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Vorwort

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*

 Wir leben.
Wir lachen.
Wir schweigen
und weinen.
Alleine zusammen.
Das sind wir,
die Einsamen.

K-1 Jahr "X"

Sonnenstrahlen brachen durch zementfarbene Wolken und trafen auf die Trümmerreste einer längst vergangen Zeit. Die Ruinen erstreckten sich über die ganze Landschaft.
Mutter Natur hatte sie schon umschlungen und nahm sie wieder mit unter die Erde. Mühselig ausgegraben und verarbeitet von Vorfahren. Seelen, die hier einst lachten und weinten. Zurück zu ihrem Ursprung.

Wir nicht.
Wir bleiben.
Der Wind trug diese Worte vor sich hin.

Er saß auf den Trägern eines nahezu zertrümmerten Hochhauses. Sein Blick auf die ihm vorliegende verzerrte Welt richtend. In seinen Augen war der Anblick schön. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen. Sehr lange. Eine Zeit, die die der Sterblichen um ein Vielfaches überschreitet. Mutter Naturs grüne Finger schlingelten sich um seine schwarz behandschuhte Hand. Schneller als Pflanzen für den normalen Wachstum benötigten. Er liebkoste sie mit einer sanften Berührung.
"Du bist so schön, wie eh und je.", sagte er leise. Als Erwiederung darauf, sprossen kleine Blüten hervor.
Warum bin ich hier?, dachte er geistesabwesend, sein Blick in den Himmel gerichtet. Er war wie schwarzer Marmor, von dünnen Lichtrinnsälen übersehen.
Knack.
Sein Blick schweifte nach unten hinab. Seine Füße baumelten über einem Krater. Von ihm selbst hinterlassen. Durch ihn liefen ein paar Menschen in engen Kampfanzügen. Sie schimmerten jedes Mal, wenn ein kleiner Sonnenstrahl auf sie eintraf. Auch das sah schön aus.
Jetzt weiß ich wieder warum ich hier bin, erkannte er. Eine Weile beobachtete er diese Menschen. Eine Frau in schimmernder Rüstung schaute in seine Richtung, auf den Stahlträger.
Doch da war niemand.
"Melina! Konzentrier dich!", rief ihr Vorgesetzter, Sir Gale. Durch die Panzerglasschutzhaube ihres Anzuges, sah sein Gesicht rosig aus.
Melina erwiderte nichts, sondern tat wie ihr geheißen. Sie waren gerade bei einer Untersuchung eines mindestens zwanzig Meter großen Kraters. Er war frisch. Vielleicht eine halbe Stunde alt. Kleine Kameras von Forschungsrobotern, die hier herumfuhren, hatten alles aufgenommen.
Die Aufnahmen des Aufschlags waren unglaublich. Man konnte auf ihnen ein großes, vielleicht von fünf Metern Durchmesser, Objekt in schwarzen Rauch gehüllt, auftreffen sehen.
Das Überraschenste war aber, dass er durch die Schutzbarriere in der Erdatmosphäre durchgekommen war. Die Sensoren hatten nichts bemerkt. Es war als wäre es unsichtbar geworden für einige Sekunden, nur um wieder auf unserer Seite auf zu tauchen.
Nach einigen Stunden der Untersuchung gaben wir auf.
Wir fanden kein Aufschlagsobjekt. Es war so deutlich gewesen auf den Bildern, aber hier war nichts.
"Na toll, was sollen wir jetzt in den Bericht schreiben, dass etwas aus nichts eingeschlagen ist?", fragte Nikolai, Melinas Lebensgefährte.
"Vielleicht hat es sich auf Grund des Aufpralls dematerialisiert?", meinte jemand.
"Ein Objekt von so einer Größe, kann sich nicht einfach in Luft auflösen."
"Was, wenn jemand vor uns da war und es mitgenommen hat, wie auch immer die das geschafft haben?"
"Das kann nicht sein, wir hätten das bemerkt."
Alle sprachen durcheinander, bis eine tiefe, raue Stimme sie zum schweigen brachte.
"Dieser Vorfall bleibt unter Verschluss, bis wir weitere Indizien haben. Verstanden?", sagte ihr Vorgesetzter bestimmt.
Die Gruppe nickte unentschlossen.
"Gut. Wir ziehen uns fürs erste zurück, bevor die Toten kommen.", schloss er unsere Untersuchung ab.
Als alle die Geräte und das Lager einpackten und abbauten, lief Melina zu Gale.
"Sir, ich möchte um die Erlaubnis bitten mich weiter in dieser Umgebung zu erkundigen."
Er sah sie an. Gale wusste, dass sie eine erfahrene Frau war, besser als die meisten Männer, und ihr selbst die Toten nichts anhaben konnten, also willigte er ein.
Melina nickte und koppelte sich von der Gruppe ab. Nikolai sah ihr nach, wie sie hinter den Bergen aus Schutt verschwand, als auch er sich abwand und mit den anderen ging.
Der Himmel wechselte von Marmor zu Blei und ein feiner Nieselregen setzte ein. Melina zückte zur Sicherheit ihre Waffe. Die Toten können jederzeit aufkreuzen.
Sie genoss es aber dennoch draußen zu sein. Mal etwas anderes zu sehen, als Stahlwände und Panzerglas. Und vor allem nicht mehr die Gesichter zu sehen. Die Gesichter der Menschen, die Jemanden verloren haben. Jemanden, der auch sie selbst mitgenommen hat und nur die sterblose Hülle zurückgelassen hatte. So wanderte sie einige Stunden durch die Trümer der einst so schönen Stadt. Sie kannte nichts anderes, als den Schutt und den eintönigen Himmel. Tagelang hätte sie so wandern können, nur um irgendwann das Ende erreichen zu können. Sie öffnete ihren Helm, in dem sie auf einen Knopf an der linken Seite drückte und sog die Luft ein, durchsetzt von Asche, Rauch, Gras und dem Duft von Blumen. Gras und Blumen? Der Duft war so intensiv, dass ihr ein Schauer über den ganzen Körper lief. Sie rannte dem Duft entgegen. Stolperte über die Reste von Häusern und Wurzeln von abgestorbenen Bäumen bis sie um einen halbwegs stehenden Wolkenkratzer bog und vor einem kleinen Grasfleck stehen blieb. Er war bedeckt mit weißen, gelben, himmelblauen und roten Blumen. Ihre Blüten wirbelten in einer nicht vorhandenen Brise, als wären sie schwerelos und tanzten mit dem schimmerden Staub. Auf der linken Seite war ein Baum mit langen Ästen und einer sattgrünen Krone. Und unter ihr saß Jemand. Als Melina ihn sah duckte sie sich hinter einer zum Teil stehenden Wand. Er hatte sie noch nicht bemerkt. Sie betrachtete ihn genauer. Der Fremde war in ein weißes Gewand gekleidet. Schwere weiße Schuhe, schwerer weißer Umhang, unmengen an schweren weißen Gürteln und weiße Handschuhe an denen die Finger fehlten. Das auffäligste an ihm war aber, dass er eine silberne Hirschtotenkopfmaske mit einem prächtigen schwarzem Hirschgeweih und Einprägungen trug, die sich in seiner Kleidung wiederfanden. An den Wurzeln seines Geweihs waren dünne Seile mit bunten Holzperlen geschmückt, die aus seinen Schultern mit schneeweißen Federn bedeckt, ruhten. Die Perlen rutschten herunter, als er seinen Kopf drehte. In ihre Richtung. Melina hielt die Luft an, bereit für alles. Aber sie war nicht der Grund. Es war ein kleiner grauer Schmetterling, der Träge auf ihn zuflog. Der Mann streckte seinen Arm aus und gab den Zeigefinger frei, damit der Falter darauf ruhen konnte. Er betrachtete ihn eine Weile.
"Alles ist im Werden, zwinkert der Schmetterling.", raunte seine Stimme und Melinas Herzschlag setzte aus und der Schmetterling flog davon. Der Mann stand leichtfüßig auf und wirbelte dabei einige Blüten auf.

 

 

Impressum

Texte: Diana Smyrnova
Bildmaterialien: Diana Smyrova
Tag der Veröffentlichung: 04.10.2015

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