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Prolog

 Das erste was ich mitbekomme, als ich am nächsten Morgen aus einem skurillen Traum erwache, ist die weiche Decke. 

"Mmmh" murmel ich genießerisch und ziehe sie näher an mich heran. Als nächstes nehme ich den Geruch von bratendem Speck mit Ei wahr. "Ob Mama mir heute extra ein Frühstück zubereitet?". Für einen kurzen Moment schwebe ich in der Hoffnung, dass das wirklich mein Essen ist. Dabei wandern meine Gedanken jedoch weiter zu meinem merkwürdigem Traum. Zunächst war da so ein Student gewesen - Alec oder Alex - er hatte mit mir getanzt, einiges gebechert und wollte dann das ich mit zu ihm komme. So richtig wollte ich ja nicht aber mein Körper hat einfach total verrückt gespielt. Mit einmal bekomme ich Gänsehaut.

"Vedammt das war kein Traum".

Panisch öffne ich die Augen und stöhne laut auf.

Nicht mein Zimmer, nicht mein Bett und an meinem Körper ganz gewiss nicht mein T-shirt!

Drei Wochen zuvor...

"Mama warum hast du eine grüne und eine rosa Socke zusammengelegt?" panisch betrachte ich das Knäul in meiner Hand. Nicht nur, dass ich eigentlich seit fünf Minuten außer Haus sein sollte, auch in puncto Anziehsachen hinke ich ziemlich hinterher.

"Schatz, das war ich nicht, dass waren Lucillia und Jan". Ich merke wie sich mein Pulsschlag verschnellert.

"Toll, schön. Die schaffen es doch nicht einmal einen Pinguin vom Elefanten zu unterscheiden, geschweige denn eine rosa Socke von einer grünen!". Wütend schlüpfe ich mit bunten Strümpfen in meine kalten Schuhe und schnappe mir meinen Rucksack. 

"Schatz, das nächste Mal kannst  ja auch du die Socken zusammenlegen" kommt es aus der Küche. Ich stöhne verzweifelt, starre auf meine Uhr und entscheide mich die Diskussion, ob und wie viel ich im Haushalt mache, zu verschieben.

"Tschüss".

Mit einem weiteren Blick auf mein Handydisplay wird mir bewusst, dass ich den Bus verpassen werde. Also heißt es für mich rennen oder der Biologielehrerin erklären, weshalb ich das dritte Mal in einer Woche zu spät bin. Völlig verschwitzt erreiche ich den Bus, nur um dann die restliche Fahrt stehen zu dürfen. Auch das Liebesgewisper des Paares vor mir macht die ganze Situation nicht besser. Bevor ich meine Idee, dem Pärchen zu erklären, dass das was sie da dreiben schon an öffentlicher Pornographie grenzt, umsetzen kann, hält der Bus mit einem Zischen vor meiner Schule.

"Schöne Socken Cassie" ruft es, kaum das ich aus dem Bus gestiegen bin.

"Hi Lissie, ich freue mich auch dich zu sehen" begrüße ich meine Freundin. Sie ist äußerlich gesehen das komplette Gegenteil von mir. Während sich mein rotes Haar wie verrückt lockt, ist ihres blond und glatt. Außerdem hat sie lange, wunderschöne Modelbeine und ich, nun, ich freue mich wenn mich die Fünftklässer nicht überrennen.

"All morgendlicher Stress?". Verschwörerisch zwinkert sie mir zu.

"Wenn du wüsstest... Wie lang muss man nochmal für Geschwistermord ins Gefängnis?".

"Zu lange" erwidert sie grinsend.

"Wie läuft es eigentlich mit James?" ändere ich das Thema.

Sofort beginnt ihre Gesicht zu strahlen, was ich nicht ganz ohne Neid bemerke. Vor zwei Monaten haben sich die beiden kennen- und lieben gelernt. 

"Es ist einfach wundervoll mit ihm. Nie hätte ich gedacht, dass ich irgendwann zu diesen liebeskranken Menschen dazugehören würde, die es nicht einmal einen Tag ohne ihren Partner aushalten".

Aber ich. Lissie war schon immer der Blickfänger und hatte immer eine handvoll Verehrer um sich. Ich hingegen bin der "beste Freund" aller der Jungs, die ich wirklich mögen könnte.

Kaum betreten wir das Schulgebäude, schlägt uns der Lärm der aufgeregten Schüler entgegen. Ich suche mit meinen Augen die Menge ab und entdecke unsere Gruppe. Mit einem Zupfen an Lissies Jacke weise ich sie auf diese hin. 

"Hey Cas" sofort geht mir ein Schauder über den Rücken. Als ich mich umdrehe, kann ich nicht verhindern, dass ich zu lächeln beginne.

"Hi Eddie". Ich schaue in seine strahlenden, blauen Augen und glaube umzufallen, wäre da nicht das Problem, dass er schon ewig mit mir befreundet ist. Sanft nimmt er mich in den Arm.

"Bist du eine neue Modeschöpferin?".

Verwundert blinzle ich ihn an. Er beginnt zu Grinsen und starrt auf das nackte Stück Haut und die deutlich sichtbaren nicht zusammen passenden Farben, die aus meinen Schuhen ragen.

"Ähm, so ähnlich. Wohl eher das Opfer meiner kleinen Geschwister". Ich zwinker ihm zu.

Er knufft mich in die Seite und wendet sich dann dem Gruppengeschehen zu. Mit einem Blick versichere ich mich, wo mein Kurs stattfindet und verabschiede mich dann von den anderen. Noch immer kann ich es kaum fassen, dass ich in wenigen Monaten schon Abitur gemacht haben werde und dann auf der Suche nach einem Studienplatz bin.

Als ich das Biologiezimmer betrete, fällt mir sofort die veränderte Atmosphäre auf. Normalerweise sitzen wir in kleinen Grüppchen zusammen, quatschen über den Vortag oder aber lernen für den Fall einer Abfrage. Heute jedoch haben sich alle um einen Platz versammelt. Neugierig geworden, drängle ich mich dazwischen und entdecke die Ursache für diesen Aufruhr. Ein neuer Schüler - und das mitten im Abiturjahr. Das erste was mir bei ihm auffällt sind die grünen Augen. Mein Blick wandert weiter zu dem Grübchen in seiner Wange, zu den trainierten Oberarmen und den ziemlich gut aussehnden Rest des Körpers. Plötzlich wird mir klar, dass ich ihn unverschämt anstarre. Als ich mich jedoch umsehe, bemerke ich, dass ich nicht das einzige weibliche Wesen bin, das seine Reize erkannt hat. Er hat irgend etwas an sich, dass ihn interessant macht und wieder wandert mein Blick zu seinen außergewöhnlichen Augen. Melanie lacht gerade besonders gekünstelt über irgendetwas, was er gesagt hat und berührt ihn dabei ganz ausversehen an der Schulter. Dadurch kann ich mich von ihm losreißen und rolle bei diesem ganzen Gehabe mit den Augen. 

"Oho hast du dich verlaufen?" spricht er mich plötzlich an. 

"Nein wieso?" erwidere ich verwundert.

"Naja ich dachte das ist der Kurs für die Abiklasse, nicht für die Sekundärstufe". Einige Lacher ertönen, unter anderem der von Melanie. Ich hingegen merke, wie ich vor Wut rot werde und mein Herz schneller schlägt. Innerlich Zähne knirschend, antworte ich ihm bemührt ruhig.

"Ja da hast du sogar richtig gedacht. Das ist der Biokurs der Abiklasse, von der ich übrigens ein Teil bin. Zudem -" ich entdecke, dass Melanie auf meinen Platz sitzt. 

"- versperrt mir dein kleiner Fanclub meinen Sitzplatz" damit gebe ich Melly zu verstehen, dass ich mich jetzt gerne setzen würde. Sie sieht mich an als hätte ich ihr gerade gesagt, dass ich Läuse habe. Da von dem Neuem keine Erwiderung noch eine Entschuldigung kommt, ignoriere ich ihn und setze mich hin. Als schließlich der Biolehrer erscheint, verabschieden sich auch die letzten von meinem Tisch.

"Wie ich sehe, haben wir einen neuen Schüler" begrüßt uns der Lehrer etwas verwundert. 

"Könntest du dich vielleicht vorstellen?"

Mein Sitznachbar steht auf und antwortet mit einer dunklen Stimme.

"Mein Name ist Elias Declair".

Mehr kommt nicht. Einfach ein Name, sonderbare Augen und eine Aura die mir Gänsehaut verschafft.

"So schlagt bitte das Buch auf Seite 211 auf und arbeitet den Text aus. Ich werde euch später Aufgaben dazugeben".

Ein Rascheln geht durch die Klasse, bis auch wirklich der letzte die Seite gefunden hat. Ich beginne den Text über Genetik und Vererbung zu lesen, als Elias meint.

"Weißt du, mein gutes Aussehen kommt alles nur von den Genen meiner Eltern. Alles eine Sache der Vererbung" er blickt mich dabei überheblich an.

Ich ignoriere ihn und wende mich wieder der Textstelle zu. Wieder beginnt er darüber zu schwafeln, wie gut er aussieht und wie dankbar er der Genetik dafür ist. Leise murmelt er vor sich her, ob es nun eine rezessive oder dominante Vererbung war. Schließlich halte ich es nicht mehr aus.

"Ich denke, dass einzige was bei dir dominant vererbt wurde ist Überheblichkeit und Dummheit!".

Bevor er etwas entgegnen kann, rutsche ich ein Stück zur Seite und vertiefe mich wieder in mein Buch. Er lacht belustigt auf und wendet sich dann auch wieder der Biologie zu, ohne noch einmal irgendeinen dummen Kommentar abzugeben.

Am Stundenende fliehe ich geradezu vor ihm. Bald schon habe ich die Biologiestunde vergessen, denn nun folgen zwei Stunden neben Eddie, die mich wieder im siebten Himmel schweben lassen. Sobald er mir über die Hand streicht oder mir ein schelmisches Lächeln schickt, scheint meine ganze Haut zu vibrieren.

Es verblüfft mich immer wieder auf´s Neue, wie sensibel der Körper auf eine andere Person reagiert. So erahne ich Eddie jedesmal noch bevor ich mich umgedreht habe, es ist als würde seine Präsens meinen Körper mit Energie vollladen. 

"Hey kommst du Cas?" verwundert blinzle ich und sehe, dass der Rest des Kurses schon das Klassenzimmer verlassen hat und das Eddie, auf mich wartend, an der Tür steht. Automatisch beginnen meine Wangen zu glühen und ich verfluche mich über diese lästige Angewohnheit.

"Ja ich komme" erwidere ich etwas zerstreut, atme tief durch und packe mein Deutschbuch. Ganz förmlich hält Eddie mir die Tür auf und winkt mich mit einem "Nach ihnen Madam" durch. Ich schüttle grinsend den Kopf.

"Ich glaube du bist im falschen Jahrhundert gelandet. Soweit ich weiß, würde hier niemals jemand einen anderen die Tür aufhalten, geschweige denn bitte oder danke sagen" zwinkere ich ihm zu. 

"Tja wenigstens einer sollte dieses Klichee mal brechen, findest du nicht auch?". Bevor ich etwas sagen kann, ertönt eine tiefe Stimme.

"Oder aber es dient nur dazu die Mädchen zu beeindrucken, was dir ja auch scheinbar gelingt". Augenblicklich verspanne ich mich. Eddie lacht und bleibt stehen, sodass ich, wenn ich nicht alleine den Gang entlang laufen will, mich ebenfalls umdrehen muss.

"Hi ich bin Edward und das hier ist..." 

"Cassie, ich weiß" er lächelt mir spöttisch zu. 

"Ich bin Elias und habe die große Ehre neben diesem höflichen Geschöpf in Biologie zu sitzen".

Ich schaube verächtlich auf, trotzdem beschleunigt sich sofort mein Puls. Eddie schaut verwirrt zwischen Elias und mir hin und her, nicht verstehend, ob es nun ironisch oder ehrlich gemeint war. Ich bewege den Kopf Richtung Ausgang, wenig erfreut auf eine Fortsetzung des Gespräches mit Elias. Doch Edward scheint meinen Wink nicht zu verstehen, stattdessen beginnt er das Gespräch fortzuführen.

"Wenn ich fragen darf, woher kommst du?".

"Nun ja, viel einfacher wäre zu sagen, wo war ich nicht" er lacht leise auf und spricht dann weiter.

"Ich war jahrelang in Amerika, danach in China und in Frankreich, bis ich hier gelandet bin".

"Wahnsinn und sprichst du jetzt auch alle drei Sprachen?" kann ich mich trotz meiner Abneigung gegen ihn nicht verkneifen. Ich erkenne schon alleine daran wie sich seine Mundwinkel verziehen, dass ich mich auf eine sehr nette Antwort freuen darf.

"Nein, ich habe natürlich nur deutsch gesprochen. Ich bin in deren Land, deswegen sollen sie sich auch nach mir richten". 
Edward lacht los und ich merke, wie meine Wangen brennen. Sprachlos blicke ich von einem zum anderem, schüttle den Kopf, wende mich ab und laufe jetzt doch alleine den Gang entlang.

"Hey Cas, warte!" brüllt mir Eddie hinterher, doch ich bin richtig wütend. Ich kenne Elias seit genau zwei Stunden und er hat es geschafft, mich zweimal bis aufs Blut zu reizen und das Edward auch noch darüber lacht, steigert meine Laune auch nicht unbedingt.

"Ich weiß auch nicht weshalb sie so zickig darauf reagiert... Also man sieht sich" höre ich Edwards Stimme. "Zickig?" knurre ich innerlich und beschleunige meinen Schritt. 

"Jetzt warte doch mal!" keuchend taucht Eddie neben mir auf.
"Weshalb rennst du einfach weg? Es war doch nur Spaß" verständnislos läuft er neben mir her. Ich beiße meine Zähne zusammen und sage mir, dass ich überreagiere und Eddie theoretisch nichts dafür kann.

"Ich weiß es nicht, schon in Bio habe ich nur dumme Kommentare von ihm ertragen dürfen. Ich mag ihn einfach nicht, verstehst du? Jedes Mal wenn ich ihn sehe, sträubt sich bei mir das Fell - methaphorisch gemeint".

"Hm naja vielleicht nimmst du seine Kommentare einfach zu persönlich, er hat nun mal den Humor. Pass nur auf in ein paar Tagen sieht das schon ganz anders aus". Damit knufft er mir kurz in die Seite und hält mir dann die Schultüre auf.

Und wie es anders aussieht...

Die nächsten Tage bringen keinerlei Verbesserung, sondern werden im Gegenteil zum wahrem Albtraum. Nicht nur, dass sich Edward und Elias sehr gut verstehen, nein, Elias ist nun offiziel ein Teil unserer Gruppe. 

"Cas darf ich?" ich schaue hoch und sehe Eddie mit einem Tablett in der Hand vor mir stehen und in seinem Schatten natürlich Elias. Lautlos stöhne ich auf und rutsche dann rüber, damit sich Eddie und Elias neben mich setzen können. 
"Habt ihr schon gehört, dass sie jetzt schon alle durchdrehen wegen dem Abiball?" Eddie grinst mich an und prompt verziehen sich meine Lippen zu einem strahlenden Lächeln.

"Inwiefern drehen sie denn durch?".
"Nun ja, die Mädchen zicken sich jetzt schon an, wer den welche Kleidfarbe tragen darf, welche Frisur am besten aussieht und erst das Make-up" er wirft theatralisch die Hände nach oben und sieht mich verzweifelt an.

"Sag mir nur Cassie, denkst du blauer oder lila Lidschatten?" ich lache laut auf und antworte im gleichen besorgten Tonfall.
"Glaub mir, eine Tüte ist die beste Lösung. Das soll der letzte Schrei sein". Eddie starrt mich empört an und meint dann gespielt traurig.

"Willst du mir gerade feinfühlig mitteilen, dass du mich hässlich findest?".

"Ja potthässlich" entschuldigend verziehe ich das Gesicht, während er sich gequält an die Brust greift. Schließlich prusten wir beide los.

"Und wegen den Tanzpartnern" wirft Elias ein und unterbricht unser Gelächter.

Verwirrt schaue ich ihn an, was er als Aufforderung sieht, weiterzusprechen.

"Die ganzen Mädchen streiten sich jetzt schon um den perfekte Partner und scheinbar kommen Edward und ich dazu in Frage" er starrt mich herablassend an, während mir bei seinem Kommentar das Herz stehen bleibt. Edward wurde schon gefragt? Ich merke wie ich Edward anschaue.

"Und wie viele Jungs haben dich schon gefragt, Cas?". Statt wieder in die Luft zu gehen, bleibe ich ganz ruhig.
"Bis jetzt noch niemand, da sich scheinbar nicht alle von diesem Ball verrückt machen lassen".

"Ja so kann man es auch ausdrücken" erwidert er gehässig, was Eddie geflissentlich ignoriert. Ich presse die Lippen aufeinander und versuche ihn nicht zu erwürgen, während meine Wangen auf Hochtemperaturen stellen.

"Und habt ihr jetzt eine Tanzpartnerin?" schüchtern sehe ich Edward ins Gesicht. Er weicht meinem Blick aus und ein kalter Stein bildet sich in meinem Magen.

"Jasmin hat ihn gefragt und da habe ich ihm gesagt, wenn er da nicht ja sagt ist er ein Narr. Am Anfang wollte er nicht, doch mal ganz ehrlich, wer ist bitteschön so dumm und schlägt die Anfrage einer so heißen Braut aus?" er stupst Edward in die Seite, während sich meine Hände zu Fäusten ballen. Kurz blickt Elias zu mir hinüber, erfreut über meine Wut. Mit einem Mal bin ich mir ganz sicher, dass er wusste, das ich mit Edward zum Ball tanzen wollte. Deswegen hat er ihn auch gedrängt zu Jasmin ja zu sagen.

"Ich dachte du wolltest mit mir tanzen?" krächze ich schließlich hervor. Eddie meidet meinen Blick und findet plötzlich seine Fingernägel sehr interessant.

"Naja wir hängen ja immer zusammen und Jasmin sieht einfach verdammt gut aus, außerdem wirst du schon jemanden find..-".

Plötzlich habe ich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. So sieht er also unsere Freundschaft? Seit wann stört es ihn, dass wir viel unternehmen? - "Seit Elias aufgetaucht ist" beantworte ich mir selber die Frage.

Dieser lächelt mir auch süffisant zu. Er ahnt was in mir vorgeht, während sich Edward nicht mehr von seinen Fingernägeln losreißen kann. Plötzlich habe ich das Bedürfnis Elias eins auszuwischen.

"Tja, schade das dich Jasmin nicht gefragt hat" knurre ich ihn an.

Er lacht laut auf.
"Doch hat sie, aber ich habe nein gesagt". 
Ein Schlag in die Magengrube.

"Und warum?" murmle ich wütend darüber, dass ihn scheinbar überhaupt nichts reizen kann.

"Weil ich schon eine Tanzpartnerin habe" erwidert er belustigt. 
"Hätte ich mir eigentlich denken können" knurre ich innerlich. Da ich keine Lust auf ein weiteres Wortgefecht mit Elias habe und mir noch immer die Enttäuschung von Edwards Abfuhr im Nacken sitzt, schnappe ich mir meinen Rucksack und springe auf. Gerade als ich loslaufe, packt mich Elias am Arm.
"Willst du gar nicht wissen, mit wem ich tanze?".
"Nein, ehrlich gesagt ist mir das scheiß egal".

"Mit dir" antwortet er grinsend und seine Augen leuchten hell auf.

Perplex schaue ich ihn an. Hat er soeben gesagt mit mir?

"Wie bitte?".

"Ich tanze mit dir auf dem Abiball" wiederholt er, bewusst langsam.

Ich lache verächtlich auf, trotz seines intensiven Blickes. "Was hat es nur auf sich mit seinen Augen?" denke ich mir, während ich zu einer passenden Antwort ansetze.

"Du spinnst doch! Was bildest du dir eigentlich ein? Erstens hast du mich nicht gefragt und zweitens würde ich sowieso nein sagen!" fauche ich ihn an.

"Du hast keine Wahl" voller Genuss schenkt er mir ein Lächeln. 

Ich reiße meinen Arm aus sein Umklammerung und zeige ihm ein Vogel.

"Ich habe allen schon gesagt, dass wir tanzen. Dich wird auch niemand fragen und solltest du versuchen jemanden zu fragen, werden sie nein sagen" lacht er laut auf.

"Du drehst ja völlig ab! Das kannst du dir abschminken, lieber tanze ich mit einem Affen als mit dir" und damit drehe ich mich unter dem entsetzten Blick von Edward weg und verlasse die Cafeterier. Das Gelächter von Elias jagt mir bis auf dem Gang hinterher. Dabei bin ich mir sicher, dass seine Drohung stimmt. Elias hat etwas an sich, was die Leute dazu veranlasst, dass zu machen was er will und deswegen mache ich es erst Recht nicht.

"Dieser eingebildeter Mistkerl" murmle ich vor mich hin, als ich direkt in eine Freundin von Jasmin renne.

"Spinnst du!" wütend dreht sie sich zu mir um.

"Du" knurrt sie unglaublich angewidert.

"Ähm ja?".

"Ich kann echt nicht verstehen, weshalb er mich deinetwegen abgelehnt hat! Schau dich mal bitte einer an". Fassungslos betrachte ich Stacie.

"Ähm hättest du vielleicht die Güte zu erklären, was du mir mit deiner Aussage mitteilen willst?"

"Ganz einfach du Freak. Irgendwie hast du es geschafft, dass Elias dich mag oder aber du bestichst ihn, damit er mit dir tanzt" erwidert sie zornig.

"Ganz ehrlich, ich schenke ihn dir. Nur zu nimm ihn. Aber wundere dich nicht, wenn er anfängt über seine Schönheit zu philosophieren und dich dabei ganz vergisst". Damit lasse ich sie stehen.

Heute scheinen einfach alle am Rad zu drehen. Angefangen über Edward bis hin zu Stacia. Die einzige Person die mich jetzt aus diesem durchgedrehten Haufen retten kann ist Lissie.

Also mache ich mich auf dem Weg zur Kunst. So wie ich sie kenne, wird sie wieder von ihren Gemälden hängen und die Zeit ganz vergessen haben und damit leider auch mich.

 

 

"Lissie bitte sag mir, dass du nichts von Tanzen und Schminke hören willst" öffne ich frustriert die Tür zum Kunstzimmer.

"Okay Cassie, ich will nichts von Tanzen und Schminken wissen" ertönt aus einer Ecke ihre Stimme. Sofort steure ich auf sie zu, als bemerke, dass wir nicht alleine sind.

"Soll ich auch noch einmal versichern, dass ich nichts von Tanzen und Schminke hören will? Ich meine es sogar ernst".

"Hallo Lucas" begrüße ich den Kunststudenten, der zur Zeit alle Projekte die mit irgendeinem Bereich der Kunst im Zusammenhang stehen, betreut.

"Wie weit sieht es eigentlich mit deiner Landschaftszeichnung aus?".

Siedend heiß fällt mir ein, dass ich den Abgabetermin verpasst habe und nun nichts vorzuweisen habe.

"Nun ja, was das betrifft- ähm-" beginne ich zu stottern.

"Du weißt was passiert, wenn du es nicht rechtzeitig abgibst, oder? Nullpunkte".

"Ja" murmle ich leise. "Noch ist aber Pause" unterbreche ich seine Schimpftirade, die sich schon durch seine zusammengekniffene Mundwinkel ankündigt.

Statt mich als bei Lissie über die Ungerechtigkeit von Elias Existenz aufzuregen, schnappe ich mir eine Leinwand und beginne fieberhaft Striche darauf zu verteilen.

"Ganz ehrlich, Cassie. Manchmal weiß ich einfach nicht, was ich mit dir machen soll. Du bist begabt, aber leider umso vergesslicher und auch fauler. Hättest du nicht nach Lissie gesehen, hättest du in der heutigen Stunde nichts vorzuweisen gehabt und ich hätte dir null Punkte reinwürgen müssen".

"Hmm" brumme ich zustimmend, während unter meiner Hand Bäume und Felder entstehen.

"Du könntest dir mal ein Beispiel an Lissie nehmen, die sogar ihre Pause opfert um an ihren Projekten zu arbeiten" führt er seine Ansprache weiter fort, das Stöhnen von Lissie und mir nicht beachtend.

So sehr wie ich es hasse mit meiner perfekten Freundin verglichen zu werden, so sehr hasst es Lissie immer als streberhaftes Vorbild hingestellt zu werden. Das führt sehr oft dazu, dass ihr die anderen Schüler dumme Blicke zuwerfen und ich ab und zu Mordgedanken gegen sie hege.

"Ich bin nun nicht der kulturelle, sensible Mensch, sondern eher wissenschaftlich orientiert" versuche ich Lucas vorsichtig klar zu machen.

"Komm mir nicht damit Cassie. Mal ganz ehrlich, seine Faulheit mit so etwas zu begründen, macht nicht wirklich Pluspunkte".

"Hmm und was dann? Vielleicht wenn ich dir einen Kuchen backe?" versuche ich das Gespräch aufzulockern.

Einen Moment sieht er mich noch streng an, dann wird sein Blick wieder weich und man kann erkennen, dass er kaum älter ist als wir .

"Bitte eine Donauwelle. Du weißt gar nicht, wie sehr ich es bereue, dir das "Du" angeboten zu haben" witzelt er und mustert dann mein Werk.

"Oh doch und ich genieße es" kontere ich, froh, schon wieder mit heiler Haut davon gekommen zu sein. 

Ich spüre Lissies anklagenden Blick im Rücken, da sie es genauso wie Lucas sieht und nicht versteht, wie ich mich jedesmal herauswinden kann.

Als es zur nächsten Stunde klingelt, platziere ich mein Bild so, dass es bis zur Kunststunde ruhig trocknen kann und flitze dann ins Biologiezimmer.

 

 

Meine gute Laune verfliegt als Elias an meinem Tisch entdecke.

Kurz überlege ich mir, noch einmal auf das Thema von der Pause einzugehen, doch verwerfe es sofort wieder. So selbstverliebt und sturköpfig wie er ist, wird er es nur als Herausforderung sehen, es wahr zu machen.

"Na holá, wer hat sich denn da in Farbe gesuhlt" lacht er bei meinem Anblick.

Ich starre ihn verwundert an, schnappe mir mein Handy und entdecke im Display die Farbe in meinem Gesicht, die es nicht bis auf die Leinwand geschafft hat. Statt einer Antwort zucke ich mit den Schultern und reibe mir die Farbe von der Haut. Ohne die Hinweise zu beachten, mich in Ruhe zu lassen, stupst er mich solange in die Seite bis ich mich ihm zuwende.

"Was verdammt ist jetzt schon wieder?" knurre ich ihn genervt an.

"Oho da hat aber jemand gute Laune" lacht er laut auf. 

Ich ziehe nur eine Augenbraue nachoben. Er soll ruhig wissen, dass er mich einen Scheißdreck interessiert.

"Ich versteh einfach nicht, weshalb du mich nicht leiden kannst. Irgendwie scheinen wir uns auf dem falschen Fuß erwischt zu haben, beziehungsweise scheinst du neue Menschen einfach nicht leiden zu können" merkt er an.

Ich starre ihn verblüfft an. Ist das sein Ernst? 

Ohne darüber nachzudenken, lache ich verächtlich auf.

"Irgendwie hast du einen Blick für die Realität verloren. Du kommst allen Ernstes hier an und unterstellst mir, dass ich der Grund bin, weswegen wir uns nicht austehen können?" noch einmal lache ich fassungslos auf und rede dann weiter.

"Ganz ehrlich, du kommst hierherein und führst dich wie das totale Arschloch auf, beleidigst mich und erwartest, dass ich dich leiden kann? Das ich nicht lache. Nicht nur das ich dein Auftreten zum kotzen finde, auch dein überhebliches Auftreten raubt mir den letzten Nerv. Also nein, dass hat in keinem Fall etwas mit mir zu tun, außer das ich dir keinerlei Sympathie entgegen bringe".

"Elias, Cassie ist bei euch alles in Ordnung?" ruft plötzlich Herr Hoft.

Bevor ich antworten kann, erwidert Elias: "Nein, ich glaube Cassie geht es nicht gut. Sie scheint Wahrnehmungsprobleme zu haben".

"Du verdammter Mistker-" 

"Cassie, raus, sofort!" brüllt auf einmal Herr Hoft.

"Aber-"

 "Nichts mit aber! Ich erwarte von einer zwölften Klasse ein bestimmtes Benehmen und wenn du dich wie Kindergarten aufführen musst, dann werde ich dich auch dem entsprechend behandeln! Und jetzt raus, such dir aus, ob du vor der Tür stehen bleiben oder zum Schulleiter gehen willst!".

Vor Wut schäumend spieße ich Elias mit meinen Blicken auf und verlasse dann das Klassenzimmer.

Bei dem Gedanken, dass ich gerade wie ein unerzogenes Kind hinausgeschickt worden bin, fangen meine Wangen an zu glühen. Das schlimmste an der ganzen Sache war jedoch der siegessichere Blick von Elias.

"Dir zahle ich es heim" stoße ich zwischen den Zähnen hervor.

 

Nachdem Stundenende muss ich noch einmal dableiben und eine Standpauke von Herr Hoft über mich ergehen lässt. Er betont dreifach, dass es für Elias schwer war die Schule zu wechseln, vor allem da es ja das letzte Schuljahr ist und das mein Benehmen mehr als kontraproduktiv ist. Natürlich leier ich eine Entschuldigung herunter, die mehr Herr Hoft jedoch nicht ganz abnimmt. Gerade als ich zur Tür hinaus will, ermahnt er mich noch einmal.

"Ich will so etwas nie wieder in meinem Unterricht erleben, haben sie das gehört? Es würde sich nicht gut auf ihre Temporalnote auswirken, glauben sie mir!".

Mit sehr viel Wut im Magen erreiche ich das Kunstzimmer passend zum Unterrichtsklingeln. Ich stelle mich schnell neben Lissie, die sofort meine schlechte Laune bemerkt. Fragend schaut sie mich an, sodass ich ihr ein "später" zuzische, gerade als Lucas zu reden beginnt.

"Der heutige Unterricht befasst sich mit der Auswertung eurer Kreativaufgabe. Jeder erklärt bitte, was auf seinem Werk zusehen ist und die anderen geben dann dazu ihre Meinung ab, die ich in Form von Notenpunkten eintrage". 

Ein lautes Stöhnen geht durch den Raum und dem ein oder anderen bricht der Schweiß aus.

Schließlich bin ich an der Reihe.

"Dargestellt ist eine Puzzlelandschaft. So habe ich Elemente von verschiedenen Orten zu einem zusammengefügt. Man sieht somit Felder neben Tannenwälder, Berge voller Weinranken und einen kleinen Bach".

"Wie ich sehe, haben sie sich sehr viel Mühe gegeben und einige Zeit für ihr Gemälde aufgewendet" fasst Lucas mein Bild zusammen. So das es niemand sieht, zwinkert er mir zu und ich kann mir nur knapp das Grinsen verkneifen. Er gibt sowohl Lissia als auch mir fünfzehn Punkte.

"Ganz ehrlich, ich weiß nicht wie du es schaffst, dass er jedesmal die Augen zusammenkneift. Irgendwann fällst du ganz hart auf die Nase". Dabei blickt mich Lissie so besorgt an, dass ich ihr zerknirscht zunicke.

"Und das du ihm jedes Mal einen Kuchen backst, sobald du was falsch gemacht hast, tut auch seiner und meiner Figur nicht gut". Sie versucht ernst zu bleiben, aber im Endeffekt müssen wir beide grinsen.

Denn eines ist sicher, der Figur von Lucas macht Kuchen überhaupt nichts aus. Lissie und ich hatten uns schon ganze Szenarios ausgedacht, was er in seiner Freizeit treibt, um so fit zu sein. Wir kamen dabei auf Antworten wie Fitnessstudio, Boxen oder aber ein Leben als Superman. Das letzte erschien uns dabei als das logischste.

"Würdest du gerne von ihm gerettet werden?" unterbricht Lissie meine Gedanken.

"Wie bitte?"

"Naja seien wir mal ehrlich. Lucas sieht einfach hammermäßig aus"

"Lissie!"

"und tu nicht so, als wäre dir das bis jetzt noch nicht aufgefallen! Also habe ich mir vorgestellt, wie es wäre von ihm gerettet zu werden und das Resultat ist, dass ich heute unbedingt James sehen muss, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen. So eine Nacht mit ihm wäre schon nicht verwerflich".

"Lissie!" rufe ich entsetzt.
"Was mich zu dir führt. Würdest du gerne von ihm gerettet werden?".

"Lissie" stöhne ich entsetzt und rotwerdend auf. "Er ist unser Kunstlehrer, jedenfalls mehr oder weniger".

"Was trotzdem nicht meine Frage beantwortet, junge Dame".

"Ja ich würde gerne von ihm gerettet werden, weil es allgemein gut ist von einem Jungen gerettet zu werden. Außerdem hast du seine mega geilen Oberarme gesehen?" erwidere ich lachend.

"Wer würde gerne von wem gerettet werden" unterbricht uns in dem Moment Lucas.

"Niemand" rufen wir beide gleichzeitig, um beide rot anzulaufen.

Misstrauisch schaut er von einer zur anderen.

"Hmm ich weiß nicht so recht, was ihr jetzt schon wieder ausgehegt habt, aber ich wäre sehr erfreut wenn ihr jetzt wieder dem Unterricht folgen könntet".

Dabei kneift er missmutig die Augen zusammen.

"N-natürlich" stottere ich immer noch schrecklich verlegen.

Lissie starrt zu mir herüber und meint dann grinsend.

"Das war jetzt aber knapp". Um dann ganz aufmerksam dem nächsten Vortrag zu lauschen.

Verhängnisvoller Abend

"Hey Cassielein" schallt es durch den Korridor. Ich kneife die Lippen zusammen und versuche mich zu beruhigen. Meine Gereiztheit in Sachen Elias haben sich kein bisschen verbessert, im Gegenteil scheint er es zu lieben mich jederzeit auf die Palme zutreiben.

"Hi" erwidere ich lahm und schließe mit einem Knall die Schließfachtüre.

"Es tut mir schrecklich leid, dass du aus Sport ausgeschlossen worden bist, ich wollte dich wirklich nicht in den Teich stoßen. Das war ein total dummer Unfall" sein Mund verzieht sich zu einem spöttischen Grinsen.

"Ach ist nicht weiter schlimm, ich habe mir schon immer gedacht das du ein Trampel bist. Nichts für ungut".

Ein Glitzern schleicht sich in seine Augen.

"Falls dir das in irgendeiner Weise beruhigt, enge Klamotten stehen dir". 
Ich schnappe nach Luft und sofort glühen meine Wangen.

"Schön das dir die Aussicht gefallen hat!" damit lasse ich ihn stehen und sein Blick brennt sich in meinen Rücken.

 

Immer wieder passieren diese kleinen Unfälle, die einzig und alleine dazu dienen mich zu provozieren. Bis jetzt hatte ich gehofft, dass ihn meine Untätigkeit irgendwann langweilen wird, doch leider ist dem nicht so. Lissie gab mir auch den Rat abzuwarten bis sein Interesse abflaut. Dazu habe ich mich sogar herabgesetzt und Stacia sowie Melanie erzählt, dass Elias von ihnen geschwärmt hätte. Jetzt umschwärmen sie ihn wie Fliegen den Scheißhaufen - lachen meinerseits, da der Vergleich so gut passt - und es hat mir trotzdem nichts genützt. Auch wenn er ab und zu ziemlich genervt wirkt, hat meine kleine Plage nicht den erwünschten Erfolg. Er scheint trotzdem total auf mich fixiert zu sein.

Allein an dem Gedanken, wie er mir einen Schubser gegeben hat, sodass ich in den ekligen, stinkenden Ententeich gefallen bin, könnte ich toben. Natürlich hat er sich tausendmal bei mir entschuldigt, da ihn sonst Edward erwürgt hätte, ehrlich gemeint war es aber nie. Doch ein was gutes hatte seine ganze Aktion. Eddie hat sich freiwillig gemeldet, um mich in die Umkleide zu bekleiden. Nachdem ich mich warm abgespült hatte und trotzdem fror, hat er mir kurzerhand seinen Pullover gegeben, mir einen Kaffee gekauft und sich dann an mich gekuschelt. Im Endeffekt war es die beste Sportstunde aller Zeiten.

"Jetzt warte doch mal kleine Hexe". Abrupt werde ich aus meinen Gedanken gerissen. 

"Man, für deine Größe hast du aber ein ganzschönes Tempo drauf" lacht Elias, während er neben mir herläuft.

"Elias, falls du es bemerkt haben solltest, ich habe ein Zeitproblem. Also wenn es nichts todwichtiges gibt, lass es sein".

"Okay, ich wollte nur sagen: bis heute Abend" und damit zieht er ab.

Fassungslos und mit einem Gefühl der Hilflosigkeit schaue ich ihm hinterher. Eigentlich hatte ich gedacht, er käme heute Abend nicht mit zur Bar. Leider muss ihn doch jemand eingeladen haben. Schon wieder hat er es geschafft mir die Luft zu nehmen. Aber anstatt mich deswegen jetzt fertig zu machen, verschiebe ich den Gedanken auf später und betrete das Kunstzimmer.

"Lucas, bist du da?" rufe ich, als ich niemanden entdecke.

"Ja warte, der Kaffee ist gleich durch".

Ich platziere mich neben dem Lehrertisch und packe meine selbstgemachte Donauwelle aus. 

Vorhin war ich nicht ganz ehrlich, als ich meinte ich hätte ein Zeitproblem. Denn in Wirklichkeit habe ich jeden Donnerstag eine Freistunde, die ich meistens beim Kuchenessen mit Lucas verbringe.

"So für die fleißige Kunstschülerin" schmunzelt Lucas, während er den Kaffee neben mir abstellt.

"Einerseits müsste ich dir predigen, dass du Kuchen nicht zur Bestechung gegen mich benutzen solltest, aber andererseits genieße ich es viel zu sehr". Lachend lege ich ihm ein Stück auf den Teller, bei dessen Anblick seine braunen Augen heller werden. Nachdem wir einige Zeit in genüsslicher Ruhe verbracht haben, beginnt er zu sprechen.

"Und wie läuft das Schulleben so?".

"Ehrlich? Es ist wirklich anstrengend, aber vor allem Elias entpuppt sich als ziemlich lässig".

"Elias?" 

"Ja Elias Declair. Hast du ihn nicht?".

Ich sehe wie es in Lucas Gehirn arbeitet und wie er dann zu einem Ergebnis kommt.

"Ja doch, der neue Schüler. Kein bisschen künstlerisch begabt, dafür umso mehr im schauspielerischen". Bei Lucas Aussage verziehen sich meine Lippen zu einem gehässigen Grinsen. Wenigstens ein was, was Elias nicht kann und wo ich im Vorteil bin.

"Ja er ist sowas wie meine ganz persönliche Mücke. Immer wenn man denkt, man hätte sie endlich verjagt kommt sie wieder und sticht dich. Das schlimmste ist jedoch, dass dieser Stich noch Tage lang juckt".

"Hmm so schlimm?".

Plötzlich merke ich wie sehr mich die ganze Sache bedrückt, daher nicke ich gequält und beiße in mein Kuchen.

"Aber Cassie, jede Mücke kann ganz einfach mit Insektenspray erledigt werden".

Prompt verschlucke ich mich an meinem Kuchenstück. Röchelnd versuche ich die Kirche hinunterzuschlucken, was mir jedoch erst nach mehreren Schlägen auf den Rücken von Lucas gelingt.

"Hast du mir gerade vorgeschlagen meinen Schulkameraden umzubringen?" erwidere ich geschockt.

Lucas schaut mich ungläubig an und beginnt dann loszulachen. Dabei bebt seine Brust und seine schwarzen Locken wackeln. Ich starre ihn finster an, da ich es nicht ausstehen kann, ausgelacht zu werden. Er sieht mich an, versucht sich sein Lachen zu verkneifen und beginnt dann wieder schallend zu lachen. Ohne das ich es will, heben sich meine Mundwinkel. Er wischt sich die Tränen aus den Augen und probiert seine Atmung wieder in den Griff zu bekommen.
"Wie lustig" schmolle ich immer noch leicht verärgert.

Er grinst mich schelmisch an.

"Du dachtest allen Ernstes ich schlage dir vor, einen Schüler umzubringen?" und schwupps beginnt der Mistkerl wieder zu lachen.

"Haha wie lustig, gib mir meinen Kuchen zurück".

Ich stibitze ihm den Teller.

"Oh Cassie du bist unglaublich" er grinst mich schon wieder an.

"Ich meinte damit, dass du dich wehren sollst Cassie".

"Ich hasse Metaphern" erwidere ich rot und schiebe ihm den Teller wieder zu. "Außerdem hat er so gruslige Augen" murkse ich noch einmal kurz auf.

Er lacht laut auf und lenkt dann das Thema auf die nächste Kunststunde. Aber die Sache mit den Augen meinte ich völlig ernst, sie sind etwas besonderes.

 

Am Abend

 

"Lissie ich überlege echt zu Hause zu bleiben" nörgle ich am Telefon.

"Cassie ich kille dich. Wenn du mich mit den Jungs alleine lässt dann bist du tot!".

Übertrieben laut seufze ich und sage dann zu, da ich weiß, dass sie es ernst meint.

"Ich hole dich dann um 21 Uhr ab. Hab dich lieb" und mit einem "tut" ist aufgelegt.

"Ahh" lustlos lasse ich mich auf mein Bett sinken.

Nicht nur, dass ich keine Ahnung habe, was ich denn anziehen soll, auch das Elias dabei ist, macht die Sache nicht besser. Das einzige was diesen Abend irgendwie retten kann ist gute Musik und ausreichend Alkohol, ja ganz viel Alkohol. Mit erzwungener Fröhlichkeit wende ich mich wieder meinem Schrank zu. Eigentlich hatte ich vor mich so richtig elegant anzuziehen, doch wenn Elias mitkommt, wird bestimmt der ein oder andere Drink auf meinem Schoß landen. 

"Also doch nur schwarze Hose und hübsches T-shirt". Gerade als ich in die Sachen schlüpfen will, erwacht so etwas wie Kampfgeist in mir.

"Nein ich werde mir diesen Abend nicht durch Elias versauen lassen. Soweit soll es noch kommen!".

 

 

"Cassie du siehst absolut scharf aus!" ruft Lissie erstaunt, als ich die Tür öffne. 

Vor Freude über das Kompliment werde ich gleich ein wenig röter. Aber unzufrieden mit dem kleinem Schwarzen und meinen neu gekauften Stöckelschuhen bin ich auch nicht.

"Das kann ich nur zurückgeben". Und dabei meine ich das nicht nur einfach daher gesagt. Lissie sieht in ihrer Leggings mit dem kleinem weißen Kleidchen und den Wellen im Haar aus wie eine griechische Göttin.

"Na los, sonst kommen wir noch zu spät" prompt hat sie sich bei mir untergeharkt und aus dem Haus gezogen. Im Wagen wartet schon James. Ich begrüße ihn freundlich, heule aber innerlich schon auf. Wenn Lissie ihren James dabei hat, wird sie gar nichts von Elias Schikanen mitbekommen. Sie wird wieder viel zu sehr von James Mund zu Mundbeatmung abgelenkt sein. Meine Laune sinkt um einige Grade.

Auch Lissies nicht gerade begnadete Fahrmanöver machen die Sache nicht besser, jedoch lenkt mich die Angst um mein Leben sehr gut von dem Problem "Elias" ab.

Nachdem wir einen Parkplatz ergattert hatten, in die Bar reinkamen trotz das James keinen Ausweis dabei hatte - zum Glück kannten uns die Security Typen - konnte ich mich nun endlich von der überlauten Musik beschallen lassen.

"Hey Cassie, zieh nicht so ein Gesicht". Ich entdecke Eddie, der schon einiges an Alkohol intus hat und versucht gegen die Musik an zu schreien. Er sitzt auf einer roten Couch an unserem Stammtisch, nah an der Bar jedoch weit genug weg von der Tanzfläche um sich in einer einigermaßen normalen Lautstärke zu unterhalten. Ihm ein halbes Lächeln schenkend, entdecke ich Elias der ihm am Tisch gegenüber sitzt. Bevor ich mich jedoch in Selbstmitleid baden kann, hat mich Eddie an sich gezogen. Doch von dem Schwung überrascht, kann ich mich nicht halten und so stürzen wir auf ein Sofa. Ohne das ich es will muss ich grinsen. Eddie liegt halb auf mir drauf und gluckst wie ein kleiner Junge.

"Du siehst bezaubernd aus" wispert er mir dann ins Ohr. Jedes kleines Haar im Nacken stellt sich auf und alle negativen Gefühle sind weggeblasen. Bevor ich mich bedanken kann, hat er mir einen sanften Kuss unter das Ohr gegeben und sich dann aufgerichtet. Atemlos versuche ich mein Kleid zu richten und schaue dabei direkt in das verkniffene Gesicht von Elias. Er hat die Szene beobachtet. Statt rot zu werden, strecke ich mein Kinn heraus und schaue ihn provozierend an. Egal was er sich heute für Gemeinheiten vorgenommen hat, nach diesem Moment versaut mir nichts und niemand mehr den Abend.

"Ich hole dir einen Pina Colada" vernehme ich plötzlich Lissies Stimme, die sich gerade von James losreißt.

"Ähm, danke" erwidere ich, noch immer total im Gefühlsrausch.

"Warte ich komme mit" und schwupps sitze ich mit James und Elias alleine da.

"Hey wunder dich nicht, wenn Eddie irgendwie komisch oder besonders anhänglich sein sollte, es ist nicht sein erster Drink den er heute holt".

"Schön zu wissen" entgegne ich Elias so liebevoll wie möglich. Ich lasse nicht zu, dass er mich heute irgendwie reizt.

James, dem die verkrampfte Stimmung nicht entgangen ist, lässt uns alleine, da er angeblich jemanden gesehen hat.

"Du siehst -"

"Weißt du was Elias -" unterbreche ich ihn "- du brauchst nicht so tun als würdest du dich mit mir unterhalten wollen, denn ich will es ganz bestimmt nicht. Also lauschen wir doch einfach der schönen Musik und tun so, als gäbe es den Gegenüber nicht" und mit einem zufriedenen Lächeln schließe ich die Augen. Das wäre dann 1:0 für Cassie.

Ich schaffe es genau zehn Minuten sitzen zu bleiben, bis mir das Warten zu dumm wird. Da ich sowieso nichts besser zu tun habe, suche ich erst einmal die Toilette, werde dabei mehrmals schmerzhaft von irgendwelchen besoffenen Menschen angerempelt und finde dann endlich die Treppe nach unten. Dort darf ich dann weitere geschlagene zwanzig Minuten anstehen, scheinbar müssen gerade alle Mädchen gleichzeitig, um endlich selber dran zu kommen. Auf dem Rückweg fange ich mir weitere blaue Flecken und seufze fix und fertig als ich unseren Tisch erreiche. Dort entdecke ich mein absolutes Lieblingsgetränk: Pina Colada. Als ich mich umdrehe, erblicke ich Lissie, die sich gerade einen Kurzen genehmigt und dann zu mir kommt.

"Du bist ein Schatz" erwidere ich gut gelaunt.

"Egal was deine Laune gehoben hat, ich freue mich darüber. Drink schnell aus denn ich will gerne tanzen".

Mit einem fast schon traurigen Blick stürze ich meinen absoluten Lieblingsdrink herunter. Kaum das ich es geschafft habe, dass Glas abzusetzen, zieht mich schon Lissie auf die Tanzfläche. Sie hat mir definitiv schon zwei Drinks und mehrere Kurze voraus. Ich bewege mich zunächst etwas vorsichtig zwischen den doch sehr stark alkoholisierten Menschen. Da ich selber nicht wirklich was getrunken habe, kann ich die Leute um mich herum beobachten. Neben den ganzen Möchtegerntänzern, gibt es auch einige die es wirklich drauf haben. Außerdem kann ich einen erfolglosen Anbaggerversuch eines Studenten sehen, der am Ende mit einem Schlag im Gesicht endet. Nur mühsam kann ich mir ein Grinsen über diesen Ausgang verkneifen. Als ich mich wieder umdrehe, erblicke ich einen Typen der sich an Lissie heranmacht und da diese nicht wie ich beim ersten Drink geblieben ist, dem wenig entgegen zu setzen hat. 

Noch dazu muss es so ein muskelbepacktes Exemplar in Röhrenjeans und Muskelshirt sein. Wäre da nicht der absolut widerliche Ausdruck auf seinem sonst nicht hässlichen Gesicht und Lis nicht in einer Beziehung, hätte ich mich jetzt einfach wegschleichen können.

Natürlich ist auch nicht James in Reichweite, geschweige denn Eddie oder gar Elias. Also muss ich jetzt ran.

"Hey, hallo - hey" rufe ich dann doch ungeduldig, als der Typ mich einfach nicht wahrnehmen will. Mir bleibt nichts anderes übrig als mit der Hand vor seinem Gesicht herumzuwedeln und Lissie zu mir herüber zu ziehen.

"Wasss soln`dass?" bekomme ich als Antwort, während der Typ bedrohlich auf mich zuschwankt.

"Sie hat einen Freund, stimmt´s Lissie!" zische ich.

"Hihi stimmt, wo is denn mein Jamms?" lallt sie, sich torkelnd umschauend.

"Hast du verstanden, schieb ab" knurre ich ungehalten, als der Junge sich einfach nicht fortbewegen will.

"Du hassst abe-r nen Munddwerk, süzze". 

Ich schubse die doch sehr stark angetrunkene Lissie Richtung Sofa und stelle mich dann so hin, dass der Betrunkene nicht hinter ihr her kann. Auch wenn meine schmächtige Kleinkindergestalt nicht wirklich die Wirkung erzielt, die ich gerne gehabt hätte. Nichts destotrotz hat es dieser Typ zu sehr auf Lis abgesehen und da sonst niemand hier ist, darf ich die Heldenrolle übernehmen - wie schön.

"Lissie geh zu James, sofort!".

Lis nickt selig und torkelt dann in Richtung Bar. Nicht das wo sie hinsollte, aber nahe dran.

 "Ich habe gesagt sie hat einen Freund und der wird ziemlich wenig davon halten, wenn du dich an seine Freundin ran machst. Also bitte geh jetzt" entgegne ich so freundlich wie möglich dem Typen, schließlich weiß man nie wie so ein Betrunkener reagiert.

"Abbber du hass´t keinn Freunnd" und bevor ich mich versehe werde ich in eine alkoholgeschwängerte Umarmung gezogen. Auf einmal liegen seine klebrigen Hände auf meinem Hintern und er probiert irgendetwas tanzähnliches zu betreiben.

Zuerst bin ich so verdutzt, dass ich nichts dagegen unternehmen kann. Doch dann probiere ich mich aus seiner Umarmung zu befreien.

Mir schlägt seine Alkoholfahne entgegen und ich bin froh, dass der Geruch von Kotze nicht auch noch dazu kommt. Leider besteht der Student vor mir aus purem Muskel, was mich vielleicht entzücken könnte, wenn er diese nicht dazu benutzen würde um sich möglichst nah an mir zu reiben.

"Hände weg" rufe ich und als das zu keiner Reaktion führt, trete ich ihm mit meinen Hacken auf den Fuß.

Er kreischt vor Schmerz auf und lässt mich in sofort los. Ich will mich umdrehen, da packt er mein Handgelenk und zieht mich zu sich zurück.

"Wildddkatzz-e" lallt er.

"Lass mich verdammt nochmal los!" kreische ich jetzt doch etwas hysterisch.

Er kichert jedoch nur und hebt meinen Kopf zu sich ran.

"Du siehs oas wie einnn ne rote ´exe".

Wäre die Situation nicht absolut unangenehm, hätte ich vielleicht sogar über sein unglaublich schlechtes Komplimet lachen können. Mir ist es jedoch eher zum kotzen. Und dann versucht er mich doch allen ernstes zu küssen. Ich drehe den Kopf weg, sodass seine schleimigen Lippen nur auf meiner Wange lachen.

"Iccch wohn hier gleisch" murmelt er und wiederholt seinen Kussversuch. Ich probiere mich aus seinem Griff zu entwenden und brülle ihm meine Meinung mit besonders saftigen Schimpfwörtern an den Kopf.

"Wo bleiben denn nur die Jungs?" weine ich innerlich.

Plötzlich legt sich eine Hand auf meine Schulter und eine tiefe Stimme entgegnet: "Du hast sie gehört, nimm deine Finger von ihr, sofort!".

Mein betrunkener Freund grunzt verblüfft und blafft dann zurück: 
"Ey das iss meine, su-ch dir ne andre".

Betont ruhig erwidert mein unbekannter Held.
"Sie hat mehrfach gesagt, dass sie nichts von dir will. Wenn du jetzt bitte so gütig wärst und deine Hände von ihr nehmen könntest".

Als der Typ nicht Folge leistet, schnappt mein Held meine Hand und nimmt sie aus der Umklammerung. Er schiebt den wankenden Betrunkenen einfach beseite, nimmt mich an die Hand und führt mich Richtung Ausgang.

Draußen ist es angenehm kalt und gierig ziehe ich die frische Luft in meine Lungen.

"Dankeschön, ich heiße Cassie" stelle ich mich dem unbekannten Studenten vor.

"Hey, ich bin Alexander" erwidert er mit einem schelmischen Lächeln.

"Das war eben ziemlich knapp, würde ich sagen". 

Ich schlucke und schenke ihm ein schiefes Grinsen.

"Ach so knapp war es gar nicht. Ich hätte mit meinen Superkräften schon noch alles gerissen" ich lache laut auf und füge dann hinzu: "Nein ernsthaft, danke für deine Hilfe. Ich hätte ein ziemliches Problem gehabt, hättest du da nicht eingegriffen".

"Schon in Ordnung, ist doch Ehrensache" entgegnet Alexander verlegen. 

Im nächsten Moment grinst er mich jedoch spitzbübisch an.

"Ich habe mir doch bestimmt einen Tanz verdient, oder?".

"Nicht nur einen Tanz, ich gebe dir gerne noch einen Drink aus".

 

 

Natürlich wurde aus dem einen Drink, noch ein zweiter und ein dritter. Dabei erfuhr ich, dass Alexander ein typischer BWL Student ist, der zweimal unter der Woche lange ausschlafen durfte - unglaublich unfair. Außerdem liebt er goldene Retriever, wollte später ein Haus mit Swimmingpool und am besten noch eine Sauna. Ich verlor das Zeitgefühl und genoss es einfach stundenlang über Gott, die Welt und Hunde zu reden und dabei ab und zu auch einen Cocktail zu schlürfen. Je mehr wir tranken, desto sinnloser wurde das Gespräch und ich erwischte mich mehrmals beim Lachen ohne das ich wusste worüber.

"Magst du tanzen?".

Bevor ich ja sagen kann, hat er mich schon vom Barhocker gezogen und geleitet mich direkt in die verschwitzte Menschenmasse. Da ich einen leichten Schwipps habe, mache ich mir auch keine Gedanken ob mein Getanze peinlich aussieht. Mit vollen Elan wiege ich mich im Takt der Musik, muss über die doch manchmal echt schlechten Moves von Alexander lachen und habe Spaß. Plötzlich wird ein sehr langsames Lied gespielt und bevor ich mich versehe, liege ich in Alexanders Armen. Seine Hände liegen am unteren Rückenstück und ein zufriedenes Grinsen liegt auf seinem Gesicht. Hätte ich nicht soviel Alkohol getrunken, hätte ich mich jetzt vermutlich mit netten Worten los gemacht - nun ja, leider hatte ich aber viel getrunken. Stattdessen lege ich meine Arme um seinen Nacken und lasse mich führen. Dabei ignoriere ich, dass seine Hände weiter nach unten gewandert sind und definitiv nicht mehr auf meinen Rücken liegen. Zwischendurch gibt er mir einen Kuss auf die Stirn. Ich kichere und lasse es geschehen, meine innere Göttin freut sich viel zu sehr über seine Aufmerksamkeit. Mit einem Mal beugt er sich zu mir runter und gibt mir einen Kuss. Statt zurück zu schrecken erwidere ich den Kuss. Als seine Zunge gegen meine Zähne stupst, stutze ich kurz. Normalerweise bin ich nicht schüchtern, aber mit einem wildfremden Typen rumzuknutschen gehört nicht zu meinen Gewohnheiten. Doch leider sieht das mein Freund der Alkohol anders und bevor ich wirklich verstehe was geschieht, öffne ich den Mund. Prompt zieht er mich noch ein Stück näher an sich. Kurz blitzt in meinen Gedanken Eddies Gesicht auf. Gleichzeitig kommt mir aber auch der Gedanke, dass ich ihn bis auf die Begrüßung nicht interessiert habe. Anderseits wird mir etwas übel, da ich es nicht gewohnt bin in kürzester Zeit mehrere Drinks hinunter zu stürzen und mich dann auch noch mit vollem Körpereinsatz zu bewegen. Als also Alexander nachfragt, ob wir an die frische Luft wollen, habe ich nichts dagegen. Er stützt mich mehr als das er mich hinter sich herzieht.

"Normalerweise trinke ich nicht soviel" versuche ich mich für mein peinliches Verhalten zu entschuldigen, dabei versuche ich nicht zu lallen, was mir nicht ganz gelingen mag.

"Hey wenn es dir nicht so gut geht, können wir auch einfach zu mir gehen. Es ist nicht sehr weit und du kannst dich in aller Ruhe hinlegen". Und tatsächlich merke ich, wie Müdigkeit über mich hineinbricht.

"Jappp klingt nach einer guten Idee" erwidere ich gähnend. Hach, wie schnell doch meine Stimmung wechselt. Immer wieder das selbe, sobald ich mir mal richtig Alkohol genehmige, schlafe ich in den unmöglichsten Situationen ein.

Gerade als Alex mir meine Jacke bringt, knicken mir die Beine ein.

"Hoppala" entgegnet er grinsend, während er mich festhält.

"Tschuldige" erwidere ich etwas nuschelnd. Meine Augen werden ganz schwer und ich möchte mich am liebsten hinlegen.

"Soll ich dich vielleicht lieber bis zum Taxi tragen?". Ich fühle mich wie in Watte gepackt und schaffe es gar nicht mehr zu antworten. Mein Mund will einfach nicht, auch wenn mein Kopf die Wörter formt kommen sie einfach nicht über die Lippen.

Ich merke wie er mein Beine hochnimmt und mein Kopf gegen seine Schulter sinkt.

Kurz bevor es schwarz wird, höre ich eine zornige Männerstimme, die mir irgendwie bekannt vorkommt.

 

Das Erwachen

 Das erste was ich mitbekomme, als ich am nächsten Morgen aus einem skurillen Traum erwache, ist die weiche Decke. 

"Mmmh" murmel ich genießerisch und ziehe sie näher an mich heran. Als nächstes nehme ich den Geruch von bratendem Speck mit Ei wahr. "Ob Mama mir heute extra ein Frühstück zubereitet?". Für einen kurzen Moment schwebe ich in der Hoffnung, dass das wirklich mein Essen ist. Dabei wandern meine Gedanken jedoch weiter zu meinem merkwürdigem Traum. Zunächst war da so ein Student gewesen - Alec oder Alex - er hatte mit mir getanzt, einiges gebechert und wollte dann das ich mit zu ihm komme. So richtig wollte ich ja nicht aber mein Körper hat einfach total verrückt gespielt. Mit einmal bekomme ich Gänsehaut.

"Vedammt das war kein Traum".

Panisch öffne ich die Augen und stöhne laut auf.

Nicht mein Zimmer, nicht mein Bett und an meinem Körper ganz gewiss nicht mein T-shirt!

Zu allererst will ich aufspringen und am liebsten wegrennen. Das plötzliche Stechen in meinen Kopf lässt mich jedoch stöhnend zurück ins Bett sinken.

Neben mir steht ein Nachtisch in einem dunklen Holzton passend zu der Kommode in diesem weißen, aber doch sehr heimischen Zimmer. Am meisten gefällt mir jedoch der Holzbalken, der sich quer durch das Zimmer schlängelt. Total fertig, schließe ich die Augen und probiere mich gedanklich einfach weg zu wünschen. Nachdem das nicht geklappt hat, hebe ich die fremde beigefarbene Decke an. Ich entdecke ein viel zu langes Jungent- shirt in dem ich stecke und danach nur meine weißen Beine, die aus meiner Spitzenunterwäsche hervorschauen - verdammt. "Warum muss nur mir immer so etwas passieren?".

Kurz überlege ich mich einfach zusammen zu ringeln und so zu tun, als würde mich das ganze gar nichts angehen. Wenigstens bin ich nicht in Alex Armen erwacht.

Einen zweiten Versuch wagend, setze ich mich trotz des Hämmern in meinem Kopf auf und schwinge die Füße aus dem Bett. In diesem Moment entdecke ich den Zettel, der neben einem Glas mit Wasser auf dem Tisch liegt. Sofort stürze ich das Wasser herunter, ich hatte gar nicht gemerkt, wie durstig ich doch war.

Erst jetzt konzentriere ich mich auf das Zettelchen.

 

 

 

Wenn du aufgewacht bist und brav dein Wasser getrunken hast,

kannst du zu mir herunter in die Küche kommen und mit mir frühstücken.

Außerdem habe ich eine Kopfschmerztablette, die du dringend benötigen wirst.

Zudem wartet eine Überraschung auf dich, ob positiv oder negativ überlasse ich dabei lieber dir ;)

 

 

 

"Ob positv oder negativ überlasse ich dabei dir?" lese ich den letzten Satz noch einmal. Also nach diesem Erwachen brauche ich nicht noch eine negative Überraschung. Eine Nacht ohne Erinnerungen reichen mir völlig, danke. An meiner Lippe herumnagend zögere ich das Unvermeidliche noch etwas heraus. Schließlich wird mir das Herumgesitze zu blöd und ich stehe auf. Außerdem habe ich einfach so einen starken Durst. Jedoch suche ich vergeblich nach einer Hose oder etwas anderem das ich mir über die nackten Beine ziehen könnte.

Aufseufzend entschließe ich mich dann doch in meinen halbnackten Zustand Alex gegenüber zu treten. Da ich mich sowas von überhaupt nicht in diesem fremden Haus auskenne, folge ich einfach dem Speckgeruch. Nachdem ich eine Treppe heruntergestolpert bin und erst in einem riesigen Bad gelandet bin, habe ich endlich die Küchentür entdeckt. 

"Also ähm hi" eröffne ich das Gespräch als ich die Tür öffne und erstarrt stehen bleiben.

Vor mir dreht sich gerade Elias mit einem Gewinnerlächeln um. Sofort schießt mir das Blut in die Wangen und ich zerre das T-shirt soweit herunter, wie es geht. 
"Hey das gibt es jetzt nichts, was ich nicht schon gesehen hätte" antwortet er mit einem größer werdenden Lächeln.

"Oder glaubst du allen ernstes, dass du dich in deinem Zustand selber umziehen konntest?".

Mein Kopf muss aussehen wie eine rote Ampel, jedoch schlägt meine Scham schnell in Wut um.

"Was machst du hier" knurre ich überaus gereizt.

"Du solltest dich wohl eher fragen, was machst du in meiner Wohnung" entgegnet er schadenfreudig, während sein Blick genüsslich über meinen entblößten Körper wandert.

"Hallo hier sind meine Augen" und zeige in mein Gesicht, weil sein Blick mir Gänsehaut einjagt.

"Von Anatomie habe ich Ahnung, keine Sorge, aber ich finde doch den Rest deines Körper noch einiges sehenswerter" erwidert er gelassen.

Da ich nicht weiß, was ich antworten soll und mich gleichzeitig seinem prüfenden Augen entziehen will, setze ich mich auf den Küchenstuhl.

"Also wie bin ich hier gelandet?" gebe ich mich geschlagen.

Ein dickes Grinsen breitet sich über sein Gesicht aus, doch statt was zu sagen, stellt er mir erstmal einen Teller mit gebranntenem Speck, Spiegelei und Orangensaft hin. Daneben legt er eine Schmerztablette. Durch die ganze Aufregung hatte ich gar nicht gemerkt, wie hungrig ich doch eigentlich bin. Meinen Stolz herunter schluckend bedanke ich mich ganz brav und beginne dann das Essen herunter zu stürzen. Dabei entgeht mir nicht, wie liebevoll auch diese Küche eingeräumt ist. Die Küche besteht aus einer Kücheninsel mit Herd, Backofen und Schneidefläche. Etwas abseits und eher der Tür zugewandt steht dann ein runter Tisch für vier Personen. Was mir jedoch am meisten gefällt sind die riesigen Fensterflächen die sich von der Decke bis zu dem Boden erstrecken und einen Blick auf einen kleinen angrenzenden Wald bieten.

"Also ich glaube die Geschichte beginnt mit einem sich übergebenden Edward". Erschrocken schaue ich ihn an. Edward hatte sich übergeben, mein bester Freund der sich bis jetzt immer über die Alkoholleichen lustig gemacht hatte, war selber zu einer geworden?

"Nun gut dann beginnen wir mal" räuspert er sich.
"Es war einmal ein Prinz Namens Edward -" ich werfe ihn einen genervten Blick zu.

"Hey ich wusste ja nicht, dass unsere Hexe etwas gegen Märchen hat. Auf jeden Fall -" beeilt er sich zu sagen, als ich mein Messer in seine Richtung hebe.

"Auf jeden Fall hatte Edward einen oder auch zwei Drinks zu viel und das leider schon gegen 24 Uhr. Ich hatte es geschafft ihn gerade noch bis zur Toilette zu schaffen und dort hat er sich dann übergeben. Zum Glück hatte ich auf Alkohol verzichtet und konnte ihn nach Hause fahren. Als ich dann zurück in die Bar kam, schließlich hatten sowohl deine kleine Freundin als auch ihr Freund getrunken, kam ich einem völlig aufgelöstem Paar entgegen. Lissie greinte herum, dass irgendso ein Typ sie begrabscht hätte und James wollte sich unbedingt an ihm rächen, konnte nur leider nicht mehr gerade stehen. Also fuhr ich auch sie nach Hause".
Ein wenig schäme ich mich schon für meine Freunde, schließlich haben sie sich nicht von ihrer besten Seite gezeigt und dann erst ich. Verlegen starre ich auf meinen Teller, Elias redet derweilen weiter.

"Nun kommen wir zum krönenden Höhepunkt unseres Abends, der kleinen rothaarigen Hexe, die heldenhaft ihre Freundin vor einen Typen verteidigte und dann selber in den Fängen eines solchen gelangte".

"Hey Alexander war nicht so, er war echt fürsorglich, ja!" korrigiere ich ihn.

"Er hat gesagt er heißt Alexander" lacht Elias auf.

"Ähm ja" erwidere ich kleinlaut immer röter werdend.

"Dieser Mistkerl" lacht Elias laut auf.

"Meine kleines Temperamentbündel, da muss ich dich leider enttäusch-"

"Ich bin nicht dein kleines" knurre ich erzürnt.

"Jaja, mach es dir nur selber vor. Jedenfalls heißt dein Alexander in echt Robin".

Ich laufe feuerrot an. Scheiße, scheiße, scheiße.

"Darf ich jetzt in meiner Erzählung fortsetzen, nachdem dir deine eigene Dummheit klar geworden ist?" meint er spöttisch.

"Du bist der größte Mistker-".

"Psst" unterbricht er mich, den Finger auf meinen Mund legend. Aus der Situation heraus probiere ich ihm in den Finger zu beißen.

"Ey, nicht so bissig werden hier" weist er mich zurecht "oder magst du nicht den Rest hören".
Ich stöhne frustriert auf, was ihm nur ein wissendes Lächeln entlockt.

Einerseits will ich wissen wie es weitergeht aber anderseits will ich gar nicht wissen, was in dieser Nacht geschehen ist.

"Ich steige also aus meinem Auto und sehe, wie eine kleine rote Furie gerade in den Armen von Robin zusammenbricht. Natürlich heldenhaft rufe ich Robin entgegen, dass er dich sofort herunterlassen soll. Gott sei Dank, kennt er mich und weiß das mit mir nicht zu spaßen ist. Er überreicht mir also die bewusstlose Hexe und zieht nach einem Wortwechsel mit mir ab. Übrigens, bist du wirklich zu doof um zu bemerken, dass er die was ins Getränk getan hat? Leider schaffe ich es auch nicht im Auto die Hexe zu wecken. Demnach weiß ich also auch nicht wohin mit ihr und nehme sie mit zu mir nach Hause. Leider muss sie sich beim herausheben übergeben-"
Entsetzt stöhne ich auf und vergrabe meinen Kopf in meinen Händen. "Kann es denn noch peinlicher werden?".

Ohne sich stören zu lassen spricht Elias weiter.
"- und ich darf sie ausziehen und umziehen. Im übrigen das erste was mir an diesem Abend viel Freude bereitet hat. Schwarze Spitze steht dir". Ein böser Blick meinerseits.

"Dann lege ich dich ins Bett und da ich nun echt zu müde war, um mein Sofa auszuziehen und dann auch noch neu zu beziehen, habe ich mich mit dazu gelegt. Jetzt kommt übrigens mein Lieblingsteil".

Ängstlich schaue ich ihn an. "Was verdammt habe ich gemacht?".

"Weißt du wie schwer es für einen Jungen ist mit einem halbnacktem Mädchen in einem Bett zu liegen und als würde das nicht schon ausreichen, kuschelt das Mädchen sich noch an einem heran und küsst einen. Verdammt ich müsste ein Heiliger sein um dabei ruhig Blut zu bewahren".

"Du spinnst doch, du könntest mir jetzt alles erzählen" erwidere ich bissig. Dabei habe ich jedoch panische Angst was noch alles geschehen sein könnte.

Elias stellt sich jetzt direkt vor mich und beugt sich zu mir herunter, sodass er mir direkt ins Ohr säuseln kann.

"Du weißt gar nicht wie sehr ich mich beherrschen musste". Dann küsst er mich in den Nacken.

Sofort bekomme ich Gänsehaut und versuche ihn wegzuschubsen. Er hat jedoch damit gerechnet und hält meine Hände fest.

"Bleib ruhig Wildkatze, ich bin noch nicht fertig". Ich zucke vor ihm zurück, hänge jedoch an seinen Lippen.

"Weißt du ich bin ja eigentlich anständig, aber als du mich zu dir herangezogen hast und mir deine Zunge in den Hals gesteckt hast, da musste ich echt an mich halten um dich nicht einfach splitternackt auszuziehen und Dinge mit dir zu treiben, die dein Gesicht so schön rot leuchten lassen".

Automatisch laufe ich rot an. Wieder beugt er sich zu mir herunter und ich merke wie mein Puls in die Höhe schnellt.

"Aber ich war ein lieber Junge und habe dir stattdessen ein T-shirt von mir angezogen, bevor ich mich doch noch vergesse".

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte, stoße sie jetzt jedoch erleichtert aus.

Grinsend gibt er mir nochmals einen Kuss, meine Hände dabei zwischen seinen einklemmend. Dabei muss er mitbekommen, wie stark mein Puls geht.

Schließlich lässt er mich los und ich reibe mir erleichtert über meine Schultern.

Endlich schaffe ich es die Frage auszusprechen, die ich mich die ganze Zeit nicht losgelassen hatte.

"Warum hast du mir geholfen?".

Das entlockt Elias ein Lächeln und während er sich eine Tasse Kaffee nimmt, erwidert er.

"Ich mag es nicht, wenn mein Mädchen sich wie eine Schlampe aufführt, vor allem wenn sie meine Tanzpartnerin ist".

Bevor ich mich versehe, habe ich meine Tasse nach ihm geworfen. Er sieht so erschrocken aus, wie ich mich fühle.

"Ich bin nicht dein 'Mädchen' und vor allem bin ich nicht deine Tanzpartnerin" zische ich ihn an.

 

"Okay wenn das so ist und du meine Hilfe nicht benötigst, dort ist die Tür" entgegnet er völlig gelassen doch seine Augen blitzen dabei gefährlich. Das Grün wirkt dabei dunkler als sonst und es benötigt meine gesamte Beherrschung um aufzustehen und Richtung Tür zu gehen. Erst als ich an der Eingangstür stehe wird mir bewusst, dass ich erstens nicht weiß, wo ich mich befinde und zweitens, dass ich nichts zum Anziehen habe.

Einen Augenblick schließe ich die Augen und bleibe vor der geschlossenen Tür stehen.

Dann gebe ich mir einen Ruck und drehe mich um. Im Türrahmen steht Elias und lächelt mich süffisant an.

"Lächel nicht so vergnügt, Arschloch" kommentiere ich sein Grinsen.

Wieder blitzen seine grünen Augen auf.

"Das Arschloch kann dir aber Kleidung geben, da deine eigene noch in der Wäsche ist".

Ich gebe mein aggressive Haltung auf und nicke. Mittlerweile fühle ich mich auch so in richtig schöner Katerstimmung und will mich einfach nur noch hinlegen und das möglichst in meinen Bett.

Also folge ich ihm hoch in sein Zimmer. Er sucht mir eine etwas kleinere Jogginghose heraus und ein frisches blaues T-shirt. Auch wenn ich es sehr ungern zugebe, so muss ich gestehen, dass seine Sachen sehr gut riechen. Als er keine Anzeichen macht aus dem Zimmer zu verschwinden, trotz das ich mich jetzt gerne umziehen mag, reagiere ich trotzig. Ich starre ihm direkt in die Augen während ich ganz langsam sein T-shirt ausziehe, schließlich sieht er mich nicht zum ersten Mal im BH. Dabei betrachte ich jede Veränderung in seinem Gesicht. Wie er hart schluckt und sich seine Augen verenken, während sie genießerisch über mich gleiten. Mein Körper ist ein mieser Verräter, denn ich bekomme Gänsehaut was er mit einem wölfischen Grinsen quittiert. Endlich kann ich seinem Blick entrinnen, als ich angezogen vor ihm stehe.

"Ich hätte dir auch gerne eine Dusche anbieten können" erwidert er rau, während seine Augen sich verdunkeln. Ich merke wie mein Mund trocken wird und sich meine Haare am Körper aufstellen. Mir ist es nicht möglich dem Bann seiner Augen zu entkommen und plötzlich sind alle Bedenken weg. Mein ganzer Körper schreit danach, mich gegen ihn zu kuscheln, ihn zu riechen, seine rauen Bartstoppeln an meiner weichen Haut zu spüren und seine heißen Küsse - "stopp" knurre ich und sein Lächeln wird breiter. Endlich schaffe ich es den Augenkontakt abzubrechen und sofort sind die merkwürdigen Sehnsüchte verschwunden. Mit einmal fühle ich mich als hätte ich einen schweren Kampf ausgefochten und meine Glieder werden ganz schwer.

"Ich möchte jetzt gerne nach Hause" krächze ich erschöpft. 

"Kein Problem, so wie du aussiehst fahre ich dich lieber" und schwupps hat er mich hinter sich hergezogen und in sein Auto gesetzt. Den Rückweg über Schweigen wir, doch er grinst die ganze Zeit so teuflisch, dass ich froh bin hinter mir die Tür schließen zu können. Zu tiefst hat mich dieser kurzer Moment mit seinen ganzen verwirrenden Gefühlen mitgenommen und ich schaffe es gerade mal meine Mutter zu begrüßen. Dann liege ich im Bett und verschlafe den gesamten Samstag und damit auch meinen Kater.

Rache ist süß...

 Ich hasse Montage. Vor allem Montage nach einem verkaterten Samstag.

Und dann noch der Gedanke, dass ich halbnackt vor Elias stand. Innerlich aufstöhnend, öffne ich die Eingangstür zur Schule. Weil mich scheinbar der Herr dort oben hasst, fällt mein erster Blick auf Elias.

"Guten Morgen Baby".

"Ich bin nicht dein Baby" erwidere ich müde.

Ohne auf sein Grinsen einzugehen, laufe ich an ihm vorbei. Doch dabei habe ich vergessen, dass es hier um Elias geht und Elias nicht einfach Ruhe geben kann. Ohne das ich mich umdrehen brauche, spüre ich seine körperliche Präzens hinter mir. Als ich an meinem Schließfach angekommen bin, halte ich es nicht mehr aus.

"Was Elias, was willst du von mir?" schauze ich ihn, meine Bücher ins Fach pfeffernd an.

"Da gibt es soviele Antwortmöglichkeiten, Darling" und bevor ich mich versehe, hat er mich gegen den Schrank gedrängt. Sein Duft erinnert mich sofort an sein warmes kuscheliges Bett und dafür könnte ich mir in den Hintern treten. Lassiv beugt er sich zu mir herunter und ich halte die Luft an.

"Du und ich in meinem Bett, dich nackt hier vor aller Augen oder dich als meine Tanzpartnerin - soviele Antwortmöglichkeiten" haucht er mir ins Ohr. Ich kann die Gänsehaut nicht unterdrücken, genauso wenig wie meinen schnellen Herzschlag.

"Elias" krächze ich vorwurfsvoll und versuche nicht in seine Augen zu schauen.

Bevor ich es jedoch verhindern kann, hat er mit seiner Hand mein Kinn umfasst und zwingt mich meinen Kopf zu heben. Wiesengrüne Augen. Ein unendliches grün. Meine Beine beginnen zu zittern und ich kann mich einfach nicht von ihm losreißen, nicht einmal als er mit seinen Lippen meinen gefährlich nahe kommt.

"Später" flüstert er mir gegen die Lippen und dann ist fort.

Meine anfängliche Verwirrtheit weicht schnell Scham und Wut. Dieses dumme Arschloch und dieser verräterische Körper der mich einfach in Stich lässt

 

Den ganzen Schultag bin ich abgelenkt, dauernd steht mir die Szene vom Morgen vor Augen. Kurz erwäge ich sogar die Stunden zu schwänzen, die ich gemeinsam mit Elias habe, aber diesen Triumph will ich ihm nicht gönnen. Also setze ich mich neben ihm und probiere mein bestes um ihn zu ignorieren. Zunächst sieht es wirklich gut aus, er belästigt mich nicht und konzentriert sich auf den Unterricht. Langsam wage ich es mir aufzuatmen und mich zu entspannen. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass meine Gedanken sich dauernd um ihn drehen und ich mir überlege wie ich es ihm heimzahlen kann.

Gerade als es zum Unterrichtende klingelt, dreht er sich zu mir.

"Heute Abend 19 Uhr bei mir. Eddy, Lissie und James sind auch da. Wäre lieb wenn du einen Salat mitbringst" und schon ist er verschwunden. Verwundert über seine fast schon normale Art. Nebenbei formt sich sogar der Gedanke, es ihm am Abend wie auch immer heimzuzahlen.

 

 

19:00 Uhr

 

"Danke das du mich mitnimmst". Grinsend steige ich in Eddys Auto.

"Dich immerdoch" erwidert er lächelt und gibt mir zu meiner Verblüffung einen kleinen Kuss auf die Wange. Meine Freude versteckend, ziehe ich ihn ein wenig auf, quatsche über die Schule und alles mögliche Sinnlose, was mir halt eben einfällt.

Als wir ankommen, fällt mein Blick sofort wieder auf das angrenzende Wäldchen. Es ist eine geradezu künstlerische Kulisse. Doch meine Aufmerksamkeit wird von dem Lärm aus dem Haus angezogen, auch Eddy bemerkt es.

"Kommst du?" ruft Eddy mir zu und da ich nicht sofort reagiere sondern noch einen neidischen Blick auf das Wäldchen werfe, packt er wortlos meine Hand und zieht mich hinter sich her.

"Ruhig Brauner" schmunzel ich ihn an, worauf ich einen Knuff in die Seite bekomme.

Kaum haben wir geklingelt wird die Tür aufgerissen, von niemandem anderem als Stacia. Ich kann leider nicht verhindern das mir meine Gesichtszüge entgleisen und sich in mir der Wunsch breit macht, sich einfach umzudrehen und zu gehen.

"Was macht die den hier?" kann sie sich einen spitzen Kommentar nicht verkneifen.
"Feiern" erwidert Lissie hinter ihr gut gelaunt und zieht mich ins Hausinnere. Ich bin meiner besten Freundin dankbar, dass sie eingegriffen hat bevor es wirklich hässlich werden konnte.

"Bring dein Salat erstmal in die Küche, das ist einfach gerade hinter nach der zweiten Tür links".

"Sie kennt sich hier aus" ertönt daraufhin Elias Stimme.

Lissie verzieht entsetzt das Gesicht "- darüber reden wir später" und schwupps ist sie eingeschnappt verschwunden. Natürlich muss er es so laut gesagt haben, dass es alle gehört haben. Während Lissie eingeschnappt ist, dass ich ihr von nichts erzählt habe, betrachtet mich Eddy argewöhnisch und Stacia angepisst. Ich zeige Elias ganz erwachsen den Stinkefinger und murmel ein "Arschloch" und bringe dann den griechischen Salat in die Küche.

Meine Laune ist mit einem Mal so schlecht, das ich wirklich überlege einfach wieder nach Hause zu gehen. Noch bevor ich meinen Gedanken in die Tat umsetzen kann, steht Eddy hinter mir und schaut mich aus großen blauen Hundeaugen an.

"Ich weiß das du jetzt schon keinen Bock mehr hast - nein lass mich ausreden" unterbricht er mich noch bevor ich etwas erwidern kann.

"- aber ich würde mich sehr sehr freuen wenn du heute Abend hier bleibst, bei uns ähm bei mir".

Ich hasse ihn. Innerlich seufzend schenke ich ihm ein Lächeln.

"Wenn es sein muss" brumme ich missmutig und bekomme dafür ein dankbares Grinsen.

Wieder einmal zieht er mich an der Hand hinter sich her und in ein riesen großes, sehr teuer eingerichtetes Wohnzimmer. Im Gegensatz zur Küche und Elias Zimmer war das Wohnzimmer in beige gehalten mit einem riesigen Kamin, in dem jetzt natürlich keine Scheite brannten. Eine große schwarze Ledercouch mit dazugehörigem Mahagoni - Glastisch ließen die Atmosphäre etwas heimischer wirken und die Grünpflanzen sowie die von Boden bis Decke reichenden Fenster gaben mir den Rest, um Neid zu empfinden. Das ganze Haus war mit soviel Geschmack eingerichtet, dass sich mir echt die Frage stellt, was Elias Vater von Beruf ist. Auch den anderen ist anzusehen, dass sie ein solches Haus nicht jeden Tag vor Gesicht bekommen.

Ich setze mich möglichst weit von Elias und Stacia weg. Wie ich es nicht anders erwartet habe, kommt schon bald die entscheidende aller Fragen auf, warum und wann war ich schon hier gewesen. Gerade als ich den Mund aufmachen will, um mich irgendwie herauszureden, unterbricht mich Elias.

"Nachdem so gut wie jeder aus dieser Runde Freitagabend gekotzt hat und ich euch alle nach Hause gefahren habe, habe ich mein Handy im Club liegen gelassen. Cassie war so nett und rief meinen Vater an aber da er keine Zeit hatte und ich wirklich mein Handy brauchte, hat sie es hier abgegeben und wie Eltern nun mal sind, hat mein Vater sie zum Kaffee eingeladen".

Überrascht schaue ich ihn an. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er mich vor allen anderen blamiert. Bestürzt wird mir klar, dass er etwas gut bei mir hat und das ich mich vielleicht für mein manchmal das an Zickigkeit grenzendes Verhalten entschuldigigen sollte. Mir schon eine fast ehrlich klingende Entschuldigung einfallen lassend, zerstört er meine Dankbarkeit im nächsten Moment.

"Ihr wisst gar nicht wie schwer es war, sie wieder loszubekommen, ich dachte schon sie zieht bei mir ein". Alle lachen, die meisten werden insgeheim nachvollziehen können, was er sagt, doch mich nervt diese dumme Anspielung wieder. Sie war weder besonders blamabel noch gemein aber ich hasse es dumm oder gar anhänglich vor anderen da zu stehen, vor allem wenn alles was gesagt wurde erstunken und gelogen ist. Meine Entschuldigung kann ich mir also sparen.

"Ja so ist unsere Cassie. Glaubt alle auf dieser Welt dreht sich nur um sie und alle wollen ihre Wünsche erfüllen" zischt Stacia.

"Hast du irgendein Problem mit mir" schnauze ich zurück und spüre Eddys Hand auf meinen Oberschenkel.

"Hey Ladies kein Stress" süffisant lächelt mir Elias zu. Als wüsste ich nicht, dass es nur wieder um das dämliche Thema "Tanzball" geht und Stacia eifersüchtig ist, dass ich mit Elias tanze. Padón mit ihm angeblich tanzen muss. Nicht mit mir.

"Stacia ich habe dir schon mal gesagt, dass du nur zu gerne mit diesen Affen tanzen gehen kannst" und damit erhebe ich mich und verlasse das Zimmer ohne die entsetzten Blicke der anderen zu beachten.

"Dieser Scheißkerl" denke ich mir, während ich zur Ablenkung Besteck und Teller für das Abendbrot hinräume. Ohne etwas zu sagen gesellt sich Lissie dazu und hilft mir. Keine Minute später ist auch James da und ihm folgt dann noch der Rest der Meute. Während des Abendbrotes schließe ich einen Waffenstillstand mit Stacia, da der Abend eigentlich ganz schön ist.

Zwischendurch kommt zu meinem Entsetzen auch noch Jasmin dazu und es ist nur Lissie und natürlich dem Alkohol zu verdanken, dass ich es mit Humor überstehe. Zwischendurch fällt mir auf, dass auch Edward Alkohol trinkt und als ich ihn etwas genervt - schließlich ist er Fahrer und morgen ist Schule - darauf anspreche, erklärt er mir das wir hier übernachten. Nachdem dann auch noch Stacia und Jasmin anfangen die Jungs zu bezirzen, gehe ich zusammen mit James und Lissie an den Waldrand, um mir das nicht anzutun. Lissie weiß wir elend mir zu Mute ist, schließlich versenkt Jasmin gerade ihre Zunge in Eddys rachen. Damit ist für mich der Abend, der zunächst gar nicht so schlecht war den Bach runter. 

"Ähm Cassie, nichts für ungut aber James und ich machen jetzt nach Hause".

"Könnt ihr mich mitnehmen, bitte" quengle ich wie ein kleines Kind. Nur der Gedanke alleine mit diesen vier zurück zu bleiben, lässt mir Galle hochsteigen. Ich will nicht mit zusehen wie mein Schwarm einem anderem Mädchen den Hof macht und was weiß ich noch mit dazu.

Lissie schaut mich entschuldigend an und sofort weiß ich, dass mir ihre Antwort nicht gefallen wird.

"Cassie wir dachten echt Eddy fährt dich nach Hause, deswegen sind wir mit dem Smart. Es tut mir echt leid". 

 

 

23:00 Uhr

 

Ich höre das zuschlagen der Smarttüren und seufze laut auf. Ich habe zwei Möglichkeiten, entweder laufe ich jetzt los und bin in zwei bis drei Stunden zu Hause oder ich verziehe mich in irgendein Gästezimmer mit der Begründung ich wäre müde. Weil ich leider nicht mehr nüchtern bin und wohl der faulste Mensch der Welt entscheide ich mir für zweitens. Als ich reingehe, sitzt Elias auf dem Sofa und links und rechts von ihm Stacia und Jasmin, wobei Stacia mehr auf ihm drauf liegt als sitzt.
"Wo ist Eddy?". Drei sehr alkoholisierte Augenpaare sehen mich an, eins gerade dabei fast einzuschlafen.

"Er hat zuviel getrunken und liegt mit einem Eimer im Gästezimmer". Ich stöhne auf. Nie aber wirklich nie hat er sich so betrunken, erst als dieser Neandertaler aufgetaucht ist fing er mit solchem Mist an.

"Ähm okay, wo ist ein anderes freies Gästezimmer?".

"Wir haben kein anderes mehr" lächelnd beobachtet mich Elias. Wenn er glaubt, dass würde mir etwas ausmachen, dann hat er sich geirrt.
"Okay dann schlafe ich mit bei Eddy" und schwupps habe ich mich umgedreht und will loslaufen.

Jedoch habe ich nicht mit Jasmin gerechnet. Ich bekomme einen fetten Schubser und muss aufpassen nicht hinzufallen.

"Spinnst du jetzt völlig?" knurrend drehe ich mich zu ihr hin.

"Lass deine Finger von ihm, ich schlafe mit bei ihm. Das haben wir vorhin ausgemacht!".

"Wie viel Alkohol musste er trinken, damit er da zu gestimmt hat?" konter ich gehässig, was zu einem solchem Schubser führt, dass ich auf dem Hintern lande. Ich kann dabei nicht verhindern das meine Wangen vor Wut rot werden.

"Du kleiner Giftzwerg stellst dich nicht mir und Eddy in den Weg verstanden!" und schon ist Jasmin an mir vorbei gestürmt. Ätzend raffe ich mich auf und streiche über mein schmerzendes Hinterteil. Diese doofe Zicke.

Überaus genervt, wende ich mich Elias zu. Sein lauernder Blick gefällt mir nicht.

"Dann schlafe ich eben auf den Sofa" meine ich besänftigend, schließlich will ich wirklich nur einfach schlafen.

"Das wird nicht gehen" wieder dieser Glitzern in seinen Augen. Ich brauche nicht einmal nachzuharken, weshalb das nicht geht, da Stacia in diesem Moment mit Schnarchen anfängt.

"Gut, wo hast du sonst noch Platz" knurre ich missmutig.

"In meinem Bett". Sofort steht mir wieder das Bild vor Augen, wie ich von ihm gegen das Schließfach gepresst werde. Wieder beginnen meine Wangen zu leuchten.

"Du eingebildetes, perverses -"

"- mal ganz ehrlich, du hast schon mal mit mir in einem Bett geschlafen. Hat unsere kleine Cassie etwa Angst, ist sie zu klein um sich vor dem großen starken Elias zu wehren" dabei funkeln mich seine Augen an.

Ja ich bin doof, aber er hat genau die richtige Stelle getroffen und das sich Jasmin im vorherigen Satz schon über meine Größe ausgelassen hat, macht es nicht gerade besser. Ich habe verdammt nochmal keine Angst vor Elias Declair.

"In Ordnung" erwidere ich gleichgültig. Für einen Moment wirkt Elias wirklich überrascht, doch er hat sich so schnell gefangen, dass ich mir nicht mehr ganz sicher bin.

Ohne ihm auch nur einen Blick zu schenken, laufe ich in sein Zimmer. Außerdem kann ich auch auf dem Boden schlafen. Doch die Idee kann ich gleich wieder vergessen, da unzählige Kartons herumstehen.

Hinter mir öffnet sich die Zimmertür und Elias huscht herein. Er grinst mich überheblich an. Siedend heiß fällt mir ein, dass ich ja keine Schlafsachen dabei habe, da ich dachte das mich Eddy nach Hause fährt. So als könnte Elias meine Gedanken lesen, weißt er auf ein T-shirt. Ich will ihn schon fragen wo ein Bad ist, als mir eine Idee kommt. Eine gefährliche Idee, aber perfekt für meine Rache.

Elias zieht sich vor der Tür einfach sein T-shirt über den Kopf, sodass ich einen guten Blick auf seinen trainierten Bauch habe. Weiter geht es mit der Hose. Er stolziert mit einem herausfordernden Blick an mir vorbei und legt sich ins Bett. Ich kann nicht verhindern das ich rot werde. Trotzig weiße ich ihn an sich umzudrehen. Damit hat er scheinbar nicht gerechnet, doch er macht es zu meinem Erstaunen. Schnell werfe ich mein Zeug ab, laufe zu seiner Hose und lege sie zuammen mit meiner auf dem Bett. Dann erlaube ich ihn wieder herzuschauen Seine Augen verenken sich, als ich in roter Spitzenwäsche, meiner Lieblingswäsche im übrigen, vor ihm stehe. Ich muss mich echt zusammenreißen, um mir nicht einfach das T-shirt zu schnappen und es über mich zu werfen. Im Stillen bete ich, dass er genug Alkohol intus hat, damit es auch wirklich klappt. Langsam näher ich mich seinem Bett. Er schluckt hart und ich entdecke sein Verlangen. Ich klettere nicht einfach nur neben ihn, sondern setze mich rücklings auf ihn drauf. Verblüfft beobachtet er mich, wobei ich ihm versuche nicht in die Augen zu schauen. Ganz sanft streiche ich ihm über die Brust, seine Muskelstränge entlang und merke wie er scharf einatmet. Ich näher meinen Lippen den seinen und fahre währenddessen mit meinen Armen seine hinauf, lege sie hinter seinem Kopf zurecht. Zu meinem Erstaunen schließt er die Augen und lässt es mit sich geschehen. Jetzt kommt der heikle Teil. Spielerisch beiße ich ihm in den Hals, was er mit einem kleinem Stöhnen quittiert. Dann küsse ich mich langsam zu seinem Gesicht hinauf, währenddessen umschlinge ich seine Hände mit dem Gürtel. Für einen Moment öffnet er verwirrt die Augen. Daraufhin beiße ich ihm sanft ins Ohr.
"Kleine Wildkatze" seufzt er daraufhin genießerisch und ich schlinge den Gürtel um das Bettgestell.

"Küss mich" knurrt er mich an.

Wieder näher ich meinen Lippen den seinen und erwartungsvoll starrt er mich an. Das ist der Moment indem ich den Gürtel einharken lasse. Ich ziehe mich von ihm zurück und nach einer Sekunde der Verwirrung versteht er, was ich getan habe. Schnell gehe ich von ihm herunter und ziehe das T-shirt drüber.

"Du kleines Miststück" knurrt er wütend und zerrt verzweifelt an seinen Fesseln.

Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen und schnappe mir seine Decke und dann sein Kopfkissen.

"Schlaf schön Elias" rufe ich fröhlich und verschwinde in das Bad, mit dieser riesigen Badewanne. Kurz habe ich Angst, dass ich den Gürtel zu straff gezogen habe, aber dann bin ich mir sicher, dass ich genug Raum eingeplant habe, damit seine Blutzufuhr nicht stoppt, er sich aber nicht befreien kann. Voller Stolz stelle ich mir meinen Wecker und schlafe, nicht in der entspanntesten Position, in Elias Declairs Badewanne ein.

....

Mit einem Grinsen im Gesicht werde ich von meinem Wecker geweckt. Es dauert einen Augenblick bis ich verstehe, weshalb ich so gut gelaunt bin. Es braucht jedoch nur einen Blick um zu sehen, dass ich in einer Badewanne schlafe. Damit kommen auch die Gedanken an gesternd Abend und schon habe ich eine Begründung für mein dümmliches Grinsen. Ich erhebe mich und verziehe schmerzhaft das Gesicht, mein Nacken ist absolut steif. Ich lasse mir trotzdem nicht meine Laune trüben und verlasse beschwingt das Badezimmer. Erst nachdem ich vor Elias seiner Tür stehe, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Schließlich muss ich da jetzt rein und ihn vom Bett abmachen.

Geschlagene vom Minuten stehe ich vor seinem Zimmer und getraue mich nicht hinein zu gehen. Zwischendurch wäge ich sogar ab, Eddy zu wecken nur damit er sich um mein Problem kümmert. Doch dann wäre nicht nur Elias schlecht auf mich zu sprechen sondern auch Eddy. Während es mir beim ersterem egal wäre, würde es mich bei Eddy doch arg stören. Mir innerlich einen Fußtritt verpassend, öffne ich so leise es geht die Zimmertüre. Mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich bin mir sicher das es Elias auch hören muss. Zu meinem Glück schläft er aber tief und fest. Langsam ein Fuß vor dem anderem setzend, nähere ich mich seinem Bett, wo das nächste Problem auf sich wartet. Ich komme an den verdammten Knoten nicht dran. Ich versuche es in den unmöglichsten Position, stehend, sitzen, kniend. Im Endeffekt ist genau das passiert, was ich vermeiden wollte. Ich muss zu Elias ins Bett um den Knoten rauszubekommen und wenn Elias dabei erwacht, dann Gnade mir Gott.

So vorsichtig wie nur irgendwie möglich, platziere ich meine Knie neben Elias und beuge mich dann über ihn drüber. Vor Aufregung zittern meine Hände und dauernd lunze ich zu ihm herunter, ob er auch ja schläft. Schließlich wird mir klar, dass das so nichts wird. Entweder ich hole jemanden oder ich nehme in Kauf das er aufwacht und ich es nicht sofort bemerke. Da ich mich jedoch schäme und gleichzeitig nicht einsehe vor Elias Angst zu haben, unterlasse ich meine zaghaften Versuche und konzentriere mich mit ganzer Kraft auf den blöden Knoten. "Warum muss ich den auch so fest zugemacht haben" knurre ich innerlich, während ich den Knoten hin und her zerre. Endlich ist es geschafft, innerlich aufseufzend beuge ich mich zurück und starre prompt in die offenen Augen von Elias. Mein Herz setzt eine Sekunde aus, während wir uns anstarren. Dann springe ich auf. Elias erwischt meine Hand und zerrt mich zurück.

"Du kleines Miststück" knurrt er, während er mich an sich zieht.

Ich strampel wie eine verrückte und probiere ihm meine Hand zu entwinden. Keine Chance. Bevor ich mich versehen habe, hat mich Elias wie ein kleines Kind hochgehoben und aufs Bett fallen lassen.

"Au das tut weh" murre ich ihn an.

Im nächsten Moment befinde ich mich in der Position in der Elias gestern war. Meine Arme werden über den Kopf von Elias seiner Hand festgehalten, während er mit der anderen meine strampelnden Beine nach unten drückt und sich dann auf mich draufsetzt. Mir meiner sehr peinlichen und zweideutigen Position bewusst, laufe ich rot an.

"Na wie fühlt sich dann Wildkatze" säuselt er genüsslich.

"Haha Elias sehr sehr lustig. Wärst du jetzt bitte so gütig und würdest von mir heruntergehen?" erwidere ich genervt.

"Warum sollte ich? Du hast mir gestern erst was vorgemacht und mich dann ans Bett gefesselt. Hattest du etwa Mitleid mit mir?".

"Es tut mir leid" murmle ich halblaut.

"Ich habe dich nicht verstanden" knurrt er mit funkelnden Augen.
"Es tut mir leid" erwidere ich lauter. "Darf ich jetzt gehen?".

"Lass mich mal kurz überlegen - nein".

"Aber war-" und schwupps liegt sein Finger auf meiner Lippe.
"Ich finde wir sollten da weitermachen, wo du gestern aufgehört hast, findest du nicht auch?".

Ich merke förmlich wie ich blass werde.

"Du wagst es nicht" zische ich erbost.

Doch er wagt es. Mit einem wölfischen Grinsen beugt er sich zu mir herunter und küsst mich in der Kuhle zwischen meinem Schlüsselbein. Ich winde mich, doch er tut völlig unbeeindruckt. Sein warmer Mund wandert meine Hals hinauf und hinterlässt überall kleine Küsschen. Ich merke wie mein Herz schneller schlägt und ich Gänsehaut bekomme. Und dann beißt er mir doch ernsthaft in mein Ohrläppchen. 
"Elias" knurre ich. "Es reicht, ich habe es verstanden, ich mache das nie wieder, aber bitte hör auf".

Er lacht kurz rau und lässt dann ab von mir.

"Du hast Recht so macht es keinen Spaß".

Er setzt sich auf und schaut mir in die Augen. Wieder einmal fällt mir dieses strahlende grün auf. Ich dachte immer es würde dem Grün einer Wiese entsprechen, doch jetzt waren sie so dunkel, dass ich mir unsicher wurde. 

Ich merkte nicht einmal das er meine Arme losließ. Ich war gefangen von der Schönheit seiner Augen.

"Komm her Wildkatze" ganz leise schleicht sich seine sanfte Stimme in mein Gehirn und ohne groß darüber nachzudenken, setze ich mich auf.

"Ich finde du schuldest mir etwas, denkst du nicht auch. Schließlich musste ich die ganze Nacht in einer furchtbaren Position verharren und habe gefroren". Augenblicklich fühle ich mich schlecht.

Vorsichtig beugt er sich zu mir herab, ohne den Augenkontakt abzubrechen. Wärme steigt mir in die Wangen und ich wehre mich nicht, als seine weichen Lippen auf meine treffen. Ich merke wie ich seufze und ihn zu mir heranziehe. Ich schließe die Augen und plötzlich wird mir klar, was ich hier mache. Geschockt schubse ich Elias von mir weg und springe auf.

Er grinst mich unter halb geschlossenen Wimpern an und ich spüre die Hitze in meinen Wangen, das sanfte Gefühl von seinen Lippen auf meinen und mein schnelles Herzklopfen. Es fühlt sich einfach total falsch an.

"Ich glaube ich muss kotzen" knurre ich wütend und verlasse den Raum.

Was verdammt nochmal ist da gerade geschehen. Ich renne ins Bad und wasche mir erstmal das Gesicht mit kaltem Wasser. Als nächstes durchsuche ich Elias Spiegelschrank bis ich eine eingeschweißte Zahnbürste finde und putze mir die Zähne. Als ich dann auf die Uhr schaue, erlebe ich den zweiten Schreck heute morgen. Wir kommen zu spät zur Schule.

Vor mich hinschimpfend, springe ich in die Klamotten von gestern Abend und sause dann ins Erdgeschoss. Dort sammel ich den total verkaterten Eddy auf und bringe ihn dazu, dass ich mit seinem Auto uns zur Schule fahren kann. Wir schaffen es zur dritten Stunde und ich sage schlicht und einfach die Wahrheit. Wir haben verschlafen. Während ich Lissie in der Schule sehe, tauchen Elias, Stacia und Jasmin nicht mehr auf. Der Unterricht kommt mir heute besonders eintönig vor und dauernd erwische ich mich, bei dem Gedanken was heute morgen nur los war mit mir.

 

 

Die ganze restliche Woche schaffe ich es Elias aus dem Weg zu gehen. In den Stunden, die wir gemeinsam haben ignoriere ich ihn. Mehr als einmal spüre ich seinen spöttischen Blick auf mir und sobald er ansetzt um zu sprechen, unterbreche ich ihn mit einem "Halt einfach deine Klappe". Merkwürdigerweise hält er sich dran und das verursacht mir mehr Unbehangen als ich gedacht hätte. Da Elias ja ein Anhängsel unserer Gruppe ist, bleibt mir nichts anderes übrig, als auch meinen eigenen Freunden aus dem Weg zu gehen, so auch wieder in dieser Mittagspause.

 

 

"Hi Lucas, ich habe dir ein Salamisandwitch mitgebracht" rufe ich, während ich den Kunstraum betrete.

"Oh danke sehr aufmerksam, legst du es auf dem Tisch ab, ich stoße gleich dazu".

Während ich seiner Aufforderung folge, entdecke ich ein Stück Lucas, der in einem Karton herumschurrt. Dabei gibt er mir einen ziemlichen guten Blick auf seine Kehrseite und ich komme wieder nicht drum herum seine durchtrainierte Statur zu bewundern. Er hat ein so breites Kreuz, dass es absolut männlich wirkt aber wiederum nicht so abschreckend, dass man ihn als brutalen Schrank einordnen würde. Natürlich hat er auch einen perfekten Hintern und lange muskelöse Beine. Total in seinen Anblick versunken, bemerke ich nicht, dass er mich etwas fragt und meinen Blick bemerkt.

"Cassie" ruft er noch einmal, mit einem dickem Grinsen im Gesicht.

"Ähm ja" kommt meine nicht besonders intelligente Antwort und ich merke wie meine Wangen anfangen zu glühen.

"Könntest du mir bitte mal was abnehmen" wiederholt er sich und ich beeile mich ihm zu helfen.

"Hey Lucas, wie kann es eigentlich sein, dass ein Typ der Kunst studiert so in Form ist wie du" meine ich leichthin.

"Was soll das heißen?" erwidert er lachend.

"Naja ganz einfach, Informatikstudenten sind absolute Noobs. Irgendwelche Kerle mit Brillen, unscheinbar und viele Pickel. Literatur und Kunststudenten hingegen sind schwärmerisch, unglaublich sensibel und interessieren sich einfach nicht für Sport. Du machst die ganzen Klichees kaputt" beschwere ich mich bei ihm, was er mit einem Lachen quittiert.

"Es tut mir leid, dass ich dich so enttäuschen muss, aber ich interssiere mich sehr für Sport. Ich bin eher der Typ der vier Etagen hochsteigt als mit einem Fahrstuhl zu fahren. Stell es dir einfach so vor, die höchste Kunst ist für mich der menschliche Körper und der muss gepflegt werden".

"Du bist komisch. Ich fahre auch in den zweiten Stock mit dem Fahrstuhl" murre ich und er lacht.

"Du bist mir schon so eine". Immer noch lachend verbringen wir die Mittagszeit zusammen und bevor ich aus der Tür herausgehe, zwinkere ich ihm zu: "Dafür das du mein Kunstlehrer bist, bist du absolut in Ordnung". Er grinst mich an und bedankt sich.

"Freut mich, dafür das du eine nervige Schülerin bist, bist du auch ganz o.K." lachend verschwinde ich.

Als ich die Tür schließe, treffe ich auf Elias der mich mit einem merkwürdigem Blick belegt. Ich straffe meine Schultern und laufe an ihm vorbei. Den ganzen Weg den Gang entlang spüre ich seinen Blick in meinen Rücken und meine Nackenhaare stellen sich auf.

Die nächste Stunde verbringe ich ohne einen Teil aus meiner Gruppe und somit vergeht der Unterricht schnell aber langweilig. Doch kaum bin ich zur Tür heraus, laufe ich gegen Lissie.

"Cassie hast du mir irgendwas zu sagen?" knurrt sie angezickt. Überrascht schaue ich an.

"Ich habe keine Ahnung von was du sprichst" erwidere ich geduldig.

"Na zum Beispiel wo du dich in der Pause herumschleichst und vor allem mit wem" kontert sie schnippisch.

"Achso was das angeht Lissie, es tut mir leid -".

"Sollte es dir auch" knurrt sie missmutig "wann wolltest du mir sagen, dass du auf Lucas stehst, hä? Ich bin deine beste Freundin und habe ein Anrecht so etwas zu erfahren".

"Bitte was" erwidere ich komplex.

"Du und Lucas" meint Lissie schon versöhnlicher.

"Lissie ich habe keine Ahnung von was du sprichst. Ja ich verbringe meine Pausen bei Lucas, aber nicht weil ich auf ihn stehe, sondern weil ich keine Lust auf Elias Visage habe" erkläre ich belustigt.

"Ach Mensch" meint Lissie allen ernstes enttäuscht.

"Wie kamst du überhaupt auf die Idee?" frage ich, während ich mit ihr den Gang entlang laufe, um zur nächsten Stunde zu gelangen.
"Elias hat gesehen, wie du dich aus seinen Zimmer schleichst und er meinte das wäre nicht das erste Mal gewesen. Er meint da würde was laufen und mal ganz ehrlich, sooo abwegig war das jetzt nicht" meint sie gelassen.

Verärgert starre ich sie an.

"Der Typ nervt allmählich".

"Naja wäre cool gewesen wenn du auch einen Freund hättest, vor allem Lucas er ist ja wirklich ein Sahneschnittchen -".

"Lissie!" unterbreche ich sie kichernd.

"Naja was soll´s, aber wenn doch noch was daraus wird sag mir Bescheid, sonst wäre ich dir sehr böse" und damit verschwindet sie.

Belustigt schüttel ich den Kopf und gehe dann in die Biologie. Sofort fällt mein Blick auf Elias, der mit einem eisigem Blick vor sich her schaut. Kurz überlege ich ihn zur Rede zu stellen und ihn aufzuklären, doch dann habe ich einfach keine Lust mit ihm zu sprechen. Außerdem ist es ja nicht so als würde ihn mein nicht existierende Liebesleben etwas angehen. Sofort steht mir wieder die Szene von unserem Kuss vor Augen und ich schüttel mich, um das Bild wegzubekommen. Ich setze mich hin und schon betritt der Biolehrer das Zimmer.

"Ich habe eine gute Nachricht" eröffnet er den Unterricht.
"Der Schulleiter hat uns eine dreitägige Exkursion genehmigt. Wir fahren an dem Freitag in einer Woche um 8 Uhr hier an der Schule los und werden etwa Sonntagabend 22:30 Uhr zurück sein. Ich weiß das kommt alles sehr plötzlich, ich hoffe eure Termine sind verschiebbar, da die Exkursion verpflichtend ist".

Während sich alle darüber freuen, starre ich ihn entsetzt an. Drei Tage mit meinem Biokurs, der will mich doch verarschen. Mein Blick wandert durch die Klasse. Da wäre zu einem Elias - ganz toll, dann natürlich der Zickenclub um Melanie, die absoluten Einzelgänger, die ach so tollen Kiffer und dann noch zwei weitere Mädchen, mit denen ich mich halbwegs verstehe. Das wird die Hölle.

"Die Exkursion sieht so aus, dass wir in eine Hütte in den Wald fahren und dort drei Tage ohne Strom und fließend Wasser auskommen müssen. Natürlich gibt es nicht weitentfernt eine saubere Quelle, wo wir Wasser herbekommen und im Wald können wir dann Bodenanalysen machen und vielleicht auch die Tiere beobachten". Ein lautes Stöhnen geht durch die Klasse. Kein Strom, kein fließendes Wasser. Doch Herr Hoft lässt sich von unseren lautstärken Einwänden nicht beirren.
"Wir werden euch gleich in zweier Gruppen aufteilen und ihr bekommt eine Note auf eure gemeinsame Auswertung der Bodenanalysen". Sofort geht ein Wispern durch die Klasse. Panisch blicke ich mich um, es haben sich schon mehrere zweier Gruppen gebildet und ich habe das Gück, dass ein Mädchen aus der Melanie Fraktion übrig bleibt, mit einem Blick schließen wir uns zusammen. Am Ende ist nur Elias übrig, der sich an eine zweier Gruppe dranhängt. Immerhin habe ich es schon mal geschafft, nicht mit ihm in einer Gruppe zu landen. Den Rest des Tages hadere ich mit Gott, wie er mir noch so etwas antun kann. Natürlich beschwere ich mich bei Lissie, die mich versucht zu trösten und es gut darzustellen versucht - erfolglos. Die nächste Woche jammere ich die ganze Zeit vor mich her. Lucas kann mich gar nicht nachvollziehen, er findet die Idee grandiös - was für ein Verräter. Und dann ist auch schon der Donnerstag vorbei...

Die Exkursion

 Tag 1:

 

Schon beim Aufwachen weiß ich, dass wird sicherlich nicht mein Tag und natürlich muss ich Recht behalten. Nachdem ich am Abend zuvor noch schnell wahlos dicke Pullis, lange Hosen, kurze Hosen und einen Naschvorrat in meinen Koffer geworfen habe, habe ich jetzt keine Ausrede um das Unvermeidliche noch etwas herauszuzögern. Mit einem stummen Seufzer nehme ich den Koffer, verabschiede mich mit Leidensmiene bei meiner Familie und steige dann in den Bus.

 

Als ich an der Schule ankomme, steht da schon mein Biokurs. Ich dachte ja schon das mein Koffer ein wenig übertrieben wäre, aber scheinbar rüsten sich die anderen Mädchen für einen Umzug, insbesondere Melanie muss ihren kompletten Schrank eingepackt haben. Mit einem weiterem lautlosen Seufzer, zerre ich mein Koffer an den anderen Schülern vorbei und stelle mich zu Emely und Nadja, den einzigen zwei normalen Menschen in meinem Kurs. Wir quatschen kurz über banales Zeug bis mir etwas ganz entscheidendes auffällt. Meine Biopartnerin fehlt. 

"Bloß nicht panisch werden. Gehe einfach zu Melanie und frag sie ganz lieb was mit Jessica los ist. Vielleicht hat sie ja einfach den Bus verpasst" rede ich mir zu, kann aber das schlechte Gefühl in meiner Magengegend nicht verbreiten.

Also mache ich mich auf den Weg und tippe Melanie gegen die Schulter.

"Was willst du?" genervt wirft sie sich ihre Haare über die Schultern. Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen und antworte besonders höflich.

"Weißt du zufälligerweise wo Jessica ist?".

"Merkst du eigentlich gar nichts?" blafft sie mich an.

" - die hat sich doch am Mittwoch an ihrem Bruder mit Scharlach angesteckt. Die darf nicht mal in die Nähe der Schule. Echt manchmal frage ich mich, ob du hinter dem Berg lebst" und damit bekomme ich ihre Kehrseite zu sehen. Natürlich ist mein erster Impuls ihr irgendetwas, wie um euch dreht sich nicht die Erde, an den Kopf zu schmeißen doch dann werden mir ihre Worte erst richtig bewusst. Jessica ist krank, das heißt entweder arbeite ich alleine oder mit Elias. Bitte nicht! Kurz keimt in mir die Hoffnung heran, dass vielleicht noch jemand anderes krank geworden ist, aber bis auf Elias und dem Biolehrer fehlt niemand. Wenn ich ganz viel Glück habe ist ja Elias krank und ich kann alleine meine Bodenproben analysieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich alleine am besten arbeiten kann schließlich bin ich in diesem Fall die einzige die es verhauen kann. Meine Gedankengänge werden von dem ankommenden Bus unterbrochen. Der Biolehrer steigt aus und bittet uns unsere Sachen einzuräumen. Sofort beginnt das Gerangel um die besten Plätze - kaum vorstellbar das wir theoretisch alle erwachsen sein sollen. Ich lasse mir Zeit, ist ja vollkommen egal ob ich vorne oder hinten sitze, Hauptsache ich habe einen Einzelplatz. Damit stehe ich jedoch ziemlich alleine da sodass ich die letzte bin die einsteigt. Ich suche mir möglichst weit vorne einen Platz, einfach weil die wenigsten nach vorne wollen und ich meine Ruhe habe. Emely und Nadja setzen sich eine Reihe vor mir, sodass ich mich nicht ganz so ausgeschlossen fühle. Die erste halbe Stunde reden wir nur über den Schwarm von Emely, irgendein Typ der Liedsänger einer Garagenband ist. Nadja hingegen ist seit zwei ein halb Jahren in einer festen Beziehung und kann überhaupt nicht nachvollziehen das Emely ihren Sänger nicht einfach anspricht. Schließlich nachdem wir das Thema von allen Seiten besprochen und analysiert haben, kommt die Frage auf, auf die ich schon seit Beginn des Gespräches gewartet habe.

"Sag mal Cassie, läuft da etwas zwischen dir und Elias. Oder stimmt es und du hast mit dem Kunststudenten etwas am Laufen? "

"Weder das eine noch das andere" versuche ich möglichst nicht genervt zu antworten.

"Elias ist einfach komplett verrückt und bildet sich in irgendeiner verdrehten Gehirnwindung ein das er ein Anrecht auf mich hätte oder er macht sich einfach einen Spaß daraus mich zu provozieren und Lucas ist einfach ein gutaussehender Freund" erkläre ich schmunzelnd.

"Wirklich sehr gutaussehend" wirft Emely schwämerisch ein und wir müssen alle drei lachen.

Danach hängen wir unseren eigenen Gedanken nach, Nadja schläft ein und schnarcht leise. Ich schaue mich noch einmal vorsichtig um, ob denn nicht doch jemand fehlt und bemerke dabei die Abwesenheit von Elias. Also doch alleine arbeiten jubel ich innerlich. Doch wie das Schicksal so gerne spielt, macht es nie das, was wir wollen.

 

Nach weiteren anderthalb Stunden kommen wir endlich an einer verlassenen Bushaltestelle an. Die meisten Schüler haben die Fahrt verschlafen und da die Aussicht auf kein fließend Wasser und kein Strom nicht gerade berauschend ist, zieht sich das Aussteigen ziemlich in die Länge. Trotz das ich in einer der vorderen Reihen sitze, bin ich eine der letzten. Als ich aus dem Bus steige, höre ich lautes Gejammer, schnell wird mir auch der Grund bewusst. Unser verehrter Biolehrer hat sich gerade dafür entschieden, uns mitzuteilen, das wir noch einen 2 Kilometer Weg bis zu der Berghütte vor uns haben. Innerlich seufze ich auf. Gott sei Dank ist mein Koffer handlich. Doch unsere kleine Zickengruppe ist ziemlich am ausrasten, ich kann von hier das Gekreische von Melanie hören, dass sie nicht einen Fuß von der Stelle bewegt und jetzt sofort nach Hause möchte. Armes Prinzesschen, denke ich mir gehässig, drehe mich um und laufe gegen eine trainierte Brust.

"Solche Sehnsucht nach mir?" höre ich eine mir nur allzu bekannte Stimme.

Eigentlich will ich nicht den Blick heben und sehen, dass er doch da ist. Leider ist mein Körper aber schneller als mein Verstand und somit blicke ich in zwei grün verschmitzt guckende Augen.

"Ich glaube ich setze mich neben Melanie und heule mit" schnaube ich genervt.

"Fehlt dir wohl dein Lucas!" bekomme ich als schnippische Antwort und damit dreht sich Elias weg.

"Ahja aber da läuft nix" höre ich die sarkastische Stimme von Nadja. Ich drehe mich Schulterzuckend um.

"Vielleicht hat er seine Tage" erwidere ich grinsend.

"Oder er ist einfach absolut eifersüchtig und weiß nicht, dass zwischen dir und Lucas nichts läuft" kontert sie .

Ich muss mir ein Grinsen verkneifen. 
"Solange er mich in Ruhe lässt, ist mir das völlig egal" und damit drehe ich mich um und hole mir den Koffer.

Auf dem zwei Kilometerweg wage ich es mir dann auch mal, meinen über alles geliebten Biolehrer zu fragen, ob ich denn nicht nach dem Ausscheiden meiner Helferin alleine arbeiten kann. Wie nicht anders zu erwarten, reagiert er borstig und schickt mich in eine Gruppe mit Elias. Kann dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden?

 

Manchmal sollte ich einfach meine vorlaute Klappe halten - und nein es fängt nicht an zu regnen. Stattdessn schaffen wir es nach einem wirklich echt beschwerlichen Weg zu diesem Nichtstrom Haus und dort erwartet uns ein wahres Wunder. Es gibt eine Küche mit Gasherd und mehreren Tischen und Stühlen, ein Bad mit Eimer - ich glaube ihr wisst wozu der Eimer da sein wird - und zwei weitere Räume. Ein Raum für meinen verehrten Biolehrer und einen großen für die Schüler. Dabei sind beide Räume komplett leer, kein Teppich, keine Möbel nur ein Holzboden. Ich bin nicht die einzige die sich etwas fassungslos umschaut. Melanie kreischt etwas von Spinnen und wohl zum tausendsten Mal von "ich will jetzt sofort nach Hause, dass können sie uns nicht an tun, das grenzt an Körperverletzung". Ernsthaft das Mädchen nervt.

"Ähm Nadja ist das überhaupt erlaubt, also Mädchen und Jungs in einem Raum?".

"Nein bestimmt nicht aber das hat "Herr Natur ist einfach super" doch noch nie gestört" antwortet sie grinsend. 

Ich kann ihr innerlich einfach nur zustimmen. Wir haben nicht einmal eine weibliche Aufsichtsperson dabei. Bevor ich jedoch weiter meinen Gedanken hinterher hängen kann, suchen wir uns eine Ecke in der wir dann wohl schlafen werden. Wir breiten unsere Isomatten aus und machen es uns so gemütlich wie es nur geht. Melanie verkündet dabei ganz laut, dass sie neben Elias schlafen wird - soll sie doch, ich streite mich bestimmt nicht mit ihr darum. Nachdem es auch unsere Prinzessin Gruppe geschafft hat auszupacken, ruft uns Herr Hoft zu sich. 

"Hier habe ich eure Arbeitsblätter, die innerhalb von zwei Tagen komplett ausgefüllt an mich zurück gegeben werden müssen und die ich dann benoten werde. Also worauf wartet ihr noch?".

Nach einander schnappt sich jeder seinen Zettel, nur ich stehe da und überlege was ich jetzt machen soll. Ich habe definitiv keine Lust mit Elias zusammen zu arbeiten, vor allem nachdem ich die Aktion in seinem Haus gebracht habe.

"Erde an Cassie, bist du noch da?".

Ich schaue direkt in seine süffisant grinsende Augen und murre nur etwas das wie Zustimmung klingen könnte.

"Na wenn das so ist, würde ich sagen wir beginnen mal. Ob du es glaubst oder nicht, ich hätte gerne eine gute Note" und damit lässt er mich stehen und verlässt das Haus. Verstehe einer mal diesen Jungen.

Der Nachmittag vergeht in Schweigen. Das verunsichert mich mehr, als wenn er dumme Sprüche bringen würde.

"Hey Elias, ich wäre für eine Pause" unterbreche ich die Stille, da ich wirklich kein Bock habe noch weiter in den Wald zu laufen und auf dem Boden rumzukriechen. Ich habe genug Moos, Steine und Erde in kleine Tütchen verpackt und analysiert. Gute Note hin oder her, ich will eine Pause.

"Muss das sein?" knurrt er ohne mich anzuschauen.

Statt einer Antwort lasse ich mich einfach mit einem Stöhnen auf den Boden sinken. Ich sehe wie seine Mundwinkel kurz hochgehen doch dann verzieht er seinen Mund wieder zu einem stoischen Strich.

"Ernsthaft Elias ich dachte deine Machoseite würde mich fertig machen, aber deine 'Ich rede nicht mehr mit dir' Seite ist ja fast schlimmer".

Er starrt mich einen Moment nur eindringlich an und sehe wie er darüber nachdenkt etwas zu sagen und es dann sein lässt. Nach ein paar Minuten unangenehmen Schweigens ergreift er das Wort.

"Ich denke wir können zurückgehen, wir haben ziemlich viel geschafft". Damit steht er auf und lässt mich einfach im Dreck sitzen. Da mein Orientierungssinn Richtung null geht, versuche ich ihm zu folgen.

Natülich verlaufe ích mich und das macht mich richtig wütend. 'So ein Arsch'.

Statt weiterzulaufen - ich würde exakt in die falsche Richtung laufen - setze ich mich erneut in den Dreck und hoffe das mich jemand findet. Ich hatte nicht einmal mitbekommen wie weit wir in den Wald gelaufen waren. Das einzige was mich ablenkt sind die Schimpfwörter die ich mir für Elias einfallen lasse und ich bin wirklich kreativ.

Schließlich finden mich Emely und Nadja.

"Oh Gott das wurde auch Zeit" antworte ich grinsend.

"Elias hat uns gesagt in welche Richtung wir laufen müssen" antwortet Emely grinsend. Ich ziehe nur fragend eine Augenbraue nach oben. Wie schon gesagt verstehe einer diesen Jungen, schickt meine Freunde anstatt sich selber umzudrehen und die 20 Schritte selber zu laufen. Schließlich war ich hinter ihm.

Ehrlich gesagt ärgere ich mich den ganzen Tag über sein Verhalten, egal ob beim Teig kneten für das Lagerfeuer, beim Wasser holen für das anmischen von Tee oder aber direkt beim Lagerfeuer. Manchmal spüre ich seinen Blick auf mir liegen, doch sobald ich mich umdrehe, starrt er in eine andere Richtung. Meistens auf die Brüste von Melanie, die es sich nicht nehmen lässt ihn so richtig anzubaggern.

Trotz allem ist es ein schöner Abend. Das Lagerfeuer, ein ziemlich hohes, knackt fröhlich vor sich hin und taucht den angrenzenden Wald in ein Gemälde aus Schatten und Licht. Wenn ich genau hinhören würde, könnte ich bestimmt das eine oder andere nachtaktive Waldtier hören. Auch gefällt es mir, dass die Jungs Baumstämme aus dem Wald gehievt haben, die wir jetzt als Sitzgelegenheit nehmen. Das beste sind jedoch die Marshmallows die irgendjemand mitgebracht hatte und jetzt im Kreis herumgegeben werden.

Gerade als ich genüsslich in mein Marshmallow beiße - und mir natülich den Mund verbrenne, tippt mir jemand auf die Schulter. Es ist Marion, einer von den in sich selbstverliebten Jungs unseres Kurses. Also das männliche Gegenstück von Melanie.

"Darf ich mich neben dich setzen?". Ich bemerke die verdutzten und fragenden Blicke von Emely und Nadja, kann ihnen aber nicht weiterhelfen, da ich selber nicht weiß was er von mir will. 

Also nicke ich nur.

Nadja rutscht ein wenig zur Seite und er lässt sich zwischen uns nieder, nur um erstmal ins Feuer zu starren. Das gibt mir die Zeit in ein wenig zu betrachten. Er ist irgend so ein Sportler, also breite Schultern, blondes kurzes Haar, blaue Augen und höchstwahrscheinlich nicht sehr intelligent.

"Ähm, es geht ja das Gerücht herum das du mit Lucas zusammen bist, aber da er ja nicht mit zum Abschlussball eingeladen ist, wollte ich fragen ob du gerne mit mir hingehen würdest?" er schaut mich fragend an und ich muss erstmal schlucken und mir das Grinsen verkneifen.

"Also erst einmal bin ich nicht mit Lucas zusammen" ich merke wie er mich geschockt anschaut und dann zu Elias blickt. Elias dumme Warnung mit dem Tanzen geht mir durch den Kopf und mir wird klar, warum Marion plötzlich so nervös ist.

"Aber ich würde gerne mit dir tanzen" antworte ich und schenke ihm ein beruhigendes Lächeln, schließlich ist er der einzige der sich getraut hat mich zu fragen, auch wenn er dachte ich hätte einen Freund und Elias somit nichts dagegen.

"Ähm ja, ähm schön" und damit verlässt er fluchtartig unseren Platz.

"Was war das eben?" meint Emely verdattert.

Also erkläre ich ihnen das Problem mit Elias, von wegen ich solle mit ihm tanzen und es würde sich sowieso niemand wagen mich zu fragen, dafür würde er schon sorgen. Schließlich teile ich ihnen meine Vermutung mit, dass mich Marion nur gefragt hat, weil er dachte ich hätte einen Freund und Elias somit nichts dagegen haben könnte.

"Oho das gibt Ärger" meint Nadja, die gleichzeitig mit mir zu Elias schaut, der nachdenklich in unsere Richtung blickt.

"Ach Quark, ich lasse mir von niemandem vorschreiben was ich zu tun und lassen habe" erwidere ich mutiger als ich mich eigentlich fühle. Ich hoffe bloß, dass Elias erst nach dieser Exkursion erfährt das ich nicht mit Lucas zusammen bin.

 

Tag 2:

 

"Das kann nicht ihr Ernst sein" weckt mich die kreischende Stimme von Melanie, die sich gerade aus Elias seinem Schlafsack quetscht. Nachdem wir drei gestern schlafen gegangen sind, hat irgendjemand den Alkohol herausgeholt und ich will nicht wissen, was den gestern alles noch so abging. Mit einem verschlafenem Blick schaue ich auf die Uhr und verstehe den Ausruf von Melanie. Es ist gerade mal sieben Uhr.

"Das ist eine Exkursion und kein Urlaub, aber da sie schon wach sind können sie ja gleich einmal Wasser für die Klasse holen" und damit lässt Herr Hoft Melanie stehen. Melanie rastet natürlich komplett aus, sodass auch wirklich jeder wach ist bis Elias genervte Stimme ertönt.

"Melanie beweg deinen Arsch und hol das Wasser. Dein Gekreische bereitet mir Kopfschmerzen!".

Sie läuft rot an, dreht sich dann aber um ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen.

"Also nach einer Nacht mit ihr und dem Alkohol hätte ich auch Kopfschmerzen" erwidert Emely total trocken und Nadja und ich brechen in Gelächter aus. Als hätte es Elias gehört, dreht er sich zu uns um.

Dabei legt er so einen nachdenklichen Blick zu Tage, dass ich wirklich kurz überlegen muss ob gestern irgendwas passiert ist und ich mich bloß nicht daran erinnern kann. Aber nein da war nichts. Ich habe den Alkohol nicht angerührt, nicht weil ich prüde bin oder so, ich denke hier weiß jeder das dem nicht ist, sondern weil ich die Leute gut kennen will mit denen ich trinke. Nicht das dann doch mal etwas erzählt wird, was nicht für falsche Ohren bestimmt war.

Nachdem Melanie zurück ist, die Kanne nur halb voll, erhebt sich auch der Rest und es bildet sich eine Schlange vor der Toilette. Da ich keine Lust habe auch anzustehen, bewege ich mich in Boxershort und schwarzem Top Richtung Küche und schau was ich machen kann. Natürlich können es sich unsere Jungs, IQ eines Affes, nicht verkneifen Sprüche zu klopfen, ich ignoriere es.

"Heißes Outfit Cas" meint da plötzlich eine Stimme hinter mir.

Halb verschlafen, erschrecke ich mich und mache einen Sprung weg von der Stimme nur um über einen Schuh zu stolpern. Zwei stärke Hände reißen mich zurück an eine nackte durchtrainierte Brust.

'Verdammt, warum muss er auch noch gut aussehen?' schalte ich mich innerlich und merke wie meine Wangen, mal wieder, erröten.

"Ich verstehe ja das du es magst mit mir zu kuscheln, aber du kannst jetzt gerne los lassen" grinsend beobachtet Elias wie ich mich panisch befreie.

"Reden wir also wieder miteinander?" antworte ich schnippisch und trotz allem etwas erstaunt.

"Sagen wir es so, ich bin gestern über etwas aufgeklärt worden" meint er gönnerisch.

"Schön für dich, könntest du jetzt bitte deinen zu breiten Hintern beseite schieben, ich würde gerne den Tisch decken".

Ein Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus.

"Auch wenn du dich versprochen hast, schön das du meinem Knackarsch Beachtung schenkst".

"Ich - ich habe, ich - ahh" dieser Typ macht mich einfach fassungslos und von seinen Stimmungsschwankungen wird mir schwindelig.

Da mir sowieso kein guter Konter einfällt, der Typ ist einfach so verdammt selbst überzeugt, schubse ich ihn beiseite und hole das Geschirr. Weitere Kurskameraden betreten die Küche, so das kein weiteres Gespräch mit Elias zu Stande kommt - zum Glück.

Zwischendurch schaffe ich es sogar mich umziehen zu gehen und nach dem Frühstück bekommen wir weitere Aufgaben von Herr Hoft.

"Hey Knackarsch beweg dich" rufe ich Elias zu und mache mich auf den Weg. An seinem Gesicht erkenne ich, dass ich ihn überrascht habe. Was er nicht weiß, ich ärgere mich immer noch das er mich heute sprachlos stehen lassen hat und da ich es jetzt nicht mehr ändern kann, muss ich es wohl mit Humor nehmen.

Wie am Vortag verläuft alles schweigend, jedoch haben wir auch viel mehr Aufgaben. Wasseranalyse, Bäume und Kleinpflanzenbestimmung, Tiere zeichnen und benennen und natürlich mal wieder Erdeanalysen. Zum Mittagessen treffen wir uns alle in der Küche. Elias verzieht sich mit einem "Tschüssi meine Kleine" zu Melanie, die mir darauf einen bösen Blick zu wirft. Danach geht es jedoch weiter mit der Arbeit.

 

"Elias, ich glaube wir sollten nicht noch weiter in den Wald gehen" getraue ich es mir einzuwerfen, nachdem ich nicht mehr weiß in welche Richtung überhaupt unseres Haus liegt.

"Ach komm, sei nicht so ein Schisser, hörst du nicht das Wasser. Bestimmt eine gute Stelle um Tierspuren zu finden" und damit lässt mich der Mistkerl einfach stehen.

Ich bin kein Schisser, nur völlig orientierungslos aber kein Schisser. Nur beunruhigt es mich wirklich ein wenig das ich seit 30min keine anderen Stimmen mehr gehört habe. Außerdem wird es langsam dunkel und ich bin orientierungslos! Da mir aber nichts anderes übrig bleibt, folge ich Elias. Ich finde ihn am Bach auf dem Boden sitzend. Er fotografiert irgendwelche Tierspuren.

"Hey Cas, komm her".

Ich erspare es mir ihn daran zu erinnern, dass er kein Recht hat mich 'Cas' zu nennen und lasse mich neben ihm nieder. Als nächstes zeichne ich noch die Spuren auf und erschrecke als ich die Uhrzeit auf das Blatt schreibe.

"Elias, wir müssen zurück es ist 18:30 Uhr".

"Warum, ich finde es hier gerade ziemlich gemütlich. Du und ich, ganz alleine, keine Menschen in der Nähe" meint er mit rauer Stimme.

Alle Alarmglocken schrillen bei mir los und in dem Moment wo ich aufspringe, hat er schon meine Hände ergriffen und mich zu sich heruntergezogen.

Natürlich wehre ich mich, es endet jedoch damit, dass ich auf dem Boden liege und er auf mir drauf hockt und meine Hände über meinen Kopf auf dem Boden drückt.

"Elias" krächze ich "lass es sein".

"Warum sollte ich? Du hast dieses Spiel eröffnet und ich werde es nach meinen Vorstellungen zu Ende bringen".

 

 

Genüsslich beugt er sich zu mir herunter und atmet tief meinen Geruch ein. Ohne mein zu tun bekomme ich Gänsehaut, was er mit einem wölfischen Grinsen quittiert.

"Oh meine kleine Cassie, dein Körper mag mich."

"Gar nicht wahr" fauche ich zurück und merke wie ich erröte.

Sanft zieht er seine Nase über meinen Hals und meine empfindliche Haut spürt jede Pause und jede kleinste Erschütterung.

"Ich könnte es soviel einfacher für dich machen" schnurrt er mir leise ins Ohr.

"Es reicht nur ein einziger Blick und du wirfst mir verfallen" sanft küsst er mich auf mein Kinn.

Automatisch versteife ich mich noch mehr.

"Wie bitte?" krächze ich verblüfft. Dreht er jetzt etwa völlig durch?

"Du bist so unwissend" schnurrt er mir ins Ohr und gibt mir dann einen einen kleinen Kuss auf meine sensible Haut.

"Wie bitte" knurre ich verblüfft.

Er hebt seinen Blick und für einen Moment scheint er mit sich zu ringen.

"Ich finde dich einfach zu interessant eigentlich müsste ich das hier und jetzt beenden".

"Jetzt drehst du völlig durch. Du benimmst dich ja gerade so, als wöllte ich das Ganze hier. Hör auf bitte. Lass mich einfach in Ruhe. Declair du nervst mich, hast du das denn nicht verstanden?"

Ein kleines Grinsen schleicht sich auf seinem Gesicht.

"Achso du willst das Ganze hier also gar nicht? Wer hat sich noch letztens beschwert, dass ich nicht mit ihr geredet habe? - Achja das warst ja du. Ich wette eigentlich denkst du die ganze Zeit nur an mich. Überlegst dir was ich als nächstes mit dir vorhabe, was meine nächste Aktion ist und warum ich mit einem anderem Mädchen in einen Schlafsack krieche.

Kennt ihr diesen Moment, wenn ihr euch nicht eingestehen wollt, dass jemand anderes Recht hat? Ich hasse ihn ernsthaft, wie kann man nur so ein Arsch sein?

"Meine süße kleine Cassie, ich habe schon längst viel mehr Macht über dich und deine Gedanken als du wahrhaben willst. Ich wette sogar, dass du das Ganze hier ziemlich aufregend findest".

"Du spinnst doch" fauche ich zurück und merke wie ich rot werde.

"Das können wir ganz schnell klären" und bevor ich mich versehe, hat er eine seiner Hände gelöst, mir diese unter das Kinn gelegt und zwingt mich ihn anzuschauen. Wieder verfalle ich diesem intensivem Grün und schaffe es nicht, auch nur einen Muskel zu zucken, als er seine Lippen auf meine legt. Ich merke wie ich die Augen schließen will, doch ein Zug an meinem Kinn lässt sie mich wieder aufreißen. Auf Elias Lippen legt sich ein Lächeln und plötzlich merke ich, wie seine Zunge gegen meine Zähne stößt. Mit einem kleinem Stöhnen öffne ich meinen Mund und er nimmt ihn in seine Gewalt.

Erst als er seine Lippen von meinen nimmt, bemerke ich das ich meine Hände in seinen Haaren gekrallt habe und sie absolut verwuschelt sind. Mein Atem geht heftig und mein Herz klopft mir bis zum Hals.

"Siehst du" haucht er genüsslich.

Ich schubse ihn energisch von mir herunter und schnauze ihn an. Danach streiche ich mir demonstrativ mit meinen Ärmel über den Mund, drehe mich um und laufe los.

"Cassie du läufst falsch" höre ich seine amüsierte Stimme.

"Halt deine Klappe Declair" knurre ich zurück.

Ich laufe einfach weiter, bis mich ein Ruck am Arm abrupt zum Stillstand bringt.

"Wir haben uns verlaufen" knurrt Elias. Definitv der Satz, der meinen ganzen Tag versaut.

"Und jetzt" fauche ich zurück.

"Setzen wir uns an den Bach und warten, bis und jemand findet" antwortet er absolut ruhig.

"Genialer Plan" knurre ich sarakastisch und laufe ohne ein Wort zurück.

Ich lasse mich an einem Baustamm nieder und ignoriere Elias, der sich direkt neben mir setzt. Dabei geht mir nicht aus dem Kopf, wie ich vorhin auf ihn reagiert habe. Wie schafft er es mich mit einem Blick all meine Bedenken vergessen zu lassen? Es ist immer wenn ich ihn anschaue. Was zum Teufel läuft mit mir falsch?

Dauernd spüre ich seinen prüfenden Blick auf mir liegen, doch ich benehme mich so als würde ich es nicht merken. Allmählich wird es dunkel und kalt und so dämlich es klingen mag, es gibt nicht grusligeres als alleine im dunklen Wald zu setzen, wo alle zwei Minuten etwas knackt.

Entweder bemerkt es Elias oder es geht ihm selber nicht besser, denn plötzlich werde ich von hinten an einen warmen Rücken gezogen und seine Arme legen sich um mich. Ich merke wie ich mich versteife.

"Ach komm Chérie, ist ja nicht so als wären wir uns nicht schon näher gewesen".

"Halt deine Klappe" fauche ich zurück, lehne mich aber gegen ihn.

"Sag mal, weißt du warum du mit deiner Familie hierher gezogen bist" fragt mich Elias nachdem wir Minutenlang uns angeschwiegen haben.

"Keine Ahnung, ich wohne hier seit ich denken kann. Ich glaube meine Eltern haben irgendwann mal erzählt, dass wir woanders herkommen, aber so richtig reden sie nicht darüber".

Während Elias ein wenig über meine Worte nachdenkt, wird mir eine entscheidende Sache klar.

"Woher weißt du, dass wir hierher gezogen sind und nicht schon immer hier wohnen?". Ich kann dabei nicht verhindern, dass meine Stimme gereizt klingt. Stalkt der Typ mich?

Elias lacht auf.

"Ehrlich gesagt, glaubst du es mir sowieso nicht. Anderseits würde es echt Spaß machen, zu sehen wie du ausrastest".

"Elias entweder du erzählst die Wahrheit, oder du hälst einfach deine Klappe und findest einen Weg wie wir aus diesen Wald kommen".

Elias Brust vibriert als er lacht. Ich hingegen finde es alles andere als lustig. Mir ist kalt, ich habe Hunger und ich fürchte mich. Zum aller größten Unheil bin ich auch noch mit Elias Declair alleine. Diese Exkursion ist ein einziger Reinfall.

"Also Chérie, ich erzähle dir jetzt eine Geschichte, die nur wenige Menschen kennen".

Ich stöhne frustriert auf. Kann er nicht einfach normal sein? Warum sagt er nicht einfach, dass er sich über mich informiert hat und gut ist? Nein jetzt bekomme ich ein Märchen aufgetischt, das rein gar nichts mit dem Thema zu tun hat.

"Vor vielen Jahrhunderten, lebten zwei verschiedene Stämme unter den Menschen, ohne das diese eine Ahnung hatten, dass diese existierten. Beide Stammesoberhäupte waren miteinander befreundet, sodass die Stämme im Frieden miteinander leben konnten. Es gab nur eine wichtige Regel, die beiden Stämme durften nicht miteinander vermischt werden. Doch so wie in jeder Geschichte, konnte auch hier nicht alles gut gehen. Die Tochter des einen Stammesoberhauptes, dem Stamm der Isciander, verliebte sich in einen Jungen des anderen Stammes, dem Stamm der Acurander. Beide flohen gemeinsam und bekamen ein Kind. Ein neuer Stamm war geboren, der Stamm der Ecerrender. Natürlich blieb das Verschwinden der beiden Stammesleute nicht unentdeckt. Der Stamm der Acurander entschloss sich die beiden Flüchtigen aufzuspüren und zu richten, sollte ein Kind geboren worden sein. Der Stamm der Isciander hingegen wollte nicht das die Häuptlingstochter starb und überlegte, nur das entstandene Kind zu richten, da es zuviel Macht haben würde".

"Wie barbarisch" werfe ich ein, ganz in der Erzählung versunken.

"Jedenfalls -" spricht Elias, ohne einen Kommentar zu meinen Einwurf weiter.

" - wurden die beiden nach etlichen Jahren gefunden. Sie hatten mittlerweile ein zweites Kind zur Welt gebracht. Vielleicht wäre die Geschichte ganz anders ausgegangen, hätten die Isciander die Familie gefunden, doch schlussendlich war der Stamm der Acurander schneller. Sie richteten die komplette Familie, sie verschonten nicht einmal die Häuptlingstochter, da sie genauso viel Schuld daran hatte wie der normale Junge aus dem Stamm der Acurander. Bei der Rückkehr des Stammes der Acurander erwartete sie ein zerstörtetes Dorf. Der Häuptling der Isciander hatte von dem Tod seiner Tochter und seiner Enkelkinder erfahren und war wahnsinnig vor Schmerz geworden. Dazu muss gesagt werden, dass sie sein einziges Kind war, da seine geliebte Frau bei der Geburt der Tochter verstorben war.

Hier beginnt die eigentliche Geschichte. Ab diesem Moment wurden Freunde zu Feinde. Die Überlebenden wollten sich für die Toten rächen. Die Arcurander überfielen die Dörfer der Isciander, raubten und mordeteten. Das hingegen führt nur dazu, dass die Isciander mit Übergriffen ihrerseits anfingen. Es gab einen furchtbaren Bürgerkrieg über Jahre hinweg. Hierbei kristallisierte sich aber ein was entscheidendes heraus. Der Stamm der Arcurander war dem Stamm der Isciander überlegen".

"Hatten sie die besseren Krieger oder was?" funke ich ihm wieder dazwischen.

Elias quittiert es mit einem schmalem Lächeln und antwortet:

"Ein was habe ich dir noch nicht erklärt. Was unterscheidet die zwei Stämme von den anderen Menschen?".

Abwartend schaue ich ihn an.

"Beide Stämme hatten im Laufe ihrer Geschichte eine Fähigkeit entwickelt. Es ist nicht bekannt woher sie kam, vielleicht einfach eine Laune der Natur. Jedenfalls war diese Mutation in jedem einzelnem Stammesmitglied verhanden, unterschied sich aber zwischen den Isciander und den Arcurander. Die Mutation befand sich im Gehirn und wurde von den Augen gesteuert. Die Arcurand hatten die Fähigkeit, andere Menschen zu manipulieren und das lediglich mit einem Blick in die Augen des anderen. Wir wissen nicht wie es funktioniert, ob es Impulse sind, Schwingungen die von einem Gehirn in das andere über die Augen übertragen wird oder einfach Zauberei".

Seine Mundwinkel heben sich bei dem Gedanke.

"Die Isciander hingegen, waren die einzigen Lebewesen, die nicht manipuliert werden konnten. Egal wie lange ihnen in die Augen geschaut wurden, sie reagierten nicht. Es war als hätten sie ein Schutzschild gegen die Schwingungen entwickelt. Somit waren die Kräfte der Stämme ausgeglichen, dachte man zumindest. Verstehst du jetzt auch die Regel, warum sie sich nicht paaren dürfen? Es würde ein Kind entstehen, dass alles und jeden manipulieren könnte, sogar die Isciander, da es unbewusst weiß, wie das Schutzschild umgangen werden kann. Dabei könnte es aber nicht manipuliert werden, da es selber ein Schutzschild besitzen würde. Das Gleichgewicht zwischen den zwei Mächten würde zerstört werden.

Tatsache ist jedoch, dass die Isciander eine wohl eher passive Fähigkeit besaßen und die Arcurander die aktive. Im Krieg zeigte es sich dann auch, dass das Gleichgewicht sehr schnell auf die Seite der Arcurander verschiebar war. Durch ihre Fähigkeit andere zu manipulieren, brauchten sie sich selber nicht die Finger schmutzig zu machen. Ein Blick genügte und der unwissende Mensch tat was von ihm verlangt wurde. Die Natur hatte bestimmt, dass die Arcurander zu den Alphas wurden, dem Herrscher über alle".

"Ein Mist, nur weil sie angeblich stärker sind, haben sie doch nicht das Recht sich als Herrscher aufzuführen" wiederspreche ich genervt.

"Dann erkläre mir einmal, warum der Mensch glaubt über Tiere und Pflanzen bestimmen zu können? Ist es im Endeffekt nicht genau das Gleiche?".

Ich verschlucke meine Erwiderung, denn eigentlich hat Elias recht.

"Der Stamm der Isciander wurde fast komplett ausgerottet, bis der neue Häuptling der Arcurander bestimmte, dass es so etwas wie Frieden geben sollte. Einer gewissen Anzahl von Isciandern war es erlaubt unter der Herrschaft der Arcurander zu leben, solange sie sich zu ihrer Fähigkeit bekannten und sich nicht einfach ohne Erlaubnis vermehrten. Dadurch wurde ein neues Amt geboren, dass Amt des Suchers. Dieser hatte als Aufgabe, alle Isciander aufzuspüren, die sich vor den Augen der Arcurander verbargen. An ihnen lag es, ob der Isciander in die Gemeinschaft aufgenommen wurde, da er nützlich war oder ob er gerichtet werden würde. Die Angst vor einem erneutem Krieg war und ist tief im Gedächtnis der Leute verzweigt. Der Sucher hat eine weitere sehr wichtige Aufgabe, nämlich ein in der Heimlichkeit entstandenes Kind zwischen einem Isciander und Arcurander zu finden und zu richten. Damit der Stamm der Errecender gar nicht erst entstehen kann und damit die Herrschaft des Arcurander auch nicht zerstört".

"Aber ich dachte, der Stamm der Isciander wurde fast ausgerottet, wie sollten da noch Kinder mit dem Stamm der Arcurander entstanden sein?"

"Gute Frage" für einen Moment wirkt Elias wirklich beeindruckt.

Ich bin völlig hingerissen von dieser doch außergewöhnlichen Geschichte, auch wenn ich es nie zugeben würde.

"Nun, erstens tat der Stamm der Isciander einigen Leuten aus dem Stamm des Arcurander leid, trotz der Geschehnisse. Nicht alle Freundschaften brachen in dieser Zeit, wenige hielten. Aus manch einer heimlichen Freundschaft entwickelte sich dann eine heimliche Liebe und nun ja, nachdem dann eine Person von beiden Schwanger wurde, verschwanden beide um ihr gemeinsames Kind zu retten. Du weißt gar nicht wie oft sich diese Geschichte wiederholte, die Narren konnten einfach nicht aus ihrer eigenen Stammesgeschichte lernen" schnaubt er abfällig.

"Gegen Liebe kann man nichts tun" wage ich einen kleinen Einwurf.

"Schon einmal von Verhütung gehört" knurrt Elias abfällig.

Ich hebe kapitulierend die Hände. Die Geschichte geht ihm ganz schön nah.

"Außerdem wurden wir von Kindesbeinen an gedrillt gar nicht an so etwas zu denken. Es war gegen die Natur".

"Du hast gerade gesagte WIR.."

"Versprochen, willst du nicht noch die zweite Möglichkeit hören" unterbricht er mich ruppig. Irgendwie gefällt mir das Ganze nicht mehr. Er spricht mit viel zu viel Gefühl, so als hätte er es am eigenem Leibe erfahren.

Elias scheint zu merken, dass ich mich unwohl fühle, er spricht sofort weiter.

"Weißt du auch die Arcurander sind keine Heiligen. Zu oft gab es die Geschichte, dass sich ein Arcurander an einen Isciander vergriff. Natürlich steht der Arcurander über dem Isciander, der Isciander hat zu folgen, aber irgendwo gibt es auch Grenzen. Nur leider sieht das nicht jeder Arcurander so, sodass eher ungwollt Kinder entstehen, die dann abgetrieben werden müssen".

Ich ziehe scharf die Luft ein. Es klingt fast wie im Mittelalter.

"Sag nichts, ich finde das auch nicht in Ordnung. Das machen nur Leute die keinen eigenen Charme haben" antwortet er überheblich und sofort weiß ich, dass die Geschichtsstunde zu Ende ist.

"Warum hast du mir das ganze erzählt?" frage ich unbehaglich.

"Ernsthaft Cas, streng dich mal ganz sehr an und überlege dann wieso. Du erkennst die Wahrheit doch schon längst".

"Haha sehr sehr lustig" knurre ich unsicher und krabbel aus seinen Armen. Ich kann nichts gegen die Gänsehaut machen, die mir über die Arme kriecht.

"Eine nette kleine Geschichte, die du scheinbar etwas zu ernst nimmst" erwidere ich etwas zu zittrig für meinen Geschmack.

"Ich bin ein Sucher meine kleine süße Cassie" bei seinen Worten lache ich auf.

"Süß, ich bin mit einem Verrückten alleine im Wald. Was habe ich dem da oben nur angetan, um so bestraft zu werden" jammere ich gespielt, während mir in rasender Geschwindigkeit Erinnerungsfetzen von Elias und mir durch den Kopf gehen. Immer seine Augen, immer seine merkwürdigen Worte. Schweiß bricht mir aus und ich versuche mir selbst einzureden, dass Elias einfach nur verrückt ist. Irgendeine Sage viel zu ernst nimmt. Natürlich beruhigt es mich überhaupt gar nicht. Immer noch bin ich alleine mit ihm im dunklem Wald, entweder mit einem Irren oder - nein, über die andere Möglichkeit will ich gar nicht nachdenken.

Elias beobachtet mich, während mir alle Optionen durch den Kopf spucken.

Ich rappel mich auf und starre ihn an. Plötzlich beginnt er zu Grinsen und nun stehen mir sämtliche Haare zu Berge.

Nur ein Wort kommt aus seinem Mund:

"Lauf".

 

Sagenwelt

Mein Körper reagiert ganz von alleine. Ich merke erst das ich renne, als mir ein Ast schmerzhaft ins Gesicht schlägt.

"Er ist verrückt geworden" im Gleichtakt mit meinem hektischen Atem geistert mir der Satz im Kopf herum. Ich weiß nicht einmal wohin ich renne. Einfach nur weg von Elias, seiner merkwürdigen Geschichte, einfach nur weg.

Ich höre das brechen der Äste hinter mir und beschleunige noch einmal. Springe über Wurzeln und versuche verzweifelt den schwarzen Schemen auszuweichen, die ich jedes Mal nur in letzter Sekunde als Bäume ausmache. Ich weiß nicht wie lange ich renne bis es passiert. Sekunden, Minuten oder schon länger. Mein Sprint wird von einem schmerzhaften Zusammenstoß mit einem Baum beendet. Ehrlich gesagt erstaunt es mich, dass ich nicht schon eher mit einem seiner Sorte Bekanntschaft gemacht habe. Der Zusammenstoß ist so hart, dass mir sämtliche Luft aus den Lungen gepresst wird und ich zurückgeschleudert werde nur um schmerzhaft auf dem Erdboden aufzukommen. Der Aufprall ist so stark, dass ich mehrer Sekunden brauche um Luft zu bekommen. Sterne tanzen vor meinen Augen und ohne das ich es verhindern kann, laufen die ersten Tränen. Ich stütze mich auf, nur um sofort wieder zurück zu sinken. Verdammt tut das weh. Statt mich aufzurappeln und weiter zu rennen, bleibe ich liegen und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Das ich weggerannt bin, war eigentlich nur ein Eingeständnis, dass ich Angst vor Elias und seiner Geschichte habe. Nachdem mir das klar wird, keimt so etwas wie Trotz bei mir auf. Selbst wenn der Mist stimmt, den mir Elias erzählt hat, er hätte es schon viel eher beenden können. Schließlich habe ich einmal alleine bei ihm übernachtet.

Mir wird plötzlich bewusst wie ruhig es um mich herum ist. Mein hektischer Atem ist das einzige, was die Stille durchbricht.

"Elias lass den Scheiß und komm raus" rufe ich mit zittriger Stimme und versuche die Hysterie aus meiner Stimme zu verbannen.

"Hör auf zu Spielen, du bist doch irre" rufe ich erneut, nur diesmal mit festerer Stimme.

"Gibst du so schnell auf Cassie" erklingt seine Stimme von irgendwo hinter mir. Sie klingt irgendwie enttäuscht und wieder überrennt mich meine Angst und mir stockt der Atem.

 

Wieder schreit alles in mir nach Flucht, meine Urinstinkte versuchen die Kontrolle zu übernehmen, gleichzeitig brodelt Wut in mir auf.

"Elias Declair pflanz deinen verdammten Arsch hierher und lass dein dummes Getue. Wenn du mir irgendwas zu sagen hast, dann sag es und hör auf mit diesem dummen Scheiß" knurre ich nicht sicher, ob ich vor Angst sterben, vor Wut platzen oder vor Hysterie lachen soll. In mir ist so ein Gefühlwirrwar als wäre ich auf Droge.

Ein leises Lachen erklingt jetzt direkt neben mir und aus Reflex weiche ich ein Stück zurück.

"Weißt du Cassie, du bist anders. Einerseits unbedarft wie ein Neugeborenes, du hattest nicht einen Schimmer, dass wir überhaupt existieren und anderseits soviel Mut in diesem kleinen zerbrechlichen Körper. Du gefällst mir mehr als die anderen davor".

Als die anderen zuvor. Fassungslos lasse ich meine zur Wehr erhobenen Hände sinken. Wie viele hat der Typ auf dem Gewissen? 

Plötzlich steht er vor mir und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ich zucke zusammen und will einen Schritt nach hinten machen, als er mich an sich heranzieht und einen Kuss aufzwingt. Sofort sehe ich rot und ehe ich darüber nachdenken kann, habe ich ihm eine gescheuert.

"Bist du eigentlich total irre? Erst erzählst du mir irgendein Märchen, dann jagst du mich und jetzt küsst du mich? Wer bist du?" zische ich aufgebracht.

"Ich, meine kleine Errecender, bin dein Tod. Die meisten bezeichnen mich als Sucher. Meine Aufgabe ist es zu richten, was nicht geboren sein sollte und du stehst auf meiner Liste".

Ich quiekse auf und weiche wieder einen Schritt zurück.

"Was sollte das Ganze in der Schule. Warum dieses Theater? Warum deine Eifersucht? Was soll das Ganze, ich verstehe es nicht" resigniere ich stammelnd. Die Angst, dass er mir etwas antun könnte ist verschwunden, stattdessen bin ich einfach heillos verwirrt. Warum hat er es mir jetzt gesagt? Warum hat er nicht schon eher über mich gerichtet? Warum verdammt nochmal hat er mich andauernd in Verlegenheit gebracht und sich so eine scheiße wie mit dem Abiball ausgedacht?

"Ich habe es dir schon mal gesagt, du gefällst mir. Noch nie ist mir jemand begegnet, der keine Ahnung über seine Existenz hat. Alle wussten sie es, alle hatten sie Angst und haben gebettelt. Weißt du warum ich mit dir spiele, weil ich schon gewonnen habe. Es amüsiert mich und du faszinierst mich. Du reagierst nie wie man es erwartet und deswegen lebst du noch. Ich will sehen wie du kämpfst, wie du dich gegen dein Schicksal wehrst".

Ich schnaube auf. Er spinnt wirklich. Er ist einfach nur verrückt, also spiele ich mit in der Hoffnung, heil aus der Sache rauszukommen.

"Folgendes Sucher, Elias" ich muss mir ein ironisches Grinsen verkneifen. "- wie wäre es damit, dass ich freiwillig mit dir auf diesen dummen Ball gehe und du lässt mich einfach in Ruhe?"

Er lacht auf.

"Sag es nicht so, als wäre es eine Strafe, jede würde sich freuen mit mir tanzen zu dürfen. Außerdem glaube ich, hast du nicht verstanden, in welcher Position du bist. Wenn ich sag 'Sitz' dann machst du Sitz, wenn ich sage 'küss mich' dann küsst du mich in der Hoffnung, dass ich dich noch ein Stück länger am Leben lasse. Deine Vorgängerinen haben es sofort verstanden, sie haben sich mir geradezu angeboten. Du hingegen bist einfach zu dumm um deine Chance zu erkennen" erwidert er verblüfft.

Jetzt ist es amtlich, Elias ist ein arroganter durchgedrehter Psychopath.

"Weißt du was Elias, ich habe echt keine Lust mehr auf das Ganze. Du hast deinen Willen, ich tanze mit dir. Durch deine dumme 'ich jage dir einen Schrecken ein' Aktion, habe ich mir ziemlich weh getan, außerdem friere ich und ich hasse Wälder. Wenn du also mit deinem Schauspiel fertig bist, kannst du uns zu den anderen führen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass du den Weg kennst und dein Schauspiel schon die ganze Zeit geplant hast" gernervt raufe ich mir die Haare.

Verblüfft lacht er auf.

"Du hast es immer noch nicht verstanden. Ich gewähre dir die Chance, ich will sehen was du bereit bist für dein Leben zu tun. Ich bin gespannt, wann du verstehst, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Noch eins, wenn du für mich uninteressant wirst, töte ich dich und jetzt komm".

Seine Worte sind so kalt gesagt, dass ich eine erneute Gänsehaut nicht verhindern kann. Er macht mir wirklich Angst, aber ich bin noch nicht bereit einzusehen, was es mit seiner Geschichte auf sich hat.

 

Nach einem endlosem Marsch erreichen wir die Hütte. Es herrscht jedoch keine Ruhe, sondern ein heiloses Durcheinander.

"Verdammt Cassie wo ward ihr, wir haben uns Sorgen gemacht und überall nach euch gesucht" kommt mir Nadja aufgebracht entgegen.

"Und was ist mit deinem Gesicht passiet und - und humpelst du" mischt sich die dritte im Bunde ein. 

"Eine sehr lange Geschichte, die auf meinen umwerfenden Orientierungssinn und meinen absoluten Lieblingsjungen zurück zu führen ist" erwidere ich nur halb so sarkastisch wie ich wollte. Es dauert auch nicht lange bis mein geschätzter Biolehrer von unserer Ankunft erfährt. Die nächsten Minuten darf ich mir erst einmal anhören, welchen Ängsten er ausgesetzt war, wie man nur so unvorsichtig sein kann, indem man sich so weit von der Gruppe entfernt und blahblahblah. Ich bin unendlich erleichtert, als ich einfach in meinen Schlafsack kriechen und diesen Abend aus meinen Gedanken entfernen kann.

 

Tag 3, die Heimfahrt:

 

Stöhnend quäle ich mich am nächsten Morgen aus meinem Schlafsack, nur um mit einem aufweinen zurück zu plumbsen. Bei meiner Bekanntschaft mit dem Baum habe ich mir nicht nur einige sehr schmerzhafte blaue Flecken geholt, sondern auch irgendwas mit meinem Fuß angestellt.

"Alles in Ordnung Cassie? Du solltest echt aufstehen, die anderen sind schon wach".

"Ich würde ja" erwidere ich Emely gequält "- aber ich kann meinen Fuß nicht belasten".

"Nicht dein Ernst? Du weißt schon, dass wir von der Hütte zum Bus laufen müssen oder?"

"Ja das habe ich jetzt gebraucht" antworte ich ironisch und probiere es ein weiteres Mal. Dieses Mal schaffe ich es sogar stehen zu bleiben, ein Fußmarsch erscheint mir trotzdem unmöglich.

"Alles gut bei dir Cas" ertönt plötzlich eine dunkle Stimme und Beklemmung macht sich in mir breit.

"Alles in Ordnung Declair" fauche ich zurück, machen einen Schritt vorwärts und verliere prompt das Gleichgewicht. Zwei, zugegeben, starke Armen verhindern meinen Sturz und ich finde mich in Elias Umarmung wieder.

"Hey meine Süße, schön das du dich anstrengst, aber ich hatte da an andere Gefälligkeiten gedacht, nicht an kleine harmlose Umarmungen" seine Brust vibriert, während er lacht.

"Fass mich nicht an" knurre ich wütend, kann aber nicht verhindern, dass meine Wangen rot werden.

"Ich wollte nur helfen" antwortet er so, dass es auch jeder hört.

"Lieber komme ich in die Hölle als mir von dir helfen zu lassen" zicke ich zurück, schnappe meine Waschutensilien und humple davon.

 Ich schaffe es selbstständig alles zusammen zu packen, doch als alle aufbrechen um den Hang hinunter zu laufen, bekomme ich Panik. Schon nach den ersten Metern ist mir klar, dass ich unmöglich meine Tasche tragen kann und gleichzeitig humpelnd den Berg hinunter komme. 

"Marion" rufe ich kleinlaut, da ich es mir nicht wage jemand anderen anzusprechen.

Verdutzt dreht er sich zu mir um.

"Ähm das ist mir etwas unangenehm, aber könntest du mir beim Laufen helfen oder wenigstens beim Tragen meiner Tasche?" ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme echt verzweifelt klingt.

"Jeder trägt sein Gepäck selbst" mischt sich auch sofort Barbie ein.

"Melanie ich glaube nicht, dass ich dich um Hilfe gebeten hätte, also sei einfach ruhig" zische ich gereizt.

"Ja klar kein Problem".

Aus dem Augenwinkel bemerke ich den wütenden Blick von Elias und auch wenn es mir egal sein sollte, spüre ich so etwas wie Genugtuung.

Dank Marions Hilfe schaffe ich es auch fast bis ganz noch unten, dabei trägt er meine Tasche komplett während ich mich an ihm festkralle. Nur das letzte Stück ist besonders steil und ich rutsche dauernd weg.

"Hochzu hatte ich es nicht so schlimm in Erinnerung" murmle ich vor mir hin, was Marion mit einem Lächeln quittiert. Auch wenn ich es nie für möglich gehalten hätte, Marion ist echt in Ordnung. Nicht zu vergleichen mit Lucas oder Eddie, aber in Ordnung.

"Cas es tut mir Leid, aber ich kann dich hier nicht gleichzeitig stützen und dein Gepäck tragen" meint Marion schließlich. 

"Ähm ja kannst du mein Gepäck nehmen und einfach vorgehen, ich schaffe das schon". 

Marion nickt mir zu und ist bald darauf verschwunden. Ich wage mich selber an den Abstieg und liege kurz darauf auf meinen Hintern.

"Soll ich dir helfen?".

"Verschwinde" knurre ich als ich die Stimme erkenne.
"Wie gut, dass ich sowieso nicht auf dich höre" und ehe ich mich versehen habe, hat mich Elias hochgehoben. Mein Gesicht läuft vor Wut und Scham knallrot an.

"Nimm deine ekligen Flossen von mir du perverser Psycho" brülle ich ihn an. 

Er grinst nur zurück.
"Das ist aber nicht sehr nett von dir, dabei will ich dir doch nur helfen".

"Das hatten wir heute schon einmal, erinnerst du dich" motze ich zurück, wage es aber nicht mich weiter zu wehren. Ich gebe es ungern zu, aber ich bin froh, dass mich Elias trägt.

 

 

 

Meine Mama ist alles andere als begeistert, als sie mich aus dem Bus humpeln sieht. Marion im Schlepptau, der wieder so nett war und mein Gepäck trägt nicht beachtend, fängt sie schon mit dem großem Theater an. Im Endeffekt lande ich nicht in meinen kuscheligen, weichen Bett, trotz das ich es wirklich wirklich sehr vermisst habe, sondern darf zwei Stunden in der Notaufnahme warten und geröngt werden. Es stellt sich dabei heraus, dass ich ein Band angerissen habe und die nächsten Wochen auf Krücken angewiesen bin. Meine Laune, die nach diesem Wochenende sowieso schon strapaziert war, ist nun auf ihrem absoluten Minuspunkt angekommen.

Papa, sag mal kennst du die Geschichte der Errecender?

Am nächsten Tag werde ich von Lissie und Eddy in Empfang genommen. Jetzt erst fällt mir auf, dass ich so gut wie gar nicht mehr an die beiden gedacht hatte, trotz das mein bester Freund früher ständig in meinen Kopf herumgeschwirrt ist. Elias lenkt mich eindeutig zu sehr ab.

"Hey meine Kleine" begrüßt er mich und zieht mich in seine Arme.

"Ich habe schon von Elias gehört, dass ihr euch verlaufen habt. Da ich dich und deinen Orientierungssinn kenne, hat mich das nicht weiter gewundert, nur von Elias hätte ich mehr erwartet" meint er grinsend.

Also ist mir Elias mal wieder zuvor gekommen und hatte seine Sicht der Dinge zu besten gegeben. Damit kann ich es mir jetzt abschminken, meine Freunde über die wirklichen Geschehnisse aufzuklären.

Ich zwinge mich zu einer Grimasse, die man als ein "Ja" werten könnte. Die beiden nehmen mir meine Sachen ab und helfen mir die Stufen hinauf. War ich vorher schon tollpatchig, so haben meine Krücken das ganze noch einmal gesteigert. In Kurzfassung erzähle ich den beiden von meiner Exkursion und lasse dabei das Thema Elias extra aus. Schließlich trennen wir uns und jeder geht zu seinem Unterricht. Natürlich schaffe ich es bei jeder Unterrichtsstunde zu spät zu kommen, jedoch reicht ein Blick auf meine Krücken, um die Lehrer zu beruhigen.

Schließlich steht das Mittagessen an und Verzweiflung kommt in mir auf. Ich weiß das Elias an meinem Tisch sitzen wird und ich ihn jetzt echt nicht ertragen kann. Anderseits ist Lucas nicht da und ich habe niemanden, bei dem ich unterkriechen könnte. Heute ist einfach nicht mein Tag, eigentlich hatte ich seit ich Elias kennengelernt hatte keinen guten Tag mehr gehabt. Ganz in meinen Gedanken versunken, merke ich nicht wer sich mir nähert.

"Na braucht da jemand etwa Hilfe" erklingt eine männliche Stimme hinter mir. Sofort breitet sich ein Grinsen in meinem Gesicht aus.

"Marion! Du bist meine Rettung" erwidere ich grinsend und schaue zu, wie er sich zwei Tabletts greift.

"Und ich entschuldige mich hiermit offiziel dafür, wie ich früher über dich gedacht habe" füge ich hinzu.

"Ach was hast du denn früher über mich gedacht?" kontert er grinsend.

"Das was du in dein Aussehen investierst fehlt dir an Gehirn" meine ich keck.

Er grinst mich an, trotz meiner doch harschen Worte.

"Haben dir denn Papa und Mama nicht beigebracht, dass man ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen soll? Und außerdem danke für das Kompliment" antwortet er immer nur lächelnd.

"Doch und deswegen tut es mir Leid" meine ich errötend, da ich wirklich sehr sehr falsch lag mit meinen typischen Sportlervorurteile. Wobei er auch nie etwas getan hatte, um das Bild welches alle von ihm haben zu ändern, aber ich hatte mir auch nie die Mühe gemacht ihn wirklich kennenzulernen.

"Ach bevor ich es vergesse, ich gehe gerne mit dir auf den Ball, aber ich will nichts von dir" meint er plötzlich ernst.

"Oh okay" erwidere ich leise und sehe zu wie sich sein Gesicht verzieht "- dabei hatte ich schon alles geplant. Mit wem soll ich jetzt einen kleinen Paul bekommen?" frage ich ihn gespielt verzweifelt.

"Für einen Moment hattest du mich" meint er ausatmend und ich kann mein Grinsen nicht verstecken.

"Aber mal ernsthaft, danke das du mir hilfst auch wenn du dir damit Probleme mit gewissen Personen einfängst".

"Elias" knurrt er und ich nicke.
"Der Typ ist so merkwürdig. Benimmt sich wie ein eifersüchtiger Freund sobald sich dir jemand nähert und behandelt dich dann so als wärst du ihm untergestellt" fügt er nachdenklich hinzu.

"Der hat nicht mal alle" antworte ich und jetzt liegt es an ihm zu nicken. Schließlich greift er nach meinen Tablett belädt es und trägt es mir rüber zu einem Tisch an dem wir uns beide niederlassen.

Gerade als ich mir eine Portion Nudeln in den Mund schiebe, unterbricht er die harmonische Stille.

"Wollen wir ihn mal richtig auf die Palme bringen?" seine Lippen kräuseln sich zu einem Lächeln.

Ich drehe mich um und schaue in die Richtung in die Marion guckt und begegne wütenden, aber leider auch wunderschönen grünen Augen.

Ich schlucke mein Essen hinunter um Marion etwas zu erwidern, als er plötzlich Soße aus meinem Mundwinkel entfernt und sich dann den Finger in den Mund steckt.

Ich schaue ihn absolut geplättet an.

Plötzlich beugt er sich zu mir herüber, zieht mein Gesicht zu sich heran und bevor ich mich versehe liegen seine Lippen auf meine. Zuerst bin ich geschockt, dann beginne ich mich zu wehren, werde aber von Marions Blick zurückgehalten, der einen Punkt hinter mir fixiert. Mit einmal höre ich ein Klirren und Marions Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Er löst sich von mir und zwinkert mir dann zu.

Ich folge wieder einmal seinem Blick und entdecke Elias, dessen Tablett samt Essen auf dem Boden verteilt ist. Sein Blick ist so voller Wut, dass ich nicht weiß wen er zu erst umbringen will, Marion oder mich. Dann wandern meine Augen weiter zu Lissie, die mich anstrahlt und beide Daumen in die Höhe regt, sofort grinse ich. Ich lasse meine Augen weiter wandern und entdecke Eddy, der verwirrt zwischen Marion, mir und Elias hin und her schaut. Nur fehlt so etwas wie Eifersucht in seinem Blick, was mein Lächeln schrumpfen lässt. Lissie bedeutet mir, dass wir unbedingt reden müssen und ich nicke mechanisch. Am Ende kehren meine Augen wieder zur Ausgangslage zurück und mein Lächeln verschwindet. Elias. Seine Augen sind jetzt eindeutig auf mich gerichtet und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Mir ist völlig bewusst, dass ich meine Lage nicht gerade verbessert habe. Anderseits weckt sein Blick Trotz in mir und ich strecke mein Kinn nach vorne. Dieses merkwürdige Szenario wird von dem Stundenklingeln unterbrochen. Durch den allgemeinen Aufbruch, verliere ich Elias aus den Augen, was nun wirklich nicht schlimm ist.

"Ich nehme dein Tablett mit und schaffe es weg" unterbricht mich Marions Stimme aus meiner Trance.

"Warte, ich habe noch eine Frage an dich" erwidere ich.
"Damals am Lagerfeuer hattest du richtig Angst vor Elias, gerade als du herausgefunden hattest, dass ich keinen Freund habe. Warum hast du jetzt keine Angst mehr vor ihm? Weshalb provozierst du ihn sogar?". Mir leuchtet das wirklich nicht ein.

Marion überlegt einen Moment und antwortend dann amüsiert. 

"Wenn ein kleiner Zwerg wie du dich gegen ihn wehrst, wie peinlich wäre es da, wenn ich es nicht auch täte". Bevor ich noch was gegen das Zwerg erwidern kann, ist er schon verschwunden.

Irgendwie habe ich das seltsame Gefühl, dass Elias mit mir an diesem Tag noch nicht fertig ist.

 

 

 

Ich hasse es wenn ich Recht behalte. Durch meine Krücken bin ich so langsam, dass ich Lissie nach der letzten Unterrichtsstunde nach Hause schicke. Dabei muss ich ihr hoch und heilig versprechen, dass ich sie anrufe wegen Marion. Schließlich brauche ich solange, dass ich einer der letzten an meinem Schließfach bin. Genervt werfe ich meine Bücher hinein und entdecke ihn beim zumachen. Sofort beschleunigt sich mein Herzschlag. Wie ein Raubtier bewegt er sich auf mich zu. Kurz spiele ich mit dem Gedanken meine Krücken zu schnappen und los zu humpeln. Da aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich der Länge nach hinfliege höher ist, als das ich ihm entkomme, verwerfe ich ihn wieder. Stattdessen wende ich mich betont gleichgültig ab.
"Was willst du Declair?" zische ich. Plötzlich habe ich ein Dejá vu, schon einmal diese Frage, schon einmal an meinem Schließfach.

Das kurze aufleuchten in den grünen Augen, beweist das er auch daran gedacht hat. Sofort will ich eine Schritt weg machen, werde aber prompt von zwei kräftigen Armen an Ort und Stelle gehalten.

"Ich will dich immer noch nackt" erwidert er mir wölfisch und ich bekomme eine Gänsehaut.

"Lass es einfach" antworte ich und versuche zu überspielen, welche Wirkung er auf mich hat.

Er nähert sich meinem Gesicht, sodass es von Außen wirken müsste, als wären wir ein Paar.

"Ich mag es nicht provoziert zu werden" flüstert er mir ins Ohr.

Ich versuche das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken, als genauso leise kontere "Ich provoziere dich nicht, dafür bist du mir nicht wichtig genug. Ach außerdem gehe ich mit Marion zum Ball, kleine Planänderung" ich warte auf seine Reaktion und als keine erfolgt, bin ich diejenige die sich vorbeugt und in sein Ohr flüstert.
"Übrigens küsst er sehr viel besser als du".

Ich weiß nicht wo plötzlich dieser Übermut herkommt, aber es fühlt sich toll an. 

Elias weicht etwas zurück und für einen kurzen Moment denke ich er lässt mich jetzt in Ruhe. Zu früh gefreut.

Er starrt mir direkt in die Augen und wieder einmal kann ich mich nicht diesem grün entziehen.

"Er küsst also besser als ich" erwidert er leise. Ich bekomme nur ein Nicken zu Stande.

"Ich glaube, dass sollten wir ändern". Ich nicke, bis der Sinn seiner Worte durch die Watte in meinen Kopf dringt, daraufhin verneine ich.

Doch er grinst mich nur überlegen an, streicht eine Haarsträhne hinter mein Ohr, sodass ich wieder einmal eine Gänsehaut bekomme. Dann beugt er sich vor. Als seine Lippen mein treffen, kann ich mir ein Stöhnen nicht verkneifen. Sanft stupst seine Zunge gegen meine Zähne und ich gewähre ihm Einlass. Ich versinke in seinen grünen Augen und wehre mich nicht einmal dagegen, als sein Hand unter mein Top kriecht. Sanft malt er kleine Kreise auf meiner Hüfte und die Gänsehaut vertieft sich.

Er ist es der den Kuss beendet. Beide atmen wir schwer und ich kann immer noch nicht fassen, was ich hier gerade getan habe. Ich habe mich von Declair küssen lassen. Von dem absolut sexistischen und psychisch kranken Declair. Plötzlich wird mir klar, wie ich mich aus dieser Situation retten kann.

Elias beobachtet mich mit einem fetten Grinsen, während auch sein Atem schwer geht. Ich beuge mich genauso aufreizend langsam nach vorne wie er vorhin und flüstere dann in sein Ohr:

"Ich habe meine Meinung nicht geendet, Marion küsst eindeutig besser". 
Dann schnappe ich mir meine Krücken, während Elias Lächeln verrutscht und humpel davon. Kurz hatte ich das Gefühl so etwas wie Anerkennung in seinem Gesicht gesehen zu haben, jedoch ist es sehr schnell verschwunden und sein Blick wird nachdenklich.

Mir ist nur eins klar, ich habe ein ziemlich großes Problem.

 

Den ganzen Heimweg über mache ich mir Sorgen, ob ich mich richtig benommen habe. Das schlimmste ist, auch wenn mein Kopf sagt das Elias ein Irrer ist, schreit mein Herz als würde es die Geschichte kennen, als würde alles plötzlich Sinn ergeben. Ich entschließe mich meinen Vater einfach zu überfallen und zu schauen wie er auf diese Story reagiert.

 

Gesagt getan.

 

"Papa ich habe Mittagessen gekocht" rufe ich durch das Haus. Mein Vater kam gestern Nacht von einer seiner zig Reisen wieder und es ist das erste Mal das wir wieder miteinander sprechen und das ohne das meine nervigen Geschwister ihn nur für sich vereinnahmen. Ich habe ihn schrecklich vermisst.

"Hey Spatz" kommt er die Treppe heruntergetrampelt und gibt mir einen Kuss auf den Scheitel.

"Das riecht aber gut".

"Naja soviel kann man bei Spaghetti mit Tomatensoße auch nicht falsch machen" erwidere ich grinsend.

Genüsslich stopfen wir uns voll, während mir mein Papa von Hamburg und seinen Geschäftspartnern erzählt. Ich schaffe es kaum mich richtig zu konzentrieren, ich fülle mich als würde ich auf Kohlen sitzen. Ich muss einfach wissen, ob Elias die Wahrheit erzählt hat sonst drehe ich noch durch.

"Wie war denn die Schule, Mäusschen?".

Kurz grinse ich über seinen Kosenamen anderseits freue ich mich über die gute Überleitung.

"Ja jetzt wo du so fragst, ist mir was ziemlich merkwürdiges passiert".
"Achso..?" harkt mein Vater nach.

"Ja also wir haben da so einen neuen Typen, der Declair Junge, der der so nervt, du weißt schon. Auf jeden Fall sollten wir in Deutsch eine Mythe niederschreiben und er musste seine Vorlesen".

Mein Papa wirkt noch immer nicht beunruhigt, er lauscht mir lediglich konzentriert.

"Er hat eine Mythe über zwei Stämme erzählt. Isciander und Arcuander oder sowas...".

Mit einmal wird mein Papa blass und mir bleibt das Herz stehen. So als hätte mein Vater gemerkt, dass mir seine Reaktion nicht entgangen ist, zwingt er sich zu grinsen.

"Und weiter" versucht er so locker wie möglich zu antworten, aber ich merke das er absolut angespannt ist.

Ich merke wie mir die Worte nur noch stockend über die Lippen kommen, mein Puls rast und mir bricht der Schweiß aus.

" Er hat von solchen Suchern erzählt, dass sie die Leute suchen und dann umbringen. Ich meinte natürlich wie krank das alles ist und er hat seine Mythe so verteidigt als würde er an den Schwachsinn glauben und auch noch unterstützen. Unvorstellbar oder?" krächze ich.

Meinem Vater weicht auch noch der letzte Rest Farbe aus dem Gesicht. Fassungslos lehnt er sich zurück.

"Ja du hast vollkommen recht, der Junge tickt nicht ganz sauber. Cassie ich will das du dich von ihm fernhälst, okay. Wer weiß wozu so ein Verrückter Kerl in der Lage ist. Du meintest ja sowieso das er dich dauernd auf die Palme bringt. Halte dich bitte an Eddy oder Lissie und versuche niemals mit ihm alleine zu sein".

Mein Vater starrt mich absolut ernst an, sodass ich nur ein geschocktes Nicken zu Stande bringe. Meine Hände beginnen zu zittern.

Ich nehme an jetzt ist nicht der beste Zeitpunkt ihm zu sagen, dass ich schon mehr als einmal alleine mit ihm war.

Mein Vater streicht sich sorgenvoll durch das Gesicht und steht dann auf.

"Ich werde dann mal ins Arbeitszimmer gehen und... ähm Sachen klären" und lässt mich einfach in der Küche sitzen.

 

Mein Gehirn versucht gerade die letzen Sekunden zu verdauen. Mein Papa und seine völlig überspitzte Reaktion auf meine Geschichte, die Worte von Elias und seine Drohung.

"Die anderen haben das schneller als du verstanden und gemacht was ich wollte" gehen mir immer und immer wieder die Worte von Elias durch den Kopf.

Panik schleicht sich von meinen Fingern bis zu meinen Haarspitzen hoch.

Elias hat nicht gelogen. Elias ist ein Sucher.

Wie hatte er mich noch einmal im Wald genannt? Verzweifelt stränge ich meinen Kopf an.

Verdammt das ist wichtig!

Und dann ist das Wort plötzlich da.

Errecender

 

Schockstarre

Den ganzen Nachmittag habe ich damit verbracht, Informationen über diese Mythe zu bekommen. Ohne jeglichen Erfolg. Nicht einmal das allwissende Internet konnte mir helfen.

Immer wieder bin ich kurz davor nach dem Hörer zu greifen und Lissie in die Sache mit einzubeziehen. Aber dann wird mir klar, wie gefährlich das alles ist und ich lege ihn wieder weg.

Verzweifelt raufe ich mir die Haare. Was soll ich jetzt bitteschön machen?

Zum wiederholten Male laufe ich zu meiner Kommode mit Spiegel und betrachte mein Gesicht. Ich habe passend zu meinen roten Locken und sowieso schon eher kindlichem Gesicht überall Sommersprossen, die mir zu meinem Glück jedoch stehen und meine Augen, meine Augen sind ganz normale 0815 Augen. Normale grau blaue Augen ohne besondere Merkmale. Nicht so ein auffälliges, leider Gottes, sexy grün wie Elias oder das Teddybär braun von Lucas. Nein einfach ganz normale blaue Augen, mit denen ich angeblich in der Lage sein sollte Menschen zu beeinflussen.

Ich seufze und wende mich wieder von meinem Spiegel ab. Zusätzlich zu diesen ganzen Informationen, raubt mir die Tatsache, dass meine Eltern scheinbar irgendeine besondere Spezies sind, zudem noch Verräter an ihrer Gruppe und mich somit mein gesamtes Leben lang belogen haben, an den Nerven.

Noch eine weitere Sache bereitet mir dabei Bauchschmerzen. Elias jagt alle Errecender und da ja scheinbar meine Eltern aus zwei verschiedenen Stämmen stammen, alle anderen Möglichkeiten will ich gar nicht betrachten, heißt das auch das die Zwillinge in Gefahr sind.

Warum hat dann aber Elias nichts in dieser Richtung gesagt?

Er hat sich ja scheinbar bestens über meine Familie und mich informiert, wenn er sogar über den Umzug den ich schon längst vergessen hatte, Bescheid weiß. Warum also jagt er nur mich?

Ich muss mir die Tränen verkneifen, denn im Endeffekt kenne ich schon die Antwort.

Irgendein Elternteil ist nicht meins oder aber die Zwillinge sind nicht die richtigen Kinder meiner Eltern. Da ich jedoch bei ihrer Geburt dabei war, weiß ich wie die Antwort lautet.

Wer bin ich?

 

Irgendwann lasse ich mich einfach in mein Bett fallen und höre somit wie mein Vater meine Mutter an der Haustüre abfängt.

Es dauert nicht lange bis sie beginnen zu streiten. Ich höre Mamas aufgeregte Stimme und dann die gefürchteten Wörter "Errecender" und "Sucher". Ich kann nur einzelne Wortfetzen verstehen, weiß aber das soeben meine mir bekannte Welt zu grunde gegangen ist.

Ich verkrieche mich weiter in mein Bett und verschließe meine Ohren mit den Kissen.

 

Am nächsten Morgen fühle ich mich wie gerädert. Die Nacht bestand aus einem hin und hergewerfe und höchstens drei Stunden Schlaf.

Trotzdem hatte ich eine Idee wie ich mein Problem lösen könnte. Elias meinte ich wäre interessant da ich anders war als die Errecender davor und damit für ihn noch aufregend. Aber was unterscheidet mich von den anderen? - ganz einfach, ich lasse mich nicht von ihm täuschen. Ich wiedersetze mich ihm auch wenn ich zugeben muss, dass er trotz allem eine gewisse gefährlich sexy Ausstrahlung besitzt. Das heißt ich spiele das Spiel weiter und versuche mich dabei nicht zu verbrennen. Parallel übe ich an den Fähigkeiten die ich ja nach Elias Geschichte besitzen müsste und schlage ihn dann mit seinen eigenen Karten.

Etwas beruhigter fahre ich mit den Bus zur Schule, mental darauf vorbereitet gleich dem Teufel zu begegnen.

 

Und passender Weise ist er auch der erste dem ich aus unserer Gruppe über den Weg laufe.

"Hallo Süße" ertönt prompt seine tiefe Stimme.

"Ich bin nicht deine Süße" erwidere ich cool und laufe an ihm vorbei, jedenfalls versuche ich es, werde jedoch von ihm zurück und direkt an seine Brust gezogen.

"Ich habe gehört das du mit mir zum Ball gehen willst?" meint er grinsend.

"Da hast du aber was falsches gehört" murmel ich und versuche mich aus seiner Umklammerung zu befreien.

"Ach komm, sei lieb zu mir. Außerdem wie siehst du bitte aus, schlechte Nacht gehabt?" merkwürdigerweise klingt er fast besorgt.

"Lass gut sein Elias, ich habe jetzt echt nicht die Kraft dazu" dabei versuche ich das aufsteigende Zittern zu unterdrücken.

"Declair du hast sie gehört, lass sie los, sofort!" erklingt die himmlische Stimme von Marion und schwupps werde ich Arm von Elias weggezogen.

"Hallo meine Hübsche" und schon werde ich in eine weitere Umarmung gedrückt, jedoch erwidere ich diese herzlich.

"Seid wann spielst du ihren Babysitter Marion" knurrt Elias beleidigt.

"Seid dem du nicht kapierst was nein bedeutet" beantwortet er knapp Elias Frage und zieht mich Richtung Schulgebäude.

"Danke" flüstere ich ihm zu und er schenkt mir ein verschmitztes Lächeln.

"Ehrlich gesagt macht es mir langsam richtig Spaß".

Ich schenke ihm ein Lächeln und werde von ihm ganz gentlemanmäßig bei Lissie abgesetzt.

"Wir sehen uns, bis später Cas".

"Was läuft da zwischen euch?" werde ich prompt von Lissie angequietscht. Auch Edward starrt mich an. Irgendwie schwankt sein Blick zwischen tödlich genervt und neugierig.

"Ähm nichts" antworte ich verlegen.
"Ja erzähl mir noch einen" erwidert Lissie verschwörerisch.

"Erst bandelst du mit Lucas an, dann bekommt Elias einen Anfall und jetzt auch noch Marion. Sag mal wie machst du das?".

Ich muss kichern.

"Sag mal kann es sein, dass du nicht mehr so zufrieden mit James bist oder warum so neugierig Verehrteste?" antworte ich keck.

"Ich liebe meinen James" mault sie sofort.

"Tja dann erwarte keine Antwort, aber ein Tipp: ich kann es halt", prompt brechen wir in Gelächter aus.

So beginnt der Tag besser als erwartet.

 

Auf dem Weg zur Cafeteria bekomme ich auf einmal einen deftigen Schubser von der Seite und stolpere dadurch in ein offenes, aber leeres Klassenzimmer.

"Au, hey was soll das?" jammere ich und drehe mich zu dem Verursacher um.

 

"Lucas?" ich habe ja jetzt alles erwartet, aber bestimmt nicht, dass mir Lucas auf dem Gang auflauert.

"Hast du es irgendjemanden erzählt?". Er umklammert fest meine Arme und schüttelt mich.

"Lucas du tust mir weh" schnauze ich zurück "und außerdem habe ich keine Ahnung von was du redest!".

Sofort nimmt Lucas seine Pranken von meinen Oberarmen und rauft sich verzweifelt durch die Haare. Dabei läuft er wie irre durch den Klassenraum und schafft es kaum mir in die Augen zu sehen.

"Lucas ich habe wirklich keine Ahnung was du meinst, aber dein herumgetigere macht mir echt etwas Angst" versuche ich sein Gerenne zu unterbrechen.

"Das du ein Errecender bist, hast du das irgendjemanden erzählt?".

"Nein habe ich nicht" maule ich zurück und muss dann stutzen.
"Woher weißt du davon?" harke ich argewöhnisch nach, während ich mich langsam Richtung Tür bewege.

"Woher ich davon weiß?" lacht er alles andere als amüsiert auf. "-Ich bin nur deinetwegen hier".

Überrascht halte ich inne.

"Du bist nur meinetwegen hier? Wie meinst du das?".

"Das ist eine lange Geschichte Cassie, alles was ich weiß ist, dass sie dich gefunden haben. Hör mir jetzt ganz genau zu: Du setzt dich in den nächsten Bus und packst dir einen großen Rucksack mit allen nötigen Dingen, die du die nächsten Monate benötigen wirst. Ich bin in einer Stunde bei dir und hole dich ab. Und noch was, du sagst niemanden Bescheid, weder Lissie, noch Edward noch Marion verstanden?".

Fassungslos schaue ich ihn an.

Für die nächsten Monate?

"Los jetzt wir haben keine Zeit mehr und vergiss deinen Reisepass nicht!".

Damit schiebt mich Lucas aus den Raum und Richtung Ausgang.

"Denk dran du hast nur eine Stunde!" und verschwindet daraufhin in die andere Richtung.

 

 

Zu Hause angekommen ist alles ruhig.

Dank Lucas Worten bin ich richtig in Panik. 

Was meinte er mit Monaten und warum darf ich niemanden Bescheid sagen? 

Was ist mit Mama und Papa und den Zwillingen?

Panisch werfe ich alle möglichen Dinge auf mein Bett, während die ersten Tränen sich eine Spur durch mein Gesicht bahnen.

Warum ist mein Leben auf einmal so verrückt.

Was meinte Lucas damit, dass er nur meinetwegen hier ist? - Und kann ich ihm denn überhaupt trauen?

Mit einmal höre ich die Eingangstüre ins Schloss fallen.
"Cassie bist du da?" höre ich meine Mama durch die Wohnung rufen.

Wie ferngesteuert reiße ich die Türe auf und renne die Treppen hinunter direkt in die Arme meiner Mama. Die ersten Schluchzer kommen über meine Lippen und ich kann sie nicht aufhalten.

"Mein kleines Mädchen" die Arme meiner Mutter drücken mich noch ein kleines bisschen fester an ihre Brust. Gleichzeitig streicht sie mit einer Hand sanft über meine Haare.

"Ich habe dich unglaublich lieb. Mein kleines starkes Mädchen. Ich habe dich so unglaublich lieb".

Ich weiß nicht wie lange wir so im Flur stehen, ob nur ein paar Sekunden oder Minuten. Irgendwann habe ich mich beruhigt.

"Hör mir zu mein Schatz, wir haben keine Zeit mehr. Ich helfe dir beim Koffer packen".

Tausend Fragen brennen mir auf meiner Zunge, doch bevor ich auch nur den Mund aufmachen kann, unterbricht mich meine Mutter schon wieder.

"Cassie ich weiß das du das alles hier nicht verstehst. Lucas wird dir alles erklären, aber jetzt haben wir wirklich keine Zeit dafür".

Sanft schubst sie mich die Treppen hoch.

Ich glaube im Endeffekt hat meine Mama den Rucksack vollgepackt, ich könnte nicht ein Teil benennen, was drin ist.

 

"Hör mir zu kleines, dein Papa und ich sind unheimlich stolz auf dich und wir lieben dich Cassie, egal was du noch erfährst, wir lieben dich. Haben es immer getan und werden es auch immer.

Ich will das du dein Handy hier lässt, wenn was sein sollte, wird mich Lucas kontaktieren. Benimm dich und hör auf Lucas, er hat den besten Überblick".

"Aber Mama..-" .

"Wir haben keine Zeit mehr mein Schatz".

Sanft schließt sie mich in ihre Arme und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dies ein endgültiger Abschied ist.
"Und Papa und die Zwillinge?" schluchze ich auf.

"Die haben dich auch lieb, aber wir haben keine Zeit auf sie zu warten".

Damit öffnet sie die Tür und zeigt auf den schwarzen Golf, in dem Lucas schon auf mich wartet.

Ein letztes Mal drehe ich mich zu meiner Mutter um und sehe, wie sie selber mit der Beherrschung kämpft.

"Ich habe dich lieb Mami" krächze ich unter Tränen hervor.

"Ich dich auch mein Schatz" noch ein letztes Mal streicht sie mir zärtlich die roten Locken hinter das Ohr und dann steige ich ins Auto.

 

 

 

 

Ich weiß nicht, ob ich Lucas gefragt habe wohin es geht.

Alles was meine Gedanken beherrscht ist die Feststellung, dass ich meinen Papa das letztes Mal bei unserem Spagettiessen gesehen habe, dass ich mich bei dem letzten Gespräch mit Lissie und Edward über Lissie lustig gemacht habe. Ich habe vergessen noch ein letztes Mal durch meine Wohnung zu gehen, habe keinen Blick mehr auf die Fotokollage mit meinen Freunden geworfen. Habe ich mich nicht letztens noch mit meinen Geschwistern gezofft? Warum konnte ich ihnen nicht sagen, wie sehr ich sie lieb habe?

Am Ende ist ihr letzter Gedanke an mich, der Streit um die Fernbedienung.

Anderseits, wer sagt mir, dass ich das nicht alles träume? Gestern war doch noch alles in Ordnung? Warum musste dieser Tag eine solch furchtbare Wendung nehmen.
Wieso war meine Mama nicht überrascht? - Geschockt und traurig, aber wieso nicht überrascht. Weshalb scheint jeder über mich etwas extrem wichtiges zu wissen, außer ich selbst.

Wer bin ich?

Flucht

Ich muss irgendwann eingeschlafen sein.

Ein Rütteln an der Schulter holt mich aus einem alles andere als erholsamen Schlaf.

Meine Glieder sind durch meine verrenkte Schlaflage total verkrampft und so muss ich mich erstmal strecken um wieder Gefühl in sie zu bekommen.

"Wir sind da" vorsichtig schaut Lucas zu mir rüber. So als hätte er Angst, ich könnte ihn jeden Moment anfallen. Wobei ich ehrlich zugeben muss, dass ich mich in meiner augenblicklichen Gefühlslage selber nicht einschätzen kann.
"Cas wir müssen aussteigen" und öffnet seine Tür.

Eine kleine innere Stimme schlägt mir vor, einfach die Arme zu verschränken und mich zu weigern auch nur irgendeine Bewegung zu machen, bevor er mir nicht erklärt hat, was los ist. Leider ist die Vernunft größer, sodass ich grummelnd meine Autotür öffne. Erst jetzt nehme ich meine Umwelt bewusst wahr und merke, dass wir auf einen Flughafenparkplatz stehen. Mein Herzschlag beschleunigt sich sofort.

"Was soll das?" fauche ich Lucas an.

"Wonach sieht es denn aus?" antwortet er ruhig.

"Ich will nirgendwohin fliegen" erwidere ich mit Tränen in den Augen. "Ich will hier nicht weg".

"Hey" ganz sanft greift mir Lucas unter das Kinn, ich kann in seinen braunen Augen sehen, dass ihn die Situation ebenso mitnimmt.
"Cassie, ich weiß was das für dich bedeutet und ich weiß auch, dass du das alles gar nicht verstehst. Ich verspreche dir, dass ich dir alles erklären werde, wenn wir in Sicherheit sind. Nur müssen wir jetzt erstmal weg, bevor sie bemerken, dass wir abhauen".

Zaghaft nicke ich und nehme meinen Rucksack an mich.

Ich will ja stark sein, aber ich kann es nicht. Ich habe das Gefühl meine ganze Welt bricht zusammen. Deswegen lasse ich Lucas Hand auch nicht los, sondern im Gegenteil, ich packe noch fester zu.

Lucas ist der, der alles was die Sicherheit und das Gepäck angeht klärt. Ich tapse ihn einfach nur hinterher und versuche nicht in Tränen auszubrechen. Nur als es um den Landeort geht, sperre ich die Ohren auf. Moskau. Was will ich bitte in Moskau? Russisch habe ich nie gelernt und viel von ihrer Kultur weiß ich ehrlich gesagt auch nicht.

 

Schließlich wird unser Flug aufgerufen und wir drängeln zusammen mit den anderen Passagieren um unsere Plätze. Im Gegensatz zu den ganzen anderen Krimis die man so im Fernsehen zu sehen bekommt, sitzen wir nicht in der ersten Klasse, sondern dürfen wie jeder Normalsterblicher für drei Stunden und zehn Minuten mit den anderen in absolut beengten Raum Platz nehmen.

"Moskau?" flüstere ich Lucas nach dem Start zu.

"Erkläre ich dir später".

"Natürlich" schnaube ich genervt. Später, später, später. Geht hier ja nur um mein Leben. 

Lucas scheint jetzt auch bemerkt zu haben, wie sehr mich das ganze Getue zur Weißglut bringt.

"Hör mir zu Cassie. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich dir alles bis auf das klitzekleinste erklären werde. Indianerehrenwort".

Meine einzige Antwort besteht darin, ihm meinen kleinen Finger entgegenzuheben. Lucas schaut mich verdutzt an.

"Indianerehrenwort?" spreche ich nach und endlich scheint er es auch zu verstehen.

"Indianerehrenwort!" erwidert er und harkt sich mit seinem kleinem Finger bei meinen ein. 

Merkwürdigerweise muss ich schmunzeln und auch Lucas kann sich sein Grinsen nicht verkneifen. Auch wenn mir noch immer der Magen schmerzt vor lauter Fragen und Angst, fühlt es sich für den Moment nicht mehr ganz so erdrückend an.

 

Willkommen in Moskau, wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.

"Cassie das muss dir nicht peinlich sein, wirklich nicht".

"Was genau Lucas, dass ich gebrüllt habe, wir werden alle sterben, oder das ich sowohl deine als auch meine Kotztüte gefüllt habe?" erwidere ich absolut furchtbar verlegen. Dümmer geht es ja nicht.

Nur schwer kann sich Lucas sein Grinsen verkneifen.

"Eigentlich meinte ich, dass du meine Hand den kompletten Flug mit deiner zerquetscht hast, aber ja deine Würggeräusche hatten auch was" grinst er mich süffisant an.

Sofort kriecht mir die Röte ins Gesicht. Dieser aufgeblassener Idiot. Scheint ja doch ein paar Ähnlichkeiten zu Elias zu geben.

"Ach Cassie ich mache doch nur Spaß. Ich hatte mit keinem der drei Dinge ein Problem. Ich wusste nicht das du Flugangst hast und noch weniger konnte ich wissen, dass wir solche Turbulenzen haben".

"Hauptsache ich muss das nächste halbe Jahr nicht wieder in so ein Teil einsteigen" erwidere ich gequält.

"Ähm ja" murmelt Lucas etwas verkniffen.
"Da du es jetzt so angesprochen hast, wir haben in zwei Wochen einen 17 Stündigen Flug nach Las Vegas. Es tut mir echt leid" unruhig verwuschelt er beim eben Gesagtem seine dunklen Locken.

Fassungslos schaue ich ihn an. Las Vegas? Im ersten Moment denke ich er will mich echt verarschen. Anderseits kann ich Englisch allemal besser als russisch. Auch wenn das kaum eine Kunst ist, wenn man einer der beiden Sprachen gar nicht spricht.

"Okay" tief atme ich durch.
"Erklärst du mir jetzt, was dein ach so toller Plan ist? Was überhaupt los ist und warum wir Hals über Kopf aus Deutschland geflohen sind, ohne das ich auch nur eine Idee habe, weshalb".

"Wir steigen jetzt erstmal in unseren Mietwagen und fahren zum Friseur, danach zum Fotografen und anschließend ins Quartier, wo ich dir alles erkläre, okay? Halte bitte nur noch die nächsten zwei Stunden durch".

Ein weiteres Mal muss ich tief durchatmen, während ich in den schwarzen Alfa einsteige. Noch zwei Stunden und ich erfahre alles.

"Ich sag es dir, wenn du mir in zwei Stunden nicht sofort erzählst, was überhaupt los ist, dann schreie ich. Das meine ich ernst. Egal wo wir sind ich schreie die gesamte Bude zusammen, verstanden" genervt starre ich in seine braunen Augen.

"Ey ey Miss Cassie" antwortet er mit einem Schmunzeln.

Es ist ja nicht so, als wäre ich völlig Ahnungslos. Ich weiß, dass es irgendwas mit Elias, der Stammesgeschichte und mir zu tun hat. Schließlich haben meine Eltern noch gestern Abend darüber gestritten. Kaum zu glauben, dass es erst gestern war. Kommt mir schon so vor als wäre es eine Ewigkeit her. 

Das einzige was ich wirklich nicht nachvollziehen kann ist, was Lucas mit der ganzen Sache zu tun hat.

Ich hänge meinen Gedanken hinterher und starre dabei aus dem Fenster. Ich weiß nicht, was ich von Moskau erwartet habe, aber bestimmt nicht das. Es sieht aus wie jede Großstadt auch. Nun ja wir sind nicht im Stadtzentrum und bei den ganzen Sightseeing Sachen, aber trotzdem hatte ich irgendwie ein anderes Bild im Kopf.

Ganz normale Gebäude, manche etwas schöner und bunt, andere hingegen grau und abgerissen ziehen an meinem Fenster vorbei. Ab und zu eine unheimliche Gasse, die ich auch tagsüber nicht betreten würde, ich bin ja schließlich nicht lebensmüde. Nachdem Lucas eine Abbiegung benutzt, ändert sich das Straßenbild ein wenig. Überall schmiegen sich kleine Läden an den Bürgersteig und es ist auch was die Anzahl der Menschen angeht viel mehr los. Doch trotzdem erscheint mir diese kleine Ladenstraße nicht wie etwas für Touristen, sondern wie die Einkaufsmöglichkeit der normalen Einwohner Moskaus.

Schließlich parkt Lucas vor einem kleinem, sehr unscheinbaren Laden. Lediglich der Kamm und die Schere, die über der Tür angebracht sind, lassen auf den Friseursalon schließen.
"Sag mal Lucas, warum willst du jetzt eigentlich zum Friseur?". Okay dumme Frage, mir ist schon klar Flucht und anderes Aussehen, aber irgendeine Gehirnwindung hofft, dass ich mit meiner Vermutung gnadenlos falsch liege und er einfach eine gute Freundin besuchen will.

"Ernsthaft Cas, ich denke du kennst du Antwort selbst" antwortet er genervt.

Okay die Flucht scheint jetzt auch langsam auf Lucas seinen Gemütszustand zu drücken.

Mit einem Seufzen schwinge ich meinen Hintern aus dem Auto und folge Lucas in den Laden.

Es ist nichts los. Keine Kunden sitzen herum und schwatzen mit herumhantierenden Friseuren. Irgendwie wirkt das alles andere als vertrauenswürdig.

"Ähm Lucilein, ich glaube das ist keine sonderlich gute Idee" vorsichtig zupfe ich an seiner Lederjacke die er über einem schwarzen T-shirt trägt und ja ich müsste Lügen, wenn ich sagen würde, es stehe ihm nicht.

"Sei ruhig Cas, ich weiß was ich mache" und damit geht er an eine Theke, die vom Eingang aus nicht sichtbar war.

Der Laden wirkt in die Jahre gekommen, schwere lila Vorhänge befinden sich vor den Fenstern Richtung Straße und schlucken auch noch das letzte bisschen Licht, was sich versucht hat, einen Weg in den Salon zu bahnen. Insgesamt sehe ich drei Spiegel mit zusätzlicher Sitzmöglichkeit, wobei sowohl die Sitze, bei denen schon ein wenig Füllung herauslugt, als auch die Spiegel bessere Jahr hinter sich haben. Das einzige was ich hier wirklich beeindruckend finde und so gar nicht zu der doch sehr einfachen, wenn nicht gar billigen Einrichtung passt, ist der riesige Kronleuchter, der von der Decke hängt. Auch wenn eigentlich alles erhellt ist, habe ich das Gefühl der ganze Laden wirke, dunkel und kalt. Kein Wunder also, dass sich hier keinerlei Kunden tummeln.

Nachdem ich mit meiner Inspektion fertig bin, bemerke ich die Frau an der Theke, mit der Lucas gerade etwas auf russisch bespricht. Die Frau trägt eine Eulenbrille und hat kurze lockige graue Haare. Ihre Figur ist dagegen gar nicht entsprechend ihres, meiner Meinung nach, doch schon hohen Alters. 

Ich schaue kurz an mir herunter und betrachte die schwarze Jeanshose und die blaugoldene Jacke, die ich an habe. Im Vergleich zur Ladeninhaberin und Lucas sehe ich irgendwie billig aus. Wie kann es sein, dass diese Frau keinerlei Geschmack bei der Einrichtung ihres Ladens hat, aber selber aussieht als wäre sie aus dem Modekatalog entsprungen? - Okay na gut, abgesehen von dieser monströsen, hässlichen Brille. Vielleicht passt sie ja doch in diesen Laden. Beides wirkt kunterbunt zusammengewürfelt und passt nicht zueinander.

Ich beobachte wie die beiden sich die Hände schütteln und beide synchron zu mir schauen.

Ähm ja das gefällt mir irgendwie gar nicht.

Die merkwürdige Friseurtante weißt auf den mittleren Stuhl und Lucas nickt mir nochmal zustimmend zu.

"Lucas" krächze ich entsetzt.

"Ich denke ich will nicht, dass diese Frau irgendwas an meinen Haaren ändert, wirklich nicht".

"Cassie jetzt mach keinen Aufstand, es sind nur Haare" dabei wirkt er wirklich verärgert, sodass ich mich murrend auf den Stuhl sinken lasse. Nur Haare? Meine Haare sind das einzige was immer wirklich toll an mir fand. Nicht jeder konnte rote lockige Haare vorweißen. Mit was anderem konnte ich sowieso nicht punkten. Meine Körperform erinnert eher an eine Achtklässerin, als an ein Mädchen das gerade dabei ist ihr Abi zu machen und über meine Größe brauchen wir gar nicht anfangen zu reden.

Lucas setzt sich rechts neben mir und greift nach einer Zeitschrift und meinem anklagendem Blick zu entkommen.

Ich merke wie die schrullige Frau hinter mich tritt und senke den Blick. Ich will nicht sehen, wie sie mir das letzte nimmt, was mich noch ausmacht.

Ich bemerke gar nicht, dass ich weine bis Lucas meine Hand drückt.

"Hey Kleine, es wird alles gut okay".

Ich kann ihn nicht anschauen. Es sind für ihn ja nur Haare. Für mich ist es das, was mich noch ausmacht. Ich weiß weder wo ich herkomme, noch wer wirklich meine Eltern sind, noch wer Feind und Freund ist. Das einzige an das ich mich festhalten konnte war, dass ich Cassie bin, das Mädchen mit den roten ungebändigten Haar, das Mädchen was Kunst überalles liebt und was seit Jahren versucht, ihren besten Freund zu gestehen, dass es ihn liebt. Jetzt habe ich nichts mehr davon. Weder Eddy, noch die Kunst und jetzt nicht mehr mal die Haare. Das Gefühl alles zu verlieren, was mir etwas bedeutet, drückt mir auf den Bauch.

Auch wenn ich nicht hinschauen will, so merke ich wie meine Haare immer kürzer werden. Ich getraue mir nicht etwas zu sagen. Schließlich beginnt sie mir irgendetwas in die Haare zu schmieren und mir wird klar, dass sie nicht nur die Länge sondern auch die Haarfarbe ändern.

Im Großen und Ganzen hat die Prozedur anderthalb bis zwei Stunden im Anspruch genommen, bis sie irgendwas murmelt und auf den Spiegel zeigt, aber ich schüttel nur mit den Kopf.

Der Friseurin ist dies egal und so geht sie hinüber zu Lucas.

Dort schneidet sie im radikal alle Locken weg und ich kann nur geschockt zu schauen. Das ganze dauert keine fünfzehn Minuten und ich bin mir sicher, würde Lissie ihm jetzt in der Fußgängerzone über den Weg laufen, so würde sie ihn nicht erkennen.

Lucas starrt kurz in den Spiegel, seufzt auf, sagt etwas zur dieser Frau und drückt ihr anschließend Geld in die Hand.

"Na los, wir müssen weiter" und steht damit auf und hält mir die Hand hin.

Ich beachte die Hand nicht und stehe selber auf. Ja ich weiß, dass ich mich kindisch verhalte. Ich weiß, dass es lediglich um meinen und seinen Schutz geht und ich weiß auch, dass er nicht Schuld an dieser Situation ist, aber ehrlich gesagt, habe ich gerade keine Lust vernünftig zu sein.

Er seufzt gequält auf und hält mir die Türe auf. Ich nicke der Frau knapp zu und verkrieche mich dann in den Wagen, jeder Spiegelung ja ausweichend.

"Nur noch zum Fotografen und dann haben wir es für heute geschafft" meint er mich entschuldigend anschauend.

Ich zucke mit den Achseln, ist ja nicht so als hätte ich ein Mitbestimmungsrecht.

"Cassie Miller du hörst mir jetzt zu" donnert er auf einmal los.

"Mir ist klar, dass das für dich alles andere als leicht ist, aber hör auf mir das Ganze unnötig schwer zu machen. Außerdem siehst du klasse aus und hast gar kein Recht so ein Gesicht zu ziehen" überrascht schaue ich ihn an.

Es ist das erste Mal das Lucas seine Stimme gegen mich erhebt. Klar natürlich hat er mich schon das eine oder andere Mal so im Unterricht angeblufft, aber es hatte immer seine Gründe und es war nichts persönliches.

Irgendwie bin ich so geschockt, dass ich nur ein Nicken zu Stande bekomme und sich meine Augen mit Tränen füllen, wieder einmal.

Sofort seufzt Lucas auf.

"Gott hör auf zu weinen, ich weiß gar nicht wie ich damit umgehen soll" und bevor ich mich versehen habe, hat er sich abgeschnallt und mich an seine Brust gezogen. Erschrocken japse ich auf, nur um mich dann regelrecht in seiner Umarmung zu verkriechen. Dabei atme ich sein angenehmes Parfüm ein und merke wie sich automatisch mein Körper beruhigt.

Namensverzeichnis

 Isciander  - nicht manipulierbar

Arcurander - können durch Schwingungen manipulieren, alle bis auf die Isciander

Errecender - Mischling beider Stämme, hat die Fähigkeit alles und jeden zu manipulieren, selber jedoch nicht            manipuliert zu werden

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.09.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich schreibe zum ersten Mal ein eigenes Buch und hoffe auf ehrlich gemeinte Verbesserungsvorschläge. Das Cover ist ein selbstfotografiertes Bild meines Freundes, nicht kopieren!

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