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Teil I

Prolog

 

„Deine Sturheit wird dich noch umbringen, Maxime!“ Vater ist wirklich sehr wütend. Er hat sich vor mir aufgebaut, die Arme in die Seiten gestützt.

Schweigend betrachte ich meine Hände und drehe den Siegelring an meinem linken Ringfinger hin und her. Der Swarovskistein, der dem Einhorn in unserem Wappen als Auge dient, blitzt auf.

„Was hast du dir nur dabei gedacht? Er ist ein Werwolf! Unser natürlicher Todfeind! Du hast dich mit dem Feind verbrüdert!“

Ich werfe den Kopf in den Nacken und erwidere seinen Blick. „Er ist nicht unser Feind! Er hat uns nichts getan, gar nichts!“ Wütend stehe ich auf. „Du predigst mir immer ich soll tolerant sein und jeden so akzeptieren wie er ist!“

Er rauft sich die Haare. „Aber doch keine Werwölfe! Wenn du Ihn ausversehen beißen würdest, wäre das dein TOD!!“

„Tja“, erwidere ich eiskalt. „Dann bin ich entweder immun gegen Werwolfblut oder das ist nur ein Ammenmärchen.“

Mein Vater wird aschfahl im Gesicht. Tonlos fragt er: „Was hast du da gesagt?“

„Ich sagte“, wiederhole ich meine Worte, „das ich entweder gegen Werwolfblut immun bin oder die Geschichte vom tödlichen Werwolfblut… Nunja, nur eine Geschichte ist. Ich habe Yarden gebissen und ich lebe noch.“

Er starrt mich stumm an. Ein harter Zug legt sich um seinen Mund. „Egal, du wirst ihn trotzdem nie wieder treffen.“

„Und wie willst du das machen, Vater?“, frage ich höhnisch. „Wir gehen in die gleiche Klasse, auf die gleiche Schule und in den gleichen Tanzverein.“

„Dann hältst du dich von ihm fern! Du hast Hausarrest! Du kommst direkt nach der Schule nach Hause und gehst nirgendwohin außer ins Training, auch am Wochenende nicht!“ Er hebt warnend den Zeigefinger.

„Ich bin 18 nach der menschlichen Zeitrechnung. Ich kann machen was ich will. Du kannst mir nichts verbieten“ Ich verschränke die Arme vor der Brust.

„Du!“ jetzt droht er mir mit dem Zeigefinger. „Werd‘ ja nicht aufmüpfig!“

„Sonst was? Nimmst du mich von der Schule? Sperrst du mich ins Verlies? Jetzt mach dich mal nicht lächerlich. Du weißt ganz genau das Yarden bis vor einem halben Jahr nicht mal wusste das er ein Werwolf ist. Er dachte das Gen hat ihn übersprungen oder ist mit seinem Vater ausgestorben. Und du kennst ihn und seine Eltern. Du weißt ganz genau das Sie uns nichts Böses wollen und definitiv nicht der Feind sind. Zwischen unseren Völkern herrscht Frieden.“

„Wer weiß wie lange noch, wenn das mit dir und dem Hund die Runde macht.“ Er zuckt mit den Schultern. „Tu was du nicht lassen kannst, aber wenn du dich und deine Familie in Gefahr bringst wird der Clan Sie eliminieren.“

Ungläubig schüttele ich den Kopf. „Damit würden du und der Rat einen Krieg auslösen. Die Werwölfe haben die Engel auf Ihrer Seite und gegen die sind wir machtlos“

„Dann meine Kleine, pass Du mal besser auf das du nichts tust um die Werwölfe gegen uns aufzuhetzen. Oder die Engel.“ Vater verlässt mit großen Schritten den Raum.

 

Yarden

Ich beobachte, zwischen Scheune und Maximes Jeep versteckt das Wohnzimmer der Van de Bros. Mit gespitzten Ohren verfolge ich jedes Wort, das gesprochen wird.

Maximes Vater wird ihr gegenüber laut, ich knurre leise. Er ist sauer, das spüre ich deutlich.

Ich springe lautlos auf das Dach von Maximes Jeep und wage es, einen genaueren Blick in das Wohnzimmer der Van de Bros zu werfen. Maximes Vater steht mit dem Rücken zum Fenster da, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie steht ihm gegenüber, die Hände wütend zu Fäusten geballt. Ich lasse meine Augen kurz auf Ihr ruhen, und hoffe das Sie meine Anwesenheit spürt.

Der Clanchef durchschreitet mit drei großen Schritten den Raum, Maxime tritt ans Fenster, legt eine Hand an die Scheibe und schaut hinaus.

Ich weiß nicht ob Sie mich sieht und setze mich auf die Hinterbeine,

Der Streit geht weiter.

Als er mir und meinem Rudel droht lege ich den Kopf in den Nacken und stoße ein Jaulen aus.

Eine Warnung für alle. Die Vampire wissen von uns und dem jahrhundertealten Bündnis mit den Engeln.

Überall im Haus gehen plötzlich die Lichter an.

Ich mache einen großen Satz und überquere dann mit wenigen Sprüngen den Rasen um über den Zaun zu springen.

Meine Sinne schärfen sich, je schneller ich werde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I.

 

„World was on fire,

no one could save me but you.”

 

Ein halbes Jahr zuvor

 

Maxime

Seufzend lasse ich mich auf einen Stuhl in der letzten Reihe fallen. Der erste Schultag nach den Sommerferien. Wir haben halb acht, gestern um diese Zeit habe ich noch geschlafen und jetzt sitze ich in dieser Schule.

Vater und ich sind diesen Sommer mit unserem Vampirclan umgezogen. In eine Kleinstadt mitten im Wald. Weil das unauffälliger ist.

Klar, weil zehn Erwachsene und eine Teenagerin, die zusammen auf einem Gehöft am Waldrand leben, auch so verdammt unauffällig sind.

Aber in Stuttgart wären wir fast aufgeflogen Die Menschen wissen nichts von unserer Existenz – und das ist auch gut so.

Ich bin schon wieder die Neue.

Fünf Schulwechsel in den letzten drei Jahren, fünf neue Städte, zum fünften Mal die immer gleiche Vorstellungsrunde wiederholen, zum fünften Mal Freunde finden. Ich bin es leid. Ich habe keine Lust mehr auf den Scheiß, und das habe ich diesen Sommer auch deutlich gemacht – mit dem Ergebnis, das Vater mir versprochen hat das wir bis zu meinem Abitur in zwei Jahren hier bleiben. Komme was wolle.

Hätte ich das früher gewusst, hätte ich den Aufstand vor unserem Umzug gemacht. Dann würden wir jetzt noch in Stuttgart wohnen und ich würde auf mein Gymnasium mitten in der Stadt gehen.

Unbewusst seufze ich auf.

Der Klassenraum füllt sich. Ich spüre die Blicke die mir zugeworfen werden, wie mich Leute die mich nicht kennen in Schubladen stecken.

Stur richte ich meinen auf die Uhr, die direkt über der Tür hängt. 07:35.

Dann öffnet sich die Tür und ein Junge tritt ein. Er hat pechschwarze Haare, die ihm tief ins Gesicht hängen. Als er den Kopf hebt starre ich direkt in grüne Augen. In wunderschöne, traurige grüne Augen, dunkel wie ein Waldsee.

In meinem Magen verknotet sich etwas und mir wird flau.

Das Gemurmel um uns herum verstummt.

Aus den Augenwinkeln bemerke ich das die Mädels, die an der Bank neben mir sitzen, ihn ebenfalls bemerkt haben, im Gegensatz zu mir aber anfangen Ihre Oberteile zu richten und sich zur Schau stellen, aber er ignoriert sie komplett. Sie fangen an zu tuscheln und ich verstehe einzelne Satzfetzen wie Hast du gehört, seine Schwester ist dieses Frühjahr wirklich gestorben und Mordverdacht, aber der Fall wurde jetzt aufgeklärt. Angeblich.

Ich starre ihn unverhohlen an, ich kann gar nicht anders.

Er setzt sich in Bewegung und kommt direkt auf mich zu. Ich kann den Blick immer noch nicht von ihm abwenden. Er trägt eine dunkle Blue Jeans, ein graues Tshirt und eine schwarze Lederjacke, die Ärmel hat er hochgeschoben. Er strahlt eine unfassbare Traurigkeit aus. Unter seinen grünen Augen sind tiefe Schatten und er ist sehr bleich, fast noch bleicher als ich.

Ich bemerke das Tattoo auf seinem linken Unterarm. Ein Wolfskopf, eine Seite graphisch, die andere als normaler Wolf.

Neben meiner Bank bleibt er stehen. „Ist bei dir noch frei?“ Seine Stimme ist angenehm, aber leicht kratzig, so als hätte er schon lange nicht mehr mit jemanden gesprochen, einer seiner Mundwinkel hebt sich zu einem schiefen Lächeln., aber es erreicht seine Augen nicht.

Ich nicke langsam. Er setzt sich neben mich und dreht seinen Stuhl zu mir.

Dann hält er mir die Hand hin.

Misstrauisch betrachte ich Sie.

„Ich bin Yarden, Hallo.“

Yarden. Ein sehr ungewöhnlicher Name.nZögerlich ergreife ich seine Hand. „Ich bin Maxime.“

„Schöner Name.“ Yarden lächelt mir zu, diesmal ist es ein ehrliches Lächeln. Rund um seine grüne Augen bilden sich Lachfältchen. „Du bist die Neue, stimmt‘s?“

„Ja“, seufze ich.

„Maxime Van de Bros?“, hakt er nach.

„Maxime Elisabeth Van de Bros. Wieso?“ Ich hebe die Augenbrauen.

„Also- “, beginnt er, wird aber von der zufallenden Klassenzimmertür unterbrochen.

Vorne am Pult stehe eine kleine dickliche Frau. Sie hat mausbraune kinnlange Haare, braune Augen und trägt ein Kleid von Desigual.

„Guten Morgen!“, ruft Sie enthusiastisch. „Ich bin Frau Maus, Ihre Klassenlehrerin für die Oberstufe. Euch kenne ich ja alle noch, Quentin, schön das du wieder da bist - aber ich habe gesehen das wir eine neue Mitschülerin haben?“ Ihr Blick schweift durch die Klasse und bleibt an mir hängen. „Das musst dann Du sein. Maxime Van de Bros?“

Ich nicke gequält.

„Wunderbar, dann hast du hergefunden.“ Sie reibt sich lächelnd die Hände. „Stell dich doch kurz vor!“

Unsicher schiebe ich meinen Stuhl nach hinten und stehe auf. „Ich heiße Maxime Van de Bros, bin 18 Jahre alt und von Stuttgart aus hierhergezogen.“

Frau Maus nickt. „Sehr schön. Wie ich sehe hast du Yarden auch schon kennengelernt. An unserer Schule ist es so, das jeder neue Mitschüler einem Schüler zugeordnet wird, der ihn oder sie herumführt und alles zeigt. Bei dir ist es Yarden. Ihn kannst du alles fragen und er wird dir alles zeigen.“

Yarden neben mir grinst mich an. Sofort spüre ich eine Woge des Zorns auf mich zu rollen. Vor allem ein Mädchen starrt mich sehr böse an. Sie hat blonde Haare und ist der Inbegriff von Schönheit. Mit Ihren großen blauen Kulleraugen, den Sommersprossen und dem Kleidchen sieht sie aus wie eine Puppe.

Ich erwidere Ihren Blick ruhig, bis Sie ihn abwendet.

 

 

 

Yarden

Die neue sitzt neben mir. Ich betrachte Sie verstohlen aus den Augenwinkeln. Sie hat sich als Maxime vorgestellt.

Ihre roten Haare sind lang und lockig und sie hat strahlend blaue Augen.

Sie kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich weiß nicht woher.

Mein Puls erhöht sich unwillkürlich. Sie ist hübsch. Und Sie kennt mich und meine Geschichte nicht. Für die Leute in der Klasse werde ich für immer der Kerl sein, dessen Schwester im Frühjahr verschwunden ist und deren Leichnam nun gefunden wurde, scheißegal wie lange mich manche schon kennen. Dieses Jahr habe ich gemerkt wer meine wahren Freunde sind.

Die Trauer und die Wut schlagen mir wie eine Faust in den Magen und mein Herz überspringt einen Takt.

Als ob sie etwas gehört hat wirft sie mir einen kurzen, neugierigen Blick zu. Kann sie etwa Gedanken lesen? Ich nehme mir fest vor mehr über sie herauszufinden. Gut das ich ihr zugeteilt bin.

Dann schweifen meine Gedanken wieder ab zu den letzten paar Wochen, die nur aus meinem depressiven Vater, meiner immer wütenden Mutter und mich, irgendwo zwischen beiden Emotionen gefangen, bestanden und ich muss mich konzentrieren um in der Wirklichkeit zu bleiben.

Ich beobachte aus den Augenwinkeln wie die Neue, Maxime, erst ins Leere starrt, das Buch das wir gerade lesen irgendwo aufschlägt und vorgibt sich zu konzentrieren. Sie sieht aus als wäre Sie am liebsten irgendwo ganz anders – so wie ich.

 

Maxime

Frau Maus beginnt Ihren Unterricht. Deutsch.

Ich schlage das Buch irgendwo in der Mitte auf und tue so als würde ich mitlesen. In Wahrheit versuche ich angestrengt Yardens Geruch zu ignorieren.

Ich kann sein Blut durch die Adern pulsieren hören. Es verströmt einen süßen, verlockenden Geruch.

Plötzlich greift er zu mir herüber und blättert durch meine Ausgabe von Homo Faber.

„Auf der Seite sind wir.“ Er lächelt mir freundlich zu und ich lächle gezwungen zurück.

„Danke“, flüstere ich.

„Ist das deine Naturhaarfarbe?“ Er deutet auf meine roten Locken. Meine Haare haben einen kräftigen Rotton, die Farbe von Laub im Herbst.

„Ja.“ Ich drehe meinen Kopf wieder nach vorne und versuche Frau Maus Unterricht zu folgen. Vergeblich. Nach zehn Minuten murmele ich: „Also ich kann mir nicht vorstellen das Max Frisch das damit sagen wollte.“

Yardens Schultern beben als er ein Lachen unterdrücken muss. Er beißt sich auf die Lippen und nickt. Unwillkürlich muss ich grinsen. Ich freue mich darüber das ich ihn zum Lachen gebracht habe.

 

Als der Schulgong endlich ertönt beginne ich langsam meine Sachen zu packen.

Frau Maus kommt an unser Pult und beginnt einen Monolog über Stuttgart und die Unterschiede zu hier, und wie schwer mir die Umstellung fallen muss zu halten. Ich lasse Sie reden und mache nur hin und wieder zustimmende Laute.

Als Sie weg ist kommen die Mädels um die Blonde auf uns zu. Sie bauen sich vor mir auf als ich Yarden aus dem Klassenzimmer folgen will.

„Hör mal gut zu, Neue“, sagt die eine. „Du brauchst nicht glauben das du hier Freunde findest und cool bist nur weil du aus der Großstadt bist. Hier haben wir das sagen und – lass Yarden in Frieden. Er ist noch nicht bereit für neue Freundschaften.“

„Ähm, ich glaube das kann er selbst entscheiden?“ Ich verschränke die Arme vor der Brust und stelle mich aufrecht hin. „Aber ich hatte nicht vor mich irgendwem aufzudrängen.“

Sie lächelt kalt. „Sehr gut. Ein Tipp noch“, ihr Blick wandert an mir herunter. „So findest du hier keine Freunde.“ Sie macht auf dem Absatz kehrt und geht. Ihr Gefolge auf dem Fuß. Eins der Mädchen, eine braunhaarige, dreht sich um und lächelt mir kurz entschuldigend zu.

Ich schaue an mir hinab. Ich trage einen schlichten schwarzen Pullover, einen Wildlederrock, Strumpfhosen gegen die Kälte – hier hat es im Gegensatz zu Stuttgart nur noch 15 Grad – und dazu meine schwarzen DocMartens.

Hier werde ich keinen leichten Start haben.

 

Yarden wartet am Ende des Flurs auf mich. „Haben dir die drei Grazien aufgelauert?“

„Ja. Barbie ist also dein Babysitter?“

Wir setzen uns langsam in Bewegung. Die Schule , auf die ich jetzt gehe, ist nicht sehr groß. Sie ist in einem alten Gehöft untergebracht, ähnlich dem in dem ich jetzt lebe. Nur viel größer. Es gibt von jeder Klassenstufe drei Klassen à 25 Schülern. Die Schule ist an sich schön, aber so viele Menschen…

„Luna hat sich seit der Oberstufe in den Kopf gesetzt, das Sie und ich perfekt zusammen passen. Als Freunde.“ Er zuckt mit den Schultern. „Sie blond ich pechschwarz, Sie blaue Augen, ich grüne.“

„Sie Sommersprossen du keine, Sie unausstehlich du nett.“ Ich muss grinsen. „Ich verstehe. Sie ist in allem dein Gegenteil.“

„So ziemlich. Ich darf mich um die Neue kümmern und Sie macht dir das Leben zur Hölle.“

Er lächelt mich entschuldigend an. „Eigentlich ist Sie nicht so schlimm, Sie kann nur nicht gut mit Veränderungen umgehen, und naja im letzten halben Jahr ist bei mir viel passiert und du bist eine zusätzliche Veränderung.“

Ich schaue ihn an. „Das Gerede heute Morgen?“

„Ja.“ Er hält mir die Tür zum nächsten Klassenzimmer auf. „Wir haben jetzt übrigens Geschichte, danach ist Pause. Dann zeige ich dir die Schule.“

Ich schlüpfe an ihm vorbei und schaue mich um. Es ist wieder nur ein Tisch ganz hinten frei. Quentin folgt mir und setzt sich neben mich.

Barbie, wie ich sie insgeheim getauft habe, dreht sich um und schaut mich böse an.

 

„Also viel gibt es nicht zu sehen.“ Yarden und ich stehen auf dem Pausenhof. Das Wetter ist widererwarten noch besser geworden, die Sonne scheint.

Er deutet auf ein Gebäude, das früher Mal eine Scheune gewesen sein muss. „Das ist die Sporthalle, dann gibt es noch das Hauptgebäude in dem wir heute Unterricht hatten. Da drin ist die Oberstufe ab der 10. Klasse untergebracht. In dem Gebäude hinter der Wiese dort – das waren mal Koppeln – sind die 5. Bis 9. Klassen untergebracht. Die Busse runter in die Stadt fahren immer nach dem Unterricht. Die Stadtverwaltung weigert sich die Schule in die Stadt oder zumindest näher an den Stadtrand zu verlegen, weil Sie dann erst neue Gebäude bauen müsste, deswegen sind wir hier auf dem Waldhof.“ Er schlendert langsam auf einen gepflasterten Hof zu auf dem ein paar Bänke stehen.

Ich schaue mich um. Die Schule ist in einem eigentlich idyllischen Gehöft untergebracht, ein Bach fließt hinter der Sporthalle entlang und um uns herum ist nur Wald.

„Ach ja, eine Sache noch.“ Er schaut mir ernst in die Augen. „Geh nicht alleine in den Wald.“

„Aber durch den Wald brauche ich zu Fuß nur 20 Minuten zur Schule. Mit dem Bus fast 40!“

Yarden schaut sich um, niemand beachtet uns. „Hör zu, du hast das nicht von mir, aber man hat im Wald Wölfe gesehen. Große Wölfe. Und seit einem halben Jahr verschwinden immer wieder Leute die alleine spazieren gehen.“

Ich muss lachen. „Yarden, tut mir leid, aber die Stadt wirkt auf den ersten Blick als ob hier Van Helsing spielt.“

Er lacht nicht. „Es gibt eine Sage, eine alte Sage, das die Stadt von einem Vampirclan gegründet wurde. Sie sollen auf der Burg gelebt haben. Auf der Waldburg.“

„Es gab hier eine Burg?“ Widerwillens bin ich interessiert. Ich weiß das mein Clan hier aus der Gegend stammt. Vater hat uns einen holländischen Nachnamen verpasst.

„Ja. Die Vampire nannte man nur Waldläufer oder die vom Wald kommenden. Die Burg war auf dem Berg oberhalb vom Fluss. Sie hat über der Stadt gethront, wurde aber im 19. Jahrhundert abgerissen; jetzt stehen nur noch die Ruinen der Mauern und zwei Türme. Der Clan hat die Stadt beschützt, dafür aber ein Blutopfer gefordert, was die Menschen irgendwann nicht mehr zahlen wollten. Dann gingen die Vampire und die Wölfe kamen.“

Ich hänge fasziniert an seinen Lippen Die aus dem Wald kommendenVan de Bros bedeutet aus dem Wald. Ich glaube nicht an Zufälle. Ich glaube ich werde mal ein Gespräch mit meinem Vater führen müssen. „Die Wölfe?“

„Werwölfe. Angeblich haben Sie die letzten, die Alten Vampire die geblieben sind umgebracht. Vampire sterben wenn Sie Wolfsblut trinken – aber das ist alles nur eine Geschichte. Nichts davon stimmt.“

„Klar, nur eine Sage.“ Ich lächle ihn beruhigend an. „Klingt auch wie eine Geschichte um die Kinder davon abzuhalten in den Wald zu laufen und sich zu verlaufen.“

Yarden bleibt weiterhin sehr Ernst. „Weißt du, als ihr hier her gezogen seid hat man die Alten reden hören. Das die Kinder des Waldes wieder da wären.“

„Und wie kommt man darauf?“ Meine Finger krallen sich nervös um den Riemen meiner Tasche. „Das ist ja nur eine Sage.“

Yarden setzt sich auf eine Bank am Waldrand. Ich habe gar nicht gemerkt das wir den Schulhof überquert haben.

„Naja, der Clan soll eine Prinzessin gehabt haben.“ Er schaut mich an. „Mit feuerroten Haaren.“

Mir wird mit einem Schlag eiskalt.

„Und dann haben die Alten dich gesehen. Es gibt eine illustrierte Ausgabe von der Sage. Du siehst ihr ähnlich. Mein Großvater hat eine davon, wenn du magst bring ich Sie morgen mal mit. Und…“

„Und?“, hake ich nach.

„Naja es gibt auch einen Teil den nur die eingeborenen Familien kennen. Familien wie meine, die hier seit Generationen leben.“

„Na los, erzähl!“

Er beugt sich zu mir und flüstert: „Es soll eine verbotene Liebesbeziehung zwischen der Vampirprinzessin und dem Sohn des Rudelführers der Wölfe gegeben haben. Deswegen gab es damals den Krieg, und deswegen wurden die Vampir vertrieben.“

„Du glaubst da wirklich dran, oder?“ Ich rutsche unruhig hin und her. Die Sage klingt verdammt nach dem, was ich von unserer Clangeschichte weiß.

„Jede Sage hat ein Fünkchen Wahrheit… Aber“ Er lacht. „Vampire? Werwölfe? Wie alt bin ich? 12?“

Ich falle in sein Lachen mit ein. Wenn er wüsste.

 

Yarden

Als sie mich fragt ob ich daran glaube muss ich lachen. Ich kann ihr ganz schlecht die Wahrheit erzählen.

Mein Vater ist ein Gestaltwandler und wir stammen von den Werwölfen ab. Meine Schwester ist im Frühling verschwunden und wurde jetzt tot aufgefunden – eventuell - , und jetzt hängt mein Vater den Großteil seiner Zeit in seiner Wolfsgestalt im Wald rum – aber das fällt niemanden auf weil er ist hier praktischerweise Förster.

Ihr Lachen klingt erleichtert, aber in ihren Augen sehe ich etwas Wissendes aufblitzen, so als würde sie selber etwas verheimlichen.

„Die alten Einheimischen glauben an die Sagen. Deswegen nur ein gut gemeinter Rat, sei vorsichtig und gib acht.“ Ich lasse meine Stimme absichtlich ernster klingen.

Maxime nickt unbeeindruckt. „Mach ich. Aber gefährlicher als in Stuttgart kann es hier auch nicht sein.“ Sie beugt sich zur Seite und sucht etwas in Ihrer Tasche. Dabei rutscht ihr Pullover halb über ihre rechte Schulter. Ich kann den Blick nicht abwenden. Auf Ihrer Schulter ist ein grauer Vollmond tättoowiert, mit Mondkratern und allem Drum und Dran. Er hebt sich deutlich von ihrer blassen Haut ab. Unwillkürlich streiche ich über mein Tattoo.

Maxime richtet sich wieder auf. „Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.“ Sie streicht sich eine Strähne hinter die Ohren und ich nehme ganz deutlich den Duft Ihres Shampoos wahr.

Ich atme den Duft tief ein. „Ja alles in Ordnung.“ Dann lehne ich mich an und schließe kurz die Augen. Ich genieße die warmen Herbstsonnenstrahlen. So entspannt wie in diesem Moment auf der Bank vor der Schule habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Als ich die Augen wieder aufschlage beobachtet Maxime mich. „Darf ich dich was fragen?“

„Klar.“

„Wie ist es so hier zu leben?“ Sie zieht eine Schulter hoch. „Es ist hier so… Klein, ruhig, und irgendwie gruselig still.“

„Es ist schon manchmal ziemlich langweilig, aber man gewöhnt sich ziemlich schnell dran“, räume ich ein. „Du kannst es hier natürlich nicht mit Stuttgart vergleichen. Waldburg hat 20.000 Einwohner und liegt mitten im Schwarzwald. Um uns herum sind nur kleine Dörfer und die nächst größere Stadt ist 20km entfernt. Wenn die Brücke über die Nagold, die aus der Stadt raus, gesperrt ist bist du hier gefangen. Auf der anderen Seite ist nur der Wald, und durch den führt keine befahrbare Straße… “

Sie zieht die Nase kraus. „Klingt super. Richtig einladend…“ Maxime seufzt. „Was hab ich dem Universum nur getan, das ich in dieses Nest verbannt wurde?“

„Naja, es ist nicht alles schlecht hier. Der Wald zum Beispiel“,

„Der, den man nicht betreten darf“, wirft Sie ein.

„- ist wunderschön. So ein richtiger Märchenwald. Nicht weit von hier kann man im Nagoldtal klettern gehen, im Sommer kann man Kanu fahren…“, fahre ich unbeirrt fort. „Gib dem Ganzen eine Chance.“

„Okay, aber nur dir zuliebe“, Sie lächelt mich an.

Ich erwidere ihr Lächeln und es fühlt sich an als wäre es das erst echte seit sehr langer Zeit.

 

Maxime

Der Tag geht schneller rum als ich dachte. Yarden führt mich von Klassenzimmer zu Klassenzimmer und fragt mich systematisch über mein Leben aus.

Auch wenn spätestens seit Twilight alle glauben Vampire sind unsterblich, sind wir nicht. Wir werden ganz normal geboren, wir altern und wir sterben – gut , wir haben eine ungewöhnlich lange Lebenserwartung- aber sonst unterscheiden wir uns nur in einem Punkt von den Menschen.

Wir brauchen Blut.

Zwar nicht viel, aber schon mindestens 250 ml pro Monat. Ansonsten ernähren wir uns ganz normal.

Ich erzähle ihm das ich in der Nähe von Freiburg geboren wurde, meine Mutter verstorben ist als ich fünf Jahre alt war, und wir seit meinem dreizehnten Lebensjahr öfter umgezogen sind und mein Vater jetzt hier zu seinen Wurzeln zurückkehren wollte – das erzählt er selber auch.

 

Als er nach meinen Hobbies fragt werde ich rot. „Naja, ich tanze. Standard und Latein. Papa hat mich schon im Tanzsportverein angemeldet. In Stuttgart hab ich auch Salsa getanzt, aber da fehlt mir hier der Tanzpartner.“ Bedauernd ziehe ich eine Schulter hoch.

„Hmm.. vielleicht auch nicht. Meine Salsa Partnerin ist im Sommer weggezogen und naja, seitdem suche ich.“, Yarden lächelt mich an. Ein Grübchen bildet sich in seiner Wange. „Du kannst ja Freitag mal zum Probetraining kommen, wenn du Zeit hast.“

Es ist Schulschluss, wir stehen auf dem Pausenhof.

„Mal sehen. Klingt aber auf alle Fälle gut.“ Ich werfe mir meine Tasche über die Schulter und deute auf den Wald hinter mir. „Ich muss heim. Bis morgen und danke das du dich um mich gekümmert hast.“

„Du läufst jetzt aber nicht alleine durch den Wald.“

„Doch", ich gehe langsam ein paar Schritte rückwärts. „Keine Angst, ich hab ein Pfefferspray und es ist echt nicht weit. Außerdem sind Wölfe nachtaktiv.“

Er schaut mich einen Moment unsicher an. Dann fährt er sich mit der Hand durch die Haare und sagt: „Gut, aber ich begleite dich.“

Während ich mein Gehirn verzweifelt nach einer glaubwürdigen Ausrede durchkämme ertönt plötzlich Lunas Stimme: „Hey Vampirprinzessin!“

Ich erstarre. Scheiße.

„Luna was soll der Scheiß?“, will Yarden genervt wissen.

„Du kennst die Sagen auch, mein Hübscher. Und wir haben doch mal das Buch von deinem Opa angeschaut. Sie sieht aus wie Sie! Die gleichen roten Haare.“ Luna baut sich vor mir auf. „Und was hatte ich dir über Freundschaft erklärt?“

Hätte Sie mich nicht gerade Vampirprinzessin genannt, würde ich ihr jetzt die Meinung geigen. Aber so werfe ich mir Yarden, der vor Wut zu kochen scheint, einen Blick zu und murmle: „die Nachricht ist angekommen.“ Dann wende ich mit ab und gehe mit langen Schritten in den Wald.

Yarden folgt mir nicht, aber ich höre ihn mit Luna diskutieren. Er klingt wütend.

 

Yarden

Luna versteht nicht worum es mir geht. Mir ist es egal mit wem sie sich anlegt und das es sie immer stört wenn sich jemand gut mit mir versteht, aber Maxime ist das erste Mädchen seit langen, das ich besser kennenlernen möchte.

Wütend stapfe ich zur Bushaltestelle. Ich habe die Angst in Maximes Augen wahrgenommen, so als hätte sie Angst das jemand ein Geheimnis – ihr Geheimnis? – aufdeckt.

Vielleicht ist an der alten Sage mehr dran als ich gedacht habe. Sofort verwerfe ich den Gedanken wieder. Ich fange schon an zu spinnen.

„Yarden, bleib stehen", Luna legt mir eine Hand auf die Schulter. „Ich hab es nicht so gemeint es ist nur, irgendwas an der neuen kommt mir komisch vor. Sie kannte die Sage und sie war nicht überrascht als ich sie Vampirprinzessin genannt habe.“

„Vielleicht interessieren deine Giftpfeile auch nicht jeden", gebe ich barsch zurück.

„Sie gefällt dir, stimmt's?“

„Ja. Sie hat etwas an sich was ich wahnsinnig anziehend finde“, ich seufze.

„Sie schaut dich an als würde sie dich fressen wollen.“ Luna verzieht das Gesicht. „Aber sie sieht definitiv etwas in dir.“

Ich muss lächeln. „Meinst du?“

„Ja, ich habe ihm Gefühl das das mit euch mehr wird. Hast du sie zum Tanzen eingeladen?“ Luna schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Woher weißt du das?“

Sie zuckt mit den Schultern und berührt das Amulett, das an einem dünnen Lederband an ihrem Hals hängt. „Vorhersehung. Ich glaube langsam an den alten Sagen ist etwas dran.“

„Hattest du wieder eine Vision?“, frage ich besorgt.

Luna nickt. „Ich hab dich und sie gesehen. Sie hat dein Blut getrunken und dich vor einem Wesen mit Flügeln verteidigt.“

„Du meinst sie ist wirklich ein Vampir? Dass die Sage echt ist?“ das würde erklären warum sie mich so angesehen hat. Nein, das ist absoluter Schwachsinn.

Ich meine ich werde verrückt.“ Luna lacht freudlos auf. Dann wird sie ernst. „Pass auf, auf wen du dich einlässt, Yard. Ich will nicht das sie dir wehtut.“

„Das wird sie nicht, Lu, das habe ich im Gefühl.“ Ich lächle sie beruhigend an.

„Hoffentlich hast du recht.“

 

Maxime

Zuhause angekommen rufe ich: „Ich bin wieder da und von mir aus können wir sofort umziehen!“

Mein Vater sitzt mit einem Clanmitglied, Viktor, am Esstisch. „Was ist denn passiert das du nach deinem ersten Tag schonwieder wegwillst?“

„Angesehen davon das mich die Schulkönigin Vampirprinzessin genannt hat weil ich einer Person aus einer alten Sage, die seltsamerweise wie unsere Clangeschichte klingt wohl sehr ähnlich seh?“ Ich lasse mich auf einen Stuhl plumpsen und inspiziere das Mittagessen. Kartoffelgratin. „Vik, sag bitte das du gekocht hast.“

Vik und mein Vater starren mich an. „Was?“, wiederholen Sie im Chor.

„Ob du gekocht hast.“

„Woher kennen die Leute hier die Sage?“ Mein Vater wirkt aufgebracht.

„Vielleicht weil die meisten Leute ihre Stadtgeschichte kennen?“, schlage ich vor.

„Wer hat dir das erzählt?“ Vik häuft mir Gratin auf den Teller. Dann hat er gekocht. Sehr gut.

„Yarden Remus.“ Ich beginne zu essen. Die beiden starren mich an. „Was?“

„Remus hieß die Familie die unsere damals vertrieben hat.“, antwortet mein Vater leise. „Ich wusste nicht das die noch hier sind. Wenn ich das gewusst hätte…“

„Wären wir nicht hierhergekommen?“

„Hätte ich dicht nicht auf diese Schule getan.“ Er schaut mich an. „Ist er?“

„Nein, er glaubt es ist nur eine Sage.“ Ich nehme mir vor, mir das Buch unserer Clangeschichte nachher aus der Bibliothek zu suchen. Wenn Yarden zu dem Wölfen gehört, war sein Vorfahre der heimliche Liebhaber der Vampirprinzessin – meiner Vorfahrin.

Gedankenverloren esse ich auf. Mein Vater und Vik diskutieren ob sie dem Clan davon erzählen sollen. Viktor ist dagegen, mein Vater dafür.

„Papa wenn du acht neurotischen Vampiren erzählst, das sich eine Stadt noch an ihre Gründer erinnert, dann gibt das nur Panik. Vik hat Recht, wir sollten das erstmal für uns behalten.“ Ich stehe auf und gehe in die Küche um meinen Teller in die Spülmaschine zu räumen. „Ich bin oben.“

Auf dem Weg in mein Zimmer mache ich einen Abstecher in die hauseigene Bibliothek. Ich muss ein bisschen suchen, aber dann halte ich das Buch mit unserer Clangeschichte in den Händen. Ich lausche auf den Flur und husche dann in mein Zimmer. Dort mache ich es mir in dem großen dunkelgrünen Ohrensessel, den ich direkt vor eines der großen, bodentiefen Fenster gerückt habe, bequem. Aus meinem Zimmer hat man einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt. Der Berg, auf dem Burg Waldburg gestanden haben soll ist genau gegenüber.

Ich starre hinüber, kann aber nichts erkennen. Eine Weile betrachte ich die Stadt, deren Kern aus Fachwerkhäusern besteht, die sich an den Berg unterhalb der Waldburg schmiegen. Von unserer erhöhten Lage aus kann ich die Kirche sehen und direkt daneben das Rathaus. Der äußere Rand der Stadt auf unserer Seite besteht aus Einfamilienhäusern. Zwischen dem Stadtrand und unserem Hof liegt bestimmt ein Kilometer. Unser Hof besteht aus insgesamt drei Gebäuden. Ein Haupthaus, das frontal zur Stadt auf der Kuppe eines leichten Hügels thront, rechts davon eine Scheune die jetzt unseren Autos als Garage dient und hinter dem Haus, direkt am Waldrand gibt es noch ein kleineres Haus, in dem Viktor und seine Frau leben. Das Haupthaus hat drei Stockwerke. Papa und ich leben im ausgebauten Dachboden, die restlichen sechs Clanmitglieder – drei Männer, drei Frauen – haben sich im zweiten Stock niedergelassen. Das Haus ist an und für sich wunderschön, aus Sandstein gebaut wie es für die Gegend üblich ist, Ornamente und Verzierungen auf der Fassade, hohe Fenster und eine große schwere Holztüre. Das gesamte Grundstück umgibt ein verschlungener Eisenzaun, der mindestens drei Meter hoch ist. Das Tor öffnet sich elektrisch, aber es kommt niemand herein der nicht auch hineinsoll.

Vor ungebetenen Gästen sind wir sehr gut geschützt.

Ich lasse den Blick auf das Buch in meinem Schoß sinken und streiche mir der Hand darüber. Der Einband ist alt und rissig, der Titel ist in altdeutschen Buchstaben geprägt: Clangeschichte der Van de Bros. Plötzlich überkommt mich ein sehr seltsames Gefühl. Was soll ich überhaupt machen, wenn die Vampirprinzessin mit wirklich so ähnlich sieht? Wir werden wegen ein paar Tussies auf keinen Fall schon wieder umziehen. Hier kennen alle die alten Sagen, nur ich weiß nicht wovon genau geredet werden könnte.

Entschlossen schlage ich das Buch auf. Es dauert nicht lang und ich habe die Doppelseite mit der Sage gefunden. Es stimmt. Ich sehe ihr ähnlich. Vorsichtig streiche ich mit den Fingerspitzen über das Bild. Es ist ein Abdruck eines Gemäldes und zeigt eine junge Frau mit feuerroten Haaren, feinen Gesichtszügen in einem dunkelgrünen Brokatkleid. Sie sitzt auf einem großen Rappen und betrachtet irgendetwas hinter dem Maler. Im Hintergrund erkennt man eine Burg mit fünf Türmen, Wachgang und Burgfried.

Nach einiger Zeit wende ich meinen Blick von dem Bild ab und beginne zu lesen.

 

 

II

Its a very very,

Mad world, mad world.”2

 

Maxime

Der Rest der Woche vergeht wie im Flug. Ich wähle meine Fächer fürs Abitur, wodurch sich mein Stundenplan noch einmal ändert, außerdem melde ich mich für zwei außerschulische Aktivitäten an, weil das von der Schulleitung aus so gewünscht ist – Ich wähle den Chor und die Tanz AG, da sich das noch am ehesten mit meinen Hobbies überschneidet.

Yarden sitzt in Biologie, deutsch, Psychologie und Ethik weiter neben mir.

Und berührt mich immer wieder wie zufällig. Ich bemerke das sein Puls schneller wird, wenn ich in seiner Nähe bin, versuche dem aber nicht so viel Beachtung zu schenken.

Mehr Fächer haben wir nicht mehr gemeinsam, da ich englisch abwähle und in einen Mathekurs gesteckt werde, der deutlich unter seinem Niveau ist.

Er versucht mich die ganze Woche mit allen Regeln der Kunst dazu zu überreden, Freitagabend mit in seine Salsastunde zu kommen. Die Tanzschule liegt aber nicht in unserer Stadt, sondern 20km entfernt mitten im nichts.

In der letzten Stunde vor dem Wochenende, Ethik, lasse ich mich schließlich breitschlagen .

„Aber ich fahre!“, flüstere ich, während ich so tue als würde ich ihn etwas zu Kant fragen. Er nickt und grinst mich an. Dann konzentriert er sich wieder auf den Unterricht.

Yarden will nach dem Abi in zwei Jahren Ethik und Geschichte auf Lehramt studieren, am liebsten in Tübingen. Er wolle aus diesem Kaff raus, hat er mir gebeichtet. Er hat eine Klasse wiederholen müssen und wurde mit sieben eingeschult. Ich habe die 10. Klasse zweimal machen müssen wegen unserer Umzüge, deswegen sind wir zwei von vielleicht zwanzig Schülern die schon volljährig sind.

Ich beobachte ihn aus den Augenwinkeln, wie er mit Textmarker und Bleistift bewaffnet versucht Kants Philosophie zu verstehen. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin mag ich ihn.

Er hat eine angenehm ruhige Art an sich und in seiner Nähe fühle ich mich unglaublich wohl. Leider ist sie mir auch überdeutlich bewusst und ich nehme ihn und seinen Körper und vor allem sein Blut , das ihm durch die Adern fließt, wahr.

Das Klingeln ist für mich heute wie die Erlösung. Ich hebe meine Tasche auf den Schoß, ich habe meinem Vater seine schöne alte Ledertasche abschwatzen können, und packe ordentlich meine Schulsachen ein. Autismus Maximus, aber alles hat seinen Platz. Zufrieden stehe ich auf und ziehe meinen leichten Übergangsmantel an. Dann warte ich auf Yarden.

Seit er Dienstag nach Mathe auf mich gewartet hatte und mir in einem Satz mitteilte er würde mich nicht mehr alleine durch den Wald laufen lassen, gehen wir zusammen zur Schule. Er wartet morgens hinter unserem Hof am Waldrand auf mich und ich meistens nach der Schule auf ihn, da er eine Durchschnittlich eine Stunde länger hat als ich. Mir macht das nichts aus, ich erledige in dieser Zeit meistens schon einmal so Sachen wie Hausaufgaben oder suche mir einen abgelegenen Platz zum Lesen.

Wir schlendern über den Schulhof Richtung Wald. Den meisten Leuten in meinen und seinen Kursen ist aufgefallen das er morgens nicht mehr im Bus sitzt, bis auf Barbie scheint das aber niemanden zu stören. Sie gebärdet sich teilweise wie eine irre und versucht ihn davon zu überzeugen das ich böse bin und das er vorsichtig sein muss – Ich habe ein bisschen über ihre Familie geforscht und herausgefunden das sie einem alten Schlag Hexen angehört und Hexen können übernatürliche Wesen wie mich spüren. Kein Wunder das sie mich nicht mag. Sie weiß wahrscheinlich nichts von dem alten Blut in ihren Adern und kann deshalb mit ihren Vorahnungen nicht umgehen.

Yarden schnippt mit den Fingern vor meinem Gesicht. „Hörst du mir überhaupt zu?“

„Sorry, ich war in Gedanken. Was hast du gesagt?“ mittlerweile haben wir den Wald erreicht.

„Ich habe versucht dir zu erklären wie wir heute Abend fahren müssen und wollte wissen ob ihr ein geländefähiges Fahrzeug besitzt.“

„Wir haben einen Land Rover mit Navi. Mein Vater ist hier aus der Gegend, der weiß wie der Herbst in Schwarzwald ist.“

Yarden bleibt abrupt stehen. „Ich glaube wir sind an der letzten Kreuzung falsch abgebogen.“

Ich schaue mich um. Wir sind tiefer im Wald, die Bäume stehen dichter. Das Licht ist seltsam grün und der Pfad, Weg kann man das schon nicht mehr nennen, mit moosbedeckt. Ich ziehe mein Handy. Kein Empfang. „Aber es ist schön hier. Komm, von der Richtung her müssten wir oberhalb vom Hof rauskommen.“

„Maxime, ich darf nicht tiefer in den Wald, mein Vater sieht es schon kritisch das wir zusammen zur Schule gehen.“

Yardens Vater ist Förster und er hat angeblich den Wolf gesehen. Als ich meinem Vater davon erzählt habe, hat dieser nur die Schultern gezuckt und gesagt das jeder, egal ob Vampir oder Werwolf, nur versucht seine Familie zu beschützen. Yardens Familie lebt in einem großen Fachwerkhaus mit einem riesigen Garten. Das Grundstück endet wie unseres direkt am Wald.

„Ich erzähle es ihm nicht, keine Sorge. Na komm", ich greife nach seiner Hand und ziehe ihn weiter. Ich kann seinen Puls hören, sein Herz schlägt deutlich schneller als normal.

Er hat Angst.

Aber vor was?

Ich habe unsere Mitschüler ein bisschen über ihn ausgefragt – vor allem auch, weil Sie ihn, und weil ich mehr Zeit mit ihm verbringe als ich versuche mich mit jemanden anzufreunden, auch mich – wie Aussätzige behandeln. Seine Zwillingsschwester ist im Frühjahr im Wald verschwunden. Die Polizei geht davon aus, das Sie von zu Hause ausgerissen ist. Es gab eine groß angelegte Suchaktion mit Spürhunden und Hubschraubern mit Wärmebildkameras und allem Drum und Dran, aber sie ist spurlos verschwunden geblieben. Im Sommer haben Spaziergänger ihren zerrissenen Mantel gefunden, und jetzt vor zwei Wochen einen Leichnam. Noch ist nicht bekannt ob es sich dabei wirklich um seine Schwester handelt, aber ich verstehe jetzt warum er sich so einigelt und Anschluss bei mir gesucht hat. Wobei ich ja notgedrungen eher Anschluss bei ihm suche.

Ich bin neu hier, ich habe die beiden nicht aufwachsen gesehen und ich behandle ihn dadurch nicht als wäre er aus Porzellan.

Wir laufen schweigend weiter. Nach ungefähr einem Kilometer erreichen wir wieder eine Kreuzung. Ein uralter Wegweiser ist in den Boden gerammt. In die Richtung aus der wir kommen zeigt ein Schild mit „Waldhof". Der Pfad rechts von uns führt wohl Richtung Waldachtal, links geht es zum „Rappenhof" und gerade aus nach Waldburg.

„Wir müssen links.“, sage ich. „Unser Hof heißt Rappenhof.“

„Bist du dir sicher?“ Yarden stellt sich dicht neben mich. Im Wald knackt es und es ist dunkler geworden.

„Ja. Ich hab den Kaufvertrag mit unterschrieben.“ Ich wende mich nach links und ziehe ihn mit mir. „Komm.“

„Was macht dein Vater eigentlich?“, Yarden folgt mir und läuft so nah bei mir, das meine Schulter seinen Oberarm berührt.

„Er ist Lektor und arbeitet von zu Hause aus. In Stuttgart hat er auf Poetry Slams immer nach neuen Künstlern gesucht und jetzt durchstöbert er halt das Internet.“

Vor uns knackt es im Unterholz als würde ein großes Tier auf uns zu kommen. Ich bleibe stehen, alle Sinne auf unsere Umgebung gerichtet.

Es ist still, totenstill. Kein einziger Vogel ist zu hören.

Irritiert richte ich mich auf und will Yarden darauf aufmerksam machen, als plötzlich ein riesiger brauner Wolf aus dem Wald bricht. Er kommt schlitternd zum Stehen und schleicht mit aufgestelltem Nackenfell auf uns zu. Ich umklammere mit einer Hand Yardens Handgelenk als er zusammen zuckt und zurückweichen will.

„Bleib stehen!“ Ich schiebe ihn hinter mich.

Der Wolf wirft einen Blick auf Yarden als würde er ihn kennen und fixiert dann wieder mich. Er kommt bedrohlich knurrend näher. Das Viech ist riesig, viel größer als ein normaler Wolf.

Ich weiche keinen Zentimeter zurück.

Als uns nur noch ein halber Meter trennt lasse ich meine Eckzähne ausfahren und fauche laut. Der Wolf bleibt stehen und betrachtet mich. Ich lege den Kopf schief und gehe in Angriffsstellung, eine Hand fest um Yardens Handgelenk gelegt, bereit ihn zu verteidigen.

Minutenlang starren wir uns an.

Ich versuche Yardens rasendes Herz auszublenden und bereite mich auf einen möglichen Angriff vor, damit ich Yarden notfalls beschützen kann.

Der Wolf zieht den Kopf ein und jault, er untergibt sich. Dann macht er auf der Hinterhand kehrt und springt mit einem Satz wieder ins Unterholz. Er ist genauso schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht ist.

Ich schließe einen Moment die Augen und konzentriere mich.

Yardens Puls unter meinen Fingerspitzen rast. Na toll.

Schließlich habe ich mich wieder unter Kontrolle und drehe mich um. Yarden starrt mich an als hätte er einen Geist gesehen. „Der Wolf… er… du…“

Ich schließe die Augen und lege ihm eine Hand an die Wange. Dann blicke ich ihm direkt in die Augen. „Du hast nichts gesehen. Du hast keinen Wolf gesehen. Wir haben uns verlaufen und dann ist ein Reh durchs Unterholz gebrochen und du hast dich wahnsinnig erschreckt.“ Das einzig gute was ich am Unterricht durch unseren Clanältesten mitgenommen habe.

Gedankenmanipulation.

Yarden wird sich an nichts mehr erinnern können.

Er schaut mich verwirrt an und sagt dann: „Das war aber ein großes Reh.“

Fast muss ich lachen. Dann greift er mich an der Hand und flüstert. „Hätte klappen können, aber jetzt im Ernst, was hast du mit dem Wolf gemacht.“

Ich starre ihn an. Scheiße. „Was meinst du?“, frage ich so unschuldig wie möglich.

Er seufzt. „Maxime, ich verrate dir jetzt ein Geheimnis. Meine Familie stammt in direkter Linie von der Werwolfsfamilie aus der Sage ab. Ich kann Wölfe riechen. Mein Vater… mein Vater ist momentan der letzte noch lebende Gestaltwandler und er verwandelt sich in einen großen braunen Wolf.“

Scheiße scheiße scheiße.

Yarden hebt die Augenbrauen. „Also, wie hast du das gemacht?“

„Stammt Barbie von den Hexen ab?“, versuche ich vom Thema abzulenken.

„Ja. Aber das steht gerade nicht zur Diskussion. Wie hast du gerade meinen Vater verjagt?“

Aus der Nummer komm ich nicht mehr raus. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf seinen Puls, auf den köstlichen Geruch seines Blutes. Meine Eckzähne drücken gegen meine Unterlippe. Dann ziehe ich die Oberlippe hoch und schaue ihn an. Yarden reagiert definitiv nicht so wie ich dachte. Anstatt zu erschrecken lässt er meine Hand los und legt sie mir an die Wange. Er streicht vorsichtig über die deutlich sichtbaren Adern auf meiner Haut, dann stupst er gegen meinen einen Eckzahn.

„Du erinnerst mich an Damon aus Vampire Diaries.“

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Kein oh mein Gott, Maxime du bist ein Freak, oder so? Nur eine Anspielung auf Vampire Diaries?“

„Naja", er hebt die Hände und zuckt mit den Schultern. Dabei bleibt er an einem Dornenbusch hängen. „Autsch.“ Er zieht die Hand zurück und betrachtet sie. Ein paar Blutstropfen laufen seinen Handballen hinab. Ich beiße mir fest in die Unterlippe. Er riecht köstlich.

Yarden bemerkt meine Reaktion, er grinst mich an. Es ist das gruselige, schiefe Grinsen eines Menschen, dem alles egal ist: „Willst du mal Kosten?“

„Darüber macht man keine Scherze.“ Ich räuspere mich und reiche ihm ein Taschentuch. Unsere Finger berühren sich. Blitzschnell greife ich nach dem Kragen seiner Jacke und ziehe ihn zu mir herab. „Glaub mir, ich würde wahnsinnig gern. Ich kann riechen und hören wie dein Blut durch deine Adern fließt. Für mich riechst du wie ein sehr leckerer Kuchen der schreit probier mich! Du glaubst nicht wie unglaublich viel Willenskraft es mich kostet dich nicht bis auf den letzten Tropfen auszusaugen.Er starrt mich an, sein Gesicht nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt. „Aber wenn du von den Wölfen abstammst und die Geschichten alle wahr sind, kannst du mich mit einem Tropfen von deinem Blut vergiften. Und du willst wirklich nicht den Zorn meines Vaters auf dich ziehen.“ Ich lasse ihn los und stoße ihn damit ein Stück zurück.

Yarden presst sich stumm das Taschentuch auf den Handballen. Ich streiche mir die Haare hinter die Ohren und atme tief durch. „Kommst du?“

Er nickt. Offenbar hat ihn meine Ansprache bekehrt.

 

Yarden

Ich bin tatsächlich eingeschüchtert von ihren Worten. Ihr Aussehen, die Reißzähne, die Adern, nichts von all dem hat mir Angst gemacht aber ihre Worte… ich weiß durch meinen Vater das das Wort eines Rudelführers zu bedeuten hat.

Gleichzeitig habe ich das seltsame Verlangen in mir, dass sie von meinem Blut kostet.

Ich habe das Gefühl, nein, ich weiß das es mir gefallen wird und ich ihren Durst stillen kann.

Und das Sie im Gegenzug mein Verlangen nach Nähe und Verständnis stillen und die Stimmen in meinem Kopf ruhig stellen kann. Ich werfe ihr einen kurzen Blick von der Seite zu und muss trocken schlucken.

Ihre langen Haare haben sich aus dem Knoten, zu dem Sie Sie zusammengefasst hatte, gelöst. Maxime bewegt sich geschmeidig, hält sich dabei aber aufrecht. Sie bewegt sich mit der Eleganz eines Raubtiers.

 

Maxime

Der Weg führt auf direktem Wege zu unserem Hof. Wir kommen beim Tor oberhalb von Viktors Haus raus.

Viktor steht mit einem großen, dunkelhaarigen Mann vor dem verschlungenen Eisentor. Yarden zieht neben mir scharf Luft ein. „Fuck.“

„Was ist?“

„Das ist mein Vater“, er wirft mir einen schnellen Blick zu.

„Oh…“

Viktor grinst mich an als wir vor ihnen zum stehen kommen.

Yardens Vater streckt mir die Hand entgegen und sagt: „John Remus, ich muss mich für meinen Auftritt vorhin entschuldigen und mich bei dir bedanken.“

Ich schüttle seine Hand. „Bedanken?“

„Das du dich direkt vor meinen Jungen gestellt hast. Nicht jeder Vampir würde einen Wolfsjungen beschützen.“

„Ähm… kein Problem?“ Ich bitte Viktor mit einem Blick um Hilfe.

„Wir sind uns einig das wir deinem Vater vorerst nichts sagen.“ Viktor legt mir beruhigend die Hand auf den Arm. „Er hat sich so gefreut das du Anschluss gefunden hast, da müssen wir ihm nicht sagen das du dir direkt die Wölfe als Freunde ausgesucht hast. Beziehungsweise einen Wolf.“

Ich nicke.

John legt Yarden einen Arm um die Schultern. „Ich hab schon gehört das du heute Abend mit zum Salsa gehst?“

„Ja", erwidere ich. „Apropos, Vik, darf ich den Land Rover haben?“

Viktor seufzt. „Klar, kein Problem. Aber es wird Zeit das du dein eigenes Auto bekommst. Dann musst du nicht immer meine nehmen.“

„Am besten eins mit Allrad“, schaltet sich John ein. „Lunas Familie hat einen Autohandel, vielleicht machen sie euch einen guten Preis für einen Geländewagen,“

Viktor lacht. „Ich glaube nicht das die Hexen mit uns Geschäfte machen wollen.“

John zieht die Augenbrauen hoch. „Die Hexen machen mit allen Geschäften, die den Kaufpreis in bar auf den Tisch legen können.“ Dann tippt er sich an den Hut. „Wir müssen. Maxime, weißt du wo wir wohnen?“

Ich nicke.

„Gut.“

Yarden umarmt mich zur Verabschiedung. „Bis später. Wir müssen 19 Uhr los, 19.30 beginnt das Training.“

Als die beiden außer Hörweite sind vergrabe ich das Gesicht in den Händen. „Viktor, wieso passiert so etwas immer nur mir? Ich kenne Yarden seit einer Woche und muss ihm direkt die Wahrheit über uns erzählen und warum? Weil ich einen schlechten Orientierungssinn habe.“

Viktor lacht und zieht mich durchs Tor. „Also eigentlich kennt ihr euch aus dem Kindergarten. Wir haben hier von deinem 4. Bis 6. Lebensjahr gelebt, dann hat dein Vater die Stelle im Verlag bekommen und wir sind nach Ludwigsburg gezogen. Und du hast gut reagiert. Die Wölfe sind dir jetzt etwas schuldig und werden dich beschützen, du hast dich schließlich vor ihren Prinzen gestellt.“

„Meinst du?“

„Ja. Als Yardens Vater oben aufgetaucht ist habe ich mir kurz wirklich Sorgen gemacht, aber als er dann meinte er sei begeistert von dir war alles klar.“ Viktor drückt mir die Auto Schlüssel in die Hand. „Dein Vater ist in Stuttgart übers Wochenende. Und wir und Moni gehen morgen Autos schauen. Wir fragen ihn gar nicht erst.“

„Du darfst über das Clanvermögen verfügen?“ Ich ziehe die Augenbrauen hoch.

„Ja", antwortet er schlicht. „Mach dir keine Sorgen. Ich erzähle deinem Vater nichts und John hält auch den Mund. Von dem was heute passiert ist wissen nur wir vier und dabei wird es auch bleiben.“

„Gut.“ Ich lächle ihn dankbar an.

„Und Maxime, viel Spaß heute Abend.“ Er lächelt mich ehrlich an. „Der Wolfsjunge ist nett.“

Ich seufze. „Ich weiß.“

 

Überpünktlich, um 18.55 Uhr, halte ich den Land Rover vor der Auffahrt zu Yardens Haus an. Zu meinem Erstaunen steht er schon da und wartet auf mich.

Ich entriegle die Türen und er steigt ein.

„Ich hätte nicht gedacht das du nach heute Mittag wirklich mit kommst“, er beugt sich über die Mittelkonsole herüber und umarmt mich zur Begrüßung.

„Naja“, antworte ich. „Was soll denn jetzt noch schiefgehen?“

Er muss lachen. „Auch wieder wahr. Maxime?“

„Hmm?“, ich wende das Auto und steuere Richtung Wald. Die Adresse habe ich im Navi eingegeben.

„Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Ich werde niemanden erzählen was du wirklich bist.“ Er legt kurz eine Hand über meine.

Ich lächle ihn an. „Danke. Und glaub mir, ich wollte definitiv nicht das du es so erfährst.“

Yarden lacht. „Weißt du ich hatte schon immer komische Freunde. Luna ist eine Hexe und ich theoretisch ein Werwolf und du passt da eigentlich ganz gut dazu, Vampirprinzessin.“

„Ich dachte Luna und du seit…“

„Luna ist lesbisch. Sie sieht in mir eher einen großen Bruder.“

Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil er mir gefällt. „Aber am Montag haben wir uns über eure Unterschiede unterhalten.“

Wir verlassen die Stadt und ich beschleunige auf der kurvigen Straße.

Yardens Herz schlägt schneller. „Das verkaufen wir den Neuen immer so, wenn ich für Sie zuständig bin.“

„Yarden, ich kann deine Nervosität quasi hören.“ Sein Herz überspringt einen Takt. „Wieso macht ihr sowas?“

„Luna kann abchecken wer für Sie in Frage kommt und ich…“

„Wer dich weiterhin attraktiv und interessant genug findet um sich über ihre Ansprache hinweg zu setzen?“

„Du hast es erfasst. Konnte ja keiner ahnen das du wirklich ein Vampir bist. Findest du mich attraktiv oder interessant?“ Yardens Stimme hat einen neckenden Tonfall angenommen.

Ich entscheide mich für Ehrlichkeit. „Hm… eventuell beides?“ Meine Hände verkrampfen sich am Lenkrad. „Wir könnten die alte Sage mal genauer auseinandernehmen. Ist bestimmt interessant.“

„Ja, vielleicht mal als Geschichtsprojekt. Was hast du noch für Superkräfte?“ Er lehnt sich entspannt zurück.

„Ich höre sehr gut, ich bin schnell und stark. im Dunkeln sehe ich gut. Es ist nicht alles wahr, was sich so über Vampire erzählt wird.“

„Stimmt, du glitzerst zum Beispiel nicht in der Sonne.“

„Zum Beispiel.“

Den Rest der Fahrt über schweigen wir beide.

 

Yarden

Maxime tanzt traumhaft. Ihr Körper reagiert auf meine Bewegungen als würden wir schon immer zusammen tanzen. Ich werde mutiger und probiere auch aus, Sie durch schwierigere Schritte zu führen, es klappt tadellos.

Als Sie mir bei einer Figur sehr nahe kommt beginnt mein Puls wieder zu rasen. Sie quittiert mich mit einem amüsierten Blick und streicht mir, wie um mich zu provozieren über die Brust. Ich lege meine Hand mit Nachdruck an ihre Taille, und ziehe Sie sanft näher an mich. Mir egal das mein Herz rast.

Die nächsten Schritte tanzen wir deutlich enger als nötig. Ihr Blick wandert zu meinen Lippen, dann schaut Sie mir wieder in die Augen. Ich hebe eine Augenbraue. Ihre Lippen verziehen sich zu einem leichten Lächeln. Plötzlich entsteht in mir das wahnsinnige Verlangen Sie zu küssen.

Wir absolvieren eine perfekte Drehung, ohne die Blicke voneinander zu lösen.

Ich lehne Sie nach hinten und beuge mich über Sie. Maxime folgt meinen Bewegungen und biegt den Rücken durch. Unsere Gesichter sind nur noch Zentimeter voneinander entfernt. Ich muss schlucken.

Es kostet mich meine ganze Willenskraft, Sie nicht einfach hier und jetzt auf der Stelle gegen die Wand hinter uns zu drücken und einfach zu küssen.

Kurz starrt Sie auf meine Lippen, dann übernimmt Sie die Führung. Sie richtet sich in einer einzigen geschmeidigen Bewegung wieder auf, wobei ihr Oberkörper meinen streift, legt meine Hände an ihren Körper und dirigiert mich durch den Raum.

 

Maxime

Beim Tanzen merke ich erst wie sehr es mir gefehlt hat.

Yardens Salsa Lehrer lassen uns direkt miteinander tanzen und wir harmonieren erstaunlich gut miteinander.

„Vertraust du mir?“, flüstert er mir bei einer Drehung ins Ohr.

Ich nicke.

Er legt mir die Hände um die Taille und hebt mich hoch. Ich lasse mich von ihm tragen lehne mich in seinen Armen zurück. Yarden setzt mich vorsichtig wieder auf dem Boden ab, wir tanzen weiter, Brust an Brust.

„Sehr schön. Man könnte eine Wunderkerze an den Funken anzünden, die gerade zwischen euch geflogen sind.“, ruft Saskia, die Tanzlehrerin, lachend. „Maxime, kannst du auch Pas de Double? “

Ich muss grinsen. „Ja, um ehrlich zu sein ist das so ziemlich mein Lieblingstanz.“

„Sehr gut.“ Sie klatscht in die Hände. „Manuel, du hast es gehört. Einmal Pas de Doble für Yarden und Maxime.“

Ich reiche Yarden meine Rechte Hand und lege ihm die andere auf die Schulter. Seine Finger schließen sich warm um meine. Er zieht mich, als die Musik beginnt, mit einem Ruck näher zu sich. Yarden führt gut. Ich lasse mich auf ihn ein und folge seinen Bewegungen.

 

„Was kannst du noch?“, will er wissen. Seine Augen leuchten.

„Ähm… Jive, Chachacha, Disco fox, rumba… aber das war noch nie wirklich meins.“ Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Wir haben fast eine Stunde lang getanzt.

Yarden wirft Manuel einen Blick zu. „Was meinst du?“

Manuel wendet sich an das andere Tanzpaar, das noch da ist. Wir waren eine Gruppe von acht Paaren, die anderen sechs sind aber nach dem Salsa gegangen. „Worauf habt ihr Lust?“

Die Frau, ein wunderschönes, schlankes Wesen lächelt mich an. „Eine schnelle Runde Jive und dann noch Disco fox?“

Ich nicke. „Klingt gut.“

 

Als für den Disco fox „Bad touch“ von der Bloodhoundgang ertönt muss ich lachen. „Ernsthaft?“

Manuel grinst mich an. „Wozu habt ihr das getanzt?“

„Dynamite, Beds are burning oder so.“

Yarden zieht mich ein Stück weg von dem anderen Paar. „Lilly und Moritz tanzen genial zu dem Lied.“

Ich lasse mich wieder von Yarden führen und beobachte die beiden. Sie harmonieren perfekt. Es wirkt so, als ob ihre Körper genauestens wissen, wie der andere sich bewegen wird.

„Sie sind auch privat ein Paar“, flüstert Yarden mir ins Ohr. Ich nicke. Damit habe ich fast gerechnet.

 

Um neun ist dann endgültig Schluss. Mit dem Versprechen, das ich nächste Woche wieder komme verlassen wir die Tanzschule.

„Hat Spaß gemacht, oder?“ Yarden lächelt mich an.

„Ja. Du glaubst gar nicht wie sehr das Tanzen mir gefehlt hat.“ Ich erwidere sein Lächeln.

„Also kommst du nächste Woche wieder mit?“ Er geht um mein Auto herum und wartet bis ich aufgeschlossen habe.

„Gerne.“ Ich setze mich auf den Fahrersitz, drehe den Zündschlüssel und mache die Sitzheizung an.

Yarden öffnet das Handschuhfach. „Ist das Viktors Auto?“

„Das von Viktor und seiner Frau, wieso?“

Er zieht eine Robbie Williams CD hervor. „Naja, hätte mich gewundert, wenn du gerne Robbie Williams hören würdest.“ Dann greift er noch einmal hinein und hält ein Pink Floyd Live Album in den Händen.

„Das ist meine“, erkläre ich.

„Passt schon eher. Hast du Hunger?“

Ich drehe mich zu ihm um. „Bietest du mir jetzt wieder dein Blut an?“, frage ich halb im Scherz, halb im Ernst.

„Nein, auf dem Heimweg ist ein Mc.“ Yarden schaut mich fragend an. „Wieso sollte ich dir mein Blut anbieten?“

„Naja es gibt Leute die glauben durch einen Vampirbiss kann unter anderem erektale Dysfunktion heilen.“

Er läuft rot an. „Ich habe keine… wie auch immer, ich meinte den Mc Donalds. Wie sieht es aus, hast du Lust?“

Ich starte den Motor und werfe ihn einen gespielt empörten Blick zu. Er wird rot.

„Ich meine natürlich auf Mc"

„Quentin, ich höre deinen Puls.“

„Gut das du keine Gedanken lesen kannst.“ Seine Stimme ist eine Klangfarbe dunkler geworden.

Ich blicke ihn an. Er betrachtet mich wie ein Raubtier seine Beute.

„McDonald's klingt gut. Wie muss ich fahren?“

Er räuspert sich. „Rechts und dann an der nächsten Kreuzung wieder links.“

 

„Darfst du eigentlich mit nach Berlin?“, fragt Yarden als wir uns mit zwei Tablets mit Fastfood gegenübersitzen.

„Berlin?“, ich werfe mir eine Pommes in den Mund.

„Wir fahren über Halloween auf Klassenfahrt. Beziehungsweise der Geschichte Leistungskurs.“

Also ohne Barbie. „Ich denke mal schon. Berlin ist toll.“

Er sucht auf seinem Handy nach etwas und reicht es mir. „Hier ist der Plan.“

Ich überfliege das Worddokument. „Klingt richtig gut. Auf den Teufelsberg wollte ich schon immer mal.“

Er lächelt. „Dann kommst du mit „

„Es ist ein Schulausflug, Papa kann da gar nicht Nein sagen.“ Mein Handy vibriert. „Wenn man vom Teufel spricht.“ Ich nehme den Anruf entgegen und bedeute Yarden still zu sein.

Wie geht’s dir? Hat Viktor dir gesagt das ich nach Stuttgart musste?

„Ja. Hat sich was verändert?“

Nein. Das Schloss steht immer noch an Ort und Stelle. Warst du heute tanzen?

Ich muss Lächeln. „Hat sehr viel Spaß gemacht.“

Das freut mich. Viktor sagt ihr geht morgen noch ein Auto kaufen?

„Anscheinend stört es ihn, das ich immer seinen Land Rover nehmen muss.“

Papa lacht. Kauft etwas Sicheres mit Allradantrieb. Du ich muss auflegen, wir gehen gleich mit dem Team etwas essen.

„Alles klar, bis Montag.“

Bis Montag.

Ich lege auf.

Yarden beobachtet mich aufmerksam. „Ihr habt ein gutes Verhältnis.“

„Ja.“ Ich zucke mit den Schultern. „Ich habe niemanden mehr außer ihn.“

Er beißt in seinen Burger und kaut nachdenklich. „Ich glaube nicht das das Gespräche sind die man in einem Fast Food Restaurant führen sollte.“

„Das sind Gespräche die man auf einem Aussichtspunkt mit einer Flasche Wein führt.“, antworte ich Gedankenverloren.

„Was machst du heute noch?“

„Yarden versteh mich nicht falsch, aber du kennst schon eine Sache von mir die eigentlich niemand wissen darf.“

„Wird Das jetzt das Gespräch, indem du sagst, das wir uns erst besser kennenlernen müssen um solche Gespräche zu führen?“

Ich werde rot. „Ja.“

„Vielleicht in Berlin dann… oder doch früher als du ahnst.“

 

Auf dem Heimweg schweigen wir beide.

Als ich vor seinem Haus halte, beugt er sich zu mir herüber, küsst mich auf die Wange und sagt: „Bis Montag.“

Bevor ich etwas erwidern kann schlägt er die Autotür zu und durchquert mit langen Schritten die Auffahrt. Ich starre ihm hinterher, dann lege ich den Rückwärtsgang ein, wende und fahre nach Hause.

 

 

III.

 

“”

Maxime

Viktor, Moni und ich finden am Samstag tatsächlich ein Auto. Ich verliebe mich direkt in einen dunkelblauen, älteren Jeep, der sich total toll fährt.

Viktor versucht mir einen – in seinen Augen – sichereren Landrover aufzuschwatzen, aber Moni stellt sich auf meine Seite.

Lunas Mutter erkennt uns nicht als Vampire und ist mehr als erfreut das Viktor bar zahlt. Sie wickelt direkt alles Wichtige ab und gibt uns sogar ein Übergangskennzeichen, bis Moni das Auto Montag auf uns bzw. Meinen Vater anmeldet.

Den Rest des Tages verbringe ich in meinem Ledersessel mit heißem Tee und ein paar Bücher. Ich muss mir dringend einen Ausweis für die Waldburger Bücherei machen lassen.

 

Sonntagmorgen gehe ich laufen. Auf Google Maps habe ich einen Rundweg durch den Wald hinterm Haus gesehen, den will ich ausprobieren. Viktor treffe ich auf halben weg über den Hof. Er mustert mich in meinem Laufdress. „Sei vorsichtig.“

„Bin ich immer.“ Ich drücke ihm beruhigend die Hand. „Ich geh nur eine Runde durch den Wald. Ich hab dir doch den Rundweg auf Google Maps gezeigt, den will ich ausprobieren.“

„Okay, gut. Aber wenn du einen Wolf siehst oder hörst, drehst du sofort um und kommst zurück. Du kannst nicht sicher sein, das hier nur Yardens Vater rumläuft.“

„Klar.“ Ich trete durch das hintere Tor und laufe Richtung Wald.

Den Rundweg habe ich schnell gefunden, er ist sogar als Laufweg ausgeschildert. Es ist sehr still im Wald und ich höre und sehe niemanden. Es nebelt. Fast ein bisschen gruselig.

Ich brauche für die zehn Kilometer nur 45 Minuten, meine Kondition wird immer besser.

 

Als ich geduscht und in frischen Klamotten in die Küche gehe um mir etwas zu essen zu machen warten Moni und Viktor bereits auf mich. Vor ihnen stehen Weingläser mit einer samtigen dunkelroten Flüssigkeit.

Brunhilde, unser ältestes Clanmitglied steht am Herd. Sie kocht Kürbissuppe so wie es aussieht. Als sie mich bemerkt kommt sie herüber und küsst mich auf die Wange. „Prinzessin! Guten Morgen! Hier dein wöchentliches Glas.“ Sie schiebt mir ein Weinglas zu.

„Wo sind eigentlich Frank, Siegfried, Oli, Uli und Katarina?“, erkundige ich mich nach dem Rest unseres Clans.

Brunhilde verdreht die Augen. „Ach du weißt doch, sie suhlen sich in Elend, weil wir wieder in diesem Kaff wohnen.“

Ich muss lachen. „Naja ich finde es auch nicht toll, und ich muss hier auch noch zur Schule gehen.“

Brunhilde schaut mich an. „Bildung ist wichtig! Und ich habe gehört du hast einen netten Wolf kennengelernt?“

Ich nehme schnell einen Schluck Blut, um nicht antworten zu müssen. Meine Begegnung mit Yarden hat also schon die Runde gemacht.

Moni lächelt mir beruhigend zu. „Brunhilde, wann ist das Essen denn fertig? Wir haben Hunger.“

Ich ziehe mich mit meinem Glas Blut unauffällig zurück. Ich habe keine Lust darauf, mich über Yarden zu unterhalten. Unbewusst streiche ich mit den Fingerspitzen über meine Wange. Ich frage mich was der Kuss zu bedeuten hat. Dann schelte ich mich dafür, dass ich so viel in einen freundschaftlichen Wangenkuss hineininterpretiere.

 

Nach dem Essen überreden Moni, Brunhilde und Viktor mich zu Monopoly. Wir spielen den ganzen Nachmittag und Brunhilde gewinnt – wie immer.

 

 

 

IV

“I don’t wanna fall in love, with you3

 

 

Maxime

Als ich am nächsten Morgen aufwache freue ich mich das erste Mal seit langem auf die Schule.

Meine gute Laune hält bis zu dem Moment an, als Yarden sich in der Schule neben mich setzt und mich komplett ignoriert. Er grüßt mich nicht, er schaut mich auch nicht an, er setzt sich einfach auf den Stuhl neben mich, legt seine Schulsachen auf den Tisch und missachtet meine Anwesenheit.

Ich betrachte ihn verwirrt von der Seite. Im Kopf überfliege ich schnell die ganze letzte Woche, um eine Situation oder etwas das ich gesagt habe zu finden, aufgrund derer er mich jetzt nicht mehr leiden könnte.

Mir fällt nichts ein.

Er hat den Blick starr geradeaus gerichtet und versucht dem Unterricht zu folgen. Seine Finger krallen sich so fest um den Stift, das seine Knöchel weiß hervortreten.

Ich schreibe Was ist los? Auf einen kleinen Zettel und lege ihn vor ihm auf den Tisch. Er liest den Zettel, sein Blick wandert kurz zu mir. Dann zerknüllt er ihn.

Verletzt wende ich mich ab. Gut, dann spricht er halt nicht mit mir und schweigt sich darüber aus was passiert ist.

Als es zur Pause klingelt schaut er mich an. Um seinen Mund liegt ein harter Zug. „Maxime, sei so gut und lass mich in Ruhe. Ich habe keine Lust mehr darauf den Entertainer für die Neue zu spielen Such dir bitte neue Freunde. Besser du erzählst denen aber nicht direkt das du ein Monster bist.“

„Aber… Freitag? War das nichts?“, frage ich leise.

„Was soll da gewesen sein? Ich hab nichts bemerkt.“

Stumm starre ich ihn an, während sich seine Worte unaufhörlich in mein Gehirn fressen. Seine Miene bleibt steinhart und seine Augen sind seltsam leer. Dann nicke ich und wende den Blick ab, beiße mir auf die Lippen um nicht in Tränen auszubrechen.

Und ich hatte mir eingebildet da sei etwas zwischen uns gewesen.

 

In der nächsten Stunde sitze ich wie betäubt da und starre Löcher in die Luft. Der Moment, als er mich Freitag zur Verabschiedung auf die Wang geküsst hat, spielt sich wieder und immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Als er mich ausversehen berührt schiebe ich meinen Stuhl so weit weg wie möglich von ihm.

Es quietscht furchtbar laut.

Luna, die zwei Reihen vor uns sitzt hat sich halb umgedreht und schaut erst mich, dann ihn an. Er erwidert ihren Blick und schüttelt leicht den Kopf. Sie nickt leicht, wendet sich dann wieder nach vorne.

Dann schnellt ihr Arm nach oben und sie fragt: „Dürfte ich kurz raus? Mir ist schlecht.“

Unser Lehrer nickt und fragt dann: „Nimmst du noch jemanden mit?“

Yarden steht schnell auf und sagt dann: „Ich komme mit.“

Mein Blick bohrt sich in seinen Rücken, als er Luna aus dem Raum folgt. Die beiden kommen bis zur Pause nicht wieder.

 

Diese Pause verbringe ich alleine. Ich suche mir eine ruhige Ecke im Haupthaus und starre ins Nichts. Ich versuche vergeblich mir einzureden das es nicht an mir liegt, das Yarden mich ignoriert.

Seufzend schlage ich mein Buch auf, und beginne zu lesen.

Kurz vor Ende der Pause kommt Luna zu mir. „Maxime.“

„Ja“, verwirrt schaue ich hoch.

„Er meint es nicht so. Es liegt an etwas ganz anderem.“ Sie setzt sich neben mich.

„Mhm“, mache ich. „Schön für ihn.“

Sie seufzt. „Yarden hat es gerade nicht leicht. Hat er dir erzählt was hier dieses Jahr los war?“

„Vage“, erwidere ich.

„Seine Zwillingsschwester, Freya, ist im Frühjahr verschwunden. Es wurde vermutet das Sie weggelaufen ist.“

„Aha“, mache ich. Wir laufen langsam zurück Richtung Klassenzimmer.

„Jetzt wurde der Leichnam einer jungen Frau gefunden. Es ist nicht Freya, aber es hat ihn schon sehr mitgenommen.“

„Das ist Schlimm, keine Frage, aber das erklärt nicht warum er mir an den Kopf geworfen hat“ Ich stocke. „Ach egal, vergiss es.“

Sie hält mich fest – und lässt mich im selben Moment wieder los. „Sorry. Nein, bitte sag. Was war zwischen euch?“

Ich gebe auf. „Ich war doch Freitagabend mit beim Salsa. Da war noch alles okay; Nein mehr als okay. Es hat sich angefühlt als hätte es zwischen uns gefunkt. Dann waren wir noch was essen, ich hab ihn nach Hause gefahren, er hat mich zum Abschied auf die Wange geküsst und heute sagt er mir er will nicht mehr mit mir befreundet sein und ich solle mir neue Freunde suchen.“ Unsicher zucke ich mit den Schultern. „Und er hat gesagt ich sei ein Monster.“

Sie seufzt. „Das ist echt scheiße von ihm, aber ihn macht das mit seiner Schwester fertig.“

„Luna, es tut mir leid, aber das glaube ich dir nicht. Das könnte er mir auch selber sagen, anstatt mir so Dinge an den Kopf zu werfen.“

„Ich glaube ich kenne ihn besser als du, Prinzessin, es liegt nicht an dir, aber ich darf dir nicht sagen was genau los ist.“

„Trotzdem will ich das von ihm hören, Hexe.“ Ich drehe mich auf dem Absatz um und gehe. Ich weiß ich verhalte mich aus Menschensicht unmöglich, aber wir Vampir haben unseren Stolz und wir lassen uns nicht schlecht behandeln, obwohl wir nichts getan haben. Yardens Wut auf mich ist ungerechtfertigt. Und das er mir nicht sagen kann was wirklich mit ihm los ist, sagt viel darüber aus wie er über mich denkt.

Luna stöckelt mir hinterher. „Wie hast du mich genannt?“

„Du hast mich schon verstanden.“ Wütend stoße ich die Tür zum Klassenzimmer auf.

„Nein, tut mir leid, du hast genuschelt.“ Sie folgt mir.

Die Augen der ganzen Klasse sind auf uns gerichtet. Ich bahne mir einen Weg durch die Tische und setze mich an Yardens und mein Pult. Er sitzt aufrecht da und verfolgt gebannt unseren Wortwechsel.

Ich lasse mich auf den Stuhl fallen. Luna baut sich vor mir auf und stellt die Hände drohend auf den Tisch.

„Ich sagte“, wiederhole ich überdeutlich, „das er mir das auch selber sagen kann, wenn es denn stimmt, Hexe!“

Yardens Kopf fährt zu mir herum.

„Vielleicht kann er das aber gerade nicht, Vampirprinzessin.“, faucht Sie.

„Dann ist das nicht mein Problem sondern seines und dann muss sich immer noch er darum kümmern, verdammt nochmal“, entgegne ich kalt. „Und jetzt setz dich bitte hin, der Unterricht hat begonnen.“

„Du gibst mir keine Befehle, Prinzessin.“ Sie bleibt stehen und schaut mich auffordernd an.

Ich fange ihren Blick ein. „Du gehst jetzt rüber zu deinem Tisch und setzt dich auf deine vier Buchstaben und stehst nur auf wenn du aufs Klo musst, Pause ist oder die Schule vorbei ist, Luna.“

Meine Gabe funktioniert ausnahmsweise mal.

Luna starrt mich verblüfft an, aber ihr Körper durchquert gegen Ihren Willen das Zimmer und setzt sich an den Tisch, die Hände ordentlich gefaltet.

„Und noch was. Ich heiße Maxime.“

Sie nickt.

„Sag es.“

„Du heißt Maxime.“

Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust. „Brav.“

Yarden starrt mich immer noch an. Ganz leise fragt er: „Wie hast du das gemacht?“

„Das geht dich einen feuchten Scheißdreck an, Wolfsjunges.“

Gekränkt wendet er den Blick ab. „Du musst deine Wut auf mich nicht an meinen Freunden auslassen.“

„Und du deine nicht an mir. Ich habe mich selten so in jemanden getäuscht wie in dir. Wehe du richtest noch einmal ein Wort an mich. Dann rollen hier Köpfe und das meine ich nicht metaphorisch.“

Kurz sieht es aus als ob Yarden etwas erwidern will, dann schüttelt er leicht den Kopf. Schnaubend wende ich mich ab.

 

Leider haben wir heute Mittagsschule. Als es klingelt springe ich auf, schmeiße mir meine Tasche über die Schulter und stürme aus dem Klassenzimmer.

„Maxime!“, ruft Yarden mir hinterher, aber ich ignoriere ihn.

Soll er doch bleiben wo der Pfeffer wächst! Ich bin so wütend auf mich, das ich es zugelassen habe, das sich zwischen uns etwas entwickelt hat, und noch wütender auf ihn, das es mich so leicht aus der Bahn wirft wie er mich heute behandelt hat.

Zitternd atme ich tief durch. Alles gut. Es ist nichts schlimmes passiert. Es ist nichts zwischen uns passiert was meine oder seine Reaktion erklären würde. Es liegt nicht an mir.

Kurz spiele ich mit dem Gedanken zu schwänzen, aber wir haben Geschichte, also eigentlich mein Lieblingsfach.

Ich überquere den Pausenhof und laufe Richtung nördlichstes Ende des Grundstücks. Dort steht eine kleine Baumgruppe, und ich bin mir ziemlich sicher das diese so weit abgeschieden ist, das mir niemand folgt.

Ich breite meinen Mantel aus und lege mich auf den Boden. Heute ist einigermaßen schönes Wetter. Traurig stelle ich mich den Tatsachen. Ich bin in diesem Nest gefangen. Ich habe keine Freunde. Ich habe mir die Möglichkeit Freunde zu finden damit verscherzt, Barbie die Stirn zu bieten und vor allem zu gewinnen.

Seufzend wiege ich die Möglichkeiten ab. Schule abbrechen? Undenkbar. Vater fragen, ob er mich auf eine andere Schule schickt? Möglich, aber mit Aufwand verbunden. Yarden fragen was mit ihm los ist und versuchen die Freundschaft, die sich letzte Woche zwischen uns gebildet hat zu vertiefen. Schwierig. Als Misanthrop die restlichen zwei Schuljahre verbringen? Am wahrscheinlichsten.

 

Den Rest der Woche ignoriere ich ihn so gut wie es geht. Ich laufe alleine zur Schule, verbringe die Pausen mit einem Buch auf dem Schoß im entlegensten Eck des Grundstücks und frage mich verzweifelt was ich falsch gemacht habe.

Yarden tut im Gegenzug so, als wäre ich Luft.

 

Nur als ich Mittwochnachmittag in den Musiksaal laufe und Yarden am Schlagzeug sitzen sehe unterbreche ich mein Schweigen kurz. „Was genau macht er hier?“

Luna drückt mir zwei Blätter mit Text für die heutige Einheit in die Hand. „Yarden spielt Schlagzeug, Er und Kai sind die musikalische Begleitung des Schulchores. Diese Probe vorallem unsere.“ Sie macht eine Handbewegung in Richtung eines schlaksigen blonden Typen, der etwas an seine Gitarre verstellt.

„Was soll das heißen?“ Ich werfe einen kurzen Blick auf das Textblatt. Mad world von Gary Jules und Michael Andrews und Dreams von Fleetwod Mac.

„Der Rest des Chores ist letztes Schuljahr mit dem Abi fertig geworden und außer uns vieren wollte niemand mehr mitmachen. Frau Maus hat es sich in den Kopf gesetzt das wir ein Duett singen, weil unsere Stimmen angeblich sehr gut miteinander harmonieren werden.“ Luna drückt mir einen Notenständer in die Hand. „Netterweise dürfen wir uns aber aussuchen welches von beiden Liedern wir singen wollen.“

Seufzend lege ich meine Sachen auf einen Stuhl neben mir und baue den Notenständer auf.

Frau Maus lässt noch auf sich warten, also singen wir uns schon einmal warm.

Yarden und Kai singen offenbar Background. Sie stimmen Numb von Linkin Park an, und es klingt erstaunlich gut.

Luna nickt mir zu. „Was kannst du sonst noch auswendig?“

„Ähm…“, ich muss kurz grübeln. „Ein paar Sachen von Florence and the Machine…“

„Schon gut“, unterbricht Sie mich, „Wir singen einfach schon einmal Mad world zum üben.“

„Gleichzeitig?“, aus den Augenwinkeln beobachte ich Yarden.

Luna setzt sich ans Klavier. „Nein, erst ich dann du.“ Sie beginnt leise zu singen. Luna hat eine tolle Singstimme. Voll, klar und ein bisschen kratzig. Ich bin begeistert. Das Lied ist viel zu schnell vorbei.

„Jetzt du“, fordert Sie mich auf.

Ich räuspere mich, dann stimme ich die ersten Töne an:

All around me are familiar faces

,worn out places, worn out faces,

bright and early for their daily races

going nowhere, going nowhere,

their tears are filling up their glasses,

no expression, no expression,

hide my head I want to drown my sorrow,

no tomorrow, no tomorrow “

Luna nickt mir begeistert zu und greift dann in die Tasten. Etwas mutiger stimme ich den Refrain an;

And i find it kind of funny, i find it kind of sad,

The dreams in which im dying are the best I ever had.

I find it hard to tell you, I find it hard to take,

When people run in circles it’s a very very

Mad world, mad world.”

Yarden ist bei den letzten Zeilen miteingefallen, seine Stimme ist die perfekte Unterstützung für meine.

Plötzlich steht Frau Maus in der Tür und klatscht. „Sehr gut! Ich bin begeistert! Maxime, du hast eine grandiose Stimme!“

Verunsichert schaue ich zu ihr hinüber.

„Doch, wirklich! Wir sollten uns dringend überlege, welches Lied du als Solo singen könntest. Oder vielleicht doch ein Duett mit Yarden?“ Frau Maus strahlt erst mich, dann ihn an.

„Um Himmels Willen nicht“, murmele ich. Yarden setzt einen Gesichtsausdruck auf, als hätte man ihm vorgeschlagen, er könne helfen Hühneraugen zu entfernen.

„Vielleicht können erst einmal Maxime und ich uns auf unsere Version von Mad World konzentrieren?“, eilt uns Luna zur Hilfe. „Das hatten Sie ja letzte Woche geplant. Und wenn das klappt, dann können Sie Maxime und Yarden immer noch ein Duett singen lassen. Zum Beispiel Wicked Game.“

Yarden und ich starren Sie entgeistert an. „Wicked Game?“, fragen wir zeitgleich. Worauf will Sie anspielen?

„Die alte oder die neue Version?“, will Frau Maus wissen.

„Die von Spotify“, erwidert Luna. „Keine Ahnung ob das die neue oder die Alte ist, gibt es mehrere Versionen?“

„Das Lied ist von 1996, Lunamaus“, sagt Yarden.

„Wie wäre es mit der von HIM? Da kann Yarden auch zu Schlagzeug spielen und Kai Gitarre.“, werfe ich ein.

„Die Version von HIM?“, fragen Luna, Frau Maus und Kai gleichzeitig. Nur Yarden verdreht entnervt die Augen. „Nur das du keine Stimme wie Ville Vallo hast.“

Ich setze zwei Oktaven unter meiner eigentlichen Singstimme an: „No I dont wanna fall in love with you.“ Wenn er wüsste wie viel Wahrheit in dieser Zeile steckt.

„So klingst du als hättest du zu viel geraucht und Whiskey getrunken.“, sagt Kai. Er sagt heute das erste Mal überhaupt etwas.

„Hat Sie vielleicht auch“, erwidert Quentin bissig.

„Maxime, hast du noch mehr Ideen für ein Duett?“, Frau Maus schaut mich freundlich an.

Running to the edge from the world von Marilyn Manson, Wish you were here von Pink Floyd vieleicht.” Ich zucke mit den Schultern. “Ich weiß nicht welches Repertoire Yarden abdecken kann.“

Yarden steht vom Schlagzeug auf und stellt sich mit verschränkten Armen neben mich. „Wicked game ist schon in Ordnung. Nur sollten Sie dann vielleicht Luna ans Schlagzeug setzen und Sie spielen lassen.“

Luna strahlt vor Freude. „Das wäre toll!“

Frau Maus klatscht in die Hände. „Es findet sich doch für alles eine Lösung. Maxime, Luna, ihr fangt an. Das Lied gehört euch, interpretiert es so wie es euch am besten gefällt.“

Yarden starrt mich finster an, dreht sich dann um und setzt sich wieder ans Schlagzeug. Seufzend klemme ich den Text fest. Luna steht plötzlich mit zwei Textmarkern bewaffnet neben mir. „Ich markiere dir kurz was du singst und was ich singe. Ich bin grün und du bist blau.“

„Tu dir keinen Zwang an.“ Ich trete einen Schritt zurück. Sie packt mich mit mehr Kraft als ich ihr zugetraut hätte am Handgelenk und zieht mich zu sich. „Könnt ihr bitte noch einmal miteinander reden? Ich weiß er war nicht besonders nett zu dir, aber…“

„Luna, es gibt nichts mehr zu reden!“, fahre ich ihr entnervt dazwischen. „Ich bemühe mich nicht um Leute die eh keine Lust auf mich haben.“

Sie sieht kurz aus, als wolle Sie noch etwas sagen, dann lässt Sie mich los als hätte sie sich verbrannt – oder meine Wut gespürt.

Ich überfliege mein Blatt und nicke ihr zu, damit Sie anfängt. Frau Maus gibt Kai und Yarden ein Zeichen, dann beginnen wir endlich mit den Proben.

 

 

Yarden

Es ist toll Maximes Stimme zu lauschen. Sie hält sich eher im Hintergrund und überlässt Luna die Show.

Maxime dreht sich kein einziges Mal zu mir um, obwohl ich gefühlt Löcher in ihren Rücken starre. Luna wirft mir einen warnenden Blick zu und ich ziehe schuldbewusst den Kopf ein. Ich weiß das ich mich falsch verhalte, ich habe Maxime vor den Kopf gestoßen und damit muss ich jetzt leben ob es mir passt oder nicht. Selber schuld. Ich habe Sie ein Monster genannt, was habe ich denn erwartet? Das Sie mir sofort verzeiht und mich mit offenen Armen wieder in Ihre Freundschaft empfängt sobald wir länger in einem Raum sind?

Frau Maus fängt an zu fuchteln. Ich konzentriere mich auf Sie und bekomme gerade noch mit wie Sie ruft: „Und jetzt mal du alleine das ganze Lied, Maxime! Yarden, du bist Begleitstimme.“

Maxime nickt kurz zum Zeichen, das Sie verstanden hat und beginnt zu singen, als Luna anfängt Klavier zu spielen.

Ich falle nach Gefühl mit ein und bin überrascht, wie gut unsere Stimmen zusammen klingen.

Beim letzten Refrain dreht Maxime sich um und ich habe das Gefühl das Sie nur für mich singt.

And i find it kind of funny, i find it kind of sad,

The dreams in which im dying are the best I ever had.

I find it hard to tell you, I find it hard to take,

When people run in circles it’s a very very

Mad world, mad world.”

Sie starrt mich an, ein leichtes Lächeln auf den Lippen, wendet dann aber schlagartig den Blick ab, so als wäre ihr wieder eingefallen, das wir ja keine Freunde mehr sind.

Frau Maus starrt uns prüfend an. Fast glaube ich das Sie verstanden hat was zwischen uns los ist, dann schlägt Sie vor: „Maxime, Luna, wie wäre es wenn ihr Dreams singt und Yarden und Maxime, ihr Mad World?“

Ich warte Maximes Reaktion ab. Sie erstarrt kurz, zuckt dann aber mit den Schultern. „Wenn es sein muss… Ich möchte aber nicht das Luna wegen uns zurückstecken muss. Meiner Meinung nach singt Sie besser als ich.“

„Nein, da musst du dir keine Sorgen machen, Luna bekommt ihr Solo. Nur, ich will dich und Yarden zusammen singen hören beim Schulball.“ Frau Maus strahlt uns an.

Beim Schulball?“, fragen Maxime und ich gleichzeitig.

„Das ist nicht ihr ernst!“, ruft Sie.

„Das ist ja völliger Schwachsinn“, stimme ich mit ein.

„Also ich finde die Idee gut“, Luna strahlt uns an, „Sie sollten Maxime und Yarden Donnerstagnachmittag Zeit zum Üben geben.“

„Welch ausgezeichnete Idee!“, Frau Maus ist begeistert. Sie reibt sich geschäftig die Hände.

„Donnerstag ist schlecht, da ist Salsa“, versucht Maxime sich rauszureden.

Plötzlich werde ich wütend. „Salsa ist freitags, da verwechselst du was.“, werfe ich ein. „Donnerstags ist nur Schule bis um zwei.“ Tja, mitgefangen mitgehangen.

Maxime sieht aus als würde Sie mir gleich an die Gurgel gehen. Ich hebe besänftigend die Hände. „Kann ja sein du hast da was verwechselt. Ist ja immer schwer am Anfang in einer neuen Schule, das weißt du ja.“ Das kommt mir sarkastischer über die Lippen, als ich es wollte.

Frau Maus Blick wandert irritiert zwischen ihr und mir hin und her. Maxime funkelt mich an, sagt aber kein Wort. Sie hat die Hände zu festen Fäuste geballt. Offenbar ist die Frau feinfühliger als wir dachten, denn Sie winkt uns beide zu sich und flüstert: „Hört Mal, ich weiß nicht was zwischen euch beiden passiert ist – und ich will es auch gar nicht wissen. Muss etwas ernsteres sein euren Reaktionen nach. Aber könnt ihr euch für die 3 Stunden in der Woche vielleicht zusammenreißen?“

Wir nicken widerstrebend.

„gut, Danke. Das weiß ich sehr zu schätzen.“

Maxime murmelt irgendetwas unverständliches und wendet sich ab.

Zu meinem Glück schaltet Luna sich ein: „Sollen wir dann Dreams üben? Und danach singen Quentin und Maxime noch einmal Mad World?“ Sie drückt Maxime ein Textblatt in die Hand und diese nickt zustimmend.

Frau Maus schaltet die Musik playback an, und bedeutet Kai und mir leise zu sein.

Wir lauschen Luna und Maxime andächtig. Es klingt gut.

Frau Maus verbessert, wie Sie nun mal so ist, hier und da etwas, und lässt dann Maxime noch einmal Solo den letzten Refrain singen.

Thunder only happens when it s raining,

Players only love you when they playing,

Women, they will come and they will go

When the rain washes you clean,

You’ll know, you will know”

Dann sind Maxime und ich dran. Ich stelle mich neben Sie auf die Bühne. Sie hebt mir Lunas Textblatt entgegen und sagt: „Du singst Lunas Part, aber ich singe den letzten Refrain.“

 

Frau Maus beginnt zu applaudieren: „Sehr gut, es kam mir so vor als sei das Lied nur für euch geschrieben worden, Yarden und Maxime! Ich bin begeistert. Damit möchte ich die Proben für heute auch beenden. Eure Hausaufgabe ist wie immer Texte lernen und üben.“

Maxime nickt und klappt ihren Notenständer zusammen. „Wo kommt der hin?“

Frau Maus deutet auf die Empore. „Es wäre lieb, wenn du ihn dort hoch bringen würdest.“

Maxime nickt erneut und steigt die wackeligen Stufen hinauf. Ich folge ihr, den Notenständer als Alibi in der Hand.

Sie fährt herum, als würde Sie meine Anwesenheit spüren. Ich bleibe in der Tür stehen und erwidere ihren Blick selbstbewusster als ich mich fühle. Sie hebt das Kinn und starrt mich an. „Was?“

„Du hast gut gesungen heute.“ Ich bewege mich langsam auf Sie zu und lasse meine Auge über ihr Gesicht wandern. Sie hat dunkle Ringe unter den Augen und sieht irgendwie fertig aus. Ihre Haut ist so bleich, in dem Zwielicht unter dem Dach wirkt sie fast durchscheinend. Trotzdem finde ich Sie wunderschön. „Dreams gefällt mir bei dir fast besser wie im Original.“

„Dankeschön. Für irgendwas müssen fünf Jahre Gesangsunterricht ja gut gewesen sein.“, antwortet Sie kühl.

Ich bleibe direkt vor ihr stehen und schaue auf Sie hinab. Sie erwidert meinen Blick herausfordernd.

Die Luft zwischen uns lädt sich auf, fast erwarte ich Funken fliegen zu sehen.

„Hast du mir sonst noch irgendwas zu sagen? Weil ich müsste sonst echt zu Hause, damit ich mich nicht auf dem Heimweg an wehrlosen Opfern vergreife, da ich doch so ein Monster bin.“ Ihre Stimme trieft nur so vor Sarkasmus.

Autsch. Ich schließe die Augen und hasse mich einmal mehr für das was ich zu ihr gesagt habe. „Maxime“, setze ich an.

„Was?“, Sie steht immer noch vor mir. Ich würde Sie so gerne packen, gegen die Wand drücken, küssen und ihr sagen was am Wochenende passiert ist und vor allem das ich Sie sehr wohl mag und Sie definitiv nicht für ein Monster halte, aber ich schaffe es nicht. Als ich nichts weiter hervorbringe, sondern Sie nur stumm anstarre, drückt Sie sich mit einem entnervten seufzen an mir vorbei.

Als ich mich soweit gesammelt habe und die Stufen heruntersteige ist von ihr nichts mehr zu sehen.

Sauer auf mich selbst stecke ich meine Drumsticks ein und stürme aus dem Raum.

 

 

 

V.

Whatever tomorrow brings I’ll be there –

with open arms and open eyes”4

 

Yarden

Donnerstag missachtet Sie mich den ganzen Tag. Luna macht sich Sorgen und versucht mich dazu zu überreden mit ihr zu reden und mich vor allem zu entschuldigen.

„Yarden, niemand will gerne Monster genannt werden – was auch immer du mehr weißt als ich und worauf du deine Behauptungen stützt. Du hast Sie ziemlich verletzt mit dem was du gesagt hast. Sie dachte da ist etwas zwischen euch.“ Wir sitzen auf der Bank in der Sonne. Luna redet schon die ganze Pause auf mich ein. „Und so wie ihr euch verhaltet war da auch tatsächlich etwas.“

Ich schaue mich um, in der Hoffnung Maxime irgendwo zu sehen. Da! Sie sitzt am Ende des Grundstücks an den Zaun gelehnt da und hört Musik. Ihr Fuß wippt im Takt. „Ich weiß, aber ich glaube das kann ich nie wieder gut machen. Sie ist so stolz.“

„Und Sie ist genauso dickköpfig wie du, das habe ich auch schon gemerkt. Und Sie mag dich, Yarden, ansonsten wäre Sie nicht so verletzt gewesen.“, redet Luna mir gut zu. „Aber… was war denn genu zwischen euch?“

„Wir haben uns fast geküsst.“

„Und dann stößt du Sie so vor den Kopf. Yarden, du bist ein Dummkopf.“ Luna gibt mir eine Kopfnuss. „Ein riesen Dummkopf.“

„Es war übrigens nicht Freya die man Anfang September gefunden hat.“, sage ich leise. „Das war die Wanderin die Anfang März verschwunden ist. Freya lebt noch.“

„Spiel jetzt nicht die Armer Junge Karte“, erwidert Luna warnend. „Das mit Freya ist schrecklich – du weißt das Freya und ich“, Sie bricht ab. „Wie auch immer, mir fehlt Sie auch und ich glaube auch das Sie wieder zurück kommt, aber solange muss das Leben hier weitergehen. Wir müssen für Sie hier die Stellung halten.“

Ich nicke. „Du hast Recht. Ich werde morgen mit Maxime reden und mich entschuldigen.“

„Oder du nutzt eure private Gesangsstunde, die ich euch selbstlos organisiert habe.“ Luna lächelt mich an.

„Oder das, auch wenn ich ein bisschen Unterricht bitter nötig hätte.“, gebe ich zu.

„Du brauchst vor allem Unterricht darin, wie man mit Frauen umgeht, die man mag, wenn du mich fragst“, wirft Luna ein.

 

Als ich den Musiksaal betrete ist Maxime schon da. Sie sitzt auf einem der Stühle und liest. Als Sie mich bemerkt schlägt Sie schnell das Buch zu und wirkt fast schon schuldbewusst.

„Hi“, bemühe ich mich um einen möglichst lockeren Ton.

Sie hebt zur Begrüßung tonlos die Hand und verstaut das Buch in ihrer alten Ledertasche.

Na das kann ja heiter werden.

Bevor ich noch mehr sagen kann betritt Frau Maus den Saal wie ein Elefant den Porzellanladen. Die Frau hat einfach kein Gefühl für Timing. Kommt zu spät wenn man es eilig hat, aber pünktlich wenn man es nicht braucht.

„Schön das ihr beide hergefunden habt. Sollen wir gleich anfangen?“

Maxime nickt und zieht ein Textblatt hervor. Sie schaut mir nicht in die Augen und ich habe das seltsame Gefühl das Sie etwas vor mir verbirgt.

Ich bin die ganze Probe über nicht bei der Sache. Maxime auch nicht, so wie es scheint. Sie verpasst zwar im Gegensatz zu mir keinen Einsatz und ist textsicher, aber Sie wirkt abgelenkt.

Nach der Probe verschwindet Sie ohne ein Wort zu sagen und Frau Maus kommt auf mich zu. „Habt ihr en Problem miteinander?“

Ich zucke mit den Schultern. „Scheint so, oder?“

„Yarden du kannst mit mir über alles reden. Ich weiß du hattest es nicht leicht seit deine Schwester verschwunden ist, aber es gibt für alles eine Lösung.“

„Danke, aber Nein danke. Ehrlich, ich schaffe das auch so.“ ich lächle beruhigend und verlasse dann auch den Saal. Es gibt wohl nicht für alles eine Lösung, auch wenn ich das gerne glauben würde.

Maxime ist weg. Ich sehe Sie nicht mehr und tröste mich mit dem Gedanken, das sie ja mit ins Salsa geht.

 

Maxime

Freitagmorgen winkt mir mein Vater mit einem Brief entgegen. „Deine Klassenlehrerin macht sich Sorgen um dich. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“

„Kommt drauf an wieso Sie sich Sorgen macht?“

„Du hast dich doch mit dem Wolfsjungen angefreundet. Anscheinend habt ihr euch Montag gestritten und redet seit dem her kein Wort mehr miteinander, und du verbringst alle Pausen alleine.“ Er schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Yarden hat mich Montag ignoriert und dann sein Personal zur Entschuldigung geschickt.“

„Sein Personal?“, will Vater wissen.

„Die Hexe“, kläre ich ihn nicht ohne eine Schadenfreude auf. Soll er doch selbst drauf kommen, in was für eine Stadt er mich hier gebracht hat.

„Maxime, meinst du das ernst? Es gibt hier noch Hexen?“ Er starrt mich entgeistert an.

„Und Sie ist mit den Wölfen befreundet.“

Vater seufzt. „Ich habe keine guten Nachrichten für dich.“

„Aha. Betreffend was?“

„Yardens Vater war heut Morgen hier. Er macht sich Sorgen um seinen Sohn. Erst wurde am Wochenende der Leichnam gefunden und dann habt ihr euch gestritten, das hat Yarden wohl ziemlich aus der Bahn geworfen.“

„Vater, er kann mir nicht sagen was mit ihm los ist. Es ist nicht mein Problem wenn ihn etwas aus der Bahn wirft. Ich bin nicht die Caritas, ich bin definitiv nicht daran interessiert mich um Trauerfälle zu kümmern.“ Ich hebe abwehrend die Hände. „Ich will einfach nur die nächsten zwei Jahre rumbekommen, mein Abi machen und hier wieder weg. Es war eine richtige Scheißidee hierhin zu ziehen!“

Ich drehe mich um, packe meine Schultasche und stürme davon.

„Maxime!“, ruft Vater mir hinterher.

Wütend schalt ich auf Durchzug. Ich werde immer besser in dramatischen Abgängen.

Eine gute Sache muss das ganze ja haben.

 

In der Schule spricht Yarden das erste Mal seit Montag wieder richtig mit mir.

Als ich mich auf den Weg zum Sportunterricht mache, steht er an meinem Schließfach wie in einem kitschigen amerikanischen Teenager-Liebesfilm.

Er macht Platz als ich mein Schließfach aufschließe, lehnt sich dann aber so gegen die anderen Spinde, das wir gegen die Außenwelt abgeschirmt sind.

„ich habe mich wie ein Arschloch verhalten, tut mir leid.“ Er räuspert sich und schiebt die Hände in die Hosentaschen. „Am… am Wochenende ist viel passiert, viel schlechtes und eine gute Sache aber ich hätte das nicht an dir auslassen sollen.“

„Mich hat es verletzt das du mich, nach dem eigentlich doch recht schönen Abend am Freitag so behandelt hast. Und ja, ich habe vielleicht überreagiert, aber Vampire sind ein stolzes Volk. Wir lassen uns nicht kränken. Wir fangen an uns zu wehren,“ flüstere ich. „Und wir ignorieren.“

Er nickt seufzend. „Hab ich gemerkt. Friede? Ich will versuchen es wieder gut zu machen.“

„Fragst du jetzt, weil du das ernst meinst oder weil ich heute Abend mit ins Salsa soll?“

„Ich meine es Ernst. Ich habe mich dir gegenüber sehr unfair verhalten. Ich war ein richtiges Arschloch und habe die Tatsache, dass ich nicht mit meinen Problemen zurechtkomme an dir ausgelassen.“

„Erzählst du mir was passiert ist?“

Er schüttelt stumm den Kopf. „Das kann ich nicht, das muss ich erst einmal selbst begreifen.“

„Hast du das ernst gemeint?“, ich beiße mir auf die Unterlippe.

„Das du dir neue Freunde suchen sollst? Naja, ich kann natürlich nicht verlangen das wir weiterhin befreundet bleiben aber ich war unfair zu dir.“ Er verzieht schuldbewusst das Gesicht.

„Das ich ein Monster bin.“

„Ach so.“

„Und‘? Hast du das ernst gemeint?“ ich drehe mich halb zu ihm um. Er steht nicht einmal zehn Zentimeter von mir entfernt.

Yarden schaut mir lange in die Augen und sagt dann schlicht: „Nein. Es tut mir furchtbar leid das ich das gesagt habe, aber ich habe es definitiv nicht ernst gemeint. Das habe ich gesagt weil ich wusste das ich dich damit so sehr verletze, das du dich von mir fernhältst.“

Ich nicke langsam. „‘Ich komme heute Abend mit ins Salsa, aber bilde dir ja nichts darauf ein. Wir sind keine Freunde mehr.“

Er muss schlucken. „Okay. Ich hol dich ab.“

„Alles klar.“ Ich werfe mir mein Sporttasche über die Schulter, dränge mich an ihm vorbei und mache mich auf den Weg Richtung Sporthalle. Mit einem Mal tut es mir furchtbar leid das ich so hart zu ihm war. Energisch schüttele ich das Gefühl ab. Er ist selber schuld, er hat mich Monster genannt.

 

In der Umkleidekabine fragt Luna mich: „Hat er mit dir geredet?“

„Steckst du hinter seinem halbeherzigen Entschuldigungsversuch?“, frage ich unwirsch.

Sie seufzt. „Im Entschuldigen war er noch nie gut. Aber es freut mich das ihr miteinander geredet habt.“ Sie lächelt mich an.

„Mhm. Wie hast du ihn dazu gebracht?“ Welche Macht hat Sie verdammt nochmal über ihn??

„Weißt du, es ist schon lange her, seit ihn ein Mädchen das letzte Mal so sehr interessiert hat, das er Sie direkt mit zum Tanzen genommen hat.“ Sie schaut mich mit einem sehr komischen Gesichtsausdruck an. „Und ich habe es im Gefühl das das zwischen euch etwas echtes, etwas großes wird.“

„Hast du es nur im Gefühl oder hattest du eine Vision?“, versuche ich Sie zu provozieren.

„Maxime, wenn das nächste Mal jemand etwas nettes für dich macht, dann nimm es doch bitte einfach an.“ Sie lässt mich stehen und geht zum Rest des Kurses.

Ich seufze und blicke ihr hinterher. Es wird ein hartes Stück Arbeit brauchen um mit ihr klarzukommen.

 

Nach der Schule gehe ich noch spontan in die Stadt. Ich suche das kleine Antiquariat auf, den ich im Internet gefunden habe, und kaufe drei Bücher über die Stadtgeschichte und die Bücher die wir in der Schule lesen müssen.

Als ich eines aufschlage, lese ich in einer ordentlichen Handschrift Freya Remus. Ruckartig schlage ich es wieder zu. Das Buch hat Yardens Zwillingsschwester gehört.

 

Als ich nach Hause komme ist niemand da.

Versuchsweise rufe ich: „Hallo?“, aber als keine Antwort kommt steige ich die Treppe hinauf, schalte Musik an und gehe duschen.

Danach stehe ich vor meinem Kleiderschrank und weiß nicht was ich anziehen soll. Ein Kleid? Jeans und Tshirt‘? Ich habe noch genau 20 Minuten, bis Yarden mich abholt.

Schließlich entscheide ich mich für ein dunkelgrünes, knielanges Kleid mit ausgestelltem Rock.

And I find it kind of funny, find it kind of sad;

The dreams in which I’m dying

Are the best I ever had”, singe ich leise mit. Das Lied hat mich irgendwie in seinen Bann gezogen.

“Ich hoffe du denkt nicht wirklich so und vor allem das du nicht solche Träume hast.“ Yarden lehnt im Türrahmen.

Ich zucke zusammen. „Wer hat dich denn reingelassen?“

„Ich habe mich selber reingelassen. Du hast die Tür nicht richtig zugemacht. Das kann gefährlich sein.“ Er stößt sich ab, schiebt die Hände in die Hosentasche und kommt herein.

Mein Blick fällt auf sein Tattoo. „Dein Tattoo, was bedeutet das eigentlich?“

Er setzt sich auf meinen Schreibtischstuhl und dreht sich zu mir herum. „Das ich sehr tapfer war und keine Angst vor Nadeln habe.“

Ich ziehe die Augenbrauen hoch, drehe mich wieder zum Spiegel und beginne meine Haare zu flechten. Dabei behalt ich ihm im Auge.

Er mustert mich aufmerksam. „Und was bedeutet das Tattoo auf deinem Rücken?“

Ich muss grinsen. „Zeig mir deins, dann zeig ich dir meins.“, erwidere ich neckend.

Yarden überlegt einen Augenblick. „Klingt fair.“ Er räuspert sich. „Also der Wolf an und für sich steht für unsere Familie. Die Zweiteilung für Freya und mich. Sie hat genau das gleiche nur spiegelverkehrt.“

„Das ist ein schönes Symbol.“ Ich lächele ihm im Spiegel zu. Dann greife ich nach dem Reisverschluss, ziehe ihn auf und lasse das Kleid von meinen Schultern gleiten.

Yarden zieht kaum hörbar Luft ein. „Wow.“

Auf meinem Rücken ist der Weltenbaum tätowiert, auf meiner rechten Schulter ein Vollmond und auf der linken eine Sonne.

Er steht auf und tritt hinter mich. Ich hebe den Kopf und betrachte ihn. Er ist völlig fasziniert von meinem Tattoo.

„So besonders ist das Motiv jetzt auch nicht. Der Baum steht für meine Familie und der Mond und die Sonne für meine beide Seiten. Der Mond für den Vampir und die Sonne für den Menschen.“ Ich hebe die rechte Hand um mir den einen Ärmel wieder über die Schultern zu streifen. Dabei lasse ich den Stoff mit der linken los und mein Kleid rutscht noch ein Stück tiefer. Ich werde rot und ziehe das Kleid schnell hoch. Yarden räuspert sich und schließt vorsichtig den Reisverschluss. Seine Fingerkuppen streichen ganz sachte über meine Wirbelsäule.

„Danke.“ Ich hebe den linken Arm um mir eine Strähne, die sich aus meinem Zopf gelöst hat zurückzustecken.

Blitzschnell hält er mein Handgelenk fest. „Und was ist das?“

„Eine Hamsa. Die soll vor dem bösen Blick schützen.“ Seine Finger sind wunderbar warm auf meiner Haut. „Sind deine Reflexe schneller geworden? Ich könnte schwören letzte Woche hast du dich noch nicht so schnell bewegt.“

Er lässt mich los als hätte er sich verbrannt. „Können wir dann los?“

„Klar, ich muss nur noch kurz meine Tanzschuhe einpacken. Und was trinken.“

Yarden nickt und schaut grimmig.

In der Küche halte ich einen Moment inne, bevor ich mich zum Kühlschrank wende. „Ich meinte Blut mit was trinken.“

„Schon klar.“ Er steht mit verschränkten Armen am Küchentisch.

Na das kann ja ein heiterer Abend werden. Ich gieße mir ein Glas ein und stürze es in einen Zug hinunter.

„Schmeckt das denn?“, er klingt wenigstens interessiert und nicht angewidert.

„Ja. Es gibt zwar bestimmt besseres, aber wenn wir ehrlich sind habe ich keine Wahl.“ Ich hebe die Schultern und lasse Sie wieder sinken.

„Stillt es denn deinen Blutdurst?“

„Nein.“ Ich mustere ihn. „Soll ich ehrlich sein?“

„Immer.“

„Ich kann dein Blut deutlich riechen und es riecht unendlich mal besser als das abgepackt Zeug hier.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe. Er mustert mich eindringlich. „interessant.“

 

Yarden hält mir, ganz Gentlemanlike, die Beifahrertür auf.

Auf dem Weg zur Tanzschule reden wir nicht viel. Er dreht irgendwann die Musik auf. Pink Floyd.

„Ernsthaft?“, frage ich lächelnd.

„Ja. Ich kannte die um ehrlich zu sein nicht und dacht ich höre Sie mir mal an. Die sind eigentlich echt gut.“ Er wird rot. „Um ehrlich zu sein habe ich deine Spotify-playlist gesucht und einmal durchgehört.“

„Was ist letztes Wochenende so schlimmes passiert, das du nicht mit mir darüber reden konntest, unsere Freundschaft kündigst aber dann meine Musik hörst?“, frage ich leise.

„Darüber möchte ich nicht sprechen“, erwidert er schroff.

„Okay.“ Wütend blicke ich aus dem Fenster.

 

Yarden

Ich beobachte Maxime aus den Augenwinkeln. Sie wirkt nicht verletzt, sondern eher wütend, sehr wütend.

Die restliche Fahrt geht Gott sei Dank sehr schnell vorbei, ich habe das Gefühl das die Luft im Auto von Minute zu Minute kälter wird, je länger wir uns anschweigen.

Maxime steigt aus und knallt die Tür zu. „Wir treffen uns dann im Tanzsaal.“

Ich nicke stumm. Kurz sieht es so aus, als ob Sie noch etwas sagen will, dann dreht sie sich um und geht. Ich folge ihr langsam.

 

Heute tanzen wir noch besser als letzte Woche. Maxime lässt sich führen, tanzt aber mit so viel Wut, das es für Außenstehende wie Leidenschaft wirkt.

Manuel hört nicht auf uns zu loben. „Sehr gut, Maxime, du hast ja richtig Feuer.“

Sie wirft den Kopf in den Nacken und muss nun doch lachen. „Manchmal schon.“

„Tja, es braucht immer jemanden der es entfacht.“ Manuel zwinkert mir zu.

Maxime lächelt mich vorsichtig an. Es fühlt sich an wie ein großer Fortschritt.

Ich lege ihr den linken Arm auf den Rücken und umfasse ihre rechte Hand mit meiner. Dann ziehe ich Sie sanft noch näher an mich.

Sie lehnt sich leicht zurück. Ihr Bauch streift meinen Beckenknochen. „Das ist viel zu nah für Discofox.“

„Na und? Vielleicht bekomme ich dich sonst nicht gebändigt?“ Ich versuche mich krampfhaft auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf die Stellen, an denen unsere Körper sich berühren.

Kurz starrt Sie mich an, dann muss Sie lachen. „Touchée.“

„Kommst du nachher noch kurz mit zu Mc?“

Die Musik setzt ein und wir machen die ersten Tanzschritt.

Maxime lässt sich Zeit mit der Antwort. „Nur wenn du mir verrätst was passiert ist. Die Wahrheit.“

Meine Hand verkrampft sich um ihre und ich balle eine Faust hinter ihrem Rücken. Dadurch ziehe ich Sie noch näher an mich. Ihr Becken stößt jetzt bei jedem Schritt gegen meinen Oberschenkel und ihr Blick bleibt an meiner Kehle hängen, Sie schluckt trocken.

„Vielleicht ist die Wahrheit aber total verrückt.“, erwidere ich schließlich.

„Yarden, mein Leben ist verrückt, da kommt es auf eine Sache mehr oder weniger auch nicht mehr an.“

„Ich… Okay. Ich sag dir nachher die Wahrheit, aber das ist ein Gespräch das man eher mit einer Flasche Wein auf einem Aussichtspunkt führen sollte.‘“

Maxime muss lächeln. „Gut, dann besorgen wir uns eine Flasche Wein und fahren irgendwohin, wo man eine schöne Aussicht hat.“

Manuel ruft: „Tanzen! Quatschen könnt ihr später auch noch.“

 

„Trinkst du lieber Rose oder Weißwein?“ Maxime streckt mir beide Flaschen entgegen.

„Rose, Weißwein mag ich nur als Schorle“, antworte ich gedankenverloren. Wir stehen im örtlichem Edeka und während Maxime den Wein gesucht hat, habe ich noch Chips besorgt.

Schweigend stellen wir uns an der Kasse an.

„Wo fahren wir hin?“, will Maxime wissen.

„Lass dich überraschen.“ Ich lege die Chips aufs Fließband und Sie den Wein.

„Es ist kalt geworden,“

„Ich hab ein paar Decken im Auto.“

„Du hast das hier geplant?“

„Nein, aber ich habe immer Decken im Auto.“

„Ach so.“ Sie wirft mir einen seltsamen Blick zu, zeigt auf Wunsch des Kassierers, der ungeniert mit ihr flirtet, ihre Ausweis vor und bezahlt den Wein. Ich bezahle die Chips und folge ihr nach draußen.

Wir steigen ein und ich fahre vorsichtig los. Gerade beim Ausparken rechne ich immer mit der Dummheit der anderen.

Als mir die Stille im Auto unangenehm wird, drehe ich die Musik auf. EMINEM schallt aus den Boxen. Maxime grinst, sagt aber nichts.

Wir haben den Aussichtspunkt schneller erreicht als mir lieb ist.

Ich stelle den Motor ab, schalte das Licht aus und steige aus. Maxime steigt auch aus. Ich öffne den Kofferraum und setze mich auf die Kante.

„Yarden, du kannst gar nicht so viel trinken heute, du fährst ja“, gibt Sie zu bedenken.

Wir befinden uns oberhalb der Stadt, auf halben Weg zur Ruine von Burg Waldburg. Maxime starrt hinab auf die unter uns leuchtende Stadt.

„Der Alkohol ist auch für dich, meine Schöne, damit du die ominöse Wahrheit besser verkraftest nach der du dich verzehrst“, gebe ich süffisant zurück. Dann klopfe ich neben mich. „Setz dich.“

„Okay.“

Ich seufze und blicke Sie an.

„Also?“, drängt Sie. „Ich höre?“

„Du weißt ja das es in meiner Familie Gestaltwandler gibt und das eigentlich alle dachten, das Gen hätte mich übersprungen.“ Meine Stimme zittert leicht. Ich bin aufgeregter als bei meinem ersten Schultag. „Freya ist fünf Minuten älter als ich und es dachten immer alle Sie ist der Wolf von uns beiden. Es trifft eigentlich immer die erstgeborenen, auch bei Zwillingen.“

„Ja, und?“ Ihre Stimme klingt angespannt.

„Ich… ich hab mich letztes Wochenende das erste Mal verwandelt. Mein Vater gibt euch dafür die Schuld, weil Vampire und Werwölfe eigentlich Feinde sind.“ Nervös hebe ich den Blick. Ich will sehen wie sie auf mein Geständnis reagiert.

Maxime starrt mich an, öffnet den Mund, schließt ihn wieder, setzt erneut an und schüttelt dann den Kopf. „Was dein Vater sagt ist doch erstmal scheißegal. Wichtiger ist, wie.. wie geht es dir damit? Hat es wehgetan?“

„An die eigentlich Verwandlung kann ich mich kaum erinnern, aber an das Gefühl ein Wolf zu sein. Ich konnte alles riechen – sogar dich - , alles hören, unglaublich weit sehen und ich habe mich das erste Mal seit langem wieder richtig frei gefühlt. Es war unglaublich überwältigend und ich habe keine Ahnung wie ich es steuern kann.“ Ein Lächeln drängt sich auf meine Lippen als ich an das unbändige Gefühl der Freiheit denken muss, das ich in meiner Wolfsgestalt gespürt habe.

„Sorry, aber ich glaube nicht das das an uns liegt, das du dich verwandelt hast.“ Ihre Stimme klingt angespannt.

„Ich auch nicht, mein Vater schon.“ Ich nehme einen Schluck Wein.

„Fühlst du dich anders?“

Ich nicke langsam. „Ich habe das Gefühl das es die ganze Zeit in mir brodelt und ich mich nicht aufregen darf weil ich sonst explodiere. Ich habe Angst das ich mich einfach in der Schule verwandle, aber ich habe auch gemerkt, es braucht sehr starke Gefühle damit es einsetzt.“

Sie nimmt mir die Flasche ab, unsere Finger berühren sich und es fühlt sich kurz so an als würde Sie mir einen Stromschlag verpassen. „Starke Gefühle?“

„Als ich mich Samstagabend das erste Mal verwandelt habe, war ich wütend. Vater hat mir Vorträge darüber gehalten das wir zwar in deiner Schuld stehen, weil du dich im Wald vor mich gestellt hast, ich aber ja vorsichtig sein soll mit dir. Irgendwann war ich so wütend das sich ein Schalter in mir umgelegt hat und das nächste was ich weiß ist, das ich ein Wolf bin.“ Ich lehne mich gegen den Fahrzeugrahmen. Es fällt mir immer leichter ihr von allem zu erzählen. „Montag nach der Schule war ich unglaublich wütend auf mich, weil ich dir nicht einfach gesagt habe was los ist. Da ist es wieder passiert.“

„Yarden, ich weiß nicht was ich sagen soll…“ Maxime setzt die Flasche an und trinkt.

„Sag du mir das ich kein Monster bin.“, flehe ich.

Erst bleibt Sie sehr lang stumm, dann fragt Sie: „Welche Farbe hat dein Fell?“

„Schwarz?.“ Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch.

„Yarden… Du bist genauso ein Monster wie ich ein Monster bin.“ Sie stellt die Flasche neben sich und stützt sich hinten auf. „Wir sind übernatürliche Wesen. Genfehler der Natur. Uns sollte es eigentlich gar nicht geben, aber wir existieren nun mal trotzdem und jetzt müssen wir nun mal das Beste daraus machen.“ Sie lächelt mich zaghaft an. „Wir sind abnormal. Ich muss Blut trinken um nicht zu sterben und du verwandelst dich in ein Tier.

Ich erwidere ihr lächeln. „Es tut mir leid das ich nichts gesagt habe. Ich musste erstmal selbst mit der Situation fertig werden.“

„Tut mir leid das ich mich so zickig benommen habe. Ich hab wirklich gedacht du hasst mich plötzlich und warst nur nett zu mir weil ich dir zugeteilt war.“

„Nein, aber Vater hat mir glaubhaft klar gemacht das ich dich umbringen könnte, wenn du mit meinem Blut in Berührung kommst, und dann war mich dir gegenüber so zu verhalten als würde ich dich nicht mögen, der einfachste Weg mich von dir fernzuhalten.“ Ich verziehe das Gesicht.

„Woher der Sinneswandel?“

„Ich kann doch nicht mein Leben danach ausrichten was vielleicht passieren könnte und außerdem…“

„Außerdem?“

„Mag ich dich. Vielleicht ein bisschen mehr als gut ist, und irgendwie kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen das mein Blut dich töten kann.“ Ich richte meinen Blick auf die Stadt, die uns jetzt zu Füßen liegt. Mein Puls rast. „Das wäre komisch.“

Maxime stellt die Füße auf dem Boden ab und setzt sich dicht neben mich. „Warum komisch?“

„Weil ich seit einer Woche das hier tun will.“ Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, wende mich ihr zu, lege eine Hand an ihre Wange und küsse Sie sanft.

Maxime gibt einen überraschten Laut von sich, erwidert meinen Kuss dann aber. Sie schlingt einen Arm um meine Taille.

Ich schiebe meine Hand in Ihren Nacken und ziehe Sie näher zu mir. Innerlich jubiliere ich vor Freude. Sie erwidert meinen Kuss!

Als ich spüre wie etwas hartes gegen meine Lippen drückt löst Sie sich ruckartig von mir. Maxime schlägt die Augen auf. Sie sind silberblau. Ihre Reißzähne stoßen leicht gegen ihre Unterlippe.

Sie räuspert sich und murmelt: „Gib mir eine Minute.“

Ich nicke und starre Sie fasziniert an. Es dauert einen Moment, aber dann, plötzlich ist von ihren Zähnen nichts mehr zu sehen und ihre Augen sind wieder normal. „Wann passiert das?“

„Wenn ich mich nicht 100% unter Kontrolle habe und abgelenkt bin – normalerweise kann ich es kontrollieren ohne Probleme, aber bei dir ist es irgendwie schwierig.“ Ihre Augen wandern zu meinen Lippen und dann wieder zurück.

Das reicht mir als Einladung. Ich ziehe Sie wieder an mich und presse meine Lippen auf Ihre. Sie öffnet den Mund an meinem und lässt ihre Zunge in meinen Mund wandern. Maxime schmeckt nach Rose. Sie schlingt einen Arm um meine Schultern und schiebt Ihre Hand in meine Haare. Mir läuft ein wohliger Schauer über den Rücken.

Diesmal dauert es deutlich länger, bis wir uns voneinander lösen.

 

 

 

VI.

You make me a,

make me a believer,

believer.“5

 

Maxime

Montagmorgen um sieben springe ich pfeifend die Treppen hinunter. Ich trage mein Lieblingskleid, ein Knie langes schwarzes, bis zur Taille enganliegendes Kleid das am Oberkörper mit Spitze verziert und am Rücken etwas tiefer geschnitten ist. In der Küche bleibe ich wie angewurzelt stehen. Yarden sitzt an unserem Tisch und lacht über einen Witz den Moni gemacht hat. Beide schauen auf und erblicken mich im Türrahmen.

„Yarden bist du irre in ein Haus voller Vampire zu kommen?“, zische ich.

Moni wirft mir einen warnenden Blick zu. Ich ignoriere sie.

Yardens Blick zuckt zwischen ihr und mir hin und her. Ich setze mich ihm gegenüber und gieße mir Kaffee ein.

„Wieso irre?“, fragt er.

Ich hole tief Luft und atme den Geruch seines Blutes ein. „Wenn du wüsstest wie du für uns riechst -"

„Für dich, Maxime.“, unterbricht Moni mich. „Für mich riecht er relativ normal.“

Ich starre sie an. „Wie meinst du das?“

„Für mich riecht er wie ein ganz normaler Mensch.“

„Riechst Du nicht dieses würzige?“

Sie schaut mich überrascht an. „Du kannst Wölfe riechen.“

„Maxime hör auf mich anzuschauen wie ein Stück Torte.“ Yarden wirft mir einen vielsagenden Blick zu.

Abrupt wende ich mich zum Kühlschrank und öffne die Tür. Brunhilde hat mir Vesper für die Schule gemacht. Belegte Brote und kleingeschnittenen Obst. Ich stelle alles auf die Anrichte, nehme ein Glas aus dem Schrank und schenke mir einen großen Schluck Blut ein. Ich stürze das Blut hinab und spüre wie das Verlangen nachlässt. Wenn es wirklich stimmt was Moni da sagt, dann übt Werwolf Blut einen besonderen Reiz auf mich aus. Scheiße.

Ruhig wende ich mich um und sage: „Yarden, wir müssen los.“

Er schaut mich mit undurchdringlicher Miene an. „Ja.“

Ich gehe an ihn vorbei in den Flur und ziehe schon einmal Schuhe an.

Yarden und Moni unterhalten sich leise.

„Dann hast du dich bereits verwandelt?“

„Ja. Wenn ich Wut verspüre. Ich kann es nicht kontrollieren.“

„Mach dir keine Sorgen, das musst du erst lernen.“

„Das sagt sich so einfach. Ich mache mir Sorgen das ich Sie verletze. Ich… mag Maxime.“

Ich ziehe meinen Mantel an und erstarre als ich seine Worte höre. Moni seufzt. „Das mit euch ist…“

„Verrückt? Übertrieben? Viel zu früh?“

„Yarden, lernt euch in Ruhe kennen. Egal was du bist oder was sie ist, Sie ist es wert. Ihr habt die Chance auf ein ganz normales Leben verdient.“

„Sie ist quasi deine Ziehtochter, oder?“

Jetzt höre ich das Lächeln in ihrer Stimme. „Ja. Ich liebe sie wie meine Tochter und ich kenne sie sehr gut.“ Bei ihren Worten muss ich Lächeln. „Und ich weiß das sie Ohren wie ein Luchs hat.“

Ich verdrehe die Augen und betrete die Küche. Yarden lächelt mich an. Ich lächle zurück und packe mein Essen ein. „Kommst du?“

Er nickt. „Moni, es freut mich dich kennengelernt zu haben und es tut mir leid das ich einfach so in eurer Küche stand.“

Moni winkt lachend ab. „Kein Problem. War doch ein sehr interessantes Gespräch. Du kannst jederzeit zu uns kommen und alles fragen was du wissen willst.“

„Danke.“

Yarden folgt mir durch den Flur und betrachtet fasziniert unsere Familienbilder. Brunhilde zwingt einmal im Jahr den ganzen Clan auf ein Bild und überlegt sich immer ein anderes Motto. Dieses Jahr war es Cowboy und Indianer. Er bleibt vor dem aktuellen Bild stehen und deutet darauf: „Du siehst sehr niedlich aus mit Indianerkopfschmuck.“

Ich knuffe ihn in die Seite. „Komm!“

 

Als die schwere Eingangstür hinter uns zuschlägt atme ich tief durch. Wir überqueren den Hof und verlassen unser Grundstück durch das hintere Tor. Heute laufen wir am Waldrand entlang zur Schule. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Nachdem wir einen halben Kilometer stumm nebeneinanderhergelaufen sind, räuspert Yarden sich.

„Mein Blut riecht wirklich so gut für dich?“, will er wissen.

Ich seufze. „Ja", gebe ich zu. „Und so wie es aussieht nur für mich…“

„Hast du schon mal von so etwas gehört?“ sein Oberarm stößt gegen meine Schulter.

„Nein. Aber ich habe mir vorgenommen mehr über die Geschichte von Werwölfen und Vampiren herauszufinden. Vor allem über die gemeinsame.“

„Wenn du magst helfe ich dir gerne.“ Er lächelt mich zögerlich an.

„Ich wollte mir eh noch einen Büchereiausweis machen lassen, das könnte man miteinander verbinden.“

„Dann Morgen nach der Schule?“

„Gerne.“ Ich lächle ihn an. „Mein Vater hat Berlin übrigens genehmigt. Ich darf mit.“

„Cool.“ Er hebt die Hand zum High five. Ich schlage ein. „Maxime weißt du was mich am meisten interessieren würde?“

„Hm?“

„Ob Werwolfblut wirklich tödlich ist für euch.“

„Naja es soll nicht direkt tödlich sein, aber es löst anscheinend Vergiftungserscheinungen aus und an denen stirbt man dann.“ Ich hole tief Luft und bereue es sofort als mir sein Geruch in die Nase steigt.

„Klingt ziemlich unangenehm…“ Er blickt mich nachdenklich an. „Hast du mein Gespräch mit Moni gehört?“

„Ja", gebe ich zu.

„Ich habe am 5. November Geburtstag, einen Tag nachdem wir aus Berlin zurückkommen. Es ist mein erster Geburtstag ohne Freya. Und ich, ich würde dich gerne dabeihaben.“ Er atmet tief durch. „Auch wenn wir uns erst seit zwei Wochen kennen, ich habe das Gefühl als ob es viel länger wäre.“

„Ich komme gerne“, behutsam lächle ich ihn an.

„Ja.“

Wir erreichen das Schulgelände und verabschieden uns. Ich habe Mathe und er Physik.

„Bis zur großen Pause?“, frage ich.

„Ja. Treffen wir uns wieder bei der Bank?“

„Klar."

 

In Mathe bin ich nur Deko. Ich zeichne gedankenverloren Kreise in mein Heft. Yardens Stimme wiederhole sich in meinen Kopf. Weißt du was mich am meisten interessieren würde? Ob Werwolfblut wirklich tödlich ist. Unbewusst drücke ich den Stift so fest auf das Papier das er abbricht. .

„Fräulein Van de Bros, würden sie mir vielleicht noch zehn Minuten ihrer kostbaren Zeit schenken?“

Ich fahre hoch. Frau Maus steht direkt vor mir. Sie unterrichtet neben deutsch auch Mathe. „Ich weiß Mathe ist nicht ihr Lieblingsfach, aber sie brauchen dieses Fach um das Abitur zu bestehen.“

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Ja Frau Maus. Ich habe es verstanden.“

Sie lächelt mich an. „Gut.“

Den Rest der Stunde verbringe ich damit alle Zahlen und Symbole von der Tafel akribisch in mein Heft zu übertragen. Nichts davon ergibt Sinn für mich.

Das pausenklingeln ist wie eine Erlösung für mich. Ich springe auf und packe mein Zeug zusammen. Noch zwei Stunden Philosophie, dann ist endlich große Pause.

Die zwei Stunden gehen schneller rum als ich dachte. Luna versucht mich nieder zu starren, aber seitdem ich die Wahrheit über sie kenne – Ich hoffe für Yarden das er mir die Wahrheit erzählt hat – finde ich sie halb so bedrohlich wie vorher und erwidere ihren Blick ruhig.

Sie gibt irgendwann auf.

 

In der großen Pause treffe ich Yarden wie abgemacht an unserer Bank. Ich lasse mich seufzend neben ihn fallen. „Mathe wird für mich für immer ein Buch mit sieben Siegeln bleiben.“

Er lacht. „Ach komm, so schwer ist das nicht.“

Ich werde ihm einen Blick zu. „Oooh doch. Ich bin zu doof für den Scheiß.“

„Es gibt doch aber bestimmt auch Fächer in denen du gut bist.“

„Gibt es. Geschichte, deutsch, Ethik, Psychologie, Philosophie, ich kann Schreiben.“, zähle ich auf.

„Du bist halt eher die Geisteswissenschaftlerin“, versucht er mich aufzumuntern. „Hat Frau Maus dir einen ihrer Vorträge gehalten?“

„Ja... angeblich würde ich ohne Mathe mein Abitur nicht schaffen.“ Ich verdrehe die Augen. „Totaler Schwachsinn. Ich unterpunkte nur Mathe, das sind dann vier unterpunktete Kurse und damit schaff ich das Abi locker“

Yarden lacht. „Du hast dir also schon einen Schlachtplan zurechtgelegt.

Die Sonne kommt hinter den dicken Wolken hervor. Ich schließe die Augen und genieße die Wärme auf der Haut.

Die Pause ist viel zu schnell vorbei. Ich seufze gequält auf als Yarden mich antippt. „Wir müssen zu Ethik.“

„Ich hab keine Lust…“

„Noch zwei Stunden, dann sind wir frei.“ Er steht auf und streckt mir eine Hand entgegen „Komm schon!“

Ich ergreife seine Hand und lasse mich von ihm auf die Füße ziehen. Dabei streifen meine Finger sein Handgelenk. Mir stockt kurz der Atem als ich seinen Puls fühle. Ich gebe mir die größte Mühe seinen Herzschlag aus meinem Gehör auszublenden, aber das pochen unter meinen Fingern kann ich nicht ignorieren.

Der Hunger schlägt mir wie eine Faust in den Magen.

Ich lasse seine Hand los als hätte ich mich verbrannt. Hastig greife ich nach meiner Tasche und schlage den Weg Richtung Klassenzimmer ein. Yarden folgt mir. „Ist alles in Ordnung? Du hast mich gerade angeschaut als hättest du einen Geist gesehen.“

Ich nicke. „Alles gut.“

Die nächsten anderthalb Stunden bin ich fieberhaft darauf bedacht ihn nicht zu berühren. Ich kann seine Anwesenheit deutlich, sehr deutlich neben mir spüren. Wenn Yarden etwas auffällt behält er es für sich.

 

Am nächsten Tag haben wir keine gemeinsamen Fächer. Wir treffen uns vor dem Hauptgebäude.

„Ist es okay, wenn wir laufen?“, frage ich als wir Richtung Bushaltestelle gehen. „Ich bin gerade irgendwie anfällig für den Geruch von Blut.“

Yarden schaut mich wieder mit undurchdringlicher Miene an. „Kein Problem. Darf ich dich etwas fragen?“

„Ja klar.“

„Wenn ihr euch verliebt, muss das dann ein Vampir sein?“

„Nicht unbedingt, aber die Wahrscheinlichkeit das eine Beziehung mit einem Nicht-Vampir lange hält ist, naja, gering.“

„Gering?“

„Du hast immer ein Geheimnis und du musst dich dauerhaft konzentrieren deinen Blutdurst zu kontrollieren. Und das ist manchmal… schwer.“

„Definiere schwer.“

„Du musst dir Blutdurst vorstellen als hättest du dauerhaft Lust auf Kuchen. Und je nachdem, wo du bist, sitzen jede Menge Kuchen um dich herum. Wir lernen schon zu widerstehen, so ist das nicht, aber hier ist es halt, als würde ich den ganzen Tag in einer Konditorei stehen.“

„Weil mein Blut für dich anders riecht?“

„Dein Blut riecht quasi nach Blueberry cheesecake und dagegen riechen alle andere nach Marmorkuchen.“, gebe ich zu. „Keine Frage, Marmorkuchen ist auch lecker, aber dem Lieblingskuchen zu widerstehen ist schwierig.“

Yarden grinst, aber als er meine Miene sieht unterdrückt er es ganz schnell.

„Vielleicht finden wir ja heraus warum das so ist.“

Ich seufze. „Ich glaube nicht das eine normale Kleinstadtbücherei Bücher über alte Vampirsagen besitzt.“

„Dann machen wir halt mal einen Ausflug nach Tübingen zur Uni Bibliothek, Fachbereich Okkultismus.“

Ich muss lachen. „Bei dir klingt das alles nicht so schlimm. Du gehst so gelassen damit um.“

Yarden zuckt mit den Schultern. „Was soll ich denn sonst machen? Die Situation ist jetzt nun mal so und jetzt machen wir das Beste draus.“

„Schreiend weglaufen wäre die angemessene Reaktion.“

„Maxime, es braucht schon ein bisschen mehr als Vampirzähne um mich schreiend davon laufen zu lassen.“ Er holt tief Luft. „Bei euch ist das wie bei den Hexen. Ihr bekommt von klein auf eingetrichtert ihr seid gefährlich und müsst aufpassen das ihr niemanden verletzt und so weiter und so weiter. Wenn du ein Gestaltwandler bist musst du genauso aufpassen. Es gibt einen Trigger warum und wann man sich verwandelt und manchmal dauert es Jahrzehnte diesen herauszufinden. Bei manchen ist es Wut, es kann aber auch Angst sein oder Freude. Und wenn dann jemand blöd in deiner Nähe steht kannst du diese Person genauso verletzen. Wir sind auch gefährlich, aber uns wird zugetraut das wir uns im Griff haben.“

„Wenn mir nicht zugetraut werden würde das ich mich in Griff habe, dürfte ich nicht auf diese Schule gehen.“ Werfe ich zornig ein.

„Maxime es geht nicht darum was dir zugetraut wird, sondern was Du dir zutraust.“

Ich bleibe stehen und hebe die Arme. „Was soll ich sagen, ich widerstehe seit zwei Wochen Blaubeerkäsekuchen.“

Yarden stellt sich direkt vor mich. „Weil du das willst oder weil du musst?“

„Weil ich nicht sterben will.“ Ich blicke zu ihm hoch. Das Sonnenlicht lässt seine Augen noch grüner wirken. Sein Kiefer ist angespannt und er hat die Lippen aufeinandergepresst. Bei meinen Worten verziehen sie sich zu einem spöttischen grinsen. „Guter Punkt.“ Er legt den Kopf schief und betrachtet mich wieder wie ein Raubtier seine Beute. „Aber weißt du, irgendwie kann ich nicht glauben das mein Blut dich wirklich umbringt. Wie bescheuert wäre es denn von der Natur, das ich, metaphorisch gesagt, rieche wie dein Lieblingskuchen, du aber sterben würdest, wenn du ein Stück probierst?“

„Wieso willst du unbedingt das ich dein Blut trinken?“, weigere ich mich sein Spiel mitzuspielen. „Was springt für dich dabei heraus?“

„Keine Ahnung.“ Er schaut mir fest in die Augen. „Aber du schaust mich seit wir uns kennen mit einem Verlangen an, das ich stillen will. Und irgendetwas in mir sagt das, dass nur mein Blut kann.“

Sein Puls wird schneller.

„Ich habe die Vampirversion der Stadtgeschichte gelesen.“ Ich beiße mir auf die Lippen. Geniale Ablenkung. „Die bringt die Theorie ins Spiel das die Engel die Vampire getötet, und es das Wolfen in die Schuhe geschoben haben, weil sie Angst hatten das sich zwei so mächtige Wesen verbünden. Und laut unserer Version waren die Vampirprinzessin und der Wolf nicht das erste und nicht das einzige Liebespaar aus beiden Völkern.“

„Engel?“

„Ja ich weiß, es klingt verrückt aber kennst du die Theorie das die Urmutter aller Vampire Lilith, die erste Frau Adams, war? Die aus dem Paradies verstoßen wurde, weil sie sich nicht untergeordnet hat?“

Quentin nickt. „Klar. Gott hat sie für ihr Ungehorsam damit bestraft das sie immerwährendes Verlangen nach Blut hat.“

„In vielen Überlieferungen heißen wir auch Lilith's Kinder“, gebe ich zu bedenken. „Angeblich wurde das Bündnis zwischen Werwölfen und Vampiren den Engeln zu mächtig und sie haben eingegriffen.“

„Und den Vampiren irgendwelche Blutopfer zugeschoben und das Gerücht verbreitet Wölfe würden Vampire töten.“

„So könnte es gewesen sein. Aber für so Anschuldigungen braucht es Beweise.“ Ich schaue mich um. „Wo sind wir eigentlich?“

Wir stehen vor einem alten Steintor das komplett von Efeu überwuchert ist.

„Das ist das älteste Stadttor von Waldburg.“ Yarden bleibt neben mir stehen. Er deutet über unsere Köpfe. „Da oben sieht man noch das ursprüngliche Wappen der Stadt.“

Ich trete neben ihn und lege den Kopf in den Nacken. In den Torbogen ist ein Wappen eingeritzt. Ein steigendes Einhorn. Ungläubig ziehe ich meinen Schlüsselbund hervor, an dem mein Siegelring hängt. Ein steigendes Einhorn.

Yarden nickt. „Deine Familie hat die Stadt gegründet, da ist es doch nur logisch, das euer Siegel das Stadtwappen ist.“

Ich nicke stumm. Dann schaue ich mich weiter um. Hinter dem Stadttor geht die alte Stadtmauer weiter. Auch sie ist über und über mit Efeu überwachsen. Es ist wunderschön hier.

Als ich mich wieder zu Yarden wende, steht er direkt vor mir.

Er starrt mich wieder mit seinem Raubtierblick an. Bevor ich reagieren kann legt er mir eine Hand an die Wange und schiebt seine Finger in meinen Nacken.

Dann beugt er sich zu mir herunter und küsst mich. Erst bin ich wie erstarrt, dann reagiert mein Körper wie von selbst.

Ich erwidere seinen Kuss und dränge mich an ihn. Sein anderer Arm legt sich um meine Taille.

Ohne dass ich es will fahren meine Reißzähne aus.

Plötzlich schmecke ich Blut auf meiner Zunge. Süßes köstliches Blut.

Ruckartig löse ich mich von Yarden. Er hält mich fest und schaut mich verwirrt an.

Dann leckt er sich mit der Zunge über die Lippen und erstarrt. „Fuck.“

Ich lecke mir kurzentschlossen das Blut von den Lippen und schlucke.

Nichts passiert.

Gar nichts, außer das mein Blutdurst von einem Moment auf den anderen gestillt ist.

Er fixiert mich mit seinem Blick. Unwillkürlich halte ich den Atem an, dann stelle ich mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn.

Er wirkt genauso überrascht wie ich gerade und ich habe kurz Angst vor meiner eigenen Courage, dann erwidert er meinen Kuss stürmisch und drängt mich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die Mauer stoße. Ich beiße in seine Unterlippe und seiner Kehle entringt sich ein leises stöhnen.

 

Diesmal dauert es länger bis wir uns voneinander lösen.

Yarden öffnet die Augen und lächelt mich an.

Ich lächle zögerlich zurück.

Dann wird er ernst. „Du lebst noch.“

„Naja es waren auch nur zwei drei Tropfen.“

Yarden schaut mich mit wieder mit diesem seltsamen selbstmörderischem Ausdruck in den Augen an, dann schiebt er seinen Ärmel hoch und streckt mir seinen Arm entgegen. „Dann teste aus wie es mit mehr ist.“

Ich schüttle wild den Kopf. „Nein! Auf gar keinen Fall!“

„Wieso nicht?“

„Weil Blut von einem anderen Lebewesen trinken etwas sehr persönliches und privates ist.“

„Maxime wir haben uns gerade geküsst.“

„Du verstehst das nicht.“ Ich hebe hilflos die Arme.

„Dann erklär es mir. Ich finde küssen auch sehr intim.“

Seufzend verdrehe ich die Augen.

„Oder zeig es mir.“ Er hält mir sein Handgelenk direkt unter die Nase. Mir steigt der süße, verlockende Duft seines Blutes in die Nase und von einem Moment auf den anderen ist das Verlangen wieder da. Ein Schalter in mir legt sich um.

Er meint es also ernst. Hoffe ich zumindest für ihn.

Ich streiche mit einem Finger über seine Hauptschlagader. Er bekommt eine Gänsehaut, und seine andere Hand krallt sich in meinen Rücken.

Ich umfasse sein Handgelenk mit Daumen und Zeigefinger, dann blicke ich ihm tief in die Augen und bitte um Erlaubnis, er nickt zustimmend und ich beiße zu.

Yarden zieht scharf Luft ein und verspannt sich kurz. Sein Blut quillt mir in den Mund.

Ich nehme einen tiefen Schluck und schließe genießerisch die Augen.

Aus Yardens Kehle dringt ein tiefer knurrender Laut.

Ich bin mir nicht sicher ob es Schmerz ist oder etwas anderes.

Ich beiße noch einmal fester zu und nehme noch einen Schluck.

Dann lasse ich mit größter Willenskraft sein Handgelenk los und werfe ihm scheu einen Blick zu.

Ich räuspere mich. „Alles okay?“

Yarden betrachtet sein Handgelenk, die Bissspuren verheilen bereits. „Ja.“ Seine Stimme klingt rau. „Ich glaube es wäre besser gewesen, wenn ich auf dich gehört hätte…“

„Wieso?“

„Gut Das du keine Gedanken lesen kannst“, er grinst mich an. In dem Moment spüre ich seine Erektion, die gegen meinen Bauch drückt. Seine Augen sind dunkler als sonst und seine Stimme ist eine Klangfarbe dunkler.

„Also hat es sich gut angefühlt für dich?“ Ich versuche mich nicht auf seine Erektion, sondern auf seine Hand auf meinem Rücken zu konzentrieren. Mein Blutdurst ist komplett gestillt. Verrückt.

Yarden nickt stumm und beißt sich auf die Lippen. „Ja. So etwas hab ich noch nie gespürt. Ich…“ er bricht ab und schlingt beide Arme fest um mich.

 

Yarden

Ich atme tief durch. Ich muss mich unbedingt wieder unter Kontrolle bekommen.

Tja, ich gehöre wohl zu den Menschen die es anturnt wenn Sie gebissen werden.

Maxime schaut mich an als hätte sie Angst vor mir – oder eher vor einer negativen Reaktion meinerseits.

Ich schlinge ihr meinen anderen Arm um die Schultern und drücke sie an mich.

Mein Blick fällt auf das Handgelenk in das sie mich gebissen hat. Es ist nichts mehr zu sehen.

Mein Herz rast in meiner Brust. Ich bin verwirrt, erregt und aufgebracht.

An Maximes zittrigen Atem erkenne ich, das es ihr ähnlich gehen muss.

 

Wir bleiben ein paar Minuten Arm in Arm stehen, dann lösen wir uns voneinander und gehen weiter.

 

 

Maxime

Wir laufen langsam weiter und hängen beide unseren Gedanken nach.

Vor der Bücherei bleibt Yarden stehen. „Ich wollte dich nicht überrumpeln mit dem Kuss. Ich hoffe ich hab nichts falsch gedeutet von dem was Freitag zwischen uns passiert ist, aber Ich… ich mag dich und ich glaube es könnte vielleicht mehr daraus werden.“

Mir wird auf eine sehr positive Weise flau im Magen. „Ich glaube so geht es mir auch und du hast mich nicht überrumpelt.“ Ich lege ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Ich hoffe ich hab dich nicht überrumpelt.“

Er lächelt mich an. „Nein, aber ich bin echt dankbar das du keine Gedanken lesen kannst“ er wird rot.

„Hmmm schade“, ich Strecke ihm die Zunge raus und gehe dann an ihm vorbei.

Während ich mir einen Büchereiausweis ausstellen lasse, geht Yarden schon einmal in die Abteilung mit Stadtgeschichte. Ich muss mich dazu zwingen nicht die ganze Zeit zu grinsen. Er hat mich geküsst.

Gleich darauf schelte ich mich für meine Freude. Ich sollte aufhören immer so viel in etwas hinein zu interpretieren und mir Hoffnungen machen.

 

Als alle Formalitäten erledigt sind bekomme ich einen vorläufigen Ausweis ausgestellt.

Ich gehe Yarden suchen und genieße dabei die Anwesenheit der Bücher um mich. Ich finde ihn auf einer sehr abgelegen stehenden Couch sitzend, einen dicken Wälzer auf den Schoß. Ich bleibe einen Moment halb hinter einem Bücherregal versteckt stehen und betrachte ihn.

Ein warmes Gefühl steigt in mir auf. Als ich zu ihm gehen will erscheint plötzlich Luna und bleibt neben ihm stehen.

Er blickt auf und lächelt Sie an. Sie lächelt zurück und setzt sich neben ihn. Ich ziehe mich weiter hinter das Regal zurück und beobachte die Szene.

Luna flüstert ihm etwas ins Ohr. Er versteift sich. Interessiert spitze ich die Ohren.

„Und?“, fragt Sie. „Hatte ich recht?“

Yarden nickt.

„Dann ist sie wirklich?“

Er wirft ihr einen kurzen Blick zu. „Ja. Maxime ist wirklich ein Vampir.“

Die Wärme in meinem Bauch verwandelt sich in Säure. Er hat gerade ganz unbedacht mein größtes Geheimnis verraten. Wut breitet sich in mir aus.

„Bist du dir sicher?“ Luna wirkt nicht überzeugt.

Yarden nickt wieder. „Sie hat mein Blut getrunken.“

Luna erstarrt. „Was?“

„Und es hat mir gefallen.“

Gefallen?“

„Luna, es hat mich erregt, mich angemacht.“

Ihre Stimme überschlägt sich fast. „Dich angemacht?“

Ich höre ihn tief Luft holen. „Ich habe eine Erektion bekommen als sie mich gebissen hat.“

eine Erektion?“

Jetzt wird er ärgerlich. „Bist du ein Papagei oder was? Wir haben uns geküsst, sie hat mich gebissen und es hat mich geil gemacht.“

Sie schüttelt den Kopf. „Oh Yard…“

Was?“, fragt er scharf.

„Bei allen Mädchen die du dir hättest aussuchen können… Sie?

Er zuckt mit den Schultern und lächelt bitter. „Scheint so. Ich hab das Gefühl als ob uns etwas verbindet.“

Sie lächelt ihn zögerlich an. „Du magst sie wirklich, oder?“

„Ja.“

„Dann bemühe ich mich in Zukunft netter zu ihr zu sein.“ Sie verwuschelt ihm die Haare.

„Das wäre sehr lieb von dir.“ Er schaut sich suchend um.

„Ich muss, bis morgen in der Schule.“

Er nickt und liest weiter.

Ich warte noch einen Moment und trete dann hinter dem Regal hervor. Yarden blickt auf und lächelt. „Hat alles geklappt?“

Ich nicke stumm und setze mich neben ihn. Ich atme tief durch und sage dann tonlos. „Weißt du, ich mag es nicht, wenn man meine Geheimnisse verrät.“

Er schaut mich erschrocken an.

„Noch ein Wort zu irgendjemand darüber was ich bin und ich erzähle das du auf sehr skurrile SM Praktiken stehst.“

„Du hast Luna und mich belauscht.“

„Korrekt.“

Er wird rot und konzentriert sich auf das Buch auf seinem Schoß. „Die Warnung ist Angekommen.“

„Gut. Hast du schon was gefunden?“

Yarden schaut mich prüfend an. „ernsthaft, ich erzähle es niemanden mehr, aber Luna kannst du vertrauen.“

„Ist okay.“ Ich lächle ihn an. „Nur… Leg dich nicht mit mir an. Du ziehst den Kürzeren.“

 

 

 

Yarden

Bei ihren Worten hebe ich den Kopf und drehe mich zu ihr. Es war vielleicht falsch Luna die Wahrheit zu sagen, aber ich bin geschockt über ihre Worte. Maxime blickt mich einen Moment emotionslos an und faucht dann wie eine Wildkatze. Ihre Reißzähne sind vollständig ausgefahren und ihre Augen leuchten Silberblau.

Ich ziehe eine Augenbraue hoch, bemühe mich ruhig zu bleiben. „Sehr beeindruckend.“

Sie legt lauschend den Kopf schief und ich verfluche ihr Gehör. Maxime zählt stumm und nickt dann zufrieden.

Ich beuge mich zu ihr herüber, auch wenn meine Kehle dadurch ihren Zähnen gefährlich nahekommt und flüstere ihr ins Ohr: „Es interessiert mich nicht wie gefährlich du bist.“ Dann küsse ich sie sanft auf die Lippen. Sie starrt mich an.

„Hast du keine Angst vor mir?“

„Nein. Du würdest mir nichts tun.“ Meine Stimme klingt selbstsicherer als ich mich fühle. „Du hast dich unter Kontrolle.“

Zu meiner Überraschung lehnt sie den Kopf an meine Schulter. „Ist schwierig, aber ja.“

Maxime denkt über etwas nach, ich höre es quasi in ihrem Kopf rattern.

„Weist du?“, beginnt Sie, „es ist schon irgendwie seltsam. Ich bin jetzt in den letzten Jahren so oft umgezogen und hab mir schon so oft neue Freunde suchen müssen, aber keiner von denen wusste nach zwei Wochen schon Bescheid über alles.“

Ich wähle meine Worte vorsichtig. „Das könnte vielleicht daran liegen das keiner von deinen bisherigen Freunden zu den Werwölfen gehört und deswegen Verständnis für deine Situation hatte.“

Maxime streckt sich und schüttelt den Kopf. „Nein das ist es gar nicht, in Stuttgart gibt es auch Werwölfe und Vampire und wir sind alle zusammen feiern gegangen…“

„Aber von keiner von denen taucht in eurer Clangeschichte auf?“, mutmaße ich.

„Korrekt. Ich mache mir ein bisschen Sorgen. Was ist, wenn wir auch wieder einen Krieg auslösen?“

„Du meinst wie das Liebespaar in der Geschichte?“

Sie nickt.

Ich hasse mich für meine Worte: „Wir wissen ja gar nicht ob wir ein Liebespaar werden, wir haben uns gerade erst kennengelernt und ich will nichts überstürzen. Ich mag dich, aber alles zu seiner Zeit.“

Einen kurzen Augenblick kann ich Verletztheit in Maximes Blick erkennen. Dann sagt sie: „Du hast recht. Es kann niemand wissen ob das mit uns überhaupt klappt.“ Ihre Augen werden steinhart. „Ein Kuss bedeutet nichts.“

Ich nicke. „Natürlich nicht.“ Es fällt mir nicht leicht Sie so anzulügen. Ihr Kuss hat mir etwas bedeutet. Aber zugeben nach einem Kuss, das für mich Gefühle im Spiel sind? Niemals. Ich kann keine Gefühle mehr zulassen seit Freya verschwunden ist, ich kann nicht zulassen das ich noch einmal so zerstört werde – dachte ich.

Sie beugt sich über das Buch in meinem Schoß. Ihr Kleid verrutscht ein bisschen und mir fällt eine Kette auf. Ein silberner Sichelmond, in dessen inneren ein kleines Pentagramm baumelt. Ohne nachzudenken strecke ich die Hand aus und berühre den Anhänger.

Maxime erstarrt als meine Finger ihre Haut streifen. Ruckartig reißt sie meine Hand fort. „Was soll das?“

„Der Anhänger… Woher hast du den?“

Sie schiebt die Kette zurück unter ihr Kleid. „Den habe ich von meiner Mutter geschenkt bekommen, zusammen mit dem Siegelring. Das waren ihre Schmuckstücke. Wieso?“

Die Stimmung ist gefährlich am Kippen.

Ich denke fieberhaft nach wo ich solch einen Anhänger schon einmal gesehen habe. „Mir kommt das Symbol bekannt vor… Hat deine Mutter Kontakte zu den Wölfen hier gehabt?“

Maxime zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Sie war ja eigentlich nicht hier aus der Gegend, sondern aus der Nähe von Freiburg.“

Mir geht ein Licht auf. „Da hat meine Mutter studiert. Vielleicht haben Sie sich gekannt.“

„Kann sein.“ Sie wirkt plötzlich sehr traurig und sehr allein. Ich kann Ihre Niedergeschlagenheit wie dunkle Schwingungen spüren.

Ohne weiter darüber nachzudenken nehme ich Sie in den Arm. Sie legt den Kopf auf meine Schulter und ich bekomme eine Gänsehaut, als ihr Atem meinen Hals streift.

Ich schlucke trocken. „Kommst du Mittwochabend mit?“ Meine Stimme ist belegt.

„Wohin?“

„Luna, ich und noch ein paar andere aus unserer Klasse gehen abends noch nach Waldburg etwas trinken.“

Sie löst sich von mir. „Und du meinst Luna will mich dabeihaben?“

Ich zucke mit den Schultern. „Erstens: Du hast Ihre Worte gehört. Zweitens: Ich will dich dabeihaben. Was Sie will interessiert mich nicht.“ Ich streiche ihr mit der Hand über die Wange und schiebe dann meine Finger in Ihren Nacken.

Maxime zieht die Augenbrauen hoch. „Du weißt aber nicht wirklich was du willst, oder?“

„Wieso?“

„Naja… Erst erzählst du mir, du willst nichts überstürzen und das dir unser Kuss nichts bedeutet hätte und dann willst du das ich mit zu einem Kneipenabend komme und kommst mir so wieder näher.“ Sie legt ihre Hand auf meine. „Hör auf mit mir zu spielen und sei ehrlich, bevor…“

„Bevor?“, hake ich nach.

„Bevor ich mir Hoffnungen mache, du aber nur einen Weg suchst um für mehr Nervenkitzel in deinem Leben zu sorgen.“.

Autsch. „Wieso sollte ich dich benutzen für… für Nervenkitzel?“, ich erhöhe den Druck auf ihren Nacken und beuge mich vor. „Denkst du wirklich so schlecht von mir?“

Sie errötet leicht und schlägt die Augen nieder.

Ich seufze. Ich bin ja selbst schuld. „Maxime, ernsthaft, ich mag dich. Ich glaube das aus uns mehr werden kann als nur Freunde. Aber, naja, ich will nichts überstürzen. Und ich habe um ehrlich zu sein, Respekt vor deinem Vater.“ Super Ausrede.

Sie hebt den Blick. „Vor meinem Vater?“

„Ja. Mein Vater hat mich vor deinem gewarnt. Wenn es um dich geht ist er wohl… speziell.“

„Er legt schon Wert darauf, das jemand, der sich für mich interessiert den offiziellen Weg geht. Mit Date und zuhause abholen und so. Da ist er tatsächlich altmodisch.“

Ich muss lächeln. „Dann hol ich dich Mittwoch ab.“

Maxime beugt sich noch ein Stück vor. „Aber hiervon muss er ja nichts wissen.“

Ich schließe die Augen als Sie mich küsst.

 

Maxime

Unsere Recherchen in der Bücherei ergeben leider nichts. Wir sitzen bis nachmittags um fünf auf der Couch und durchstöbern die Regale nach Büchern über Stadtgeschichte.

Das einzige was wir finden ist die Geschichte der Stadtgründung aus der Sicht der Bürger, die sich aber nicht wirklich von der Version unterscheidet, die bekannt ist – nur das mit keinem Wort erwähnt wird das es sich bei den Bewohnern der Waldburg um Vampire handelt.

Ein Teil meiner Gedanken beschäftigt sich mit Yardens Worten und ich komme zu dem Entschluss das er mir etwas verheimlicht. Die ganze Story mit dem Gerede vom Respekt vor meinem Vater ist bescheuert. Hier geht es eindeutig um etwas anderes.

Ich beschließe Luna am Mittwoch ein bisschen über ihn auszuquetschen.

 

Er besteht darauf mich nach Hause zu bringen.

Als ich ihm vor dem schweren Eisentor vor unserem Hof verabschieden will, öffnet sich plötzlich die Tür unseres Hauses.

Vater erscheint im Türrahmen. „Maxime, wieso bittest du unseren Gast nicht herein?“

„Yarden wollte gerade gehen.“ Ich lächle Yarden nervös zu.

Sein Blick huscht zwischen mir und meinem Vater hin und her.

„Maxime, hältst du mir deine Freunde vor?“

„Nein.“

„Dann kommt herein.“

Seufzend schiebe ich einen der Torflügel auf und winke Yarden hindurch. „Willkommen in der Höhle des Löwen.“

Im Vorbeigehen drückt er unauffällig meinen Arm.

Vater begrüßt Yarden mit Handschlag und nimmt ihm dann Tasche und Mantel ab. Mit einer ausladenden Geste lädt er uns ein, ihm ins Wohnzimmer zu folgen.

Vater nimmt in dem dunkelgrünen Ohrensessel Platz, Yarden und ich setzen uns ihm gegenüber aufs Sofa.

„Also“, beginnt Vater. „Ihr kennt euch aus der Schule?“

Ich verdrehe die Augen.

„Ich bin bei Maxime in der Klasse“, erwidert Yarden gewissenhaft.

„Dann hast du Sie auch zum Tanzen eingeladen?“, will Vater wissen.

„Ja. Meine Tanzpartnerin ist im Frühjahr weggezogen. Ich habe mich sehr gefreut das Maxime eingewilligt hat mitzukommen.“ Yarden wirft mir einen kurzen Blick zu.

„Also hat Sie sich gut angestellt?“

Ich werde das Gefühl nicht los das Vater die ganze Situation auskostet, weil es ihn amüsiert.

„Maxime tanzt toll. Ich hoffe Sie darf auch weiterhin mit mir ins Training kommen.“

Ich räuspere mich. „Mal so eine Anmerkung, ich bin 18 und darf mir meine Hobbies selbst aussuchen.“

Vater ignoriert meinen Einwand. „Und... Hast du auch romantisches Interesse an meiner Tochter?“

Jetzt muss ich mir das lachen verkneifen. Ich beiße mir fest auf die Lippe um nicht los zu prusten.

Yarden läuft rot an und fragt: „Was?“

„Möchtest du meine Tochter daten?“

Es macht ihm eindeutig Spaß. Vater zwinkert mir zu.

„Ähm… Ja… wieso?“, stammelt Yarden.

„Dann bleib doch zum Abendessen. Moni, meine Schwägerin, hat gekocht. Es gibt Reis und Gemüse.“

„Ich würde Ihr Angebot gerne annehmen, aber ich glaube ich sollte nach Hause. Mein Vater…“

„Ich kann ihn gerne anrufen, wir kennen uns aus der Schulzeit“, bietet mein Vater an. Er steht auf und kommt mit einem Schnurlosen Telefon wieder.

Papa, du bist unglaublich peinlich“, zische ich. „Was soll das?“

Ich bin nur nett zu deinen Freunden.“

„Wie wäre es wenn Yarden Mittwoch bei uns isst? Wir gehen abends noch etwas trinken.“, werfe ich ein und bedeute Yarden aufzustehen. „Das wäre doch die beste Lösung, und Vater, ich bin in 15 Minuten wieder da, ich fahre Yarden jetzt nach Hause. Ihr müsst nicht mit dem Essen auf mich warten.“

Vater gibt sich geschlagen. Schalk blitzt in seinen Augen auf als er sagt: „Dann bis Mittwoch, Yarden. Schön das wir uns kennengelernt haben.“

Damit verschwindet er.

Yarden wirkt ein bisschen verstört. „Also ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit sowas.“

„Tja, willkommen in der Familie.“, antworte ich achselzuckend und schnappe mir den Schlüssel für Vaters Mercedes. „Komm, wir nehmen das bequemere Auto.“

„Du musst mich nicht nach Hause fahren, Maxime.“ Yarden schlüpft in seinen Mantel.

Ich schiebe ihn vor die Tür. „Aber Yarden, es laufen Wölfe draußen rum. Und gefährlicheres. Nicht das dir noch was passiert.“

„Ich glaube das gefährlichste ist mir schon passiert.“ Er folgt mir in Richtung Scheune.

„Und das wäre?“

„Du. Wenn ich so genau drüber nachdenke bist du das gefährlichste was mir hätte passieren können. Du kannst mich töten, aber trotzdem gefällt es mir we- “

„Yarden!“, fahre ich ihn an. „Steig ein bevor du weitersprichst.“

Er reißt die Beifahrertür der C-Klasse meines Vaters auf und lässt sich auf den Sitz fallen. Ich steige ebenfalls ein, schließe die Tür und schalte das Radio ein.

„Was wolltest du sagen?“

„Das es mir gefällt, wenn du mich beißt und mein Blut trinkst.“ Er wird rot. „Wie bescheuert ist das eigentlich? Du kannst mich töten aber ich steh drauf.“

„Ich würde dir bewusst nie etwas tun, Yarden. Das weißt du hoffentlich.“ Ich starte den Motor und steuere das Auto vorsichtig aus der Scheune. Das Hoftor öffnet sich langsam.

„Davon bin ich überzeugt.“ Er lächelt mich warm an und legt mir eine Hand aufs Knie.

 

Auf der Fahrt zu seinem Elternhaus schweigen wir.

Ich biege in die Einfahrt ein und stelle den Motor ab.

„Danke fürs fahren“, sagt er in die Stille hinein.

„Kein Problem“, ich lehne mich im Fahrersitz zurück und schaue ihn an.

„Dann bis morgen?“ Yarden schnallt sich ab, und legt eine Hand auf den Türgriff. „Sieben Uhr? Wie immer?“

Ich nicke. „Ja, bis morgen.“

Er bleibt unschlüssig sitzen, dann wühlt er in seiner Tasche und zieht sein Handy hervor. Er streckt es mir entgegen. „Bekomm ich deine Handy Nummer?“

Ich nehme sein Handy und tippe meine Nummer ein.

„Danke.“

Wir schauen uns einen momentlang stumm an. Dann beugt er sich zu mir herüber und küsst mich.

Ich erwidere seinen Kuss.

Irgendwann löst er sich von mir. „Bis Morgen.“

Ich nicke und lächle ihn an. „bis morgen.“

E steigt aus und schlägt die Türe zu. Ich warte noch bis er im Haus verschwunden ist, dann wende ich den Wagen und fahre nach Hause.

Ich ignoriere Vater, der jetzt natürlich alles von Yarden wissen will, und gehe ins Bett. Als ich mein Handy zum aufladen anschließe, blinkt eine Nachricht auf: „Schlaf gut.“

Wie in Teenager beginne ich blöd zu grinsen. „Du auch.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

VII.

 

You make my heart skip a beat“6

 

Maxime

Mittwoch ist v den ganzen Tag über angespannt.

In Psychologie, unserem letzten Fach für den Tag zappelt er die ganze Zeit herum. Er lässt seinen Kugelschreiber klickern und wippt die ganze Zeit mit seinen Knien auf und ab.

Yarden!“, fahre ich ihn irgendwann an, „Bitte, halt still, ich krieg die Krise.“

Er lächelt mich entschuldigend und ist tatsächlich kurz ruhig.

Wir konzentrieren uns wieder auf den Unterricht und kurz darauf fängt das wippen erneut an.

Ich seufze und lege ihm dann meine linke Hand auf den Oberschenkel.

Er hört augenblicklich auf zu wippen, wendet den Kopf und starrt mich an. Ich rücke meinen Stuhl näher an ihn heran.

Konzentrier dich“, murmle ich.

Er beginnt den Tafelaufschrieb abzuschreiben. Ich warte noch einen Moment ab und lasse meine Hand dann seinen Oberschenkel hinauf wandern.

Augenblicklich erhöht sich sein Puls.

Maxime“, flüstert er warnend.

Ich halte kurz inne, beginne dann aber Muster auf seinem Schenkel zu zeichnen.

Er räuspert sich und lehnt sich zurück, den Blick starr nach vorne gerichtet.

Meine Finger ziehen größere Kreise, wie zufällig lasse ich meine Hand seine Oberschenkelinnenseite streifen.

Er packt meine Hand und schiebt sie weg.

Dann läutet es zu Schulschluss. Wir bleiben sitzen während alle um uns herum ihr Zeug zusammenpacken und das Klassenzimmer verlassen.

Ich werfe ihm einen erwartungsvollen Blick zu und suche meine Stifte zusammen. Dann stehe ich auf und bleibe neben unserem Pult stehen, ein Stück von ihm entfernt.

„ich brauch noch fünf Minuten“ Yarden räuspert sich und blickt mich mit einem sehnsuchtsvollen Ausdruck in den Augen an.

„Musst du dich erst noch sammeln?“, ziehe ich ihn auf. „Bist du heute ein bisschen verstreut?“

Mit drei Schritten durchquert er den Raum. Ich weiche unwillkürlich zurück. Er folgt mir, bis ich mit dem Rücken an die Wand stoße.

Yarden lehnt sich auf seine Unterarme, die er rechts und links von mir gegen die Wand drückt. Ich halte den Atem an.

„Ob ich zerstreut bin?“ er beugt sich vor. „Sag du es mir"

Er küsst mich sanft, löst sich dann von mir und lässt seine Lippen über meinen Kiefer meinen Hals hinunter wandern.

Ich ziehe scharf Luft ein.

Er beißt spielerisch zu. „Was sagst du? bin ich zerstreut?“

Ich kann nicht mehr klar denken. Alle meine Sinne konzentrieren sich auf Yarden und was er mit seinen Lippen und Zähnen macht. Etwas vergleichbares ist mir noch nie passiert.

„Ich… ich glaube... nicht.“, bringe ich schließlich hervor.

Er löst sich von mir und lehnt sich mit seinem ganzen Körper an meinen. Ich genieße die Wärme und seine Nähe... und spüre seinen Ständer gegen meinen Bauch drücken.

„Gar nicht so einfach sich zu konzentrieren, wenn auf diese Art und Weise mit einem gespielt wird, stimmt's?“ seine Lippen streifen beim Sprechen über meine. „Sowas ist richtig fies, habe ich recht?“

Hilflos nicke ich. „Ja.“

„Hältst du dich in Zukunft zurück mit mich im Unterricht befummeln? Heb dir das lieber für die Zeit auf in der wir alleine sind.“, flüstert er. „Dann haben wir beide was davon.“ In seinen Augen blitzt etwas wildes auf.

Dann verliere ich von einem Moment auf den anderen plötzlich die Kontrolle. Ich ziehe Yarden an seinem Kragen zu mir hinab, so dass seine Kehle schutzlos vor mir liegt. Kraftvoll schlage ich meine Zähne in seinen Hals.

Sein Blut sprudelt in meinen Mund. Gierig schlucke ich.

Nach ein paar Sekunden werde ich wieder klar im Kopf.

Scheiße was tu ich hier?

Ich lasse Yarden los, lehne den Kopf an die Wand und schließe die Augen. Er bleibt an mich gelehnt stehen und atmet schwer.

„Autsch", sagt er leise. „Das tat weh, Maxime.“

„Sorry", Presse ich hervor. „Ich… Das wollte ich nicht.“

„Halb so wild“ Seine Stimme ist rau.

„Nein.“ Ich öffne die Augen und schaue ihn an. Zu meiner Verwunderung leuchten seine Augen und er sieht nicht verstört oder so aus. Eher… erregt. Ob es wohl stimmt, was er in der Bibliothek zu Luna gesagt hat?

Ich schüttle den Kopf. „Nein. So etwas darf nicht noch einmal passieren. Ich darf nicht die Kontrolle verlieren.“ Ich atme zitternd seinen Geruch ein. „Yarden das ist falsch. Man trinkt nicht von den Leuten die man mag.“

„Maxime. Ganz ruhig.“ Er legt mir die Hände an die Wange und küsst mich sanft. „Meinst du nicht, das die Person von der getrunken wird auch ein kleines Mitspracherecht hat?“

„Was? Nein! Du verstehst es nicht! Jetzt überleg mal, ich hab mich schon so nicht richtig unter Kontrolle und du hast mich nur geküsst, was ist wenn wir mal im Bett landen? So abwegig ist das ja nicht. Was ist, wenn ich dann die Kontrolle verliere?“

Er grinst. „Dann wird das der geilste Sex den ich je haben werde.“

Ich starre ihn ungläubig an.

Er wird wieder ernst. „Maxime. Ich habe keine Angst vor dir. Mein Gott, dann hast du dich halt einen Moment mal gehen lassen. Davon geht die Welt nicht unter.“

„Wieso hast du keine Angst vor mir? Warum gefällt es dir wenn ich dich beiße?“

„Keine Ahnung. Vielleicht steh ich ja wirklich auf krude SM-Praktiken. Ich… ich hab es im Gefühl das du mir nichts schlimmes tust. Das kann ich nur wiederholen. Auch wenn du mir nicht glaubst.“

Ich lehne den Kopf an die Wand hinter mir. „Und was machen wir jetzt? Lassen wir das zwischen uns jetzt einfach so laufen? Wir schauen mal was passiert, wenn wir uns näherkommen und wenn ich dich ausversehen umbringe ist es halt so?“

„Du bist immer so fatalistisch. Aber ja, wir lassen das jetzt einfach so laufen und schauen was passiert. Und jetzt komm, wir sind bei deinem Vater zum Essen eingeladen, ansonsten lässt er dich heute Abend vielleicht nicht mit.“ Er seufzt. „Maxime, ich weiß ich hab mich komisch verhalten teilweise und das es eigentlich überhetzt ist, aber ich will das mit dir ausprobieren. Ich will wissen ob das zwischen uns mehr wird als nur Freundschaft.“

Ich schlinge die Arme um Yarden und atme seinen Duft tief ein. „Danke das du so ruhig bleibst.“

 

Yarden

Das Essen bei Maximes… Familie ist erstaunlich entspannt. Es gibt zu meiner Belustigung Steak und alle bis auf Maxime essen es blutig.

Sie wirkt das ganze Essen über abwesend. Ich muss an die Szene denken, die uns heute Morgen in der Schule passiert ist. Ohne dass ich es verhindern kann wird mein Puls schneller. Ihr Körper an meinem, Ihre Zähne an meiner Kehle…

Maximes Vater wirft mir einen amüsierten Blick zu. „Nervös?“

„Ja. Darf ich fragen was Sie beruflich machen?“

„Ich bin Lektor bei einem großen Verlag mit Sitz in Frankfurt und Stuttgart.“ Er schenkt sich Wein ein. „Möchtest du auch, Yarden?“

Mir fällt auf, das er die gleiche Flasche in der Hand hält, die auch Maxime letzte Woche Freitag gekauft hat, bevor ich ihr gestanden hatte das ich ein Gestaltwandler bin.

„Danke, aber nein, ich muss noch fahren.“, lehne ich höflich ab. Maxime schneidet präzise ihr Fleisch klein. Sie hat, seit wir mit ihrer Familie am Tisch sitzen, kein Wort mehr gesagt.

„Und wo geht ihr heute Abend hin?“, will ihr Vater wissen.

„Ins Carpe Noctem. Ich war dort früher öfter mit meiner Schwester, aber seit Sie… verschwunden ist, habe ich es um ehrlich zu sein gemieden. Eine Freundin von mir, Luna, hat mich überredet mitzukommen. Und ich dachte es ist vielleicht für Maxime schön noch ein paar Leute kennenzulernen.“ Ich lächle ihr zu. Sie erwidert mein Lächeln zögerlich. Dann schaut Sie auf die Uhr und schiebt ihren Teller weg.

„Wir müssen auch gleich los.“

Brunhilde, die Clanälteste, schüttelt seufzend den Kopf. „Ihr jungen Leute seit immer auf dem Sprung…“

Viktor, quasi der Co-Chef und Monis Mann legt sein Besteck hin und faltet die Hände. „Bis wann seit ihr wieder zurück?“

„Vik, darf ich auch dich daran erinnern, das ich volljährig bin und nach Hause kommen darf wann ich möchte?“, Maxime beginnt die leeren Teller zu stapeln.

„Wenigstens haben wir jetzt alle Maximes Wolf kennengelernt“, wirft Brunhilde ein und ergänzt dann „und Maxi, darf ich dich daran erinnern, wie oft und wie lange du in Stuttgart immer unter der Woche abends weg warst? Und was passiert ist?“

Ich starre Sie verblüfft an. Hier wissen alle das ich ein Wolf bin? Und trotzdem sitzen wir hier am Tisch als wäre nichts?

Maximes Vater nickt. „Um eins bist du spätestens zu Hause, auch wenn wir nachher alle in Stuttgart sind. Das Carpe Noctem gab es schon als ich hier noch zur Schule gegangen bin. Interessant das es sich solange gehalten hat.“

Maxim nickt und bedeutet mir aufzustehen. „Komm, dann gehen wir lieber. Es ist schon kurz nach sieben.“

Ich stehe auf, bedanke mich für das Abendessen und folge dann Maxime in den Flur. Sie hat schon ihre Schuhe angezogen und sucht in einem riesigen Schrank nach einer Jacke. „Brunhilde hat aufgeräumt und jetzt findest du nichts mehr…“

Draußen fragt Sie: „Willst du wirklich fahren‘? Ich trink eh nichts.“

„Passt schon.“ Ich öffne ihr die Beifahrertür. Sie steigt ein. Als ich auch Auto sitze fragt Sie: „War es für dich so schlimm wie für mich? Wir empfangen nicht so oft Gäste…“

„Woher wussten alle was ich bin? Vor allem dein Vater?“ vorsichtig steuere ich aus der engen Ausfahrt hinaus auf die Straße.

„Du heißt Remus mit Nachnamen und Papa kann eins und eins zusammenzählen und Viktor weiß es doch eh.“ Maxime legt den Kopf an die Türe und lächelt mich an. „Ist doch auch mal schön wenn man sich nicht verstellen muss, oder?“

„Es ist ungewohnt“, gebe ich zu.

„Ist es am Anfang immer, aber Sie mögen dich und damit hast du allen Wölfen mit denen ich bis jetzt befreundet war etwas voraus.“

„Wieso hast du eigentlich mit niemanden aus Stuttgart mehr Kontakt?“, will ich wissen. Maxime spricht nicht über Ihre Zeit in der Großstadt

Sie zuckt mit den Schultern. „Gute Frage, es hat sich niemand bei mir gemeldet und ich laufe niemanden hinterher. Wirklich enge Freundschaften waren das auch nie. Wir sind in den letzten Jahren öfter umgezogen und es ist schwierig gute Freunde zu finden.“

„Triff dich doch einfach mal mit Luna nach der Schule“, schlage ich vor, und biege in die Straße Richtung Waldburg ein.

„Ich weiß nicht ob Sie noch mit mir befreundet sein will.“

„Sie ist nicht nachtragend.“

„Vielleicht bei mir schon? Schließlich habe ich meine Gabe bei ihr eingesetzt“, erwidert Sie zaghaft.

„Wenn es um mich geht verzeiht Luna viel. Sie ist Freyas Freundin und quasi in unserem Haus mit aufgewachsen.“ Ich ignoriere den dumpfen Schmerz in mir, der immer aufkommt wenn ich Freyas Namen ausspreche.

Maxim nickt wissend. „Das erklärt auch wieso Sie sich so bemüht hat, das ich mit dir rede – und warum Sie dicht gehalten hat.“

„Sie will nur mein bestes.“ Heute Abend ist nicht mehr viel Verkehr, Maxime starrt in Richtung Ruine.

„Es wird bestimmt ein schöner Abend.“ Aufmunternd lächle ich ihr zu. Sie erwidert es nicht, sondern schaut mich weiterhin besorgt an. „Hey.“ Ich lege ihr meine Hand aufs Knie. „Was ist denn?“

Maxim holt tief Luft: „Was ist wenn mich niemand leiden kann? Ich hab mich nicht unbedingt bemüht mich mit den Leuten in der Klasse anzufreunden.“

Fast muss ich lachen, dann erinnere ich mich mit wem ich im Auto sitze. „Deswegen gehen wir jetzt ja dahin. Sei einfach du selbst.“ Ich nehme meine Hand von ihrem Knie um zu schalten.

„Das war jetzt nicht unbedingt ein guter Ratschlag. Ich selbst sein heißt Blut trinken.“

Jetzt muss ich seufzen. Wir sind fast da. „Sei einfach du selbst und trink ne Sprite.“

„Okay.“ Sie muss lachen. „Das ist mal ein Ratschlag mit dem ich was anfangen kann. Ich bin ich selbst und trinke eine Sprite.“

Ich stimme in Ihr lachen mit ein und parke mit einem Zug neben Lunas Fiat. Das Carpe Noctem liegt etwas außerhalb der Stadt in einem Gewerbegebiet und ist eigentlich nur mit dem Auto gut zu erreichen.

Maxime bleibt stehen und betrachtet die Fassade. Die Bar befindet sich in einem Zollhaus und besitzt eine alte Fachwerkfassade. Die Balken sind tiefschwarz gestrichen und die Zwischenräume dunkelblau. Mit fluoreszierender Farbe hat jemand unendlich viele Sterne in die Zwischenräume gemalt, so das es aussieht als ob man direkt in den Himmel blickt.

„WoW“ entfährt es Maxime. „Da hat sich aber jemand Mühe gegeben.“

„Markus hatte schon immer ein Händchen für Details“ Ich packe Sie an der Hand und führe Sie hinein. Im Inneren der Bar ist es leicht dämmrig . Die Wände sind in verschiedenen Blautönen gestrichen, je weiter man sich hinein bewegt, desto dunkler wird es. Luna und die anderen sitzen an einem Tisch im eher dunkelblauen Bereich. Über ihre Köpfen hängt ein großer, ausladender Kronleuchter, der über und über mit Wachs bedeckt ist.

Ich ziehe Maxime hinter mir her an den großen Runden Holztisch. Es sind noch genau zwei Plätze frei.

Luna springt auf und umarmt uns begeistert: „Maxime! Yarden! Schön euch zu sehen! Setzt euch!“

Wir tuen wie uns geheißen und Luna fährt fort. „Luca, Lene, Merle, Marija, ihr kennt ja Maxime. Ah Kai, du eh. Sie hat sich endlich dazu überreden lassen mal mit den coolen Kids abzuhängen.“ Sie zwinkert Maxime zu, die die Schultern hochzieht.

Luca beobachtet Maxime besonders aufmerksam. Sie lächelt ihm nervös zu. Er grinst schief zurück: „Was willst du trinken, Prinzessin?“

Zu meiner Verwunderung wirft Maxime den Kopf in den Nacken und lacht laut auf: „Den Spitznamen bekomme ich nie wieder los, oder?“

„Nein, damit hast du dich unsterblich gemacht“ Luca zwinkert ihr zu, und bestellt dann bei Marcus, dem Wirt, mit einer Handbewegung eine Runde Tequila, ohne Sie aus den Augen zu lassen. „Und? Hast du dich gut eingelebt?“

„Ja, doch. Man gewöhnt sich langsam aber sicher daran von einer einzigen Straße abhängig zu sein und die Stadt in 10 Minuten komplett zu durchfahren.“, antwortet Sie.

„Was fehlt dir am meisten? Weißt du, ich bin in Karlsruhe aufgewachsen und für mich war es auch mega der Kulturschock, als ich hier aus dem Auto gestiegen bin.“ Luca beugt sich quer über den Tisch zu ihr herüber.

Maxime lehnt sich unwillkürlich zurück. Ich muss mir ein grinsen verkneife.

Als Sie grade antworten will, sagt er schnell: „Oder wir treffen uns mal auf einen Cocktail und du erzählst mir das alles in Ruhe?“ Er legt den Kopf schief. „Wie wäre es mit Freitagabend?“

„Oh da kann ich nicht.“ Maxime hebt bedauernd die Schultern.

„Kein Problem“, Luca beugt sich weiter vor. „Wie wäre es mit Samstag? Oder Sonntag?“ Ich spüre wie ich leicht wütend werde. Maxime muss es auch spüren, Sie legt mir beruhigend eine Hand aufs Knie. Augenblicklich entspanne ich mich.

„Das könnt ihr auch noch wann anders klären“, fährt Luna Luca dazwischen. „Maxime, es gibt eine Karaokeanlage. Sollen wir nachher Dreams noch einmal üben? Mir hat es mega Spaß gemacht, mir dir zu singen.“

Kai nickt zustimmend. „Und Maxime und Yarden müssen unbedingt auch Mad World singen.“

Maxime stupst mich an. „Nur wenn du willst“, flüstert Sie mir ins Ohr.

Ich lächle Sie an. „Gerne doch.“

Marcus kommt mit einem Tablet an unseren Tisch, begrüßt mich per Handschlag und verteilt die Shots. Ich stelle meinen vor Luca. „Ich bin gefahren und habe Maximes Vater versprochen, das ich Sie sicher wieder nach Hause bringe.“

Er hebt die Augenbrauen. „Du kannst das Auto auch stehen lassen und ich laufe mit ihr.“

Unglaublich wie dreist der Kerl ist. Luna schaut mich besorgt an. Maxime räuspert sich. „Luca, danke für das Angebot, aber ich lasse mich lieber von Yarden nach Hause fahren. Ich habe mir in Stuttgart ein paar Freiheiten zu viel rausgenommen und mein Vater ist dadurch ziemlich streng was weggehen unter der Woche betrifft.“

Er setzt sich aufrecht hin, sagt „Auch gut, mehr Schnaps für mich“, und stürzt meinen Tequila hinunter. Dann stößt er mit Maxime an und lächelt sie an: „Auf wann anders?“

„Auf vielleicht.“ Maxime legt den Kopf in den Nacken und stürzt den Tequila hinunter.

Lene, Merle und Marija verschwinden aufs Klo. Luna blickt Ihnen nach und seufzt.

Die drei sind schon seit der Grundschule ein Dreiergespann und lassen niemanden in Ihren Zirkel.

Freya hat nie versucht dazuzugehören, aber seit Sie weg ist hat Luna niemanden mehr.

Marcus kommt noch einmal an unseren Tisch und Maxime bestellt einen süßen Sprudel. Luca lässt es sich nicht nehmen auch das zu kommentieren: „Trinkst du auch keinen Alkohol mehr? Dein Vater muss echt streng sein…“

Maxime reagiert mit einem Schulterzucken. „Ich brauche keinen Alkohol zum Spaß haben.“

Luca grinst. „Ich bin mir sicher das man mit dir sehr viel Spaß haben kann.“

Luna schüttelt angewidert den Kopf. „Luca, du bist so ein sexistisches Ekelpaket.“

Maxime nickt zustimmend. „Ich würde aus meinem vielleicht gerne ein Nein machen.“

Luna hebt die Hand und gibt ihr ein High Five, dann zieht Sie sie mit in Richtung Klo.

Sobald Sie weg sind wendet sich Luca mir zu. „Läuft da was zwischen euch? Die hat ja mal mega abwehrend reagiert.“

Ich hebe vage die Schultern. „Und wenn, würdest du es akzeptieren und aufhören Sie anzubaggern?“

„Du kriegst Sie nie im Leben rum, Luca. Versuch es erst gar nicht“, mischt Kai sich ein, „Du machst dich nur lächerlich mit deiner Baggerei.“

„Pah“, Luca lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. „Solange Yard keine klaren Besitzansprüche an Sie hat, ist Sie Freiwild. Verdammt heißes Freiwild.“

In mir fängt es wieder an zu brodeln. Bemüht darum, äußerlich cool zu wirken erwidere ich: „Versuchs doch wenn du dich unbedingt zum Affen machen willst.“

Lene, Merle und Marija kommen zurück. „Sollen wir rüber zum Karaoke? Wir würden euch mega gerne singen hören, Quentin.“

Ich schnappe mir mein Glas, dankbar für die Unterbrechung. „Klar, aber wollt ihr vielleicht anfangen? Ich kann mich noch an euer geniales Spice Girls Cover erinnern.“

Die drei fangen simultan an zu kichern. Manches muss man nicht verstehen.

Maxime und Luna bleiben, leise in eine Diskussion vertieft, neben unserem Tisch stehen. Sie schauen auf als Luca neben Ihnen stehen bleibt. „Wir gehen singen. Die drei wollen dich und Yard unbedingt singen hören.“ Er lächelt Sie an. „Ich bin ja auch ganz gespannt was du so drauf hast.“

„Ganz bestimmt“, erwidert Maxim kühl. Dann hakt Sie sich bei Luna unter und zieht Sie mit in Richtung hinteren Teil der Bar.

Ich folge dem Rest langsam und beobachte, wie Luna und Maxime sich auf eines der Sofas fallen lassen. Luca versucht sich neben Maxime zu setzen, aber Kai ist schneller.

Luna klopft neben sich und lächelt mich aufmunternd an.

Als Lene, Merle und Marija fertig sind, springen Luna und Maxime auf. Sie tuscheln kurz mit Markus, der Ihnen nickend den Song heraussucht.

Die Musik setzt ein und die beiden beginnen zu singen und sich im Takt zu bewegen.

Luca setzt sich aufrecht hin als er Maximes Stimme hört. Seine Lippen formen ein stummes Wow.

Gegen meinen Willen muss ich grinsen. Es ist nichts so wie es sein sollte, aber ich bin für einen Moment überglücklich. Maxime strahlt mich an und zieht mich auf die leicht erhöhte Bühne. „Bereit?“ Sie drückt mir ein Mikrofon in die Hand und gibt Marcus ein Zeichen.

 

Lene, Merle und Marija jubeln uns zu. „Ihr müsst auf dem Schulball singen! Und dann das Lied! Unglaublich!“

Maxime lacht: „Frau Maus hat uns ja eigentlich keine Wahl gelassen.. Wir treten auf. Aber da spielt dann Luna Schlagzeug und Kai Gitarre.“

„Und was zieht ihr an? Vor allem du?“, will Luca wissen.

„Hmm…“ Maxime tut so als würde sie überlegen. „Kommt auf das Motto an, würd ich sagen.“

„Wir Großstadtkids können ja mal zusammen shoppen gehen.“, schlägt Luca vor, „ich brauche dringend einen neuen Anzug und du kommst raus aus dem Kaff hier.“

„Oh, ich geh schon mit Quentin. Er hat mich letzte Woche gefragt ob ich mit ihm auf den Ball gehe.“ Maxime stellt sich neben mich.

Luca starrt uns einen Moment stumm an, dann erwidert er lahm: „Achso.“

Kai erstickt fast an seinem falschen Husten. Luna knufft ihn in die Seite.

„Na dann, aber die Karten für den Schulball werden noch gar nicht verkauft. Vielleichtänderst du deine Meinung ja noch.“ Luca lächelt Sie an.

„Ich glaube nicht.“ Maxime nimmt mich an der Hand und führt mich zu einem der Sofas.

„Das werden wir sehen“, murmelt Luca.“

Kai stupst Luna an und überredet Sie mit ihm zu performen.

„Meinst du das Arschloch gibt jetzt endlich Ruhe?“, Maximes Atem streicht über meinen Hals.

„Entweder das oder du hast ihn jetzt dazu angestachelt dich mir auszuspannen…“, erwidere ich missmutig und wende ihr den Kopf zu.

Sie küsst mich. „Da hab ich immer noch ein Wort mit zu reden.“

 

Maxime

Das Carpe Noctem gefällt mir unglaublich gut. Markus, der Wirt, ist super lieb, auf die Szenen mit Luca hätte ich aber verzichten können.

Als wir die Kneipe gegen halb zwölf verlassen, habe ich das Gefühl mich ziemlich dämlich verhalten habe. Wir haben uns nicht darüber unterhalten, ob wir das was zwischen uns läuft öffentlich machen, oder für uns behalten. Yarden hat sich zwischenzeitlich wieder beruhigt, worüber ich mehr als froh bin. Seit ich sein Blut getrunken habe, gibt es ein Band zwischen uns. Ich kann seine Empfindungen spüren, seine Wut und was noch viel erschreckender ist: seine Traurigkeit.

Sie umgibt Yarden wie ein bleierner Vorhang, was mich zunächst sehr erschreckt hat. Allerdings habe ich mittlerweile gelernt seine Trauer zu erkennen. Freya muss ihm unglaublich fehlen, auch wenn er es nicht zu gibt und es nicht zeigt.

Yarden legt mir einen Arm um die Schultern. „Alles in Ordnung?“

„Bis darauf das ich dich einfach geküsst habe?“

Er muss lachen. „Ist doch nicht so schlimm. Glaub mir, das hat bis morgen eh wieder jeder vergessen, oder du bist meine Neue.“ Yarden öffnet mir die Beifahrertür. Ich lasse mich auf den Sitz fallen und murmle: „Ich kann mich nicht entscheiden welche Version ich besserfinde.“

 

Kurz darauf hält Yarden vor unserer Einfahrt. Im Wohnzimmer brennt kein Licht. Vater hat mir geschrieben, das heute Nacht niemand zu Hause sein wird. „Erwachsenentagung“ in Stuttgart mit den Oberhäuptern der anderen Clans. Ich bleibe sitzen und betrachte mein Zuhause. „Yarden, vermisst dich heute Nacht jemand zu Hause?“

Er überlegt kurz. „Nein, wieso?“

Langsam wende ich ihm den Kopf zu. „Würdest du heute Nacht bei mir bleiben?“ Ich habe einen Entschluss gefasst.

„Du meinst bei dir übernachten?“, überrascht starrt er mich an. Ich nicke langsam. „Nur wenn du willst.“

„Naja, mein Schulzeug habe ich hier, es spricht nichts dagegen wenn ich da bleibe.“ Er trommelt mit den Fingern auf dem Lenkrad. „Darf ich dich etwas seltsames Fragen?“

„Klar.“ Ich öffne mit der Fernbedienung, die ich in der Handtasche dabei habe das Tor. Yarden steuert hindurch und parkt neben Viks Jeep. Er schaltet den Motor aus und wendet sich mir zu. „Fühlst du auch, das seit du von meinem Blut getrunken hast, eine Art Verbindung zwischen uns herrscht?“

„Yarden, ich kann deine Trauer fühlen und die meisten deiner Empfindungen nachempfinden.“ Unsicher hebe ich die Schultern. „Das ist mir aber heute aber erst so richtig aufgefallen, als du dich mit Luca gezofft hast.“

Seine Gesichtszüge verdunkeln sich. „Du kannst meine Trauer fühlen? Wie meinst du das?“

„Sollen wir rein gehen?“ Ich stoße die Tür auf. „Ich erkläre es dir gerne, aber bevorzugt wenn ich in meinem Bett liege.“

„Ja.“ Er steigt ebenfalls aus und wir laufen gemeinsam auf unser Haus zu. Ich bedeute ihm leise zu sein und schließe die Haustür auf, horche hinein falls doch jemand da ist und winke ihn dann zu mir in den Flur.

Nichts regt sich.

Wir schleichen die Treppe hoch.

Ich durchsuche die Badschränke nach einer frischen Zahnbürste und drücke Sie ihm in die Hand.

Wir putzen schweigend Zähne. Ich wende mich von ihm ab und ziehe mein Nachthemd über. Yardens Puls erhöht sich leicht, ich muss lächeln.

In meinem Zimmer streift er Pullover, Tshirt und Jeans ab und wir stehen uns kurz schüchtern gegenüber.

Yarden räuspert sich und macht eine leichte Kopfbewegung in Richtung Bett. Ich nicke und wir kuscheln uns unter die große Bettdecke.

Es fühlt sich total normal an ihm so nahe zu sein.

Yarden schlingt mir einen Arm um die Taille und fragt dann leise: „Also? Du kannst meine Empfindungen spüren?“

Ich lehne mich an ihn und genieße seine Nähe. „Nur die starken Empfindungen wie Wut oder Trauer.“

„Du bist also quasi ein Wutdetektor.“ Er schaut mich gedankenverloren an. „Wieso überrascht mich das nicht?“

Ich streiche sanft über seinen Rücken. Yarden schließt die Augen, erschauert unter meiner Berührung und bekommt eine Gänsehaut.

Als er mich wieder anschaut ist da etwas dunkles, wildes in seinen Augen.

Er küsst mich. Fordernd. Ich erwidere seinen Kuss genauso stürmisch und er zieht mich auf sich. Sein Ständer drückt gegen mich und seine Hände wandern wie von selbst an meine Hüften um mich festzuhalten. Dann hält er inne und flüstert: „Ich mache nichts was du nicht willst.“

Ich lächle ihn an, beuge mich dann über ihn und lasse eine Spur leichter Bisse seinen Hals hinab wandern. „Ich glaube nicht das du das schaffen würdest.“

 

Yarden

Als Maximes Lippen und Zähne an meiner Halsbeuge ankommen, entringt sich mir ein leises knurren. Verlangen steigt in mir auf. Maxime richtet sich auf und grinst mich an. „Ist das fies?“

„Ja“, erwidere ich, „ist es.“ Dann ziehe ich Sie zu mir hinab und küsse Sie. Maxime beißt mir in die Unterlippe und reines Verlangen durchfährt mich.

Ich greife Sie fester um die Hüften und drehe mich in einer fließenden Bewegung, so dass Sie unter mir liegt. „Du willst mich nicht erleben wenn ich die Kontrolle verliere.“, stoße ich hervor. „Und du bist auf dem direkten Weg mich so weit zu bringen.“

Sie hebt die Augenbrauen und küsst mich. „Doch, ich glaube schon.“ Dann schlägt Sie mir die Zähne in den Hals. Meine Hände krallen sich in ihre Seiten, ich nagle Sie mit der Hüfte fest. Sie öffnet die Augen. Ich greife ihre Hände mit einer Hand und fixiere Sie über ihrem Kopf. Noch habe ich mich unter Kontrolle. Mit der anderen fahre ich nach unten und greife ihr zwischen die Beine, meine Finger wandern in ihr Höschen. Sie zieht scharf Luft ein, und lässt den Kopf nach hinten fallen. Zärtlich mache ich weiter.

„Du willst es nicht erleben, wirklich nicht.“, flüstere ich ihr ins Ohr. Ich bin mir nicht sicher wie wir von kuscheln auf Sex und Kontrolle gekommen sind, aber mir gefällt die Wendung.

Maxime stößt ein unterdrücktes Stöhnen aus, ihr Körper bäumt sich unter meinem auf und Sie bleibt ruhig liegen.

Vorsichtig lasse ich ihre Hände los und streiche ihr ein paar Strähnen aus der Stirn.

„Was hast du schlimmes angestellt?“, will Sie wissen.

Ich setze mich ruckartig auf und lasse Sie los, als hätte ich mich an ihr verbrannt.

Maxime seufzt. „Ich kann spüren das du irgendwas getan hast, was du nicht tun wolltest und das es dir immer noch zu schaffen macht. Was hast du getan?“ Sie mustert mich eindringlich. „Ich verurteile dich nicht.“

„Ich habe meiner Exfreundin bei unserem ersten und einzigen Mal das Handgelenk gebrochen weil ich Sie zu fest gehalten habe. Zu dem Zeitpunkt wusste ich natürlich nicht was ich an Kräften habe und war zur rücksichtlos. Ab… ab einem gewissen Punkt scheint bei mir das Denken auszusetzen und… der Wolf übernimmt.“ Vorsichtig hebe ich den Blick, damit rechnend das sie mich jetzt rauschmeißt und das zwischen uns vorbei ist, bevor es überhaupt beginnen konnte.

„Yarden, Sie war ein Mensch. Ich bin nicht so zerbrechlich. Du kannst mir so leicht nicht wehtun.“ Maxime setzt sich direkt vor mich und nimmt mein Gesicht in ihre Hände. „Bei mir kannst du sein wie du bist.“ Sie schaut mir lange in die Augen. Ich schlinge die Arme um Sie und lehne die Stirn an ihre.

Maxime küsst mich erst sanft, lässt ihre Küsse dann aber immer fordernder werden. Sie lässt sich nach hinten fallen und zieht mich mit sich.

Als ich mich gegen Sie dränge beißt Sie mir fest in die Unterlippe. Ich ziehe scharf Luft ein, rücke ein Stück von ihr ab um ihr die Unterhose auszuziehen. Ich verliere nach und nach die Beherrschung. Ich will das hier, seit Sie mich geküsst hat. Sie kitzelt mich bis ich schließlich wieder ihre Hände packe und festhalte. Ich beiße Sie leicht in den Hals und sie stöhnt leise auf. Dieses stöhnen gibt mir den Rest. Wie ferngesteuert schiebe ich meine Boxershorts ein Stück nach unten, dann bin ich in ihr. Maxime stöhnt noch einmal auf - ich bin nicht sicher ob vor Lust oder vor Schmerz. Ich verharre einen Augenblick, dann beginne ich mich zu bewegen, stoße tief und gleichmäßig zu. Es fühlt sich so unglaublich gut an in ihr zu sein. Maxime versucht ihre Handgelenke zu befreien und ich verstärke meinen Griff. Mit der anderen Hand stütze ich mich neben ihr ab. Kurz bevor ich komme halte ich inne und frage leise: „Na‘? Immer noch so interessiert daran mich kontrolllos zu erleben?“

Statt einer Antwort knurrt Maxime mich leise an, hebt den Kopf an und schlägt mir ihre Zähne in den Hals. Pure unbändige Lust durchfährt mich. Maxime bewegt sich unter mir, und plötzlich bin ich noch tiefer in ihr.

Es kostet mich unglaublich viel Willenskraft dieser Einladung nicht zu folgen und einfach weiter zu machen, sondern Sie auf mich zu ziehen. Ich lasse ihre Hände los und ziehe ihr das Nachthemd über den Kopf. Sie ist wunderschön. Mein Blick wandert über ihre Brüste, unter derer sich ihr Brustkorb schnell hebt und senkt, weiter über ihren flachen Bauch, den sanften Bogen ihrer Taille.

Maxime legt den Kopf schief und fragt: „Und jetzt?“

„Ich bin zwar vielleicht ein bisschen grob, aber noch lange kein Arschloch.“ Ich hebe mein Becken leicht an „Dir soll das hier auch Spaß machen.“

Ein grinsen stiehlt sich auf Ihre Lippen. „Oh du, ich hatte Spaß.“ Sie bewegt sich und ich halte sie an der Hüfte fest. „Von mir aus hättest du auch sehr gerne weiter machen können.“

„Na wenn das so ist…“ Ich schlinge einen Arm um ihre Taille und befördere Sie wieder unter mich.

Maxime streicht mir über den Rücken. „Und jetzt hör auf zu denken und mach weiter.“ Ich beuge mich zu ihr hinab und küsse sie sanft. Sie erwidert meinen Kuss fordernd. Ich beginne mich vorsichtig in ihr zu bewegen. Verdammt ist Sie eng. Als ich einmal heftiger zustoße, beißt Sie mir in die Unterlippe, das gibt mir komplett den Rest und dann gibt es nichts mehr außer Sie und mich, ihr Körper unter meinem, ihre nackte Haut an meiner.

„Du kannst es nicht lassen oder?“, knurre ich leise.

„Hab ich dir wehgetan?“, stößt Sie atemlos hervor.

Ich schüttle den Kopf, lasse ihre Hände los um mich mit einer Hand abzustützen, mit der anderen schiebe ich ihr Bein ein Stück höher. Ich verliere mich in ihr, bekomme kaum mit wie Maxime sich an meinem Hals festsaugt. Ich dringe in einer Bewegung tief in sie ein, bewege mich fordernd, werde schneller und härter.

Es dauert nicht lange und Maxime bäumt sich unter mir auf, zerkratzt mir den Rücken. Ich stoße noch einmal zu, dann komme ich auch.

Um Atem ringend lege ich den Kopf neben ihrem aufs Kissen. Maxime fährt vorsichtig die Striemen auf meinem Rücken nach und legt die Beine locker um meine Hüften.

„Alles gut bei dir?“, frage ich leise.

Sie nickt, ihre Auge leuchten. „War das dein erstes Mal mit einem…“

„Vampir?“, schlage ich vor.

„Ja. Hat es dir gefallen?“

Ich muss schmunzeln. „Es war schön sich mal nicht zurückhalten zu müssen…“

„Und trotzdem hast du dich solange zusammen gerissen bis ich auch gekommen bin‘?“ Ihre Hände wandern in meine Haare.

Vorsichtig lege ich mich neben Sie. Mein Rücken brennt. „Wie gesagt, ich bin vielleicht ein bisschen grob aber noch lange kein Arschloch. Ich möchte das meine Partnerinnen auch Spaß haben und… nicht leer ausgehen.“ Dann steigt ein Gedanke in mir auf. „Maxime, wenn du meine starken Empfindungen spürst, was hast du gerade eben gespürt?“

„Hmm… Verlangen wenn man es so nennen will, Schuld, Zufriedenheit.“ Sie dreht sich zu mir herum und kuschelt sich an mich. „Auch wenn das nicht unbedingt ein Thema ist, das man nach dem ersten Mal anspricht, aber dich trifft nur bedingt Schuld daran, deiner Exfreundin was gebrochen zu haben.“

„Wieso?“ Ich vergrabe das Gesicht in ihren Haaren.

„Naja, wenn man nicht mit seiner Kraft… umzugehen weiß, weil man Sie nicht kennt, wie kann man dann einen Vorwurf bekommen, wenn man sich nur austesten will?“

„Was hast du angestellt?“, rate ich ins Blaue hinein.

„Ich habe fast jemanden getötet.“ Maxime hebt den Kopf und schaut mich an. Ich erwidere ihren Blick ruhig und gelassen. Sie holt tief Luft und fährt fort. „ich hatte ihn beim feiern kennengelernt – früher war ich oft jedes Wochenende unterwegs – und ihn hat nicht gestört was ich bin. Sein Blut hat fast genauso köstlich gerochen wie deins. Dumm… Nein nicht dumm, einfach unerfahren und betrunken wie ich damals war bin ich mit zu ihm. Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon die Grenze von Gut und Böse überschritten was Drogen anging. Es kam eins zum anderen und ich verlor die Kontrolle. Ich habe drei Liter Blut getrunken bis ich wieder soweit bei mir war, das ich verstanden habe was ich tue. Er hat sich körperlich wieder erholt, aber hat jetzt panische Angst vor rothaarigen Frauen… Ich hab in meiner Panik damals Mona angerufen und Sie musste es meinem Vater sagen. Deswegen sieht er es kritisch wenn ich zu oft feiern gehe.“

Ich lasse ihre Worte einen Moment sacken. „Was ist dann hier anders? Ich meine, ich bin ein Werwolf und er lässt dich trotzdem mit mir gehen.“

„Ich glaube er hat begriffen das wir uns… mögen. Wahrscheinlich würde er aber trotzdem vor Wut platzen, wenn er wüsste das ich mit dir geschlafen habe, aber was soll er dagegen tun?“ Sie lächelt mich an.

Ich erwidere ihr lächeln, während ihre Worte sich in meinem Kopf wiederholen. Das ich mit dir geschlafen habe. Unwillkürlich muss ich daran denken, wie es sich angefühlt hat mir ihr zu schlafen, an das unglaublich gute Gefühl wie ihr Körper sich unter meinen bewegt hat.

Maxime setzt sich auf und schwingt die Beine über die Bettkante. „Ich bin gleich wieder da.“ Auf den Weg zur Tür sammelt Sie Nachthemd und Slip auf. Ich strecke mich und setze mich auch auf. Meine Boxershorts ist neben dem Bett gelandet. Ich stehe auf, streife Sie über und versuche dann in Maximes Spiegelschrank meinen Rücken zu begutachten. Sie hat mir ein paar tiefe Striemen verpasst.

„Sieht übel aus, tut mir leid.“ Maxime ist hinter mir stehen geblieben.

„Wenn ich daran denke wieso mein Rücken jetzt aussieht als hätte Wolverine sich ausgetobt, war es mir das definitiv wert.“ Ich lächle ihr Spiegelbild an. Sie erwidert meinen Blick und lächelt. Dann sammelt Sie die Decke wieder auf, die vom Bett gerutscht ist und kuschelt sich ein. „Komm her.“ Einladend lüpft Sie ein Ende an.

Ich schlüpfe zu ihr unter die Decke und sie kuschelt sich wie selbstverständlich an mich.

„Maxime?“ ich fahre ihr zärtlich mit der Hand durch die Haare.

„Hm?“

„Normalerweise ist das erste Mal mit jemand neuem immer seltsam. Mit dir ist das irgendwie anders.“

„Wie meinst du anders?“ sie stützt ihr Kinn auf meiner Brust auf und schaut mich an.

„Vertrauter. Als würdest du meinen Körper und mich schon kennen und andersrum.“ Ich lasse meine Hand von ihren Haaren übe ihren Rücken wandern und zeichne dabei kleine kreise auf den dünnen Stoff ihres Nachthemdes.

Sie erschauert als ich wieder ihren Nacken erreiche. „Du meinst es gab nicht diese seltsame Unsicherheit und Zurückhaltung zwischen uns.?“

„ja. Für das erste Mal war es doch recht… triebgesteuert…“

Maxime lacht. „Triebgesteuert? Weil ich dich dazu gebracht habe die Beherrschung zu verlieren?“

„Wie gesagt, es ist als würde sich ein Schalter umlegen und ich kann nicht mehr klar denken.“, erwidere ich achselzuckend.

„Uetzt sollten wir vielleicht beide mal unser Bewusstsein abstellen und schlafen.“ Maxime streckt sich nach oben und küsst mich.

Ich nicke, schlinge einen Arm fest um ihre Taille und schließe die Augen.

 

Als ich am nächsten Morgen aufwache, weiß ich kurz nicht wo ich bin. Verwirrt starre ich einige Augenblicke an die Dachschräge, dann lasse ich meinen Blick durchs Zimmer gleiten.

Drei Regale voll mit Büchern, ein Plattenspieler an der Wand, ein großer Kleiderschrank, ein Kunstdruck einer Stadt, ein großes Poster, das einen nebelumhangenen Berg zeigt.

Schlagartig fällt mir ein in wessen Bett ich liege. Maxime.

Sie liegt nicht mehr neben mir, aber das Bett ist noch warm. Langsam setze ich mich auf und greife nach meinem Handy. Es liegt an ein Ladekabel angeschlossen neben mir auf dem Bett. Luna hat mir geschrieben. Mit einem leisen seufzen öffne ich die Nachricht: Guten Morgen Yard, ich war gestern Abend noch kurz bei dir und du warst nicht da? Muss ich mir Sorgen machen oder ;) ? Ich schicke ihr eine leere SMS, unser Zeichen dafür, das wir mit jemandem geschlafen haben, zurück und muss grinsen. Irgendwo im Haus klirrt es. Kurz lausche ich, dann schwinge ich die Beine über die Bettkante, suche meine Klamotten zusammen – schlauerweise hatte ich noch, warum auch immer, eine frische Boxershorts und ein frisches Tshirt im Auto – und begebe mich auf die Suche nach der Geräuschquelle. Als ich an einem Spiegel vorbeikomme halte ich kurz inne. Die eine Seite meines Halses ziert ein dunkellila Knutschfleck. Ich muss Maxime unbedingt nach einem Schal fragen, bevor wir uns auf den Weg in die Schule machen.

Das Haus ist riesig. Interessiert schaue ich mich um. Im zweitem Stock gehen mehrere Türen vom Gang ab. Hier wohnt wohl der restliche Clan. Zwischen jeder Tür hängt ein Clanbild an der Wand, chronologisch sortiert und sorgfältig mit dem jeweiligen Jahr beschriftet. Ich werfe kurz einen Blick auf die Bilder aus den 90ern. Ich erkenne Viktor, Maximes Vater und Brunhilde. Mona und eine rothaarige Frau sind erst ab Mitte der 90er mit auf den Bildern. Ab den 2000ern ist Maxime mit auf den Bildern, sie wird abwechselnd von einer rothaarigen Frau, höchstwahrscheinlich ihrer Mutter und ihrem Vater , den ich sofort erkenne, auf dem Arm gehalten. Brunhilde hatte die Idee mit den Mottos 2007. Auf diesem Bild sind alle als… viktorianische Vampir verkleidet, dann folgen HipHopper, Hippies, Elfen, Rocker, auf dem letzten Bild , 2012, fehlt Maxime Mutter. Die restlichen Bilder hängen im Flur.

Ich steige langsam die große Treppe ins Erdgeschoss hinab. Hier ist es deutlich kühler, und mir stellen sich die Armhaare auf.

Maxime sitzt fertig angezogen mit einer großen Tasse, auf der Tochter des Jahres steht, am Küchentisch und liest Zeitung.

Sie blickt auf als ich lautlos die Küche betrete.

„Guten Morgen“, Sie lächelt, steht auf und küsst mich kurz auf den Mund.

„Morgen“, antworte ich.

Ihr Blick fällt auf meinen Hals und Sie beißt sich auf die Lippen… und wird leicht rot.

„Hast du vielleicht einen Schal für mich?“ , ich ziehe die Augenbrauen hoch.

„Klar.“ Sie setzt sich wieder hin.

„Darf ich?“, ich deute auf die Kanne mit Kaffee, die auf der Anrichte steht.

Sie nickt kurz.

Ich schenke mir eine große Tasse, auf der zwei Katzen miteinander spielen ein und setze mich ihr gegenüber. „Ist das jetzt dieser berühmte nächste Morgen, an dem alles seltsam ist?“

„Was? Nein. Ich bin nur keine Morgenmensch.“ Wieder lächelt Sie mich zaghaft an. „Und es tut mir ein bisschen leid das du jetzt einen Knutschfleck hast.“

Schmunzelnd nehme ich einen großen Schluck Kaffee. „Das braucht dir nicht leid tun.“

„Normalerweise habe ich mich besser im Griff“, murmelt Maxime.

Jetzt muss ich lachen. „Was soll ich sagen?“

Sie senkt den Blick auf die Zeitung. Kurz darauf erstarrt Sie. „Frau Maus meint das also echt Ernst.“

„Was?“ interessiert drehe ich die Zeitung zu mir.

Schulball, steht in großen Lettern über der Seite.

Spaß und Tanz, Spendengala, Auftritt der Stars unseres Schulchores: Duett von Maxime van de Bros und Yarden Remus und Maxime und Luna Fraser. Kai an der Gitarre.

„Tja“, ich stütze mich auf meine Ellenbogen und falte die Hände, „dann führt jetzt wohl kein Weg dran vorbei. Wir werden singen.“

Maxime ext mit einem Blick auf die Uhr ihren Kaffee. „Und wir müssen los.“

„Wir laufen nicht. Also haben wir noch 10 Minuten“ werfe ich ein, in der Hoffnung meinen Kaffee in Ruhe trinken zu können.

„Aber sieht das dann nicht extrem danach aus das….“

„Was? Das ich bei dir übernachtet habe?“ Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Ernsthaft?!“

Maxime tritt unruhig von einem Bein aufs andere.

Genervt exe ich meine halbe Tasse. „Schon verstanden. Aber Maxime, das hättest du dir vielleicht überlegen sollen bevor du mit mir im Bett warst.“

IIch hebe die Hände. „oder nein, bevor ich bei dir übernachten soll.“

„Was genau meinst Du?“, fragt sie verwirrt.

„Na ob es dir peinlich ist, wenn dich jemand mit mir aus einem Auto steigen sieht oder nicht“

„Achso, das meine ich nicht. Ich machen mir nur Sorgen um deinen Hals. Und um deinen Ruf.“ Sie stellt unsere Taschen in die Spülmaschine.

In mir brodelt Wut hoch. Reine, wilde Wut. „Was glaubst du denn was ich für einen Ruf habe?“, frage ich in schneidendem Tonfall.

Alarmiert hebt Maxime den Kopf.

„Ich bin der Typ, dessen Zwillingsschwester verschwunden ist und der deswegen eine Woche unter Mordverdacht stand, mit dem depressivem Vater und der Mutter mit der Aggressionsstörung, der seiner Ex das Handgelenk gebrochen hat und mit einer Lesbe befreundet ist. Was glaubst du denn was das für ein Ruf ist? Mich nimmt niemand auch nur ansatzweise ernst wenn ich jemanden gern habe – siehe Luca, und ich muss mich für alles rechtfertigen.“ Meine Wut wächst und wächst.

Maxime kommt mit erhobenen Händen näher. „Yarden, ganz ruhig. Ich habe es nur gut gemeint.“

Alle meinen es immer nur gut!“ ich schreie mittlerweile. „Die Polizei, weil Sie immer in alle Richtungen ermitteln muss, meine Mutter wenn Sie mir die Schuld gibt anstatt sich zu fragen, was sie in ihrer Erziehung verbockt hat. Aber du bist der letzte Mensch, Nein, das letzte Monster, von dem ich gedacht habe, das so etwas kommt.“

Plötzlich dreht sich die Welt und Lichtblitze und Farben beherrschen mein Sichtfeld. Es fühlt sich an als würde ich schrumpfen, gleichzeitig fühle ich wieder diese unglaubliche Macht in mir.

Maxime steht wie erstarrt vor mir. „Was?“, will ich fragen, es kommt aber nur ein leises bellen. Überrascht senke ich den Blick – direkt auf meine Pfoten. Na toll. Maxime kniet sich vor mich, streicht mir über den Kopf und krault mich dann hinter den Ohren. Ich lege den Kopf schief und schmiege mich an ihre Hände.

„Und was machen wir jetzt?“, fragt Sie.

Ich drehe mich um, laufe die paar Meter zu meiner Schultasche und ziehe ein Blatt aus dem vorderem Fach, klemme es zwischen die Zähne und bringe es ihr schwanzwedelnd.

Maxime überfliegt die Anleitung, seufzt und greift dann nach meinem Handy. Sie stutzt kurz – wahrscheinlich hat Luna mir geantwortet - ,muss dann aber grinsen und wählt ein Nummer

„Luna? Hi ich bins Maxime. Du, wir haben ein Problem. – Was, Nein, wir haben nicht vergessen zu verhüten, Vampire und Werwölfe können keine Kinder – egal. Kannst du bitte vorbeikommen und Eisenkraut mitbringen?

Ja für Yarden. Ja. Ja. Nein, ich bin Schuld. Okay bis gleich.“

Ich jaule fragend.

„Luna ist in 5 Minuten da. Wir haben kein Eisenkraut im Haus.“ Sie setzt sich im Schneidersitz auf den Boden.

Ich setze mich ordentlich auf die Hinterbeine und lege meinen Schwanz um mich herum.

„Und weißt du was wir als nächstes machen? Wir probieren Anti-Aggressionstraining und klären was zwischen uns läuft.“

Wir starren uns an. Maxime scheint sich nicht sicher zu sein, wie Sie sich verhalten soll.

Das Klingeln ist für uns beide eine Erlösung. Maxime springt auf, öffnet die Tür und kommt mit Luna wieder zurück.

„Oh, hallo Yarden.“ Luna fährt mir kurz durch mein Brustfell und krault mir dann den Hals. Dann greift Sie in ihre Jackentasche und bringt ein paar Kräuter zum Vorschein.

Ich schlucke diese, das ganze Farben- und Lichtblitzgemisch geht von vorne los, und ich bin wieder ein Mensch.

Luna sammelt meine Klamotten vom Boden auf, Maxime kann ihren Blick nicht von mir wenden und beißt sich auf die Lippen. Luna betrachtet mich ungeniert. „Du hast schon wieder abgenommen. Maxime, du hättest ihn mal letztes Jahr sehen sollen, da hatte er noch nicht so Muskeln.“ Sie kneift mir in den Bauch. „So. Und jetzt erklärt ihr mir bitte wieso sich mein bester Freund einfach so verwandelt und was ihn so wütend gemacht hat.“ Luna verschränkt die Arme vor der Brust und schaut uns an. „und keine Ausreden.“

„Wir haben uns gestritten.“ Ich ziehe mir mein Tshirt über den Kopf und bin froh darüber, dass Sie meinen Rücken nicht gesehen hat.

„Worüber?“

Maxime senkt den Kopf. „Ich bin Schuld. Ich habe meine Bedenken darüber geäußert, ob er wirklich mit mir morgens aus einem Auto steigen und dabei gesehen werden möchte, weil ich mir Sorgen um Yardens Ruf gemacht habe. Ich wusste nicht das…“

„Yardens Ruf eh schon ruiniert ist?“ Luna seufzt. „Ach Maxime…“

Ich mach den Mund auf um etwas zu sagen, Luna hebt die Hand. „Nein, zu dir komme ich noch. Maxime, wenn es dir peinlich ist mit Yarden gesehen zu werden, dann solltest du dir vorher überlegen ob du nach zwei Wochen schon mit jemanden ins Bett steigst oder zumindest mal ein paar offizielle Dates abwartest.“

Maxime wirft wütend den Kopf zurück. „Um mich geht es nicht, es geht um Yarden und seinen Ruf!“

Luna lacht auf: „Von welchem Ruf sprichst du? Yarden hatte noch nie einen guten Ruf. Er wurde schon immer als seltsam und mit seltsamer Familie abgestempelt. Aber es hat sich nie jemand für ihn interessiert bis du auf diese Schule gekommen bist.“

„Luna“, werfe ich ein. „Sei nicht so hart.“

„Es ist doch so! Bis Maxime auf unsere Schule gekommen ist hat sich niemand für dich interessiert. Du hast im Chor gesungen, du hast Fußball gespielt, du bist der mit der seltsamen Familie, die noch die heidnischen Feste feiert, der mit der verschwundenen Schwester. Und seit Maxime da ist bist du der der was mit der Neuen hat.“

„Wer sagt das?“, will Maxime wissen.

„Es wurden Wetten darauf abgeschlossen, wer dich zuerst rum kriegt, Maxime. Yarden oder Luca. Spoiler: Quentin wurden nicht so viele Chancen eingeräumt.“ Luna seufzt und schüttelt den Kopf. „Du siehst, du hättest seinem Ruf nicht mal geschadet. So. und jetzt zu dir Schoßhündchen. Wieso regst du dich denn so auf? Maxime hat sich Sorgen gemacht, du liegst ihr also am Herzen.“

„Ich bin gerade irgendwie immer wütend“, gebe ich zu, „Und ich kann es nicht so gut kontrollieren.“

„Du kannst es gar nicht kontrollieren, wenn du dich 40 Minuten vor Schulbeginn verwandelst, wolltest du sagen.“

Ich nicke kleinlaut. „Du hast Recht.“

Luna nickt. „Gut. Dann haben wir das ja geklärt. Und bevor ich nochmal morgens um sieben angerufen werde, meinem Vater irgendwas von einem Notfall erzählen muss und wegen bescheuerter Diskussionen keinen zweiten Kaffee bekomme, fahren wir jetzt zur Schule und dann klärt ihr bitte wie ihr miteinander umgeht und was ihr an eure Umwelt weiter gebt. Früher oder später wird euch irgendjemand fragen was zwischen euch läuft. Und Maxime, Yarden braucht dringend einen Schal, ansonsten sind die Fragen eh überflüssig.“

Maxime kommt zögerlich auf mich zu: „Sorry. Soweit hab ich um ehrlich zu sein nicht gedacht.“

Ich nicke, trete einen Schritt vor und schlinge die Arme um Sie. „Ich hätte ja auch was sagen können. Und ich wollte dir keinen Schreck einjagen.“

„Hast du nicht. Du bist ein schöner Wolf.“ Maxime blickt schuldbewusst zu mir hoch. Ich beuge mich hinab und küsse Sie.

 

In der Schule schenkt uns niemand Beachtung.

Luna labert ununterbrochen von einem Jugendprojekt, bei dem Sie in den Herbstferien unbedingt mitmachen möchte, weil ihr die Anleiterin gefällt. Maxime schweigt und scheint ganz weit weg in Gedanken zu sein.

Ich weiß nicht was zwischen Luna und meiner Schwester gelaufen ist, aber ich bin mir sicher das sie mehr als Freunde waren. Freya und Luna haben sehr viel Zeit miteinander verbracht. Wieder überrollt mich eine Welle von Trauer. Maxime schaut zu mir herüber und drückt mir kurz die Hand.

Luna hält schlagartig in ihrem Monolog inne. „Was war das?“

„Hm‘?“ Ich schaue Sie verwirrt an.

„Du hast gerade tieftraurig ausgesehen – so wie immer wenn jemand Freya auch nur erwähnt, und Maxime hat dir direkt die Hand gedrückt. Ohne das Sie dich davor auch nur irgendwie länger angeschaut hat, um zu erkennen was du fühlst. Was war das?“

Maxime räuspert sich und beugt sich dann über mich zu Luna herüber. „Ich kann starke Empfindungen von Yarden fühlen. Wenn er trauert kann ich diese Trauer spüren, wenn er glücklich ist fühl ich das auch, wenn er wütend ist spüre ich seine Wut.“

Luna bleibt einen Moment stumm. Dann fragt Sie: „Und wieso?“

Ich beiße mir auf die Lippen und sage nichts.

„Durch eine Verkettung mehr oder weniger unglückliche Ereignisse bin ich in den Genuss von Quentins Blut gekommen.“ Maxime schaut Luna tief in die Augen. Diese atmet tief ein und dann wieder aus. „Okay. Und dadurch teilst du Yardens Empfindungen‘?“

„Ja.“

„Alle?“

„Nur die starken.“ Maxime läuft rot an.

„Also auch solche?“ Lunas Blick wechselt von Maxime zu mir.

Ich nicke.

„War es… gut?“ Lunas Stimme klingt immer noch ungläubig.

Maxime und ich nicken gleichzeitig.

„Fühlt ihr euch jetzt irgendwie anders?“

„Luna, du bist unerträglich neugierig“, erwidere ich, in der Hoffnung damit das Gespräch zu beenden. „Was wir im Bett machen geht dich eigentlich nichts an.“

Maxime nickt zustimmend.

Luna setzt zu einem Schmollmund an, dann schaut Sie quer durchs Klassenzimmer zu jemanden herüber. Luca starrt zu uns herüber, sein Gesichtsausdruck ist konzentriert, so als ob er auf etwas lauscht. Als er bemerkt das wir in alle drei anstarren wird er rot und senkt den Blick schnell.

„Ich hab ja gesagt, es wurde gewettet“, flüstert Luna.

„Und ich finde es immer noch bescheuert“, erwidert Maxime wütend. „Braucht er das wirklich um sein ego zu pushen?“

„Vielleicht brauch ich das auch um mein Ego zu pushen“, sage ich im Scherz und kassiere einen Fußtritt und einen wütenden Blick. Ich starre Maxime böse an, bis Sie lacht. „Dein Ego pushe ich gerne. Seins nicht.“

 

In der Pause kommt Luca zu uns herüber und setzt sich auf unseren Tisch. „Hattet ihr gestern noch einen schönen Abend?“

„Ja, danke der Nachfrage“, antworte ich. Maxime nickt, sagt aber nichts.

Sein Blick wandert zwischen ihr und mir hin und her. „Was habt ihr noch so gemacht?“

Es wurden Wetten abgeschlossen, flüstert Lunas Stimme in meinem Kopf.

„Wir haben den Abend bei Maxime ausklingen lassen.“

„Ohne uns?“, er zieht fragend die Augenbrauen hoch. „Schade.“

„War eine Privatparty“, gibt Maxime zurück.

Luca wirkt kurz verwirrt. Dann räuspert er sich und lächelt Maxime an. „Maxime, darf ich dich auf ein Date einladen? Ich würde dich unglaublich gerne näher kennenlernen.“

„Danke, aber Nein danke. Ich hab eigentlich im Moment keine Lust auf Dates. Ich will mich auf die Schule konzentrieren und aufs tanzen.“ Maximes falsches Lächeln verrutscht um keinen Zentimeter während Sie spricht. Sie hebt fragend die Augenbrauen. „Ich hoffe du verstehst das?“

Luca starrt Sie an und überlegt offensichtlich wie ernst Sie das meint. „Klar, kann ich verstehen“, presst er irgendwann hervor. „Ach Yarden, schöner Schal übrigens.“

Ich fasse mir unbewusst an den Hals. „Dankeschön.“ Aus den Augenwinkeln bemerke ich, das Kai Luna an stupst und flüstert: „Okay, was läuft zwischen den beiden?“ Lunas grinsen ist für ihn wohl Antwort genug. Luca bemerkt es auch. Er dreht sich noch einmal zu unserem Pult um, es wirkt so als würde er etwas sagen wollen, aber Maxime ist in ihr Deutschbuch vertieft und ignoriert ihn.

 

Maxime

Nachmittags haben wir Sport und nach Lucas Auftritt sind wir Stufenthema Nr.1.

Marija spricht mich in der Umkleide direkt auf uns an: „Maxime, was läuft da zwischen Yarden und dir? Was habt ihr gestern noch gemacht?“

Ich ziehe mir meinen Pullover über den Kopf und frage: „Was meinst du mit was haben wir gestern noch gemacht?“

„Luca meinte ihr wärt gestern zusammen zu dir, da müsste dann ja was gelaufen sein, weshalb du nicht mit ihm ausgehen willst.“ Sie hat sich direkt vor mir aufgebaut.

„Vielleicht will ich auch nicht mit Luca ausgehen weil er sexistisch ist? Und mich auf mein Aussehen reduziert?“

„Ach da hast du was falsch verstanden. Er ist eigentlich ganz nett.“

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Und außerdem weiß ich übrigens Bescheid das Wetten abgeschlossen wurden. Darüber wer von beiden mich zuerst ins Bett bekommt, nur so zur Info.“ Ich schaue ihr fest in die Augen. „Und du wirst jetzt augenblicklich aufhören mich wegen Luca zu nerven und damit, mir gegenüber nur positive Sachen übe ihn zu erwähnen. Sei ehrlich.“

„Luca ist ein Arschloch und versucht es bei jeder“, entfährt es Marija, „Eigentlich ist er meistens nur dabei weil er Geld hat.“ Sie schlägt panisch die Hände vor den Mund.

Ich grinse Sie an. „Das hab ich mir schon gedacht.“

Luna bleibt neben uns stehen. „Gibt es ein Problem?“

„Luca glaubt nicht das du wirklich lesbisch bist und würde dich gerne mal vögeln.“ Marija beißt sich auf den Handballen.

Luna legt irritiert den Kopf schief. „Was?“

„Er glaubt, das du einfach nur noch nie richtig guten Heterosex hattest, weil du ja höchstens was mit Yarden gehabt haben kannst, bevor du Yardens Schwester gevögelt hast.“

„Okay, vielleicht lässt du das lieber mit ehrlich sein“, weise ich ihr an. Dann lasse ich Sie stehen und ziehe Luna mit. „Es tut mir leid“, flüstere ich ihr zu. „ich habe meine Gabe verwendet, damit Sie aufhört das Arschloch in den Himmel zu loben.“

Luna holt zittrig Luft. „Du konntest ja nicht wissen was sie so von sich gibt. Ich dachte nur immer von mir und Freya hat niemand gewusst…“

„Und ich kann dafür Sorgen das es alle vergessen“, erwidere ich kampfeslustig. „Wenn du das willst.“

Luna zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht was ich will. Freya ist ja einfach so verschwunden, Sie hat nichts hinterlassen, keinen Abschiedsbrief, es gab keine Vorzeichen das Sie geht, Sie hat nichts erwähnt. Es weiß niemand ob Sie noch am Leben ist, ob Sie entführt wurde“, Sie lacht bitter auf, „ob Sie einfach gegangen ist weil Sie keinen Bock mehr auf den ganzen Scheiß hier hatte, man weiß es nicht.“

Unsicher schaue ich Sie an. Ich muss dringend mehr über Yardens geheimnisvolle Zwillingsschwester herausfinden. „Luna, wir können meine Gabe vielleicht ausnahmsweise mal für etwas Gutes nutzen.“ Ich greife nach ihren Händen. „Ich muss unbedingt wissen, mit wem Freya Kontakt hatte, bevor Sie verschwunden ist.“

„Und was soll das bringen?“, Luna lässt die Schultern hängen.

„Wir können die Wahrheit herausfinden. Wer davon wusste, wer vielleicht etwas zu verbergen hat.“

Sie schaut mich zweifelnd an. „Und du meinst das bringt was?“

Ich ziehe Sie mit mir in die Turnhalle. „Weißt du, ich kannte Freya zwar nicht, aber je mehr ich über Sie höre und über ihr Verschwinden desto seltsamer kommt es mir vor. Kannst du dir vorstellen, das Sie einfach so gegangen ist? Weg von Yarden, weg von dir?“

Luna seufzt. „Nein, eigentlich nicht.“

„Dann probieren wir es. Und bei Marija und Luca fangen wir an.“ Ich reibe mir geschäftig die Hände. „Es wird Zeit das wir den Haufen hier mal ein bisschen aufmischen.“

 

Nach dem Sportunterricht halten wir Marija zurück. Sie starrt mich ängstlich an. „Was soll das?“

Ich fange ihren Blick ein und sage bestimmt: „Erzähl uns alles was du über Freya Remus weißt.“

„Naja, sie ist Yardens Zwillingsschwester. Im Gegensatz zu Yarden hat Sie eigentlich immer relativ viel mit uns allen gemacht, bis ca. ein halbes Jahr vor ihrem Verschwinden. Dann hat Luca seine Masche bei ihr versucht und Sie hat ihm gesagt das Sie lesbisch ist und kein Interesse an ihr hat, das konnte er natürlich nicht auf sich sitzen lassen und dann hat er sie einen Monat lang regelrecht gestalkt. Er wollte unbedingt ein Treffen mit ihr, ein Date um Sie abzufüllen und dann mit ihr zu schlafen. Er kann es nicht ab wenn man ihn abblitzen lässt. Irgendwann hat Sie eingewilligt und die beiden sind zusammen wandern gegangen… Danach war er wie ausgewechselt. Er hat Panik bekommen, wenn Sie auch nur in der Nähe war.“ Marija starrt mich an.

„Weißt du was passiert ist?“

„Nein. Er hat nicht darüber geredet. ER meinte nur, es sei falsch gewesen Freya als Objekt zu sehen. Ich weiß nicht was Sie zu ihm gesagt hat, aber ich bewundere Sie dafür.“

„Was weißt du über ihr Verschwinden, was du nicht der Polizei gesagt hast?“

„Ich habe beobachtet wie Sie an der Brücke in ein Auto mit Stuttgarter Nummernschild gestiegen ist. Es war ein roter Kombi. Meine Mutter hat gesagt ich soll das nicht sagen, damit der Verdacht nicht auf mich fällt. Mit den Remus will meine Familie nichts zu tun haben.“

Luna neben mir hat die Fäuste geballt. Sie nagt an ihrer Unterlippe und versucht ruhig zu bleiben.

„Und seitdem her hast du Sie nicht mehr gesehen?“, will ich wissen.

„Nein.“

„Okay.“ Ich nehme Marijas Gesicht in meine Hände und sage ruhig: „Du vergisst was du uns gerade erzählt hast. Wir haben dich nach deinem Deo gefragt. Du wirst niemanden hiervon erzählen können. Und jetzt verschwindest du.“

Marija schüttelt kurz den Kopf, lächelt dann und ruft fröhlich: „Ich muss dann auch los.“

Ich schaue Luna an. „Alles in Ordnung bei dir?“

Sie nickt langsam: „Ja. Ich hatte damit nur nicht gerechnet.“

„Glaub mir, ich auch nicht. Aber wir haben einen Anhaltspunkt. Wenn Marija an der Brücke war, kann der Rest auch nicht so weit weg gewesen sein.“ Ich bin voller Tatendrang. „Wen fragen wir als nächstes?“

Luna hebt abwehrend die Hände. „Wir fragen niemanden sondern besprechen das erst mal mit Yarden. Wenn er auch möchte, das Freyas Verschwinden aufgeklärt wird, machen wir eine Liste wer etwas damit zu tun haben könnte. Wenn er das nicht willl lassen wir es.“

Ungläubig starre ich Sie an. Sie zuckt mit den Schultern. „Bevor Sie meine Freundin war – ist, ist Sie Yardens Schwester.“

Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum. Auf der einen Seite hat Luna recht. Bevor wir irgendetwas im Alleingang unternehmen, müssen wir das mit Yarden abklären. Wenn er nicht möchte, das wir unsere Klassenkameraden „interviewen“, wäre es sehr hinterlistig es trotzdem zu machen – auf der anderen Seite wird Freya seit einem halben Jahr vermisst und der Polizei haben die Aussagen wichtiger Augenzeugen gefehlt, ansonsten wäre schon lange nach einem roten Kombi mit Stuttgarter Kennzeichen gefahndet worden. Das ist auch etwas, was mich an der ganzen Sache sehr stutzig macht: Was hat ein Kombi mit Stuttgarter Kennzeichen hier zu suchen? „Okay, aber ich rede mit ihm.“

„Aber wenn er zurechnungsfähig ist und nicht wenn er gedanklich komplett woanders ist.“ Sie grinst mich feixend an, aber ihre Augen bleiben traurig.

Ich drücke ihr die Hand.

Plötzlich erscheint Luca in der Tür. Er starrt auf unsere Hände und zieht dann grinsend eine Augenbraue hoch, „Aber Maxime, wenn es so um dein Herz bestellt ist hättest du einfach nur etwas sagen müssen.“

Luna zieht ihre Hand ruckartig aus meiner und wirft mir einen warnenden Blick zu.

„Was willst du? Das hier ist die Damenumkleide.“ Ich weigere mich auf seinen blöden Spruch einzugehen.

„Eigentlich wollte ich nur noch einmal in Ruhe mit dir sprechen. Mir sind da ein paar Gerüchte zu Ohren gekommen, und wenn auch nur 1/3 davon stimmt, ist es eine Pflicht dich zu warnen, mit was für einem Typen du dich einlässt.“ Er lehnt sich an den Türrahmen.

„Danke, aber ich brauche diese Warnung definitiv nicht“, gebe ich zurück. „Ich weiß was ich tue.“

„Auch wenn Yarden wegen Körperverletzung vorbestraft ist und unter Mordverdacht steht?“

„Stand“, korrigiere ich spitz. „Du erzählst mir um ehrlich zu sein nichts neues… Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich komm zu spät zur Chorprobe.“ Ich versuche mich an Luca vorbeizudrücken, aber er hält mich am Arm fest.

„Ehrlich, Yarden ist nicht ganz koscher. Er hatte das letzte halbe Jahr psychische Probleme, seiner letzten Freundin hat er das Handgelenk gebrochen und seine Tanzpartnerin ist nicht ganz so freiwillig weggezogen wie es dargestellt wird.“

Bewusst richte ich meinen Blick auf seine Hand auf meinem Unterarm. Luca lässt mich los und murmelt eine Entschuldigung.

„Und warum erzählst du mir das?“, frage ich.

„Was?“, er wirkt irritiert.

„Welchen Hintergedanken hast du? Warum erzählst du mir, einen Abend machdem ich dich hab abblitzen lassen das der Typ mit dem ich mich treffe ein schlechter Mensch ist und deiner Meinung nach Dreck am Stecken hat. Was soll das?“

Luca lacht nervös auf: „Ich versuche nur einer Freundin zu helfen u-“

„Wir sind keine Freunde.“, antworte ich ruhig.

Er beißt sich auf die Lippen.

„Ich höre?“

Als keine Antwort kommt seufze ich und drücke mich an ihm vorbei. „Tut mir leid, aber ich muss dann auch echt los.“

„Freya ist nie im Leben einfach so verschwunden“, sagt Luca leise.

Ich drehe mich um und frage: „was?“

„Sie ist definitiv nicht einfach gegangen.“ Er schiebt die Hände in die Hosentaschen und zieht die Schultern hoch.

„Und woher willst du das wissen? Soweit ich weiß habt ihr seit einem Jahr ungefähr nichts mehr miteinander zu tun.“

„Ich hab mich ihr gegenüber zwar wie der letzte Dreck verhalten, aber sie hat mir verziehen bevor Sie verschwunden ist. Ich weiß das Sie jemand Neues hatte und mit dieser Person überglücklich war.“ Sein Blick huscht zu Luna, die uns lauscht. „Wir haben uns alle zwei Wochen getroffen – heimlich – und haben einfach nur geredet. Ich weiß nicht ob Yarden davon wusste, aber er wusste auf alle Fälle das Sie sich alle zwei Wochen mit jemanden getroffen hat. Sie hat mir erzählt wie glücklich Sie ist.“

„Was weißt du über den Abend als Sie verschwunden ist? Über den roten Kombi auf der Brücke?“ Ich starre ihm prüfend ins Gesicht.

„Roter Kombi? Er wirkt ehrlich verwirrt. „Ich weiß von keinem Kombi.“

„Wo warst du als Sie verschwunden ist?“

„Mit Marija im Carpe Noctem“, antwortet er sofort.

Ich werfe Luna einen Blick zu. Sie zieht die Augenbrauen hoch.

„Luca, ich muss jetzt echt los. Danke für deine Warnung.“ Ich ziehe Luna am Arm hinter mir her Richtung Probenraum.

Yarden ist schon da. Er erstarrt als er meinen Gesichtsausdruck sieht.

„Wir müssen mit dir reden“, ich bleibe dicht vor ihm stehen, werde jetzt doch nervös. Sein Blick gleitet von mir zu Luna.

„Worüber?“

„Maxime hat Marija über Freyas Verschwinden ausgequetscht und ihre… Gabe angewendet. Und tatsächlich etwas herausgefunden. Freya ist in einen roten Kombi gestiegen.“ Luna lässt sich auf den Klavierhocker fallen.

Ich schlinge die Arme um Yarden, als ihn die Bedeutung meiner Worte trifft. „Sollen wir uns weiter umhören und mehr herausfinden, oder soll ich es lassen?“, frage ich leise.

Er lässt sich in meine Umarmung fallen. „Maxime, darüber muss ich erst nachdenken, so eine Entscheidung kann ich nicht einfach so fällen.“

Ich nicke. „Das kann ich verstehen. Aber glaub mir, ich will dir nur helfen.“

Yarden beugt sich zu mir und küsst mich sanft auf die Lippen. „Das weiß ich doch. Wie wäre es wenn wir nach unserer Chorprobe noch eine heiße Schokolade trinken gehen und ihr mir ganz in Ruhe und ausführlich erzählt was passiert ist?“

„Das ist eine gute Idee“, antwortet Luna, „das sollten wir machen.“

Ich nicke: „Wartest du dann auf uns?“

 

Yarden

Die Probe über kann ich mich nicht gut konzentrieren. In meinem Kopf rasen die Gedanken. Marija hat also etwas gesehen, es aber nicht gesagt. Luna und Maxime haben es herausgefunden durch Maximes Gabe.

Schön und gut, aber will ich wirklich wissen, wieso Freya abgehauen ist? Ich bin mittlerweile so weit, das mir sicher bin, das Sie entweder entführt wurde – aber dann hätte man etwas von den potenziellen Entführern gehört – oder ganz einfach, und viel schmerzhafter um es sich einzugestehen, weggelaufen ist. Wieso Sie aber freiwillig unsere Eltern, Luna und vor allem mich hätte verlassen sollen, ist mir schleierhaft.

Energisch schiebe ich alle negativen Gedanken beiseite und konzentriere mich auf unseren Gesangsunterricht – und auf Maxime.

Sie singt und gibt dem Text mit ihrer wunderbaren Stimme eine ganz eigene Bedeutung. Ich drehe mich ein bisschen, so das ich Sie anschauen kann. Maxime hat die Hände um das Mikrofon gelegt, das Frau Maus ihr in die Hand gedrückt hat und schaut Sie auch beim Singen an.

Frau Maus scheint happy zu sein, das Sie neue Duettpartner gefunden hat. Sie strahlt uns beide an, als seien wir Nachwuchstalente und Sie will uns an einer Gesangsshow teilnehmen lassen.

Maxime lächelt mich an. Ich erwidere ihr lächeln und für einen Moment fühlt es sich an als wären wir ganz alleine im Raum.

„So gefallt ihr mir viel besser als letzte Woche. Habt ihr euer Problem klären können?“

„Ja, konnten wir“, antwortet Maxime für uns beide. Sie zwinkert mir zu.

„Sehr gut. Also der Schulball ist Samstag nächste Woche. Ab Montag kann man Karten kaufen. Fühlt ihr euch sicher mit „Mad World“ als Duett?“

Wir nicken gleichzeitig.

Frau Maus strahlt uns an. „Das freut mich. Dann sehen wir uns nächste Woche Mittwoch. Und Maxime, lern mit Luna noch euren Text für „Dreams.“

Maxime nickt. „Das machen wir. Auf Wiedersehen Frau Maus.“ Sie greift nach meiner Hand und verschränkt ihre Finger mit meinen.

Ohne das ich es will schleicht sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht. Für einen Moment kann ich Freude und Glück zu lassen, dann fällt mir wieder ein warum wir uns jetzt mit Luna treffen. Mein Grinsen verrutscht ein bisschen. Ich glaube ich werde nie Frieden finden, bevor nicht klar ist was mit Freya passiert ist.

 

 

Impressum

Texte: Nina Peco
Cover: Nina Peco
Lektorat: Nina Peco
Tag der Veröffentlichung: 09.12.2018

Alle Rechte vorbehalten

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