Was man nicht sehen kann

Lyn wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Es war ein heißer Julitag, den sie damit verbrachte für die Schule zu lernen und Limonade mit Eiswürfeln zu trinken. Eigentlich hatte ihre Freundin Marie rüber kommen wollen, doch Lyn hatte sie mit einem detaillierten Gespräch über die Vorbereitungen für die Mathearbeit abschrecken können.
Für sie gab es nur eine Freundin und die war sie selbst.
Gegen Nachmittag kam ihre Mutter wieder. Jeden Tag war das Erste, was man von ihr hörte, wie das Fenster im Schlafzimmer geöffnet wurde und nach drei Minuten wieder geschlossen.
Lyns Mutter hatte schon so lange gesagt, sie würde mit dem Rauchen aufhören. Irgendwann war das Versprechen zwischen die Buchseiten ihrer vielen Erziehungsratgeber gerutscht und für immer dort geblieben. Das Erste, was man von Lyns Mutter hörte, waren entweder die Worte: "Machst du mir was zu essen, Schatz?" oder das Geräusch des Telefons, das nach Empfang suchte.
Heute war es das Erstere. Lyn antwortete mit einem Lachen und stand von ihrem Scheibtisch auf. "Ich mache dir einen Salat, damit du mir nicht wegschmilzt", sagte sie im Gehen und lächelte liebevoll.
Schnell war der Salat geschnitten. Dann folgten noch Paprika, Tomate, Mais, Gurke, Zwiebel und später wenige Stücke einer Putenbrust, die sie in der Pfanne anbriet. Zum Schluss das Dressing.
Als sie beide am Tisch saßen, fragte Lys Mutter sie nach ihren Noten.
"Eine 1 in Englisch, eine 2+ in Mathe", sagte ihre Tochter.
"Wie kommt es zu der 2+?"
Lyn zuckte mit den Schultern, obwohl sie genau wusste, 'wie es dazu kam'. Es war Alles Nilos Schuld. Mitten in der Arbeit hatte er plötzlich die Hand nach ihr ausgestreckt und war die geschwungene Linie ihrer Schulter durch ihr Top nachgefahren. Mit aller Kraft hatte Lyn es geschafft, nicht überrascht aufzuschreien, konzentrieren konnte sie sich danach allerdings auch nicht mehr.
Alles war sie hörte, war Nilos Lachen, das in ihrem Kopf spukte.
Ihre Mutter ließ sie zum Glück in Ruhe und kaute nur schweigsam auf dem Salat rum. Lyn war voll und ganz damit beschäftigt, nicht an den heutigen Schultag zurück zu denken, der schlecht verlaufen war.

Fortsetzung folgt..

Impressum

Texte: Kairi Amaya
Bildmaterialien: Kairi Amaya
Lektorat: Kairi Amaya
Tag der Veröffentlichung: 19.10.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen besten Freund, dessen Seiten ich nie alle kennen werde