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Prolog


"Hayle wir fahren jetzt zu Dave.”, die Stimme meiner Mutter hallt durch unser Haus. Seitdem Dave den Autounfall hatte und im Krankenhaus liegt tun sie das jeden Tag. “Okay, bis später.” “Bist du sicher, dass du nicht mitkommen möchtest. Dein Bruder würde sich sicherlich freuen.”
Schwachsinn. Mein Bruder liegt seit zwei Wochen im Koma. Durch meine Anwesenheit wird er auch nicht aufwachen. “Schon vergessen? Ich habe eine Allergie.”, antworte ich stattdessen. Ich höre Schritte die Treppe hochkommen. Meine Mutter steckt den Kopf zur Tür herein. “Eine Desinfektions-Allergie ist nicht gerade sehr einfallsreich. Ich finde es echt sehr schade, deinen Bruder so zu vernachlässigen. Dave würde dich jeden Tag besuchen. Egal ob du ihn wahrnehmen würdest oder nicht.” Das hat gesessen. Aber schließlich habe ich meine Gründe nicht mitzukommen. Ich fahre mir mit den Fingern durch die Haare, was mich irgendwie beruhigt, drehe mich genervt um und sehe meiner Mutter angriffslustig in die Augen.
“Meine Desinfektions-Allergie ist kein bisschen ausgedacht. Wenn ich Desinfektionsmittel rieche muss ich kotzen. Außerdem, woher willst du denn wissen was Dave tun würde. Er liegt im Koma und der Arzt sagt er würde nicht mehr aufwachen. Was bringen die Besuche überhaupt noch?”
Ich weiß das war fies, aber ich kann es einfach nicht mit ansehen, wie mein Bruder halbtot mit irgendwelchen alten Opis in einem Raum liegt. Meine Mutter habe ich anscheinend auch hart getroffen. Sie kriegt rote Flecken im Gesicht und ihre Augen werden langsam feucht. Die nächsten Worte kommen abgehackt. “Jetzt hör mal zu Hayle…. Warum…?”
Sie dreht sich um und den Geräuschen nach zu urteilen rennt sie die Treppe runter und knallt die Autotür so doll zu, dass die Fenster im Haus leise klirren. Endlich Ruhe. Vorsichtig tappt mein treudoofer Hund in mein Zimmer. “Reika, komm her.”, ich klopfe mit der Hand auf meine Bettdecke. Mein Shiba inu springt neben mich und leckt mir die Hand. Seit ich ihn vor zwei Jahren zum Geburtstag bekommen habe ist das sein Zeichen dafür, dass alles in Ordnung ist. Als ich mich bei Gewittern immer unter dem Küchentisch versteckt habe, kam er zu mir, leckte mir die Hand und ich wusste, alles war okay. Ich lege mich neben Reika und schließe die Augen. Heute ist echt alles beschissen. In Gedanken bei Dave schlafe ich ein.

Ich schaue auf meinen Wecker. Es ist viertel vor neun. Reika liegt neben mir. Ich stehe langsam auf um sie nicht zu wecken. Ich gehe durch den Flur in die Küche.Meine Eltern sind noch nicht wieder da. Nichts Ungewöhnliches.Sie kommen meist erst Mitternacht zurück. Sie würden sogar noch später wiederkommen, wenn die Besuchszeit des Krankenhauses nicht zu ende wäre. Ich haue drei Eier in die Pfanne und schaue aus dem Fenster. Im garten steht unsere alte vermoderte Vogelscheuche meine Mutter hat sie aufgestellt, weil sie sich vor vögeln fürchtet(und meine Desinfektions-Allergie verrückt nennen). Die sonne ist noch nicht ganz untergegangen, als die Eier fertig sind. Ich hole mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank nid setze mich vor den Fernseher. Ich zappe durch die Programme und bleibe bei einer Dokumentation über ein amerikanisches Gefängnis hängen. Ich mache es mir auf der Couch bequem und schlafe irgendwann nach einem interview mit einem Mörder ein.

Ich schlage meine Augen auf. mein Nacken fühlt sich steif an. Ich strecke mich. Im fernsehen läuft eine Hitlerdoku ich schalte den Fernseher aus und beschließe ins bett zu gehen.
Plötzlich ist da ein Quietschen. Ich zucke zusammen. Das Geräusch kommt von nebenan aus der Küche. Wahrscheinlich ist es mein Hund der nach draußen will und schon ungeduldig an der Glastür steht. Ich stöhne genervt. Muss das jetzt noch sein?
Ich mache mir nicht die Mühe das Licht anzuknipsen, sondern tapse leicht schläfrig durch die Küchentür. Doch ich sehe keinen Hund. Der Raum ist sowohl menschen- als auch tierleer. Ich gehe zum Fenster und zucke sofort wieder zurück. In Kopfhöhe sind dort fünf kerben, wie von einer hand, eingeritzt. Es blitzt und mein Körper spannt sich an. Ich schließe die Augen und versuche ruhig zu atmen. Ein. Aus. Ein. Aus. Es donnert und ich schlage meine Augen wieder auf. Der garten wird von einem weiteren blitz hell erleuchtet und ich sehe an die fünfzig Raben um und auf der Vogelscheuche sitzen. Jeder von ihnen starrt in meine Richtung und ich stolpere vom Fenster weg. “Was soll das?”, höre ich mich sagen auch wenn das totaler Schwachsinn ist. Doch mir fällt einfach nichts anderes ein.
Auf den blitz folgt ein weiterer Donnerschlag und ich beschließe wieder in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Ich schiebe einen Stuhl vom Tisch weg und krieche darunter.
Während ich flüsternd versuche Reika zu mir zu rufen mache ich mir Gedanken wovor ich eigentlich am meisten angst habe: Vor den Raben im Garten, vor den Fünf kerben in der Fensterscheibe oder vor der Tatsache, allein zu sein. Fakt ist: Ich habe Angst!!!
Ich schließe noch einmal die Augen und rufe abermals nach Reika. Endlich höre ich das vertraute Tapsen in meine Richtung. beruhigend schleckt mir eine nasse Zunge über meine hand.
Ich krabbele unter dem Tisch hervor, die Augen immer noch fest geschlossen. Reika sagt es ist alles okay, dann ist auch alles okay. Schlurfend tapst sie wieder aus der Küche. Ich öffne die Augen und immer noch ist alles in Ordnung.
Ich lächle und sage mir: Hayle, du gehst jetzt ins Bett und morgen früh wirst du über die Sache lachen!
Fest entschlossen, meinen Plan einzuhalten gehe ich die Treppe hoch ohne mich noch ein einziges mal nach dem Fenster umzudrehen. Auf meinem Bett liegt eine dunkle Gestalt und ich freue mich innerlich, dass mein Hund einfach der treueste ist, den man sich nur wünschen kann.
Um Reika nicht zu wecken, mache ich die Tür leise zu und schleiche mich um mein bett herum. Ich ziehe Jeans und Pullover aus und werfe mir mein Snoopy- Nachthemd über.
Als ich auf mein Bett zugehe trete ich jedoch in was feuchtes und bleibe angewidert stehen. Hatte Reika etwa auf meinen Teppich gestrullt? Wütend stapfe ich auf den Lichtschalter zu und schalte in ein. Ich drehe mich herum und erstarre: Wa….Waa..??”
Ich stürze auf den Teppich und kotze mir die Seele aus dem leib.
Auf meinem bett liegt Reika, oder vielmehr das, was von ihr übrig ist. Alle viere von sich gestreckt. Ein Bein seltsam verdreht. Aufgeschlitzt. Der Darm halb herausgerissen und dicke Klumpen, die ihre anderen Organe sein müssen, auf dem Boden zerstreut. Alles voller Blut. Der Schrei bleibt mir im Halse stecken. Noch einmal würge ich. Langsam krieche ich durch die dunkelrote Pfütze auf meinen toten Hund zu. Ihre Augen sind offen. Ihr Blick starr vor Angst. Tränen rinnen mir in Bächen übers Gesicht und verschleiern meine Sicht. Ich streiche ihr über den Kopf und flüstere ihr zu, dass alles wieder gut wird. Erst jetzt bemerke ich das Blatt Papier neben Reikas Kopf. Zitternd greife ich danach. Es ist beschrieben. Ich lese es und alles in mir verkrampft sich.


Nicht nur Hunde können lecken.

Hinter mir knarrt meine Zimmertür unheilvoll.

Impressum

Texte: by junipahh.queen
Bildmaterialien: Die Rechte Bildmaterialien liegen bei "Google Bilder"
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2012

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