Sämtliche Figuren und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden.
Das schwere, vordere Holzrad ächzte und knarrte, aber Will Lassiter machte sich keine Sorgen. Seine Postkutsche hatte schon ganz andere Dinge überstanden und ihn nie in Stich gelassen. Allerdings wurde das Knarzen immer stärker. Wenn sie Carson City in wenigen Stunden erreichen würden, müsste er sich das Rad mal anschauen.
Aber nicht jetzt.
Er ließ die Peitsche über die vier Pferde sirren und beäugte seine vier PS mit kritischem Blick. Sie waren im guten Zustand. Sam, sein Partner auf dem Kutschbock, war ebenfalls guter Dinge und döste vor sich hin. Einmal mehr fragte Will sich, warum Sam keinen Nachnamen hatte. Oder er ihn nicht verriet. Obwohl er ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst nicht mehr wusste. Er war einfach Sam.
Es war eine geruhsame Fahrt. Keine aufregende Ladung oder problematische Kunden. Sie hatten ihre Zwischenstopps ordnungsgemäß erreicht, keinen Schuss abgeben müssen – das war sehr selten – und würden Carson City zügig erreichen. Zwei Frauen und zwei Männer saßen drinnen. Ordentlich gekleidet, mit gutem Benehmen. Keine Goldgräber, die Ärger machten. Keine Indianerhasser, die wild um sich schossen. Keine Säufer im Delirium. Eine wirklich nette Fahrt. So, wie es immer sein sollte.
Selbst das Gepäck war langweilig. Zwei große Schrankkoffer und vier mittelgroße Taschen. Viel zu leicht für Gold oder Ähnlichem, was das ganze Gesocks anzog. Auf dieser Fahrt war nichts zu holen.
Will seufzte leise, um Sam nicht zu wecken und schwang aus reiner Gewohnheit die Peitsche. In Gedanken war er schon bei ihrer Ankunft. Er würde Jason, dem Schmied, einen Besuch abstatten. Der sollte sich das Vorderrad mal anschauen. Aber wahrscheinlich musste es einfach nur geölt werden.
Was Will nicht wusste, war, dass seine Fahrgäste alles andere als gewöhnlich waren. Hätte er dies gewusst, wäre ihm das Rad völlig egal gewesen. Er hätte sein Gewehr geladen auf dem Schoss liegen gehabt und hätte unter gar keinen Umständen erlaubt, dass Sam ein Nickerchen macht. Sie hätten die Straße und die Umgebung wachsam im Auge behalten und jede Falle auf Kilometer gewittert.
Aber leider wusste er nicht, wer seine Fahrgäste waren.
Miss Natalie Baxter wechselte einmal mehr ihre Sitzposition und wartete sehnsüchtig darauf, diese Kutsche endlich verlassen zu können. Sie hatte schon schlimmere Fahrten mitgemacht, nichtsdestotrotz würde sie drei Kreuze machen, wenn das Geruckel endlich aufhören würde. Wobei der Fahrer sehr ordentlich fuhr und er einen sechsten Sinn für Schlaglöcher zu haben schien.
Aber nach drei Tagen hatte sie die Nase gestrichen voll. Und dabei wusste sie noch nicht einmal, ob sich ihr Vater über ihren überraschenden Besuch freuen würde. Er war der erste Ingenieur bei der Eisenbahn, die dem ehrgeizigen Ziel des Präsidenten folgte, den Kontinent zu überqueren. Und dies mit einem wahnwitzigen Tempo in die Realität umsetzte.
Als ihr Vater geschrieben hat, dass sie die Sierra Nevada endlich besiegt hätten und nun vor der Wüste stünden, wusste sie, dass dies ihre Chance war. Ihre Chance, den Wilden Westen zu erleben. Hautnah. Nicht nur aus Briefen. Nicht nur aus Büchern oder Zeitungsberichten. Nein, hautnah. Und genau das wünschte sie sich, seitdem sie denken konnte. Seitdem ihr Vater ihr diese ganzen Geschichten erzählt hatte. Zum Einschlafen. Über Indianer, Cowboys, Büffel, Hirsche, Gold, klare Seen und unberührte Wälder. Besonders die Indianer hatten sie nicht losgelassen.
Aber sie hatte von vornherein gewusst, dass ihre Eltern das niemals erlauben würden. Niemals. So sehr ihr Vater sie auch liebte, er hätte sie niemals mitgenommen.
Doch jetzt war alles anders. Ihre Mutter war gestorben, sie hatte den Kampf nicht gewonnen. Die Ärzte hatten eine schwere Lungenkrankheit diagnostiziert. Konnten aber nichts machen. Taten aber trotzdem viele seltsame Dinge, die ihre Mutter nur noch kränker machten. Und immer schwächer. Bis Natalie durchgriff und alle Ärzte hinaus warf. Sie besann sich auf die Worte ihrer Oma und folgte ihrem Bauchgefühl. Sie kochte Tees und Suppen, benutzte ätherische Öle und Massagen, mischte Kräutersuds und Tinkturen und schob ihre Mutter so oft es ging nach draußen. An die Sonne und an die frische Luft.
Während die Ärzte Blut abzapften und sie nur noch schwächer machten, übel riechende Salben und Sirups präsentierten, die niemand ohne zu erbrechen zu sich nehmen konnte und generell gegen vernünftige Maßnahmen wie Zimmer lüften waren. Ihre Mutter müsse vor den schädlichen Einflüssen der Außenwelt geschützt werden, sagten sie.
Dabei hatte sie offensichtlich vor den schädlichen Einflüssen der Ärzte geschützt werden müssen. Wenige Tage nach dem Hinauswurf aller Ärzte war es ihrer Mutter sichtbar besser gegangen. Sie hatte sogar wieder feste Nahrung zu sich nehmen können. Und wieder einige Meter laufen können.
Bis das Bluthusten begann.
Das war der Anfang vom Ende gewesen.
Natalie sah aus dem kleinen seitlichen Fenster der Kutsche. Sie waren noch in der Sierra Nevada, aber am Horizont konnte sie bereits die unendliche Weite der Wüste sehen. Ein absteigendes Plateau lag vor ihnen, durchzogen von kleineren Hügeln, größeren Felsbrocken und kräftigen Kiefern. In Carson City würde sie einen Tag Pause machen und dann zum Camp ihres Vaters fahren. Der auf ihrer Fahrt immer präsent gewesen war. Immer dann, wenn sie Eisenbahnschienen entdeckte.
Der Bluthusten hatte ihrer Mutter den Rest gegeben. Ihren geschwächten Körper durchgeschüttelt, das Gesicht weiter einfallen lassen und jede Besserung zunichtegemacht. Am schlimmsten war ihr schmerzverzerrtes Gesicht gewesen. Wenn der trockene Husten alleine schon durchs Hören Schmerzen bei Natalie verursachte, wie viel schlimmer musste es dann ihrer Mutter gegangen sein? Wenn die Hustenkrämpfe die ausgedörrte Luftröhre auspressten, ihre Kehle wund scheuerten und rosiges Blut in den Mundwinkeln hinterließen?
Aber selbst ihre Mutter wollte jetzt keinen Arzt mehr. Natalie sollte weitermachen, wie bisher. Aber an diesem Freitag früh vor wenigen Wochen gab es kein Helfen mehr. Das Blut rann nicht mehr nur aus ihrem Mundwinkel, der ganze Mund war voll damit. Ihre Mutter wechselte sich ab mit Husten und grausigem Gurgeln. Bis sie nur noch röcheln konnte. Als wäre sie unter Wasser.
Friedlich ist sie wahrhaftig nicht gestorben. Und Natalie wird ihren Anblick auch niemals vergessen können. Das schmerzverzerrte, ausgemergelte Gesicht, der rissige Mund, der wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappte und die weit aufgerissenen Augen. Es war schrecklich gewesen, ganz, ganz schrecklich.
Aber sie hatte nicht geweint. Bis heute nicht. Natalie folgte dem Sturzflug eines Bussards, der aus weiter Höhe ein Opfer erspäht hatte. Gnadenlos stieß er zu, erwischte die kleine Maus und entschwand ihrem Blickfeld.
Wie ihre Mutter. Sie war auch gnadenlos gewesen. Eine harte Frau. Ohne Zärtlichkeit, ohne Liebe, ohne Verständnis. Ihre Kinder hatten zu gehorchen und zu funktionieren. Und als Tochter dann den Mann zu heiraten, den ihre Mutter ausgesucht hatte.
Natalie musste sich unauffällig schütteln. Was für ein erbärmliches Leben. Was hatte ihre Mutter bloß erlebt, dass sie so herzenskalt geworden war? Hin und wieder hatte sie mal Andeutungen gemacht. Über ihre schwere Kindheit. Mit Hunger, einem betrunkenen Vater und Arbeit bis zum Umfallen. Aber wirklich erzählt hatte sie nie etwas.
War ihr Vater deshalb ständig weg gewesen? Weil er sie auch nicht ertragen konnte? Er war noch nicht einmal zur Beerdigung gekommen. Hatte telegrafiert, dass er unmöglich weg könnte. Die Eisenbahn bräuchte ihn.
Und seine Kinder?
Aber jetzt hatte er keine Wahl mehr. Sie war unterwegs zu ihm. Ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen.
Sie sah sich um. Neben ihr saß ihre eigentliche Mutter. Ihre Nanny. Die sie von Anfang an versorgt hatte. Schon als Baby. Sie war alt geworden. Natalie betrachtete liebevoll ihr graues Haar, das zu einem strengen Knoten zusammengebunden war. Als wäre Mathilde streng.
Und ob sie das war. Aber sie war anders streng. Ihre Mutter war immer ungerecht und genervt gewesen, zumindest war es Natalie so vorgekommen. Mathilde hingegen hatte immer einen Grund gehabt. Natalie hatte immer gewusst, warum sie dieses durfte und jenes nicht. Es war niemals willkürlich gewesen. Sondern immer begründet. Aus Liebe.
Und diese Liebe würde aus ihren blass blauen Augen funkeln, hätte sie diese nicht geschlossen und würde nicht leise vor sich hin schnarchen. Auf ihrem faltigen Gesicht zeigten sich erste Schweißtropfen. Und es würde noch heißer werden. Besonders in dem hochgeschlossenen Kleid, welches Mathilde trug. Rot gepunktet. Sehr nett. Auch wenn es für den Wilden Westen eher unpraktisch war. Aber davon wollte Mathilde nichts wissen. Immerhin ließ sie ihren Unterrock aus.
Natalie hatte nicht lange gezögert und alle Kleider eingemottet. Ihre Mutter war tot, nun konnte sie tragen, was sie wollte. Und sie wollte schon immer Hosen tragen. Aus Leder. Aus dunkelbraunem Leder. Wenn es sein muss, mit einer Bluse, aber keine Kleider mehr. Und genau so saß sie in der Kutsche. Dunkelbraune Lederhose, dunkelgrüne Bluse und ein schwarzes Halstuch. Perfekt.
Ihr gegenüber saßen zwei Männer, die ebenfalls vor sich hindösten. Sie waren zwar nicht Vater und Sohn, wirkten aber so. Der ältere hatte einen grau melierten, ordentlich gestutzten Kinnbart und drückte sich gewählt aus. Sein braunen Augen schauten müde in die Welt. Der Jüngere hingegen war offensichtlich der Meinung, dass ihm die ganze Welt gehöre und sie sowieso nur auf ihn gewartet hätte.
Er hatte ölig schimmerndes schwarzes Haar, war glatt rasiert und trug wie der Ältere einen dunkelblauen Anzug. Stu Hamilton hieß der Jüngere, Percy Quinton der Ältere. Handlungsreisende wären sie, so hatten sie sich vorgestellt. Auf den Weg zu den Indianer der Sierra Nevada, um sie übers Ohr zu hauen, hatte der Jüngere zwinkernd an Natalie gewandt gesagt, unter dem missbilligenden Blick der Nanny und Percy. Danach hatte er gelacht und gemeint, dass das ein Scherz gewesen wäre und sie nur ehrliche Geschäfte machen würden.
Allerdings hatte Natalie da so ihre Zweifel. Vor allem verstand sie nicht, was sie in Carson City wollten. Die Indianer waren schließlich woanders. Carson City wäre ihre Basis, hatte sie der Ältere belehrt, sich aber ansonsten aus dem Gespräch heraus gehalten. Stu hingegen war eifrig bemüht, mit Natalie ins Gespräch zu kommen. Er machte ihr Komplimente über ihre grünen Augen, ihr schönes, braunes Haar und ihr ebenmäßiges Gesicht. Er könnte sich gar nicht vorstellen, was so eine schöne Frau im Wilden Westen verloren hätte.
Natalie hatte die Komplimente abgeschmettert und weitere Annäherungsversuche ignoriert.
Von ihrem Vater hatte sie ihm trotzdem erzählt. Warum, wusste sie auch nicht. Er war definitiv nicht vertrauenerweckend. Aber interessant war er trotzdem.
Leider wusste sie nicht, dass die beiden Männer nur ihretwegen in der Kutsche waren.
Und leider wusste Will, der gerade wieder die Peitsche schwang, nicht, dass in seiner Kutsche die Tochter des ersten Ingenieurs der Eisenbahn saß, zusammen mit zwei Männern, die den Auftrag hatten, alles Erdenkliche zu tun, um den Eisenbahnbau zu verzögern.
Denn jeder Meter Verzögerung war bares Geld für die Konkurrenz.
Und die Tochter des ersten Ingenieurs war ein fantastisches Druckmittel.
Hätte Will davon gewusst, hätte er schon längst die Route geändert. Und würde mit Adleraugen seine Umgebung erkunden.
Doch er wusste von nichts. Und fuhr geradewegs in die Falle.
Das Seil war perfekt getarnt. Doch das waren sie immer. Und genau deswegen erkannte Will sie vorher. Die Camouflage war einfach zu perfekt. Nicht natürlich. Er erkannte sie immer vorher.
Bis jetzt.
Er kalkulierte gerade die Kosten für das Rad, als Sam laut aufschnarchte. Irritiert blickte Will nach rechts, sah, wie Speichel aus dem Mundwinkel seines Kompagnons floss, und runzelte angewidert die Stirn. Er war im Begriff, ihm den Ellbogen in die Seite zu rammen, als sein sechster Sinn anschlug. Aus den Augenwinkeln sah er den drapierten Teppich aus Kiesel, Gras und Erde.
Einen Teppich mit zu dunkler Erde. Sie passte nicht in die Umgebung. Denn sie war nass, aber drum herum war es trocken. Die Erde war falsch.
Will drehte hektisch den Kopf, zog krampfhaft die Zügel an und schrie Sam an, er solle aufwachen und sein Gewehr greifen, aber es war zu spät.
Dabei hätten sie es fast geschafft. Das Seil schnellte hoch und blieb in einem halben Meter Höhe straff gespannt hängen. Und doch brachte Will die Pferde rechtzeitig zum stoppen. Selbst Sam war sofort wach, musste sich aber mit beiden Händen festhalten, um bei dem Nothalt nicht vom Bock zu fliegen.
Aber sie hatten beide keine Zeit mehr, nach ihren Gewehren zu greifen.
Drei vermummte, wilde Gestalten erschienen oberhalb der Felsen, die rechts und links von der Postkutsche aufragten. Alle hielten schussbereit ein Gewehr in der Hand.
„Lasst eure Gewehre da, wo sie sind, dann passiert euch nichts.“ Der Mann zu der Stimme erschien hinter dem linken Felsen, bückte sich unter dem Seil und ging mit entsichertem Gewehr gemächlich auf Will zu.
Will blinzelte. Der Mann trug einen dunkelbraunen, matt glänzenden Lederhut, passend zu seiner sonstigen Lederkleidung, hatte sein Halstuch über Mund und Nase gezogen und beäugte die beiden Postkutschenfahrer wachsam. Er kam Will bekannt vor.
Er fluchte leise in sich hinein. Es war schon lange her, dass er erfolgreich überfallen worden war. Dabei konnte das bei jeder Fahrt passieren. Er hatte einfach gepennt. Nicht aufgepasst. War mit seinen Gedanken abgeschweift. Ansonsten hätte er früher gemerkt, dass dieser Ort die perfekte Stelle für einen Hinterhalt war.
Jetzt hatten sie keine Wahl mehr.
„Was wollt ihr?“, fragte Will mürrisch und hob gleichfalls mit Sam die Hände.
Ein zweiter Mann erschien hinter dem rechten Felsen.
„Von euch nichts“, erwiderte der Sprecher, stieg auf die erste Sprosse und zog Wills Gewehr hinunter. Der Mann auf der rechten Seite wiederholte die Aktion bei Sam.
„Wenn ihr keine Dummheiten macht, könnt ihr gleich ganz normal weiterfahren. Allerdings“, er machte eine Pause, griff nach der Kabinentür und zog sie wie selbstverständlich auf, „ohne eure Fahrgäste.“
„Wünsche den Herrschaften einen wunderschönen guten Tag. Leider endet ihre Fahrt hier. Darf ich sie bitten, alle auszusteigen? Vielen Dank!“ Dass er seinen Hut nicht vom Kopf zog und eine Verbeugung durchführte, war alles.
Natalie blickte den Banditen erstarrt an. Die vier Personen in der Kutsche saßen ziemlich verbeult und verteilt auf Bänken und Boden und hielten sich immer noch krampfhaft fest. Der Nothalt war sehr turbulent gewesen. Sie alle blickten völlig verdutzt auf den maskierten Sprecher. Bedroht fühlten sie sich noch nicht. Percy saß auf dem Boden und krabbelte auf die Bank.
„Wir sollen aussteigen?“, fragte er verdutzt. „Sind wir denn schon in Carson City? Und wer sind sie überhaupt?“
Der Maskierte blickte ihn direkt an. „Ich bin ihr neuer Reiseführer. Sie werden mir jetzt leider folgen müssen, denn das Ziel ihrer Reise hat sich geändert. Ganz abgesehen davon, dass die Kutsche beschädigt ist.“ Er wandte sich an Natalies Nanny. „Ma 'am, wollen sie den Anfang machen?“ Er reichte ihr seine Hand. „Kommen sie einfach langsam heraus. Geben sie acht mit den Stufen.“
Als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, griff sie seine Hand, raffte ihren Rock und stieg vorsichtig aus der Kutsche. Die Sonne stand hoch am Himmel und begrüßte sie mit ihren warmen Strahlen. Mathilde blinzelte. Sie sah die beiden Fahrer mit erhobenen Händen auf dem Bock sitzen, blickte erstaunt in die Runde und entdeckte die vermummten Männer, die mit schussbereiten Gewehren von den Felsen auf sie zielten.
Plötzlich wurde sie sich der Bedrohung bewusst. Sie öffnete den Mund, doch bevor ein Warnschrei erklingen konnte, wurde sie vom zweiten Banditen gepackt und fort gezerrt.
„Und nun sie, Miss.“ Der Maskierte wandte sich an Natalie. „Zögern sie nicht, denn in der Kutsche ist es nicht mehr sicher. Und ihrer Nanny geht es gut.“
Natalie sah sich zögernd um. Die beiden Männer nickten zweifelnd und hoben ihre Schultern. Sie stand auf und ging zur Tür. Sie streckte ihren Kopf heraus, doch Mathilde war schon außer Sicht. Der Mann hielt auch ihr die Hand hin.
Sie schüttelte den Kopf und stieg ohne seine Hilfe aus.
„Würden sie mir erklären, was hier los ist? Was wollen sie?“ Natalies Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Die plötzliche Helligkeit war ungewohnt.
„Sie, Miss Baxter.“ Der Maskierte wandte sich um. „Wir sind nur ihretwegen hier.“
„Mich?“ Sie sah ihn erstaunt an. „Aber warum? Was wollen sie von mir?“
Der Maskierte schüttelte bedächtig seinen Kopf. „Wir wollen nur, dass sie einige Zeit unser Gast sind. Es wird ihnen nichts geschehen und es wird ihnen an nichts mangeln. Das verspreche ich ihnen, so wahr ich Tom Malloy heiße.“
“Tom Malloy?” Percy erschien mit erhobenen Händen an der Kutschertür und stieg langsam aus. “Der berüchtigte Tom Malloy? Der Gentlemanbandit?”
Malloy machte eine ironische Verbeugung und wandte sich lächelnd an Natalie. “Sehen sie, man kennt mich.” Er wies mit der rechten Hand auf Percy. “Sie haben also nichts zu befürchten.”
Hinter Percy erschien Stu mit grimmigem Gesicht. “Und was wird aus uns?”
Malloy zuckte mit den Achseln. “An ihnen bin ich nicht interessiert. Sie können ihre Reise fortsetzen.” Er drehte sich ganz zu Stu um und zwinkerte ihm blitzschnell zu. “Berichten sie Mister Baxter, was geschehen ist und dass es seiner Tochter gut geht. Sie ist nun unser Gast. Wir werden ihn kontaktieren, da wir eine kleine Bitte an ihn haben.”
“Darum geht es also?”, fragte Natalie erbost. “Sie entführen mich, um meinen Vater zu erpressen?”
Malloy hob unschuldig die Arme. “Also bitte. Erpressung. Was für ein hartes Wort. Wir haben nur eine kleine Bitte an ihren Herrn Vater. Nichts Großes. Und ich verspreche ihnen, dass sie sich bei uns wohlfühlen werden. Wenn sie auch nicht so viel Komfort erwarten dürfen, wie sie es von ihrem Zuhause gewohnt sind.”
Sie musterte ihn von oben bis unten, warf einen letzten Blick auf sein Gewehr, welches nach wie vor entsichert auf Lassiter zeigte, drehte sich wütend um und ging mit erhobenem Kopf zu Mathilde.
Malloys Lächeln war selbst hinter seinem Halstuch auszumachen, als er Natalie nach blickte. Er wies mit dem rechten Arm ins Innere der Kutsche. “Dann wünsche ich den Herren eine angenehme Weiterfahrt! Und vergessen sie bitte nicht, dem Chefingenieur meine
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Krid Korwa
Bildmaterialien: Krid Korwa
Tag der Veröffentlichung: 27.07.2014
ISBN: 978-3-7368-2798-1
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