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Prolog

Silvester, ein Jahr zuvor...

Obwohl sie im Keller saßen, konnte Liva den Kampflärm draußen hören. Sie wusste nicht was sie angegriffen hat, aber Menschen konnten es nicht sein, sonst hätte Christine nicht so ein entsetztes Gesicht gemacht, als sie ihnen Anweisungen erteilt hatte, nach unten zu gehen. Hatte sie Angst, mussten sie alle Angst haben. Liva hielt den Atem an, als sie es über sich poltern hörte. Ricks Arm schloss sich enger um sie. ,,Alles wird gut". Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er das selbst nicht glaubte. Liva auch nicht. Aber sie lächelte, versuchte ihrem Verlobten weiszumachen, dass sie ihm die Lüge abnahm, und sei es nur, damit es ihm besser ging. Sein Arm löste sich von ihr. ,, Ich gehe nach oben und helfe mit, es zu suchen. Noch vor fünf Jahren zuvor hätte Liva nicht an die Existenz von Vampiren, Ghulen und zauberkräftigen Gegenständen geglaubt. Und nun würden Rick und sie womöglich sterben, weil sie Silvester zusammen mit ihrer besten Freundin, einer Vampirin, in einem Haus voller Kreaturen hatte verbringen wollen, von denen der Durchschnittsbürger nicht mal ahnte, dass es sie gab. ,, Du kannst da nicht raufgehen, es ist zu gefährlich", protestierte Liva. ,, Ich will ja nicht nach draußen,  nur im Haus suchen." Liva wusste, dass sie es finden mussten; das war ihre einzige Überlebenschance. ,, Ich komme mit."     ,,Bleib hier. Die Kids haben Angst."  Liva warf einen Blick auf die ensetzten Gesichter mit den schreckgeweiteten Augen, die sie von der hintersten Ecke des Kellerraumes her ansahen. Ausreißer und Straßenkinder, die die Vampire gegen regelmäßige Blutspenden bei sich aufgenommen hatten. ,,Ich bleibe hier", anwortete Liva schließlich. ,,Sei vorsichtig. Komm sofort zurück, wenn die Viecher noch näher kommen. Rick küsste sie hastig. ,,Mach ich. Versprochen." ,,Ich liebe dich", rief sie noch, als er die Tür aufriss. Er lächelte. ,,Ich dich auch." Er ging, und Liva schloss die Tür hinter ihm ab. Sie hatte Rick zum letzten Mal gesehen.

 

Kapitel 1

,Ich glaube, Anastasia wurde ermordet.''   Liva starrte ihre Cousine fassungslos an. Sie hatte zwar schon ihre dritte Margarita intus,  konnte sich aber unmöglich verhört haben. Vielleicht hätten wir nach der Beerdigung doch keinen trinken gehen sollen. Aber Siece hatte darauf bestanden. Innerhalb eines Monats waren ihre Mutter und ihre Schwester verstorben. Wenn es Siece also nach einem Drink besser ging, wer scherte sich da um Anstandsregeln? ,,Aber die Ärzte haben gemeint, es wäre das Herz gewesen.'' ,,Ich weiß, was sie gemeint haben ", zischte Siece. ,,Die Polizei hat mir auch nicht geglaubt. Aber einen Tag vor ihrem Tod hat Anastasia mir erzählt, sie würde sich verfolgt fühlen. Sie war dreiundzwanzig, Liva. Wer kriegt mit dreiundzwanzig einen Herzinfarkt?'' ,,Deine Mutter ist gerade an einem Herzinfarkt gestorben ", rief Liva ihr sacht in Erinnerung. ,, Herzkrankheiten können erblich sein. So junge Menschen wie Anastasia leiden zwar selten darunter, aber deine Schwester stand unter ernormem Stress...'' ,,Nicht mehr als ich gerade ", schnitt Siece ihr in bitterem Tonfall das Wort ab. ,, Heißt das, ich bin die Nächste?'' Die Vorstellung war so entsetzlich, dass Liva sie gar nicht näher in Betracht ziehen wollte. ,,Mit dir ist bestimmt alles in Ordnung, aber es könnte trotzdem nicht schaden, wenn du dich mal durchchecken lässt.'' Siece beugte sich vor. Bevor sie sprach, sah sie sich verstohlen um. ,, Ich glaube, hinter mir ist auch jemand her.'' Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Liva antwortete zunächst nichts darauf. Nach Ricks Tod hatte sie monatelang hinter jedem Schatten ein Ungeheuer vermutet, das über sie herfallen wollte. Selbst ein Jahr später hatte sie das Gefühl noch nicht gänzlich abschütteln können. Nun waren ihre Tante und ihre Cousine innerhalb eines Monats verstorben, und Siece schien sich ebenfalls vom Tod verfolgt zu fühlen. War das eine normale Phase der Trauerbewältigung? Das Gefühl, der Tod hätte es auf einen abgesehen, nachdem er sich einen geliebten Menschen geholt hatte? ,, Willst du ein paar Tage bei mir wohnen?'', fragte Liva ihre Cousine. ,,Ich könnte ein bisschen Gesellschaft vertragen.'' Eigentlich wäre Liva allein geblieben, aber das wusste Siece nicht. Ihr von Rick angelegtes Geld war dem Börsencrash zum Opfer gefallen, sodass ihr gerade genug übrig geblieben war, um seine Beerdigung und eine Anzahlung auf ein neues Haus fernab vom Großteil ihrer Verwandtschaft finanzieren zu können. Ihre Eltern hatten es zwar nur gut gemeint, in ihrer Sorge aber versucht, Livas Leben in allen Einzelheiten zu regeln. An ihrem Arbeitsplatz mied sie den Kontakt zu Kollegen, und das Alleinsein hatte ihr geholfen, das lange harte Jahr nach Ricks Tod zu bewältigen. Wenn es allerdings Siece bbeider Bewältigung ihres eigenen Verlusts half, würde sie ihr Einsiedlerinnendasein mit Freuden aufgeben. Ihre Cousine machte ein erleichtertes Gesicht. ,,Ja. Wenn das für dich okay ist.'' Liva winkte dem Barkeeper. ,,Na klar. Gehen wir, bevor ich noch mehr in mich reinschütte. Du hast sowieso schon zu viel getrunken,  wir nehmen meinen Wagen. Deinen holen wir morgen früh.'' ,, Ich kann fahren'', , protestierte Siece. Liva warf ihr einen schrengen Blick zu. ,, Nicht heute Abend.'' Siece zuckte mit den Schultern. Liva war froh, dass sie nicht versuchte, sich mit ihr anzulegen. Sie hätte es sich nicht verziehen, wenn Siece nach dem Barbesuch einen Unfall gebaut hätte. Nach ihren Eltern war Siece ihre nächste Vewandte. Siece Protesten zum Trotz zahlte sie die Rechnung, dann gingen sie zum Parkplatz. Nach dem Zwischenfall drei Monate zuvor stellte Liva ihren Wagen nur noch an gut beleuchtete Plätze so nahe wie möglich am Eingang einer Kneipe ab. Jetzt war zwar Siece bei ihr, als Vorsichtsmaßnahme trug sie aber trotzdem immer Reizgas am Schlüsselbund. Zwei verschiedene Dosen um genaus zu sein; in der einen war Pfefferspray, in der anderen Silbernitrat. Menschen waren nicht die Einzigen, die ihre Angriffe gern im Dunkeln starteten. ,,Das Gäste zimmer ist zwar klein, hat aber einen Fenster'', verkündete Liva, als sie den Wagen erreicht hatten. ,, , Willst du...'' Ihr Satz endete in einem Schrei, als Siece von einem Mann zurückgerissen wurde, der  ihr aus dem Nichts aufgetaucht war. Auch Siece wollte schreien, aber der Arm, der ihr die Kehle durchdrückte, hielt ihn davon ab. Mit glühenden Augen sah der Fremde von Liva zu Siece. ,, Noch eine", zischte er und legte Siece die Faust auf die Brust. Liva schrie, so laut sie  konnte, griff sich ihr Pfefferspray und sprühte dem Mann ins Gesicht. Der blinzelte nicht einmal,  nur Sieces Augen schwollen zu, als das Reizgas sie traf. ,, Hilfe!", brüllte Liva und sprühte, bis die Dos  leer war. Der Mann rührte sich nicht, während Siece Gesicht allmählich blau anlief. Sie schnappte sich das Silbernitrat und sprühte viermal. Nun kniff der Mann in der Tat die Augen zusammen, aber eher aus Überraschung. Schließlich lachte er. ,, Silber? Wie interessant.'' Liva waren die Waffen ausgegangen, und der Mann hatte seinen Griff keinen Milimeter gelockert. In Panik ballte sie die Fäuste und stürzte sich auf ihn... nur um einen Augenblick später auf ihrer zu Boden gesackten Cousine zu landen. ,,Was ist da draußen los?'', rief jemand aus der Bar. Liva blickte hoch. Der Fremde war verschwunden. Etwa einen Meter entfernt saß ein großer Rabe mit leuchteten Augen. Er drehte sich um und flog davon, als aus der Bar eine  Handvoll Leute näher kam. ,, Rufen Sie den Notarzt!'', rief Liva, die entsetzt feststellte, dass Siece nicht mehr atmete. Sie legte die Lippen auf ihre, blies mit aller Kraft...und musste würgen, als sie Pfefferspray in den Mund bekam. Hustend und röchelnd sah Liva zu, wie ein junger Mann sich an einer Herzmassage versuchte und dann ebenfalls keuchend aufgab. Sie legte zwei Finger an Sieces Hals. Nichts. Fast ein Dutzend Leute standen um sie herum, von denen es aber anscheinend niemand für nötig hielt, zum Handy zu greifen. ,,Rufen sie doch endlich eine verdammten Krankenwagen'', keuchte Liva, während sie unablässig auf Siece Brust einschlug und versuchte, ihn zu beatmen, obwohl sie selbst kaum Luft bekam. ,, Komm schon, Siece! Mach das nicht!'' Sie hörte erst auf, als nach einer scheinbaren Ewigkeit die Rettungsanitäter eintrafen. Als sie sie von Siece trennten, atmete er noch immer nicht. ,, Sie sagen also, der Mann ist einfach so... verschwunden?'' Der Polizeibeamte konnte den Unglauben in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken. Liva musste sich schwer zusammennehmen, sonst hätte sie ihn geohrfeigt. Wie viel konnte sie noch ertragen?  Si hatte bereits ihre Angehörigen angerufen und ihnen das  Unvorstellbare mitteilen müssen, mit ihne getrauert, als sie im Krankenhaus eingetroffen waren, und schließlich bei der Polizei ausgesagt. Wo man ihr offensichtlich nicht recht glauben mochte. ,,Wie gesagt; als ich aufgesehe habe,  war der Killer verschwunden.'' ,,Die Leute aus der Bar haben draußen niemanden gesehen", stellte der Beamte zum dritten Mal fest. Liva platzte der Kragen. ,, Ja, weil sie drinnen waren, als wir angegriffen wurden. Hören Sie , der Typ hat meine Cousine erwürgt; hat Siece keine Blutergüsse am Hals?" Der Polizist wandte den Blick ab. ,, Nein. Der Leichenbeschauer war zwar noch nicht da, aber die Sanitäter haben keine Blutergüsse feststellen können. Anzeichen für einen Herzstillstand aber schon..." ,, Er ist erst fünfundzwanzig!", fuhr Liva ihn a und verstummte dann. Ein eisiger Schauer überkam sie.Wer kriegt mit einundzwanzig Herinfakt?, hatte Siece sie vor wenigen Stunden erst gefragt und dann etwas hinzugefügt, dem sie in Grunde genommen keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Ich glaube, hinter mir ist auch jemand her. Und nun ist Siece tot- gestorben an einem vermeindlichen Herinfakt. Genau wie Anastasia und Tante Rahel. Liva wusste, dass sie sich den Mann, dem weder Pfefferspray noch Silbernitrat etwas anhaben konnte, nicht nur eingebildet hatte. Diesen Mann, der einfach so wieder verschwunden war...und dann den großen Raben, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Das alles konnte sie dem Beamten natürlich nicht erzählen. Er schaute sie jetzt schon an, als hielte er sie für grenzdebil. ,,Kann ich jetzt heimgehen?" Ein erleichterter Ausdruck huschte über das Gesicht des Beamten. Jetzt hätte Liva ihm gern erst recht eine gelangt. ,,Selbstverständlich. Ich kann Sie von einem Streifenwagen nach Hause bringen lassen."  ,,Ich rufe einen Taxi." Kopfnickend erhob sich der Mann. ,,Hier ist meine Karte, falls Ihnen noch etwas einfällt." Liva nahm das Stück Papier entgegen, aber nur, weil es einen miserablen Eindruck hinterlassen hätte, wenn sie es zerknüllt und ihm ins Gesicht geworfen hätte. Zu Hause rief sie Christine an. Beim dritten Piepen meldete sich eine Computerstimme, die ihr mitteilte, unter der gewählten Nummer gäbe es keinen Anschluss. Liva legte auf. Ja, richtig, Christine hatte ständig umziehen müssen, weil irgendein verrückter Vampir hinter ihr her gewesen war. Offentsichtlich hatt sie auch die Telefonnummer gewechselt. War Christine noch in Europa? Wie lange war es her, seit Liva das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte? Wochen vielleicht. Als Nächstes wählte sie die Nummer, die sie für Jack, Christines Gefährte, gespeichert hatte, aber auch unter der erreichte sie niemanden. Liva kramte im Haus herum, bis sie ein Adressbuch mit der Telefonnummer von Christines Mutter fand. Sie hatte sie vor einem Jahr gespeichert und war dementsprechend wenig überrascht, als sie wieder kein Glück hatte. Frustiert warf Liva das Adressbuch auf die Couch. Sie hatte jeden Kontakt zur Welt der Untoten vermieden, und jetzt, wo sie dringend jemanden gebraucht hätte, der in diesen Kreisen verkehrte, fehlten ihr die Telefonnummern. Irgendjemanden musste sie doch erreichen können. Auf der Suche mit Verbindungen zu Christine scollte Liva die Einträge auf ihrem Handy. Als sie fast am Ende der Liste angelangt war, sprang ein Name ihr förmlich entgegen. Daniel. Ein paar Monate zuvor hatte sie seine Nummer gespeichert,weil er sie zum letzten Treffen mit Christine mitgenommen hatte. Liva zögerte. Daniels feingeschnittene Züge, seine bleiche Haut und der durchdringende Blick tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Wäre Daniel in einer Calvin-Klein- Anzeige abgebildet gewesen, hätten eine Menge Frauen wohl den Frauen den DRang gespührt, die Seite abzulecken; für Liva allerdings war die Erinnerung an Daniel unauslöschlich mit Blut verknüpft. Insbesondere,da er bei ihrer letzten Begegnung damit beschmiert gewesen war. Sie verdrängte den Gedanken. Jemand hatte Siece umgebracht, und Daniel war vielleicht ihre einzige Verbindung zu Christine. Liva drückte die Anruftaste und betete, dass sie nicht wieder nur die monotone Computerstimme zu hören bekäme. Drei Freizeichen, vier... ,,Hallo?" Liva war ganz benommen vor Erleichterung, als sie Daniels unverkennbaren britischen Akzent hörte. ,,Daniel, ich bin's , Liva. Christines Freundin", fügte sie noch hinzu, als ihr der Gedanke kam, dass ein jahrhundertealter Vampir bestimmt mehr als eine Liva kannte. ,,Ich habe Christines Nummer nicht mehr und... bin mir ziemlich sicher, dass irgendein Wesen meine Cousine ermordet hat. Meine andere Cousine und meine Tante möglicherweise auch." Ihr hektisches Gestammel kam ihr sogar ziemlich abtrus vor. Sie wartete und hörte nur das Atmen am anderen Ende der Leitung, während ihr Gesprächspartner schwieg. ,,Ich spreche doch mit Daniel,oder?", fragte Liva schließlich vorsichtshalber noch einmal nach. Was, wenn sie die falsche Nummer gewählt hatte? Sofort erklang wieder seine Stimme. ,,Ja, entschuldige bitte. Warum erzählst du mir nicht erst mal, was du glaubst, gesehen zu haben?" Liva bemerkte seine Wortwahl sehr wohl, war aber zu genervt, um ihm Vorhaltungen zu machen. ,,Ich hab gesehen, wie meine Cousine von einem Mann ermordet wurde, dem weder Pfefferspray noch Silbernitrat anhaben konnten. Und dann war der Mann plötzlich verschwunden, und da stand dieser verdammte Rabe, aber der ist weggeflogen, und die Polizei ist der Meinung,  meine fünfundzwanzig Jahre alte Cousine wäre nicht erdrosselt worden, sondern an einem Herzinfarkt gestorben." Wieder herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Liva sah Daniel geradezu vor sich, wie er beim Zuhören die Stirn runzelte. ,,Bist du noch in Fort Worth?", fragte er schließlich. ,, Ja, ich wohne noch im selben Haus wie...wie vorher." Dem Haus, vor dem er sie abgesetzt hatte, nachdem er kaltblütig einen Mann ermordet hatte. ,, Okay. Tut mir leid, aber Christine ist in Neuseeland. Ich kann sie anrufen oder dir ihre Nummer geben, aber es würde mindestens einen Tag dauern, bis sie bei dir ist, wenn nicht sogar noch länger." Ihre Freundin und Expertin in Sachen Untote  war  am anderen Ende der Welt. Klasse. ,,...aber ich bin zurzeit in den Staaten", fuhr Daniel fort. ,, Ich könnte später vorbeikommen und mir deine tote Cousine einmal ansehen." Liva holte tief Luft, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, so schnell wie möglich herauszufinden, was Siece so plötzlich umgebracht hatte, und dem Unbehagen darüber, dass ausgerechnet Daniel die Nachforschungen anstellen sollte. ,,Das wäre sehr nett von dir. Meine Adresse ist..." ,,Ich weiß noch, wo du wohnst",fiel Daniel ihr ins Wort. ,,So gegen MIttag bin ich bei dir." Sie sah auf ihr Armbanduhr. Knappe sechs Stunden noch. ,,Danke. Kannst du Christine und Jack ausrichten, dass, äh,dass..." ,,Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir Chrsitine und Jack vorerst nicht einweihen", antwortete Daniel. ,,Kein Grund, sie zu beunruhigen, wenn ich das Problem allein lösen kann." Liva verkniff sich eine bissige Bermerkung. Sie wusste, was er damit sagen wollte. Oder du dir das alles eingebildet hast. ,,Bis heute Mittag, dann", sagte sie und legte auf. Das Haus kam ihr auf unheimliche Weise still vor. Zur Sicherheit ging sie aber trotzdem noch einmal durch alle Zimmer und vergewisserte sich, dass alle Fenster und Türen geschlossen waren. Dann zwang sie sich eine Dusche zu nehmen, und versuchte, die Erinnerung an Siece aus dem Kopf zu bekommen. Was ihr nicht gelang. Liva zog sich einen Bademantel über und streifte von Neuem rastlos durchs Haus. Hätte sie sich bloß nicht dazu überreden lasse, mit Siece auszugehen, vielleicht wäre sie dann noch am Leben. Liva war so in Gedanken verstrickt, dass sie das leise Klopfen überhörte, bis es zum dritten Mal ertönte. Sie erstarrte. Es kam von der Eingangstür. Liva schlich leise aus der Küche und lief leise die Treppen hinauf ins Schlafzimmer, wo sie ihre Glock aus dem Nachtschränkchen holte. Geladen war die Pistole mit Silbermunition, die einen Vampir vielleicht nur langsamer machen, einen Menschen aber töten würde. Angestrengt auf jedes Geräusch lauschend, tappte Liva die Treppe hinuter. Ja, es war noch da. Ein seltsamer Laut, wie Wimmern und Kratzen. Versuchte jemand, das Türschloss zu knacken? Sollte sie die Polizei rufen oder erst selbst nachsehen? Aber wenn es nur ein streundender Waschbär war und sie die Bullen rief,würden die ihr endgültig kein Wort mehr glauben. Den Lauf ihrer Pistole auf die Geräusche gerichtet, pirschte sich Liva an die Fenster zur Straße heran, von wo aus sie die Einganstür sehen konnte... Auf ihrer Veranda stand ein kleines Mädchen, an seiner Kleidung war etwas Rotes. So zaghaft, wie die Kleine an die Tür klopfte, schien sie verletzt oder erschöpft zu sein. Nun konnte Liva auch das Wort ,,Hilfe..." verstehen. Liva legte die Pistole weg und riss die Tür auf. Das Gesicht der Kleinen war tränenüberströmt, sie zitterte am ganzen Körper. ,,Kann ich reinkommen? Daddy ist verletzt", stammelte sie. Liva hob sie hoch und sah sich nach einem Auto oder irgendwas anderem um, das ihr einein Hinweis darauf hätte geben könne, wo das Kind herkam. ,,Komm rein, Schätzchen. Was ist denn passiert? Wo ist dein Daddy?", säuselte Liva, während sie das Mädchen ins Haus trug. Die Kleine lächelte. ,, Daddy ist tot",verkündetet sie, und ihre Stimme klang plötzlich tief und unheilvoll. Livas Arme sackten nach unten, als sie das plötzlich Gewichtdarin spürte. Mit Entsetzen sah sie, wie das kleine Mädchen sich in den Mann verwandelte, der Siece ermordet hatte. Als sie wegrennen wollte,packte er sie und schloss die Tür hinter sich. ,,Danke, dass du mich hereingebeten hast", sagte er und schloss Liva gerade rechtzeitig den Mund zu, um sie am Schreien zu hindern.

Kapitel 2

,, Daniel klappte sein Handy zu und dachte über das Gespräch nach, das er gerade geführt hatte. Liva Marter. Er hatte nicht erwartet, je wieder etwas von ihr zu hören. Nun glaubte sie, ihre Cousine wäre von einer Art Wertier getötet worden... nur gab es keine Wertiere oder so etwas in der Art. Vielleicht fand sich ja eine andere Erklärung. Liva hatte gesagt, sie wäre dem Angreifer mit Pfefferspray und Silbernitrat zu Leibe gerückt. Möglicherweise hatte sie ihn einfach nur verfehlt, möglicherweise aber auch nicht. War ihre Cousine von einem Vampir umgebracht worden, konnte der Liva glauben gemacht haben,  er hätte sich in einen Raben verwandelt und wäre durch Silberspray nicht in die Flucht zu schlagen gewesen. Menschliche Erinnerungen ließen sich aber leicht manipulieren. In diesem Fall würde sich der Mörder aber sicher fragen, woher sie das mit dem Silber gewusst hatte, sodass er womöglich zu dem Schluss kam, er müsste mehr als falschen Zauber einsetzen, um sicherzustellen, dass Liva den Mund hielt. Das Risiko wollte Daniel nicht eingehen. Er warf seinem Bett einen sehensüchtigen Blick zu. Die verheerende Lethargie, die mit dem Sonnenaufgang einherging, hatte er schon vor langer Zeit überwunden, was aber nicht bedeutete, dass er sich jetzt auf die Fahrt nach Fort Worth freute. Na ja. Son konnte er wenigstens dafür sorgen, dass Jack und Christine nicht überstürzt aus Neuseeland aufbrechen mussten, um sich einer Sache anzunehmen, bei der es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nur um den trauer- und stressbedingten emotionalen Zusammenbruch einer Sterblichen handelte. Er dachte daran, wie Liva ihn nach ihrem letzten Treffen angesehen hatte. Ihre Kleidung war blutbespritzt gewesen, ihr Gesicht so elfenbeinblass wie Daniels eigenes, und in ihren haselnussbraunen Augen hatte eine Mischung aus Angst und Abscheu gestanden. Warum musstest du ihn umbringen?, hatte sie geflüstert. Wegen ihrer Pläne, war Daniels Anwort gewesen. Solche Menschen haben kein Recht weiterzuleben. Sie hatte das nicht verstanden. Daniel schon. Nur zu gut. Menschen zeigten Kriminellen gegenüber vielleicht viel mehr Nachsicht als Vampire, aber Daniel war nicht so dumm, einem, und sei es auch nur potenziellen , Vergewaltiger gegenüber,  naive Milde walten zu lassen. Auch was Liva zu ihm gesagt hatte, als er sie später vor ihrem Haus abgesetzt hatte, wusste er noch. Ich hab die Gewalt in eurer Welt so satt. Er hatte diesen Ausdruck schon auf vielen menschlichen Gesichtern gesehen, den müden Tonfall in ihrer Stimme gehört. Wäre Jack nicht so beschäftigt gewesen, hätte er Christine erklärt, dass es das Barmherzigste wäre, Livas gesamte Erinnerung an Untote zu löschen. Vielleicht würde Daniel das sogar selbst tun, falls Liva übergschnappt war. Barmherzigkeit hin oder her, sollte Liva tatsächlich den Verstand verloren haben, wäre damit auch gleich eine potenzielle Gefahr gebannt. Daniel packte Kleidung für ein paar Tage ein und ging in die Garage hinunter. Am Steuer seines Porsche setzte er sich eine dunkle Sonnenbrille auf und öffnete per Fernbedienung das Garagentor. Die verdammte Sonne war schon aufgegangen. Er warf dem Himmel einen hasserfüllten Blick zu und fuhr in die Dämmerung hinaus. Menschen. Sie waren zwar lecker, sonst aber meist eine Last. Liva konnte kaum atmen. Segender Schmerz schoss ihr von der Brust ausgehend in den Arm und den ganzen Körper. Sie sah Fünkchen stieben. Ich sterbe...  ,,Warum hast du mich mit Silbernitrat besprüht?", hörte sie eine muntere Stimme fragen. Die Hand, die auf ihrem Gesicht gelegen hatte, verschwand, und Liva konnte ein paarmal tief und schmerzhaft Atem holen. Das Brennen in ihere Brust ließ ein wenig nach, und sie konnte wieder klar genug sehen, um zu erkennen, dass sie sich noch immer in ihrem Hausflur befand. Liva wollte den Mann wegstoßen, der sie festhielt, aber sie war zu schwach; nicht einmal die Hände konnte sie heben. Hätte der Fremde den Griff um ihre Taille gelockert,  wäre sie zu Boden gegangen. ,, Antworte." Wieder verlieh wütender Schmerz seinem Befehl Nachdruck. Liva schaffte es zu sprechen,  obwohl das Engegefühl in iherer Brust ihr das Atmen schwar machte. ,, Ich dachte, du wärst... ein Vampir." Der Fremde lachte. ,, Falsch. Und auch beleidigend, aber interessant. Was weißt du über Vampire?"  Ihre Pistole lag knapp zwei Metet entfernt auf dem Tisch. Liva ließ sich in den Armen des Fremden zusammensacken, hoffte, er würde sie loslassen. Vielleicht könnte sie dann ihre Pistole erreichen. ,, Antworte", befahl der Fremde erneut, wobei er sie mit einem Ruck zu sich umdrehte. Seine Augen glommen rot, aber abgesehen davon- und dem Geruch, der von ihm ausging, als hätte er gerade irgendwas in Brand gesteckt- sah er aus wie ein Collegestudent. Sein Haar war von hellerem Braun als das ihre und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Mit seiner weiten Jeans und dem Batik- T-shirt hätte man ihn für einen Junghippie halten können. Aber er war kein Mensch. Rote Augen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Er war kein Ghul und auch kein Vampir aber was dann? ,, Ich weiß, dass es Vampire gibt", keuchte Liva, der das Atmen jetzt, als ein rasender Schmerz in ihrer Brust sich zu einem Pochen abgeschwächt hatte, ein wenig leichter fiel. ,, Jeder Gruftie kann sich ein Silberspray an den Schlüsselbund hängen und an Vampire glauben", stellte der Mann geringschätzig fest. ,, Du musst dir schon was Besseres einfallen lassen." Erneut wurden seine Worte von einer Schmerzattacke untermalt, die Liva fast vornüberkippen ließ. Als sie unter Qualen wieder sehen konnte, lächelte der Mann. Liva stellte sich vor, dass das Gesicht dieses Monsters das Letzte gewesen war, was ihre drei Verwandten vor ihrem Tod gesehen hatten, und richtete sich vor Zorn etwas gerader auf. ,,Vampire stammen von Kain ab, den Gott dazu verdammt hat, für alle Ewigkeit Blut zu trinken, um ihn stets an den Mord zu erinnern, den er an seinem Bruder Abel begangen hat. Sie sind immun gegen Kreuze, Holzpflöcke und Sonnenlicht. Töten kann man sie nur, indem man ihnen das Herz mit Silber durchbohrt oder ihnen den Kopf abschlägt. Und Ghule kann man nur durch Enthauptung töten. Reicht das?", knurrte sie. Er lachte, als würde er sich über irgendwas freuen, und ließ Liva los. Wie erwartet ging sie zu Boden, ließ sich aber nach vorn fallen, sodass sie dem Tisch mit der Pistole schon etwas nächer war. ,, Sehr gut. Gehörst du jemandem?" ,, Nein", anwortete Liva, die wusste, dass Menschen als ,, Leibeigene" des  Vampirs betrachtet wurden, der sie sich als Nahrungsquelle hielt. Wie Fertiggerichte mit Schlagadern. ,, Aha." Die Augen des Fremden leuchteten. ,,Also eher ein Arrangement der romantischen Art?" ,, Nein, zur Hölle noch mal", fauchte Liva, während sie weiter auf den Tisch zukroch, und  dabei so tat, als wollte sie  nur ihren aufgeklaffenden Bademantel zusammenraffen. Darunter war sie nackt, aber um die Wahrung ihres Schamgefühls ging es ihr gar nicht. Sie wollte die Pistole. Mit was für einem Wesen sie es auch zu tun haben mochte, womöglich konnten Kugeln ihm etwas anhaben. Vielleicht sogar genug, um ihr die Chance zur Flucht zu verschaffen. ,,Sprich nicht von diesem Ort. Weckt üble Erinnerungen", antwortete der Mann schaudernd. Liva hielt inne. Sie musterte den Fremden noch einmal genau. Rote Augen. Schwefelgeruch. Weder Mensch noch Vampir noch Ghul. ,, Dämon", sagte sie. Er verneigte sich. ,, Du darfst mich Rhome nennen." Verzweifelt versuchte Liva, sich an alles zu erinnnern, was sie über Dämonen wusste. Das meiste stammte allerdings aus dem Film. Der Exorzist. Und selbst wenn sie Weihwasser gehabt hätte, würde es einem Dämon tatsächlich etwas ausmachen, wenn sie es mit den Worten ,, Die Macht Jesu Christi bezwingt dich" auf ihn kippte? ,, Dieser Daniel, mit dem du vorhin telefoniert hast", fuhr Rhome fort. ,, Ist der ein Vampir oder ein Ghul?" Panik überkam sie. Sie war zwar nicht durekt mit Daniel befreundet,  wollte aber auch nicht, dass er in Gefahr geriet. ,,Er ist rin Mensch", antwortete sie. Der Dämon  zog die Brauen hoch. ,, Aber du hast ihm erzählt, was du gesehen hast, er muss also über Vampire und Ghule Bescheid wissen. Wenn du weder Leibeigene noch Geliebte eines Vampirs  bist, welche Verbindung hast du dann zu den lebenden Leichen?" Liva achtete drauf, nichts zu sagen, das später vielleicht Christine in Schwierigkeiten bringen konnte. ,, Ich, äh, habe vor ein paar Jahren einen Vampirangriff überlebt und danach versucht, so viel wie möglich über diese Spezies herauszufinden. Dabei bin ich auch mit anderen Opfern in Kontakt gekommen. Wir tauschen Informationen aus. Geben aufeinander acht." Rhome dachte über das Gehörte nach. ,,Du hast also im Grunde genommen keine Verbindungen zur Welt der Untoten?" Sie nickte. ,, Nein." Er seufzte. ,,Dann bist du für mich nutzlos." Unerträglicher Schmerz fuhr ihr in die Brust, so plötzlich,  dass es sich wie ein Schuss in Herz anfühlte. Sie wwar wie gelähmt, konnte aber noch einen Satz keuchen.          ,,Warte! Ich...habe Verbindungen..." Der Schmerz ließ so schnell nach, wie er gekommen war. Rhome lächelte zufrieden. ,, Dachte ich's mir doch. Du weißt einfach zu viel." ,,Was willst du von mir?" Nie gekannte Angst kroch ihr in den Nacken. Ein Dämon hatte sie in der Hand. Schlimmer konnte es nicht kommen. Rhome kniete sich zu ihr auf den Boden, woraufhin sie zurückwich. ,, Ich zeig es dir." Er presste ihr die Hand auf die Stirn. Sie sah Licht, dann kamen die Bilder. Rhome inmitten eines Pentagramms, ihm gegenüber ein junger Mann mit roten Haaren. ,, Gib mir Macht, wie du sie hast", sagte der Rothaarige, ,, dann kannst du alles haben, was du willst." Rhome berührte ihn, und er wurde schreiend zurückgeschleudert. Wieder grelles Licht und andere Bilder. Rhome stand mit ausgestreckter Hand vor dem Mann. Der Mann schüttelte den Kopf und wich zurück. Rhome ging auf ihn zu und brach in Wutgeheul aus, als um ihn herum ein Pentagramm sichtbar wurde. Flammen erhoben sich aus den Linien, der Boden brach weg, und Rhome war nicht mehr zu sehen. Lange Zeit war nichts als Feuer, dann eine Reihe schrecklicher,  blutrünstiger Bilder. Schließlich das Gefühl von Freiheit. Dann wieder Dutzende Sterbende, bis schließlich ihre Tante, Anastasia, Siece... und sie selbst auftauchten.            ,, Dein Vorfahr Samuel hat seinen Pakt mit mir gebrochen." Rhomes Stimme war wie ein Phantom in ihrem Ohr. ,,Lange Zeit hat er mich einsperren können, aber ich bin wieder da,  und ich will meinen Lohn." Liva schüttelte den Kopf, um die schrecklichen Bilder darin loszuwerden. ,, Und was soll ich machen?" ,, Anscheinend versteckt er sich bei den Vampiren oder Ghulen", gurrte Rhome. ,, Ich kann mich nicht unter sie mischen, du aber schon. Finde ihn für mich. Bring ihn mir, dann lasse ich dich und den Rest seiner Brut in Ruhe." Den Rest seiner Brut. Die Gesichter ihrer Eltern tauchten vor Livas innerem Auge auf. Ihre Mutter oder ihr Vater, einer von beiden musste mit Samuel verwandt sein, denn sie, ihre Cousinen waren es anscheinend auch, und Rhome hatte vor, Samuels gesamte Familie auszulöschen, um ihn zu finden. ,, Ich finde ihn", versprach Liva. Rhomes Finger glitten über ihre Arme. Vor Grauen bekam Liva eine Gänsehaut. ,,Ich glaube dir ja, dass du es ernst meinst. Aber als zusätzlichen Ansporn..." Sie wurde fester gepackt; erneut durchzucken furchtbare Schmerzen ihren Körper. Sie konnte sich selbst schreien hören, aber Rhome lachte nur unbekümmert. ,, Versuche, nicht draufzugehen, ja? Das ist erst der Anfang."  Daniel rümpfte die Nase, als er in die Straße einbog, in der Denise wohnte. Ein widerlicher Gestank drang durch das Lüftungssystem zum ihm ins Auto. Seine Blicke suchten die Straße ab; irgendwo musste ein Motor brennen oder ein Dach geteert werden, aber da war nichts. Der Gestank wurde schlimmer, als er in Livas Einfahrt bog. Daniel griff in seine Reisetasche und zog zwei lange Silbermesser hervor, die er sich in die Ärmel steckte. Dann stieg er aus und ging zur Haustür. Am Türrahmen schnupperte er gründlich. Schwefelgestank erfüllte seine Lungen, so beißend, dass er hätte husten müssen, wenn er ein Mensch gewesen wäre. Fluchend stieß Daniel die Luft aus. Nur eine Kreatur hinterließ einen solchen Geruch. Liva Marter hatte sich ihre Erlebnisse also doch nicht nur eingebildet, aber vielleicht kam Daniel schon zu spät, um ihr das zu sagen. Mit einem gezieltem Tritt räumte er die Tür aus dem Weg,  sprang hindurch und rollte sich gleich darauf ab, um einem eventuellen Angriff auszuweichen. Liva lag zusammengesunken vor einer Couch auf dem Boden, aber Daniel rannte nicht sofort zu ihr hin. Er ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, um sich zu vergewissern, dass niemand sonst da war. Sowohl im Ober- als auch im Untergeschoss sah er in jedem Schrank und jedem Zimmer nach, fand aber nichts. Als er sich vergewissert hatte, dass er nicht in eine Falle geraten war, ging er zu Liva. Sie war bewusstlos, bekleidet nur mit einem Bademantel, dessen Gürtel nicht verknotet war. Und sie stank nach Schwefel, als hätte sie darin gebadet. Daniels Lippen presstem sich zu einer harten Linie zusammen, als er das Kleidungsstück zurückschob. Er hatte sich auf das Schlimmste gefasst gemacht, fand aber erstaunlicherweise keine Anzeichen von Gewalteinwirkung vor. Alles wirkte, als wäre der Dämon gekommen, hätte Liva das Bewusstsein geraubt, und wäre wieder verschwunden. Daniel zog Livas Bademantel wieder zu, strich ihr die feuchte mahagonifarbene Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich dorthin verirrt hatte, und schüttelte sie leicht. ,, Liva wach auf." Er musst es ein paarmal versuchen, dann aber öffneten sich ihre haselnussbraunen Augen, richteten sich auf ihn... und weiteten sich entsetzt. ,, Wo ist er? Ist er noch hier?" Daniel hielt Liva fest und sprach mit beruhigender Stimme auf sie ein.            ,,Niemand is hier, nur ich. Alles ist gut." Liva ließ ein durchdringendes Schluchzen hören. ,, Nein, ist es nicht." Sie zog die Ärmel ihres Bademantels hoch und zeigte ihm ihre Unterarme. Daniel stieß unwillkürlich einen Fluch aus, als er die sternförmigen Schatten auf ihrer Haut sah. Liva hatte recht; gar nichts war gut. Der Dämon hatte ihr seine Zeichen aufgedrückt. Daniel saß in Livas Badezimmer auf dem Klodeckel. Sie hatte unbedingt duschen wollen, obwohl er sie nach oben hatte tragen müssen. Seine Hilfe hatte sie abgelehnt. Als wäre er imstande, in einer solchen Situation an Sex zu denken. Das Badezimmer verlassen würde er allerdings nicht. Er wolle nicht dafür verantwortlich sein, wenn sie bei dem Versuch, aus der Wanne zu steigen, ausrutschte und sich das Genick brach, hatte er ihr erklärt. Der Tod könnte ihr nichts mehr anhaben, jetzt, wi der Dämon sie gezeichnet hatte, war Livas bittere Anwort gewesen. Daniel wusste nicht genau, ob das der Wahrheit entsprach, und so hatte er ihr den Bademantel abgenommen und ihr keine Wahl gelassen, als die Tür der Duschkabine hinter sich zuzuziehen, nachdem sie sich auf den Boden der Duschwann gesetzt hatte. Hinter dem Mattglas konnte er undeutlich ihre Silhouette erkennen, beobachten, wie si  drinnen herumhantierte und sich offenbar mit all ihren Seifen und Shampoos bearbeitete. Der Raum füllte sich mit den verschiedensten Duftnoten, die den penetranten Schwefelgeruch überlagerten. Daniel schloss die Augen. Er musste Liva bald an einem sicheren Ort bringen.  Der Dämon würde zwar bestimmt nicht gleich wiederkommen, aber hier konnte sie nicht bleiben. ,, Ich brauche ein Handtuch." Daniel griff sich zwei  und reicht ihr das größere durch den Türspalt. Als Liva sich eingehüllt hatte, öffnete er, ihren Portest ignorierend, die Tür ganz, hob Liva heraus und rubbelte ihr mit der freien Hand  das tropfnasse Haar trocken. ,,Das kann ich selbst", wandte sie ein und stieß matt seine Hand weg. ,, Unter normalen Umständen bestimmt", antwortete er, während er si zum Bett trug. ,,Aber du hast gerade einen beinahe tödlichen  Herzstillstand durch einen Dämon erlitten, der dir seine Essenz durch den Körper gejagt hat. Sowas steckt keiner einfach so weg, also hör auf zu diskutieren, und lass dir von mir helfen." Sie sackte gegen seinen Körper, als hätte dieses letzte bisschen Widerstand all ihre Stärke gefordert. Daniel hielt sie mit einem Arm umschlungen, sodass sie sich an ihn lehnen konnte. Mit einer Hand trocknete er ihr das Haar, mit der anderen hielt er das Handtuch zusammen, in das sie gehüllt war. Livas Augenlider flatterten, ihr Kopf kippte gegen seinen Arm. Ihre zarte Kehle war nur noch Zentimeter von seinen Lippen entfernt. Daniel kämpfte gegen den plötzlichen Drang an, mit dem Mund über ihre Halsschlagader zu fahren. Er hatte seit über einem Tag nichts gegessen, aber nicht allein der Hunger machte ihm zu schaffen. Ein Muskel in seinem Kiefer spannte sich. Er hatte gehofft, das sonderbare Verlangen, das er in Livas Gegenwart verspürte, würde sich verflüchtigen, aber es war eindeutig noch da. Zum ersten Mal hatte er Liva auf Jacks  Weihnachtsfeier im Jahr zuvor gesehen. Gleich nach seinem Eintreten war ihm eine dunkelhaarige Frau aufgefallen. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen und über etwas gelacht, das Christine gesagt hatte. Einen Augenblick später hatte die Frau in seine Richtung gesehen, als hätte sie gespührt, dass er sie beobachtete. Ihre vollen Lippen waren noch zu einem Lachen geöffnet gewesen, aber ihr direkter Blick war es, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Der Blick und das seltsame Kribbeln, das bei ihrem Anblick  über ihn gekommen war.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.07.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Diana Meine Schwester, meine Freundin und die Person, bei der ich mir Luft machen, mit der ich lachen kann. Danke, dass es dich gibt.

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