Cover

Das Mädchen mit den roten Schuhen




Sah sie nach oben , konnte sie durch ihre blinzelnden Augen die Sonne sehen ,
sah sie nach unten , an sich herab , nur ein paar rote Schuhe.
Sie liebte diese Schuhe , obwohl sie schon alt und ausgetreten waren.

Sie zog sie immer an , wenn sie traurig war ,
und das war sie sehr oft.
Manchmal stand sie stundenlang mit diesen Schuhen am Fenster ,
und sah den Vögeln und Schmetterlingen hinterher.
Wie schön sie doch waren , was für ein entzückender Anblick.
Hätte sie Flügel , würde sie sich einfach aus dem Fenster werfen , und im Wind ,
die Schwingen ausbreitend , dem Sonnenuntergang entgegen fliegen.

Alles beklemmende würde so von ihr abfallen , was ihr blieb war aber nur der Anblick der
überaus hübschen Tiere.
Mittlerweile hatten ihre Schuhe viel , gesehen , durchtanzte Nächte , Partys , Drogenkonsum , Dates , sahen sie kommen und gehen , Trauer , Einsamkeit und Schmerz.
Und seit einem Jahr nun standen sie immer wieder am Fenster um sich vogelfrei zu fühlen.

Die Schuhe besaßen für das Mädchen ein gewisses Eigenleben , durch all ihre Schritte die sie einst mit ihr gingen.Deshalb liebte sie diese so sehr.
Sie kannte niemanden aus der Nachbarschaft , obwohl man sie täglich träumend aus dem Fenster blicken sah.Eigentlich wollte sie auch keinen Kontakt , mit den Leuten aus den benachbarten Häusern.
Es war eine nicht grad feine Gegend.
Und eigentlich passte sie hier doch gar nicht hin , wie sie fand.
Des Nachts hörte man öfters Schreie , von Frauen , die von ihren Ehemännern , Prügel bekamen.
Aber wie sie fand , musste man , mit der Zeit über diesen Dingen stehen.
Was sollte sie auch schon dagegen tun , als hoffnungslose Träumerin.
Oftmals roch es nach orientalischen Speisen , aber diesen Geruch mochte sie , sie erinnerte sich an die vielen schönen Urlaube , die sie einst , mit Eltern und Freunden verbrachte.
An die wunderschönen Sonnenuntergänge am Meer , mit ihrem ruhig spiegelnden Wasser , was aus aussah als wäre es glatt , und die Sonne färbte es in die Farbe des Blutes.

An nicht so schönen Tagen , sah sie die Regentropfen an ihrem Fenster herunter laufen.
Sie sahen aus wie kleine Tränen.
Und unten am Fensterbrett hatte sich schon ein ganzes Tränenmeer gebildet.
Auch das mochte sie sehr , denn sie hatte das Gefühl die Tränen würden sich mit ihren Tränen vermischen und ihre Einsamkeit teilen.

Als sie eines Tages am Fenster stand um dem Spiel , der Schmetterlinge zu folgen , wieder die roten Schuhe tragend ,
hörte sie , eine für sie ,unsagbar schöne Melodie , sie fiel ihr sofort ins Ohr .Sie war glasklar und wunderbar zärtlich.
Und wie sie fand , passte sie hier überhaupt nicht hin , diese Melodie.
Es spielte jemand wunderschön Klavier.
Und das in dieser Gegend , sie fühlte sich geborgen , und war bereit mit dieser Melodie mitzugehen , sich fallen zu lassen , träumend und abschaltend , legte sie sich einfach auf den Boden , vor das geöffnete Fenster.
Sie fühlte sich wie in einer anderen Welt , eine andere Dimension des Seins.
Mit der Hoffnung , das diese Melodie nie zuende sein würde , fragend , wer derjenige ist , der das Klavier so wunderbar beherrscht.
Gab es etwa noch so einen hoffungslosen Träumer wie sie einer war?
So wenig wusste man voneinander , obwohl man auf engstem Raum zusammen lebte.

Die Melodie war beendet , und sie fast ein wenig traurig , es war doch eine wunderbare Reise , durch viele schöne Wälder , viele nette Menschen hatte sie gesehen , alle lächelten , außer eine Frau die ihr gegenüberstand , und ebenfalls rote Schuhe trug , was für ein Zufall dachte sich das Mädchen.
Bei genauem hinsehen , entdeckte sie , dass sie in einen Spiegel blickte.
Ja da war er wieder , ihr so bekannter trauriger Augenaufschlag.
Es nahm sie aber nicht sehr mit.

Lieber wollte sie wieder diese schönen Klavierklänge hören.
Ihre Füße schmerzten , als sie so am Fenster lag , ihre Schuhe waren ihr ein bißchen eng geworden.
Sie sah wieder den tanzenden Schmetterlingen hinterher , oh wie gern würde sie selbst so ein wunderschönes Geschöpf sein.
Sie hatte sich schon Farben ausgedacht , sie wäre ganz bestimmt der schönste von allen , leicht violett mit gelblichem Schimmer.
Bis spät in den Abend , lag sie so da , am Boden gekauert , denn es wurde allmählich sehr kühl , und es fröstelte sie.
Aber sie hatte einfach keine Lust aufzustehen , denn das würde bedeuten , den Traum und Flug zu beenden , und sich ihrer Einsamkeit hinzugeben , und das wollte sie auf keinen Fall.
Also blieb sie trotz Kälte auf dem Holzboden liegen , die Lippen schon leicht bläulich , wachte sie ein paar Stunden später , durch den Ruf einer Eule auf.

Sie zitterte am ganzen Leibe.
Was war passiert?
Sie hatte wieder diesen schrecklichen Traum , der Traum ,wo sie sich aus dem Fenster stürzte , um fliegen zu wollen , und sich dann , mit aufgeschlagenem Schädel in ihrem Blut unten liegen sah , ihre roten Schuhe mittendrin.
Daran wollte sie nicht denken , sie hatte Angst vor diesem Traum.

Sie stand auf und machte sich einen Veilchentee.
Sie mochte ihn besonders wegen seines Duftes.
Unter eine Decke gekrochen , trank sie ihn schluckweise.
Sie legte sich hin und musste wieder an die tanzenden Schmetterlinge denken , was sie fliegend in den Schlaf trieb.
Sie träumte , von einem wunderschönen jungen Mann , mit braunen Haaren und einem wunderschönen Mund , sie fühlte sich plötzlich gut mit ihren roten Schuhen , sie waren gar nicht mehr so abgetragen.

Wochen zogen ins Land , und sie vermisste die Klänge des Klaviers.
Sie war so neugierig auf denjenigen der dahinter steckte.
Sie saß auf ihrem Sofa , und las eine Geschichte.
Plötzlich kamen vertraute Klänge , durch das geöffnete Fenster herein.
Ja es war diese Melodie.
Jemand spielte wieder voller zärtlicher Verträumtheit , Klavier.

Nach einer Weile am Fenster , entschloss sie sich , hinaus zu gehen und der Melodie zu folgen.
Mit einem weißen Sommerkleid und ihren roten Schuhen betrat sie die Straße.
Es war heiß in der Mittagssonne.
Sie hätte ihre Sonnenbrille mitnehmen sollen.
Nun war es zu spät , ganz gespannt folgte sie den musikalischen Klängen.
Ihr Kleid wehte im warmen Sommerwind.

Vor Neugierde fast am zerplatzen führte sie die Melodie an ihr Ziel ,
sie kam vor einem leicht geöffneten Fenster zum stehen.
Durch einen Schlitz konnte sie hinein sehen.
Voller Spannung und auch ein wenig Ängstlichkeit tat sie es , sie sah einen wunderschönen jungen Mann mit braunen Haaren.
Oh wenn , er sich doch umdrehen würde.
Sie hatten diesen Gedanken noch nicht zuende gebracht , schon trafen sich ihre Blicke.
Er lächelte sie an , es war der Mann aus ihrem Traum.
Noch an der Fensterbank festhaltend , drehte sie sich schnell um,und wollte gehen.
Aber irgendwas hielt sie fest.
Es schien diese Melodie zu sein , sie drehte sich wieder um , und sah ihn , wie er Klavier spielte.
Er hatte wunderschöne Finger , Finger wie sie nur ein Klavierspieler haben konnte.
Sie verfiel fast in Träumerei als sie ihn so ansah,er drehte sich zu ihr um , und bat sie herein , ein wenig zuzuhören.

Ein wenig ängstlich folgte sie ihm , in den Raum wo das Klavier stand , die Wohnung war geschmackvoll eingerichtet.
Mit schönen Holzmöbeln , und einer Anrichte die bestimmt 100 Jahre alt war.
Ein Sofa aus dunkelrotem Samt , war das Schmuckstück wie sie fand , neben ihm natürlich.
Aber diesen konfusen Gedanken verwarf sie erst einmal wieder , und setzte sich auf das Sofa.
Von da aus , konnte sie ihn von der Seite ansehen während er spielte.

Mein Gott , war er schön.
Nie zuvor hatte sie ihn hier auf der Straße gesehen , nichteinmal beim einkaufen.
Seine Finger flogen nur so über die Tasten.
Und sie träumte vor sich hin.
Als er sie ansah , und auf ihre roten Schuhe schaute , musste er ein wenig lächeln.
Ihr war es fast peinlich.Aber sie liebte nunmal diese Schuhe.

Einen ganzen Nachmittag lang verbrachte sie so träumend auf dem Sofa eines so hübschen fremden Mannes , wie sie ihn nur aus ihren Träumen kannte.
Sie erfuhr , in einigen kurzen Sätzen,die an diesen Nachmittag fielen , das er Steve hieß.

Es war schon spät als sie nachhause ging , nein , eigentlich flog sie mehr , denn irgendwie hatte sie das Gefühl , tanzende Schmetterlinge im Bauch zu haben.
Beim Abschied , sah er ihr tief in die Augen und zwinkerte.
Er hatte einen so schönen klaren und freudestrahlenden Blick , sie hätte auf der Stelle versinken können.
Sie musste sich zwingen stark zu bleiben.
Sie lächelte ihn an , und ging.
Obwohl sie wusste das er ihr noch lange hinterher sah , drehte sie sich nicht mehr um , das wäre zu auffällig gewesen , wie sie fand.
Zuhause sah sie an sich herab , und die roten Schuhe tanzten mit ihr.
Das taten sie so lange Zeit nicht mehr.
Sie war ganz leicht , denn sie wollte den Schmetterlingen in ihrem Bauch freien Flug lassen.
Zufrieden und unendlich glücklich schlief sie an diesem Abend ein.

Am nächsten Tag , war sie ganz betört von diesem Gefühl , sie schwebte fast , und brauchte nicht laufen.
Ja sie hatte sich verliebt.
Gedanken schossen durch ihren Kopf , aber um alles in der Welt , wollte sie dieses Gefühl nicht mehr missen.
Sie entschied , wenn sie das nächste mal , die Melodie hören würde , einfach wieder zu ihm zu gehen.
Die Stunden vergingen und nichts war zu hören. Sie war traurig .
Da,endlich...endlich , das Klavier.
Schnell nahm sie ihren Schlüssel und ging hinaus , direkt zu seiner Haustüre.
Sie klopfte zaghaft an , er öffnete , lächelte und sagte „ Ich wusste das du kommst“!
Er nahm sie an ihre Hand , und ihr wurde heiß und kalt.
Im Raum mit dem dunkelroten Samtsofa , standen Kekse und Tee auf dem Tisch.
Die Tassen klirrten als er ihr welchen einschenkte.Der Duft kam ihr bekannt vor , es war Veilchentee.
Sie lächelte ihn an , und am liebsten würde sie ihm , an den Hals springen und einfach so umarmen.
Aber sie traute sich nicht recht.

Teetrinkend , verträumt den anderen anblickend , so saßen sie da.
Seine Hand berührte ihre Wange , und sie schmiegte sich so sehr daran , das sie glaubte den Verstand zu verlieren.
Er ging hinüber und spielte nur für sie.
So wunderschön , so wärmend , einfach absolut Klasse.
Wie von einem Traum getragen.
Es war“ La Valse D`Amélie“

Sie hatte diesen Film bestimmt hundertmal gesehen.
Unendlich glücklich lächelte sie vor sich hin.
An diesem Nachmittag erfuhr sie , das er Fluglehrer ist , und das er zärtliche verträumte Frauen , ganz bezaubernd findet.
…...UND,das er rote Schuhe mag.
Er kam zu ihr herüber und küsste sie .
Einfach so , ihr wurde ganz schwindelig vor Glück.
Sie berührte seinen Nacken vorsichtig , und spürte seine feine Haut.
Im siebten Himmel zu schweben war ja so schön , was hatte sie dieses Gefühl vermisst , sie wurde einfach so wieder lebendig , ohne was großartiges dafür zu tun.
Nur durch seine Anwesenheit.

Sie ging spät in der Nacht nachhause und hüpfte über Steine die auf dem Weg lagen.
Der glücklichste Mensch auf Erden , schien sie zu sein.
Sie musste nun schlafen , denn am nächsten Tag war sie mit Steve , zum fliegen verabredet.

Die Sonne strahlte vom blauen Himmel , als sie ihre Tasche und die Sonnenbrille nahm.
Heute war der Tag , an dem sie mit ihm in die Wolken fliegen durfte.
Sie freute sich wie ein kleines Mädchen.
Steve erwartete sie schon an der Tür stehend , mit einen Lächeln , er warf ihr eine Kusshand zu als er sie kommen sah.
Ihr Herz tanzte vor Freude , sie rannte auf ihn zu , direkt in seine Arme , sie umarmten sich als hätten sie sich sehr lange Zeit nicht gesehen.
Es war nur eine einzige Nacht , aber es schien eine Ewigkeit für die beiden gewesen zu sein.

Freudestrahlend fuhren sie mit dem Auto zu einer kleinen Halle , wo das Segelflugzeug stand.
Es war mitten auf dem Land ,und die Luft war warm und roch nach Heu.
Ein wirklich sehr schöner Tag.
Als er die Tore , zur Halle aufschloss , sah sie hunderte Sonnenblumen auf einem benachbarten Feld stehen. Jetzt bloß nicht träumen , dachte sie bei sich , sonst verpasst du die Hälfte.
Steve half ihr in das kleine Segelflugzeug,und auch er kam nach.
Vor sich hinträumend und vom Glück und seiner Anwesenheit ganz angetan , bekam sie den Start gar nicht mir , sie öffnete die Augen als sie schon in der Luft waren.
Sie schwebten , alles schien wunderbar leicht , und sie , ganz allein mit ihm ,dem süßesten Mann auf der ganzen weiten Welt hoch über den blauen Wolken.
Sie hätte schreien können vor Glück.
Es war so wunderschön hier hoch oben , von allem ab , alles hinter sich zu lassen.
Und in der Brust ein schlagendes glühendes Herz zu haben.
Ein paar Runden flogen sie noch über blühende Felder und grüne Wälder.

Gelandet , gingen sie noch ein wenig Hand in Hand , am Rand eines Feldes spazieren , es war dieses Feld mit den Sonnenblumen.
Ein Akkordeon Spieler saß da und spielte ein wunderschönes Lied.
Steve packte sie einfach und tanzte mit ihr dazu , über den Weg hinein , in den Sonnenuntergang.
Lachend viele beide ins hohe Gras , und er überschüttete sie mit vielen süßen Honigküssen , es war dunkle Nacht , aber sie fühlte sich so rein , so leicht und so geborgen bei ihm.
Sie schliefen miteinander , mitten auf dem Feld , in der warmen Sommernacht.
Es war ihr bis jetzt romantischster Augenblick in ihrem ganzen Leben .

Sie hatte den Mann ihres Herzens kennengelernt , es war der Mann , der ihr das Fliegen zeigte , der Mann der mit seinem Klavierspiel , selbst Schmetterlinge zum tanzen brachte.Und vor allen Dingen der Mann , der sie zum lachen brachte und der , ihr Herz wild schlagen ließ.
Steve!

Zuhause stellte sie die roten Schuhe in den Schrank und zog sie nie wieder an.
Hielt sie zur Erinnerung aber immer fest!

Sie kaufte sich ein paar neue rote Schuhe.

Und man sah die beiden seitdem oft tanzend auf dem Feldweg , am Anfang des Weges immer der Akkordeon-Spieler.
Sie tanzten in den Sonnenuntergang , verliebt wie sie waren ,legten sich ins warme Feld , kauten Grashalme , und tauschten Zärtlichkeiten....

Sie waren einfach zusammengehörend und trennten sich nie wieder!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /