Träge verstrichen die Sekunden, in zwei Stunden erst würde die Ablösung kommen und die Augen waren müde und klappten immer wieder zu. Nein, einschlafen durfte er jetzt nicht...
Dann schreckte er von dem fiependen immer wieder an- und abschwellenden Ton auf. Kolissionsalarm! Es war also soweit. Irgend ein großes Ding kam da von draußen herein. Weit riss er die Augen auf. Tatsächlich, der Tachyonenorter hatte die Annäherung eines mindestens zwanzig Meter großen Gegenstandes bei der Oortschen Wolke erfasst. Mit einem Zwinkern aktivierte er mit seinem Astrolab das Detaildisplay, das alle Mitarbeiter seit kurzem als Standard im Gesicht trugen.
Das Astrolab war eine Art Rhomboid, das aus zahlreichen an den Eckpunkten verbreiteten Kunststoffstäbchen bestand. An den relevanten Stellen hatte es Kontakt mit der Haut, oder besser gesagt mit den Nervenzellen der Haut. Also war es an der Stirn, den Augenlidern und beim Mund gleichsam mit der Haut verwachsen. Wenn man es aufsetzte, dann bohrten sich dort Sensoren tief in die Haut ein und ein starker Schmerz wurde für einige Zehntelsekunden bemerkbar. Doch durch die Sensorik wurde der Schmerz unmittelbar nach der Aktivierung unterdrückt und man hatte sofort Zugriff auf alle verfügbaren Steuerelemente eines Raumschiffes oder aber wie hier auf die Sensorik der Kontrollstation. Eigentlich sahen diese Astrolabs wie zahlreiche ins Gesicht gesetzte Knöchelchen aus, was wirklich nicht besonders sexy wirkte. Auch wenn man es mit Gedankenbefehl wieder abnahm, verblieben winzige Wunden auf dem Gesicht. Doch exakt diese Wunden machten den Menschen für einen Außenstehenden erst so richtig interessant. Denn man wusste, der war eine wichtige Persönlichkeit, der hatte mit atlantisch-artusianischer Technologie zu tun. Und das, so wusste er, kam bei den Frauen irrsinnig gut an. Diese Erfahrung hatte er, Techniker zweiter Klasse Roland Szarzinsky, schon öfter gemacht. Da nahm man diese Wundränder und den kurzfristigen Schmerz beim Aufsetzen leicht in Kauf.
Doch nun zum konkreten Alarm. Er aktivierte also alle übrigen Stationen, nahm eine Kreuzpeilung vor und...
...merkte, dass es schon wieder ein Fehlalarm war. Der fünfte heute! Er fluchte: 'Also die atlantischen Techniker, oder vor allem Smith ihr Chef, dieser klakrrrakische Grey sollte sich einmal etwas Sinnvolles einfallen lassen, um diese Sensorik besser einzujustieren und solche Fehlalarme in Hinkunft zu unterbinden. Er hätte da schon einige Ideen, aber es fragte ihn ja niemand. Er hätte schon gewusst, wie man all dem begegnen könnte.'
Aber er wusste natürlich auch, das waren alles neueste Technologien, die keiner so richtig im Griff hatte und vor allem die keiner so richtig einzusetzen wusste. Da waren Technologieeinschübe von Atlantis, Artusia, von Delur, von Klakrrrak, durchmengt mit terranischer Technologie und alles sollte man miteinander kombinieren und sinnvoll einsetzen.
Beispielsweise diese Tachyonentechnologie, die sogar von einer Macht stammte, die erst vor kurzem versucht hatte eine riesige Invasionsflotte gegen die Erde zu führen. Also vor allem diese mysteriösen Overlords, die offensichtlich einen ungebremsten Hass gegen die Menschheit und alle menschenähnlichen Spezies hatten.
Die Tachyonen so wusste er, waren nach nunmehr überholter terranischer Vorstellung rein hypothetische Teilchen, die nie nachgewiesen worden waren. Sie sollten eben stets mit einer Geschwindigkeit, die größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit c wäre, dahineilen. Ihre Masse wäre imaginär, das heißt, das Quadrat ihrer Masse wäre negativ. Und da einer rein imaginären Ruhemasse bisher keinerlei physikalische Entsprechung zuzuordnen war, waren Tachyonen für die Menschheit bisher eine reine mathematische Kuriosität ohne reale Bedeutung gewesen.
Doch durch die Erkenntnisse, die der nunmehrige Präsident der Vereinigten Staaten von Terra, Turner, in Atlantis erlangt hatte, wusste man es besser. Die Tachyonen hatten eindeutig eine negative Masse und wirkten daher auf normale Materie abstoßend, das heißt also antigravitativ. Und bewiesen damit, dass es die sog. 'Dunkle Energie' gab, die eben gleichbedeutend mit der permanent vorhandenen Tachyonenstrahlung war und diese die meisten kosmischen Phänomene verursachte.
Die erstaunlichste Schlussfolgerung daraus aber war, dass diese antigravitative Wirkung der Tachyonen der tatsächliche Verursacher einer bisher völlig als selbstverständlich angesehenen Kraft war. Nämlich der Schwerkraft! Der Tachyonendruck war allgegenwärtig, er durchdrang jegliche normale Materie, wurde jedoch von dieser zum Teil abgestoßen und zum Teil abgebremst. Was zur Folge hatte, dass der Grund der Anziehungskraft eines Planeten eben der von außen auf den Planeten wirkende Tachyonendruck war. Von der Planetenseite her war die Wirkung der Tachyonen geringer, da hier eben die Masse des Planeten den Druck reduzierte. Und dieser Druckunterschied erzeugte eben die Schwerkraft.
Im freien Weltall war der Druck nicht messbar, da er von allen Richtungen gleichförmig auf jedes Objekt wirkte und sich somit aufhob.
Doch dieses Prinzip wurde von den Artusianern, den Atlantern, aber auch von den Delurern von der anderen Wirklichkeitsebene und nun auch von den Terranern genutzt, um verschiedene Technologien einzusetzen, die bisher eher als Zauberei angesehen wurden.
Denn wenn man mit speziellen Vorrichtungen, wie beispielsweise rotierenden, gepulsten Magnetfeldern diese Strahlung einseitig abhalten konnte, dann wurde der damit ausgestattete Flugkörper in diese Richtung mit atemberaubender Geschwindigkeit beschleunigt, da von der anderen Seite der überlichtschnelle Tachyonendruck ja noch wirkte. Und wenn man das Ablenkfeld um das gesamte Schiff schloss, wurde damit quasi ein in sich geschlossener Raum geschaffen, in dem keine Schwerkraft, aber auch keine Massenträgheit existent waren. Somit konnte man mit Beschleunigungen agieren, die jeden Gegenstand im Normalfall sonst zerquetscht hätte. Jeder Impuls, der auf diesen nun schwerelosen Gegenstand wirkte, hatte unmittelbar eine Beschleunigung zur Folge, da der Gegenstand ja keinerlei Massenträgheit besaß.
Aber auch andere Möglichkeiten hatte man aus den Gegebenheiten geschaffen. Man hatte Tachyonentriebwerke erfunden, die von sich aus gepulste Tachyonen ausstießen und die ein Raumschiff mittlerweile auf die 2,2-millionenfache Lichtgeschwindigkeit beschleunigen konnte. Natürlich barg diese Technologie Risken. Ab der 3,5-millionenfachen Lichtgeschwindigkeit zerriss es das Objekt, ohne dass man wusste weshalb. Der Ausstoß eines scharf gebündelten Tachyonenstrahls mit ca. 3,49-millionenfachen Lichtgeschwindigkeit konnte jedoch auch als Waffe eingesetzt werden. Und das mit tödlicher Präzision, wie es die Overlords bewiesen hatten. Fast wäre durch diese Waffe die Erde pulverisiert worden. Nur der Einsatz einer Advisorenflotte, die der Menschheit aus einer anderen Wirklichkeitsebene zu Hilfe geeilt war, hatte die Auslöschung der Erde verhindert. Durch den mutigen Einsatz ihrer nunmehrigen Verbündeten, allen voran der Advisorin Lilian König und ihres Begleiters Advisor Raphael, konnte die Flotte der Overlords besiegt und die Erde gerettet werden.
Doch in der Station, in der Szarzinsky Dienst schob, ging es um ein komplett anderes Anwendungsgebiet der Tachyonen. Nämlich um ein neues ungetestetes Ortungssystem.
Die Situation war nämlich grotesk. Raumschiffe konnten mittlerweile die 2,2-millionenfache Lichtgeschwindigkeit erreichen, die Informationen über ihre Bewegung traf aber nach wie vor nur lichtschnell beim potentiellen Empfänger ein. Was zur Folge hatte, dass das Raumschiff viel früher einlangte, als die Information darüber. Was physikalisch am Anfang zu akausalen Schlussfolgerungen führte und weswegen sich die Physiker anfangs gegenseitig in die Haare gerieten. Denn es gilt nämlich das sogenannte Kausalitätsprinzip, dass eben ein Ereignis B nie vor einem Ereignis A eintreten darf. Und bis man darauf kam, dass ein überlichtschnelles Raumschiff sehr wohl Zeit benötigte um von A nach B zu gelangen und es eben nur ein Informationsdefizit war, der eine scheinbare Akausalität verursachte, dauerte es auch einige Zeit.
Was für die Physik aber maximal ein theoretisches Problem darstellte, war für die militärisch-strategische Seite ein absolutes 'no Go'. Denn es konnte einfach nicht sein, dass feindliche Raumschiffe bereits in der Erdumlaufbahn standen, die optische Information sie hingegen erst in der Oortschen Wolke vermutete. Es musste also ein System geschaffen werde, das ebenso überlichtschnelle Ortungsergebnisse erbrachte und diese Information auch überlichtschnell an die Entscheidungsträger übertrug. Auch das war eine Erkenntnis, die erst durch die Konfrontation mit den Overlords den Terranern bewusst gemacht wurde.
Es wurden nunmehr spezielle Tachyonen mit ganz bestimmter Strahlungsintensität, einer bestimmten Frequenz, einer bestimmten Auffächerung und einer bestimmten Geschwindigkeit ausgesendet, die von einem normalmateriellen Raumschiff auch reflektiert werden konnten. Und diese Phase der Justierung all dieser Parameter war alles andere als einfach.
Und darum saß der Techniker zweiter Klasse, Roland Szarzinsky hier und ärgerte sich über die laufenden Fehlalarme. Asteroiden hatten eben ähnliche Zusammensetzungen wie ein potentielles feindliches Raumschiff. Es waren zahlreiche automatische Sonden in der Oortschen Wolke verteilt worden, immerhin ca. 1,6 Lichtjahre von Terra entfernt, die dann Daten zu den diversen Kontrollstellen im Kupiergürtel sendeten, die wieder die Daten bündelten und zur Erde übertrugen. Aber eben dieses neuartige System war in keiner Form getestet worden. Es gab zwar in der anderen Wirklichkeitsebene, in der die delurisch-terranischen Streitkräfte und ihre Advisoren das Sagen hatten, ein ähnliches System, aber auch dort war es im Grunde ein anfälliges Testsystem, so wie hier.
Aber nur hier in dieser atlantisch-terranischen Wirklichkeitsebene war der Konflikt heiß geworden und nur hier war es zu einer größeren Auseinandersetzung zwischen den Overlords, oder eigentlich den Djehutis, wie sie sich selbst nannten und ihrer Verbündeten einerseits und den terranischen Streitkräften beider Wirklichkeitsebenen andererseits gekommen.
Als also der Grund der Fehlortung geklärt war, startete Szarzinsky noch schnell eine Dokumentationsroutine und ging dann wieder in den Standardüberwachungsmode über.
Eine Stunde verging ohne weiteren Ereignissen. Offensichtlich war er wirklich ganz kurz eingenickt, denn als er sich des neuerlichen Fiepens des Kollisionsalarms wirklich bewusst wurde und dachte: 'Schon wieder ein Fehlalarm!', war es für eine Reaktion bereits zu spät. Eine kleine, keine fünfzig Meter große Kugel, näherte sich der Überwachungsstation, löste all ihre Waffen aus und ließ von der Kontrollstation nur mehr ein in die Singularität zusammengestauchtes Etwas über.
Die Kugel drehte sich noch ein paar Mal um ihre eigene Achse, wurde dabei immer langsamer und beschleunigte dann wieder rasant. Lautlos glitt sie davon und schon nach wenigen Augenblicken, war sie von der Dunkelheit des Weltalls verschluckt worden.
Bericht Lilian:
Raphael und ich waren nach dem großen Zusammentreffen mit dem Overlord und seiner Invasionsflotte auf der Erde in der altlantischen Wirklichkeitsebene geblieben. Hier war ein großes Aufgabengebiet für uns offen geblieben. Einerseits waren da die gigantischen Schäden zu beheben, die der eine Treffer des djehutischen Kugelraumers angerichtet hatte, andererseits waren da die Bewohner Terras und die „übersiedelten“ Atlanter zu betreuen, um ein neues „Wir-Bewusstsein“ zu generieren, um sich als einheitliche großes Volk, eben das atlantisch-terranische zu sehen und nicht nur als Amerikaner, Russe, Chinese oder Atlanter.
Und schließlich waren da auch die Produktion von neuen Raumschiffen und Abwehrsystemen zu organisieren, denn mit den wenigen aus der Vergangenheit herübergeholten atlantischen Schiffen war auch kein Krieg mehr zu gewinnen, wie wir es in dem Konflikt mit den Overlords, also den Djehutis und ihrer ichtonischen Verbündeter gesehen hatten. Die rund fünfhundert verbliebenen atlantischen Kreuzer und Schlachtschiffe waren zwar mächtig, mächtiger sogar als unsere eigenen schweren Kreuzer und Hunterkiller Jagdschiffe (habe ich jetzt wirklich eigene gesagt? Im Grunde waren es delurische Einheiten, die unsere Verbündeten im Zuge des Delurischen Bundes uns zur Verfügung gestellt hatten und die nun mit Terraner bemannt waren). Aber es gab einfach zu wenige dieser atlantischen Einheiten, die mit Turner über die Zeitschranke aus Atlantis zu uns vorgestoßen waren und sie mussten alle nun mit den neuesten Systemen der tachyonischen Technologie ausgestattet werden.
Derzeit wurden riesige Werften auf dem Mond errichtet, die einerseits diese neuartigen Waffen und Antriebssysteme produzieren sollten, sowie die im Lizenzverfahren zu bauenden delurischen Jagdschiffe und andererseits auch neuartige Ortungssysteme, die uns durch die Eroberung des djehutischen Kugelraumers in die Hände gefallen waren.
Und da war auch noch die Erforschung der übrigen Geheimnisse dieses Raumers offen, denn leider waren große Teile von ihm bei der Eroberung zerstört worden und es verblieben nur mehr verglühte Tonnen unnützes Metalls in seinem Schiffsleib.
Auch der durch den djehutischen Beschuss neu aufgetauchte Kontinent Atlantis, der eigentlich ehemaliges mestorisches Hoheitsgebiet war, wie wir aus unserer Zeitreise wussten, galt es zu erforschen und für die Menschheit zugänglich zu machen.
Es wartete also ein gigantisches Aufgabengebiet auf uns, aber wir mussten auch psychologisch verdammt aufpassen, dass unsere Hilfe nicht als Almosen oder 'Entwicklungshilfe' von den Terranern dieser Wirklichkeitsebene angesehen wurde. Organisatorisch waren unsere verbündeten Delurer wesentlich besser als alle Terraner zusammen, aber sie besaßen auch irgendwie eine gewisse Überheblichkeit mit all ihrem Advisorengehaben, die absolut nicht überall gut ankam. Doch sie dachten einfach nichts Schlechtes dabei, ein Advisor war lediglich eine Art 'Doktorvater', ein Mentor, der sein Wissen seinen Schutzbefohlenen weitergeben wollte.
Und niemand wusste es besser als ich, denn ich lebe mit einem solchen speziellen Exemplar von Delurer zusammen. Raphael war nämlich ein Delurer und unsere Beziehung war fast an dieser 'Eigenheit' seines Volkes gescheitert. Doch wenn man ihn so nahm, wie er war, konnte man es richtig genießen. Und auch da konnte ich meine Erfahrungswerte den Terranern dieser Ebene vermitteln. Raphael hatte manchmal seltsame Ansichten und hin und wieder prallten unsere verschiedenen Mentalitäten aufeinander, aber wir waren trotzdem glücklich miteinander. Ich lernte viel von ihm und er von mir und auf alle Fälle war uns nie langweilig.
Schade, dass uns in der Hektik unserer Tätigkeit nicht viel Zeit für gemeinsame Aktivitäten blieb. Doch der Forscherdrang und die Abenteuerlust waren einfach zu groß um ins zweite Glied zurücktreten zu können.
Aber wir genossen die Zeit die wir dann doch gemeinsam verbringen konnten.
Wir hatten ein Detachement von eintausend Einheiten im atlantisch-terranischen System belassen, denn man wusste nie, wie sich die Overlords weiter verhalten würden. Wir hatten ihnen zwar eine vernichtende Niederlage bereitet und siebzig ihres Volkes waren uns in die Hände gefallen, jedoch erwiesen sie sich alle als eher unbedarfte Helfershelfer und sie hatten mehr von gackernden Hühnern als von zuschlagenden Raubvögeln an sich. Ja, sie waren Avoide, also vogelähnliche Wesen und sahen nach unserem Dafürhalten mit ihren langen geschwungenen Schnäbeln, wie Ibise aus. Auch ihr kleiner Kopf und ihr schlangenähnlicher Hals waren charakteristisch für ihre Gestalt.
Nur ihre Anführer waren die wahren Herrscher. Diese speziellen Djehutis hatten sich in einem Art von Geheimbund zusammengeschlossen und waren aufgrund technologischer Errungenschaften physisch unsterblich. Zumindest soweit dies ihrer 'normalen' Lebenserwartung entsprach. Ein schneller Schuss aus einer bestimmten Waffe konnte natürlich auch sie hinwegfegen. Wir hatten dies bei unserem letzten Zusammentreffen mit einem ihrer Gottkönige, dem Thot, nur zu deutlich gesehen. Obwohl dies durchaus nicht in unserer Absicht gelegen hatte. Ein anderer Djehuti hatte ihn erschossen.
Dieser eine Djehuti war etwas ganz Besonderes. Er dachte nicht so wie alle anderen seiner Artgenossen. Er hatte keine überhebliche Art und er dachte ähnlich wie unsere Spezies. Ich bedauerte, dass er nach dem Schuss mit dem er seinen obersten Kriegsherrn getötet hatte, nur den Satz verlauten ließ: 'Er hat es nicht anderes verdient!' Seit diesem Zeitpunkt hatte er zu allen Fragen geschwiegen.
Raphael und ich waren gerade bei einem gemeinsamen Überführungsflug von technischem Material in der Zeut von der Erde zum Mond, als unsere delurischen Ortungssysteme plötzlich Alarm schlugen.
Gerade jetzt musste es Alarm geben, wo wir es uns gerade gemütlich machen wollten. Ich seufzte, aber Raphael meinte trocken: "Das Vergnügen kann warten, jetzt ruft die Pflicht."
Und dann überschlugen sich auch schon die Ereignisse.
Nach der Signatur des Ortungssystems kam der Alarm aus der nördlichen Überwachungskugel des terranischen Sicherheitskordon in der Oortschen Wolke.
Und wir wussten, wenn ein Raumschiff die Oortschen Wolke mit Höchstgeschwindigkeit durchstoßen hatte, blieben uns nur maximal fünf Sekunden Vorwarnzeit um Abwehrmechanismen nach der Warnung einzuleiten.
In der Praxis blieben uns zwanzig Sekunden, offensichtlich war das Schiff langsamer oder eben nicht direkt eingeflogen sondern tangential oder paraboloid.
Auf alle Fälle waren unsere Schiffe rechtzeitig am Rendezvouspunkt und empfingen das fünfzig Meter durchmessende Kugelschiff mit allen Waffensystemen, die unsere 500 Schiffe vor Ort besaßen.
Das Raumschiff war kein Schiff der echsenartigen Ichtonier, die wir wie beim Tontaubenschießen vom Himmel holen konnten. Dieses Schiff konnte im Gegenteil die hundertfache Übermacht unserer Schiffe in Schach halten, zumindest hatten unsere Analytiker dies so errechnet. Allerdings waren da noch nicht die neuesten Technologien in unsere Raumschiffe eingeflossen. Der Overkillmarker lag wahrscheinlich in Wirklichkeit bei 75:1. Doch wir würden es nun herausfinden können. Und mit 500 zu 1 waren wir auf der sicheren Seite.
Doch das Schicksal wollte es anders, denn zehn Sekunden später standen uns plötzlich fünf dieser Kugelraumer gegenüber. Unser Sicherheitskordon war also löchriger als wir es angenommen hatten. Und wir wussten, ein einziger Schuss aus diesen teuflischen Tachyonenstrahlenkanonen auf die hilflose Erde, würde das das Ende der Menschheit bedeuten.
Nun wurde mir doch ein wenig mulmig zumute und ich fragte Raphael hektisch: „Und was machen wir jetzt?“
Verbissen kaute er auf einem nicht vorhandenen imaginären schweren Brocken in seinem Mund und meinte dann:
"Nun das Verhältnis beträgt immer noch 100:1 und unsere Experten haben uns dabei einen quantitativen Vorteil vorausgesagt, also werden wir zwar gigantische Verluste einfahren, aber wir werden gewinnen! Außerdem bleibt uns nichts anderes über...."
Die ersten Strahlenbündel des Gegners fuhren in unsere Reihen und ein klassisches T-Manöver kündigte sich an. Das heißt, der Gegner war in einer Reihe aufgestellt und wir stießen keilförmig im rechten Winkel in seine Linien vor und durchschnitten dadurch seine Kampfposition. Das bedeutete, dass wir unsere nach vorne gerichteten Geschütze stets auf den Gegner gerichtet haben konnten, er hingegen immer, je nach Annäherungswinkel seine Geschütze neu ausrichten musste. Allerdings war dieser klassische Vorteil eines T-Manövers in Zeiten von überlichtschnellen Geschützen und computerberechneten Vorhaltswinkel äußerst theoretisch und brachte uns nicht wirklich Vorteile. Außerdem hatte jedes unserer Schiffe nur zwei starr nach vorne gerichtete überschwere Tachyonenstrahler, der Gegner dagegen hatte sechs mittelschwere in alle Richtungen dreh- und richtbare Tachyonengeschütze, womit sich unsere Überlegungen alle relativierten.
Zwanzig eigene Schiffe waren bereits vernichtet, als wir die ersten Treffer in den Feindkugelraumer anbringen konnten. Und weitere fünfzig eigene Schiffe mussten daran glauben, bis wir selbst den ersten Raumer vernichtet hatten.
Es würde in ein Massaker ausarten. Auch atlantisch-terranische Einheiten tauchten schließlich auf und unterstützten unsere Bemühungen. Der größter Teil ihrer Flotte war jedoch zur Umrüstung gerade am Mond und stand uns daher nicht zur Verfügung. Durch die Größe ihrer schweren Einheiten konnten sie zwar mehr Treffer einstecken und wurden daher nicht so leicht abgeschossen, allerdings waren sie in der Erdatmosphäre, in die sich der Kampf mittlerweile verlegt hatte, viel zu träge in ihrer Manövrierfähigkeit.
Auch unsere schweren Jäger waren mittlerweile gestartet und mischten mit den neuen überschweren Tachyonenwerfer in der Auseinandersetzung mit. Aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Mittlerweile hatte sich das Gefecht aufgefasert und man konnte nicht mehr so leicht erkennen wo Freund und wo Feind standen. Doch eines hörte ich mit meinen speziellen Sinnen. Es starben Individuen auf beiden Seiten. Wenn ich überdachte wie viele Menschen hier wieder ihr Leben lassen mussten, konnte ich vor Gram nur mehr schreien. Wann hörte dieser Wahnsinn endlich auf, wann gaben die Overlords ihren Vernichtungsfeldzug gegen uns endlich auf?
Da tauchten mit einem Male von unten unförmige Plattformen auf und stiegen bis in die Höhe der terranischen Raumstationen auf und begannen aus tausenden Schlünden zu feuern. Wie ich feststellen konnte, waren es tausende dieser Plattformen und alle nahmen die Raumschiffe der Djehuti ins Visier.
Damit hatten wir nicht gerechnet aber das war die Wende und ein Feindschiff nach dem anderen wurde innerhalb kurzer Zeit zu einer großen Schrottansammlung zusammengequetscht. Offensichtlich hatte der terranische Präsident Turner doch noch einen Trumpf im Ärmel gehabt, von dem wir nichts wussten, er hatte uns darüber zumindestens nichts berichtet.
Zwei Schiffe der Overlords waren schließlich nur noch über und die traten schnell die Flucht an. Unsere Schiffe stoppten angesichts dieser Fluchtbewegung ihr Feuer. Doch Uryan brüllte auf einmal los:
"Idioten, es darf keines der Schiffe entkommen, sonst haben wir in spätestens einem Monat dasselbe Problem, allerdings mit einer wesentlich größeren Flotte der Djehuti!"
Unsere schnellen Hunterkiller legten sich neuerlich ins Zeug und konnten die Kugelraumer, bevor sie noch Fluchtgeschwindigkeit zur Erzeugung eines künstlichen Fluchttunnels erreichen konnten oder aber die volle Leistungsfähigkeit ihrer Tachyonentriebwerke ausnutzten, rechtzeitig abfangen. Unsere Einheiten waren zwar nicht so kampfstark, hatten aber immerhin ein wesentlich höheres Beschleunigungsvermögen.
"Nicht völlig vernichten, sondern lediglich die Triebwerke und die Waffen ausschalten!", rief Raphael in das allgemeine Getümmel hinein. Und tatsächlich nach zehn Minuten, standen die beiden Schiffe bewegungslos in einem Mondorbit und wir konnten ein Enterkommando losschicken.
Wie ich in den Gedanken der Overlords feststellen konnte, waren sie äußerst verwirrt, denn so etwas hatten sie noch nie erlebt. Keines ihrer eigenen Flotten war je derart vernichtend geschlagen und so demütig in die Enge getrieben worden. Etwas Derartiges wie "Niederlage" oder "Verlieren" war ihnen einfach fremd und sie hatten keine Erfahrungswerte wie sie damit umgehen sollten. Deshalb standen sie nur ratlos in der Zentrale ihres Schiffes herum, als wir diese stürmten. Und wie wir in Erfahrung bringen konnten, war ihre Führungspersönlichkeit bereits mit dem ersten von uns getroffenen Raumschiff untergegangen. Somit hatten sie keine Entscheidungsträger mehr und waren von uns doch "relativ" einfach besiegt worden.
Allerdings hinterließ diese Schlacht auch einen schalen Geschmack, denn es waren immerhin 250 eigene Einheiten mit je fünf Besatzungsmitgliedern ums Leben gekommen, wir hatten also einen schweren Blutzoll zu entrichten gehabt.
Nun mussten wir also neue Überlegungen wälzen, denn ein derartiges Ereignis, konnte jederzeit wieder stattfinden. Irgendetwas Neues mussten wir uns einfallen lassen. Uns rein auf einen Abwehrkampf zu konzentrieren war eindeutig die falsche Wahl. Wir mussten von uns aus aktiv werden und das Heft des Handels in die Hand nehmen. Und ich hatte dabei schon eine Idee, doch dazu musste ich mit diesem einen speziellen Djehuti, der ähnlich dachte wie wir, ein eingehendes Gespräch führen. Auch die in unsere Hände gefallenen Feindschiffe spielten in meinen Überlegungen dabei eine wesentliche Rolle. Ich suchte daher ein Gespräch mit Turner und Uryan.
"Habt ihr einen Moment Zeit für mich?" fragte ich die beiden, aber sie winkten ab. Uryan antwortete nur kurz und schien dabei leicht gereizt: "Jetzt nicht, wie du selbst siehst, sind wir gerade schwer beschäftigt."
Anscheinend interessierten sie meine Gedanken und Ideen überhaupt nicht und deshalb zog ich mich schmollend zurück.
Raphael zuckte nur mit den Schultern und machte in meine Richtung ein unglückliches Gesicht, war aber auch nicht bereit, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen.
Irgendwie eine Frechheit, mich hier so zu ignorieren, ...Männer, hm, Männer eben!
Irgendwie sah ich es ja ein, jetzt war die Zeit die gewonnene Schlacht zu analysieren, die zukünftigen Manöver abzustimmen, die entsprechenden Taktiken und Waffeneinsätze zu evaluieren, und, und, und. Keine Zeit für neue innovative Ideen, kein Platz für etwas Unvorhersehbares, hach, diese Militärköpfe, diese Ignoranten, naja, Männer eben,..
Da kam mir ein neuer Gedanke! Wenn die sich über diese Dinge unterhalten konnten, dann konnten auch WIR uns über die zukünftigen Dinge unterhalten!
Und wer WIR waren, das war auch klar, ich würde sie jetzt sofort anrufen und zu einem "konspirativen" Treffen zusammenrufen. Im ehemaligen Machtzentrum der Russische Föderation, dem Kreml, trafen wir drei schließlich zusammen.
Tamara Svetlana, die Präsidentin der ehemaligen Russischen Föderation und Partnerin von Charles Turner, Arrion, die stellvertretende Oberprotektorin der Falsoner von dem Steampunkplanet und schließlich ich. Ha, Frauenpower, wir würden es ihnen zeigen!
"Also danke Tamara, dass wir uns hier bei dir treffen durften."
Nach ein paar belanglose Worten, begann ich:
"Also ich denke, dass dies alles nicht so weitergehen kann wie bisher. Die Overlords stellen eine neue Flotte zusammen, schicken sie gegen unsere Systeme, wir können sie auf dem letzten Zacken gerade noch abwehren, daraufhin rekrutieren die Overlords eine neue stärkere Flotte und schicken sie wieder gegen uns, wir können sie zwar wieder abwehren,... Aber irgendwann wird es nicht mehr gehen! Irgendwann siegen wir uns zu Tode. Denn unsere Ressourcen sind begrenzt, wohingegen die Overlords offensichtlich auf Quellen zurückgreifen können, von denen wir nur träumen können. Meiner Ansicht nach müssen wir die Sache anders anpacken. Wir müssen offensiv werden und den Konflikt in ihre Reihen tragen. Wie wir gesehen haben, sind die "normalen" Overlords gegenüber einer entschlossenen Vorgehensweise hilflos. Das müssen wir ausnützen!"
"Da hast Du schon recht Lilian", bekundete mir Arrion, "aber wir können nicht mit einer Flotte in ein System vorstoßen, von dem wir nicht wissen wo es ist und von dem wir nicht wissen wie die Verteidigung organisiert ist und von dem wir nicht wissen was uns dort erwartet."
"Also ich lehne so ein Selbstmordunternehmen grundweg ab!", meldete sich auch Svetlana nun zu Wort.
"Nun, so etwas habe ich auch nicht vor!", gab ich etwas gekränkt von mir, "ich dachte eher an ein Kommandounternehmen gegen einen ihrer Nachschubplaneten! Du und Turner seid ja damals auch gegen jede Vernunft in die Vergangenheit nach Atlantis gereist und hattet nur 250 Mann bei euch!"
"Hm, ich muss nachdenken! Hättet ihr Lust die Kunst des Kenjutsu zu lernen?"
"Kenjutsu?" Unverständnis wuchs ihr entgegen.
"Ja, die Kunst des japanischen Schwertkampfes! Dabei kann man sich irrsinnig gut entspannen und seine Gedanken für Neues freimachen!"
Da sie offensichtlich darauf bestand, und Arrion durchaus Interesse an einer neuen Kampftechnik hatte, stimmten wir schließlich zu.
"Natürlich fangen wir nicht mit einer echten Katana an, sondern nehmen zuvor das Bokutō, das japanische Holzschwert, oder aber das Shinai das aus Bambuslamellen gefertigte Übungsschwert", lächelte Tamara.
Trotz dieser Einschränkung, sah ich dieser Übung etwas skeptisch gegenüber, ich hatte absolut keine Erfahrungswerte und so ein Kampf Mann gegen Mann, oder hier besser Frau gegen Frau, war sicherlich nicht meinem Naturell entsprechend.
Nach einer kurzen Sitzmeditation in Seiza-Haltung, standen wir also in unserer Schutzausrüstung, Bōgu, wie sie Tamara nannte, gegenüber und sollten die Grundschritte wie Ayumi-Ashi, Okuri-Ashi, Hiraki-Ashi und Tsugi-Ashi einüben. Besonders der Stampfschritt Fumikomi-Ashi, war eine witzige Variante. Auch die verschiedenen Schlagtechniken wurden da geübt. Dass da jede Bewegung eine eigene Bezeichnung hatte und dazu noch auf japanisch, verwirrte mich und ich tat mir damit sehr schwer. Und wie sollte sich aus diesem Kampftraining ein neuer Aspekt für unsere derzeitige Lage ergeben? Doch dann verstand ich, es ging nicht um das Training selbst, sondern an die Gedanken die man dabei hatte. Ein wesentlicher Teil des Kenjutsu war die geistige Haltung und der unbeirrbare Wille den Gegners zu überwinden und selbst zu gewinnen.
Das Ki-ken-tai-itchi, wie es genannt wurde, bestimmte das Zusammenspiel von Körper und Geist. Und da, so merkte ich, tat ich mir wieder leicht, denn ich konnte natürlich durch meine Fähigkeit die Gedanken des Anderen jederzeit im Vorfeld erkennen und dagegen vorgehen. Als ich das begriffen hatte, zwinkerte mir Tamara zu und meinte gedanklich: 'Genauso solltest Du vorgehen, zuerst eins werden mit dem Schwert und sich dann den Willen verinnerlichen, um den Gegner zu überwinden!'
Während sich Arrion in der Technik leichter tat, tat ich mir in der Vorahnung der Schläge und Angriffe leichter. Nach zwei Stunden waren wir allerdings physisch aber ziemlich fertig und Tamara brach das Training ab. Etliche blaue Flecken zierten unsere Körper und ich würde gegenüber Raphael etlichen Erklärungsbedarf bekommen.
Nach dem Duschen erklärte Tamara: "Naja, im Normalfall bekommt man vor dem Realtraining, eine theoretische Lehrstunde mit dem Astrolab, aber ich dachte, probieren wir es mal auf die harte Tour!"
Ich war etwas erstaunt und wusste nicht, wollte sie meine Ideen mit diesem Training abwürgen, oder meinte sie es mit diesem Training wirklich ernst und wollte uns nur auf zukünftige Konflikte vorbereiten,...?
"Gut, ich habe nachgedacht, deine Ideen sind äußerst interessant und ausbaufähig. Wie ich deinen Gedanken während des Trainings entnommen habe, meinst Du es ernst und die Überlegungen haben Potential. Aber ich denke, wir werden 'deinen' Djehuti gemeinsam besuchen, zwei 'hören' eben mehr als nur einer." Natürlich hatte sie recht, wir waren schließlich beide ausgezeichnete Telepathen.
"Und die Idee aus den verschiedenen djehutischen Schiffswracks ein einziges zusammenzubauen und eine Art Trojanisches Pferd zu konstruieren, ist auch kein schlechter Zugang", lächelte sie mich an. Das war zwar nun nicht ganz fair von ihr gewesen, während ich mich auf dieses Kenjutsu, oder eigentlich Kendō konzentriert hatte, hatte sie mich telepathisch, ob meiner Gedanken abgeklopft. Aber immerhin, sie gab mir recht und würde mich bei meinem Anliegen unterstützen.
"Gemeinsam können wir es schaffen", sagte sie nun energisch und ich nickte zustimmend. "Natürlich schaffen wir das und wir sollten keine Zeit verlieren", antwortete ich und in Gedanken war ich schon mitten in den Vorbereitungen für unsere Pläne.
Als erstes führte uns unser Weg in das "Butyrka", dem Hochsicherheitsgefängnis von Moskau.
Denn dorthin waren alle Gefangenen des ersten djehutischen Angriffes gebracht worden. Also vor allem die Djehuti des fünfhundert Meter großen Schlachtkreuzers der Overlords. Und dort war auch dieser spezielle Djehuti untergebracht worden, der seinen Chef, den gottgleichen Thot umgebracht hatte. Fodekka, wie er sich nannte, hatte seinen Vorgesetzten und Gottkönig unerbittlich gehasst und ihn, nachdem wir diesen vom Selbstmord schon fast gerettet hatten, mit einem Thermostrahler erschossen. Die Hintergründe lagen jedoch allesamt im Dunkeln und wir hatten auch bisher keine Zeit gehabt, nähere Informationen von ihm zu erhalten und er selbst hatte zu allen Fragen einfach geschwiegen.
Doch unseren telepathischen Fähigkeiten konnte er, zum Unterschied zu seinem Chef, keinen Widerstand leisten. Wir hatten also gute Chancen, Informationen aus ihm herauszuholen.
Quietschend fuhren die Sicherheitsgitter seiner Zelle zur Seite und gaben die Sicht auf dieses eigenartige Wesen frei. Ein Djehuti sah aus wie der aus der Ägyptischen Mythologie bekannte Gott Thot, dem ibisförmigen Gott des Mondes, der Magie, der Wissenschaft, der Schreiber, der Weisheit und des Kalenders, oder Gott des Westens, des Totenreiches.
Jeder Djehuti war ca. zweimeterfünfzig groß und hatte eine Haut die schwarz wie Ebenholz und widerstandsfähig wie harter Gummi war. Schaak, einer unserer Besatzungsmitglieder der Zeut, hatte einmal mit einer Smith&Wesson eine gesamte Trommel auf Thot abgefeuert, ohne dass die Kugeln die Haut durchdringen konnten.
Das Auffallendste war jedoch sein schlangenartiger Hals, der anschließende kleine Kopf und der lange gebogene Schnabel. Ein imposantes Wesen halt. Nur damit hatte der Djehuti dem wir gegenüber traten, nicht viel gemein.
Er kauerte auf seiner, für seine Verhältnis viel zu kleinen Pritsche und musste die Füße unnatürlich angezogen halten. Als er uns gewahr wurde, klapperte er ängstlich mit dem Schnabel.
"Nun, du hast nun lange Zeit gehabt, um deine Lage zu überdenken. Ist dir schon etwas dazu eingefallen?", begann Tamara mit dem Gespräch.
In seinen Gedanken zuckten jedoch nur irgendwelche mystische Gestalten und Götter herum, mit denen ich absolut nichts anfangen konnte.
Er schüttelte den Kopf und meinte nur: "Es ist völlig sinnlos, ob ich etwas sage, oder was ich sage, in ein paar Tagen wird eine djehutische Flotte vor eurem Planeten stehen und euch alle, inklusive mich selbst einfach auslöschen!"
"Und wie groß wird die Flotte sein?", setzte ich nach.
"Naja, drei bis vier Schiffe würden wahrscheinlich reichen!", antwortete er herablassend. Dabei konnte ich in seinen Gedanken die Information herauslesen, dass er einerseits daran glaubte was er sagte und alles als sinnlos ansah und andererseits, dass ein Kontingent von insgesamt sechs djehutischen Kugelschiffen, angriffsbereit in keinen hundert Lichtjahren Entfernung bereitstand.
Nun war das überlegene Lächeln auf Tamaras und meinem Gesicht zu bemerken: "Nun, dann kann ich dir die erfreuliche Mitteilung machen, dass deine Flotte bereits zugeschlagen hat!", ... lauernd überwachten wir seine Gedanken.
Er war ratlos, denn wenn die Flotte bereits angegriffen hatte...,
weshalb standen wir dann noch hier...,
weshalb lebten wir hier alle noch...?
"In welchem System haben,...?"
"Natürlich hier auf Terra!", stieß auch Arrion nun hervor.
"Aber das gibt es doch nicht, ihr könnt nie und nimmer eine djehutische Flotte besiegen!", sein Weltbild brach mit einem Schlag zusammen.
Ein glucksendes Geräusch trat aus seinem Schnabel hevor, er.... er weinte, wie wir feststellten.
Aber als wir tiefer in seine Gedanken drangen, konnten wir feststellen, dass er dies nicht aus Gram wegen der Niederlage tat,...
sondern es waren Freudentränen,...
Tränen der Hoffnung und der Zuversicht,...
dass es vielleicht doch eine Möglichkeit geben könnte,...
dass sich vielleicht doch noch eine Möglichkeit für ihn eröffnete,...
DIE VORHERRSCHAFT DER DJEHUTISCHEN GÖTTER ZU DURCHBRECHEN!!!
Tamara und ich sahen uns an, wir waren sprachlos, ob seiner Gedanken. Arrion, die natürlich davon nichts mitbekommen hatte, sah uns etwas verständnislos an. Der Djehuti weinte, weil seine Flotte vernichtet worden war und wir sahen uns triumphierend an?
"Fodekka, wir sind auf dem Weg, dir zu helfen, ja, wir sind in der Lage die djehutischen Götter zu besiegen und ja wir werden deine geheimen Wünsche erfüllen können!"
Dann brach es richtig aus ihm heraus. Von seinen Vorstellungen in seiner Jugend, von seiner Abneigung gegen den djehutischen Formalismus, dem jahrelangen Kampf, den seine Eltern gegen dieses Regime der Gottkönige geführt hatten, diese Einstellung, die man ihm bereits in sein Ei gelegt hatte. All das und schließlich, wie das Imperium gnadenlos zurückgeschlagen hatte und seine Eltern grausam hinrichten ließ. Und einer der Vollzugsorgane war dieser Thot, der das Urteil gegen seine Eltern verkündigte und es gleich im Anhang auch selbst vollstreckte. Und er musste dies alles mit eigenen Augen ansehen, kein Ersuchen um Gnade und Vergebung half, ganz im Gegenteil, er wurde als Schwächling und Paria aus der Gesellschaft ausgeschlossen und musste von ganz unter wieder neu anfangen. Er hasste das Regime, er hasste die Gesellschaft...
Und er würde uns ohne Rücksicht auf Verluste bei allen unseren Aktionen unterstützen!
Wir hatten einen neuen Verbündeten gewonnen.
Das war natürlich eine großartige Neuigkeit, denn wir konnten jede Hilfe brauchen. Ich erzählte ihm, was bisher passiert war und bei jedem Wort von mir, entspannte er sich mehr.
Er schöpfte Hoffnung und neue Energien strömten in ihn ein. Er verstand, dass sich hier wirklich eine Chance für ihn eröffnete. Er wollte nicht den Untergang seines Volkes, aber er wollte den jahrtausendlangen Führungsanspruch der djehutischen Gottkönige durchbrechen.
"Das sind keine Wesen, die so tun als ob sie Götter wären," begann er, "nein, sie sind überzeugt, dass sie welche sind und sie haben daran nicht den geringsten Zweifel. Ich finde diese Einstellung ist pervers und jedes Lebewesen hat das Recht sich selbst zu entfalten, solange es nicht andere dabei schädigt."
Seine Philosophie gefiel mir, sie deckte sich zu hundert Prozent mit der meinen. Auch Arrion und Tamara nickten. Nach einem kurzen fragenden Blick auf beide, setzte ich fort: "Und selbstverständlich bist du ab jetzt nicht mehr unserer Gefangener, sondern kannst dich frei bewegen. Wenn du gehen willst, kannst du gehen, wenn du bleiben willst, kannst du bleiben. Und wenn du es wünscht, können wir dich jederzeit auf einem von dir genannten Planeten aussetzen, soweit es in unserer Macht steht."
"Nein, ich denke, dass ich euch hier am meisten helfen und diese "Götter" bekämpfen kann. Ich glaube, dass diese Niederlage Dze-Ussus (Zeus) und Hora (Hera) nicht dulden werden. Sie werden weitere Ressourcen aufbieten um die Schmach zu verdecken. Es geht schließlich auch um ihr Image als oberste Lenker ihres Volkes! Und ihr habt wirklich die Schutzschirme der djehutischen Kugelraumer durchdringen können?"
"Nun das ist alles eine Angelegenheit der eingesetzten Energien. Wir hatten immerhin rund fünfhundert Schiffe zur Verfügung gehabt!", antwortete ich ihm.
"Trotzdem, die Durchdringung in der letzten Schlacht ist euch nur durch Einsatz des djehutischen "Dreizack des Poseidons" gelungen und die Eroberung des Schlachtkreuzers nur
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Mader Justin
Bildmaterialien: Mader Justin
Lektorat: gaby.merci
Tag der Veröffentlichung: 10.02.2013
ISBN: 978-3-7309-1301-7
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Herzlichen Dank an gaby.merci, die mich stets mit neuen Ideen und Gedanken unterstützt hat und ohne die die Handlung oft nicht einen derartig dramatischen Verlauf genommen hätte.
Ebenso herzlichen Dank für ihre mit brilliantem Gespür ausgeführte Arbeit des Redigierens!