Schon wieder liege ich im Dreck. Wieso habe ich mich auf diese blödsinnige Aktion eingelassen?
Der ganze Kurs steht um mich herum. Alle gaffen mich an. Ich kann an ihren Mienen sehen, was sie denken. Spott, Mitleid, Angst selber ran zu müssen, usw. Und dieser dämliche Kursleiter. Überheblich.
Schnell aufstehen und weiter. Halb stolpernd raffe ich mich auf, gehe schnell wieder zwei Schritte und liege wieder im Schlamm. Ich könnte heulen. Aber dem zeige ich’s. Der bekommt mich nicht klein.
Wieder hoch. Doch beim ersten Schritt knicke ich schon wieder um. Verfluchte Scheiße. Das kann doch nicht so schwer sein.
Gedanken in meinem wirren Kopf. Die Aufgabe klang ganz einfach: „Hier haben Sie ein paar Schuhe. Laufen Sie mit denen hier diesen Weg entlang. So schnell wie möglich.“
Ich bin gerade mal zehn Meter weit gekommen. Die Schuhe haben unterschiedliche Absätze, sind teilweise kaputt und haben unterschiedliche Größen. Damit kann kein Mensch gehen.
Wieder raffe ich mich auf. Krieche schon förmlich. Meine Klamotten sind nass, dreckig. Ich komme kaum hoch. Versuche vorsichtig aufzustehen. Laufe los. Falle wieder.
Es reicht. Das ist doch affig. Wieder so eine typische Psychokacke. Wie immer auf diesen Seminaren auf die einen der Chef schickt.
Aber die bekommen mich nicht klein. Das wollen die doch nur. Jetzt aber. Schnell hoch und los rennen. Ja, das klappt.
Na ja, immerhin fünf Meter denke ich, als ich in der nächsten Pfütze lande.
Schwer atmend drehe ich mich auf den Rücken. Starre in den Himmel.
Ich höre sie schon kichern und tuscheln. Sehe, wie der Seminarleiter mich beobachtet.
Ich höre auf meinen Atem. Betrachte den Himmel. Die Wolken, wie sie über das Blau gleiten.
Mein Atem wird ruhiger. Ich vergesse meine Umwelt. Die Worte der Aufgabe kommen mir wieder in den Sinn. Ich blicke an mir herunter. Schmutzig, nass und die kaputten Schuhe an den Füssen.
Ich setze mich hin und knote mir die Schuhe auf. Ziehe sie aus. Auch meine Socken. Ich betrachte die Schuhe.
Sie waren mal gute Schuhe und sie passten wohl auch jemandem. Aber mir nicht. Und außerdem haben sie ihre Aufgabe schon lange erfüllt.
Ich stütze mich auf meine Hände und richte mich auf. Fühle den feuchten aber warmen Boden an meinen Sohlen. Spiele mit den Zehen in der Erde. Ein gutes Gefühl.
Ich nehme die Schuhe in die Hand und blicke den Weg zurück. Gute 25 Meter habe ich geschafft und der größere Teil liegt noch vor mir.
Die anderen Teilnehmer sehen mich mit großen Augen an. Ist doch egal, was die denken. Der Seminarleiter... ich meine ein lobendes Blitzen in seinen Augen zu erkennen.
Langsam gehe ich los. Barfuß, die Schuhe in der Hand. Achte auf den Weg. Gehe gemütlich aber bestimmt auf das Ziel zu und erreiche es leicht und entspannt.
Ich kehre zur Gruppe zurück. Drücke dem Herrn Psychologen die Schuhe in die Hand. Der Mister Wichtig unter den Teilnehmern meldet sich sofort zu Wort: „Er hat die Schuhe nicht angehabt! Er hat die Aufgabe falsch gemacht! Und schnell gegangen ist er auch nicht!“
Der Kursleiter sieht mich an. „Was hat Ihnen diese Aufgabe gezeigt?“ Ich atme tief durch.
Wenn man fällt, sollte man wieder aufstehen und dabei überlegen, warum man gefallen ist! Nur dann kann man sichergehen.
Man sollte nicht immer darauf achten, was die anderen über einen denken! Oft verstehen sie einen nicht und erkenne erst später, was die wahre Natur einer Sache ist.
Man sollte richtig zuhören und nicht sofort meinen zu wissen, was der andere meint. Es hat niemand gesagt, ich muss die Schuhe anziehen.
Und man sollte offen sein für Ungewöhnliches, denn oft erfährt man Dinge jenseits des eigenen Horizontes.
Texte: Text und Idee Copyright by Simon Kahnert
Tag der Veröffentlichung: 27.06.2009
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Widmung:
oder Erkenntnis liegt hinter dem Horizont