Cover

Phil kommt also auf mich zu...
In diesem Moment rasen einige Gedanken durch meinen Kopf, zu viele, um sie hier zu nennen.
Vor mir kommt er zum Stehen. „Lange nicht gesehen“, spricht er mich an und lächelt ein nicht ganz so emotionsloses Lächeln.
Allzu viel verändert hat er sich nicht, zumindest äußerlich scheint er der Alte zu sein.
Gelassen entgegne ich: „Wenn du reden willst, sollten wir es draußen tun. Da musst du nicht deine Fassade aufrecht halten“.

Ganz so gelassen bin ich nicht im Innern.
Aber ich bin für andere schwer zu durchschauen, wie ich genau weiß, für sie ist es unmöglich, schlau aus mir zu werden.
Er jedoch müsste erkennen oder zumindest erahnen, dass es in mir anders aussieht als der Schein vorgaukelt.
Und seltsamer Weise macht es mir nichts aus, dass er eine der raren Ausnahmen ist.
Mit kurz hochgezogener Augenbraue nickt er bedächtig.

Draußen zündet er eine Zigarette an. „Auch eine?“, bietet er mir fragend an, „Wie in guten alten Zeiten...“.
„Verdienen die Zeiten denn, als gute alte betitelt zu werden?“, erwidere ich ironisch grinsend, denn ich weiß die Antwort.
Es sind gute Zeiten gewesen. Bis sie uns getrennte Wege gehen ließen.
Dankend lehne ich ab.
Phil nimmt einen tiefen Zug und bläst den Rauch durch die Nase aus.
„Hmm. Irgendwie schmeckt das nicht mehr so wie früher...“, hüstelt er und drückt den Glimmstengel aus.
„DU hast aufgehört? Was war ausschlaggebend?“
„Das könnte ich dich auch fragen“, ist seine Gegenantwort.

Eine Zeit schweigen wir, auf alte Zeiten zurück blickend, dann finden wir eine Bank und lassen uns nach wortlosem Einverständnis darauf nieder.

„Du hast also endlich deinen Traum verwirklicht, in einer Band zu spielen“.
Zustimmendes Genicke seinerseits und die Worte: „Nicht gerade wenig passiert ist in den letzten drei Jahren...“

Nachdenklichkeit hat seine Züge erfasst, als sich sein Blick einen Weg durch die dunklen Bäume bahnt und ganz verloren in ihnen scheint.

Seine Augen haben mich schon immer fasziniert. Im Licht lila schimmernd, Augen, wie es sie nur einmal auf der Welt gibt.
Irden wie das Meer, die einen in ihnen versinken lassen.
Sobald man sich ihnen nähert und nicht aufpasst, gelangt man in ihren Sog, und ist man in ihn hinein gerutscht, so gibt es kein Entkommen mehr.
Nichts kannst du tun, unmöglich ist es dir, dich von ihnen loszureißen.
Deshalb passe ich haargenau auf, dass es nicht so kommt und verliere mich ebenfalls in den Weiten des beginnenden Waldes, soweit es bei der Dunkelheit geht.

Seine Stimme reißt mich von ihrem Anblick: „Spielst du noch Gitarre?“
Nickend begleite ich meine Antwort: „Ja. Aber nicht mehr so häufig wie früher“.
Nun dreht er mir seinen Kopf zu: „Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich das Spielen aufgegeben“, sagt er, „Wenn man es so sieht, konnte mein Traum nur durch dich wahr werden“.
„Ohne dich wär ich nie angefangen“, erinnere ich mich.

Vor vier Jahren hatte alles seinen Anfang genommen...

„Wir sind nach einigen Startschwierigkeiten unzertrennlich gewesen...“, grinst der braunhaarige, meine Gedanken durchbrechend, und einige Piercings blitzen im Schein einer strahlenden Laterne auf.

„Wird er darauf anspielen?“, frage ich mich.

„Dann, nach ungefähr einem Jahr“, fährt er fort, „ist Schluss gewesen. Und ich habe im Stillen immer nach dem Warum gefragt.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich dich nie ganz vergessen können. Als ich dich heute gesehen habe, hat sich mir die Frage gestellt, ob wir nicht die alte Leidenschaft aufleben lassen können...“

Die Stimme des gepiercten jagt mir erste Schauer über das Rückrat.
Hier sitzt er, nur wenige Zentimeter von mir entfernt und es braucht nicht viel um neue Leidenschaft zu entfachen.
Für ihn ist es bloß Leidenschaft, doch für mich würde es das Risiko bedeuten, wahrscheinlich unerwiderte Gefühle zu wecken, die trotz der langen Zeit noch in mir schlummern.
Wegen der ich damals abgebrochen habe um nicht noch mehr verletzt zu werden.
Zwar hatte ich alle Illousionen in Bezug darauf, dass er meine Liebe erwidern könnte, versucht zu zerstören, doch irgendwo war da immer etwas gewesen, das mich weiter hat hoffen lassen, solange wir uns so nah waren.
Also hatte ich mich zurück gezogen von ihm und diese mehr als nur körperliche Zuneigung meinerseits tief in mir verschlossen.

Dann begehe ich den Fehler, in seine Augen zu schauen.
Sie ziehen mich in einen Strudel aus Emotionen.
Erinnerungen vergangener Zeiten fließen zusammen mit der Gegenwart, dem Hier und Jetzt, das mit gierigem Verlangen gefüllt ist, sich unausweichlich zwischen uns befindet, knisternd wie ein alles verzehrendes Feuer.
„Irden des Feuermeeres“, denke ich, als ich wie ferngesteuert näher zu ihm rutsche und ihn am Kragen seiner Jacke zu mir ziehe.

Als hätte er nur auf ein Signal gewartet, das meine Zustimmung kund tut, radiert er den letzten Abstand zwischen uns aus und seine Lippen treffen auf meine.
Ein feuriger Kuss entflammt, unsere Zungen fechten einen Kampf aus, manchmal spielerisch und dann wieder neckisch.

Phils Körper hat sich dicht an meinen gedrängt, seine Arme um meinen Rücken geschlungen, während meine rechte einen Platz in seinem Haar gefunden hat, sich beinahe hinein krallt, ihn nicht loslassen wollend.
Nach Luft schnappend, keucht er leicht in den Kuss hinein und lässt mich seinen heißen Atem spüren...
Sinnlich wandert sein Mund tiefer und knabbert an meinem Hals entlang, was mir einen wohligen Seufzer entlockt.
Meine Lippen suchen erneut die seinen und meine Zunge bettelt drängelnd um Einlass.
Sofort wird mir dieser gewährt und ein erneutes Zungenspiel beginnt, immer wieder durchzogen von herrlichen Seufzern der Lust und leisen Knurrgeräuschen.

Seine Hände haben sich inzwischen unter meinen Pullover vorgearbeitet, wollen mehr spüren.
"Hier nicht", raune ich ihm ins Ohr, "Lass uns zu dir".
Ihm ist gerade wohl ebenfalls aufgefallen, dass wir das besser nicht hier weiter führen und zieht mich zustimmend hoch, versiegelt meine Lippen mit einem Kuss, der diesmal voll Zärtlichkeit steckt, ganz sanft und zum Träumen verleitet.

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Tja, eigentlich hätte ich danach abhauen sollen, so wie man es nach einem One-night-stand tut.
Das Problem ist, dass ich nicht sicher bin, ob es nur ein One-night-stand gewesen ist.
Der Sex war unbeschreiblich. Und was mich am meisten irritiert hat, ist dass es mehr als nur reines Verlangen gewesen ist.
Als hätten wir an den Abend, an dem alles geendet hat, angeknüpft, als lägen hier keine drei Jahre dazwischen.
Uns so bin ich später eingeschlafen.

Phil steckt gerade unter der Dusche.
Noch könnte ich abhauen.
Allerdings käme mir das nicht fair vor.
Außerdem sollte ich nicht schon wieder Reißaus nehmen.
Erst mal sehen, wie sich das zwischen uns entwickelt.

Von dem Bad zur Küche höre ich ihn mit tapsenden Füßen gehen. Er hat noch nie viel von Pantoffeln oder Hausschuhen gehalten...

Nun höre ich die Kaffeemaschine. Ich stehe auf und springe erst mal unter die Dusche um einen klareren Kopf zu bekommen.
Frisch geduscht und fertig angezogen folge ich ihm in die Küche.
Phil steht mit dem Rücken zu mir und kippt sich mit einer lässigen Handbewegung Kaffee ein, nur ein Handtusch locker um die Hüften geschlungen.
"Auch einen?", lautet seine rethorische Frage, als er mich hinter sich bemerkt hat, schenkt sofort in einen zweiten Kaffeepott ein, reicht mir diesen und setzt seinen an die Lippen.

Das bittere Getränk rinnt meine Kehle herunter. Schwarz bevorzuge ich ihn.
Er trinkt ihn auch schwarz, allerdings mit Zucker.

Mir wär es lieber gewesen, wenn er mehr angezogen hätte als dieses Handtuch.
Beharrlich versuche ich, nicht zu lange seinen Körper zu fixieren.
Grinsend tritt er näher an mich heran und nimmt mir meine inzwischen geleerte Tasse aus der Hand, stellt diese zusammen mit seiner auf den neben uns stehenden Tisch.
Geradewegs fixiert er jetzt meine nahezu schwarzen Augen.

Ich kann mich nicht lösen, doch will es auch gar nicht.
Wortlos verschießt er meine Lippen mit einem kurzen, sanften Kuss. Dann zieht er seinen Kopf zurück und wartet, überlässt mir die Entscheidung, ob ich darauf eingehe oder es bei dem belasse, das gestern passiert ist.

Klar, ich könnte jetzt immer noch gehen.
Meine Entscheidung ist soeben gefallen.

Die Initiative ergreifend, küsse ich ihn und er steigt darauf ein. Langsam erforsche ich seine Mundhöhle mit meiner Zunge, vertrautes und zugleich irgendwie fremdes Terrain, fahre seine Zähne entlang und stupse gegen seine, die sich auch ohne meine Animierung auf ein nächstes Spiel einlässt.

„Mehr als nur ein One-night-stand“, weiß ich nun.
Ich lass mich einfach fallen.
Es ist eine Entscheidung aus freien Stücken.
Ich will ihn, ganz, und werde darum kämpfen, ihn völlig für mich zu gewinnen, will ihn ebenfalls ein Kribbeln im Bauch spüren lassen, das einem Orkan gleich kommt.
Dieses Mal werde ich nicht vor meinen Gefühlen weg laufen.
Und wer weiß? Vielleicht wird er über die Zeit diese Gefühle für mich entwickeln...
Damit dies wahr wird, werde ich alles geben.
Wenn es soweit ist, werde ich ihm meine Seele anvertrauen.


Impressum

Texte: Das Copyright des Photos für das Cover gehört Heidi..H. Der Text ist allein mein geistiges Eigentum, so liegt das Copyright bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 20.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für dich. Vermutlich weißt du nicht, wie viel du mir in Wahrheit bedeutest. Aber für mich wirst du immer an erster Stelle stehen.

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