Bäume - Herrscher der Welt seit Anbeginn der Zeiten. Wurden verehrt, waren die Götter alter Kulturen. Geschätzt, gepflegt, geschmückt, Teil von Sagen, Mythen, Festen. Im alten Griechenland galt die Todesstrafe für das Fällen von Olivenbäumen, über welche Göttin Athene ihre Hand hielt.
Bäume waren Freunde und Gefährten. Die Wälder Nordeuropas, tiefgrüne dichte Meere, ein Ort der Ruhe, des Friedens. Unter dem Schatten des Laubes unterhielt man sich mit den grünen Riesen, gab ihnen Namen, meditierte - verheiratete sie sogar. Die Wälder waren ein Zuhause, das Schutz bot, wo man Gottesdienste abhielt. Wälder waren wichtiger als das eigene Haus, das Vieh, die Flüsse…
Früher bestand die tiefe Verbindung zwischen uns und der Natur noch.
Doch heute? Was verbindet man heute mit dem Wald? Papierlieferant. Künftige Weidefläche. Abgeholzt, um das Vieh für Fastfood zu mästen, zerstört, um Sojabohnen zu kultivieren. Um neue Hochhaussiedlungen zu bauen - Fabriken - Städte -
Der Mensch gibt dem Wald nicht mehr den Wert von damals. Der Baum ist kein Freund, kein Zuhause mehr. Die Leute sind ihm gegenüber gleichgültig geworden, spüren keine besondere Atmosphäre mehr, wenn sie durch den Wald marschieren. Sie haben den Sinn, den Instinkt verloren, der sie früher so sehr mit der Natur, den Wäldern, den Bäumen verband.
Doch - du, der ich dir diese Erinnerung an die alte Zeit erzähle, die Haltung gegenüber Germanien, wie es einst war, als es noch aus den dichten, tiefen, dunklen, geheimnisvollen Hainen bestand - du, der du vielleicht noch spürst, warum die Farbe Grün kleine Kinder instinktiv beruhigt, nimm dir ein klein wenig Zeit. Nimm dir nur ein paar Stunden, wenn nicht heute noch, dann morgen. Wandre durch den Wald in deiner Nähe und versuche, die Bäume einmal anzuschauen.
Nicht nur gleichgültig mit dem Blick streifen, sondern versuchen, dich mit den Bäumen zu beschäftigen, zu überlegen, wie sie wohl aussähen, wenn sie Mensch wären, welchen Charakter sie hätten, welche Gefühle sie dir übermitteln, wieso eine Eiche stärker und beruhigender ist als eine Birke, … egal, wie nüchtern du versuchst, den Wald und die Stimmung zu ignorieren, ein Wald ist niemals nüchtern. Wenn du lauschst, welche Geräusche um dich herum durch den Hain hallen, merkst du, dass der Wald lebendig ist. Er lebt und ist keine Papierfabrik oder Weidefläche, die man einfach abholzen kann.
Setze dich auf irgendeinen Baumstumpf (und versuche, dich als Teil des Waldes zu sehen, nicht als Mensch, der sich vor ein paar Ameisen ekelt). Und dann stelle dir vor, wie es wäre, wenn jetzt jeder einzelne Mensch vor dir stünde, der hier einmal Bäumen seine Geschichte erzählt hat. Jeder Mensch, seit den Zeiten der Druiden, der Bäumen Gefühle, Sehnsüchte, Trauer und Verzweiflung erklärt hat. Der ernsthaft daran geglaubt hat, dass hier im großen, weiten Wald die mächtigen Riesen lauschen und die Geschichte in den Schatz der Erinnerungen aufnehmen, der in ihnen ruhen wird bis in alle Zeit. Stelle dir alle Erinnerungen vor, die hier in der Stille, im Rauschen der Blätter und in den Geräuschen des Waldes wispern. Vielleicht fand hier still und heimlich eine Verlobung statt, vielleicht weinte hier eine Mutter um ihr verlorenes Kind, vielleicht jagte hier einmal ein König mit seinen Jagdgefährten und einer riesigen Meute Hunden durch den Hain, vielleicht gestand hier ein Mann Fehler, die er sonst niemandem gestehen würde, vielleicht vollzog hier ein Druide nach heidnischer Sitte einen alten Brauch….
Ob auch du den Bäumen von dem erzählst, was dich bewegt, was du erlebt hast und wovon du träumst, oder ob du einen Baum bis ins kleinste Detail aufzeichnest und verewigst, oder ob du im Schatten des Hains meditierst … bleibt dir überlassen. Aber fest steht, dass du ruhiger und nachdenklicher aus dem Wald zurückkehrst, als du hineingegangen bist. Und dass du dann zu all den Menschen und Vorfahren gehörst, die in diesem Wald standen und dort ihre Gedanken und Gefühle haben wandern lassen. Dieses Gefühl könnte ich keinem einzigen meiner Freunde, Familie oder sonst jemandem ganz genau erklären. Man muss es selbst erlebt haben - ja, ich kann den Grund gut verstehen, warum man Bäume seit Anbeginn der Zeit verehrte, mit ihnen redete wie mit Freunden und zu ihnen kam auf der Suche nach Frieden.
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2011
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