Das Leben bleibt immer im Gleichgewicht. Passiert die etwas schlimmes, wird dir in nächster Zeit etwas schönes wieder fahren.
Passiert dir etwas schönes, kannst du davon ausgehen, dass das Schicksal die mit etwas schlimmen einholt.
Ich hatte das Glück, diesen unerreichbaren Typen mein Eigen zu nennen.
Doch als Gegenzug traf mich das Pech.
Ich mochte es, denn ich erwartete, dass das Pech mir helfen würde klarzukommen, meine unendliche Wut an den anderen auszulassen. Aber so leicht war es nicht.
Manchmal denke ich nur, dass ich es doch verdient habe, dass ich halt zu naiv bin.
Dass mich die Frage, wer ich bin, zerstört hat. Denn manchmal ist es besser es nicht zu wissen.
Liam hielt die Waffe auf mich gerichtet. „Es tut mir leid.“, flüsterte er mit Tränen in den Augen, doch ich konnte in seinem Blick erkennen, dass er nicht vorhatte mich umzubringen.
Ich schlug die Augen auf. Es musste früher Morgen sein, denn diesmal hatte mich die Sonne im Stich gelassen und ich wachte ohne dem Kitzeln der Sonnenstrahlen, dem Gefühl von Zuhause, dem blendenen Licht und der Geborgenheit auf.
Ich wagte einen Blick auf meinen Wecker. Er war sehr altmodisch, verziert mit goldenen Pflanzenranken, aber in meinen Augen, war er wunderschön.
7.00 Uhr… Moment mal! 7.00 Uhr ?! Mein Bus kam um kurz nach sieben.
Schnell sprintete ich ins Badezimmer, knalle die Tür zu und begann mich fertigzumachen.
Ich zog meinen teuren Schlafanzug aus, auf den ich lange hatte sparen müssen und stieg hastig in die Dusche. Das warme Wasser tat gut auf meiner Haut und es beruhigte mich.
Ich vergaß die Zeit und die Eile und begann zum ersten Mal am Morgen einen klaren Gedanken zu fassen. Wieso schien die Sonne nicht wie gewohnt um kurz nach sechs? Hatte ich etwa mein Rollo heruntergelassen? Nein. Das tat ich nie, dafür mochte ich die Sonne zu gern.
Als ich aus der Dusche kam, trocknete ich mich schnell ab, schlüpfte ich ein Figurbetontes Kleid mit Blümchenmuster und ging zurück in mein Zimmer. Doch das Rollo war oben. Draußen war jedoch keine Sonne zu sehen.
Da erst fiel mir das Datum auf, dass auf meinem Kalender stand. Den Kalender hatte mir meine allerbeste Freundin Hannah geschenkt. Es war der 4. September… Herbst? Das kann nicht sein. Gestern schien die Sonne noch und man fühlte sich wie im wärmsten Sommer des Jahres.
Ich wollte mir grade einen Pullover und eine Jeans anziehen, da schaute ich abermals auf die Uhr. 7.15 Uhr. Scheiße, dachte ich mir. Den Bus kann ich wohl vergessen. Naja, der Weg war ja eh nicht sehr weit. Da kann ich ruhig die 300 Meter zu Fuß laufen.
Als ich in aller Ruhe gefrühstückt hatte, putzte ich mir die Zähne. Wie schön sie doch aussahen. Erst vor zwei Monaten war ich meine Zahnspange losgeworden und meine Zähne waren das einzige an mir, das man als schön beurteilen konnte. Ich blickte in den Spiegel. Dasselbe Gesicht wie jeden Morgen, die großen grünen Augen, die blasse Haut, Die dunkelbraunen langen Haare… Alles durchschnittlich. Ein normales sechzehnjähriges Mädchen. Selbst meine Figur war normal. Während andere schöne weibliche Rundungen hatten, hatte ich eine zierliche, fast zerbrechliche Figur.
Ein Geräusch ließ mich hochschrecken. Das vertraute Klirren des Schlüssels… Das fröhliche „Hallo“… Das Lachen meiner Mutter…
Sekunden später war ich an der Tür um meinen großen Bruder Daniel zu begrüßen. Er kam nur selten nach Hause, da er irgendwo in einem weit entfernten Kaff studierte.
„Jess!“, rief ein Bruder mit ausgebreiteten Armen. „Danni!“, antwortete ich und sprang in seine kräftigen, gut trainierten Arme hinein. Er war ganz kalt und könnte mal wieder eine Rasur vertragen. „Na? Wie geht’s meiner Lieblingsschwester denn so?“, fragte er mich.
„Schlecht, wenn ich zu spät zum Unterricht komme…“, antwortete ich.
„Oh, okay… Du musst los!“, schnell ließ er mich frei und reichte mir meine schwarzen Sneakers. Das hatte er früher jeden Morgen gemacht, als könnte er voraussehen, welche Schuhe ich grade tragen wollte. Oder er griff einfach das einzige Par, dass von mir dort stand. Die Schuhe, die ich nicht so oft trug, bewahrte ich in meinem Schuhschrank im Keller auf. Rasch schlüpfte ich in sie hinein und streifte meine rote Collegejacke über.
„Jessika Adams! Du bist zum wiederholten Male zu spät zum Unterricht erschienen. Setz dich bitte auf deinen Platz, am Ende der Stunde werde ich dir einen Eintrag geben.“
Diese Worte hörte ich von meiner Klassenlehrerin Mrs. Taylor jeden Tag.
„Okay“, war dann meine Antwort, worauf sie mich böse musterte.
Ich wollte mich gerade auf meinen Platz in der letzten Reihe begeben, da sah ich ihn.
Er war groß, dunkelhaarig und hatte ein nahezu perfektes Gesicht. Er saß auf dem Platz neben mir, auf dem normalerweise niemand saß, weil ich mit meiner ‚zickigen Art’ ja jeden abschreckte. Nur meine Freundin Hannah lies das kalt, schade nur, dass ich sie nur zwei mal die Woche beim Basketball sah.
Schnell setzte ich mich, wobei der neue Schüler mich neugierig anschaute.
Die ganze Stunde versuchte ich vergeblich mich nicht zu sehr von ihm ablenken zu lassen, aber es half nichts. Als Mathe dann endlich vorbei war, war ich drauf und dran meine Sachen zu packen und die letzten Stunden zu schwänzen. Das tat ich immer und in letzter Zeit war es zur Gewohnheit geworden, denn spätestens nach der ersten Stunde ging es los.
Ich rettete mich noch rechzeitig in den Flur, bis die Sprüche mich erreichen konnten.
Immer, wenn nicht grade Unterricht war oder kein Lehrer in hörbarer Nähe war, lästerten sie und riefen mir lachend Sachen hinterher.
Ich gewöhnte mich daran, versuchte aber trotzdem nicht in der Nähe zu sein, damit ich die Sachen die sie leise hinter meinem Rücken über mich sagten nicht hören konnte.
Alle schreiben über Mobbing, wie doof es doch sei und das es cool wäre niemanden zu mobben, aber ich wusste es besser. Ich wünschte es wäre so wie die das im Fernsehen immer sagen, dass man sich nur an die Eltern oder Lehrer wenden muss, dann wäre alles vorbei. Aber erstens werde ich ganz bestimmt nicht meine Eltern oder Lehrer mit meinen Problemen vollabern und zweitens wird es so oder so nichts bringen. Also ließ ich es lieber sein.
Ich ging den Schulflur entlang, da hörte ich wie mich jemand verfolgte. Ein kaum hörbares klacken, dass Sneakers auf unseren Steinboden hinterlassen. Das Geräusch beruhigte mich, es war angenehm und ich genoss es. Da bekam ich mein klares Denken zurück. Wer war das? Wer gab sich Mühe mir hinterherzulaufen? Ein Typ, der mich ärgern will, beantwortete ich mir meine Frage selbst. Ich beschleunigte automatisch meine Schritte, da kam mir der Gedanke, dass diese Person mich vielleicht gar nicht verfolgte. Wahrscheinlich muss er oder sie zum Unterricht und ist spät dran ich verlangsamte meine Schritte und wurde ruhiger, doch wie auf Kommando wurde das Klacken hinter mir schneller und ich bekam wieder Panik.
„Hey“, sagte eine unbekannte Jungenstimme. „Warte doch mal!“
Ich riss meine Augen weit auf und rannte fast. Was wollte der von mir? Ich wagte nicht mich umzudrehen, denn ich hatte Angst ihn anzuschauen. Manche Geheimnisse bleiben lieber ungelüftet.
Da legte mir jemand die Hand auf die Schulter und ich schrie.
Hinter mir stand der Neue. „Hast du mich erschreckt.“, sagte und wurde knallrot. Wieso mussten mir ständig solche Peinlichen Sachen passieren? Ich wollte am liebsten im Boden versinken, so unangenehm war mich diese Situation.
„Ich bin Liam Benson. Ich bin neu in der Klasse und wollte dich eigentlich vorhin fragen wie du heißt, aber dann bist du weggerannt.“
„Oh… Eh… Ich bin Jessika Adams. Du kannst mich auch Jess nennen… Wenn du willst.“
„Alles klar Jess, und wohin möchte meine neue Sitznachberinn?“, fragte er mich bin einem zaghaften Lächeln. Erst da fiel mir auf wie schön seine Augen waren. Sie waren braun und man konnte tief in ihnen versinken.
„Jess? Alles okay bei dir?“, holte mich Liam in die Realität zurück.
„Äh, ja alles okay. Was hast du noch mal gefragt?“, mir war das so endlos peinlich. Was sollte Liam jetzt von mir halten? Von einem Mädchen, was vor ihm wegrennt und total geistesabwesen ist wenn er mit ihr spricht.
„Ich fragte, wo du hingehst.“, erinnerte er mich.
„Die restlichen Stunden woanders verbringen.“, stammelte ich.
„Du schwänzt? Ich hätte dich nicht so eingeschätzt.“
„Tja, unberechenbar.“
„Kann ich mitkommen, wenn du nichts dagegen hast?“
Die Frage verwirrte mich. Der Typ war echt total abgedreht. Mich hatte noch nie jemand gefragt, ob er mit mir schwänzen durfte.
„Äh...Na klar, was möchtest du denn machen?“
„Weiß nicht, was machst du denn immer so?“
Ja… Was mach ich denn immer so? In der Ecke sitzen und malen. Sowas konnte ich ihm unmöglich erzählen. Wobei ich das Malen leibte. Es entspannte mich und ich war glücklich.
„Keine Ahnung, wozu hast du denn Lust?“, antwortete ich einfach.
"Ich könnte dir meinen Lieblingsort zeigen, ich habe ihn gestern entdeckt, als ich mit meinem Hung Gassi gegangen bin. Wen du Interesse hättest, können wir uns dort unterhalten."
Ich fand den Vorschlag gut, brachte noch ein "Prima" heraus und wir gingen los.
Es war eine Baumhöhle. Die Rinde war mit grünen Moos überzogen und es roch überall nach Wildblumen. Wir waren ein Stück in den Wald neben der Schule gelaufen, bis er schließlich dort anhielt. Die Höhle war sicherlich groß genug für acht Leute und ich fragte mich, wie alt der Baum sein musste, damit er so riesig war.
"Mach den Mund zu.", sagte Liam, während er sich total kaputtlachte wegen meinem blöden überraschten Gesichtsausdruck.
"Wow... Das ist... der totale Wahnsinn!", rief ich voll Begeisterung und ich fühlte mich mit Liam an der Seite, so sicher wie noch nie in meinem Leben zuvor.
Da bemerkte ich eine Bewegung an Liam, die mich misstrauisch werden ließ. Er ging ein Stückchen zur Seite und stellte sich vor eine Stelle des Baums, als wollte er mir etwas verheimlichen, das dort war. Er schien mein Misstrauen zu durchschauen und setzte seine herliche Miene wieder auf.
"Wollen wir reingehen? Dadrinne ist es bestimmt schöner als hier", brachte er heraus, aber ich war mir sicher, dass in seinen Worten ein Geheimnis mitschwang, was er mir unter keinen Umständen erzählen wollte.
"Okay.", war meine Antwort, wobei ich ihn am liebsten nach den Grund für sein komisches Verhalten fragen wollte. Aber vielleicht würde er es mir irgendwann mal erzählen.
In der Höhle war es tausendmal schöner als außen. Irgendjemand machte sich die Mühe ein paar Plastikstühle hiereinzutragen (wobei ich nicht glaubte das dies Liam gewesen sei).
Es war windgeschützt, doch die Sonnenstrahlen kamen durch das dichte Grün der Blätter hindurch und hienterließen Muster auf der Innenseite des Baumes. Ich fühlte mich wie im Himmel. Einen Ort, der so bezaubernd war konnte es doch nur im Himmel gebn, oder?
Ich beschloss diesen Gedanken zu verschieben und genoss den Anblick. Da viel mir wieder Liam ein. Er stand hinter mir und lächelte mich mit dem gleichen zärtlichen Lächeln an wie vorhin und ich merkte wie ich dahinschmolz. In meiner Bauchgegend fing es an kräftig zu flattern. Als hätte ich zwei Dutzend Schmetterlinge verschluckt. Moment mal! ich war doch nicht etwa in ihn verliebt? Ich kannte ihn doch erst seid einer Stunde und schon sagte mein Bauch mir, dass ich ihn mochte. Das konnte unmöglich sein.
"Ist irgendetwas los, Jess?", fragte er mich, als hätte ich mich auf einmal in eine Geistesgestörte verwandelt. Oh, das hatte ich doch tatsächlich, denn jetzt erst merkte ich meinen zerknirschten erschrockenen Ausdruck, der nicht mehr von meinem Gesicht weichen wollte. So ein Mist! Ich sagte doch er hält mich für total gestört.
"Äh, ne alles gut.", sagte ich viel zu schnell, wesswegen er fraglich seine linke Augenbraue hochzog. ich weiß nicht wieso, aber ich fand das ausgesprochen sexy an ihm.
Doch gleichzeitig würde es mich nicht wunder, wenn er jetzt jeden Moment ein Messer zücken würde, um mich niederzustechen. Ich meine, wer lädt ein Mädchen schon in eine Baumhöhle ein, ohne böse Absichten zu haben? Wahrscheinlich würde er sich sogar den Spaß erlauben, mich vorher noch zu vergewaltiegen. Ich wollte grade wegrennen, da merkte ich, dass mir ein Stimmchen aus meinem Inneren das Gegenteil befahl.
Si blieb ich tapfer stehen und hoffte, dass man mir meinen Bammel nicht ansah.
Wir setzten uns auf zwei der Stühle, die mit der Zeit dreckig und kaputt waren und Liam sah mich erst eine Weile an, bevor er anfing zu sprechen: "Du scheinst nicht besonders viel Gefallen daran zu haben, die Schule zu besuchen, liege ich da richtig?"
Woher wusste er das? Ich wäre jetzt nicht sonderlich überrascht, würde er mir sagen, dass er ein Vampir ist und Gedankenlesen kann. Da merkte ich, dass mich diese Situation seltsam ähnlich an Twilight erinnerte, wobei ich überhaupt keine Ähnlichkeiten mit Bella hatte und er nicht mit Edward. Denn er war besser!
"Ich neige dazu hin und wieder dem Unterricht zu entgehen.", antwortete ich ihm, wobei ich mir Mühe gab, dass meine Ausdrucksweise ebenso sachlich und formell klang wie seine. Doch das ging wohl gründlich daneben. Wir beide hatten es bemerkt und fingen an zu lachen.
"Darf ich fragen wieso du das machst?"
Was bitte soll man einem Jungen sagen, wenn er fragt wieso man schwänzt. Vielleicht 'Ich werde gemobbt und habe tierische Angst vor allem auf der Welt, außerdem kriege ich bei dem Gedanken an meine Mitschüler Mordgedanken!'.
Nee, lieber nicht. Ich fragte mich trotzdem, wieso er vorhin so überrascht war, als ich ihm erzählte nicht am Unterricht teilzunehmen. So, als hätte er noch nie jemanden schwänzen gesehen, oder es nicht selbst getan. Obwohl, dass könnte doch sein, sagte ich mir. Vielleicht war er aus einer Gegend in der, wenn man nicht da war ohne Entschuldigung, einem der Arsch aufgeschlitzt wird.
Ich merkte, dass er auf eine Antwort wartete, also sagte ich einfach: "Schule langweilt mich.", doch er musste merken, dass da noch etwas anderes war.
Wir unterhielten uns Stundenlang über Gott und die Welt und langsam schien das Eis zu brechen. Er fragte mich allerlei über mich und ich ebenfalls über ihn. Zum Beispiel, welche Lieblings- Farben/Sänger/Bands wir hatten, bis er mir eine Frage stellte, auf die ich nicht vorbereitet gewesen war. Jedenfalls nicht SO. "Wie viele Freunde hattest du schon?", ich hielt einen Augenblick inne und er merkte mein Zögern. Fragend hob er die linke Augenbraue. "Ähm, wenn ich ehrlich sein soll noch keinen...", geatand ich und wurde rot. Woher wusste er, dass mir genau dieses Thema sehr peinlich war? Alle hatten Beziehungen nur ich nicht. Das kam wahrscheinlich daher, dass mich eh keiner mochte.
Und schon überhäufte er mich weiter mit Fragen, die wieder leicher zu beantworten waren.
Es muss schon später Nachmittag gewesen sein, als wir beschlossen zu gehen. Es fing an zu regnen und in einer Stunde würden meine Eltern von der Arbeit zurückkommen. Danni hätte bestimmt nichts gegen meine Verspätung, er konnte es nachvollziehen. Aber bei meinen Eltern war es etwas anderes.Als wir die Baumhöhle verließen, fiel mein Blick automatisch auf die Stelle an dem Baum, vor die sich Liam vorhin gestellt hatte. Tatsächlich war dort etwas eingeritzt. In Großbuchstaben zierte das Wort 'Strangers' die Moosgrüne Rinde.
Ich wohnte ein paar Straßen weiter, desswegen kam ich schnell nach Hause, Liam hingegen musste ein ganzes Stück weiter mit dem Fahrrad fahren, doch er war so nett und begleitete mich bis zur Haustür.
"Das war echt schön.", sagte er und setzte dabei ein so atemberaubendes Lächeln auf, sodass ich erst kaum antworten konnte.
"Das fand ich auch.", antwortete ich nach einer Weile, als ich meine Sprachen wiedergefunden hatte.
"Wir sehen uns morgen in der Schule, naja... Falls du vorhast zu schwänzen dann nicht. Bis dann."
"Bis dann.", flüsterte ich viel zu spät, als er schon unsere Einfahrt verlassen hatte. Eins muss man ihm lassen, er sah extrem sexy auf seinem schwarzen Mountainbike aus.
Ich schloss hastig die Tür auf und ging hinein. Meine Haare waren ganz nass und ich beschloss mir vorerst trockene Kleidung anzuziehen und sie mir danach zu föhnen. Doch Danni stand schon breit vor mir und starrte mich misstrauisch an.
"Wer war das, wenn ich bitten darf?!", bei den Worten zogen sich seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Manchmal übertrieb er echt mit der 'Großer Bruder' Nummer.
"Ein Freund, wenn ich bitte darf?!"
"Aha... Wie heißt er?"
"Soll das jetzt ein Kreuzverhör werden? Lass mich durch!"
"Sag mir wie er heißt und ich gehe zur Seite.", man, er war echt hartnäckig.
"Liam. Liam Benson. Er ist neu in unserer Klasse. Okay?", sagte ich und stürmte vorbei in mein Zimmer.
Wie immer drückte ich den Startknopf auf meinem Computer und ließ ihn Ruhe hochfahren. Währendessen zog ich mir statt des Pullover ein T-Shirt mit dem 'Batman' Zeichen drauf an und wechselte meine Jeans. Die Haare fönte ich doch nicht, sondern bund sie nur zu einem Zopf. Inzwischen war mein Computer an und ich ging ins Internet um meinen Facebookaccount zu checken. Normalerweise brachte das eh nichts. Außer ein zwei Nachrichten von Hannah, erwartete mich nie etwas, aber das war für mich normal. So musste ich wenigstens nicht tausend Texte durchlesen, in denen immer nur das selbe stand wie 'Hallo, wie gehts?', oder 'Hi, wie gehts', oder 'Heey, wie gehts?'. Das braucht doch echt kein Mensch.
Eine Nachricht von Hannah. Eine Nachricht von Leader... Wer war Leader? Das war schon echt komisch, sich Leader zu nennen. Ich meine , wer ich so selbstsicher und arrogant sich als Anführer zu bezeichnen? Vielleicht war das ja auch nur wieder so eine Seite, auf der Bilder von nackten Frauen gestellt wurden und die umbedingt viele Likes haben wollen. Aber die würden doch sowas keinem Mädchen schicken. Das wäre total die falsche Zielgruppe. Trotzdem öffnete ich die Nachrichten. In der von Hannah stand, das heute Basketball ausfällt, weil Megan, unsere Trainerin, plötzlich Grippe bekommen hatte.
Danach öffnete ich die andere Nachricht.
Hey Jessika,
hast du Lust dich endlich durchzusetzen? Dem Gegenüber zu zeigen wer du wirklich bist?
Wir tun das und lassen den Rest der Welt hinter uns, weil nur eins zählt: Rache.
Du kennst bestimmt auch Leute, mit denen du noch ein Hühnchen zu rupfen has, aber zu schüchtern dafür bist. Wir helfen dir. Vertrau uns.
Du findest Informationen auf der Seiter hinter diesem Link:
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Also vertrau uns und tritt uns bei.
Revenge is destiny!
Liebe Grüße Leader
Das wort Strange war das, das in den Baum eingeritzt wurde!
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich immer noch nicht schlauer. Ich hatte mir den Kopf zerbrochen und war daher erst sehr spät eingeschlafen. Das merkte ich, als ich mich verkrampft und müde aus dem Bett schliff.
Ich wusste nich, was diese Strangers waren und was der Inhalt der Nachricht zu bedeuten hatte, aber ein leises Stimmchen in meinem Kopf sagte mir, dass da etwas nicht stimmte. Warum sonst, sollte Liam sich vor das Wort gestellt haben, damit ich es nicht sah?
Ich warf einen Blick aus dem Fenster, das immer noch nicht zu erleuchten schien. Langsam ging ich in die Dusche, wo ich erstmal ausgiebig versuchte die Verwirrung wegzuwaschen. Vergeblich.
Als ich dann angezogen und mit geputzten Zähnen im Flur stand und mir meinen schwarzen Schulrucksak über die Schulter hing, merkte ich garnicht, dass es noch viel zu früh war um in die Schule zu gehen. Na toll! Jetzt habe ich noch mehr Zeit um mich mit diesen Themen namens Liam, Strangers und Baum zu beschäftigen. Diese Liste hatte ich mir beim Versuch einzuschlafen ausgedacht und war überrascht, dass sie nur so kurz war. Da fiel mir wieder etwas ein. Schnell stürmte ich die Treppe hoch, denn ich wusste jetzt, wie ich mehr herausbekommen konnte. Dass ich darauf nicht schon früher gekommen war! Ich machte erneut meinen Computer an und aß dabei meinen Müsliriegel. Als er hochgefahren war, ing ich hastig auf Facebook und öffnete meine Strangers-Nachricht. Ich hatte ganz den Link vergesen, mit dem man auf die Internetseite der Gruppe kam.
Die Seite war sehr konservativ gestaltet. Nicht weiter aufällig. Mich begrüßte ein Foto, auf dem in Großbuchstaben wider das Wort Strangers stand und daneben war eine Kreuzkette abgebildet. Ich las mir alles sorgfälltig durch, doch ich bekam nur eine e-mail adresse, die man wegen der Teilnahme kontaktieren konnte. Ich notierte sie mir schnell und machte mich auf den Weg zur Schule.
Neben meinem Platz, saß wie erwartet Liam. Er grinste mich fröhlich an und winkte mir zu.
Ich setzte mich und kramte in meiner Tasche nach meinen Erdkundesachen, da merkte ich, dass ich pünktlich in die Schule gekommen war. Ich war nicht die einzige der das auffiel.
"Hey, ich hatte damit gerechnet das du erst in einer halben Stunde kommst."
"Halt die Klappe Liam. Das ist nicht das erste Mal, dass ich rechtzeitig in die Schule komme.", sage ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Da war es wieder, das unglaubliche Lächeln, woraufhin es in meinem Bauch anfing heftig zu kribbeln.
"Ich habe eine Frage. Was machen wir heute?", fragte er mich nach einer Weile der Stille.
"Ähm... Was du willst. Mir ist es egal."
"Gut, dann bleiben wir in der Schule."
"Oka... Was?"
"Am Ende bin ich noch dran Schuld, dass wir beide von der Schule fliegen. Also solltest du etwas vom Untericht mitbekommen."
Was sollte der Scheiß?! Wusste er denn nicht, dass ich ge... Oh, er konnte es tatsächlich nicht wissen. Dann wird er es eben mitbekommen.
"Naja, wenn du meinst.", antwortete ich schließlich und Mrs Ripson kam herein. In der Hand trug sie einen Stapel mit bedruckten Blättern und sie hatte ihren strengen arroganten Blick abgelegt. Stattdessen sah man ihr das gönnerhafte böse Lachen an, das sie grad bestimmt in ihrem Kopf abspielte. Sie lächelte (leider kein 'Hallo liebe Klasse' Lächeln, sondern ein 'Muhahahahaha' Lächeln) und knallte das Papiel auf den Tisch. Man, was war mit der los? Und warum bekam der Rest der Klasse auf einmal so Angst? Ein paar tuschelten und schauten in ihre Erdkundemappen. Andere fragten sich ab, im Thema... Ja... Welches Thema hatten wir eigentlich? Ich hab wohl so oft geschwänzt, dass ich das nicht mal mehr wusste. Da kapierte ich endlich. Eine Arbeit!
"Alysha und Bryan, teilt ihr bitte die Arbeiten aus?", fragte sie und fixierte mich. Na toll! Ich wusste rein GARNICHTS, noch nicht mal worüber wir schrieben. Verzweifelt schaute ich Liam an, der wohl meine Lage verstand. Der Gute. Der musste ja nicht mitschreiben, er war ja erst seid gestern in der Schule. Man sah ihm an, dass er eine Idee hatte, denn seine Miene wurde nachdenklich und er lächelte schließlich.
"Halt deine Hände vor den Mund und renn raus!", zischte er mir leise zu.
"Was soll da...", weiter kam ich nicht, denn Liam unterbrach mich mit einem wütenen "Mach jetzt!". Also tat ich was er sagte. Ich sprang aus, hielt mir beide Hände über meinen Mund und rannte. Als ich schließlich draußen war, kam nach ein paar Sekunden auch Liam nach.
"Sie hat es tatsächlich geschluckt!", gluckste er und zog mich mit, bis sie uns nicht mehr hören konnten. Als wir schließlich in einem einsamen Gang standen, war ich stinksauer.
"Was sollte das da grad?", motzte ich. Er schien nur verwirrt.
"ich hab dir grad dein Leben gerettet! Fast hättest du die Arbeit mitschreiben müssen."
"Und was sollte das mit den Händen?"
"Sie sollte denken, du müsstest kotzen. Ganz einfach. Jetzt musst den Rest des Tages keinen Unterricht machen und kannst nach Hause gehen."
So hatte ich das noch nicht betrachtet. Auf einmal verwandelte sich meine Wut in Dankbarkeit.
"Oh... Äh, dankeschön.", stammelte ich und wurde rot. Jeden Tag eine peinliche Sache. Gab es das Sprichwort? Oder war es Jeden Tag eine Gute Tat... Na egal.
Liam schien das furchtbar witzig zu finden und fing an zu lachen.
"Was ist denn so lustig?", fragte ich ihm vorwurfsvoll.
"Na du! Wie du bei jeder peinlichen Sache gleich rot wirst."
Na toll. Jetzt machte er sich schon über mich lustig!
"Du solltest wieder in den Untericht. Sonst denkt Mrs Ripson noch wir machen hier sonst was... Ich komme schon allein zurecht.", sagte ich, um die Situation zu beenden.
"Sicher? Ich meine, ich weiß nicht genau, ob du auch ohne mich klarkommst."
So ein Arsch! Er ist echt total selbstsüchtig. Und dann noch das Grinsen... Obwohl, das war ja ganz süß.
"Ja, sicher. Und jetzt, Hopp!"
"Wir sehen uns."
"Hm... Okay. Bye."
Endlich war er weg. Jetzt konnte ich der Leader-Sache mal auf den Grund gehen.
Als ich in dem Wald angekommen war, musste ich erst einmal nach dem Baum suchen. Er war echt gut versteckt und ich hatte mich das letzte Mal nur an Liam geheftet.
Ich kam mir vor, als würde ich nur in die falsche Richtung laufen, aber nach einer Weile sah ich den grünen großen Baum. Ich ging um ihn herum und fand dein Eingang auf der anderen Seite. Als ich ihn betreten wollte, schaute ich mir das Strange-Schild genauer an. Es musste mit einem Messer geritzt worden sein und es war tatsächlich das gleiche Wort, wie in der Nachricht.
Ich bertat den großen Raum und schaute mich um. Dort standen wie gewohnt die Plastikstühle. Aber dort waren noch andere Sachen, die mir letztes Mal nicht aufgefallen waren. Hinter dem Stuhl, auf dem Liam gesessen hatte, war eine große Holztruhe und überall hingen Bilder von Landschaften oder Stränden. Ich beschloss die Truhe zu öffnen Ich fluchte leise vor mich hin, als ich (leider vergeblich) versuchte, die Truhe aufzubekommen. Mir war bewusst, dass sie abgeschlossen sein musste, aber ich wollte das nicht wahrhaben, dafür war ich zu neugierig. Nach einer Weile des Herumprobierens, gab ich schließlich auf und setzte mich auf den Stuhl, auf dem ich gestern gesessen hatte.
Ich schnaufte deprimiert. Ich musste mehr über diese Stranger-Sache erfahren, dass sagte mir eine innere Stimme. Und eine andere meinte, dass Liam nicht so nett war, wie es schien. Doch da musste sich meine Stimme versprochen haben. Er war (neben Hannah) der herzlichste Mensch der Welt.
"Kkkkkrzzzpzzz"
"Ppppbbbbbbbbzzz"
"Kkkpppppp"
Was waren das für Geräusche? Und wieso fühlte sich mein linkes Ohr so komisch an?
"AAAAAH", schreiend schnipste ich den Käfer weg, die sich wohl grade in meinem Ohr einnisten wollte. Sogar auf meiner Jeand saßen zwei... Oh, sie paarten sich... Herzlos stieß ich auch die beiseite. Sollten sie es doch auf wan anders verlegen. Nicht auf meiner Jeand! Und scho garkeine Nestern in Nasen, Mündern oder Ohren.
Da fiel mir auf, dass ich immer noch im Baum saß. Ich hatte meine Beine angezogen und war sehr verspannt. Ich musste hier eingeschlafen sein. Und ich hatte echt schön geträumt.
Ich stand auf und trat hinaus. Ich versuchte den Weg zurück zu finden, und setzte mich nach langen Laufen auf einen Stein. Scheiße! Ich hatte mich verlaufen. Das konnte ich garnicht gebrauchen. Wie sollte man hier überleben? Schnell nahm ich etwas Gras und begann drauf rumzukauen. Für einen Moment fragte ich mich, ob das nicht vielleicht ungesucnd sei, doch es war mir egal.
Mein Herzschlag erhöte sich. Ich geriet total in Panik und wippte mich Tellergroßen Augen hin und her. Die Tränen liefen mir übers Gesicht, doch ich machte keine Anstalten weiter zu laufen. Jetzt hatte ich eine Panikattacke und keiner konnte was dran ändern.
Da hörte ich ein vertrautes Läuten. Es musste aus der Richtung kommen, in die ich noch hätte weiterlaufen wollen. Ich sprang auf und rannte. Als ich zwischen zwei Bäumen hervortrat, sah ich sie. Sie eilten zum Bus, aßen Döner, blödelten rum oder unterhielten sich. Ich hatte mich doch nicht verlaufen. So ein Glück! Alleine würde ich im Leben nicht mehr in diesen Wald gehen.
Da kam Liam schon auf mich zu. Ich konnte froh sein, dass ich heute Morgen wasserfesten Maskara aufgetragen hatte und man mir nicht ansah, dass ich aus dem Wald gekommen war. Am liebsten hätte ich Liam davon erzählt, von der Kiste, dem Verlaufen und er Angst die ich gehabt hatte. Aber ich tat es nicht. Irgendwas in mir vertraute ihm immer noch nicht.
"Na? Wie war die Arbeit?", fragte ich ihn gespielt fröhlich.
"Keine Ahnung. Wie gesagt, ich habe nicht mitgeschrieben. Die Anderen meinten alle, sie wäre total einfach gesesen."
Für mich wäre sie so, oder so schwer gewesen.
"Naja, danke nochmal wegen Aktion vorhin."
"Hattest du einen schönen Vormittag?"
"Ja... Äh nein... Äh keine Ahnung. Ich habe ja nicht viel gemacht."
Ich wollte ihm nichts von dem Waldbesuch verraten, das konnte ich nicht.
"Klingt spannend. Wollen wir heute Nachmittag etwas unternehmen?", fragte er lächelnd. Nur zu gerne hätte ich zugesagt, aber ich hatte Basketballtraining und ich musste Hannah alle Neuigkeiten erzählen. Zumindestens die von Liam.
"Tut mir leid. Ich hab Basketball. morgen?"
"Klar, ich hole dich um vier ab."
Da waren sie wieder, die tausend Schmetterlinge.
Als ich am Nachmittag nach Hause kam, war der Tisch bereits gedeckt. Es kam nicht so häufig vor, dass wir alle frisch aßen, weil irgendwie keiner richtig Lust dazu hatte. Es roch nach Spagetti Bolognese und ich sog den verführerischen Duft ein.
Sofort kam Danny auf mich zugesprungen und laberte irgendeinen italienischen Kram, den er in seinem Italienischkurs gelernt hatte.
Würde ich es nicht besser wissen, hätte ich gedacht er wäre Italiener, denn mit seiner braunen Haut (die er dem Studiengang in Ägypten zu verdanken hatte) und seinen schwarzen Locken sah er ziehmlich südländisch aus.
"Ciao ho cucinato piatto di spaghetti!", rief er mir zu.
Lachend setzte ich mich auf meinen Platz an den Esstisch und fing an zu überlegen was er da wohl gesagt haben mag, als die Stimme meiner Mom durch das Haus drang.
"Da bin ich wieder... Oh! Das richt aber gut!"
Verwundert kam sie in die Küche und genoss, wie ich, den leckeren Geruch ein.
Als wir mit dem Essen fertig waren, verschwand ich schnell oben in meinem Zimmer um meine Hausaufgaben zu machen. Es stand noch Mathe und Chemie an, wobei ich Chemie überhaupt nicht kapierte. Ich öffnete mein Internet, um mir noch einmal chemische Elemente, Reaktionen und noch mehr solchen Quatsch aunzuschauen, da blinkte mein Mail-Postfach auf.
Halb am Träumen öffnete ich sie und erstarrte erst nach einer Weile des Überfliegens, als ich erst bemerkte worum es in der Mail überhaupt ging. Hätte nicht in großer Schrift 'Strangers' in der Überschrift gestanden, hätte ich den Rest nicht einmal wahrgenommen.
Strangers
Hast du unsere Nachricht nicht bekommen?
Dann sagen wir es dir noch einmal: Tritt uns bei!
Heute 20.00 Bei dem Kinderspielslatz in eurer Siedlung.
Wir raten dir zu kommen!
Bildmaterialien: Andrea Abalia La Cita
Tag der Veröffentlichung: 05.05.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine Freunde und Familie, durch euch hatte ich die nötige Inspiration um das Buch zu schreiben.