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Autor: Hanna Schnur

Copyright Texte: Hanna Schnur

Copyright Bildmaterial: whoopy.com - alco11

Tag der Erscheinung 11.02.2013

Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

 

 

 

 

Ich tu, was ich tu, und du tust, was du tust

Ich bin nicht auf dieser Welt,

um nach deinen Erwartungen zu leben,

und du bist nicht auf dieser Welt,

um nach den meinen zu leben.

Du bist du, und ich bin ich,

und wenn wir uns zufällig finden, - wunderbar.

Wenn nicht, kann man auch nichts machen.

Fritz Pearls 1893 - 1970 Begründer der Gestalttherapie

 

Rien ne va plus

 

 
„Ich bin in Sie verliebt“.

Mir stockte der Atem. Was hatte ich grade gesagt? Ich spürte wie mir heiss wurde und mein Gesicht anfing zu glühen

Herr Rosenbusch schaute mich erschrocken an.

Wir waren von unserer letzten Fahrt auf dem Parkplatz der Fahrschule gelandet. Morgen war die praktische Führerscheinprüfung. Dann würde ich ihm nie wieder so nah sein. Wir würden uns womöglich nie wieder sehen.

Das war die letzte Gelegenheit gewesen.

Es knisterte schon seit einiger Zeit zwischen uns. Zumindest empfand ich das so.

Herr Rosenbusch war ein muskulöser Mann Ende 40. Seine Gesichtszüge waren hart, aber seine Augen strahlten Wärme aus. Man konnte ihn als gutaussehenden Mann bezeichnen. Das war es aber nicht, was mich anzog. Es war seine Art zu reden. Sein trockener Humor. Die wenigen Worte, die er gebrauchte, um etwas auf den Punkt zu bringen.

Ich wusste es gleich, als ich ihm das erste Mal begegnet bin, dieser Mann gefällt mir. Ich hatte das Gefühl, als wenn ich ihn schon lange kennen würde.. Er sagte Dinge, die mit meiner Weltsicht im Einklang waren. Meine Hormone fingen in seiner Gegenwart an verrückt zu spielen. Er schien ein passender Liebhaber für mich zu sein.

Ich dachte nie ans Heiraten oder an Fortpflanzung, wenn mir so etwas passierte, obwohl ich mit Mitte zwanzig im besten dafür Alter war.

Es war sehr selten dass mir ein Mann wirklich gefiel. Was vielleicht damit zusammenhing, dass ich nie direkt auf die Suche ging, wie manche meiner mit mir befreundeten Geschlechtsgenossinnen und ich somit auch sehr wenig Männer zum Zwecke der menschlichen Vermehrung kennen lernte.

Es genügte mir nicht in einer schummrigen Kneipe oder Diskothek nur nach äusseren Gesichtspunkten einen Mann zu treffen, um dann in ihm die „grosse Liebe“ zu sehen.

Ich musste erleben, wie sich jemand im Alltag bewegte und verhielt.

Dieses hatte ich bei Herrn Rosenbusch nun längere Zeit mehrmals wöchentlich genau studieren können.

Und jetzt hatte ich den Satz zu ihm gesagt.

Am liebsten hätte ich ihn wieder zurück genommen.

Es konnte sein, dass er meine Gefühle erwiderte und mit mir eine ernsthafte Beziehung führen wollte..

Er wäre enttäuscht, wenn er meine Wohnung sehen würde. Ich war eine Chaotin und er hatte einmal erzählt, während einer Fahrstunde, dass es ihn immer beeindrucken würde, wenn Frauen eine aufgeräumte saubere Wohnung hätten, da er es aus seiner Kindheit anders kannte und nie wieder in solchen Zuständen leben wollte.

Verständlich. Ich war auf jeden Fall nicht die richtige Frau für ihn.

Aber vielleicht nur für einmal? Dann sieht er meine Wohnung und geht wieder aus meinem Leben.

Würde mir das reichen? Wäre ich dann verletzt? Es hinge davon ab, wie gut das eine Mal werden würde.

Ich spürte, dass es guter Sex werden könnte.

Aber damit hatte ich mich früher bei anderen Männern schon getäuscht.

Andrerseits hatte ich vorher noch nie einen Mann so genau studieren können.

Es ist unheimlich nah in so einem Auto zu zweit. Die Grenzen des Abstandes, den man sonst zu Menschen einhält, sind in so einer Situation – zumindest für mich – überschritten.

Es war mein zweiter Anlauf einen Führerschein zu bekommen.

Das erste Mal hatte ich es in einer Schnelldurchlauf-Ferien-Fahrschule versucht. Der Fahrlehrer war ein ehemaliger Bundeswehrangestellter, der meinte auch seine Fahrschüler mit dem dort üblichen Ton unterrichten zu müssen. Ausserdem hatte er noch Mundgeruch und die Fahrstunden mit ihm waren für mich unerträglich. Zweimal musste ich ihm drohen, mich bei seinem Vorgesetzten zu beschweren, damit er sich etwas zurück nahm. Entsprechend war dann auch das Ergebnis. Ich fiel durch die Prüfungen.

Ich weiss nicht, wie es bei anderen Menschen ist, aber ich, lerne am besten etwas Neues, wenn ich den Lehrenden idealisiere. Ihn mag – verliebt bin. Die besten Ergebnisse erziele ich in so einem Zustand.

Von daher, als ich die Fahrschule Rosenbusch betrat und Sebastian das erste Mal sah und später erlebte, wusste ich sofort, dass mein Alfa-Romeo-Spider, der seit einem Jahr nutzlos in meiner Garage stand, endlich von mir „befahren“ werden würde....

Ich arbeitete zu der Zeit neben meiner hauptberuflichen Halbtagstätigkeit als Sekretärin in einem kirchlichen sozialpsychologischen Institut, zweimal wöchentlich nachts als Call-Girl in einem der renommiertesten Clubs der Stadt.

Jeder der mit diesem Club zu tun hatte, hatte seinen Führerschein in der Fahrschule Rosenbusch gemacht.

Ein Call-Girl, dass sich in ihren Fahrlehrer verliebt.

Würde er das glauben?

Ich war mir nicht sicher, ob er von meinem Nebenjob wusste.

Und wenn, würde er dann nicht denken, ich hätte das nur wegen der morgigen Führerscheinprüfung gesagt, weil ich damit kalkuliert habe, dass er einen guten Draht zu den Prüfern hätte?

Oder vielleicht war er ein Zuhälter, was durchaus möglich war mit seinen Kontakten zum Milieu, und er hatte es darauf angelegt, dass ich mich in ihn verlieben würde?.


Herr Rosenbusch hatte mittlerweile seine Fassung wieder gewonnen und räusperte sich.

„Also noch mal, ich sitze morgen neben Ihnen. Wenn ich die Hand nach links drehe“, er demonstrierte es. „Dann fahren Sie links. Wenn ich sie nach rechts drehe logischerweise nach rechts. Ist das angekommen?“

Das hatte er vor meinem folgenschweren Satz schon einmal gesagt. Ich erinnerte mich dunkel.

Ich starrte ihn an.

„Und über das andere wegen der Verliebtheit reden wir nach der Prüfung“, sagte er mit einem Lächeln. „Ich muss jetzt weitermachen, tschüss und morgen pünktlich um 9.00 Uhr da sein“, verabschiedete er sich und verliess das Auto.


Ich hatte kaum geschlafen in dieser Nacht.

Morgens um 9.00 Uhr stand ich vor der Führerscheinprüfstelle. Herr Rosenbusch war schon da.

Ich war die Erste.

Mein Fahrlehrer hatte mich gut eingeschätzt, obwohl ich in den Fahrstunden sicher fuhr, war eine Prüfungssituation etwas anderes. Ich hatte ein paar Black-Outs und Sebastian Rosenbusch half mir mit seinen Handbewegungen, die er diskret in seine Erzählungen über seinen letzten Urlaub, die er dem Prüfer zum besten gab, mit einbaute.

Nach einer guten Stunde, stieg ich als zukünftige Besitzerin eines Führerscheins aus dem Auto. Ich hatte bestanden.

Sebastian Rosenbusch gratulierte mir. Dabei gab er mir eine Visitenkarte, auf der seine private Telefon-Nummer stand.

„Ruf mich bitte heute Abend an“, sagte er vom „Sie“ zum „Du“ überwechselnd. Dabei schaute er mir tief in die Augen.

„Du liebe Zeit“, dachte ich. „Er will es auch.. Sonst hätte er mir die Karte nicht gegeben“.

Immerhin hatte ich jetzt noch die Option, nicht anzurufen.

Als ich nachhause kam, drehte ich erst einmal genüsslich eine Runde mit meinem Alfa-Romeo Spider. Ich hatte einen Tag Urlaub und fuhr in ländliche Gegenden. Es war ein warmer Frühlingstag und ich liess mir den Wind mit offenen Verdeck um die Ohren wehen. Die Vögel zwitscherten, der Motor lief gleichmässig und meine Bedenken wegen Sebastian Rosenbusch, verflüchtigten sich in alle Himmelsrichtungen.

Um 18.00 Uhr rief ich ihn an.

„Ich bin in einer Stunde bei Dir. Ich würde Dich gern zum Essen einladen, ist das ok?“

„Ja, klar,“ brachte ich heraus.

Ich sprang unter die Dusche und zog mein blaues Lieblingskostüm mit den dazu passenden Schuhen an.

So hatte er mich noch nie gesehen. Es war Winter als ich mit den Fahrstunden angefangen hatte.

Es klingelte.

Ich ging zur Tür.

Als Sebastian Rosenbusch in meinem Flur stand und mich zur Begrüssung ans sich zog, gab es kein Halten mehr. Die Funken zwischen uns, während meiner Fahrstunden hatte ich mir nicht eingebildet.

Der von Sebastian im Restaurant Merano bestellte Tisch blieb an diesem Abend leer.

Es war eine gute Beziehung. Sie hielt fast zwei Jahre.

Irgendwann hatte sich unser beider Leben so verändert, dass wir ohne den anderen weiter gehen mussten.

Aber es war eine schöne Zeit gewesen.

Rien ne va plus..

 

Impressum

Texte: Maria Skorpin
Bildmaterialien: www.woophy.com - alco11
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Rien ne va plus Im Gedenken an dem besten Fahrlehrer der Welt...

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