Traurigerweise leben wir in einer Welt, in der von vornherein erst einmal jeder Mensch schlecht ist. Ob es der junge Mann ist, der über das Internet eine Bekannte sucht, dem unterstellt wird er wäre pädophil, weil das Mädchen erst 16 ist. Oder, wenn wir schon bei diesem Thema sind: Der Schwule nebenan der bestimmt auch auf kleine Jungs scharf ist. Der Farbige, der nur in ein Geschäft kommt, weil er zur Toilette muss, will garantiert nur ausspionieren, ob es etwas zu stehlen gibt. Und der Muslim in der Nachbarschaft ist bestimmt ein böser Islamist.
Sofort schrillen in ungewohnten Situationen die Alarmsirenen in unserem Inneren. Sicher, Vorsicht ist nie falsch, aber … Ich frage mich: Wie weit sind wir als Menschheit gekommen, dass Vertrauen und der Glaube an das Miteinander aus unseren Köpfen vertrieben wurde? Stattdessen hat sich Angst und Misstrauen breit gemacht. Uns wurde das Bunte aus unserem Leben genommen und stattdessen alles schwarz-weiß gemalt. Ist das wirklich der Preis der Globalisierung? Sind wir alle überfordert von den vielen neuen Eindrücken, den unterschiedlichen Lebensweisen und Religionen? Ich weiß, dass es reale Gefahren gibt und ich weiß, dass Böses geschehen kann, aber nach meiner persönlichen Erfahrung erlebt man manch angenehme Überraschung, wenn man erst einmal versucht offen und freundschaftlich die Hand zu reichen. Nicht alles Fremde ist übel und nicht jeder Fremde ist mir übel gesonnen. Es mag viele befremdliche Dinge geben, aber im Umkehrschluss erscheine ich meinem Gegenüber wahrscheinlich genauso seltsam. Warum müssen wir alles verteufeln, warum nicht leben und leben lassen? Warum ist es einfacher an das Schlechte zu glauben anstatt an das Gute? Ich weiß, es gibt Pädophile, ich weiß es gibt sie, die Kriminellen und ich weiß es gibt Islamisten, die am liebsten alle Ungläubigen von dieser Welt tilgen wollen.
Aber sie sind die Minderheit und nicht wir!
Doch leben wir nach ihrem Diktat. Leiden tun wir alle, indem wir uns einschränken, uns fürchten und misstrauen. Uns die Chance nehmen einen eventuell sehr netten Nachbarn kennen zu lernen. Indem wir Mitgefühl verwehren und mit Kälte strafen wo eigentlich ein offenes Herz Fragen beantworten könnte. In den öffentlichen Netzwerken kursieren die verschiedensten Hetzparolen, einst in gut gemeinter Absicht eingestellt, wird alles verfremdet und zu einer Hetzkampagne. Es ist absolut erschreckend, wie viele diese Pamphlete liken, twittern, weiterverbreiten. In unsinniger Angst und unsinnigen Hass wird das weiter geschürt, was uns alle fesselt und behindert.
Ein Beispiel ist die Geschichte über einen Passagier in einem Flugzeug. Eigentlich wurde diese Geschichte gegen Rassismus, gegen den Hass von Weiß gegen Schwarz geschrieben. Daraus wurde mittlerweile eine Story über einen Muslim, der sich weigert neben einer Bibelleserin zu sitzen. Die Bibelleserin wurde natürlich mit einem Sitz in der ersten Klasse belohnt ... Ich weigere mich so ein Arschloch zu werden. Ich weigere mich meinen Horizont einzuschränken, weil es Fanatiker auf allen Seiten gibt. Welchen Schluss können wir daraus ziehen, was dagegen tun oder eben nicht tun? Sicher können wir alles weiter ignorieren und uns in unsere heimischen vier Wände zurückziehen, hoffend, dass dieser Kelch an uns vorüber geht. Und mit ihm zieht unser Leben an uns vorbei, während wir in unserem Mauseloch sitzen und hoffen nicht bemerkt zu werden. Überlassen wir nicht gerade damit eben jenen die Welt, die die Angst in uns schüren? Denen es gelegen kommt, dass wir uns nicht austauschen und uns dadurch Ängste und Befangenheiten nehmen könnten?
Ich drücke dem jungen Mann vom Anfang dieses Briefes die Daumen, dass er das Mädchen findet und sie ihre Freundschaft ausbauen können. Ebenso hoffe ich für das junge Mädchen, dass er eben kein Pädophiler ist. Ich hoffe, dass jeder Mensch seine Notdurft erledigen kann, ohne dass er gezwungen ist dies an einem öffentlichen Platz zu tun. Ebenso glaube ich fest, dass der Mann mit dem Bart und der Takke kein Selbstmordbomber ist und er mir meinen Rosenkranz genauso gönnt wie ich ihm seine religiösen Gebräuche. Hoffentlich findet der junge Mann nebenan einen liebevollen Partner und sie können ihr Leben genauso leben wie jedes Heteropaar. Es liegt in uns, es liegt an uns was wir aus dieser Welt machen. Ich für mich kann nur sagen: Ich werde weiterhin gegen jede Art von Fanatismus aufstehen und wenn ich nur so unsägliche Schreiben nicht like oder teile wie sie in unseren Netzwerken kursieren. Ich werde weiterhin für Menschlichkeit und Miteinander einstehen, aufmerksam machen auf die kleinen Dinge, die jeder von uns selbst machen kann. Da halte ich es mit John Lennon: Imagine ... stell dir vor ... wenn jeder von uns nur ein klein wenig tun würde ...
Tag der Veröffentlichung: 11.11.2018
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