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München - Im Frühling 2009



Ich wurde unfreundlich abgewiesen. Die Tickets gebe es oben am Königsplatz, die Rolltreppe hoch und auf der anderen Straßenseite. Ob ich die Menschenmenge denn nicht bemerkt hätte. Könnte sich ja jeder vordrängeln und in den Katakomben, dem ausgebauten Schrein des hier ausgestellten Genies ein Ticket erwerben. Aber so einfach ginge das hier nicht. Ihr Mund sah seltsam gekräuselt aus, spitze Lippen umrandeten wie ein Dornbusch die pittoreske Felsenlandschaft weißer Zähne. Ich nickte Stumm, versuchte ein beiläufiges Lächeln, das meine Unachtsamkeit verspielt erscheinen lassen sollte, drehte mich großmütig um und hörte dabei ein fernes Echo: „Gib`s auf, Gib`s auf!“ Mir schien diese lächerliche kafkaeske Eingebung äußerst unpassend zu sein und so ignorierte ich die Menschenmenge und machte mich auf den Weg in Richtung der quietschenden Rolltreppe, schwamm dabei in einer nicht enden wollenden Welle menschlicher Körper und befand mich kurze Zeit später, wie Jona nach seiner ungemütlichen Reise, ausgespuckt und deplaziert an der Oberfläche. Um mich herum erstreckte sich der malerische Königsplatz Münchens und wenn man genau hinhörte, dann konnte man hier noch das Klackern der Stiefel vieler Bataillone hören, die, damals aus anderen Gründen, in dieser Idylle promenierten.

Also musste ich mich widerwillig in den Strudel menschlicher Leiber begeben. Die Schlange betrug knappe hundert Meter und schien sich kaum vorwärts zu bewegen. Eine Frau sah mich an, blickte sofort an mir vorbei, als ich sie mit meinen Blicken streifte und reihte sich anschließend hinter mir ein. Ich war in elegantem Schwarz gekleidet, für einen Studenten unwahrscheinlich elegant, obwohl die Kleidungsstücke – Mantel, Buntfaltenhose, Lackschuhe und Jackett – bei genauerer Betrachtung ihre wahre Herkunft verraten hätten. Aber anscheinend wirkte diese Aura befremdlich auf die ausgelassenen Schlangesteher und so konnte ich mich ungestört der Lektüre eines Buches widmen: „Ich und Kaminski“ – welche Ironie. Darin sucht ein eitler junger Kunststudent einen alten und blinden Maler auf, um dessen Biographie zu verfassen – eine makabre Marketingstrategie. Der Künstler blickt auf ein bewegtes Leben zurück, hat die Welt gesehen und sieht nun nichts mehr. Der Student und mäßig begabte Autor spekuliert auf dessen baldigen Tod, um damit die Auflage der Biographie in die Höhe zu treiben - Kandinsky ist natürlich längst tot. Die deutschen haben einen Hang zum Anstehen und üben dieses Hobby in größter Perfektion aus. Nur die Kinder durchbrechen die sorgsam aufgezogene menschliche Perlenkette und sorgen für die nötige Abwechslung; einer fällt hin, der andere schreit, der Dritte beobachtet die ersten beiden und lacht dabei. Deren Eltern wiederum bemühen sich danach, ihre Kinder wieder in die Reihe zu holen – schließlich sei man ja nicht auf dem Jahrmarkt, sondern besuche eine bedeutende Ausstellung. Es sei der letzte Tag, sagt eine ältere Dame in feinstem Zobel, deshalb müsse man eben anstehen, aber das steigere ja nur die Spannung. Warum könne denn die Ausstellung des groß angekündigten, „absolut. Abstrakten“ Synästhesisten nicht weiter verlängert werden, fragt ein ungeduldiger Bayer in bemüht wirkendem Hochdeutsch. Weil die Ausstellung doch schon einmal verlängert wurde, gibt die freundliche Tochter mit einem bestimmenden Kopfnicken und großer Geste zu verstehen. Die mondäne Dame wendet ein, dass dies doch nicht der Grund sein könne, wenn der Besucherandrang weitere Einnahmen verspreche. Sie glaube, dass die Exponate längst vertraglich einem oder mehreren Museen zugesagt wurden und deshalb wohl nicht länger hier bleiben könnten. Welchen anderen Museen, fragt der joviale Bayer und schlägt gleich nach seiner Frage das MOMA in New York vor, obwohl es dort wohl noch ein anderes Museum gebe, an das er sich gerade nicht erinnern könne. Die Dame im Zobel haucht ihm Metropolitan Museum of Arts zu und verweist gleich im Anschluss auf das Centre Pompidou in Paris, einem unglaublich hässlichen Museum, dem man doch nicht ernsthaft den guten Kandinsky vermachen könne. Aber er gehöre doch dorthin, sagt ein älterer Herr weiter vorn, er gehöre nach Paris, nach München, nach New York und nach Moskau – das zeigen doch schon seine Lebensstationen. Naja, New York sei dann doch übertrieben, aber was könne man machen. Wo die Kunst nun einmal hinfällt, witzelt er. Die ältere Dame gibt sich zufrieden, überlegt stoisch, ein Kind schreit wieder im Hintergrund und ein Mann verschüttet im vorbeigehen seinen Pappbecherkaffee. Die schwarze Flüssigkeit klatscht dampfend auf den Asphalt und spritzt weiter auf die Spitze meiner Lackschuhe. Mir ist das egal, aber die alte Dame echauffiert sich und fragt, ob ich dem Herrn nicht einmal etwas sagen wolle. Ich blicke in mein Buch und versuche die letzte Zeile wieder zu finden. Sie wendet sich gelangweilt ab und behelligt weiter den älteren Herrn vor sich, ob dieser nicht wisse, dass Kandinsky mit Franz Marc gemeinsam den „Blauen Reiter“ gegründet habe und überdies seine künstlerische Ausbildung in München genoss, bedeutende Kompositionen verfasste, Impressionen verwirklichte und die wichtigsten Gemälde seines Lebens hier in dieser Stadt aus seiner genialen Feder oder seinem Pinsel, wie auch immer, fließen ließ; außerdem sei er Deutscher gewesen, zumindest eine geraume Zeit. Der ältere Herr tippte an seinen Hut, lächelte, sagte etwas von Ansichtssache, auch Franzose, wieder Moskau, trotzdem richtig, aber eigentlich auch egal… und nun freue er sich auf die Ausstellung.

Ich drehte mir eine Zigarette und versuchte mehrere Minuten lang, mein elektrisches Feuerzeug bei den schlechten Windverhältnissen zu bemühen. Nach dem achtundzwanzigsten Versuch gelang es mir endlich und ich sog den Rauch tief in meine Lungen, um wieder klar denken zu können. Die Asche meiner brennenden Zigarette wurde vom Wind erfasst, getragen und wirbelnd über den Köpfen der Schlangesteher verteilt. Nur noch wenige Meter bis zum Ticketschalter, der sich in einem dreidimensionalen, kubistischen Dreieck versteckt hielt und nur über eine Rampe erreicht werden konnte. Eine gelangweilte Führerin, sieht nach ehemaliger Kunstgeschichtestudentin aus, die sich noch einmal ein wenig Geld hinzuverdienen möchte, versucht auf den letzten Metern noch Karten für die anstehende 14-Uhr-Führung zu verkaufen. Nach dem Hinweis, dass jeder Käufer dieser Karte sofort zum Ticketschalter vorgelassen werde, reißen die Schlangesteher ihr die Karten förmlich aus der Hand. Die Frau im Zobel schnalzt verächtlich mit der Zunge und sagt, zu der unförmigen Menschenmenge gerichtet, dass dies doch keine Zirkusausstellung sei, sondern eine gesittete Kunstausstellung. Nun blicke ich doch nach oben, sehe tatsächlich, was ich bisher nur gehört habe und frage die Alte, ob sie denn begeisterte Anhängerin der abstrakten Kunst sei und den Wandel vom Figurativen ins Gegenstandslose spirituell oder historisch verstanden wissen wolle. Dabei lächle ich leutselig und sehe sie so beiläufig wie möglich an. Sie finde diese Kunstrichtung interessant und abwechslungsreich, eigentlich sei sie generell kunstaffin, habe auch ein oder zwei Nachdrucke von Kandinsky im Flur hängen, aber einen echten könne man sich ja längst nicht mehr leisten. Ob ihr denn die Formen oder die Farbgebung eher zusagen würden, frage ich mit aufgesetzter Miene. Das könne man so nicht beantworten, denn der Herr Kandinsky habe ja mehrere künstlerische Perioden durchlebt und sich dabei entwickelt. Sie finde das Gesamtwerk beeindruckend und interessiere sich für die Übergänge und Brüche der verschiedenen Perioden, nicht für künstlerische Fragestellungen. Ich nicke beiläufig, betrete das Dreieck, kaufe eine ermäßigte Karte und mache mich auf den Weg in Richtung Rolltreppe. Ein Blick zurück, die Schlange windet sich immer noch um die Straßenecken, Kinder schreien, ältere Damen und ältere Herren harren in Mänteln und führen vorbereitende Gespräche. Junge Eltern haben sich den Familienausflugstag reserviert und scheinen es immer noch nicht zu bereuen. Ein Getränkeverkäufer hat sich in der Mitte der Schlange positioniert und bietet fröstelnden Menschen Kaffee an. Ich blicke auf meine Lackschuhe – eine Spitze ist braun, die Rolltreppe quietscht, unten steht die nächste Schlange. Der Ticketverkäufer wollte mich ins Lenbachhaus schicken, weil dort gerade wenig los sei und man sich zur Vorbereitung die graphische Sammlung von Kandinsky ansehen könne – die Ausstellung ist zweigeteilt. Ich bin natürlich gleich zum Kunstbau gelaufen und darf mich nun erneut einreihen, denn niemand geht ins Lenbachhaus und wenn ich mir dort eine Stunde die Füße in den Bauch stehe, dann wird die Schlange am Kunstbau genauso lang sein, die Menschen werden genauso aussehen und genauso reden, aber sie sind eine Stunde später gekommen und stehen jetzt noch am Ticketschalter. Also direkt zu „Kandinsky – Absolut. Abstrakt.“

Ein schmaler Gang führt ins Museum. Die Wände und der Boden der Eingangsröhre sind in dunklem Anthrazit gehalten und sollen wohl edel und elegant wirken. An den Wänden finden sich zunächst Werbeplakate vergangener Ausstellungen, von Michelangelo, Marc, Rembrandt, Matisse und ein paar weiteren Größen der Staffeleihysterie. Ein älterer Aufpasser schickt mich in die Garderobe, zur freiwilligen und kostenlosen Kleidungsabgabe. Warum sollte ich. Weil es dort auch den kostenlosen Audioguide gebe, antwortet er. Den Mantel müssen sie ja nicht abgeben. Das klingt vernünftig. Ausgerüstet mit brabbelndem Audioguide, Hintergrundwissen vom Geplänkel in der Warteschlange und der freudigen Vorahnung stürze ich mich ins Getümmel. Kandinsky hat in Moskau Jura studiert, kommt aus einer wohlhabenden bürgerlichen Familie, ging nach München und studierte Kunst um die Jahrhundertwende, zurück nach Moskau, wieder Deutschland, diesmal Berlin, entartete Kunst, Emigration nach Paris, dort in einem Mietshaus gewohnt und kurz vor Kriegsende gestorben. Soviel sagt mir die Tafel mit den biographischen Daten zur Einstimmung auf das Werk. Entscheidend seien also seine freiwilligen oder unfreiwilligen Ortswechsel, der künstlerische Einfluss der Impressionisten, des Historismus, der Belle Epoque und die Tatsache, das Kandinsky Synästhesist war und deshalb Farben hören konnte und Töne farbig sah. Daraus ergebe sich dann die Überwindung der figurativen Kunst, die Distinktion von bisherigen überbordenden Kunstrichtungen und die Synthese von Form und Farbe, die Vereinigung des Geistes in der Komposition eines Gemäldes.

Fragen wir doch den Audioguide: Wenn ich ein Gemälde mit seiner zugehörigen Nummer anwähle, dann antworten mir zwei sonore Stimmen im Wechselspiel der Geschlechter. Der Herr ist für die kurze Einordnung des betreffenden Gemäldes in den historisch biographischen Zusammenhang zuständig und die Dame gibt eine professorale Bildbeschreibung mit selbstgefälligen Kommentaren:

In der vorderen Hälfte des Gemäldes lassen sich drei Zentren ausmachen, die in ihrer Farbgebung komplementär ausgerichtet sind und anhand der Gegenüberstellung von Form und Farbe gleichsam die Synthese des widerstreitenden Geistes darstellen. In der Mitte kann man eine gebogene Lanze ausmachen, deren divergierende Endpunkte als Reminiszenz auf den Heiligen Georg gelesen werden müssen. Der geübte Beobachter erkennt darin auch die Umrisse eines abstrakten Pferdes, das bei Kandinsky die spirituelle Kraft der schöpferischen Seele symbolisiert. Dieses Gemälde mischt also abstrakte Figuren in die angestrebte Gegenstandslosigkeit und gehört damit in die Übergangsphase von der Figuration zur Abstraktion.



Der Hörer gleitet mir langsam aus der Hand, mein Kopf hämmert das Stakkato sinnloser Wortfetzen aus der Ohrmuschel und beginnt langsam zu verschwimmen. Ich sehe mich um, erblicke verschiedene Gemälde aus verschiedenen Perioden, feine Farbnuancen, diffizile Formgebungen, abstraktes Irgendwas. Die Menschen um mich herum scheinen verstummt zu sein. Das aufgeregte Geplapper aus der Warteschlange ist zu einem gebannten Schweigen mutiert. Jeder steht ehrfürchtig und ungläubig vor einem der Exponate und lauscht der göttlichen Stimme aus dem Audioguide, der elektronischen Stimme zum Verständnis des Werkes, der Enigma Kandinskys, dem Sprachrohr der Kunst. Es sieht seltsam aus, wenn Menschen gebannt und in sich gekehrt einer blechernen Stimme lauschen, die ihnen unverständliche Wahrheiten vorbetet, ein unendliches Tonband befremdlichen Kunstgenusses. Ich würde gerne fragen, ob sie überhaupt verstehen, was ihnen gerade erklärt wird. Vielleicht treffe ich noch einmal die Dame im Zobel oder besser doch nicht – wahrscheinlich sitzt sie hinter dem Vorhang und spricht heimlich wirre Sätze in ein Mikrophon. Weiter vorne entdecke ich die Ungeduldigen, die unbedingt eine Führung buchen wollten, um zehn Minuten früher in die Ausstellung zu gelangen. Langsam und bedächtig, die arme hinter dem Rücken verschränkt nähere ich mich der Gruppe und versuche etwas zu verstehen. Aus der letzten Reihe kann man nur Wortfetzen erahnen. Ein kleines Kind ist verkabelt und scheint Musik zu hören. Erst danach erkenne ich, dass jeder aus der Gruppe über ein modernes Headset verkabelt ist und dem Fixpunkt in Gestalt der gescheiterten Kunststudentin zuhören darf. Unauffällig stelle ich mich neben die Führerin und betrachte das Gemälde, natürlich ohne dabei im Weg zu stehen. Ein letztes Mal halte ich meinen Audioguide ans Ohr und versuche mich der Interpretation dieser eigenwilligen Stimmen hinzugeben. Seltsamerweise sind es plötzlich drei Stimmen und ich bin verwundert. Die veraltete Kunststudentin erzählt den Sermon noch einmal, leicht verändert, andere Intonation, Akzentuierung liegt eher auf dem menschlichen Aspekt, aber der Inhalt ist identisch. Interessante Möglichkeit sein Geld zu verdienen, denke ich und schlendere weiter in den Videoraum.

Niemand spricht mehr, andächtige Stille im Ausstellungsraum und erst recht im Videoraum. Wenn man ganz genau hinhört, dann kann man die U-Bahnen alle fünf Minuten unter uns ein- und ausfahren hören. Der Ausstellungsraum hat genau die Länge und Breite der U-Bahnstation und liegt zwischen der mondänen Oberfläche Münchens und dem stickigen Tunnel der leblosen U-Bahnschächte. „Ich sehe was, was du nicht siehst“ heißt der Kurzfilm über Kandinsky von einem jungen deutschen Regisseur, der in großer Detailverliebtheit und mit unverhohlenem Pathos versucht, den ermüdeten Besuchern ein wenig Kandinsky zu vermitteln:

Sie müssen sich verzaubern lassen von diesem einmaligen Genie. Aber lassen sie es sich gesagt sein: dazu gehört ein natürliches Interesse und viel Mut. Tauchen sie ab in die Spiritualität der faszinierenden Farben und Formen Kandinskys. Geben sie die Gegenstände frei, lassen sie los und erhalten dafür etwas viel größeres. Dieser Tausch kann ihr Leben verändern. Sie werden die Kunst mit anderen Augen sehen.



Danach noch der übliche Sermon des Audioguides – Synästhesie, figurativ, abstrakt, gegenstandslos, Farbenlehre, Verweise auf Goethe, Erweiterung, Spektrum des Natürlichen, was Kunst so alles kann und soll, Synthese, seiner Zeit voraus, von den Kritikern verkannt, plötzlicher Ruhm, größte Sammlung gerade in München – ach so, ja klar. Sehr schön. Heute also der letzte Tag. Kandinsky hat der Nachwelt eine unverständliche Farbenlehre hinterlassen, die ein Mensch ohne synästhetische Fähigkeiten nur bedingt nachvollziehen kann. Natürlich – Geist ist blau, rot ist gefährlich und aggressiv, aber die Gesamtkomposition eines vielschichtigen Gemäldes kann nur auf einen Synästhetiker seine volle Wirkung entfalten und ergibt dann wohl ein nuanciertes und balanciertes Streichquartett der Sinne. Die wichtigste Nachricht aus dem Film aber dürfte der Hinweis sein, dass man Kandinsky nicht erklären könne, das man nicht nach Formen und Interpretationen suchen solle, sondern sich einfach von den Formen und Farben sinnlich tragen lassen müsse. Der Meister selbst habe sich gegen ein Schubladendenken verwehrt und wünschte ein unvoreingenommenes Kunstverständnis vom Betrachter, denn nur dann könne die Vielfalt überhaupt eine individuelle Wirkung zeitigen. In der Kunst ist etwas wahr, von dem das Gegenteil auch wahr ist. Paradox? Eher einer dieser Aphorismen, die oberflächlich paradox klingen und dennoch ihre Tiefenwirkung entfalten. Oder doch nur ein weiterer Satz, den man seinem Vordermann in der Warteschlange unverhofft an den Kopf werfen kann?

Ich gebe meinen Audioguide zurück, frage mich noch einmal, warum die sonoren Stimmen genau dieses Kunstkatalogdenken bedient hatten und was wohl Kandinsky selbst davon gehalten hätte. Unnützer Gedanke. Kinski jedenfalls hätte einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn so viele Gemälde in einem Gefängnis über der U-Bahn, einem kleinen Zwischenraum, der Belustigung gaffender Menschen preisgegeben werden, aber welche Möglichkeiten hat man denn sonst? Kunstdruck, Papierposter, Internet, Auktion bei Sothebys? Naja. Ohne Audioguide kann man sich tatsächlich den sinnlichen Eindrücken hingeben. Die Kinder mit Headset, verkabelt mit den abstrakten Interpretationen einer routinierten Museumsführerin, treten von einem Fuß auf den anderen und zupfen am Mantel des Vaters oder am Rock der Mutter. Sechsjährige müssen ungemein an den Wirren der russischen Revolution, der Mystik des vergangenen Jahrhunderts und den Reminiszenzen auf Georg und den Drachen interessiert sein, sonst wären sie ja nicht hier. Und was machen ich und Kandinsky. Wir amüsieren uns prächtig am Ende der Vorstellung. Mein Audioguide wurde von einer aufmerksamen Hilfskraft desinfiziert und quäkt wohl schon wieder in ein anderes Ohr. Farben und Formen entfalten sich erstmals in meinem Kopf zu einem bewegten Panorama. Je weiter man zurücktritt, desto klarer sieht man und … … wovon man nicht sprechen kann, darüber sollte man lieber schweigen!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.04.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die sich fragen, was Kunst eigentlich sein soll!

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