Prolog
Ein neues Leben, eine neue Chance, mehr wollte ich nicht.
Ich war 17 Jahre alt. 17 Jahre lang hatte ich ein wundervolles Leben gehabt und wusste es nicht einmal zu schätzen. Man sagt, dass man aus seinen Fehlern lernt, aber was ist, wenn die Fehler einen erdrücken, einem keine Luft mehr zu atmen lassen?
Immer wieder fragte ich mich warum das Schicksal sich so entscheiden hatte, warum ich dieses verlorene Leben weiter leben musste!
Ich konnte nie wieder glücklich sein, da war ich mir sicher, denn dann musste ich an mein verlorenes Glück denken.
Es gab nur eine Chance für mich: Mein altes Leben, mein altes Ich zu vergessen.
Der Zug ratterte unaufhörlich weiter. Seit der Abfahrt schein die Landschaft sich meinen Gedanken anzupassen.
Es war grau, der Nebel war so dicht, das ich nichts weiter sehen konnte als vorbei huschende Schatten.
Ich hatte das Gefühl, mein Leben würde auf die gleiche Weise an mir vorbei gleiten, seit diesem schrecklichen Tag.
1. Zwei Monate zuvor
Es war heiß, beinahe 35°C. Aber es war Mitten im Sommer in San Antonio, Texas und so nahm jeder in “Alamo City” diese Temperaturen als selbstverständlich hin.
Es wehte ein lauer Wind, der mich aber nicht abkühlte, sonder die Hitze nur noch zu verstärken schien. Es war unglaublich, ich war gerade erst aus dem Schulgebäude getreten (das zum Glück über eine Klimaanlage verfügte) und schon lief mir der Schweiß den Rücken hinunter. Ich trug zwar nur Shorts und ein Top aber durch die trockene Luft war es fast nicht auszuhalten.
Ich überlegte gerade, dass ich wohl dringend eine Dusche brauchte, wenn ich zu Hause wäre, oder noch besser gleich in unseren Pool springen würde, als jemand von hinten meinen Namen rief.
“Kim!”
Ich drehte mich um und sah ein Mädchen aus der Schule treten. Chay sah mich missbilligend an. Sie sprang die letzten Stufen hinunter und lief auf mich zu. Wie konnte sie bei dem Wetter nur so sportlich sein? Mir fiel das normale gehen schon schwer! Aber Chayenne war sowieso sportlicher als ich. Es war einfach eine Tatsache, dass der Sport und ich nie Freunde werden würden. Nie.
Chay stand nun vor mir und sah mich wütend an. Ich überlegte schnell, was ich denn falsch gemacht hatte, aber da ihre Wut immer schnell verrauchte gab ich es auf und wartete darauf, dass sie es mir erklärte.
“Hattest du nicht gesagt, dass du auf mich warten willst? Und jetzt haust du einfach ab!” Sie sah wirklich beleidigt aus.
Aha, das war es also.
“Wollte ich doch auch!” verteidigte ich mich, “Ich wollte nur schon mal raus gehen. Ich bin nämlich nicht so scharf drauf so lange in der Schule rumzuhocken, bis du dich endlich von Ian, Maik oder sonst wem loseisen kannst!”
Chay war einfach eine Schönheit und dementsprechend Selbstbewusst. Die Jungs in unseren Jahrgang konnten da schon ein Lied von singen. Sie war zwar extrem wählerisch, flirtete aber gerne, doch zu mehr kam es selten. Trotzdem hatte wohl schon jeder von ihr geträumt und sie war unumstritten eins der beliebtesten Mädchen unserer Schule.
Chays Gesicht erhellte sich deutlich auf. Hatte ich also mit meiner Vermutung recht gehabt. Ich kannte sie einfach zu gut.
Sie nahm meinen Arm und zog mich zum Parkplatz, dabei wehten ihre hellblonden Haare leicht nach hinten was ihre Locken nur noch mehr zur Geltung brachte. Jedes Mal wenn Chay sich bewegte sah sie einfach unglaublich elegant aus, als würde sie nicht wie ein normaler Mensch durch ihr Leben laufen, sondern tanzen. Ich dagegen konnte mich glücklich schätzen, wenn ich nicht bei jedem zweiten Schritt stolperte.
“Wer war es denn nun, Chay?” fragte ich nach. Ich war wirklich neugierig, denn normalerweise platzte sie gleich damit heraus. Es schien also was Ernstes zu sein. Sie lächelte mich von der Seite an, wurde aber kein bisschen rot. Noch eine Eigenschaft, die ich schmerzlich vermisste.
Zwar hatte ich den Spitznamen “Tomate” schon seit Jahren hinter mir gelassen, aber ich lief noch immer bei der kleinsten Peinlichkeit rot an. Allerdings hatte ich mich schon damit abgefunden, es gab schlimmeres.
“Dean!” erklärte Chay weiter und wirkte wirklich aufgeregt. “Wir haben jetzt Mathe zusammen und haben nach der Stunde noch ein wenig geredet.”
“Ah ja geredet, so nennt man das jetzt” entfuhr es mir und ich grinste meine beste Freundin verschmitzt an.
“Ja geredet! Er gibt mir Morgen Nachhilfe.” erklärte Chay und musste sich ein lachen verkneifen.
“Mal schauen was so daraus wird!” sie zwinkerte mir zu.
OK, Dean konnte sich schon mal von seinem freien Willen verabschieden, denn wenn Chay etwas wollte konnte sie sehr überzeugend sein.
Ich war immer wieder davon verblüfft, das ich mir ihr so gut auskam. Wir kannten uns schon bevor wir richtig reden konnten, hatten immer alles zusammen gemacht und verstanden uns einfach blind. Dabei waren wir ziemlich unterschiedlich. Chay strotze nur so vor Selbstbewusstsein, sie war einer der Menschen, die immer und überall beliebt waren und schnell Freunde fanden.
Ich war zwar auch nicht unbeliebt, hatte aber nicht einmal annähernd Chays Offenheit. Dazu kam das sie einfach unglaublich aussah, wie gerade aus einem Modemagazin gestiegen. Ich dagegen war eher normal. Meine Braunen Haare waren mit ihrer strahlenden Lockenpracht gar nicht zu vergleichen. Sie waren lang und wellten sich leicht, was ihnen etwas Natürliches verlieh.
Mit etwas Sonne konnte meine Haut eine schöne Farbe annehmen, wenigstens ein Vorteil gegenüber meiner besten Freundin, aber im Winter sah ich oft etwas Käsig aus.
Alles in allen waren Chay und ich uns nicht sehr ähnlich und um ehrlich zu sein glaube ich, dass gerade das uns zusammen hält.
2. Laune des Schicksals
Auf dem Weg nach Hause quatschte Chay mich von Dean zu. Ich kannte ihn nur vom Sehen und war mir vollkommen bewusst, dass er absolut in das Beuteschema meiner Freundin passte.
Ich musste grinsen als Chay sich in den Beschreibungen seines Körpers verlor. Ich hörte ihr nur nebenbei zu, diese Gespräche kannte ich schließlich schon zur genüge.
Ich selber war immer noch auf der Suche nach meinem Mister Right. Obwohl ich schon mehrere Freunde gehabt hatte, hatte ich die große Liebe noch nicht gefunden.
“Das riecht heute aber toll” Chay riss mich aus meinen sehnsüchtigen Gedanken. Sie hatte den Wagen geparkt und stand nun vor einem Gartentor, hinter dem sich ein Kiesweg zu einem weißen Haus schlängelte.
Hier wohnte ich.
Der Geruch kam aus der Küche, meine Mum war einfach die beste Köchin auf diesem Planeten.
Wir stiegen aus und betraten das Haus. Natürlich führte uns unser erster Weg in die Küche.
“Hey ihr beiden! Wie war der erste Tag?” sie sah fragend zu Chay und mir.
“Super Mum” antwortete ich. Heute war der erste Tag nach den Sommer Ferien gewesen, neue Kurse, neue Lehrer und neue Mitschüler. Es war mal wieder ein ziemlich großes Chaos gewesen, aber das würde sich sicherlich bald wieder legen.
Es war mein letztes Jahr an der Schule. Im Frühling würde ich meinen Abschluss machen und aufs College gehen. Ich freute mich schon wahnsinnig.
Dieses Jahr würde sowieso sehr aufregend werden. In drei Tagen würden wir umziehen, zwar nur drei Kilometer weiter, ich konnte also auf der gleichen Schule bleiben, aber in unser absolutes Traumhaus. Meine Eltern hatten schon lange mit dem Gedanken gespielt und vor einem Monat hatten wir es gekauft.
Wir hatten schon alles eingepackt. Die Kartons standen überall im Weg, aber es würde ja nicht mehr lange so weitergehen.
Heute Abend wollten wir den Schritt wagen und uns an die Zimmeraufteilung machen.
Ich hoffte nur, dass mein kleiner Bruder keine Anstalten machte, denn ich hatte schon mein Lieblingszimmer gefunden und es wäre typisch für ihn gewesen, sich nur aus diesem Grund genau das gleiche Zimmer zu wünschen.
Chay und ich machten uns einen schönen Nachmittag und als sie gegen Abend gefahren war warteten wir nur noch auf Dad, damit es losgehen konnte.
Drei Stunden später verließen wir unser neues Haus. Ich war absolut glücklich. Toby hatte keinen Terror gemacht und ich konnte mein Lieblingszimmer bekommen. Es war zwar nicht das größte im Haus, war dafür aber einfach traumhaft geschnitten, hatte ein eigenes Bad und sogar einen kleinen Balkon von dem man einen Wunderbaren Blick über den Garten hatte.
Ich wusste schon genau wie ich es einrichten würde. Mit diesem Gedanken beschäftigte ich mich, als wir vier ins Auto stiegen uns in Richtung unseres alten “noch zu Hauses” aufmachten.
Ich rückte gerade in Gedanken mein Bett von einer Seite des Zimmers auf die andere und wieder zurück und versuchte mir vorzustellen was mir besser gefallen würde.
Da ich schon immer eine gute räumliche Vorstellungskraft gehabt hatte, konnte ich es genau vor meinen Augen sehen.
Gerade als ich mich dafür entschieden hatte, es an die linke Wand, gegenüber der Tür zu meinen eigenem Badezimmer zu stellen, riss mich ein Schrei aus den Gedanken.
“NEIN” es war meine Mom und ich brauchte nur wenige Sekunden um zu begreifen warum. Vor uns auf der Straße stand ein Tier. Ich konnte nicht erkennen was es war, doch meine Gedanken richteten sich sowieso auf etwas anderes. Mein Dad riss das Lenkrad herum um auszuweichen.
Ich nahm wahr, wie das Auto auf den Abgrund zu rutschte und hörte das krieschen der Bremsen. Das Auto raste geradewegs auf den Abgrund zu und schoss darüber hinweg, es neigte sich nach vorne und fiel.
Ich hörte das Krachen des aufschlagenden Autos und alles wurde dunkel…
Aus dem Dunkel griffen Hände nach mir, warme Hände, sie hoben mich hoch und legten mich sanft auf etwas Hartes.
“Keine Angst, mein Engel, ich helfe dir” hörte ich sie noch sagen als der Schmerz mich überwältigte, doch bevor ich davon sank schaffte ich es noch meine Augen zu öffnen. Ich blickte in strahlend blaue Augen. Sie waren das letzte was ich sah, bevor ich in der Dunkelheit versank.
3. Grausames Erwachen
Ich sah wieder die Augen vor mir, doch sie waren nicht so deutlich zu erkennen. Es schien als wäre ein Schleier über meine Augen gelegt worden, der das Bild immer wieder verblassen lies.
Ich konnte nichts mehr fühlen, alles war taub. Das einzige woran ich mich klammern konnte waren diese Augen, sie waren mein Anker zur Wirklichkeit.
Nur dumpf drangen Worte an meine Ohren, als würde ein Kissen meine Ohren zudrücken. “… tut mir leid … die Arme … schrecklich … Noch keine Spur warum der Wagen … ganz alleine.”
Ich war verwirrt und wollte es verstehen, doch mein Gehirn fühlte sich wie vereist an. Es war unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Der versuch etwas zu begreifen raubte mir alle Kräfte, ich ließ mich wieder in das Dunkel fallen und alles um mich herum verschwand erneut.
“Wann wacht sie wieder auf?” eine kalte Stimme durchbrach die wunderbare Stille des Dunklen und holte mich zurück in die Welt aus Taubheit.
“Das können wir ihnen nicht genau sagen, es ist ein Wunder das sie überhaupt noch lebt, sie muss aus dem Wagen geschleudert worden sein, sonst hätte sie keine Chance gehabt!” diese Stimme klang sanft und behutsam. “Genau wie die anderen!” fügte die Stimme hinzu.
Die Anderen? Was war hier los? Wo war ich? Die Fragen schienen in meinem Kopf zu explodieren. Ich versuchte zu denken, nur einen klaren Gedanken zu fassen. Was meinte die Stimme mit “die anderen”?
Mühsam kämpfte ich mich aus der Dunkelheit heraus und schaffte es meine Augen zu öffnen.
Ich sah zwei Gestalten neben dem Bett stehen. Die eine, große, ganz in weiß gekleidet. Sie sprach, doch ich konnte die Worte nicht verstehen. Allerdings, die Stimme kam ihr bekannt vor. Es war dieselbe, die eben von “den Anderen” gesprochen hatte.
Die Gestalt daneben war kleiner und ganz in schwarz gekleidet, sie kam mir irgendwie bekannt vor, doch genau einordnen konnte ich sie nicht.
Ich wollte etwas sagen, wollte fragen was hier los war, doch nur ein Stöhnen verließ meinen Hals. Sofort verstummte die weiße Gestalt und drehte ich zu mir um.
“Hallo Miss Porter, können sie mich verstehen?” Ich musste mich unheimlich anstrengen um eine brüchiges “Ja” herauszubringen. Es klang viel zu dünn und zu leise, als das es meine Stimme sein konnte.
“Miss Porter mein Name ist Gordon Grand, ich bin Arzt und werde sie jetzt untersuchen, versuchen sie wach zu bleiben.”
Ich versuchte es und es war das schwerste was ich bisher in meinem Leben hatte tun müssen, doch ich schaffte es.
Ich fühlte mich zwar etwas taub, doch ich hatte keine Schmerzen, was mich verwunderte. Als mir gesagt wurde ich sollte jetzt wieder schlafen um gesund zu werden schloss ich meine Augen und ließ mich in den Traumlosen Schlaf gleiten. Es war sehr leicht, als hätte mein Körper nur darauf gewartet wieder abzutauchen. Leise vernahm ich noch die kalte Stimme, die am Anfang gesprochen hatte: “Wann wir sie es erfahren?”. “Lassen sie sie erstmal wieder zu Kräften kommen, danach wird es immer noch schwer genug für sie sein!” antwortete Dr. Grand.
Ich wollte noch etwas sagen, doch da überwältigte mich der Schlaf erneut.
Die nächsten Tage waren die Hölle für mich. Wann immer ich aufwachte hatte ich unglaubliche Schmerzen. Wie ich mich doch nach der anfänglichen Taubheit sehnte.
Nach einer Woche ließen die Schmerzen langsam nach. Trotzdem hatte ich das Gefühl in einer anderen Welt zu sein. Ich konnte mich schlecht konzentrieren und schlief die meiste Zeit.
Ich wurde aus dieser Welt gerissen, als Dr. Grand einige Tage später in mein Zimmer kam.
Ich war gerade wieder aufgewacht und fühlte mich ganz gut. Zuerst dachte ich, er käme nur zur Visite, doch die schwarze Frau folgte ihm. Woher kannte ich sie nur?
Er setzte sich an mein Bett und begann zu reden:
“Ich bin mir bewusst, dass dies jetzt sehr schwer für sie werden wird, Kimberly!” Er schaute mich prüfend an. “Doch je eher wir es ihnen sagen, desto besser wird es für sie sein.”
Die schwarze Frau starrte mich nur aus ihren kalten Augen an. Wenn sie nur wegsehen würde, dachte ich. Ich hatte das Gefühl unter ihrem Blick zu gefrieren und so sah ich schnell zu Dr. Grand.
Ich hatte zum ersten Mal seit ich hier lag das Gefühl, meinen Kopf wieder benutzen zu können, als könnte ich erst jetzt klar denken.
Sofort tauchte eine Frage in meinem Kopf auf, die wichtigste Frage, die es im Moment für mich gab: “Wo sind meine Eltern?”
Dr. Grand sah aus, als hätte ich mit diesen Worten seine schlimmsten Befürchtungen ausgesprochen. Er setzte sich an mein Bett und sah mich traurig an. Mein Herz begann zu rasen, dieser Blick machte mir Angst.
“Kimberly sie und ihre Eltern hatten einen Auto Unfall. Sie wurden aus dem Wagen geschleudert, waren aber sehr schwer verletzt. Sie wurden hier her gebracht und befinden sich jetzt sein 10 Tagen bei uns.”
Ich fühlte mich durcheinander und ich brauchte einen kleinen Moment um ihn zu verstehen.
“Ich will zu meinen Eltern!”
Er sah mich mitfühlend an “Kimberly, sie haben als einzige diesen Unfall überlebt wir konnten ihren Eltern und ihrem Bruder leider nicht mehr helfen, es tut mir sehr leid!” In diesem Moment brach meine Welt in sich zusammen. Alles lag in Trümmern.
Die folgenden Wochen vergingen, ohne dass ich sie bemerkte. Ich bemerkt gar nichts mehr. Ich war einfach nur Kalt.
Ich weiß dass ich bei der Beerdigung meiner Familie anwesend war, doch hätte mich jemand danach gefragt, ich hätte nichts sagen können. Ich nahm meine Umwelt nur noch als grauen Schleier war, als wäre ich nur ein Zuschauer in meinem Leben.
Ich weiß nicht mehr wie die Schwarze Frau mir sagte, dass sie, meine Tante, nun für mich verantwortlich sei. Ich zog mich aus mir selbst zurück.
Ich lebte nicht mehr richtig und mein Selbstschutz bewarte mich vor der grausamen Wirklichkeit. Ich verdrängte alle Gedanken an meine Familie, an den Abend, einfach an alles.
Chay kam zu mir doch ich antwortete nicht auf ihre Fragen, was hatte mein Leben denn noch für einen Sinn? Ich fühlte mich verlassen und einsam, als wäre alles in mir zu Eis gefroren.
Ich nahm es nicht richtig war als meine Tante mir sagte ich bräuchte eine neue Umgebung um mich wieder zu erholen. Ich wollte mich nicht erholen, denn das hätte bedeutete der Wahrheit ins Auge zu sehen und sie zu akzeptieren und das konnte ich nicht, denn wie viel Schmerz konnte ein Mensch alleine schon aushalten?
Ich würde mich eher in die Gleichgültigkeit ergeben. Was machte es mir denn schon aus, dass sie mich nach Schottland schicken würde, weit weg von meiner Vergangenheit, es war mir egal. Alles war mir egal.
Nur in meinen Träumen war ich ich selbst, denn dort sah ich immer wieder ein Paar blauer Augen vor mir. Sie schenkten mir Ruhe und ein Inneres Gleichgewicht, das ich sonst so sehnlichst vermisste. Ich hatte das Gefühlt, dass ich diese Augen schon einmal gesehen hatte, doch erinnern konnte ich mich daran nicht.
Heute war der Tag gekommen, an dem ich meine alte Heimat verlassen sollte. Mir war es egal, wenn nicht sogar willkommen. Denn dort würde es keine Leute geben, die neugierig fragte was an diesem Abend passiert war. Es würde mir dort leichter fallen, alles zu vergessen und das war auch der Grund warum ich mich fast schon freute, als ich am morgen die Augen aufschlug. Es war der erste Tag, seit ich aus dem Krankenhaus gekommen war, an dem ich schon morgens beim aufstehen lächelte.
Ich hatte wieder von dem Augen geträumt.
Eisblau und doch voller Feuer. Sie hatten mir ein gutes Gefühl geben, als ob ich in einem anderen Land, weit weg von zu Hause meine Vergangenheit vergessen konnte. Ich vertraute ihnen und das war alle Hoffnung, die ich noch hatte. Ich wusste, dass ich nicht noch länger mit dem Schmerz, mit dem ich meine alte Heimat nun verband, leben konnte.
Obwohl ich in den letzten Monaten, die mein Leben so schwer erschüttert hatten mit keinem meiner Freunde ein Wort gewechselt hatte, waren sie alle da um mich am Flughafen zu verabschieden. Ich war ihnen so dankbar, denn sie gaben mir das Gefühl lebendig zu sein, hoben den Schleier etwas an, der sonst meine Sicht behinderte.
Als ich sei dort stehen sah wurde mir zum ersten Mal bewusst, was ich alles hinter mir lassen würde. Chay kam auf mich zu und schloss mich in ihre Arme.
Und ich weinte. Ich weinte das erste Mal nach dem Unfall. Ich weinte so wie noch nie zuvor.
Wie ich sie doch alle vermissen würde. Auf einmal kam es mir falsch vor sie zu verlassen und nach Schottland zu gehen, doch es war zu spät.
Wir lagen uns weinend in dem Armen Chay, Katie, Roger, und noch viele andere, bevor ich ihnen sagte, dass ich sie vermissen würde und mich in Richtung Flugzeug aufmachte.
Chay schloss mich noch ein letztes Mal in die Arme und flüsterte mir zu “Ruf mich an, wenn du da bist!” Ich nickte und eine neue Träne bahnte sich den Weg über mein Gesicht.
Meine Tante begleitete mich nach England und half mir dabei meine Sachen in den Zug zu tragen, dann drehte sie sich um und ging ohne ein Wort davon. Wie ich sie doch hasste.
4. Ein neuer Anfang
Der Nebel lichtete sich etwas und ich dachte über die Chance nach, die sich mir hier bot. Ich würde sie nutzen. Ich würde ein neues Leben beginnen und versuchen es nicht von der Trauer bestimmen zu lassen. Als ich diesen Gedanken fasste wusste ich nicht woher ich die Kraft dafür nahm.
Ich war mir nur plötzlich sicher, so sicher wie in den letzten zwei Monaten nicht, dass ich leben wollte und zwar ein Leben das es wert war.
Von dieser neuen Entscheidung berauscht kramte ich in einer meiner Taschen herum und suchte ein Buch heraus. Auch das war etwas neues, denn in der letzten Zeit hatte ich nichts weiter getan als stumm in der Gegend herum zu sitzen und mich meinem Elend hinzugeben.
Ich fand den Band ganz unten in der Tasche, natürlich. Es war eine bereits zerlesene Ausgabe von Jane Austen Romanen. Ich vertiefte mich in die Geschichte und vergaß alles um mich herum.
Einige Stunden später öffnete sich die Abteiltür und zwei Teenager in meinem Alter traten herein. Das Mädchen war kleiner als ich, sie hatte kurze braune Haare und ein freundliches Gesicht. Der Junge sah ihr sehr ähnlich, auch wenn seine Haare etwas dunkler waren und er viel lebendiger wirkte.
“Tschuldigung, dürfen wir uns hier noch setzten?” fragte der Junge und deutete auf die freie Bank mir gegenüber.
“Klar” murmelte ich und zog meine Tasche vom Sitz.
Das Mädchen setzte sich sofort. Und der Junge, wahrscheinlich ihr Bruder, ließ sich neben sie fallen.
Sie begannen leise zu reden. “Ich hoffe mal, dass Bill sich über die Ferien eine Freundin zugelegt hat, noch länger halte ich das nicht aus!” Das Mädchen blickte ernst drein “Ich kann ihn nämlich nicht ausstehen! Dieses Ekel!” fügte sie noch grimmig hinzu.
“Das sah aber vor den Ferien noch ganz anders aus meine Liebe, da hast du dem `Ekel` nämlich noch deine Zunge in seinen Hals geschoben!” man konnte den Spott aus seiner Stimme hören. Ich blickte auf, neugierig auf ihre Reaktion.
“Hab ich gar nicht du Idiot und jetzt hör mit dem Scheiß auf!” Sie wurde zwar nicht rot, sah sich aber im Abteil um, wahrscheinlich in der Hoffnung ihren Bruder von diesem Thema abzulenken und ihr Blick fiel auf mich.
“Hi” sagte sie lächelnd “Ich bin Amanda und das da” sie deutete auf dem Jungen, der sich inzwischen auf der Bank fläzte, “das ist mein Bruder Keith!”
“Hallo.” antwortete ich verlegen “ Ähm ich bin Kimberly.”
Der Junge blickte auf und ich bemerkte erst jetzt die Farbe seiner Augen, sie waren von einem strahlenden grün.
“Und Kimberly wohin des Weges so alleine und schutzlos?” er ließ seine Zähne aufblitzen, doch seine Augen sprühten vor Spott und es sah aus als müsste er sich das Lachen verkneifen. Ich sah ihn zweifelnd an, lies mich aber von seiner munteren Art anstecken und lachte.
Verwundert fiel mir auf, dass dies das erste Mal seit dem Unfall war, das ich mich nicht in mich zurückzog. Es machte mir Angst und doch genoss ich es, wieder ich selbst zu sein.
“Ich bin auf dem Weg zu meiner neuen Schule irgendwo in Schottland, ich hab den Namen vergessen.” Sagte ich verlegen und schaute von einem zum anderen.
Beide sahen mich überrascht an und es war Amanda, die zuerst sprach: “Meinst du Minor Hall? Da wollen wir nämlich auch hin!”
“Äh ich weiß nicht genau.” Ich kramte in meiner Tasche und fand das Schrieben der Schule. Auf dem Briefkopf stand “Minor Hall”.
Ich blicke sie an und traf ihren Blick, der mich fragend musterte “Doch genau da muss ich hin.” Ich lächelte “Das ist ja ein komischer Zufall, dass ausgerechnet wir in einem Abteil sitzen.”
Amanda strahlte mich an. “Stimmt das ist echt ein Zufall. Toll!”
Sei schien sich wirklich zu freuen.
“Ich erklär dir alles, oder weißt du schon bescheid?”
Sie sah mich neugierig und zugleich fragend an und ich schüttelte meinen Kopf.
Nein, ich wusste absolut nicht, was mich erwartete. Bis vor ein Paar Stunden war es mir auch noch egal gewesen, doch jetzt wollte ich alles erfahren. Neugierig sah ich zu den beiden und wartete darauf, dass einer anfing etwas zu erzählen.
Schließlich dreht Keith mir den Kopf zu und frage: “Und warum kommst du mitten im Schuljahr auf einmal von sonst wo her nach Schottland um auf eine Schule zu gehen deren Namen du nicht einmal kennst?” er zog fragend die Augenbrauen hoch und musterte mich, als wollte er sehen was ich denke.
Auf was für Ideen ich da kam, als ob irgendwer wissen konnte was in meinem Kopf vorging. Ich schüttelte leicht besagten Körperteil und überlegte mir was ich antworten sollte, nach einer Weile öffnete ich meinen Mund.
“Ich hatte zu Hause ziemliche Probleme, also familiär.”
Als ob ich noch eine Familie hätte. Mein Magen zog sich zusammen.
“Und da hat meine Tante entscheiden, das es für mich besser wäre mal ne Weile von zu Hause wegzugehen!” Ich war überrascht wie vernünftig das klang, als ob alles normal wäre.
“Und von wo kommst du?” fragte Amanda mich neugierig, es schien als hätte sie meine Geschichte geglaubt.
“San Antonio, Texas” sagte ich automatisch ohne darüber nachzudenken.
Sie sah mich verblüfft an.
“Dann wird dir das Wetter bestimmt zu schaffen machen. Hier regnet es ständig!”
“Naja ich werde ja nicht so eine große Wahl haben, oder?” Wir grinsten uns an und ich hatte das Gefühl, dass wir gute Freunde werden würden.
Die Zugfahrt dauerte noch zwei Stunden in denen ich beide über die Schule ausfrage. Ihre Antworten fielen so umfangreich aus, dass ich noch nicht einmal die Hälfte behalten konnte.
Sie waren beide sehr nett, auch wenn ich mit Amanda besser klar kam. Keith hatte zwar einen interessanten Humor, hielt sich in unserer Unterhaltung aber eher zurück und musterte mich nur die ganze Zeit mit seinen stechenden Augen.
Draußen war es schon dunkel geworden als der Zug zum stehen kam und wir drei das Abteil verließen. Auf dem Bahnsteig wartete ein älterer Mann mit dichtem braunem Haar. Er wirkte freundlich und erinnerte mich ein bisschen an die Weihnachtsmänner die im Dezember immer in Kaufhäuser anzutreffen sind, dieser Eindruck wurde noch durch seine füllige Figur verstärkt.
Er lächelte breit als er uns sah und schritt auf uns zu.
“Hallo ihr drei. Keith, Amanda.” Er nickte ihnen zu.
“Und Kimberly” er schüttelte meine Hand. “schön das du hergekommen bist. Wie war der Flug?”
Von einem derartigen Interesse vollkommen verblüfft erwiderte ich schnell “Gut, Mister …” oh Verdammt wie hieß er den nur?
“Kimber”, half er mir aus der Patsche. Ich lächelte ihn dankbar an.
“Ich bin der Schulleiter von Minor Hall, einer ganz besonderen Schule.”
Ich grinste innerlich. Der Meinung war bestimmt jeder Schulleiter.
Mister Kimber führte uns zu einem Auto das nahe am Bahnsteig stand und verstaute das Gepäck im Kofferraum, während wir uns schon hinein setzten. Das Auto war ziemlich klein und ich fragte mich schon wie unsere ganzen Sachen hinein passen sollte. Aber Mister Kimber schaffte es irgendwie und kurz darauf waren wir schon auf dem Weg.
“Sie müssen wissen, Kimberly, das unsere Schule eher klein ist, nur 300 Schüler, daher legen wir besonders Wert auf den guten Kontakt zu den Schülern. In ihrem Anmeldeformular fehlten einige Angaben” er schwieg und ich wartete nur darauf das er mich danach fragte.
Ich wusste absolut nicht dass ich so etwas geschrieben hatte, vielleicht war es ja Tante Ann gewesen.
“Also erstmal würde mich interessieren warum sie denn zu uns wollten” setzte Mr Kimber fort und mir gefror das Blut in den Adern.
“Ähm ich …” mir wurde schlagartig kalt und mein Magen zog sich zusammen “Ich hatte ein Paar Probleme zu Hause und meine Tante war der Meinung, dass es mir hier gut tun würde” flüsterte ich.
Mr Kimber sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, fragte aber nicht weiter nach. Zum Glück.
Ich hatte das Gefühl, dass er sehr viel aufmerksamer war als Amanda oder Keith.
Wir passierten ein kleines Dorf und fuhren auf einer gewundenen Straße zwischen Feldern entlang.
Nach kurzer Zeit kam ein Zaun in Sicht. Er war sehr hoch und aus einem schwarz schimmernden Metall. Er weckte in mir alte Träume an Herrenhäuser und ein Leben im Luxus. Doch sofort verbot ich mir diesen Traum. So ein Glück würde ich bestimmt nicht haben.
Wir durchquerten ein Tor, das sich perfekt in den Zaun einfügte. Es hatte sich automatisch geöffnet als wir näher kamen. Verwundert suchte ich mit den Augen nach einem Bewegungsmelder oder einer Kamera, doch ich konnte nichts entdecken.
Hinter dem Tor verlief der Weg zwischen zwei hohen Hecken. Gerade als sich ein beklemmendes Gefühl in mir ausbreitete hörten die Hecken abrupt auf und eine große Rasenfläche erstreckte sich scheinbar bis zum Horizont. Eins war mir klar, an Platz würde es hier sicher nicht mangeln!
Der Weg führt durch das satte Grün -sauber gepflegter, englischer Rasen, natürlich- und endete schließlich an einer großen Kies Fläche, hinter der sich ein mächtiges Anwesen erhob.
Bei dem ersten Gedanken an Schottland war mir ein derartiges Haus in den Sinn gekommen. Es war einfach nur traumhaft schön. So alt es auch aussah es war gepflegt und wirkte gemütlich, obwohl es riesig war. Abermals war ich glücklich darüber, dass Tante Anne mich geschickt hatte. Doch das würde ich ihr bestimmt niemals sagen,
Meine Sachen standen bereits vor meinen Füßen und Mr. Kimber forderte mich gerade auf ihm zu folgen. Als ich nicht reagierte sprach er mich erneut an.
“Kimberly ich bin mir bewusst, das dies wirklich ein schöner Ort ist, doch hätten sie bitte die Freundlichkeit mir jetzt zu folgen, sie können ihr Gepäck auch hier stehen lassen.” Ich schreckte auf, wurde rot und folgte ihm schließlich.
Im Inneren war das Gebäude noch viel schöner als nur von außen betrachtet, wenn das überhaupt möglich war. Es verschlug mir einfach die Sprache.
Ich folgte Mr. Kimber eine breite Treppe hinauf und etliche Korridore entlang, bis wir vor einer Massiven Holztür stehen blieben. Er öffnete sie und ich trat ein. Vor mir lag ein großes Büro, in der Mitte stand ein Schreibtisch an den sich nun Mr Kimber setzte.
Er deutete auf einen der Stühle vor ihm und ich ließ mich schnell darauf sinken. Das ganze raubte mir einfach den Atem.
Er begann zu reden und ich schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit, zumindest versuchte ich es, denn dieser Raum lenkte mich durch seine Größe und gemütliche Eleganz gewaltig ab.
Mit aller Kraft konzentrierte ich mich auf den Schulleiter und lauschte seinen Worten aufmerksam.
“Minor Hall ist eine Art Eliteschule, aber das wissen sie ja sicherlich” Nein eigentlich nicht, dachte ich mir, schwieg aber.
“Wir legen besonderen Wert auf die Disziplin unserer Schüler. Deswegen haben wir einige Regeln aufgestellt, die von jedem Schüler befolgt werden müssen. Es mag ihnen zwar streng vorkommen, doch es ist die beste Möglichkeit hier ein bisschen Ordnung rein zubringen” Er zwinkerte mir zu. “Also, die Regeln” er holte tief Luft.
Ich kannte so etwas natürlich. An jeder Schule gab es bestimmte Grundsätze und auch wenn man hier in Schottland davon ausging, dass es Amerikanern wie mir fremd sein müsste, hatte meine alte in San Antonio da keine Ausnahme dargestellt
“Den Schülern ist es nicht erlaubt nach Einbruch der Dunkelheit das Gebäude zu verlassen, das gleiche gilt für das Verlassen der Zimmer nach 22 Uhr.” Fuhr er fort.
Der Unterricht beginnt um 8 Uhr und wer nicht pünktlich kommt muss die Konsequenzen dafür tragen.“ Er redete ununterbrochen weiter und schien gar kein Ende finden zu können. Gab es hier gar nichts, was nicht verboten war?
Als er eine Pause machte sah ich auf. Mr. Kimber sah mir eindringlich in die Augen.
“ Zum Schluss kommen wir zu den beinahe wichtigsten Regeln: Es ist verboten jemanden zu diskriminieren, oder auf irgendeine Art zu beleidigen und außerdem …” Die nächsten Worte schien er mit Absicht sehr schnell über die Lippen zu bringen, damit ich sie nicht verstehen konnte “… jemanden zu beißen!”
Was bitte? Es war verboten jemanden zu beißen, was war das denn für eine Regel? Ich musste mich verhört haben. Entweder das, oder Mr. Kimber hatte einen merkwürdigen Humor! Doch er sah ernst aus und legte mir ein Blatt mit dem Regeln vor die Nase, das ich unterschreiben sollte und auch dort stand:
“26. Es ist jedem ausdrücklich verboten einen anderen Schüler/Schülerin oder eine zivile Person zu beißen”
Komisch. So was gab es an meiner alten Schule bestimmt nicht, oder? Vielleicht war das in Schottland ja Standart. Ich mag dich nicht, also beiße ich dich ins Ohr etc.
Bei der Vorstellung musste ich grinsen, doch Mr. Kimber riss mich aus meinen Gedanken als er wieder anfing zu sprechen, von der Hektik war in seiner Stimme nichts mehr zu hören
“Ich hatte den Eindruck sie kommen mit Amanda gut aus, daher dachte ich mir, sie könnten sich ein Zimmer teilen. Ich habe schon mit ihr geredet und es wird ihr nichts ausmachen” Ich nickte und freute mich innerlich über diese Nachricht.
“Hier ist ihr Stundenplan” Er reichte mir einen Zettel “ Und jetzt werde ich sie zu ihrem Zimmer führen, damit sie sich nicht gleich am ersten Tag verlaufen” er zwinkerte mir zu und begleitete mich in mein neues zu Hause.
5. Erinnerung
Das Zimmer war groß und hell. Zwei Türen führten hinaus, die eine in ein Badezimmer in dem Amanda gerade herum werkelte und die andere auf einen Balkon. Ich trat hinaus und genoss den Blick über den weiten Park und atmete die kühle, klare Luft ein. Hier gefiel es mir besser als ich jemals gedacht hätte. Im Grunde ging es mir heute so gut wie schon lange nicht mehr. Genau genommen seid dem Unfall, aber ich verweigerte mir jeden weiteren Gedanken an jenen Abend. Ich hatte beschlossen alles zu vergessen und daran wollte ich mich auch halten.
Amanda trat auf dem Balkon und lächelte mich an.
“Ich hab deine Sachen schon ausgepackt” sagte sie freudig “Ich würde mal schätzen bei dem ganzen Kram den du mit hast wirst du dir im Winter ziemlich den Arsch abfrieren.”
Sie grinste verschlagen “Aber wir zwei können ja mal zusammen einkaufen gehen und dir was Schottland-Taugliches besorgen, oder?”
Ich grinste zurück und bevor ich zusagen konnte sprach sie weiter, als es schon eine entschiedene Sache war.
“Mal sehen wie du Elena findest. Oh, die müssen wir unbedingt mitnehmen zum Einkaufen!”
Ich unterbracht sie in ihren genaueren Planungen “Elena?” fragte ich zaghaft.
“Die Nummer drei hier auf dem Zimmer, sie kommt erst morgen früh, weil sie nicht weit weg wohnt”
“Aha” erwiderte ich nur und fragte mich gespannt wie ´Nummer drei´ wohl wäre.
“Sag mal du hast ja noch gar nichts außer Kimbers Büro gesehen, oder?” Ohne auf eine Antwort zu warten sprach sie einfach weiter. “Komm ich zeig dir mal dein neues zu Hause!”
Sie nah meine Hand und zog mich zur Tür heraus. Sie ließ mir gar keine Zeit alles zu verarbeiten und zerrte mich eilig durch das ganze Gebäude. Sie zeigte mir Aufenthaltsräume, eine große Cafeteria, die Klassenräume und das alles in einem Tempo das mich schwindelig machte.
“Sag mal wie sieht denn eigentlich dein Stundenplan aus?”
Ich kramte in meiner Jackentasche und zeigte ihn ihr. Sie blickte kurz darauf und fing an zu lächeln “Wir haben ja alles zusammen.” vor Freude sprang sie ein bisschen in die Luft. Ich musste mir ein Kichern verkneifen, denn sie schien sich zu freuen wie ein kleines Kind über einen Lolli. Amanda musterte den Zettel noch einmal und stutze dann.
“Was ist?” fragte ich besorgt, denn ich war ganz froh gewesen jemanden an meiner Seite zu haben, den ich kannte und mochte.
“Nur Geschichte hast du nicht mit mir zusammen!” maulte sie
“Aber dafür alles andere” versuchte ich sie aufzuheitern und es klappte. Sie nahm wieder ihr geschwätziges Selbst an und redete ununterbrochen, bis wir vor unserem Zimmer ankamen.
Sie wollte gerade die Tür öffnen als eine Stimme leise vom Ende des Flurs “Manda” rief. Wir drehten uns beide um und ich entdeckte einen Jungen in unserem Alter. Er war groß und hatte fast blonde, kurze Haare. Er grinste sie an und schien mich gar nicht zu bemerken. Er ging auf Amanda zu und sie wich leicht zurück.
“Ähm Bill, das hier ist Kimberly” stotterte sie und schob mich zwischen die zwei. Na toll.
Bill musterte mich und erwiderte nur ein kurzes “Hey”
“Hey!” antwortete ich. “Ähm, ich gehe dann mal” sagte ich zu Amanda gewandt, öffnete die Tür und ließ die zwei alleine auf dem Flur zurück. Ich konnte mir ein grinsen nicht verkneifen. Das war also das Ekel.
Ich musste mich kurz neu im Raum orientieren und ging schließlich ins Badezimmer um mich fertig zu machen.
Als ich das Licht ausgemacht hatte und im Bett lag war Amanda noch immer nicht da. Ich musste grinsen und wie sie ihn ausstehen konnte, da brachte es gar nichts wenn sie es bestritt. Alleine der Blick den sie ihm zugeworfen hatte, bevor sie mich vor seine Nase schob.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht schlief ich ruhig ein.
“Morgen du Schlafmütze” schrie jemand in mein Ohr. Ich warf noch einen letzten Blick auf das kühle blau und öffnete meine eigenen, eindeutig braunen, Augen.
Ich hatte mal wieder von den blauen Augen geträumt.
Jetzt blickte ich in das Gesicht von Amanda, die sich wahrscheinlich wegen meines Ausdrucks fast vor lachen auf dem Boden kullerte.
“So du Morgenmuffel. Es ist 7 Uhr und wenn du nicht gleich am ersten Tag hungrig und zu spät zum Unterricht kommen willst, solltest du jetzt endlich mal aufstehen.” Sie unterstrich ihre Forderung indem sie meine Decke wegzog und eiskalte Luft mich aufschrecken ließ.
“Klappt immer” grinste sie und verließ den Raum. “Ich warte beim Frühstück auf dich” rief sie mir noch von der Tür aus zu und verschwand. Ich rappelte mich auf, schlich ins Bad und begann mich fertig zu machen.
20 Minuten später stand ich vor der Tür und wusste absolut nicht wo ich hin sollte. In der Hoffnung den Richtigen Weg zu nehmen drehte ich mich nach rechts und lief den Gang entlang. Nach ein Paar Minuten war ich mir sicher dass ich falsch war. Ich wollte gerade umdrehen als eine wütende Stimme an mein Ohr drang.
“Verdammt was soll das denn jetzt wieder! Kann man hier nirgendwo seine Ruhe haben!”
Ich drehte mich erschrocken um und starrte mein Gegenüber an. Vor mir stand ein Junge, er wirkte zwar etwas älter als die anderen, aber warum sollte er sonst hier rum laufen, wenn er kein Schüler war?
Ich schaute gerade lange genug zu ihm um zu erkennen, dass seine dunkelbraunen Haare nass waren und er nur ein Handtuch um die Hüften trug. Sofort senkte ich meinen Blick und wurde rot.
“Tschuldigung” murmelte ich verlegen “Ich bin neu hier und hab mich verlaufen” Ich hob meinen Blick wieder zu seinem Gesicht und musterte es gebannt. Obwohl das Licht ihn nur von hinten erhellte und ich es deswegen nur schemenhaft erkennen konnte, sah ich, dass es wunderschön war und ich fühlte plötzlich das heftige Verlangen einen Schritt weiter auf ihn zuzugehen.
Verdammt was war denn mit mir los? Da sah ich irgendeinen Kerl vor mir stehen und wollte am liebsten gleich auf ihn zustürmen. Was sollte das denn bitte?
Ich räusperte mich, meine Kehle war ganz trocken geworden. Er musterte mich noch immer mit konzentriertem Blick und ich fragte mich was er wohl dachte, wie er mich fand, was…
Verdammt noch mal das durfte doch jetzt nicht wahr sein.
“Ich schätze mal du suchst was zu essen?” seine Stimme war einfach nur umwerfend obwohl er wütend klang. Rau und doch gleichzeitig sanft. Ich hätte nie gedacht, dass eine Stimme so auf mich wirken könnte, denn meine Nackenhaare stellten sich auf und mir wurde unglaublich warm. Das konnte doch nicht wahr sein.
Da ich Angst hatte meine Stimme könnte versagen nickte ich nur und blickte verlegen wieder zu Boden.
Plötzlich legten sich eine warme Hand auf meine Schulter und eine zweite an meine Taille, drehten mich in die entgegen gesetzte Richtung und gaben mir einen kleinen Schubs, bevor sie mich losließen.
“Immer geradeaus” sagte die herrliche Stimme und ich musste ich darauf konzentrieren wie man läuft um nicht der Länge nach flach auf dem Boden zu schlagen.
Das war einfach nicht normal, kein normaler Mensch konnte so fühlen, wie ich gerade fühlte. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und stolperte den Gang immer weiter. Ich hatte das Gefühl, als lägen seine Finger noch immer an meinem Körper, alles kribbelte und mir war schwindelig.
Zu meiner großen Verwunderung fand ich diesmal den Weg in die Cafeteria wo Amanda schon auf mich wartete.
“Sag mal wo warst du?” Fragte sie mich genervt.
“Hab mich verlaufen.” Antwortete ich und war froh, dass sie nicht die ganze Wahrheit kannte. Ich schlang schnell ein Brötchen hinunter, das Amanda mir schon fertig gemacht hatte und wir beide machten uns hastig auf zu unserer ersten Stunde.
Juhu, die normale Welt hat mich wieder, dachte ich, ließ mich auf dem Stuhl sinken und wartete, dass der Unterricht begann.
Der Stoff war mir nicht neu und so hatte ich keine großen Probleme, trotzdem war ich am Ende des Unterrichts einfach nur müde. Amanda und ich setzten uns zum Essen zusammen an einem Tisch und kurz darauf kam noch ein Mädchen dazu.
“Hey, ich bin Elena! Du musst Kimberly sein?”
Sie wirkte freundlich und mit ihren langen schwarzen Haaren sah sie sehr gut aus.
“Einfach Kim” erwiderte ich und lächelte sie an.
Sofort begann Amanda mit ihr zu reden und ich schloss mich schon bald darauf an.
Wir passen gut zusammen und es machte wirklich Spaß mich mit ihnen zu unterhalten. Kurze Zeit später setzten sich auch Keith und ein zweiter Junge zu uns.
“Hey Kim, das ist Robin!” Besagter lächelte mich breit an.
Er hatte die gleich stechenden Augen wie Keith auch wenn seine nicht grün waren sondern grau.
Wir waren eine lustige Runde und nach kurzer Zeit fing Keith an den besten Tratsch loszuwerden.
“Hey Am was läuft denn jetzt mit Bill und dir?” wollte Keith wissen. Doch Amanda zuckte nur mit dem Schultern, sie war echt taff!
Wenn ich da nur an meinen peinlichen Auftritt von heute morgen dachte. Dabei lief es mir wieder kalt den Rücken runter. Denk nicht dran ermahnte ich mich selber.
Nach dem Essen gingen wir drei hoch in unser Zimmer. Elena packte ihre Sachen aus und richtete sich wieder ein. Während ich auf meinem Bett saß und versuchte nicht an den Jungen von heute morgen zu denken.
Es war schon fast unglaublich. Ich hatte nichts anderes mehr im Kopf, obwohl ich ihn nur kurz gesehen hatte.
Im Grunde hatte ich ja fast nur auf den Boden gestarrt, in der Hoffnung, dass er nicht merkte wie ich rot wurde.
Ich war mir zwar nicht sicher ob es geklappt hatte, aber immerhin hatte es mich davon abgehalten ihn ununterbrochen anzustarren. Es war eigentlich nicht meine Art mich schüchtern zu verstecken, aber wenn ich an ihn dachte, begann mein Herz gleich wieder zu hüpfen. Mit aller Kraft holte ich mich in die Realität zurück und konzentrierte mich auf Elena.
Da sich über die Ferien nicht viel mitgenommen hatte dauerte es nicht lange, bis sie ihren leeren Koffer unter ihrem Bett verstaute.
Sie lies sich neben mich fallen.
“Hat Am dir eigentlich schon die Schule gezeigt?” Sie sah mich neugierig an und das glitzern in ihren Augen verriet mir, dass sie nur darauf wartete, dass ich ´nein´ sagte.
“Doch hat sie, aber es ging alles so schnell und ich war so fertig, dass ich mich gleich heute morgen verlaufen hab.”
Sie lachte und zog mich hoch.
“Gut, Kim, dann machen wir zwei das jetzt noch mal!” Sie zwinkerte und wollte mich schon zur Tür schleifen, als Amanda aus dem Bad kam und uns verwirrt anstarrte.
“Was wird das denn?” Fragte sie neugierig mit einem Lachen in der Stimme. Es musste zu komisch aussehen, wie Elena mich zur Tür zerrte.
“Elena wollte mir noch mal die Schule zeigen, vielleicht kann ich mir dann den Weg merken!” erklärte ich und bevor ich mich versehen hatte, nahm sie auch schon meinen Arm und wir drei machten uns auf den Weg.
Elena beschränkte sich nicht darauf mir nur die Wege zu zeigen, ich bekam auch noch die neueste Portion Tratsch zu hören. Innerlich musste ich lachen, sie war genau wie Chay. Ich vermisste sie, aber der ganze Trouble hatte mich so beschäftigt, dass ich gar nicht mehr an mein Versprechen gedacht hatte, sie anzurufen. Der Punkt kam gleich auf meine To Do Liste für den Abend.
Elena und Amanda waren gerade dabei über irgendeine Familie zu reden, die wohl durch ihre eingebildete Art auffielen.
“Naja Kim halt sich einfach von denen fern, OK?” hörte ich Elena noch gerade sagen. Dummerweise antwortete ich aus Reflex mit: “Vom wem soll ich mich fern halten?”
Elena sah mich entgeistert an.
“Hast du uns denn nicht zugehört?” fragte Amanda mich erstaunt.
“Ähm, tschuldigung aber ich war grade in Gedanken ganz wo anders!” murmelte ich kleinlaut und hörte ihr jetzt ganz genau zu.
“Also von Braden, Isabell und Michael, solltest du dich fern halten. Obwohl das wohl nicht so schwer werden wird. Die drei sondern sich nämlich richtig von Rest ab, die halten sich einfach für was Besseres.”
Sie setzte ihre Hass Tiraden weiter fort und fügte immer wieder Sachen wie “Treppe in den Keller”, “Musiktrakt”, “Verwaltung” ein während sie im vorbeigehen in die jeweiligen Richtungen deutete. Sie war noch immer am meckern über die drei, sie musste sie wirklich hassen. Zumindest lies es ihr Tonfall vermuten.
Wir gingen gerade an einem der Aufenthaltsräume vorbei als ein lautes Lachen ertönte und sich die Tür neben uns öffnete. Heraus trat ein großer Junge. Ich erkannte ihn sofort und erneut lief mir ein Schauer den Rücken hinunter.
Seine braunen Haare wirkten im Licht viel heller, als heute morgen. Sie hatten jetzt die Farbe von Schokolade.
Amanda und Elena blieben stehen und wirkten merkwürdiger Weise sehr angespannt. Aus ihren Blicken leuchtete purer Hass. Ich verstand ihre Reaktion nicht, denn allen anderen waren sie ja auch freundlich gegenüber warum also nicht ihm?
“Wenn man vom Teufel spricht!” murmelte Amanda leise. Er konnte es unmöglich gehört haben, dennoch drehte er sich langsam um und versteifte sich ebenfalls. Da ich hinter den beiden anderen stand konnte er mich nicht sehen und als seine herrliche Stimme erklang sagte er nur “Amanda, Elena” er sprach die beiden Worte so kalt aus als wären es Schimpfwörter.
Er wollte sich schon umdrehen und weggehen, als er mich bemerkte. Sein Blick bohrte sich in meinen und diesmal konnte ich nicht auf den Boden blicken, sondern sah wie gefesselt in sein Gesicht.
Mir fiel es schwer zu atmen. Diesmal schien das Licht direkt auf ihn und ich konnte ihn viel besser erkennen. Er hatte ein kantiges, dennoch nicht grobes Gesicht. Die einzige Assoziation, die mir spontan dazu einfiel war männlich gewesen. Seine wirren, dunklen Haare verstärkten diesen Eindruck nur noch. Seine Lippen hielten die perfekte Balance zwischen zu voll und zu dünn.
Er trug ein T-Shirt, das seine Muskeln nicht verdeckte, sondern sie eher noch hervorhob. Doch das alles war für mich ohne Bedeutung, als ich in seine Augen sah. Sie hielten mich Gefangen und ob ich gewollt hätte oder nicht ich hätte mich keinen Schritt bewegen können. Sein Blick lähmte mich, brachte mich zum zittern.
Ich kannte diesen Blick, hatte ihn schon tausende Mal gesehen. Der Blick aus diesen Eisblauen Augen, die trotzdem ein Feuer in sich trugen, das mir gerade nur zu bewusst war.
Es schein mir als würde ich unter seinem Blick verbrennen.
Ich wusste nicht wie lange ich ihn anstarrte und auch er bewegte sich nicht von seiner Stelle oder wendete den Blick ab. Ich fühlte mich wie hypnotisiert, ich war sogar unfähig zu blinzeln.
Elena brach schließlich den Zauber, als sie sich ein Stück zur Seite bewegte und ihren Kopf damit zwischen uns platzierte. Mit einem Mal konnte ich wieder klar denken. Ich holte tief Luft und versuchte wieder Herr meiner Sinne zu werden.
Was war das eben gewesen? Ich war total verwirrt.
Elena richtete sich auf und sagte mit kühler Stimme “Braden was wird das?” Der Hass war nur zu deutlich raus zu hören.
“Was bitte, Elena?” Er dagegen sprach sehr höflich und sobald seine Stimme erklang fing mein Körper wieder an zu kribbeln. Wie machte er das bloß?
“Lass Kim in Ruhe!” Elenas Stimme war eisig, sie drehte sich wütend um, schnappte meine Hand und zerrte mich nach oben in unser Zimmer.
Sofort drehte sie sich zu mir um. “Kim was sollte das? Er ist so ein eingebildeter Schnösel, hast du denn keinen Respekt vor dir selber? Hast du mir vorhin nicht zugehört? Kannst du nicht ein kleines bisschen auf dich aufpassen!” Was meinte sie denn damit?
“Ich …” meine Stimme versagte. Noch immer fühlte ich mich benommen und es war schwer an etwas anderes zu denken, als an ihn. An Braden.
“Kim er ist böse! Halt dich von ihm fern!”
“Was?” entsetzt starrte ich Elena an. Was meinte sie mit böse?
“Kim, er ist gefährlich. Halt dich einfach von ihm fern, dann kann dir auch nichts passieren!”
“Was meinst du mit ´böse´?” Ich war verwirrte. Erst Braden und jetzt das hier. Das war einfach zu viel für mich.
“Kim, er ist ein reiner und daher …”
“Ein WAS bitte?” Ich starrte sie verwundert an. Was meinte sei mit rein?
Elena schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund.
“Kim, ich …”, stotterte sie, doch bevor ich weiter nachfragen konnte, platzte Amanda auch schon in den Raum.
“Was…?”, begann sie, doch als sie in mein verwirrtes Gesicht sah brach sie ab und drehte sich zu Elena.
“Es tut mir leid!” sagte Elena schnell und sie sah wirklich so aus.
Ich war total verwirrt. Was war hier los, dass die beiden so einen Aufstand machten?
“Kim, wir müssen dir war erklären.” Amanda kam auf mich zu.
Sie sah besorgt aus.
“Soll das nicht besser Kimber machen?” fragte Elena leise.
Sie sah mich verängstigt an und blickte scheu zu Amanda.
Diese überlegte kurz und nickte dann, bevor sie mich an Arm aus dem Zimmer zog in Richtung Mr. Kimbers Büro.
6. Die Wahrheit
Mr Kimber stand verwirrt auf doch als er Amanda ins Gesicht sah schien er etwas zu begreifen.
“Was ist passiert?” fragte er sofort und blickte zu uns dreien.
“Mir ist was rausgerutscht.” sagte Elena beschämt.
Er seufzte auf und setzte sich an seinen Schreibtisch.
“Gut ihr beiden, ihr könnt gehen.”
“Es tut mir leid!” fügte Elena hinzu, doch der Schulleiter lächelte nur schwach.
“Ist schon in Ordnung, ich hätte es ihr sowieso bald gesagt.”
Die beiden verließen den Raum und ich setzte mich auf ein Handzeichen Kimbers.
Er stützte seine Ellenbogen auf die Tischplatte und legte de Hände vor seinem Gesicht aneinander.
Über seine verschränkten Finger blickte er mich aufmerksam an, als würde er mein Verhalten analysieren. Nach einem kurzen Moment der Stille, in dem ich nur noch verwirrter wurde, begann er schließlich zu sprechen.
“Kimberly, was ich dir jetzt erzähle wirst du mir am Anfang nicht glauben wollen, doch es stimmt! Jedes einzelne Wort ist war. Versuch mir bitte zu glauben, denn es ist wichtig, dass du es weißt.” Begann er.
Ich nickte benommen und leicht panisch. Was würde jetzt kommen?
“Ich habe dir gestern gesagt, die sei eine besondere Schule. Das stimmt auch. Die Jugendlichen die hier zur Schule gehen sind nicht wie die, mit denen du sonst in einem Klassenzimmer saßt!”
Oh nein, doch eine Sekte, oder Psychopaten, oder …
Mir schossen tausend Möglichkeiten durch den Kopf und jede war schlimmer als die vorherige.
Er schien zu wissen wie ich mich fühlte, denn er sagte in ruhigem Ton: “Du brauchst keine Angst zu haben!”
Ich wusste nicht warum, doch sofort beruhigte ich mich.
“Kimberly, neben dem Menschen entwickelte sich im Laufe der Zeit auch ein anderes Lebewesen, das dem Menschen sehr ähnlich sah. Doch es war ihm in vielem überlegen. Dieses Lebewesen war schneller, zäher, beweglicher als ein Mensch es jemals sein konnte.
Dieses Lebewesen lebte viele tausend Jahre verborgen im Dunklen, nur eine Legende und ein Mythos, doch es existiert wirklich.
Diese Schule ist für alle diese Lebewesen eingerichtet worden.
Dir ist bestimmt die letzte der Schulregeln aufgefallen: “Du darfst keinen beißen?”
Wie benommen nickte ich, das hier war doch wohl ein Scherz eine Art Einführungsritual das konnte einfach nicht echt sein! Doch Mr Kimber sprach weiter auch wenn mein Gesicht wohl Angst und Unglauben zeigen musste.
“Diese Regel dient dem Schutz, denn diese Schule wurde für Vampire eingerichtet”
Das war eindeutig ein Witz und ich begann tatsächlich zu lachen. Nein das konnte unmöglich die Wahrheit sein, das war einfach nicht…
Vampire gab es nicht, er wollte mich tatsächlich zum lachen bringen.
“Das ist jetzt nicht ihr ernst, oder?” fragte ich “ Sie wollen mich doch verarschen!”
“Nein” sagte Mr Kimber kühl. Er stand auf und ging um den Tisch herum. Er kniete sich vor mich und zog seine Lippen zurück. Diese Situation war so lustig, dass ich benahe wieder loslachen musste.
Aber das Lachen blieb mir im Hals stecken, als sich plötzlich seine Zähne zu bewegen begannen. Es sah aus als würden ihm neue Eckzähne wachsen, kleine spitze Fänge, die bald die anderen Zahnreihen überragten. Ich zuckte zusammen. Nein, das widersprach der kompletten Logik, das konnte nicht stimmen!
Und doch waren meinem Gegenüber lange Zähne in Sekunden aus dem Oberkiefer gewachsen. Langsam begannen sich die Zweifel zu legen. Ich wusste nicht warum ich ihm glaubte. Es schien als würden meine Verwirrung und Panik hinweggeweht. Nur eine Tiefe Zuversicht und die Offenheit für diese komische Situation blieben.
Er ging wieder zurück und setzte sich in seinen Stuhl. Sein Gesicht spiegelte Sorge und Freude aus, wahrscheinlich darüber, dass ich noch immer nicht ohnmächtig geworden war.
“Sie haben bestimmt eine Menge Fragen, Kim” Er sah mich auffordernd an.
“Ähm ja hab ich”, murmelte ich reflexartig, ohne eine genaue im Kopf zu haben.
Ich dachte kurz nach und versuchte in der Zeit alles abzuwägen. Meine neue Sicherheit erleichterte mir klar zu denken. Komischer Weise glaubte und vertraute ich ihm.
Trotzdem fühlte ich mich doch immer noch verwirrt.
“Wie kommt es, dass ich hier bin, wenn dies eine Schule für Vampire ist?” Diese Frage war mir zuerst durch den Kopf gegangen.
“Weil du einer bist!” Ich starrte ihn entsetzt an. Ja klar ich bin ein Vampir, haha!
Er beeilte sich schnell zu erklären: “Du bist kein ganzer, denn Frauen können sich nicht in Vampire verwandeln. Das heißt es gibt einige Ausnahmen, aber in der Regel verwandeln Frauen sich nicht in Vampire! Jungen verwandeln sich und die Mädchen bleiben fast wie normale Menschen, nur das sie etwas schneller und geschickter sind.”
Ich sollte geschickter sein, als die anderen?
Nach allem was er mir erzählt hatte, kam mir das wie der größte Witz vor. Ich konnte mich nie unfallfrei bewegen und er sprach von geschickt?
Er musste meinen geschockten Ausdruck gesehen haben, denn er sagte leise: “Einige fallen da freilich aus dem Raster!”
Ich sah ihn empört an, verkniff mir aber eine Bemerkung und versuchte mich wieder auf das wesentliche zu konzentrieren.
Tausend Gedanken zischten durch meinen Kopf und ich wusste gar nicht was ich zuerst fragen sollte also sagte ich das erste was mir durch den Kopf ging.
“Meine Mom und mein Dad mussten also auch Vamp…”, ich räusperte mich “Vampire sein?”
“Ja” sagte er schlicht.
“Ich weiß etwas über deine Familie bescheid, Kim. Deine Mutter war auch hier auf dieser Schule und hier lernte sie auch ihren Gefährten kennen, deinen Vater. Er wurde auf einem Einsatz getötet, kurz vor deiner Geburt.”
“Was? Phil war mein Vater, er…” Mir stockten die Worte im Hals “ Ich…”, setzte ich erneut zum Spreche an, doch unterbrach mich, als eine Träne meine Wange hinunter rann.
“Nein Phil war nicht dein Vater er war Bennys Vater aber nicht deiner. Nach dem Tod deines Vaters hat deine Mutter sich komplett von unserer Welt abgewandt und einen Menschen geheiratet, Phil. Ich glaube der Schmerz über Aidans Verlust war einfach zu stark”
Aidan, so sollte also mein Vater heißen? Das war unglaublich. Phil war mein Vater gewesen, das war über all die Jahre sicher gewesen. Es konnte doch nicht sein, dass alles eine Lüge war.
Mich überrollte ein schreckliches Gefühl, fast so als hätte ich meine Eltern ein zweites Mal verloren. Es war wie der Moment, als ich erfahren hatte, dass ich alleine den Unfall überlebt hatte. Ich verdrängte die Erinnerung und schaffte es mich wieder in die Gegenwart zurück zu kämpfen.
Ich dachte über seine Behauptung nach, mein Vater sei bei einem Einsatz gestorben.
“Was für einen Einsatz meinten sie?” fragte ich leise und wartete ängstlich auf die Antwort.
“Aidan war ein Mitglied unserer Spezial Truppe so eine Art Vampirpolizei.”
“Aha” sagte ich noch immer verwirrt von der Fülle an Informationen.
Ich ließ mich zurück auf den Stuhl sinken und versuchte mich zu entspannen. Das Blut floss etwas schneller durch meine Adern, aber ich glaube, dass war normal, wenn man nach 17 Jahren erfuhr, dass man kein Mensch war.
Ich wusste nicht warum ich ihm überhaupt glaubte. Früher hätte ich bestimmt nicht so gehandelt, aber die zwei Tage hier hatten mich schon jetzt verändert.
Ich dachte an Bradens Ausstrahlung und mir wurde bewusst, dass sie einfach nicht menschlich sein konnte.
Einige Minuten saß ich still in meinem Stuhl. Mr Kimber beobachtete mich über seine verschränkten Hände hinweg, während ich mich darum bemühte alles in meinem Kopf zu ordnen.
Schließlich beschloss ich seine Geschichte einfach als Tatsache zu akzeptieren. Ich dachte noch einmal über unser vorhergegangenes Gespräch nach und jetzt schossen mir die Fragen wie ein Feuerwerk durch den Kopf.
“Und was meinten sie mit den Ausnahmen bei weiblichen Vampiren?” Platzte es schnell aus mir heraus.
Mr. Kimber lächelte bevor er antwortete. Für ihn musste die ganze Situation sehr unterhaltsam sein.
“Es gab vor vielen Jahren eine Art Mutation in einer bestimmten Familie. Einige Frauen dieser Blutlinie verwandelten sich auf einmal. Ihre Töchter besitzen diese Fähigkeit nur sehr selten, doch es kommt vor. Im Moment existieren nur vier weibliche Vampire.
Doch die Kinder dieser Frauen unterscheiden sich von den normalen Vampiren. Der normale Vampir hat noch etwas Menschliches an sich, denn seine Mutter ist kein Vampir im eigentlichen Sinne.
Doch die, wie wir sie nennen “reinen Vampire”, sind viel weniger menschlich. Obwohl das wahrscheinlich der falsche Ausdruck ist. Sie sind nicht weniger menschlich, sonder einfach nur viel besser, geschickter und haben auch sonst noch andere Fähigkeiten.”
“Was für Fähigkeiten?” fragte ich gespannt. Mr Kimber lächelte leicht bevor er fort fuhr.
“Männliche Vampire im Allgemeinen haben besondere Begabungen.” Mein Gesicht musste ausgesehen haben wie ein Fragezeichen, denn er fügte rasch hinzu: “Ich kann zum Beispiel Gefühle von anderen wahrnehmen und meine eigenen Gefühlen und Emotionen auf sie übertragen!”
Mir klappte vor Staunen der Mund auf und plötzlich begriff ich, warum ich ihm geglaubt hatte. Er musste seine Zuversicht und sein Vertrauen in die Wahrheit auf mich übertragen haben.
Ich wusste dass ich eigentlich wütend hätte sein müssen, doch im Grunde war ich dankbar, dass er mir meinen Einstieg in diese Fremde Welt so erleichtert hatte.
Er fuhr weiter fort: “Aber die reinen, oder echten Vampire, deren Mutter ein Vampir ist, übertreffen uns bei weitem in ihren Fähigkeiten. Sie sind bei ihnen viel ausgeprägter.
Allerdings haben sie mit diesen besonderen Fähigkeiten auch spezielle Aufgaben übernommen. Sie sorgen für Ordnung in unserer Welt. Ohne sie wüssten die Menschen schon längst, dass es uns gibt.”
Ich schwieg einen Moment und dachte über das ganze nach. Braden war also ein reiner Vampir, ein Hüter der Ordnung. Soweit war alles klar.
Ich bedachte noch einmal alles was er mir gesagt hatte und verglich es mit den Bildern von Vampire, die die Menschen andauernd im Kino sahen.
“Und wie ist das mit dem Blut?”, fragte ich vorsichtig. Mr. Kimber lachte auf. “Ja das ist wohl der größte Unsinn, den die Menschen sich ausgedacht haben. Vampire töten Menschen um an Blut zu gelangen. Im Grunde ist es aber so, dass ein Vampir zwar Blut trinkt, aber kaum ein Vampir tötet Menschen, das tun nur die ganz bösen.“
“Nehmen wir mal an mich würde einer beißen …”
“In deinem Falle wäre es etwas anders. Du bist ein halber Vampir und daher würde er dich zu seiner Gefährtin machen, für immer an ihn gebunden.”
Ich musste schlucken. Ich sollte für immer mit einem Vampir zusammenleben?
Im ersten Augenblick schien es schrecklich, doch dann sah ich Braden vor mir und stellte mir vor wie es wäre, für immer mit ihm zusammen zu sein.
Bei dem Gedanken lächelte ich leicht und fühlte langsam wie sich die Müdigkeit über mich legte, so als hätte die Fülle an Informationen, die ich in den letzten Minute gehört hatte mein Gehirn überflutet und unfähig gemacht auch nur einen Gedanken zu fassen.
Ich konnte mein Gähnen nicht verkneifen und Mr Kimber sah mich verständnisvoll an. Aber vielleicht analysierte er auch nur meine Gefühle.
Bei der Vorstellung fühlte ich mich für einen Moment hilflos. Doch dann drängte sich die Müdigkeit wieder in den Vordergrund.
“Du kannst bestimmt auch Amanda und Elena fragen, wenn du noch etwas wissen willst.”, hörte ich seine Stimme noch sagen, doch da war ich schon aufgestanden und auf dem Weg in mein Zimmer.
Minuten später fiel ich in mein Bett und schlief sofort ein.
Tag der Veröffentlichung: 05.09.2009
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