Die Sonne scheint unermüdlich auf das Königreich von Hengard. Ich hoffe, dass diese Sonnenperiode nicht allzu lang dauert. Dabei mache ich mir keine Sorgen um die Ernte, sondern eher um die Menschen. Den Feldern macht es komischerweise nichts aus, sie gedeihen in dunkeln und kalten Tagen genauso schnell und gut wie in hellen und heissen Tagen. Die Menschen jedoch benehmen sich immer aggressiver und komischer.
Es war vor einigen Jahren, als das erste Mal eine lange Sonnenperiode eingesetzt hatte. Bis dahin gab es immer vorhersehbare Wechsel zwischen Tag und Nacht. Seitdem ist es nicht mehr sicher, wann der Tag von der Nacht abgelöst wird. Viele glauben, dass das Land von Hexen verflucht worden ist und nur der Tod des Königs diesen Fluch wieder beheben kann. Ich jedoch glaube nicht daran. Deswegen habe ich auch bei der damaligen Hexenverfolgung nicht mitgemacht.
Es war nicht schwer, Hexen ausfindig zu machen. Hexen hatten immer ganz weisse, glänzende Haare. Ihre Augen waren so blau wie der Himmel und sie hatten immer eine sehr helle Haut. Sie waren im ganzen Land für ihre Heilkunde bekannt. Viele brachten immer ihre Kranken zu den Hexen und baten diese um Rat. Es gab auch viele Hexen in der Hauptstadt, die ganz normal lebten und eine Familie hatten.
Aus Angst vor einer Revolte des Volkes und aufgrund einiger Attentatsversuche auf seine Person, beschloss der König, Hengard von Hexen zu säubern. Er veranlasste das ganze Land nach Hexen zu durchsuchen und diese auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Somit sollte der Fluch aufgehoben werden. Aufgrund der Größe von Hengard reichte hierfür die Anzahl der königlichen Wachen nicht aus. Daher wurden alle Bauern verpflichtet, bei der Säuberung mitzumachen. Ich konnte damals eine Verletzung vortäuschen und somit der Zwangsrekrutierung entkommen.
Die Menschen waren so verzweifelt, dass sich niemand den Befehlen des Königs widersetzte. Ich habe es bis heute nicht verstanden. Wieso hat sich keiner dagegen gewehrt? Wieso haben so viele Dichter, Philosophen, Lehrer und Ärzte bei der Verfolgung mitgemacht?
Es war einer der schlimmsten und längsten Sonnenperioden. Überall im ganzen Land lag der Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft. Fast an jeder Ecke wurden Frauen der Hexerei beschuldigt und hingerichtet. Überall hörte man Geschrei und Gejammere. Viele Frauen wurden stundenlang von mehreren Männern brutal vergewaltigt und anschließend bei lebendigem Leib verbrannt. Dort wo früher klares Wasser floss und die Kinder drin spielten, liegen nur noch verbrannte Kleider und das Wasser schimmert in einem verfluchten Rot. Ich musste aufpassen, dass niemand meine Tränen bemerkte. Ansonsten würde ich wahrscheinlich auch auf dem Scheiterhaufen landen. Man durfte kein Mitleid mit den Hexen haben.
Ich habe wieder einmal schlecht geträumt. Immer derselbe Albtraum. Ich falle durch eine Felswand und erwache auf einer grünen Wiese wieder. Es herrscht überall Stille und nichts scheint sich zu bewegen. Es weht kein Wind und die Luft riecht nach nichts. Ich kenne diesen Ort nicht. Plötzlich höre ich ein Geräusch hinter mir. Als ich mich umdrehe, springt mich plötzlich ein großer grauer Wolf an. Genau an dem Punkt wache ich immer schweißgebadet auf.
Wie immer schiebe ich voller Hoffnung den dicken Vorhang zur Seite. Wieder keine Veränderung. Es ist immer noch so hell wie vorher. Es hat sich nichts an der Lage verändert. Die Sonnenperiode dauert immer noch an. Plötzlich klopft es wie wild an meiner Tür.
Fremde Person: "Kyran!! Kyran!! Wach auf, komm schnell raus!!!"
"Was? Wer ist da!?"
Das klopfen wird immer stärker!
Fremde Person: "Ich bins Lyam! Beeil dich! Etwas komisches geht vor sich. Wir müssen schnell zur Taverne!"
Was komisches? Was meint Lyam damit? Ich ziehe mich schnell an und öffne die Tür.
"Was ist los Lyam. Was hat sich ereignet?!"
Lyam:"Kyran, ich erzähl dir alles unterwegs! Komm schon, schnell!"
Lyam ist mein einzig wahrer Freund. Obwohl wir gleichaltrig sind, hat er gar keine Haare auf dem Kopf. Er ist ziemlich groß und stark. Kein Wunder bei dem was er alles isst. Er hat es mal geschafft in einer Mahlzeit 3 ganze Hühner zu verdrücken. Viele Kinder machen sich manchmal lustig über seinen großen Bauch doch Lyam sieht alles immer ganz gelassen. Er erzählt ihnen dann immer, dass er gerne kleine Kinder esse und daher sein Bauch so groß sei. Die Kinder rennen dann stets kreischend davon. Wir machen uns also auf den Weg zur Taverne. Dort soll es eine große Versammlung geben. Unterwegs erzählt mir Lyam was passiert ist.
"Sag schon Lyam, was ist passiert?"
Lyam: "Puhhh! Lauf ein bisschen langsamer Kyran! Es sind heute komische Leute in die Stadt gekommen. Mit leuchtenden Waffen und gruseligen Rüstungen mit Hörnern und Zähnen! Sie sitzen alle jetzt in der Taverne und das ganze Volk hat sich dort versammelt und jeder will wissen wer sie sind!
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Erti Esem
Bildmaterialien: Erti Esem
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2013
ISBN: 978-3-7309-9488-7
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