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Ich war sieben, er auch. Und er war mein bester Freund, wenn man es so nennen kann. Eben eine Kinderfreundschaft seit dem Kindergarten, die daraus besteht, dass sich die Eltern, die sich gut verstehen zum Kaffee treffen und ihre Kinder zusammen spielen lassen. Damit sie eben auch mal in Ruhe einen Plausch halten können. Wie das eben so ist.
Und daraus entwickelte sich eben eine Freundschaft.

Am Ende des Kindergartens nahm mich meine Mutter eines Nachmittages zur Seite. Ich weiß es noch als wenn es gestern gewesen ist. Sie sah mich ganz ernst an und ich dachte schon, sie hätte bemerkt, dass ich mir die Gummibärchen aus dem Schrank genommen habe. Aber das war nicht so. Sie sagte mir: „Schatz, du weißt doch wie es ist, wenn man Kopfschmerzen hat, oder?“. Natürlich wusste ich das. Ich hatte zwar nie wirklich Probleme damit gehabt in dem Alter, aber ich wusste schon, was das ist. „Ok. Hör mir zu: Der Mark ist sehr krank. Er hat sowas wie Kopfschmerzen. Und das die ganze Zeit. Deswegen muss er oft zum Arzt und wir können nicht mehr so oft zu ihm.“.
Naja, war ja auch nicht so schlimm. Ich hatte ja noch meine beste Freundin Anna, mit der ich mich zum spielen treffen konnte.
So ist das eben als Kind. Keine Sorgen, keine Ängste.

So verstrich die Zeit und wir kamen in die Schule. Mark kam zu mir in die Klasse. Das freute mich, ich hatte ihn in den letzten Wochen kaum gesehen. Allerdings blieb es auch dabei, denn er kam kaum in die Schule. Aber er war etwas ganz besonderes.
Ja, er war der Einzige, der eine Kappe im Unterricht tragen durfte. Das war toll. Sonst durfte das niemand. Aber Mama hatte mir ja erklärt warum: Die Medikamente, also sowas wie der Saft wenn man Husten hat, haben ihm eine Glatze gemacht. Aber das war ja nicht schlimm, immerhin konnte er deswegen eine Kappe tragen!

So dröppelte das Jahr vor sich hin. Mark kam immer seltener und ich sah ihn auch zum spielen kaum noch. Wenn, dann saß er meistens nur in der Ecke und sah zu, wie ich die Dinos einen unglaublichen Kampf austragen ließ. Machte keinen Spaß irgendwie.

Dann ging die zweite Klasse los. Wir waren keine I-Dötzchen mehr! Super.
Zu der Zeit versuchte mir auch meine Mutter genau zu erklären, was mit Mark passiert war. Denn seine Eltern wollten umziehen. Und ich verstand nicht wieso. Meine Mama erklärte mir, dass der Mark in seinem Kopf sowas wie einen bösen Pilz hat. Und seine Eltern wollten in die Nähe eines anderen Krankenhauses ziehen. Die Ärzte hier, meinte Mama, hätten ihm nicht helfen können und nun wollten die Eltern von Mark eben zu anderen Ärzten gehen. Und die sind eben ganz weit weg.

Das letzte mal sah ich ihn, als er zu uns zum spielen kam. Er sah ganz krank aus. Aber er lachte. Meine Lehrerin meinte immer, dass er ganz doll kämpft. Womit auch immer. Mit dem Pilz wahrscheinlich.
Alle Erwachsenen um mich herum waren immer ganz traurig. Und irgendwann hat sich meine Mama zu mir gesetzt und wollte ein schönes Bild mit mir malen. Für den Mark. Wir haben dann einen Apfelbaum gemalt mit ganz vielen roten Äpfeln dran.
Den hat er auch ein paar Tage danach bekommen…allerdings weiß ich nicht ob er sich gefreut hat, denn ich konnte ihn nicht sehen.
Das war meine erste Beerdigung. Es war komisch. Alle Erwachsenen haben geweint. Und der Mark lag in einem weißen Sarg. Und dann ist sein Sarg in ein Loch gelassen worden und wir haben Erde und Blumen auf seinen Sarg geworfen. Und mein Bild. Es war schon traurig, aber ich habe es nicht verstanden.
Das Leben ging weiter und ich war ja noch ein Kind. Ich habe den Mark schon vermisst, aber mir war nicht klar, was der Tod ist. Natürlich kennt man das Wort, aber mit sieben Jahren habe ich mich nicht damit beschäftigt.
Aber danach. Sehr viel später. Genau genommen habe ich sechs Jahre dafür gebraucht es zu verstehen.

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Tag der Veröffentlichung: 28.03.2009

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