Wenn am Abend die Sonne untergeht, bleibt uns nur eins:
Die Augen zu schließen und darauf zu warten, dass ein neuer Tag beginnt, an dem wir unsere Rollen spielen.
Nein, ich meine nicht die Rollen, bei denen man das Schwesternkostüm trägt oder die schneidige Polizistenuniform.
Es sind die alltäglichen Rollen!
In der Früh, wenn wir aufstehen.
Wenn wir zu Vater oder Mutter werden, die dafür sorgen, dass die Kleinen mit einer Brotzeit, einer gesunden, und einem bestärkenden Lächeln in die Schule oder den Kindergarten gehen können.
Danach werden wir zu Diven im Bad.
Wo wir uns schminken, duschen, die grauen Haare aus dem Bart zupfen und unsere Eitelkeit befriedigen.
Danach steigen wir in den Zug und werden zur Leseratte oder zum Podcaster. Neuerdings stets darauf bedacht, niemanden anzuschauen. Denn er oder sie könnte zurückschauen und uns gegebenenfalls ein Lächeln abringen.
Oder wird werden zum Rennfahrer oder zum Angsthasen.
Je nachdem, wie unser Fahrstil ist.
Wir steigen aus.
Und werden beim Bäcker zum freundlichen Kunden. Dem Kunden, der jeden Tag kommt und immer seine zwei Croissants und einen Kaffee nimmt.
Manchmal sind wir vielleicht mutig.
Wir nehmen zwei Schokocroissants.
Um aus der Routine auszubrechen!
Wir kommen ins Büro, legen unsere Tasche und unseren Schlüssel auf den Tisch. Wie immer!
Werden zum lieben Kollegen, der die Blumen gießt und dafür sorgt, dass Kaffee gekocht ist, wenn die anderen kommen.
Tagsüber springen wir von einer Rolle in die andere.
Wir sind der Kollege, der einem hilft, wenn man nicht mehr weiter weiß.
Vielleicht auch die Vorgesetzte, die die Kohlen aus dem Feuer holt oder auch Mal ein bisschen Druck ausübt.
Vielleicht sind wir aber auch der nette Kollege, der einem die Arbeit abnimmt. Dank dem man sich keine großen Gedanken mehr machen muss.
So genau wissen wir das nicht, denn wir sind stets etwas anderes.
Vielleicht sind wir auch der jene, der eigentlich mehr wäre als nur der Kollege, der immer lieb und höflich ist, einem die Tür aufhält, mal ein Kompliment macht oder auch mal einen Blick zuwirft?
Oder die Kollegin, die an manchen Tagen mal ein bisschen mehr zeigt als üblich?
Manchmal sind wir auch nur der Depp vom Dienst und haben das Gefühl, alles für alle anderen tun zu müssen.
Abends auf dem Heimweg sind wir froh und werden zum Dauerläufer, der schnell nach Hause will.
Dann werden wir wieder zu den Leseratten, Podcastern.
Dann lesen wir auch unsere E-Mails oder werden zum Strebern der noch auf dem Heimweg im Zug die letzten Jobs für den Chef macht. Damit man glänzen kann.
Zuhause angekommen werden wir zum treu sorgenden Ehemann.
Zum Handerker, der dafür sorgt, dass das Haus in Schuss ist oder der am Auto rumschraubt.
Zum Hobbyisten.
Zeigen, was wir für tolle Kerle sind!
Wenn die Kinder nach Hause kommen, sind wir vielleicht der verständnisvolle Vater oder die besorgte Mutter, die dafür sorgen, ein Essen auf den Tisch zu bekommen.
Sorgen, dass die Kleinen glücklich sind.
Oder dem Ehemann das Bier bringen.
Vielleicht sind wir auch die Handwerkerin, die den „typischen“ Frauentätigkeiten nachgeht oder gar am Vereinsleben teilnimmt.
Landfrauen
Feuerwehr
Schützenverein
Dann wird’s irgendwann dunkel!
Die Kinder sind im Bett.
Und es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Augen zu schließen und auf den nächsten Tag zu warten.
An dem wir unsere Rollen spielen.
Und das Gefühl haben, irgendetwas vergessen zu haben!
Wir haben vergessen …
… wir selbst zu sein!
Das ist die einzige Rolle, die wir nur sehr selten spielen und nur dann …
… wenn wir ganz allein sind!
Texte: Copyright by Simon Kahnert.
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nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2011
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