelnd vernahm Sonea Tias Spitznamen. Schon lange hatte sie ihn nicht mehr gehört und wurde nur noch unter Lebensgefahr genannt. Sie fand ihn zwar toll, aber ihre Freundin schoss tödliche Blicke um sich, wenn er in Erscheinung trat.
Als Kind ja, als Erwachsener nein. Klipp und klar war Tias Kommentar dazu.
„ Okay, dann mache ich mich jetzt gleich auf den Rückweg. Wenn ich gut durchkomme, bin ich in einer halben Stunde da. Du brauchst nicht zu warten. Sag Frau Schmidtz Bescheid, dass sie ein Auge auf den Eingang haben soll. Dann ist das in Ordnung. Danke dass du dir Gedanken gemacht hast. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende, Sonea.“
„ Kein Problem. Ich wünsche ihnen dasselbe, aber vielleicht sehen wir uns ja morgen.“
Lächelnd legte sie auf und nachdem sie Bescheid gegeben hatte, fuhr sie nach hause.
Spät abends, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und das Handy neben sich auf dem Kissen liegend, lauschte Sonea der tiefen, erotischen Stimme des Sängers und wartete auf den Anruf.
Um halb zwölf abends fielen ihr langsam die Augen zu. Nachdem das letzte Lied in der Liste auf ihrem PC beendet war, befand sich Sonea schon längst im Schlummerland.
Panisch und erschrocken saß sie kerzengerade im Bett. Es war dunkel im Zimmer, nur der Bildschirmschoner warf mit seinen verschiedenen Motiven nacheinander unheimliches Licht in den Raum.
Sie presste ihre Hand auf ihr rasendes Herz und griff mit der anderen nach dem klingelnden Handy. Noch leicht neben sich stehend meldete sie sich.
„ Ja?“ Leise und heiser sprach sie in das Handy.
„ Hallo Sonea, ich bin es. Hoffe ich habe dich nicht geweckt. Also ich muss dir was erzählen.“, ratterte sie sofort los, ohne Luft zu holen und super munter, während Sonea selbst die Augen nicht aufbekam und am liebsten weitergeschlafen hätte. So aus einem schönen Traum herausgeholt zu werden war schon grausam. Allerdings nicht interessiert der Freundin zu lauschen war noch schlimmer.
„ Du glaubst es nicht, aber es war wunderschön. Der Abend war toll. Ich war ja so nervös, das ich kein Wort rausbekommen habe und mindestens ein Dutzend Strohhalme vernichtet habe. Und Simon war süß. Er ist immer rot geworden wenn er mich angesehen hat.“
Wie ein kleines Mädchen kicherte sei und weiter drang die aufgekratzte Stimme ihrer Freundin durch den Hörer an Soneas Ohr.
„ Ich war viel zu früh da und musste warten. Kam mir ziemlich doof vor, so allein am Tisch zu sitzen, während um mich herum lauter Pärchen und Gruppen waren. Simon kam und kam nicht. Er war schon zu spät und ich bekam Angst, dass er mich sitzen gelassen hat. Doch als er dann endlich kam, entschuldigte er sich tausendmal. Das war richtig niedlich, denn er war rot angelaufen und verbeugte sich dauernd, ehe er sich setzte. Und wie er mich angesehen hat…“, ein sehnsuchtsvoller Seufzer entwich Tia.
„ Als ob ich das schönste Wesen sei. So hab ich mich dann auch gefühlt. Er meinte er habe draußen auf mich gewartet, bis ihm einfiel, dass ich ja schon drin sein könnte. Wir saßen die ganze Zeit still im Betha. Keiner wusste was er sagen sollte. War schon irgendwie peinlich, will nicht wissen was die anderen gedacht haben.“
Die ganze Zeit sprudelten die Worte aus Tia heraus und Sonea fragte sich, ob sie überhaupt Luft holte.
„ Es war allerdings keiner da, den wir kannten. Und im Kino dann….Ich weiß gar nicht was für ein Film lief.“, überlegte Tia.
„ Naja, jedenfalls konnte ich mich nicht auf ihn konzentrieren, denn ich wurde durch Simons Nähe abgelenkt. Unsere Arme lagen auf den Lehnen und ich dachte nur die ganze Zeit darüber nach ob er gleich seine Hand über meine legt oder ob ich das machen solle. Und sein Deo.“, schwärmte sie. „ Das roch vielleicht gut hab vergessen zu fragen was das für eines war, muss das auf jeden fall wissen. So ein frischer, leicht zitroniger Duft. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Am liebsten hätte ich die ganze Zeit an ihn geschnüffelt, aber das hätte ja doof ausgesehen und wer weiß was er dann über mich gedacht hätte.
Und nach dem Film, muss mal gucken was das für einer war, war ich enttäuscht. Er hatte seine Hand nicht auf meine gelegt. Das war vielleicht frustrierend.
Wir waren noch etwas trinken gewesen, da mussten dann die restlichen Strohhalme daran glauben.
In der Schule haben wir kein Problem damit uns zu unterhalten, aber heute Abend, das war schon unangenehm.
Mir fiel nichts ein und über den Film konnte ich mich sowieso nicht unterhalten.
Als er mich dann nach hause bringen wollte war ich richtig enttäuscht. Aber dann, auf dem Weg zu mir, machte es Klick. Simon hat vorsichtig meine Hand genommen und ich hab innerlich gejauchzt.
Dann konnten wir uns auch unterhalten. Ich weiß gar nicht über was wir geredet haben, über Gott und die Welt oder so.
Wir saßen im Park unter der riesigen Linde. Du weißt schon welche.“
Dass es zig Linden im Park gab, daran dachte Tia anscheinend nicht und einige besaßen sogar eine Bank.
„ Auf jeden Fall, haben wir die Sterne betrachtet und vor der Haustür…“, kichernd unterbrach Tia sich.
„ Da hat er mich geküsst.“, flüsterte sie leise.
„ Oh Gott, das war der schönste Kuss in meinem Leben. Wenn ich daran denke könnte ich noch kreischen und bekomm eine Gänsehaut.
Ich glaub, ich hab ein riesengroßes Grinsen im Gesicht. Es fühlte sich so gut an in seinen Armen und sein Duft hat mich ganz verrückt gemacht. Am liebsten hätte ich mich in ihm vergraben und nie mehr losgelassen. Der Kuss dauerte an und dann gab es immer wieder kleine Küsschen zwischendurch. Doch dann mussten wir uns trennen und ich hatte das Gefühl alleine zu sein.“
Traurig klang ihre Stimme.
„ Naja, ich musste dir alles sofort erzählen. Ich wünsch dir eine gute Nacht. Schlaf schön. Ich werde das ganz bestimmt.“
Und dann klickte es an Soneas Ohr.
Schon wieder blinzelte sie verdutzt. Heute Nachmittag und jetzt einfach so, abrupt alleingelassen.
Das Mädchen ist voll verpeilt durch ihr verliebt sein. Schmunzelnd wollte sie ihr Handy gerade weglegen, da klingelte es erneut.
„ Oh man ich doofe Kuh. Sorry das ich so abrupt aufgelegt habe. Ich bin so hippelig. Ich komme morgen zu dir, da erzähl ich dir alles. Und danke wegen heute Nachmittag. Hatte voll vergessen das du keinen Schlüssel hast und irgendwie fiel mir nachher ein, das es doof von mir war dich da allein stehen zu lassen. Tut mir leid. Schlaf schön.“
Sonea wünschte ihr auch eine gute Nacht.
Zu müde um sich noch zum zu ziehen, zog Sonea sich bis auf die Unterwäsche aus und kroch unter die Bettdecke. Ein Blick auf ihr Handy zeigte das es drei Uhr morgens war.
Kurz vor dem einschlafen fiel ihr eine Bemerkung ein. Was wollte Tia ihr denn alles erzählen? Sonea hatte das Gefühl gehabt alles zu wissen. Aber vielleicht kam ja da noch mehr.
Sich in die Decke einkuschelnd fielen ihr die Augen zu.
Murrend zog sich Sonea die Decke über den Kopf um die frühe Morgensonne zu ignorieren. Warum musste das Wochenende immer so kurz sein? Und warum musste die Schule immer so früh beginnen?! Konnte der Unterricht nicht erst um zehn anfangen, zu humanen Zeiten?
Grummelnd zog sie die Decke noch fester um sich. Das Gezwitscher der Vögel nervte. So früh am Morgen musste das nicht sein.
Dieses Wochenende war eh zu kurz. Außer den Samstagabend hatte sie keine Zeit für sich gehabt. Das Telefonat mit Tia hatte sie schon aus dem Schlaf gerissen und der Sonntagmorgen begann auch nicht besser. Um acht Uhr morgens klingelte ihre beste Freundin Sturm. Sogar ihre Eltern hatten noch geschlafen.
Sonea liebte Tia über alles, aber das war das erste Mal an diesem Tag, das sie ihre Freundin hätte erwürgen können.
Den ganzen restlichen Sonntag hieß es dann Simon hier, Simon dort, Simon, Simon, Simon. Konnte man eine Phobie gegen einen Namen bekommen?
Also nichts gegen die Person die diesen Namen trug, aber schon das Wort reichte aus um Sonea mit den Zähnen knirschen zu lassen.
Am Abend dann musste sie sich zurückhalten um Tia dann doch nicht zu erwürgen.
Muss Liebe schön sein.
Seufzend schlug Sonea die Decke weg und starrte die Decke an.
Noch einmal seufzte sie auf und fuhr sich über die Augen. Über solche Sachen sich schon am frühen Morgen Gedanken zu machen brachte nichts. Für ihr Gehirn war es noch zu früh.
Sich aufrappelnd, saß Sonea einen Augenblick lang still an der Bettkante und gähnte herzhaft.
Mit den Füßen sich über den Boden tastend, suchte sie ihre Hausschuhe. Irritiert, weil sie nur einen fand, blickte sie nach unten.
„Schon wieder.“, murmelte sie und beugte sich nach vorn, um unter ihrem Bett in den unendlichen Weiten ihren zweiten Schuh zu suchen. Langsam machte es keinen Spaß mehr dieses morgendliche Ritual. Kichernd fiel ihr ein Vorspann ein, „ Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr….sowieso“. Es war eindeutig zu früh für sie. Nachdem Sonea den zweiten Hausschuh gefunden hatte verschwand sie im Bad um kühl zu duschen. Mit Gänsehaut und einem mürrischen Gesichtsausdruck kam sie zurück.
Sie war zwar nun munter, aber hatte keine Unterwäsche mitgenommen. So wie Gott sie schuf, nur mit ein paar Rundungen zu viel, ging sie, sich leicht unwohl fühlend zur Kommode und nahm sich frische Wäsche raus. Außerhalb des Badezimmers unangezogen zu sein kam für sie nicht in Frage. Ihre Komplexe ließen sie immer peinlich erröten. Vielleicht schaffte sie es ja irgendwann einmal nicht vor Scham durch das Zimmer zu hüpfen und hasch mich, ich bin der Frühling zu spielen, aber bis dahin dauerte es noch.
Angezogen, tapste Sonea gähnend die Stufen hinunter in die Küche. Ein Blick auf die Uhr zeigte dass die Zeit nur so dahin kroch. Wenn der Morgen schon so super anfing wie sollte dann der Rest des Tages aussehen.
Sie öffnete den Kühlschrank, starrte hinein und schloss ihn wieder, ohne etwas heraus zunehmen. Kein Hunger.
Und nun?! Was sollte sie jetzt machen!? Bis sie zur Schule gehen konnte hatte sie noch genügend Zeit.
Seufzend schmiss sich Sonea im Wohnzimmer auf die Couch und zappte durch das Fernsehprogramm.
Wie befürchtet war der ganze Tag fürchterlich. Die Zeit floss dahin wie fast erkalteter Karamell. Von Tia sah sie nicht viel und wenn dann nur aus der Ferne mit Simon. Sie hatten zwar abgemacht, dass ihre Freundin nun mehr Zeit mit ihm verbringen sollte, aber das Sonea komplett abgekanzelt wurde, davon war nicht die Rede.
Dafür konnte sie nun in Ruhe Lucien beobachten ohne aufgezogen zu werden und ihre Stalker Qualitäten wurden immer besser.
Der Rest der Woche verlief genauso, aber mit nur einem Unterschied. Jeder Tag hätte ein paar Stunden mehr haben können. Die Proben für den Chor und das Theaterstück nahmen jede Freizeit ein, die Sonea besaß.
Während das Üben des Stückes „Romeo & Julia“ zwar stressig war, aber trotzdem spaß machte, wurden die Chorproben zur reinsten Schikane. Giftige Blicke trafen die Chorleiterin während des Treffens und auch in der Schulzeit. Chris, der neben Sonea stand murmelte an einem Tag, als es besonders schlimm war, das, wenn man Noten anfassen könnte, er sie nach der Lehrerin werfen würde.
Man konnte schon fast sagen, jeder schleppte sich widerwillig zu den Proben.
Abends dann fiel Sonea müde in das Bett.
Und warum der ganze Stress? In einer Woche begann das Sommerfest. Das ganze Wochenende konnte man die Schule besuchen und jede Attraktion besichtigen und genießen.
In ihrer Klasse war nun endgültig der Krieg ausgebrochen. Es gab zwei Fronten, die der Mädchen und der Jungen. Warum allerdings hatte Sonea nicht so ganz begriffen.
Was sie aber festgestellt hatte, war, dass so mancher Junge eine richtige Zicke sein konnte. Da sollte sich mal einer über die Mädchen beschweren, denn die wurden bei dem Gekeife untergebuttert.
Blinzelnd öffnete Sonea die Augen. Die Sonne schien schon seit ein paar Stunden in ihr Zimmer und nun hatten die Sonnestrahlen, in denen der Staub glitzernd tanzte, ihr Bett erreicht. Einer besonders großen Staubflocke folgte Sonea mit den Blicken fasziniert.
Sich noch einmal in das Kissen kuschelnd, streckte sie sich. Es war schon bedeutend besser von selbst am frühen Morgen auf zuwachen, als vom Wecker geweckt zu werden. Heute am Samstag wollte sie in der Schule mal vorbei schauen, wie weit die Geheimarbeiten in der Turnhalle waren. Mit etwas Glück schaffte sie es in die heilige Halle. Schnell geduscht, die restlichen Lebensgeister geweckt, schlich sie die Treppe hinunter.
Um diese Zeit schliefen ihre Eltern noch. Gestern waren sie sehr spät nach hause gekommen. Ein Pokerspiel mit Freunden. Sonea wollte lieber nicht wissen, um was sie spielten.
Verwirrt blinzelnd stand Sonea in der Küche. Irgendwie schien ihr Kopf nicht verarbeiten zu können, was ihre Augen sahen. Verdutzt starrte sie auf den Fleck, bevor es klick machte und sie anfing zu lachen. Ihr Vater kam schon mal auf verrückte Ideen. Vor ihr stand ein cremefarbener Toaster mit einer dicken lindgrünen Schleife und davor lag ein Zettel, mit der unverkennbaren schnörkeligen Schrift ihres alten Herren.
„Auf das du nichts mehr zu mosern hast, ich in
Ruhe meine Morgenzeitung lesen kann und die Spüle
keine Invasion von schwarzen, verkohlten Krümeln
mehr hat.“
Mamutschka
&
Daddy
Immer noch kichernd verließ Sonea das Haus. Genießerisch hielt sie ihr Gesicht der Sonne entgegen. Heute war es noch nicht ganz so warm, wie an den Tagen davor um diese Zeit.
Die rechte Hand sacht durch das Korn streifend, lief sie den schmalen Weg zwischen den Feldern entlang. Der warme erdige Geruch und der des Korns hatten etwas Beruhigendes.
Als sie sich immer mehr dem Schulgebäude näherte vernahm Sonea die ersten Geräusche. Der Wind wehte ihr verschieden herüber. Klopfen, hämmern, sägen und bohren wurde vom Gelächter der Schüler unterbrochen. Nachdem Sonea die schützende Baumreihe hinter sich gelassen hatte, konnte sie unter sich das emsige Treiben sehen. Überall lagen Bretter herum und skelettartige Holzgebilde verteilten sich über das ganze sichtbare Gelände. Die meisten waren im klassischen hellen braun gehalten, aber die farbigen stachen ins Auge.
Sowie die letzten Jahre auch gab es das Torten werfen, das bei den Schülern beliebt war, ebenso das Wasserball werfen. Wenn man die Zielscheibe traf, wurde derjenige, der daneben auf dem Brett saß ins Wasser fallen gelassen. Meistens waren die „Opfer“ bei diesen beiden Attraktionen Lehrer. Die Einnahmen davon gingen in die Schulkasse, die für Ausflüge oder aber für bestimmte Feste waren.
Sonea konnte ein Vermögen ausgeben und würde keinen ins Wasser schicken. Ihre Treffsicherheit lag bei absolut null. Hatte sie überhaupt schon einmal die Zielscheibe getroffen? Erinnern konnte sie sich jedenfalls nicht.
Die Themen für die anderen Attraktionen waren immer die gleichen, nur das sie sich von ihrer Aufmachung änderten. In dieser Schule waren viele Nationen vertreten und daher gab es verschiedene Essensstände mit den leckersten Kleinigkeiten. Über Hamburger, Currywurst, Chili Con Carne, Pizza, Sushi, Gyouza, bis hin zu Gyros, Börek war alles vertreten.
Und es gab einen Stand, der nur vererbt wurde. Die ältere Generation reichte ihn an die jüngere weiter. Jungs, die sich für die Schöpfung Gottes hielten um Frauen zu beglücken, hatten sich vor Jahren zusammengetan und diesen Stand ins Leben gerufen. Warum sie sich für die Frauenversteher hielten wusste Sonea bis heute noch nicht. Okay es gab einige unter ihnen die nicht schlecht aussahen, aber nicht so gut, dass sie sich diesen Titel verdient hatten. Macho hätte da besser gepasst.
Aber über solche Dinge streitet man ja nicht, denn es gab ja genug Mädchen an dieser Schule die das Selbstbewusstsein der Jungs maßlos steigerten. Sonea fand, das es da andere gab die eher in die Kategorie gehörten.
Erstens sahen sie besser aus, zweitens war da noch etwas im Oberstübchen, drittens waren sie hilfsbereit, viertens man fühlte sich in ihrer Gegendwart wohl und fünftens sie waren sich ihrer Ausstrahlung nicht bewusst. Aber leider war ja die Oberflächlichkeit bei vielen wichtiger als das was wirklich zählt.
Zu ihrer Schande musste Sonea sich eingestehen war sie auch schon versucht gewesen diesem Stand einen Besuch abzustatten. Letztes Jahr, war Petré in diesem ach so tollen Club. Groß, sportlich, dunkelblaue Augen und blauschwarze Haare. Sein Lächeln hatte jedes weibliche Wesen von den Beinen gefegt und sein Charme war unübertroffen. Selbst heute noch könnte sie sich in den Hintern beißen, weil sie sich nicht in die Schlange gestellt hatte, die einen Kuss für drei Euro haben konnten. Jetzt war er in festen Händen und somit aus dem Club ausgestiegen. Wäre ja noch schöner wenn er geblieben wäre.
Überlegend ob sie zuerst im Klassenzimmer vorbeischauen, oder sich gleich in die Turnhalle rein schleichen sollte, blieb sie erst einmal unschlüssig stehen, bis sie sich für das zweite entschied. Auf die Zankereien ihrer Klasse hatte sie ehrlich gesagt keine Lust. Außerdem hatte sie am Rande erfahren das Tias Klasse am gemeinsamen Projekt teilnahm. Also war es sowieso interessanter ihre Freundin zu besuchen als ein klingeln im Ohr zu haben von den ganzen Gekeife.
Vor der Turnhalle standen viele Schüler. Ob sie zu den Klassen gehörten die am Projekt beteiligt waren, oder einfach nur schauen wollten konnte Sonea nicht erkennen. Unsicher ob sie einfach hineinkommen würde, wurden ihre Schritte langsamer und beobachtete erst einmal kurz.
In den fünf Minuten die sie dastand bemerkte sie, dass einige der Schüler als Aufpasser abgestellt waren und somit Fremden keinen Zutritt in die Turnhalle gewährten.
Schon fast entmutigt kratzte Sonea ihren ganzen kläglichen Rest des Mutes zusammen und ging aufrecht mit selbstbewusstem Blick auf die Drei zu die ihr entgegensahen. Ihr schönstes Lächeln aufsetzend grüßte sie die anderen die zurücklächelten und passieren ließen. Überrascht das sie es geschafft hatte, schlich sich ein breites grinsen auf ihr Gesicht, ehe ihre Augen sich weiteten.
Die Turnhalle war nicht wieder zuerkennen. Überall standen Wände aufrecht, dunkel mit faszinierend echter Optik von altem Gestein. Einer langen Mauer folgend erreichte sie endlich den Eingang. Rechts und links standen zwei große Türme. Und einer Attrappe als Gitter, mit der man den Eingang schließen konnte. Ehrfurchtsvoll trat Sonea hindurch und sah nicht weit entfernt Tia, wie sie oben auf einen der beiden Türme und nach und nach die aus Holz dunkel gestrichenen Dachziegel festnagelte.
Als diese ihre Freundin unten stehen sah, winkte sie ihr lachend zu und stieg vorsichtig die Leiter hinunter.
„Hey, na du. Was machst du hier?“
„Spionieren.“, meinte Sonea trocken. Lachend schüttelte Tia den Kopf.
„Da bist du nicht die einzige. Allerdings wurden extra ein paar beauftragt darauf zu achten, das es nicht passiert.“
Sie schaute über die Schulter ihrer Freundin und konnte sehen wie die drei Jungen andere daran hinderten hier hinein zugelangen.
„Anscheinend hattest du Glück.“
„Bin halt unauffällig.“, gleichgültig zuckte Sonea mit den Schultern.
„Nee, mal im ernst. Die drei hatten mich gesehen und durchgelassen. Anscheinend sehe ich harmlos aus und man traut mir das spionieren nicht zu.“
Interessiert betrachtete sie die Bauten.
„Da habt ihr ja noch ne Menge vor euch.“
Seufzend nickte Tia.
„Und ob. Wir sind zwar fünf Klassen, aber irgendwie fehlen überall noch Hände. Christopher rennt seit zwei Tagen panisch durch die Gegend und ist sich nur noch die Haare am raufen.“
Wie auf Bestellung lief an ihnen ein großer blonder Junge vorbei, dessen Haare in alle Himmelsrichtungen standen und durch die fahrigen Bewegungen Christophers noch mehr abstanden. Unter dem linken Arm hatte er eine Mappe und einen großen Zeichenblock geklemmt. In der Hand hielt er das Klemmbrett und strich durch, setzte Häkchen, schrieb neu und korrigierte, dabei murmelte er ohne unterlass.
„Der ist voll fertig und dabei haben wir noch die ganze Woche zeit.“
Nachdenklich blickte sie ihre Freundin an.
„Weißt du was, jetzt wo du schon mal da bist, kannst du gleich mithelfen. Ich weiß zwar das dein spionieren als Scherz gemeint war, aber so wie ich Kerstin kenne hat sie dich damit wirklich losgeschickt.“
„Nee, Kerstin hat damit gar nichts zu tun. Die habe ich seit Freitag nicht mehr gesehen.“
Kurze Zeit später saß Sonea oben auf dem Dach, hatte ein Sicherheitsseil umgebunden bekommen und versuchte nun die Balance zu halten und nicht runter zufallen.
Von hier oben hatte sie einen herrlichen Überblick über die Halle. Alles war wie ein Labyrinth aufgebaut, mit Sackgassen, versteckten Zimmern und Geheimgängen. Dafür das sie nur nachmittags zeit hatten, haben eine Menge geschafft. Überrascht und respektvoll nickte sie.
Sonea war so vertieft in das betrachten, das sie das kleine Holzstückchen, das als Halt für die Füße angebracht war, verfehlte.
Ihr Schrei hallte durch die ganze Turnhalle und alle hielten erschrocken in ihrer Arbeit inne.
Mit geschlossenen Augen schwang sie, wie ein ausgeleiertes Yoyo, knapp zwei Meter über den Boden hin und her. Das Herz raste so sehr, das Sonea dachte, es breche gleich aus ihrer Brust aus. Langsam versuchte sie sich zu beruhigen.
Jetzt fiel ihr wieder ein, warum sie es vermied so hoch oben sich frei zu bewegen.
Sonea mochte gar nicht daran denken, wenn kein Seil um ihre Taille gewesen wäre.
Vorsichtig öffnete sie die Augen und schloss sie sofort wieder.
Bitte, bitte, lass das jetzt nicht wahr sein. Gott wenn du mich liebst, dann war das gerade eine Fatamorgana. Bitte, bitte.
Wieder öffnete sie die Augen. Gott hatte sie nicht lieb.
Dunkle, onixfarbende Augen blickten sie skeptisch an.
Na toll, das muss ja ausgerechnet mir passieren. Was hat er auch gerade in diesem Moment hier zu suchen?
Mmh, immerhin hatte es etwas gutes. Ich kann ihn mal von nahem, direkt in die Augen gucken. Zwar nicht so wie geplant, oder wie ich es gerne hätte, aber immerhin.
Immer noch leicht schaukelnd blickte sie ihn an.
„Was machst du hier?“, fragte er leicht neugierig.
Los, lass dir was einfallen!, fuhr es ihr durch den Kopf und trat sich selbst gedanklich in den Hintern.
„Ähm, ich hänge hier nur so rum.“ Das war das erste was ihr durch den Kopf fuhr.
Nicht gerade geistreich dachte sie sich seufzend. Wie zur Bestätigung schaukelte sie heftiger, als Tia sich über die Dachspitze beugte.
„Ach ja und warum?“, schmunzelte er.
„Weil die Aussicht von hier gerade viel besser ist.“
Aus seinem sanften lächeln wurde ein grinsen und seine Augen glänzten vor Lachen.
Oh Gott, gerade fiel ihr ein, was sie gesagt hatte. Flammende Röte schoss in ihr Gesicht.
Das hat jetzt nichts mit Verlegenheitsröte zu tun, das ist nur das Blut, was sich im Kopf sammelt, weil ich hier hänge, versuchte sie sich zu beruhigen.
„Möchtest du die Aussicht weiter von hier aus genießen, oder soll ich dir runter helfen.“ Den Kopf leicht zur Seite geneigt, sah er sie Erwartungsvoll an.
„Runter helfen.“, krächzte sie.
Mit einem Arm umschloss er ihre Hüfte, zog sie fest an sich, während er mit der anderen Hand das verhedderte Seil von ihren Beinen befreite und den Knoten löste.
Soneas Herz hatte schon gerast, als sie runter fiel, aber nun, nun hatte es zum Endspurt angesetzt.
Als sie so fest an ihn gepresst war, musste sie sich zusammenreißen, denn sonst hätte sie angefangen zu kichern, oder aber sie wäre an Luftmangel gestorben.
Irgendwie wusste sie nicht was sie machen sollte.
Seine Wärme am Rücken, die Muskeln die sie spürte und seinen Arm um ihre Hüfte, ließen sie kurz die Grundsätze vergessen.
Wie atmet man?
Als es ihr dann doch einfiel zog sie die Luft ein und schloss genießerisch die Augen. Zusätzlich zu dem lebensnotwendigen Sauerstoff, atmete sie auch seinen warmen Geruch ein. Sie konnte nicht sagen nach was er roch, aber es war berauschend. Am liebsten hätte sie sich umgedreht, ihr Gesicht in seine Halsbeuge gepresst und nur noch diesen Duft eingeatmet.
Sonea wusste nicht wie lange sie so standen, aber um sich herum hatte sich eine Traube aus Schülern gebildet, die sich sorgen machten und Tia lief aufgeregt durch das Tor auf sie zu.
„Alles in Ordnung mit dir?“, panisch blickte sie ihre Freundin an, die leicht apathisch an Lucien gepresst war und tastete sie nun ab.
Gedankenverloren nickte Sonea und wurde langsam und vorsichtig runtergelassen.
Nach dem Lucien festgestellt hatte dass das Mädchen allein stehen konnte, ließ er sie vollkommen los. Er beugte sich vor und flüsterte etwas leise in ihr Ohr.
„Wenn du diese Aussicht genießen möchtest, dann frag das nächste mal und starte nicht solche Aktionen.“
Noch leicht neben sich, schwebte Sonea hinter Lucien her, ehe sie von Tia zurückgehalten wurde.
„Was soll das werden?“, fragte diese ihre noch leicht abwesende Freundin.
Mit weit aufgerissenen Augen und vollends neben sich stehend, taumelte Sonea zum Tor und ließ sich nieder. Tia hockte neben ihr und versuchte sich selbst zu beruhigen.
Das Wochenende kam Sonea leicht unwirklich vor. Eigentlich hatte es für sie gar nicht existiert. Die ganze Zeit über hing sie in Gedanken, in ihrem kleinen Luftschlösschen. Für ihre Aufgaben zu hause war sie zu nichts zu gebrauchen. Während ihre Seufzer am Anfang noch mit einem Schmunzeln belächelt wurden, so wurden sie dann doch lästig und Frau Blessten verbannte sie aus dem Haushalt. Wenn man den Salat in den Geschirrspüler und das benutzte Geschirr in den Kühlschrank stellte, war man eindeutig nicht anwesend, sondern in anderen Sphären. Zum Glück waren keine Chor und Theaterproben am Wochenende, denn zuviel, hatten die Lehrer festgestellt, schadete den Auftritten und der Stimme.
Am Montagmorgen schauten Sonea zwei glänzende, verträumte Smaragde im Spiegel an. Es war ihr schon leicht peinlich dass ein so kurzes Treffen sie so aus der Bahn warf.
Ein Läuten riss sie aus ihren Gedanken und mit einem quietschen flitzte sie aus dem Bad, schlüpfte schnell in ihre Kleidung und polterte die Treppe hinunter. Ein Blick auf die kleine Uhr im Bad hatte ihr gezeigt, das sie zu lange abwesend war. Unten wartete schon Tia ungeduldig und ein kleines fieses Grinsen hob deren rechten Mundwinkel.
„Na auf welcher Wolke waren wir wieder?“
„Ach sei still.“, meinte Sonea nur und schwieg.
Lange jedoch konnte sie es nicht aushalten.
„Und wie weit seid ihr gekommen?“
„Sehr weit. Obwohl wir einen kleinen Rückschlag hatten, wegen der falsch gelieferten Bretter, haben wir gut aufgeholt. Ein paar Mädchen aus der 3. Stufe haben uns mit Eis, gekühlten Getränken und belegten Broten versorgt. Das hat uns gut getan und dadurch sind wir sogar etwas vor dem Plan.
Allerdings muss ich sage, das mir alles weh tut. Wusste gar nicht das ich überall dort Muskeln habe.“
Leicht vor Schmerzen das Gesicht verzogen bewegte Tia die linke Schulter.
„Jetzt weißt du wie ich mich fühle wenn wir Basketball, Tennis, 2000 Meter und so haben. Da habe ich manchmal das Gefühl am nächsten Tag wie auf rohen Eiern zu laufen. Ganz schlimm war es, als wir letztes Jahr ein Freundschaftsportfest mit der Nachbarschule „Kingsley St. Stone High School“ hatten. Da bin ich nur noch gekrochen.“
„Stimmt. Am Montag waren viele Schüler nicht da und du hattest dazugehört.“
„Ich konnte am Sonntag keinen Finger mehr rühren.“
„Das versteh ich aber nicht so ganz. Du bist doch im Schwimmverein. Da brauchst du doch auch ne Topkondition.“
„Ja aber da trägt das Wasser mein ganzes Gewicht.“
Verdutzt blickte Tia Sonea an und blinzelte.
„Man, manchmal hast du echt nen Schatten, weißt du das.“ Kopfschüttelnd boxte Tia ihre Freundin in die Seite.
Lachend blitzten die grünen Augen die Kleinere an.
„Aber weißt du was gut ist. Das ich mit deinem Kostüm fertig bin. Zum Glück brauchte ich nicht so viele zu nähen. Die anderen aus der Gruppe waren echt fleißig.“
„Du bist schon fertig?! Und warum brauchte ich es nicht anprobieren?“
„Weil ich deine Maße im Kopf habe.“
Gespielt entsetzt blieb Sonea stehen und umklammerte mit ihren Armen ihren Körper und zog ein Bein an.
„Oh mein Gott, bist du ein Stalker? Muss ich um meine Jungfräulichkeit fürchten?“
„Du spinnst Sonea. Hat man dich schon mal untersucht?“
„Hat man und der Arzt meinte das es ein hoffnungsloser Fall sei. Keine Chance auf Heilung.“
Lachend schüttelte Tia den Kopf.
Als sie endlich die Schule erreicht hatten, entfloh Tia ein glücklicher Seufzer. Bevor Sonea ihn persönlich nehmen konnte sah sie Simon und ein schwarzhaariges Mädchen, das sich in seine Arme warf.
Nee, nee, nee ist Liebe schön, dachte Sonea und blickte leicht neidisch auf das glückliche Paar.
Das sie nicht die einzige war die, die beiden beobachtete stellte sie kurz darauf fest. Neben Simon stand ein hoch gewachsener schwarzhaariger Mann, dessen Ausstrahlung einen anzog. Schluckend sog Sonea seine Erscheinung auf. Seit Samstag waren zwar nur zwei Tage vergangen, doch für sie war es eine Ewigkeit. Immer noch hing ihr sein Duft in der Nase und seine Wärme hüllte sie ein. Langsam wanderte ihr Blick über seine Beine.
In dieser Cargohose hat er bestimmt einen tollen Hintern, dachte sie sich und lief rot an.
Ihr Blick strich über den Oberkörper, der leider von einem dunkelgrünen Hemd verdeckt wurde, zum offenen Kragen, der seinen Hals frei legte. Am liebsten hätte sie kleine Küsse darauf verteilt. Das eh schon leicht rote Gesicht wurde noch eine spur dunkler als sie in seine Augen sah. Die Augenbraue leicht hochgezogen blickte er sie wissend an. Sein Ausdruck sagte ihr, dass er genau wusste was sie gedacht hatte.
Als ob das einer könnte murmelte sie in Gedanken.
Unsicher, was sie machen sollte zögerte Sonea mit dem weitergehen. Tia sah sie fragend an, ehe ein wissendes grinsen auf ihrem Gesicht erschien. Dafür hätte Sonea sie treten können. Also atmete sie tief durch und ging selbstsicher zu den dreien hin, obwohl sie am liebsten kehrt marsch machen würde.
Warum war sie nur so schüchtern? Bei Simon hatte sie kein Problem, auch bei anderen nicht, naja nicht wirklich. Am Anfang ist die Hemmung sich mit ihnen zu unterhalten schon da, aber nach kurzer Zeit war sie aufgetaut. Tia meinte, wenn sie festgestellt hatte, dass keiner sie fressen will. Nur bei Lucien hatte sie Probleme. Schon wenn sie an ihn dachte überkam sie pure Schüchternheit und in seiner Nähe, selbst wenn er fünf Meter weiter weg stand, bekam sie keine Luft vor Aufregung.
Hatte sie diese Probleme bei Chris auch? Egal wie sehr sie sich zu erinnern versuchte, diese Gefühle hatte sie nicht bei ihm.
Tia grinste immer noch, nachdem Sonea sich zu ihnen gesellt hatte.
„Na, auch schon da?!“, kam es von ihrer Freundin und irgendwie hatten diese Worte eine merkwürdige Tonlage. Ein giftiger Blick aus grünen Augen traf den von hinterhältig funkelnden blauen. So schnell es Tia konnte, verwandelte er sich in einen unschuldigen, aber Sonea hatte ihn gesehen.
Na warte, dachte sie sich. Das zahl ich dir heim. Ich weiß noch nicht wann und wie, aber ich werde es tun.
Sie war so in ihre Rachepläne versunken, dass sie erst kurze Zeit später mitbekam, wie alle Sonea anblickten.
Ein geistloses „Hä“ kam über ihre Lippen. Kopfschüttelnd blickte Simon sie an.
„Anscheinend gibt es noch Nachwirkungen von ihren unliebsamen Fall am Samstag. So wie es aussieht hat sich das zu viele Blut in ihren Kopf auf ihre Sprachmotorik ausgewirkt.“ Spott ohne Ende war bei jedem Wort zu hören das Lucien aussprach.
Wütend funkelte sie ihn an. Duhuuu, ich kann dich auch treten, dachte Sonea erzürnt.
Ach wirklich?, antworteten seine Augen. Wenn da kein Schalk in den Augen gefunkelt hätte, dann hätte sie ihn wirklich getreten. Schüchternheit hin oder her. Wie konnte sie in der Nähe dieses Kerls Herzflattern bekommen, so unmöglich wie er sich benahm. Ruhig Blut, immer ruhig Blut, flüsterten ihre Gedanken ihr besänftigend zu.
„Und alles okay bei dir?“, fragte Simon noch einmal und ignorierte Lucien.
„Tia hat mir erzählt was pass….“
„Luuuucieeeeeeeen…..“, flötete eine laute Stimme übertrieben lieblich.
Alle vier zuckten zusammen. Ein genervter Ausdruck huschte so schnell über das Gesicht des gerufenen, das man schon wieder dachte man hätte ihn sich eingebildet.
„Hier bist du ja. Was machst du hier?“, strahlend lächelte Jenny ihn an.
„Oh hallo Simon. Hi Sonea. Ach Tia.”, begrüßte sie die drei anderen, wobei die letzte nur herablassend, höflicherweise mit genannt wurde.
„Tja, da kommt dein zweiter Schatten. Viel spaß noch.“ Schadenfroh grinste Sonea den Jungen an, klopfte ihn auf den Arm und verschwand eilig mit den anderen.
Manchmal war ihr Mund schneller als ihr Kopf. Wie sie das geschafft hatte, beschäftigte sie noch in den ersten beiden Stunden, denn zeit genug dafür hatte sie ja.
Sich Luft zufächelnd, saß sie wartend in der kurzen Pause auf die dritte Stunde. Aus dem Fenster starrend registrierte sie irgendwann dass jemand an ihren Tisch getreten war. Überrascht blickte sie auf und schaute in die rehbraunen Augen von Michael. Normalerweise sah sie ihn nur in der Theatergruppe.
„Hi Sonea. Ich wollte dir nur kurz Bescheid geben, dass wir uns in der großen Pause am See treffen. Wir wollten noch einmal kurz alles besprechen.“
Mit einem lächeln verschwand er wieder.
Sonea hatte noch nicht einmal Zeit gehabt zu antworten.
Wieso trafen sie sich in der Mittagspause? Heute Abend war doch eh Probe, oder war es morgen?
Irgendwie hatte sie die Übersicht verloren, wann Chor und wann Theater war. Momentan nervte es sie eh. Vor Unterrichtsbeginn und nach Schulschluss proben, das war zuviel für sie. Allerdings war es bei solchen Veranstaltungen immer das gleiche. Der Gedanke nur noch in einen von beiden Clubs zu bleiben kam zu dieser zeit immer öfters, aber blieb dieser nur so lange bis die Auftritte waren. Denn da genoss sie es.
Das einzige was in dieser zeit zu kurz kam war das schwimmen. In den Sommermonaten freute sich Sonea besonders darauf, denn da nutzten sie das Becken außerhalb der Halle. Sich die Sonne auf den Pelz brennen lassen und dann noch schwimmen, besser konnte man es doch nicht haben, oder?
In der großen Pause, sah Sonea schon von weitem die anderen der AG im Gras am See sitzen. Sie trat zu Tia und Simon, die kurz vor ihr angekommen waren und blickte sie fragend an. Diese zuckten nur mit den Schultern. Der Leiter der Theatergruppe wartete solange bis alle anwesend waren.
„Ihr wundert euch sicher, dass ihr alle hier herkommen solltet. Der Grund dafür ist, dass wir zusätzlich zu den anstehenden Proben noch einpaar dazu nehmen werden. Denn ich finde, das wir noch ein gutes Stück besser werden müssen, als wir schon sind.“
Ein kollektives stöhnen ging durch die Menge.
„Ich weiß das es euch nicht passt und dass das bisschen Freizeit welche ihr noch habt für die Proben opfern müsst. Aber bedenkt dass wir, wenn wir fleißig üben den Erfolg durch das Publikum zu spüren bekommen. Deshalb sind ab sechzehn Uhr Proben angesagt, zusätzlich zu den vor dem Unterricht.“
Unfreiwilliges murren war die Folge der Ankündigung.
„Ja Sonea was ist?“, fragte Herr Rasden, als das Mädchen den Arm hob und sich meldete.
„Ich habe heute Chorprobe.“, fiel ihr dunkel ein. „Und die beginnt auch um vier.“
„Das ist kein Problem. Ich habe mit allen anderen AG Leitern gesprochen und ihr habt frei um an den Proben des Stückes teil zu nehmen.“
Ach, dachte sich Sonea, das ging?! Nach Frau Furtanens Meinung waren sie doch so grottenschlecht, dass keine Chorprobe verpasst werden durfte. Aber lieber Theater als Chor. Das war entspannender und viel lustiger.
Nach der Verkündung zerstreut sich die Gruppe wieder und die beiden Freundinnen gingen mit Simon zur Bank unser dem großen Baum, die Lucien frei hielt. Eigentlich wäre Sonea nie wirklich auf den Gedanken gekommen zu ihm hin zugehen, aber die beiden anderen gingen entschlossenen Schrittes auf ihn zu.
Außerdem ging es Sonea zu schnell. Letzte Woche noch sah sie ihn nur aus der Ferne und heute schon verbrachten sie gemeinsam die große Pause.
Tia konnte anscheinend ihre Gedanken lesen.
„Beziehungen.“, meinte sie schmunzelnd. „Das ist der Vorteil wenn man mit dem Freund zusammen ist.“
„Wie du siehst, kann ich auch ohne meinen zweiten Schatten klarkommen.“, war das erste was Lucien sagt als die drei bei ihm angekommen waren. Und tatsächlich Jenny und sein Fanclub waren nicht in Sicht. Diesmal jedoch wusste Sonea nichts darauf zu antworten und außer einem „Ah“ fiel ihre Antwort ziemlich dürftig aus.
Anscheinend war ihr Mund eingeschlafen, dafür aber war etwas anderes am rasen. Ob sie es zugeben wollte oder nicht, sie fand es toll dass er so mit ihr redete. Offen, ohne Hemmungen. Und wie so dastand, im Schatten des Baumes und das Sonnenlicht, das vereinzelt durch die Krone schien, ließ seine dunklen Augen funkeln und gaben seiner Erscheinung etwas unwirkliches.
Am liebsten hätte sie tief geseufzt und ihn offen angeschmachtet, aber das ging ja nicht, nicht während er vor ihr stand und sie spöttisch ansah.
Etwas steif saß Sonea dann auf der Bank. Ihre ganze Schüchternheit und Unsicherheit kamen auf einmal. Was sollte sie jetzt tun?
Sich an dem Gespräch beteiligen? Ging nicht, denn sie hatte keinen Plan worüber sie sich unterhielten. Egal wie konzentriert sie zuhörte. So wie Sonea die Worte vernahm, so waren sie auch sofort wieder fort.
Stumm rumsitzen machte keinen guten Eindruck und nicht zu hören war unhöflich. Also tat sie so als ob. Ab und zu nicken, hier und da ein Lächeln, oder ein kleines dazu passendes „ah“.
So überstand sie die Pause. Bevor Tia in ihre Klasse verschwand wandte sie sich an ihre Freundin.
„Du hast kein Wort verstanden, oder?“
„Nicht ein einziges.“, seufzte Sonea.
„Hat man gemerkt.“
Erschrocken sah Sonea auf.
„Keine Panik. Vielleicht hätte ich sagen sollen ich habe es bemerkt.“, beruhigte Tia das andere Mädchen.
Erleichtert atmete Sonea auf und ging den Gang hinunter in ihr Klassenzimmer.
Es war ihr vorher nicht wirklich aufgefallen, aber die Wände waren vereinzelt mit Stoffbahnen abgedeckt und einige tapezierte Holzwände hatten Kerzenleuchter als Schmuck verschnörkelte Bilderrahmen und Spiegel standen in der hintersten Ecke des Raumes.
„Der Rest steht im Hinterzimmer.“, merkte Kerstin an, die gerade an Sonea vorbeigekommen war und deren Blick bemerkt hatte.
Fast jedes Schulzimmer hatte noch einen kleinen separaten Raum, den man durch die Tür, neben der Tafel betrat.
In ihm wurden meistens Arbeitsmaterialien aufbewahrt, oder zusätzliche Tische und Stühle.
„Der Freitagnachmittag wird stressig werden.“, sinnierte Kerstin und setzte sich drei Bänke weiter vor Sonea hin.
Der Rest des Unterrichtstages verbrachte sie damit Löcher in die Luft zu starren. Alles nur keinen stress war ihr heutiges Motto.
Als Sonea am Nachmittag den Übungsraum betrat, schlug ihr eine unglaubliche Wärme entgegen. Wie ein Keulenschlag traf sie sie. Alle anderen von der Theater AG lehnten sich aus den weit aufgerissenen Fenstern und genossen jeden Lufthauch, der um ihre Nasen wehte.
„In dem Raum waren seit Freitag keine Leute mehr gewesen. Als ich gekommen bin, dachte ich, ich muss an der Hitze hier drin ersticken.“, meinte Michael der neben ihr stand. „Das Herr Rasden nicht auf die Idee gekommen ist hier mal zu lüften. In dem stickigen Raum zu proben wird anstrengend.“, fuhr er fort.
„Warum proben wir nicht draußen? Es gibt doch ein paar schattige Plätze und die frische Luft ist doch genehmer als der Mief hier.“, sagte Silvio, der mit zugehört hatte.
„Das sollten wir ihm vorschlagen.“, meinte ein anderer und kurz darauf, als der Theatergruppenleiter in den Raum kam, beknieten ihn alle Schüler die Probe nach draußen zu verlegen.
Auf einer Wiese mit großen Bäumen, am Rande des Schulgeländes, nahe den Wohnheimen fanden sie ihren Platz. Während die einen im Gras unter den Eichen saßen, standen die anderen und gingen ihren Text durch.
Der Wind der ab und zu über den Boden wehte, brachte Linderung, denn 32° waren nicht gerade wenig und für Sonea schon gar nicht.
Wohltemperierte 25°, eine angenehme Briese und ein lauschiges schattiges Plätzchen waren eher ihr Ding.
Alles was darüber lag, brachte ihr Unannehmlichkeiten. Spöttisch wurde sie Kaltblüter genannt, was sie Schulter zuckend hinnahm. Da war sie eh eine Ausnahme in ihrer Familie. Ihr Vater fror noch bei 28° und ihre Mutter ging bei über 30° erst richtig auf. Dann suhlte sie sich in der Sonne, wann immer sich die Möglichkeit bot.
„Sonea!“, seufzte Herr Rasden laut auf. „Du musst mehr Gefühl in die Szene legen. Deine Liebe ist wagemutig die Wand hochgeklettert um bei dir zu sein, dich noch einmal zu sehen. Da musst du entflammt sein und nicht so reagieren als würdest du die uninteressante Werbung für Autoreifen lesen.“ Verzweifelt fuhr er sich durch das Haar.
Das leise gemurmelte „ Noch mehr Gefühl und ich schleime.“, ging unter im Gekicher und einem empörtem Laut von ihr. Na dieser Vergleich hinkte doch, aber gewaltig.
„Tja Sonea, so ist das nun mal. Dies ist eine der romantischsten und bekanntesten Szenen und da muss es nun einmal stimmen. Stell dir vor, Michael sei die Liebe deines Lebens, die Luft zum Atmen, der zweite Teil deiner Seele, dein ein und alles.“, rezitierte der Lehrer weiter und versank für einen Moment in seine eigene Realität.
„Sorry.“, entschuldigend die Hand auf den Arm des Jungen gelegt, blickte Sonea ihn an. „Aber du bist nicht die Luft die ich zum atmen brauche und so.“
„Konnte ich mir schon denken.“, schmunzelte Michael. „Deshalb stell dir denjenigen doch einfach vor.“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Kurz blitzten onixfarbende Opale vor ihren Augen auf, doch schnell schüttelte sie den Kopf.
„Mmmh, hast keinen der das sein könnte, oder? Halb so wild, spiel noch mal so wie gerade eben und Herr Rasden wird begeistert sein, denn es war nichts auszusetzen an deiner Darstellung. Ich fand sie überzeugend.“, zwinkerte er ihr grinsend zu.
Dann begab er sich wieder auf seine Position und die Szene wurde noch einmal durchgespielt.
Nach fast einer Stunde war das Treffen und proben vorbei. Geschafft und ausgelaugt blieb Sonea noch kurz sitzen, während die anderen sich auf den Weg zu den Wohnheimen machten.
Dass die Balkonszene so anstrengend werden würde, hätte sie nicht gedacht. In den Filmen und Theateraufführungen sah sie immer so einfach aus. Zum Glück ging es in dieser Woche nur noch mal um das festigen des Textes und das ausmerzen von Fehlern.
Mit geschlossenen Augen lauschte sie dem Wind der in den Baumkronen mit dem Laub spielte.
Ein wispern schwoll zu einem flüstern an. Verwirrt runzelte Sonea die Stirn. Was war das?
Irritiert stellte sie fest dass es der Text der Balkonszene war, so verführerisch geflüstert, dass eine Gänsehaut sich auf ihrem Körper ausbreitete. Langsam öffnete sie die Augen und blickte sich suchend um. Die Stimme die nun etwas lauter den Text wieder gab befand sich hinter ihr. Sich rasch umdrehend starrte Sonea den Stamm der Eiche an. Leicht neigte sie sich zur Seite und sah rabenschwarzes Haar.
Hu…, damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Vielleicht Michael, der ihr noch helfen wollte, aber mit ihm bestimmt nicht.
Lucien drehte den Kopf, so das Sonea in seinen Augen sah, die vor Leidenschaft funkelten und ihrem Herzen einen Stillstand bescherten. Gebannt sah sie ihn an, hing an seinen Augen, lauschte seinem Klang und ließ sich im Strudel ihrer Gefühle davontragen.
Sich wieder fassend, blinzelte sie mehrmals, nachdem Lucien aufgehört hatte die Rolle des Romeos zu spielen.
Mit funkelnden Augen sah er sie an.
„Eure Vorstellung von der Balkonszene war lausig. Da können sogar zwei Kühe mehr Leidenschaft der Verliebtheit hervorbringen.“
Ein kalter Schwall Wasser goss sich über Sonea aus, als sie die Kritik hörte.
„Ach ja und du kannst das beurteilen? Woher willst du wissen was gut war und was weniger gut?“ Wütend und verletzt funkelte sie ihn an. So ein Vergleich war unmöglich. Wie konnte er es wagen Kühe mit ihr und Michael zu vergleichen!? Sie musste sich zusammen reißen und mit Zähne knirschen begnügen um nicht handgreiflich zu werden.
„Weißt du wie oft ich schon den Romeo gespielt habe. Das kann man gar nicht mehr zählen.“
„Ach ja, was kann ich dafür das du jedem Mädchen das nicht bei drei auf den Bäumen ist, die Balkonszene vor spielst?“
„Na na, keine Beleidigungen.“, meinte er belehrend nach ihrem Gefauche.
„Keine Beleidigungen?! Wer hat denn angefangen und uns, Michael und mich mit Kühen verglichen, bestimmt nicht wir!“
„Wem der Schuh passt.“, antwortete Lucien nur.
Röte schoss Sonea ins Gesicht, die Wut kochte in ihr auf.
Boah, wie kann er nur, dachte sie.
„Na ich muss ihn mir ja anziehen, da diese Szene die letzte war die wir geprobt haben und du warst garantiert nicht von Anfang an hier.“
„Stimmt ich bin erst seit einer halben Stunde hier und muss mir zu meinem Leidwesen diese wunderschöne Szene so verschandelt, lustlos und ohne Leidenschaft anhören.“
Das knirschen ihrer Zähne wurde lauter.
„Warum bist du dann nicht in der Theatergruppe und spielst den ach so tollen Romeo?“ Schnaubend pustete Sonea sich eine Strähne aus dem Gesicht.
Ihr war warm und ihre Laune sank in den Keller.
„Vielleicht hätte ja Jenny mit gemacht und du könntest vor einer schmachtenden Julia den mit stolzgeschwellter Brust Romeo abgeben und mit den Armen flatternd und gaggernd vor dem Balkon rumlaufen.“
Grünes Feuer loderte in ihren Augen. Verdutzt blinzelte Lucien sie an, bis er lauthals zu lachen anfing.
Dieses Geräusch ging ihr so durch Mark und Bein, das ein Schauer nach dem anderen durch sie hindurch rieselte.
Fasziniert blickte Sonea ihn an. So ein tolles Lachen und so ein schönes Gesicht dabei, hatte sie noch nie zuvor gesehen.
Immer noch lachend, wischte sich Lucien die Tränen aus dem Gesicht, erst da realisierte sie was sie gesagt hatte und sofort tauchte Lucien vor ihren Augen auf, der wie ein Huhn, oder besser Hahn, mit angewinkelten Armen flatternd die Julia beeindrucken wollte. Erst war es ein kichern, doch dann lachte sie genauso laut wie der Junge vor ihr.
„Ja das nenn ich mal nen tollen Vergleich.“, japste er und legte sich heftig atmend in das Gras.
Fasziniert betrachtete Sonea die helle reine Haut und die schwarzen Halbmonde, seine Wimpern, die sich davon abhoben.
Die gerade Nase, die hohen Wangenknochen und die anmutig geschwungenen Augenbrauen. Der verführerisch, sinnliche Mund war leicht geöffnet.
Ohne groß nachzudenken fuhr sie sacht über die linke Augenbraue, hinunter zu dem Wangenknochen und verweilte am angedeuteten Grübchen am linken Mundwinkel. Leicht verträumt genoss sie das warme prickeln der Berührung seiner Haut.
Als sie seine Unterlippe berührte, war es, als ob kleine Funken von seiner Haut auf ihre Fingerkuppen übergingen. Samtig weich fühlte sie sich an.
Ein eiskalter Schauer durchfuhr sie und ihr Gesicht nahm die Farbe von frisch gefallenem Schnee an, ehe die siedende Hitze sich im Körper breit machte. Entsetzt mit riesigen grünen Augen starrte Sonea ihn an. Sein Blick hatte eine Mischung aus Überraschung, Faszination und Neugierde angenommen, während er wartend da lag und ihr in die Augen schaute.
Entsetzt über sich selbst, wusste sie nicht was sie nun tun sollte. In ihrem leergefegten Kopf hörte sie ein leichtes summen, das immer mehr zu einem lauten brummen wurde uns sich wie ein Schwarm Hummeln anhörte, die eine einzige Frage hatten.
Warum tust du das?!
Das fragte sich Sonea im Moment selbst.
Welcher Esel hatte sie geritten um das zu tun?
Wie kam es überhaupt dazu?
Und wie sollte sie sich aus dieser Situation retten?
Der ganze Körper kribbelte vor Peinlichkeit, so sehr das ihr davon schlecht wurde. Schnell huschte Soneas Blick zu ihren Fingern, die immer noch die warme Haut berührten und zum leicht geöffneten Mund der verführerisch glänzte.
Was machte sie hier?
Schwer schluckend blickte sie wieder in seine dunklen Augen, die an Tiefe gewonnen hatten und das Gefühl vermittelten, in sie hineingezogen zu werden.
Sonea wusste nicht wie lange es gedauert hatte, aber so schnell wie möglich zog sie ihre Hand an ihren Körper und hielt sie mit der anderen fest, so als befürchte sie, das diese sich wieder selbstständig machen würde. Das nächste was sie tat war ihrem inneren Drang der immer stärker wurde nachzugeben.
Sich aufrappelnd stammelte sie eine Entschuldigung, nahm ihre Beine in die Hand und rannte nur noch fort, so schnell sie konnte.
Erst als sie zu hause angekommen war, endete ihre panische Flucht. Keuchend nach Luft schnappend, die rechte Hand auf die Taille gelegt, in der Hoffnung das die Seitenstechen aufhörten, beugte sie ihren Oberkörper so weit nach vorne, dass ihr Kopf das Treppengeländer berührte.
Durch das knallen der Tür steckte ihre Mutter den Kopf aus der Küche.
„Sonea? Was ist los?“, fragte sie stirnrunzelnd.
Verzweifelt blickte ihre Tochter sie von unten her an und schüttelte den Kopf.
Die Schuhe einfach so abstreifend und liegen lassend, stolperte sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Dieses Mal schloss sie die Tür leise.
Erst jetzt ließ Sonea Gedanken zu. Sinnflutartig rollten die Bilder und Gefühle über sie herein. Sie merkte das Prickeln, dass ihr die Röte in das Gesicht schoss. Ächzend lies sie sich auf ihr Bett fallen und presste das Gesicht in das weiche, kühle Kissen.
Ein gedämpftes „scheiße“, welches sie noch ein paar Mal wiederholte, kam im Raum an. Normalerweise verabscheute sie solche Ausdrücke, aber hier schien er ihr passend. Das Gefühl seiner warmen Lippen, prickelte an ihren Fingerspitzen und ein Schrei, abgefangen vom Kissen, entwich ihr.
Wie konnte sie nur?
Warum hatte sie sich dazu hinreißen lassen?
Welcher Teufel hatte sie geritten?
Als sie Lucien so hatte daliegen sehen, mit dem frechen, verschmitzten Lächeln, das sie so zum ersten Mal gesehen hatte, setzten ihre Gedanken aus.
Naja, sie benutzte ihren Kopf eh nicht viel zum denken, aber eigentlich hatte Sonea gedacht, ein bisschen mehr, als diese idiotische Handlung vermuten ließ.
Was dachte er jetzt von ihr?
Sein überraschter Blick kam ihr vor Augen.
Seine Augen…, seufzte sie. Wie kann man nur so schöne Augen haben.
Wieder ein Schrei. Reiß dich zusammen, schrie sie in Gedanken.
Lass dich nicht ablenken…, obwohl, ablenken, auf andere Gedanken kommen. Genau das sollte sie tun. Entschlossen setzte sie sich auf, warf das an sich gepresste Kissen quer über das Bett, so das es dumpf an die Wand klatschte.
Lesen! Genau, ein schönes spannendes Buch, das ist das richtige.
Mit einem Buch in der Hand schmiss sie sich auf ihre Couch.
Nach unendlichen Minuten, in denen man nur die leise Unterhaltung der Wellensittiche hören konnte, seufzte Sonea unbewusst.
Warum rege ich mich eigentlich so auf?
Es war doch nur eine Berührung, der meiner Finger. Wenn es ein Kuss gewesen wäre, dann müsste sie jetzt über einen Schulwechsel nachdenken.
Aber nur das sanft nachfahren seiner Gesichtskonturen?
War doch eigentlich nicht schlimm.
Doch für sie schon. Besonders bei Menschen wie Lucien, oder gerade bei ihm.
Was mochte er von ihr jetzt denken?
Ich an seiner Stelle würde überlegen ob ich nen Schatten weg hätte. Einfach so jemanden in das Gesicht tatschen.
Frustriert warf Sonea ihr Buch an das andere Ende der Couch.
Es war nur eine Berührung ihrer Fingerspitzen an seinem Grübchen, mehr nicht.
Aber warum raste ihr Herz und flatterte ihr Puls?
Warum kribbelten ihre Fingerspitzen?
Warum spürte sie seine seidenweiche Haut, die warm von der Sonne war?
Nachdenklich betrachtete sie ihre Fingerspitzen.
Weil sie ein Mensch war der nie einfach so jemanden berührte, jemanden den sie nicht wirklich kannte.
Sie musste sich leider eingestehen, dass sie für diesen einen jemand mehr empfand als Schwärmerei. Eine Niederlage auf der ganzen Linie.
Diese ganzen Gedanken über Gefühle, Verhalten, Berührungen und eventuell Kuss, machten sie kirre.
Lesen brachte nicht die erhoffte Ablenkung.
Ihre Mutter war zu hause, vielleicht sollte sie ihr auf die Nerven gehen.
Lächelnd ging Sonea die Treppe hinunter und fand nur eine leere Küche vor. Enttäuscht blickte sie sich noch im Wohnzimmer um und nahm den Zettel, der an dem großen Kühlschrank befestigt war in die Hand.
Also nichts mit nerven. Anscheinend war ihre Mutter noch eine Freundin besuchen gegangen.
Und nun?
Was sollte sie nun mit sich anfangen?
Grübelnd starrte sie vor sich hin, bis Sonea bemerkte das sie den Herd die ganze Zeit ansah.
Backen!
Genau das war jetzt das richtige.
Erstens es lenkte ab und zweitens es gab Nervenfutter, auch Frust, - oder Seelennahrung genannt.
In Windeseile wurde der Süßigkeitenschrank geplündert um kurz darauf, mit lauter Musik, die Zutaten für ihre geliebten Schoko – Minz – Törtchen zu verrühren.
Laut summte und sang Sonea mit. Entweder tänzelte sie, bewegte die Hüften oder schwang den Kochlöffel im Takt der Musik.
Ihre Lieblingsmusik so laut wie möglich zum ablenken war perfekt. Dass man alles bis auf die Straße hinaus hören konnte, störte sie wenig.
Das Läuten der Türklingel ging allerdings auch unter.
Kopfschüttelnd wurde nach dem Notfallschlüssel gegriffen und mit zusammengekniffenen Augen und zu gehaltenen Ohren die Tür mit einer Hüftbewegung hinter sich geschlossen.
Man musste nicht lange suchen um die Lärmquelle zu finden. der angenehme Duft von Schokolade und der Gesang zogen einen in Richtung Küche. Dort lehnte man sich an den Türrahmen und beobachtete schmunzelnd das Treiben.
„Auch dieser Brief bleibt ungeschickt von mir
das schönste Lied schrieb ich nicht auf Papier
Ich schrieb es in Dein Gesicht
mit den Fingern, siehst du nicht
was mein Mund Dir hinterließ
Schau auf deine Haut und lies…..“
Erschrocken zuckte Sonea zusammen.
„Man Tia, erschreck mich nicht so.“, keuchte das rothaarige Mädchen und presste die freie linke Hand an ihr Herz, das wie wild pochte.
„Tja, ich habe mindestens achtmal geklingelt. Aber Madame hat die Musik ja so laut, dass sie nichts hört. Was treibst du hier?“, fragte Tia und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Küchentresen, wo sich warme Schoko – Minz – Törtchen stapelten.
„Backen?!“
„Das sehe ich auch, aber warum so viel? Das sind mindestens zwei Dutzend, wenn nicht sogar mehr.“
„Ich hatte einfach Appetit auf Muffins.“
„Und dafür so viel? Das letzte mal als ich dich so viel habe backen sehen, war, als Chris mit dir Schluss gemacht hatte.“
„Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt.“, meinte Sonea hochtrabend pikiert.
„Ach so nennt man das also jetzt wenn er fremdgeht.“, konterte Tia mit hochgezogner Augenbraue.
„Man, ist doch jetzt egal. Sag mir lieber was du hier möchtest.“
Sich angegriffen fühlend, flaumte Sonea ihre Freundin an und beobachtete, wie Tia kurz neben sich griff und eine schwarze Tasche in der Hand hatte.
Oh ha, das war übel. Schluckend betrachtete Sonea ihre Schultasche.
„Wo hast du die denn her?“, fragte sie vorsichtig.
„Ja weißt du, das ist interessant. Ich bin jemanden begegnet, der diese Tasche in der Hand hatte. Mensch, dachte ich mir, die sieht aus wie die von deiner besten Freundin. Aber nein, korrigierte ich mich sofort. Was sollte er mit dieser Tasche zu tun haben. Aber als dieser Jemand direkt auf mich zu kam und ich erkannte das die Buttons wie Kreuze angeordnet waren, so wie bei dir, da wurde ich neugierig. Was machte dieser Jemand mit deiner Tasche.“ Die ganze Zeit über baumelte der besagte Gegenstand in Tias Hand hin und her, so als wollte sie Sonea damit hypnotisieren. Der Blick aus blauen Augen wurde lauernd.
„Du weißt nicht rein zufällig wer dieser Jemand sein könnte?“
Sollte sie jetzt Tia die Wahrheit sagen, oder lügen? Obwohl lügen kam nicht so gut, da Tia eh schon die Antwort wusste.
„Lucien?“, flüsterte sie daher kleinlaut.
„Korrekt. Lucien. Also sag mir mal wie es kommt das er deine Tasche hat?“
Musste Tia so neugierig sein? Konnte sie ihr nicht einfach die Tasche geben und es dabei belassen? Nein, sie musste ja immer weiter bohren.
„Lucien hat uns bei den Proben belauscht und sich anschließend lustig darüber gemacht. Er hat uns mit Kühen verglichen, die ja angeblich mehr Talent hätten als wir.“, rechtfertigte sie sich laut und gereizt.
„Und da haben wir uns gestritten.“, fuhr sie leise fort.
„Ihr habt euch gestritten?“
„Naja, eigentlich provozierte und beleidigte er mich, war spöttisch und ich hab halt darauf reagiert. Und bevor ich noch ausfallend geworden wäre, bin ich wutentbrannt und kopflos davon gestürmt und hab die Tasche vergessen.“
„Ah ha.“, war alles was von der schwarzhaarigen kam, skeptisch die Augenbraue hochgezogen.
Sonea musste ja nicht alles erzählen, oder?
Kopflos ist sie ja schon losgerannt, nur nicht aus diesem Grund.
„Ach und darum bist du rot wie eine Tomate im Gesicht?“
Süffisant mit verschränkten Armen, blickte das schwarzhaarige Mädchen Sonea an.
War sie rot geworden?
Davon hatte sie gar nichts bemerkt.
„Ja vor Wut. Wenn ich daran denke das er Kühe mehr Leidenschaft als uns zumutet….“, gekonnt gespielt gab sie sich wütend und ballte ihre Hand zur Faust um das Kribbeln in den Fingerspitzen zu vertreiben.
„Nur dadurch?“
„Ja, warum denn sonst? Herr Gott noch mal, können wir das Thema wechseln? Wenn ich weiter darüber nachdenke backe ich die ganze Nacht durch und kann die komplette Schule verköstigen.“
„Okay, okay, bin ja schon ruhig.“
Beschwichtigend hob Tia die Hände.
„Mhm, ich habe eh keine Zeit mit dir darüber zu diskutieren. In einer Stunde bin ich mit Simon verabredet und wollte dir nur die Tasche vorbeibringen.“ Ein fieses Grinsen schlich sich auf Tias Gesicht.
„Aber glaub ja nicht dass du vom Haken bist. Wir beide.“, sie zeigte auf Sonea und sich, „werden uns noch mal gründlich unterhalten.“ Das unheimliche Lächeln, das für nervöses Schlucken beim Gegenüber sorgte, vertiefte sich.
Mit einem dumpfen laut fiel die Tasche auf den Boden und leichtfüßig schritt Tia auf ihre Freundin zu. Nervös blinzelte diese, atmete aber innerlich auf, als ihre Freundin an ihr vorbei griff und sich ein paar warme Muffins schnappte. Vergnügt funkelten die blauen Augen, die die ganze Zeit Sonea anblickten. Sie schienen zu sagen „Ich weiß dass du nervös bis und ich genieße es“
Mit einem undeutlichen Gruß und einem Hand heben verließ Tia mit vollem Mund die Küche und anschließend das Haus. Jetzt endlich atmete Sonea richtig auf und lehnte sich an die Theke.
Super, jetzt werde ich tagelang bangen und zittern, bis Tia was sagt. Wie ein Fisch am Haken werde ich zappeln, dachte sie frustriert.
Eigentlich ein Grund noch mehr zu backen, überlegte Sonea, aber als sie die Mengen an Muffins sah, schüttelte sie nur den Kopf und räumte auf.
Allerdings ging das nur mit ihrem Lieblingslied, das sich immer und immer wieder abspielte.
Tag der Veröffentlichung: 22.05.2009
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