Tanz des Verführers
Ich konnte es nicht! Wirklich! Ich wollte es, aber ich konnte einfach nicht meine Augen von ihm lassen.
Dabei hatte ich genau beobachtet, wie er auf plumpe Anmachversuche der anderen Männer reagierte. Er wollte nicht flirten, suchte keinen Partner für die Nacht.
Wie es aussah, wollte er tatsächlich nur seine Ruhe haben und tanzen.
Und – mein Gott … Wie er tanzte!
Alles an ihm war Rhythmus, war Bewegung, war ein Gleiten und Fließen.
Unweigerlich stellte ich mir diese Bewegungen vor, wenn er unter mir liegen würde. Wie sein schlanker, aber muskulöser Körper zitterte und bebte – doch dann in meinem Takt.
Ich beobachtete ihn weiter, meine Chancen abwägend.
Wie er die Arme graziös ausbreitete, sich drehte, seine Hüfte in sanften Schwüngen dabei den Beat unterstützte.
Das energischere Vor und Zurück seines Beckens, als der Takt härter wurde.
Mir wurde heiß, automatisch nahmen meine Hüften den Takt seiner Bewegungen auf.
Nur sah es bei mir obszön aus, nur auf eines gerichtet, während es bei ihm perfekte Kunst war.
Eine Performance der besonderen Art. Eine erotische Vorstellung der Extraklasse - und ich war lediglich Prinz Porno.
Er drehte sich, verschmolz einige Sekunden mit dem flackernden Licht, bis er sich soweit drehte, dass ich nun seinen geraden Rücken, die breiten Schultern und diesen anbetungswürdigen Hintern sehen konnte. Am liebsten wäre ich auf die Knie gesunken. In meinem Kopf Lobpreisungen über soviel Perfektion.
Sabberte ich? Prüfend fuhr meine Hand zu meinem Kinn.
Wenn ich den Kerl weiter beobachtete, konnte ich mir selbst nicht mehr trauen.
Gott sei Dank blieb mir wenigstens diese Peinlichkeit erspart!
Dass war aber auch das Einzige, was mir erspart blieb.
Die Männer um mich herum grinsten schon und machten blöde Bemerkungen.
Kein Wunder, ließ sich die deutlich sichtbare Erektion in meiner Hose doch kaum mehr verbergen. Dabei trug ich meine Motorradhose, deren Leder doch bestimmt einiges aushielt. Dazu meine allzu offensichtlichen Bewegungen, mein Blick, der den anderen Mann keine Sekunde losließ. Ich machte mich hier total zum Affen … Aber das war es wert!
Und das alles nur, weil ich diesem Blondschopf beim Tanzen zusah.
Jetzt beugte er seinen Oberkörper leicht nach vorne, tänzelte dabei rückwärts, die Arme vor sich, mit den Fingern den Takt schnipsend.
Ich blutete aus, alles, was an Blut in meinem Körper vorhanden war, sammelte sich an einer anderen Stelle! Fast dachte ich, der süße Blonde würde es darauf anlegen, wenn ich nicht vorher gesehen hätte, wie er einem der schmachtenden Kerle eine Ohrfeige gegeben hatte, als der es gewagt hatte ihn tatsächlich anzufassen. Zugegebener Maßen auf so eine unverschämte Weise, dass ich die Ohrfeige gerne selbst ausgeteilt hätte.
Mich wunderte es nur, dass nicht alle Männer auf der Tanzfläche wie Hyänen hechelnd, geifernd und knurrend einen Ring um ihn bildeten. In meiner Fantasie sah ich den Schönen und die Biester. Und mich natürlich als der strahlende Held auf dem weißen Pferd.
Komischer Weise war es diese Vorstellung, die mich ernüchterte.
Ich war gewiss kein Held und mit einem Schimmel konnte ich auch nicht dienen. Lediglich mit meiner roten Lady, meiner Honda Fireblade. Wenn ihre 178 PS unter mir losbrüllten, dann war das wie fliegen.
Nein, der Schöne da hinten auf der Tanzfläche war bestimmt andere Männer gewöhnt.
Gegen ihn war ich bestenfalls Durchschnitt. Sicher, ich hatte einen durchtrainierten Körper, aber meine Muskeln alleine würden wohl kaum ausreichen, diesen Gott auf zwei Beinen von mir zu überzeugen.
Dennoch gelang es mir nicht den Blick von ihm abzuwenden.
Er zog mich magisch an.
Ich beobachtete, wie er eine Handbewegung Richtung DJ machte, eine drehende Bewegung, die im Allgemeinen eine Wendung oder einen Richtungswechsel ankündigte und tatsächlich änderte sich nun die Musik.
Die harten, schnellen Beats wurden abgelöst von einem langsamen Rhythmus. Einige der Männer auf der Tanzfläche nutzen die Gunst des Augenblicks für mehr Körperkontakt, als sie die Auserwählten der Nacht enger in ihre Arme zogen.
Einige versuchte es bei ihm, doch der Blondschopf wehrte jeden ab.
Er schloss die Augen, wiegte sich, drehte sich, schien verletzlich und gleichzeitig stark und graziös. Mir fiel kein anderes Wort dafür ein
Seit wann bin ich ein solcher poetischer Idiot?, dachte ich. Gut, dass niemand meine Gedanken lesen kann, wie peinlich wäre das denn?
Aber es passte … es passte so sehr zu ihm
Kaum beanspruchte er noch Platz auf der Tanzfläche, während er gleichzeitig eine vibrierende Präsenz ausstrahlte, die die Musik in ihm lebendig machte.
Plötzlich öffneten sich seine Augen wieder und ihr Blick fing mich für einige kostbare Sekunden ein, bis er sich schlangengleich drehte, die Arme in einer fließenden Bewegung nach oben brachte.
Ein Verlustgefühl überkam mich, es entzog sich meinem Verständnis.
Grundgütiger … er war doch einfach nur ein junger Kerl auf einer Tanzfläche in irgendeinem Gayclub in meiner Heimatstadt.
Er war nicht der erste Kerl, der mich faszinierte und er würde bestimmt nicht der letzte sein.
Aber dieses Wegdrehen, dieses von mir Abwenden tat weh!
Und ehe ich es mir anders überlegen konnte, ehe mich meine Zweifel wieder einholten, tat ich die zwei, drei Schritte, die mich zu ihm brachten.
Nein, ich tanzte sie nicht, ging einfach auf ihn zu, stellte mich hinter ihm und zog ihn einfach gegen mich. Seinen Rücken gegen meine Brust pressend. Bevor ich seinen Wiegeschritt aufnahm. Das brachte ich gerade noch zustande.
Ich erwartete nichts anderes als ebenfalls eine grobe Abfuhr. Aber für nichts in dieser Welt hätte ich nun auf diesen Versuch verzichten können.
Ich sah das schadenfreudige Grinsen der anderen Männer, hörte ihre gemurmelten Kommentare, die ich zwar nicht wortwörtlich verstehen konnte, deren Sinn jedoch unmissverständlich war.
Da drehte er sich in meinen Armen, seine Augen funkelten mich an, dann legte er seine Arme um meinen Hals und flüsterte in mein Ohr: „Na endlich! Ich wusste schon nicht mehr was ich noch machen sollte!“
Texte: Babsi Corsten
Bildmaterialien: Rigor Mortis
Tag der Veröffentlichung: 19.09.2014
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