Meine Nachbarn auf der anderen Seite des Gartenzauns sind sehr freundliche, kontaktliebende Menschen. Jedes Mal, wenn ich in meinem Garten an deren Zaunseite irgendetwas mache, kommt einer von ihnen heraus, schlendert vorbei als wäre es der pure Zufall und sagt: „Ach, hallo...“ Und dann meistens noch irgendetwas anderes, an dem ich erkennen kann, dass sie sehr bedacht darauf sind, den Kontakt zu mir zu suchen. Wie nett!
Angefangen hat alles kurz nach meinem Einzug vor sieben Jahren. Auf meinen Garten von einer Hausbreite-Länge und zehn Meter Tiefe kommen drei Meter vierundzwanzig Abzug an der Zehn-Meter-Seite aufgrund eines Erdwalls mit Hecke oben drauf und Streifen zwischen diesem Erdwall mit Hecke und dem Zaun der Nachbarn. Jenen Streifen fand ich, frisch eingezogen, ebenso frisch geharkt vor. Ein perfektes Stück Land für ein paar Wildblumen, dachte ich, und streute beschwingt meine gerade erworbene Wildblumenmischung aus. Kurze Zeit später keimten die ersten Pflänzchen und ich freute mich auf die baldige Blütenpracht. Ein paar Wochen später sah ich meine Nachbarin gebückt hinter der Hecke auf jenem Streifen herumlaufen.
Was sie denn auf meinem Grundstück tue.
Das Unkraut rausreißen.
Das Unkraut? Das ist kein Unkraut, das sind Blumen! Und wieso sie überhaupt auf meinem Grundstück so etwas mache.
Das hätte sie schon seit Jahren so gemacht.
Nun ja, dann jetzt aber bitte nicht mehr.
Damit war der erste freundschaftliche Handschlag getan. Der nächste, der alles besiegelte, kam ein paar Tage später. Jene Nachbarin stand wieder auf meiner Seite des Zaunes und pflanzte ein grünes Etwas. Ohne vorher gefragt oder wenigstens Bescheid gesagt zu haben. Grummelnd ging ich in den Garten und sprach sie darauf an.
Was sie da mache.
Zwei kleine Bäumchen pflanzen.
Auf meiner Grundstückseite.
Ja, und?
Ich habe mich in diesem Moment gefragt, worin eigentlich der Sinn eines Zaunes besteht. Vielleicht hätte ich besser sie fragen sollen.
Jedenfalls sind sie mir - ein Ehepaar mittleren Alters - seitdem sehr freundschaftlich gesinnt. Es muss so sein, denn jedes Mal, wenn ich fortan irgendetwas an der Hecke oder dem Streifen hinter dem Zaun mache, kommt jemand von ihnen heraus.
Ich harke das Laub - Ach, hallo, da kommt er heraus.
Ich schneide die Hecke - Ach, hallo, da kommt sie heraus. Es müsste doch mal wieder das Unkraut gezogen werden.
Ich rupfe das Unkraut - Ach, hallo, da kommt er heraus. Den Bodendecker könnte man doch eigentlich drin lassen.
Ich trage den Boden einen halben Spaten tief ab - Ach hallo, da kommt sie heraus. Sie hätte ja immer die Erde auf ihren Steinen, die sie täglich wegfegen müsste. Und was ich denn da mache?
Erde abtragen.
Aber dass ich auf keinen Fall die Wurzeln der Ahornbäume beschädige, die würden sonst umkippen.
Ach, hallo, denke ich mir, wenn die Bäume umkippen, weil ich einen halben spatentief Erde abtrage, dann ist wohl irgendetwas mit ihnen nicht in Ordnung, sonst würde ein strammer Baum nicht einfach umkippen.
Aber davon will sie nichts hören, denn ihre Gärtnerin hätte gesagt ... Und auf den Zaun soll ich auch aufpassen ... Und dass ich ja die Hecke nicht zu tief schneide, sie wollen ja einen Sichtschutz, schließlich stünde auf meiner Terasse immer der Wäscheständer, und sie dürfte mir ja nicht verbieten, die Wäsche auf der Terasse zu trocknen, aber sie schäme sich immer, wenn sie Besuch bekäme ...
Ach, hallo, sie haben mir immer viel zu erzählen, wenn ich draußen bin und im Abstand von drei Meter vierundzwanzig zum Zaun etwas mache.
Nun habe ich neulich beschlossen, einfach mal nichts zu tun, schließlich habe ich auch so genug Beschäftigung. Der Bodendecker ist lang, die Hecke auch - sollte also genau im Sinne meiner Nachbarn sein. Ich habe mich schon entspannt zurückgelehnt und mich über die zwei Bäume gefreut - eine Birke und eine Eiche - die inzwischen jeweils links und rechts an der Ecke des Gartens stehen. Ich mag sie. Sie eignen sich hervorragend, um zwischen ihnen ein Seil zu spannen, an dem ich Lichterketten aufhängen kann. Denn, ich gebe es zu, ich war so mutig, im Spätsommer ein Grillfest mit Freunden zu organisieren. Dafür brauchte es jedoch noch einen Platz, an dem ich eine Lichterkette aufhängen konnte, ohne dass angetrunkene Gäste dran kommen konnten. Und zwischen den Bäumen, 30cm über der Hecke, schien mir ideal. Ach, war das schön, das Fest. Und ach, hallo, standen da auch schon wieder die Nachbarn. Also um die Bäume machten sie sich Sorgen. Die würden sehr hoch werden. Und wenn sie älter als fünf Jahre alt würden, dürfte man sie ja nicht mehr fällen.
Oh, gut, dass ihr mir das sagt, antwortete ich, dann lass ich sie auf jeden Fall stehen, schließlich will ich ja keinen Ärger mit dem Gesetz. Die Eiche ist über sieben Jahre alt, die stand da schon bei meinem Einzug. Und die Birke ist fünf. Ein Jahr älter als mein Collie. Das weiß ich noch so genau, weil ...
Aber neulich, da habe ich ihn einfach nicht verstanden. Ich war gerade dabei, neben den Zaun der Nachbarn, auf meiner Grundstücksseite, einen Pfosten senkrecht in die Erde zu schlagen, um einen Zaun zur Straße aufzustellen, damit die Hunde, die inzwischen herausgefunden hatten, wie sie doch durch die Hecke kommen können, nicht einfach so auf die Straße springen. Da kam er wutentbrannt aus seinem Haus herausgelaufen und brüllte: „Was machst du da auf uns'rem Grundstück!?“
„Auf eurem Grundstück?“
„Was machst du auf uns'rem Grundstück!?“
Ich habe ihm erklärt, dass ich auf der anderen Seite des Zaunes stehe und einen Pfosten senkrecht in die Erde schlage, um meinerseits einen Zaun aufzustellen.
„Wenn etwas am Boden kaputt geht, bekommst du Ärger, das sag ich dir!“
Ich habe ihn gefragt, was er befürchtet, wo ich doch einen Pfosten senkrecht in die Erde schlage, also seinen Zaun kein bisschen tangiere.
„Wenn etwas am Boden kaputt geht, bekommst du Ärger, und du ganz besonders!“
Vielleicht hätte ich ihn doch nach dem Sinn eines Zaunes fragen sollen.
Texte: June F. Duncan
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2019
Alle Rechte vorbehalten