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Und wann ist dein Termin?

„Mein Gott, sieh dir mal diesen Schwuli da an.“
„Was meinst du?“ Ich hebe mehr oder weniger desinteressiert meinen Blick von der Zutatenliste der Pommes. Dass die bei einem so einfachen Gericht, wo eigentlich nichts weiter als Kartoffeln und Öl drin zu sein hat, auch noch immer allen möglichen anderen Mist hineintun müssen.
„Na, den Typen dahinten in dem rosa Hemd.“
„Ist doch chic.“ Ein modebewusster Mann, der zu seiner femininen Seite steht. Außerdem selbstbewusst. Ich weiß gar nicht, wieso Philipp das immer wieder aufregt.
„Chic? Das ist total schwul.“
„Na und, hast du Angst, dass er dich vergewaltigt, oder was?“ Ich schüttele den Kopf und lege die Pommes zurück in die Tiefkühltruhe. Zu viel Müll drin.
Philipp knirscht mit den Zähnen. „Stehst du etwa auf solche Typen?“
Ich weiß nicht, wieso er jetzt damit anfängt, aber bitte, wenn’s sein muss. Ich mustere den Kerl ausführlich von oben bis unten.
„Hör auf damit, das ist ja peinlich.“
„Wieso? Du hast mich gefragt...“
„Ist mir egal.“ Philipp presst die Lippen aufeinander und schiebt eilig den Einkaufswagen weiter.
„Wir haben übrigens eine neue Nachbarin“, sagt er, als er vor dem Klopapier zum Halten kommt.
Neue Nachbarin? „Seit wann?“
„Zwei Wochen.“
„Seit zwei Wochen schon? Und das erzählst du mir erst jetzt?“ Immerhin haben wir während meines 3-wöchigen USA-Aufenthalts täglich telefoniert.
„Ist doch nicht so wichtig.“
„Ist sie hübsch?“
„Ach nee, die hat ganz dürre Stelzen... Und übrigens auch einen Sohn und einen Hund.“
Der Hund ist mir sympathisch, der Sohn und die schlanken Beine weniger.
„Habt ihr euch gut verstanden?“
„Ja, der Sohn ist witzig, noch sehr klein, vielleicht Kindergartenalter...“
„Nein, ich meine, du und die Nachbarin.“ Himmel, was interessiert mich denn ein schreiendes Kleinkind, wenn ich daran denken muss, meinen Rattenpfleger zu behalten – es gibt nicht so viele Männer, die derartige Haustiere tolerieren.
„Wir haben nicht so viel geredet, haben ja die Sachen getragen, aber ihr Sohn ist...“
„Welche Sachen habt ihr getragen?“
„Na ihre, beim Umzug. Ich habe ihr geholfen.“
Klasse, ich kombiniere: Neue Nachbarin mit sexy Beinen und mein Freund hilft ihr so ganz selbstverständlich beim Umzug, während er sich sonst sonstwie anstellt, wenn ich ihn mal dazu auffordere, das Klo zu putzen.
Ich kann sie jetzt schon nicht ausstehen.

Wir kaufen noch schnell die letzten Sachen, dann fahren wir nach Hause. Ich schleppe den Einkaufskorb bis zur Wohnungstür, bücke mich, um meine Schuhe auszuziehen, da höre ich Philipp hinter meinem Rücken enthusiastisch rufen:
„Hallo Julia.“
Der Enthusiasmus in seiner Stimme gefällt mir nicht. Der sollte mir gelten und nicht irgendeiner Tusse. Das Einzige, was ich verzeihen würde, ist, wenn er einen Hund so begrüßt.
„Kennst du Ellen schon?“
Unwahrscheinlich, dass es sich um einen Hund handelt.
Genervt richte ich mich auf und drehe mich um.
Kein Hund. Eine Frau.
Sie schüttelt den Kopf – „Nein“. Ich schüttele den Kopf.
Wir sagen „hallo“.
Sie streckt mir ihre Hand entgegen.
„Die Kinder waren ein bisschen laut eben...“
Na, das konnte ja heiter werden.
„Ach, das macht doch nichts“, sagt Philipp.
Das macht doch nichts? Sagt mein Philipp, der sich normalerweise gerne darüber aufregt, wenn ich Pink mal etwas übertune?
„So sind Kinder halt.“ Er lacht, lacht sie an. „Da ist endlich mal Leben in der Bude.“
Sie lächelt zurück.
Na prima. Mein Freund flirtet mit meiner Nachbarin, die natürlich keine Stelzen, sondern attraktive lange Beine hat. Ich beschließe, dass ich mir das nicht länger antun muss und verfrachte mich und den Einkaufskorb in die Küche.
„Ach, so ein süßer Jonas.“
Ich hole die Tiefkühlsachen aus dem Korb.
„Nein, das kannst du schon?!“
Hackfleisch einfrieren oder in den Kühlschrank?
„Wow, und das auch...?!“
Himmel, wie soll man bei dem Gesülze da draußen eine vernünftige Entscheidung treffen!
„Na klar, will ich dein Kinderzimmer mal sehen.“
Für einige Minuten wird es draußen auf dem Flur still.
Gott sei dank.
Gott sei dank? Was macht Philipp bei meiner Nachbarin in der Wohnung?
Energisch schrubbe ich die Paprika und die Gurke.
Wehe, wenn der nicht sofort zurück kommt...
„Ich muss mal Ellen helfen, den Einkauf auszuräumen“, höre ich ihn einige Minuten später sagen.
Glück gehabt.
„Ist Jonas nicht süß?“ Mein Freund steht neben mir und räumt das geschrubbte Gemüse in den Kühlschrank.
„Wer ist Jonas?“
„Julias Sohn. Der stand doch schon fast bei uns in der Tür.“
„In unserer Tür? Hab’ ich nicht gesehen.“ Hatte ich wirklich nicht gesehen. Möglicherweise hätte ich ihn gesehen, wenn er ein Hund gewesen wäre, aber was interessierten mich Kinder...
Eine Weile räumen wir schweigend ein, dann sagt Philipp:
„Stell dir mal vor, wie süß der erst wäre, wenn es ein kleiner Philipp oder eine kleine Ellen wäre...“
Wenn der was?
Das kann ich mir nicht vorstellen.
„Ich meine, hast du noch nie darüber nachgedacht, Kinder zu bekommen?“
Ehrlich gesagt: nein. Da ich aber sowieso davon ausgehe, dass Philipp nur deswegen so durchdreht, weil draußen die erste Frühlingssonne scheint und weil er sich in diese Julia verknallt hat, beantworte ich diese Frage einfach gar nicht. Wird sich schon irgendwann beruhigen.

Dummerweise irre ich mich. Bis zum Abend und selbst, als wir im Bett liegen, enthält jeder zweite Satz von Philipp entweder das Wort „Jonas“, „Kind“, „Philippchen“, „Ellenchen“ oder „Kleiner“ (damit ist wieder dieser krabbelnde, sabbernde, schreiende Zweibeiner gemeint). Als er mich am nächsten Morgen mit „Wollen wir nicht vielleicht noch schnell ein Kind machen?“ begrüßt, knallt bei mir die Sicherung durch.
„Nein, Süßer, das wollen wir nicht, weil ich nämlich schon schwanger bin.“
Ihm bleibt der Mund offen stehen.
Hurra! Jetzt wird sich gleich zeigen, dass er sich in Wirklichkeit bloß in diese Tussie verguckt hat.
„Wie das denn?“, stammelt er.
„Na, das muss ich dir ja wohl nicht mehr erklären, oder?“ Tadelnd schiebe ich die Decke zur Seite und stolziere ins Bad.
„Aber du nimmst doch die Pille?“, ruft er mir hinterher.
„Tja“, ich zucke mit den Schultern, „da hat sich wohl die Zeitumstellung schlecht auf die Pille ausgewirkt. Oder ich habe sie mal vergessen. Soll vorkommen.“
Bevor er noch lange mit mir diskutieren kann, schließe ich die Tür hinter mir und mache mich fertig. Jetzt ist hoffentlich endlich Schluss mit dem Kindergebrabbel.
„Das muss ich erst einmal verdauen“, sagt er, als ich wieder aus dem Bad komme und in meine Klamotten schlüpfe.
„Tu das.“ Dann verlasse ich die Wohnung.
Jetzt wollen wir ja mal sehen, ob er immer noch mit der Julia im Flur steht und über Kinder, Kinder, Kinder sülzt.
Ich schließe meinen Ford KA auf und setze mich hinters Lenkrad.
Wieso muss dieser Idiot es eigentlich erst einmal verdauen, wenn ich ihm sage, dass ich schwanger bin? Er sollte sich freuen, ihm sollten Tränen in die Augen steigen, schließlich ist er mein Freund, er liebt mich doch...
Falsch – er liebt Julia.
Wütend knalle ich die Autotür zu, lasse den Motor an und fahre mit quietschenden Reifen vom Hof.
So ein Mistkerl! Na warte, dir werd’ ich’s zeigen.
Ich werde alle deine Klamotten aus den Schränken werfen, dann siehst du gleich, wenn du nach Hause kommst, dass du hier nicht mehr geduldet bist.
Schön.
Allerdings auch sehr offensichtlich und platt.
Ich brauche etwas Dezenteres, etwas Feineres, etwas, das er mir nicht wirklich anhängen kann, etwas, das quasi aus Liebe zu ihm passiert ist...
Ich hab’s! Seine heißgeliebten weißen Hemden.

Gutgelaunt verbringe ich meinen Arbeitstag, ehe ich Abends noch schnell ein billiges rotes Umstandsnachthemd kaufe. Entspannt sitze ich auf der Couch, die Waschmaschine hat ihre 60 Grad-Wäsche längst beendet, als Philipp von der Spätschicht nach Hause kommt.
„Hallo Schatz, wie geht’s dir?“
Na, was meinst du wohl, wie es einer Scheinschwangeren geht, die gerade von ihrem Mann versetzt worden ist?
„Gut, gut“, sage ich stattdessen betont gleichgültig. „Ich habe mir schon einen Beratungstermin bei ProFamilia und meiner Frauenärztin geben lassen, damit die Abtreibung so schnell wie möglich über die Bühne gehen kann. Ich werde einfach ein paar Überstunden abfeiern und dann...“
„Du willst abtreiben?“ Entgeistert starrt Philipp mich an.
„Na ja, Süßer, was denkst du denn? Dass ich meine Karriere, meine Zukunft, mein ganzes Leben wegen einer plärrenden Göre hinwerfe?“ Ich gucke ihn von unten herauf an und schüttele den Kopf.
Plötzlich sackt er zusammen.
„Und ich...“, stammelt er, während er in einer Tüte kramt, die neben ihm auf dem Fußboden steht, „.. ich war extra heute morgen schon mal einkaufen...“ Er legt ein paar Dinge auf den Tisch: Schnuller, Babyflasche, Teddybär, Lätzchen, Socken, Bücher. „Es tut mir echt leid, das mit heute morgen. Ich hab’s nicht so gemeint, ich war nur so überrascht, ich ...“
„Und jetzt denkst du dir, bringe ich der Alten mal ein paar Babysachen mit und dann wird die schon umschwenken und Hausfrau werden?“ So langsam werde ich richtig wütend.
„Nein“, er grinst schief, „dafür kenne ich die Alte zu gut.“ Er schiebt mir die Bücher rüber.
‚Vater werden leicht gemacht’, ‚Vom Geldverdiener zum Hausmann – so werden Sie der perfekte Homecoach.’, ‚Kindererziehung für Männer in 10 Schritten’, ‚Das isst mein Kind – Kochtipps für werdende Väter’.
Egal, das überzeugt mich nicht. Schulterzuckend pule ich einen Schokoladenosterhasen aus seinem Papier und beiße ihm den Kopf ab.
„Ich habe heute mit meinem Chef gesprochen. Darum bin auch etwas später dran...“
Tatsächlich? Ist mir gar nicht aufgefallen. Nun ja, ich hatte mich ja auch mit dem Wäscheaufhängen im Keller beschäftigt.
„Ich habe ihm gesagt, dass wir Nachwuchs erwarten und dass ich drei Jahre in Elternzeit gehen möchte und danach in Teilzeit. Er sagte, das sieht nicht so gut aus, aber wird gucken, was er machen kann. Ich habe ihm aber gleich gesagt“, Philipp nestelt an einem Schnuller herum, „dass es für mich nicht in Frage kommt, auf die drei Jahre zu verzichten oder die Teilzeit danach aufzustocken, weil ich die Hauptbetreuung des Kindes übernehmen werde. Ich meine“, er zuckt die Schultern, „ich kenn’ dich ja. Du würdest eher sterben, als deinen Job aufzugeben.“
Das ist wahr. Was kann ich dafür, dass ich offensichtlich mit dem falschen Geschlecht geboren worden bin.
„Und was hat dein Chef daraufhin gesagt?“, hake ich nach, bevor ich den Rest des Schokohasens ganz in meinen Mund schiebe.
„Er sagte, ich müsse dann mit dem Schlimmsten rechnen – Arbeitsplatzverlust.“
„Und?“ Möglichst desinteressiert fingere ich den nächsten Hasen aus dem Nest.
Philipp zuckt mit den Schultern. „Ich habe ihm gesagt, dass im Zweifelsfall meine Familie vorgeht, und dass du dich nie und nimmer darauf einlassen würdest, deinen Job zu kürzen. Also würde ich das machen. Ende.“
Ende? Kein: ‚Naja, wenn das so ist, dann wird bestimmt meine Lebensgefährtin auf Teilzeit runtergehen, das kriegen wir schon hin’ - Geschwafel?
Also entweder kann Philipp plötzlich gut schauspielern, oder bei ihm sind sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Weiß er überhaupt, was auf ihn zukommt?
„Ich muss noch Wäsche waschen heute, hab’ kein weißes Hemd mehr im Schrank gefunden.“
Ach ja, das kommt ja auch noch auf ihn zu. Vor meinem inneren Auge sehe ich eine Reihe ordentlich auf der Leine im Wäschekeller aufgehängter Hemden in einem dezenten Rosa.
„Das habe ich schon getan“, säusel ich sanft. „Hängen im Keller.“
„Echt? Das ist ja nett. Und ich dachte, du wärest jetzt sauer auf mich... Ehrlich gesagt, hatte ich schon befürchtet, wenn ich heute nach Hause komme, alle meine Sachen auf dem Fußboden und die Koffer gepackt zu finden... Aber so ist es natürlich viel besser.“ Er kommt strahlend auf mich zu und drückt mich.
Natürlich, so ist es viel besser.
Als er fünf Minuten später mit leichenblassem Gesicht wieder vor mir steht, weiß ich, dass er im Keller gewesen ist.
„Sie sind alle rosa“, stammelt er. „Du hast dein neues Nachthemd mitgewaschen.“
„Oh nein!“ Ich reiße gespielt erschrocken die Augen auf. „Oh, Philipp, das tut mir leid, das war keine Absicht...“
„Ist schon gut...“ Dann schleicht er in sein Zimmer.
Den Rest des Abends verbringen wir schweigend und auch die Nacht verläuft tonlos. Als er sich am nächsten Morgen fertig macht, sehe ich ihn in einem blauen Barcadibeach-T-Shirt rumlaufen. Philipp hasst Freizeitkleidung auf der Arbeit.
Und ich hasse Männer, die fremdgucken und nicht zu einer schwangeren Frau stehen. Pech gehabt.

„Da ist wohl was mit deiner Wäsche falsch gelaufen...“, sagt Julia, als ich am nächsten Abend zur Tür hereinkomme.
„Oh nein, das war Philipp“, winke ich ab. „Der hat zum ersten Mal selbst gewaschen. Du weißt ja, wie Männer sind, der wollte sich das auch nicht ausreden lassen. Ich musste echt darum kämpfen, dass er nicht auch noch meine Wäsche mitwäscht.“ Betont lässig schlendere ich auf meine Wohnungstür zu.
„Du bist schwanger?“ Julia lächelt mich an. „Ich habe das Umstandsnachthemd gesehen.“
Nein.
„Ja, und ich hatte ja so ein schlechtes Gewissen wegen Philipp...“, trällere ich scheinheilig. „Ich meine, er ist im Grunde ja ein ganz lieber Kerl, ein Tollpatsch, aber doch ein lieber. Nur weißt du, wenn sich ein Mann bloß einmal die Woche wäscht und genauso lange die gleiche Unterhose anlässt... ach, darauf hatte ich einfach keine Lust mehr. Und dann diese Fürze – ich meine, jede Nacht dasselbe Problem und wir schlafen schon bei offenem Fenster... Na, jedenfalls habe ich mit nem anderen rumgemacht und jetzt wusste ich nicht, wie ich’s Philipp sagen soll, aber da ihr zwei euch ja so gut versteht, ist nun ja alles gut. Weißt du, er hat sich schon Babybücher gekauft, er will nämlich mindestens noch sieben weitere, er hat da so einen Wettstreit mit seinem Bruder laufen... Ich weiß zwar nicht, ob ich ihn die Betreuung meines Kindes überlassen würde, so oft wie er vergisst, den Herd auszustellen, aber na ja, Menschen sollen sich ändern.“ Unschuldig lächle ich sie an.
„Oh, das tut mir leid für dich.“ Julia nimmt ihre Wäschekorb in den anderen Arm. „Ich war auch mal mit so jemandem zusammen. Allerdings habe ich ihn ziemlich schnell abgesägt, das geht gar nicht.“ Sie lächelt. „Schwanger geworden bin ich glücklicherweise von Sven. Er war ein guter Mensch.“ Für einen kurzen Moment legt sich ein Schatten über ihre Augen. „Vor drei Monaten ist er bei einem Autounfall gestorben. Ein alkoholisierter Fahrer ist ihm frontal reingefahren. Er hat mir zum Glück eine Lebensversicherung hinterlassen, sonst wäre das hier – sie zeigt auf ihre Wohnung – gar nicht möglich.“
Ich nicke. Fast tut sie mir leid.
„Falls du Hilfe brauchst mit deinem Kind – sag Bescheid. Ich weiß, wie schwer das sein kann, alleine zurecht zu kommen.“ Sie schließt ihre Wohnungstür auf. „Und von deinem Philipp will ich nichts. Ich hab schon nen Neuen – letzte Woche kennengelernt in der Disco.“ Sie zwinkert mir zu, ehe sie in ihrer Wohnung verschwindet.
Jetzt bin ich fast ein bisschen bedröppelt, aber wer weiß schon, ob das wahr ist, was sie erzählt. Wahrscheinlich will sie mich nur in Sicherheit wiegen...
Missmutig betrete ich unsere Wohnung.
„Hi, wie geht’s?“
„Philipp?“ Wo kommt der denn auf einmal her?
„Ja, immer noch.“ Er grinst mich an und umarmt mich.
„Warum bist du schon hier?“ Ich löse mich von ihm.
„Hab nen Kollegen gefunden, der für mich einspringt. Max. Hat selber vier Kinder, sagt, das sei jetzt wichtig, selbst wenn du dich nicht um die Kinder kümmern wirst, dass ich dich mit einbeziehe und dass wir gemeinsam shoppen gehen und so. Ich dachte, wir könnten heute mal in den Baumarkt fahren und schon mal nach einem Bett und einem Wickeltisch gucken...“
„Wenn du dich um das Kind kümmerst, dann kannst du ja auch ganz oft mit Julia zusammen die Kinder betreuen“, sage ich.
Philipp guckt mich verdutzt an.
„Na, ich meine, wenn ihr dann beide Kinder habt...“
„Ach so. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber du hast Recht, das ist eine gute Idee.“ Philipps Miene hellt sich auf. „Wenn ich mir andere Mütter und Väter suche zum gegenseitigen Babysitten, können wir zwei auch noch mal zusammen ausgehen oder andere schöne Dinge machen“, sagt er und grinst anzüglich.
Bin ich im falschen Film? Meint der das etwa tatsächlich ernst? Will er sich tatsächlich zu hundert Prozent auf ein Kind einstellen – ohne Rücksicht auf seine Karriere und ohne ein Interesse an anderen Frauen?
Ich hake lieber nach. „Du weißt, was auf dich zukommt? Ein 24-Stundenjob, Kinderärzte, Elternabende, kein freies Wochenende mehr, keinen freien Abend mehr, vollgeschissenen Windeln und“, ich mache eine kurze Pause, „vollgekotzte Hemden?“
Philipp grinst schief. „Du machst es mir ja richtig schmackhaft.“
„Ich sage dir nur, wie es ist.“
Eine Weile schweigen wir uns an, dann sagt Philipp:
„Ja, vermutlich kommt es sogar noch schlimmer. Aber zigtausend Mütter haben es vor mir auch geschafft. Also lass uns einkaufen jetzt.“
Das sieht nicht gut aus. Das sieht ernst aus.
Irgendwie muss ich ihm sagen, dass ich nicht schwanger bin, aber ich weiß nicht wie.
Vielleicht kann ich ihm später sagen, ich hätte das Kind verloren. Immerhin verliert jede zweite Frau ihr Baby bis zum dritten Monat.
Das ist gut, das mache ich.
Und jetzt?
Jetzt halte ich ihn erst einmal davon ab, Geld für Dinge auszugeben, die wir eh nicht brauchen werden.
„Das können wir auch morgen noch“, sage ich und greife ihm beherzt in den Schritt.
Philipp stöhnt leise auf und zu zweit stolpern wir Richtung Bett. Seit langem haben wir mal wieder richtig guten Sex, leidenschaftlich und sinnlich. Zufrieden räkel ich mich nachher unter der Decke und greife nach der Pillenpackung am Kopfende des Bettes, um sie unbemerkt einzunehmen, während er auf der Toilette ist. Doch da ist sie nicht.
„Philipp, hast du meine Pille gesehen?“, frage ich ihn, als er wieder zu mir ins Bett krabbelt.
„Aber Schatz“, sagt er und kuschelt sich an mich, „die habe ich weggeworfen, die brauchst du doch jetzt nicht mehr.“

 

 

Impressum

Texte: June F. Duncan
Bildmaterialien: Cover: H.-J. Spindler / PIXELIO, www.pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2013

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