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Da stehen sie nun: mein neues Paar Schuhe.

Braunes Leder, klassische Form, ganz anders als die Schuhe, die ich bisher trug.

 

Sie haben einen langen Weg hinter sich. Einen, den sie nicht selber zurücklegen mussten.

Per Van, Jet und Lieferwagen.

Über den großen Teich.

Sie haben schon mehr von der Welt gesehen als ich.

Und doch haben sie noch keine Aufgabe erfüllt.

 

Ich betrachte sie, wie sie nun da stehen.

Neben ihrem Karton aus einfachem Papier.

 

Was wird sie erwarten?

Was werden sie alles ertragen müssen?

 

Schuhe sind der Spiegel des Lebens.

Ihre Existenz, alles, was sie erleben ist, eng mit dem Menschen verbunden, der sie trägt.

 

Allein schon die Auswahl ein Paar neuer Schuhe.

Ähnlich ist es, wenn wir die Wahl treffen, welchen Aufgaben wir uns stellen.

 

Wenn man auf der Suche nach Schuhen ist, dann ergeben sich viele Möglichkeiten.

Man sucht lange und findet doch kein Paar, Paar, das einem gefällt.

 

Man nimmt auch kein Paar aus dem Regal, das einem nicht so ganz zusagt, und probiert es an.

Man sucht immer weiter ohne eine wirkliche Entscheidung zu finden.

Immer wieder findet man Gründe, warum man noch warten sollte, warum man besser nach einem anderen Paar Ausschau hält.

 

Der andere Fall: Man ist gezwungen, sich für ein Paar zu entscheiden.

Dann nimmt man auch schon mal das, was einem nicht so ganz zusagt.

Immer noch eine bessere Alternative als barfuß zu gehen.

 

Im besten Fall stolpert man über ein Paar, dass einem in das Auge sticht, ohne das man sucht.

Es ist plötzlich da. Als würde es rufen: du! Genau auf dich habe ich gewartet!

 

All das kann einem auch im Leben passieren. Aufgaben oder Entscheidungen treten ähnlich in unser Leben.

Wir suchen sie oder die finden uns.

 

Man zaudert, versucht sie von sich weg zu schieben, nach hinten zu verschieben.

Oder sie sind plötzlich da.

Aufgaben müssen übernommen werden.

Entscheidungen müssen getroffen werden.

 

Jetzt hat man also das Paar Schuhe in der Hand.

Doch passen sie auch?

Man schlüpft hinein und dann?

 

Das eine Paar Schuhe passt hervorragend, sieht wunderbar aus.

Man hat die perfekte Entscheidung getroffen. Glaubt man.

 

Man packt sie zu Hause aus, geniest den Anblick und schlüpft hinein.

Wundervoll!

 

Doch nach ein paar Tagen beginnen sie zu drücken, oder unangenehm zu scheuern. Das Gehen wird zur Qual. Die Füße werden wund.

 

Oder sie waren so bequem und angenehm doch dann beginnt das Leder, sich zu dehnen. Man rutscht nur noch darin herum. Man findet keinen Halt. Sie schlabbern um den Fuß und behindern, statt einen zu unterstützen.

 

Bei einem anderen Paar kann man machen was man will, man kommt nicht hinein.

Man will sie aber unbedingt und zwängt seinen Fuß hinein. Doch es hilft alles nichts.

 

Vielleicht drückt er auch nur an eine Stelle, man hofft, dass er sich einläuft. Doch auch nach Wochen wird es nicht besser. Die Stelle ist ein wunder Punkt. Nur diese eine Stelle. Man versucht sie zu dehnen, zu polstern.

 

Auf jeden Fall gibt man auf. Die wunderschönen Schuhe passen nicht, waren falsch gewählt. Stehen in der Ecke als Symbol des eigenen Versagens. Erinnern einen immer wieder daran. Wecken unerfüllte Sehnsüchte.

 

Und dann wählt man ein paar Schuhe, dass nicht so hundertprozentig ist. Vielleicht nicht so ganz modern oder eher unauffällig. Das Paar, das man nimmt, bevor man barfuß geht.

 

Man nimmt es trotzdem. Ist man sich nicht sicher, so lässt sich beraten.

 

Vielleicht drücken die Schuhe auch etwas.

Man ist sich unsicher. Probiert es vorsichtig aus.

Die Verkäuferin ist sich sicher: Der läuft sich ein.

Man ist zögerlich. Hat ja schon Erfahrung gemacht.

Sie macht einem Mut. Bittet einen darum ihr zu vertrauen.

 

Man zieht ihn mal ne Stunde an. Dann wieder aus. Lässt es langsam angehen. Ist nicht so zufrieden aber froh:

Besser als nichts. Sieht das Paar als das geringere Übel an.

 

Irgendwann schlüpft man hinein und er passt plötzlich.

Er drückt nicht, gibt Halt und man ist entspannt, genießt es.

Der Schuh, der am Anfang nicht erste Wahl war, ist das Optimum.

Hat sich an seinen Träger angepasst und der Träger an ihn.

Sie sind zusammengewachsen. Sind eine Einheit.

Ein Erfolg.

 

Und so ähnlich ist es doch auch im Leben, mit den Aufgaben, die wir uns stellen, die uns gestellt werden.

Den Entscheidungen, die wir treffen, treffen müssen.

 

Man geht einen Kompromiss ein und ist sich unsicher.

Man arbeitet notgedrungen damit. Versucht das Optimum herauszuholen.

Die positiven Aspekte höher zu bewerten.

Die Negativen nicht so wichtig zu nehmen.

Doch mit der Zeit zeigt sich, dass dies genau das Richtige war.

Alles ist eigentlich so, wie man wollte.

Die Wünsche und Vorstellung passen sich der Realität an.

Man sieht manche Dinge aus einem anderen Blickwinkel.

Und erreicht einen Zustand des Glücks und Friedens, den man sich selber erarbeitet hat.

 

Man sieht die Schuhverkäuferin vor sich und hört sie sagen:

 

"Ihre Wahl war ... weise!"

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.04.2009

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