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Hallo und Guten Tag, ich bin Ölchi, ein treues und starkes Plätzchen aus dem Butterblumen- Clan. Naja, das mit dem stark ist vielleicht übertrieben, ihr Menschen mit euren Riesenpranken könntet mich schneller zu Krümeln verarbeiten als ein Elefant eine Mücke zertritt. Welche Form ich habe? Das müsst ihr selber erraten, später werde ich euch dann aufklären. Heute, hier und jetzt möchte ich euch gerne von meinem Leben erzählen- und das ist um einiges spannender, als ihr zuerst denkt.
Hier auf dem Dachboden gibt es drei Grundclans, und ein paar Zusatzclans, deren Anzahl sich aber von Jahr zu Jahr verändert. Zu den Grundclans zählen der Butterblumen-Clan, der Spritzgebäck-Clan, und der Spitzbuben-Clan. Dieses Jahr sind unter den Zusatzclans die Nougatsternchen, Kaiserin-Sisi-Plätzchen und die Zimtsterne. Jeder Clan hat eine eigene Blechdose, unsere, also die des Butterblumen-Clans, ist die größte; hellblau mit Winterlandschaftaufdruck und Spieluhrfunktion. Um noch eine wichtige Sache geklärt zu haben, bevor meine Erzählung losgeht: Haltet euch von den Spitzbuben fern; wie so mancher möglicherweise erahnen kann, sind sie wahre Lausbuben.

So, genug geschwafelt, jetzt möchte ich gerne mit meiner Geschichte beginnen. Es war einmal…
…, genauer gesagt, letztes Jahr, ein besonders schönes und kluges Plätzchen aus dem Clan der Butterblumen. Jaja, ich hör ja schon wieder auf zu prahlen… und wie ihr euch denken könnt, war das ich. Angefangen hat das Ganze mit einer Diskussion über unsere Schöpfung. Lieschen, ein, im wahrsten Sinne des Wortes, frommes Lamm, hat wieder einmal einen Vortrag darüber gehalten; sie glaubt fest daran, dass es einen Plätzchen- Gott gibt, der uns geschaffen hat und auf uns aufpasst. Das ist die wahrscheinlichere Variante, ganz klar. Die Unwahrscheinlichere basiert auf einer Legende, der zufolge die Menschen uns backen, um uns dann später zu Essen. Backen, wie absurd. Ach ja, für die, die nicht wissen, was backen bedeutet: man mischt ein paar Sachen zusammen, bis man eine feste Masse hat. In diesem Fall hätten die Menschen dann noch Metallformen genommen, und uns aus dieser Masse, den so genannten Teig, ausgestochen. Und dann hätten sie uns in die Große Wärme geschoben. Wenn wir dann fest geworden wären, hätten sie uns verziert. Wie verrückt, das glaubte doch wirklich niemand. Natürlich brach nach Lieschens Vortrag wieder der gewöhnliche Aufstand aus; es gibt doch tatsächlich ein paar Gesellen, die an die Geschichte mit dem Menschen glauben. Aber kurz bevor es zu einer Schlägerei und damit zu abgebrochenen Beinen oder ähnlichen kam, hörten wir alle Schritte. Keine leichten und leisen wie unsere, sondern schwere, trampelnde Schritte. „Schnell, in die Schachteln!“, rief irgendeiner, und schon drängelten sich alle in ihre Behausungen. Alle, bis auf mich. Der Mensch kam, um ein paar von uns zu holen, und wenn ich mich versteckte, würde er mich nicht mitnehmen können.
Ich lief hinter einen Schuh, während sich die Schritte näherten. Nun, da es still war, bemerkte ich, dass diese Schritte nicht ganz so langsam und laut waren wie die, die wir gewöhnt waren. Dann öffnete sich langsam die Tür, und ein winziger Mensch schaute herein. „Ui“, machte er mit einer hohen Stimme. Es war ein weiblicher Mensch, was ich daran erkannte, dass er bzw. sie lange Haare hatte. Die kleine setzte sich vor unseren Dosen auf den Boden und öffnete sie behutsam. „Kommt her, ihr Plätzchen. Mami hat mir verboten mit euch zu spielen, aber ich mache es trotzdem. Ihr habt so schöne Formen. Oh, komm du Hase, du hüpfst jetzt mit der Ente um die Wette!“ Kichernd nahm sie ein Häschen und eine Ente, alle beide aus meinem Clan, heraus und führte sie mit der Hand an einer unsichtbaren Linie entlang. Sie sprach ein bisschen dazu und plötzlich ertönte eine suchende Stimme. „Lina? Schatz, wo bist du? Komm schnell, Oma ist da!“ Das Mädchen, das anscheinend Lina hieß, legte ihre „Spielzeuge“ zurück, flüsterte einen Abschiedsgruß und lief wieder weg. Ein paar Minuten lang herrschte völlige Stille, dann kamen langsam alle wieder aus ihren Blechdosen hervor. Claus, der Hase, rubbelte mit einer Pfote über sein Hinterteil. „Mann, das Kleine hat einen festen Griff“, murmelte er. „Hey, habt ihr gewusst, dass es überhaupt kleine Menschen gibt?!“, rief einer aus dem Spitzbuben-Clan. Getuschel begann dann trat ich ein paar Schritte nach vorne und rief: „Also ich will endlich wissen woher wir kommen und was die Menschen mit uns machen! Egal wie gefährlich es ist, ich werde da runter gehen und mir das anschauen!“ „WAS?!“, wurde mir einstimmig geantwortet. O mein Gott, ich weiß wirklich nicht, was daran so schlimm sein konnte; das schlechteste was passieren konnte war, dass die Menschen uns wirklich essen würden. „Hey, habt euch nicht so. Bei der nächsten Gelegenheit folge ich diesem Menschlein oder einem von den großen. Tut doch nicht so, als wären die Menschen Kannibalen! Wer weiß, was sie mit den anderen von uns gemacht haben? Vielleicht haben sie unten eine viel Größere Dose…“ mein Blick verlor sich in einer Vorstellung von einem riesigen Zuhause, so groß, dass niemand über dem anderen liegen muss, wie jetzt…
Die nächsten Tage lang wollten mich sämtliche andere Plätzchen von meiner Idee abbringen, aber mein Beschluss stand fest; wäre nicht bald ein Mensch wieder heraufgekommen, hätten sie möglicherweise Erfolg gehabt. Doch dann ertönten zum Leidwesen der anderen und zu meiner Freude wieder diese Schritte, und –wie jedes Mal- verschwanden alle in ihren Dosen. Alle, bis auf mich. Ich versteckte mich hinter dem Schuh und beobachtete, wie der Mensch, dieses Mal ein großer, ein paar Leute aus dem Nougatsternchen- Clan und ein paar weitere aus dem Spitzbuben-Clan. Zu meiner Erleichterung wurde niemand von meinem Clan mitgenommen. Der Mensch, ein ziemlich faltiges Exemplar, richtete sich stöhnend auf und ging langsam weg. Ohne mich von meinen Freunden zu verabschieden, rannte ich so schnell mich meine Beine trugen dem Menschen hinterher. Niemand von uns hatte jemals freiwillig den Dachboden verlassen, deshalb wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Vor meinen Augen wurde der Mensch ein Stückchen kleiner und blieb dann plötzlich stehen. „Danke, du Fremder. Moment, ich will noch schnell aufsteigen!“, murmelte ich. Ich sprang auf den Riesenfuß und wickelte ein Band, das an diesem Lederetwas, in dem der Fuß steckte, angebracht war, um mich und klammerte mich so gut es ging fest. Der weg diese seltsamen Stufen hinunter war nicht angenehm; alleine hätte jeder einzelne Sprung mit einem Beinbruch enden können. Als wir endlich unten angekommen waren, löste ich mich aus meiner Befestigung und sprang auf den Boden. Plötzlich bemerkte ich etwas kleines, das mich anstarrte. „Wer bist du?“, fragte ich neugierig und streckte einen Huf nach dem Etwas aus. „Ich bin Amy, die Ameise. Sieht man doch. Aber wer bist du? Du bist so… ähm…platt.“ „Ich bin Ölchi. Und ich bin nicht platt, du bist nur so rund. Bei mir Zuhause, also da oben auf dem Dachboden, sind alle so wie ich. Was gibt es denn hier unten so zu sehen?“, antwortete ich. Alles, was ich sah, war ein riesiger brauner Kasten und ein paar braune Flächen in der Wand. Aus dem gleichen braunen Zeug waren die Balken bei uns oben. Ich richtete meinen Blick wieder auf meine neue Freundin. „Schau dich mal um. Wenn du ein paar Witze hören willst, ruf mich einfach!“ Bevor ich irgendwas sagen konnte war sie auch schon wieder weg. „Mann, ein Witz wäre gerade auch nicht schlecht gewesen, aber was soll’s…“, grummelte ich. Ich blickte mich um und entschied zu einer der braunen Flächen zu gehen. Gehen. Wie langweilig. Hüpfen ist doch gleich besser. Also hüpfte ich zu der Fläche und bemerkte, dass sie gar nicht die Wand war, sondern ein Lochverschluss. Bei den Menschen glaube ich nennt man das Tür. Komisches Wort, wenn ihr mich fragt. Ich quetschte mich durch den Spalt und stand nun in einem riesigen Raum. Wären meine Augen nicht aus Zuckerperlen, dann wäre sie jetzt ganz groß geworden. Staunend starrte ich nach oben und überlegte wie weit die Decke wohl weg war. Dreißig Plätzchen-Höhen? Oder doch Fünfzig? Naja, nicht so wichtig. Ich hüpfte ein paar Schritte weiter- den Blick immer noch nach oben gerichtet- und plötzlich stand etwas Braunes vor mir. Erschrocken drehte ich mich nach rechts- nur ein bisschen von mir weg war schon wieder eine braune Stange. „HILFE! Ich bin in einem Stangenwald gefangen! Hilfe!“ rief ich ängstlich. „Das gibt es doch nicht. Er steht mitten im Raum und findet nicht raus…“ murmelte eine Stimme erstaunt. Ich überlegte kurz. „Amy, hier bin ich! Was ist das alles?! Hilf mir doch!“ Ja, das war tatsächlich Amy die Ameise. „Ölchi, ganz ruhig. Du stehst unter dem Tisch mit den Stühlen im Kreis. Du brauchst mir nur zu folgen, und schon ist alles wieder gut.“ „Oh. Naja, ich war noch nie hier…“, immer noch nervös blickte ich mich um. „Willst du einen Witz hören? Keine Widerrede, ich erzähle einen. Also, sagt die Tante zu ihrer Nichte: Kleines, zu Weihnachten darfst du dir ein Buch wünschen! Antwortete das Mädchen: Ja! Dann wünsche ich mir dein Sparbuch, Tantchen! Der ist gut, oder? Also ich finde schon. So, da wären wir. Alle Probleme gelöst?“ Plötzlich war meine Aufregung wie weggeblasen. „Jap, natürlich. Danke für den Witz“ Ich kicherte blöd. Merkt, sie, dass ich den nicht verstanden hab?! Also wirklich, wer soll den bitte verstehen?? Kein Plätzchen der Welt würde das… außer vielleicht die französischen. Hmm… warum sagt man eigentlich, dass die französischen Plätzchen so klug sind? Ohne zu bemerken, dass Amy wieder gegangen war, ging ich zu einem der großen Rausschaulöcher und setzte mich. Ich legte den Kopf schief und dachte über meine Frage nach.
Irgendwann hörte ich Gepolter. Lautes Gepolter, so laut, wie nur Menschen poltern können. Poltern. Schönes Wort. Die Schritte kamen immer näher, schließlich sah ich von meinem Platz aus sogar die Füße. Ja, ich wollte unbedingt die Wahrheit über meine Herkunft erfahren. Ich wollte wissen, was mit den anderen passiert ist. Ich wollte wissen, was mit uns passieren wird. Und ich wollte wissen, für was wir da sind. Wieder ertönte Gepolter. Und wieder gefiel mir das Wort „Poltern“. Jetzt sah ich kleine Füße, die mit einem „Hopp!“ den Boden verließen. Das war das kleine Menschlein, das nun auf etwas Schwarzes hinaufgesprungen war. Der große Mensch änderte auch seine Position- also zumindest seine Füße taten es. Die beiden begannen zu reden. „Mami, wann kommt Papa endlich wieder?“, fragte das Kleine. „Noch fünfmal singen, Liebes. Er kommt bald wieder und dann ist alles wieder gut.“. „Aber Mami, was hat er denn gemacht?“ „Naja, er hat versucht, einen Film für dich aufzunehmen…“ Die Kleine legte den Kopf schief. „Kann ich ein paar Plätzchen haben?“ Der große Mensch –übrigens auch weiblich- stand mit einem Seufzer auf und trampelte weg. Neugierig folgte ich ihr, aber ohne auf Schutz zu achten. „Buh! Komm her du kleiner Zwerg!“, das Mädchen lief auf mich zu und fing mich mit den Händen ein. Mein Herz begann plötzlich zu rasen. Sie hielt mich ganz nah vor ihr Gesicht, dann riss mich ein Windstoß von den Beinen. „Hey, du wirbelndes Ungeheuer! Mach das ja nie wieder!“, Schimpfend rappelte ich mich wieder auf. Die schon riesigen Augen weiteten sich noch etwas mehr. „Ui. Du kannst ja reden!“, flüsterte sie. „Du auch, du Schlaumeier!“. Weiß sie, woher ich komme? Ich muss sie fragen. Aber… wenn sie wütend wird und mich zerkrümelt?!? Ich spannte meine Muskeln an und blickte dem Menschlein in die grünen Augen. Du musst jetzt stark sein, Ölchi. Beweise deinen Mut! Oh Mann. Schlechter Versuch, jetzt traue ich mich immer noch nicht. Ich schaute noch einmal auf. „Wie heißt du, kleines Plätzchen?“, fragte sie leise. „Ich bin Ölchi. Ölchi aus dem Butterblumen-Clan. Stets zu Diensten!“, antwortete ich und verneigte mich. „Aber das ist ja egal. Weißt du… weißt du woher die Plätzchen kommen?“ Ich sprach schnell und nach diesem Satz raste mein Herz wie ein blitzender neuer Ferrari. „Ja, natürlich. Ich hab dich doch gemacht. Meine Mami hat ein paar Sachen gemischt und dann geknetet, ausgerollt und ich durfte ausstechen!“ NEIN! Das konnte doch nicht wahr sein?!? Jetzt musste ich mich erst mal setzten. „Sicher? Das kann doch nicht sein! Die… Die Menschen backen uns? Das wird mir keiner glauben…“ „Oh, ihr könnt alle reden?“, als sie meinen finsteren Blick sah, entschuldigte sie sich sofort. „Ja, natürlich könnt ihr das. Naja, man macht euch, um euch zu essen. Ihr schmeckt wirklich gut!“ Ein breites Lächeln breitete sich auf dem runden Gesicht aus. Wieder warf ich ihr einen finsteren Blick zu. Und wieder entschuldigte sie sich. „Das heißt, meine Freunde, die ihr geholt habt, die… leben nicht mehr?“ Ungläubig starrte ich das Kind an. „Tut mir Leid. Ich wusste doch nicht, dass ihr Gefühle habt…“ Ein paar Tränen rollten ihr über die Wangen. Nein! Nicht weinen! „Hey, schon gut. Aber… das heißt, wir müssen und verstecken um zu überleben?“ Platsch. Eine weitere Träne rollte auf mich zu. Platsch. „Ja. Und jetzt lauf, erzähl es deinen Freunden…“ Platsch, Platsch. Sie setzte mich wieder ab. Platsch. Besuch mich mal wieder!“, Und sie drehte sich einfach um und lief weg. Wäre ich nicht ein Plätzchen gewesen, hätte ich jetzt auch geweint. Aber als Plätzchen geht das ein bisschen schlecht. Ich starrte meiner neuen Freundin nach, dann hörte ich Getrippel. Getrippel. Auch ein schönes Wort. Ich hörte eine Stimme murmeln: „Meine Güte, jetzt starrt er einem Menschen nach. Als nächstes verirrt er sich wieder unter dem Tisch…“ Ich drehte mich um. „Amy! Hallo, da bist du ja wieder!“ Noch eine neue Freundin. „Ja, da bin ich. Ach ja, darf ich dir einen Freund vorstellen? Ja, natürlich darf ich das. Also, Ölchi, das ist Körnchen, ein Staubkorn, wie man sieht. Körnchen, das ist Ölchi. Ölchi, wenn du noch ein paar Witze hören willst, dann geh zu Körnchen. Seine Witze sind besser als meine. Tja, ich muss wieder los. Tschüss!“ und schon war Amy wieder weg, Körnchen folgte ihr. Da ertönte wieder Getrampel. Das ist meine Chance! Jetzt kann ich wieder nach Hause! Vor Freude klopfte mein Herz im Rhythmus von Jingle Bells. Der große Mensch ging zu den Stufen und wartete einen Augenblick. Ich rannte so schnell ich konnte zu ihm und hüpfte auf den Fuß. Flink wickelte ich mich in die Bänder ein, genauso wie vorher, als ich herunter kommen wollte. Und schon begann das Geschaukel. Hmm, auch ein schönes Wort. Nachdem wir oben angekommen waren, murmelte ich „Danke!“, band mich los und lief zurück in meine Heimat. Weit und Breit war kein Plätzchen zu sehen. Wieder Menschenalarm… ich atmete tief ein und rief: „Leute, ich bin wieder da! Kommt raus, der Mensch ist weg!“ Ich sah, wie die Schachteln sich langsam und misstrauisch öffneten. „Kommt raus! Ich muss euch was erzählen!“ Sobald alle versammelt waren, begann ich zu erzählen.
Nach einiger Zeit näherte ich mich wieder den Stufen. Nein, ich wollte nicht hinunter gehen. Ich wollte nur hier stehen und das Gefühl, etwas Wichtiges geschafft zu haben, genießen. „Meine Kleine, Plätzchen können nicht reden! Hör endlich auf Unsinn zu reden!“ Lächelnd hörte ich die Stimme des großen Menschen.

So, das war’s. Jemand, der wirklich klug und intelligent ist – so wie ich, versteht sich- der weiß, welche Form ich habe. Naja, und wer nicht so intelligent ist, der hat eben Pech gehabt. Ich hoffe, die Geschichte hat gefallen! Tschüss und Auf Wiedersehen, Ich muss jetzt gehen. (Ein toller Reim ).
Viele weihnachtliche und plätzliche Grüße,
Euer Ölchi .

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.08.2011

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