Langsam habe ich mich an den etwas süsslichen Duft von Desinfektionsmittel gewöhnt. Habe ich denn überhaupt eine andere Wahl? Schon wieder liege ich im demselben Krankenhaus wie vor einem Monat. Diesmal ist jedoch alles anders. Ich fühle mich sehr schwach, kann mich kaum noch bewegen und mir fällt es sehr schwer meinen Frust akustisch Kund zu geben. Noch einmal werde ich diese Station nicht mehr verlassen. Ich habe mich damit abgefunden, dass mein Leben hier ein Ende haben wird. Ironischerweise bin ich in diesem Krankenhaus auf die Welt gekommen. Hier hat alles angefangen und hier wird auch alles enden.
Millionen von Gedanken fliegen mir durch den Kopf. Hab ich ein schönes Leben gehabt? Lohnt es sich jetzt noch, sich an Gott zu klammern? War ich ein guter Mensch? Wieso hat es mich erwischt? Alles Fragen, für deren Antwort mir eigentlich gar keine Zeit mehr bleibt. Was bleibt mir denn noch anderes übrig, als auf die blanke weisse Wand zu starren und abzuwarten. Die Hoffnung habe ich schon längst aufgegeben. Jeder weitere Aufenthalt nahm mir Stück für Stück meine Hoffnung.
Ich habe nie gedacht, dass es einen so sehr mitnimmt, wenn man in so einer Situation ganz auf sich alleine gestellt ist. Ich habe keine Kinder und war nie verheiratet. Seit Tagen schon liege ich ganz alleine in meinem Zimmer und hoffe auf ein baldiges Ende. Es sind nicht die körperlichen Schmerzen die mich quälen. Jede vergangene Sekunde erinnert mich daran, wie einsam und verlassen ich bin. Ich habe den Schwestern verboten, mich besuchen zu kommen. Ich kann ihre in Mitleid getränkten Blicke nicht mehr ertragen. Ich habe das nicht nötig. Ich habe bis jetzt für alles in meinem Leben gekämpft, nichts wurde mir geschenkt und das soll auch so bleiben. Menschen die mich nicht ansatzweise kennen haben nicht das Recht mich zu bemitleiden. Ich komme ganz nach meinem Vater. Das hat auch immer meine Mutter gesagt.
Ganz tief
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2013
ISBN: 978-3-7309-7009-6
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