Cover

Die Geschichte

Ich mochte keine Firmenveranstaltungen, aber ich wurde persönlich mit einem Schreiben von der Geschäftsleitung eingeladen. Mehrmals hatte ich mich umgezogen, bis ich das richtige Outfit gefunden hatte. Ein letzter Blick in den Spiegel, bevor ich zufrieden war. Zumindest halbwegs. Aber niemand würde mich auch wirklich beachten. Mein Aussehen war eher durchschnittlich. Deshalb hatte ich auch schon seit längerer Zeit keinen Freund mehr. Natürlich hätte ich gerne einen, aber was nicht war, war eben nicht. Ein letztes Mal überprüfte ich meine Handtasche, bevor ich nach unten zu meinem bereits wartenden Taxi ging. Ich nannte dem Fahrer die Adresse und versuchte während der Fahrt ganz ruhig zu bleiben. Etliche Klienten und Firmenbosse würden heute Abend mir über den Weg laufen. Ein paar von ihnen kannte ich, aber diese waren mir alle zu wider. Wenigstens würde ich heute die neue Geschäftsleitung kennenlernen. Diese hatte das Unternehmen erst vor zwei Wochen übernommen und niemand kannte die neuen Chefs persönlich. Dies würde sich heute ändern und ich war mehr als nur nervös. Das Taxi fuhr mit mir quer durch die Stadt, bevor es an einem riesigen Haus anhielt. Es gab sogar einen Parkservice. Die oder der neue Boss besaß anscheinend viel Geld. Die Tür wurde geöffnet, während ich dem Fahrer das Geld für die Fahrt bezahlte.

„Danke.“

Er nickte lächelnd und ich stieg aus. Es waren schon ziemlich viele Gäste da. Noch war ich aber nicht zu spät. Das Fest würde erst in einer viertel Stunde anfangen.

„Mit ihrer Einladung bitte zum Eingang.“

Lächelnd nickte ich und stellte mich in der Schlange an. Lange war sie nicht, aber ich fühlte mich von Sekunde zu Sekunde unwohler. Diese vielen Gäste, dieses riesige Haus und diesen Prunk, war ich einfach nicht gewohnt. Ich lebte ein bescheidenes Leben und mochte es auch. Leute, welche hier wohnten, besaßen zwar viel Geld, aber waren sie auch wirklich glücklich? Endlich war ich an der Reihe und reichte einem der Diener, oder was immer er war, meine Einladung.

„Ah, sie gehören zur Belegschaft. Quer durch den Saal bis zu Tisch fünf.“

Jetzt konnte ich mir nicht einmal den Platz aussuchen. Ich bedankte mich und machte schnell für die nächsten Platz. Ich betrat einen langen Flur, der hell erleuchtet war. Überall standen mir fremde Menschen herum, welche sich unterhielten oder etwas tranken. Etwas ängstlich ging ich weiter, bis ich zu dem riesigen Saal kam. Darin befanden sich noch mehr Leute. Überall waren Tische aufgestellt worden und Kellner liefen mit Getränken und kleinen Kanapees herum. Viel zu protzig für meinen Geschmack. Ein Empfang bei der Königin konnte nicht anders ablaufen. Ich erblickte eine längliche Bar, welche schlecht besucht war. Sofort steuerte ich darauf zu. Der Kellner lächelte mich aufmunternd an, als ich mich auf einen der vielen Hocker setzt.

„Wodka Tonic?“

Er nickte und kurze Zeit später, stand ein Glas vor mir. Ich trank schnell in kleinen Schlucken, doch der Alkohol erwärmte mich und nahm mir ein klein wenig meine Anspannung. Ich blickte mich nach bekannten Gesichtern um, konnte aber keine finden. Hoffentlich würde ich nicht alleine bleiben oder Tischnachbarn haben, welche ich nicht leiden konnte.

 

---------------------------------

 

Ich wäre heute gerne wo anders gewesen, als auf diesem Fest. So viele Hände hatte ich mittlerweile geschüttelt und mit noch mehr gesprochen. Ich hasste die Veranstaltungen meines Vaters, musste aber trotzdem anwesend sein, als Juniorchef. Das war nicht meine Welt, aber mein Vater wollte das einfach nicht verstehen. Geschäfte und Geld gut und schön, doch das war nicht das Einzige im Leben. Meine Mutter stolzierte neben meinem Vater herum und versuchte wie immer nur gut auszusehen und zu lächeln. Nichts anderes als ein Vorzeigemodell war sie an seiner Seite. Sollte ich jemals eine Frau haben, würde diese nicht nur eine Marionette sein. Sie sollte stark sein, selbstbewusst und sollte sich auch für das interessieren, was ich tat oder mochte. Genau so würde ich mich für ihre Vorlieben interessieren oder das, was sie gerne tat. Aber wo fand man so eine Frau? Alle hier in diesem Raum oder auch auf der Straße, waren alle gleich. Zumindest sobald sie seinen Namen erfuhren. Dann entpuppten sie sich alle als machthungrig und geldgierig. Selbst wenn ich ihnen meinen Nachnamen nicht gleich sagte, kamen sie irgendwann selbst drauf und dann wurde die Beziehung anstrengend. Wenn man das denn überhaupt Beziehung nennen konnte. Auch jetzt wieder himmelten mich wieder etliche Frauen an. Sie tuschelten und kicherten, währen sie an mir vorbei gingen oder mich nur flüchtig ansahen. Das war richtig widerlich. Nur eine kurze Weile stand ich in der Ecke, bevor ich die Bar ansteuerte. Ohne Alkohol würde ich diesen Tag nicht überleben können. Deshalb bestellte ich mir einen Scotch und ein Bier und setzte mich gelangweilt an den Tresen. Ich wollte gar nicht sehen, wer sich in dem Raum befand. Am liebsten wäre ich gegangen und hätte mir einen gemütlichen Abend in meinem Zimmer vor dem Fernseher gemacht.

Sie sehen auch nicht gerade glücklich aus hier.“

Vorsichtig blickte ich zur Seite. Die Frau neben mir an der Bar war mir vorher gar nicht aufgefallen. Sie bestellte sich ein frische Glas zum Trinken, sah mich aber nicht an. Sie trug ein dunkelblaues Kleid und ihre braunen Haare waren offen und leicht gelockt. Ihre Figur war nicht zu dürr und sie besaß genau die richtigen Proportionen. Zumindest zeigte sie nicht all zu viel Dekolletee.

Sie haben ja keine Ahnung.“

Ich stürzte meinen Scotch hinunter und trank einen kräftigen Schluck von meinem Bier. Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie wieder umdrehte und ihren Blick suchend durch den Saal schweifen ließ.

Suchen sie jemanden?“

Sie zuckte mit den Schultern und nippte an ihrem vollen Glas.

Ich suche nach bekannten Gesichtern. Ist aber nicht so leicht.“

Ihre ganze Haltung auch die Art wie sie sprach, schien sie nicht aus der gehobenen Gesellschaft zu kommen. Wer war sie und wieso war sie hier?

Nach wem suchen sie denn? Vielleicht kann ich ihnen helfen.“

Ich drehte mich um und folgte ihrem Blick. Sofort fielen mir ein paar Gruppen von Frauen auf, welche sehnsüchtig in meine Richtung blickten. Ich ließ sie außer acht und griff wieder nach meinem Glas.

Arbeitskollegen.“

Plötzlich sprang sie auf.

Und schon gefunden.“

Mit schnellen Schritten eilte sie davon. Ich blickte ihr überrascht hinterher. Sie schien wirklich keine Ahnung zu haben, wer ich bin. Sie ging elegant, trotz der Eile, doch sie schien nicht aus gehobenen Hause zu kommen. Sie ging zu zwei Männern und einer Frau, welche zusammenstanden und begrüßte diese mit einer Umarmung. Sie strahlte regelrecht, als sie lächelte und erleichtert tief Luft holte. Ich kam nicht herum, sie einige Zeit zu beobachten, bevor sie von der Menge verschluckt wurde. Eine normale und unscheinbare Frau, wie es schien. Zu wem gehörte sie? Die sogenannten Arbeitskollegen kannte ich nicht. Aber eigentlich war es egal. Sobald sie wusste wer ich war, würde sie mutieren wie die anderen. Schnell drehte ich mich wieder um, bestellte mir ein neues Glas Bier und verließ meinen Platz an der Bar, als eine Gruppe von Frauen sich mir näherte.

 

 

 

Der Mann am Tresen hatte genau so verzweifelt und mürrisch ausgesehen wie ich. Ich kam einfach nicht herum, ihn anzusprechen. Es war verwunderlich, dass er mir überhaupt eine Antwort gegeben hatte. Zum Glück hatte ich Sophia, Ben und Jack gesehen. Wäre ich länger an der Bar festgesessen, hätte ich wahrscheinlich mich noch weiter mit diesem Mann unterhalten müssen. Und das war mir peinlich, denn er sah verdammt gut aus. Mir waren die Blicke der Frauen nicht entgangen, welche ihn unentwegt angehimmelt hatten. Schwarze Haare, schlanker Körper und einen Kopf größer als ich selbst. Er schien der Sohn eines reichen Mannes zu sein. Ein Lebemann und jemand, der sich nahm, was immer er wollte. Kein Kaliber für mich. Zum Glück saßen meine Arbeitskollegen an meinem Tisch. Die restlichen kannte ich nicht, doch wir stellten uns vor und schüttelten unsere Hände, als wir uns setzten. Wenigstens hatte ich jetzt doch jemanden getroffen und mit dem ich mich normal unterhalten konnte. Diese ganzen reichen Schnösel und Geschäftsleute, gingen mir schon ein wenig auf die Nerven. Nicht umsonst mochte ich solche Feiern nicht. Nicht einmal auf die Weihnachtsfeier ging ich, weil mir das ganze drum herum einfach auf die Nerven ging. Ich war keine Frau, welche gerne auf solche Veranstaltungen ging und sich präsentierte. Wozu auch? Niemand würde mich wirklich beachten von diesen Leuten. Nachdem alle saßen, folgten die Reden. Uns wurden die neuen Eigentümer von den alten vorgestellt. Es wurde erzählt, was sich ändern würde und was nicht und nach gefühlten Stunden, wurde endlich das Essen serviert. Leise Musik erklang im Raum und alle waren mit dem Essen beschäftigt. Sobald wir fertig waren mir dem Essen, wollte ich noch einmal mit meinem alten Chef sprechen. Ich mochte ihn sehr gerne und ich verdankte ihm sehr viel. Angeregt unterhielt ich mich mit meinen Tischnachbarn. Mir wurde auch klar, wer noch bei uns saß. Weitere Angestellte, welche aus der alten Firma des neuen Boss in unsere wechseln würden. Als ich das hörte, lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. Wer von uns würde gehen müssen, damit sie einen Posten übernehmen würden können? Ben war derjenige, der diese Frage nicht zurückhalten konnte und die anderen vier Personen mehr als genau musterte. Sie warfen ihm einen vorsichtigen Blick zu und zuckten mit den Schultern.

„Davon wissen wir nichts. Wir fangen erst in zwei Wochen an. Wo, wissen wir selbst noch nicht.“

Er schnaubte und stopfte sich ein Brötchen in den Mund. Sophia neben mir saß nun kerzengerade und holte tief Luft.

„Ihr könnt nichts dafür, aber ich finde es eine Frechheit auf diese Weise zu erfahren, dass Leute eingestellt werden, obwohl alle Posten besetzt sind. Das heißt doch ganz klar, dass jemand von uns gehen muss. Das hätte unser neuer Boss auch in seiner Rede sagen können.“

Beruhigend legte ich ihr eine Hand auf die Schulter.

 

„Vielleicht muss ja niemand gehen. Was, wenn die Abteilungen nur vergrößert werden?“

Sophia warf mir einen kurzen Blick zu und schüttelte den Kopf.

„So ausgelastet sind unsere Abteilungen auch nicht. Das bedeutet, dass noch mehr von uns hinausgeworfen werden. Mach dich bereit und packe schon mal deine wichtigsten Sachen zusammen. Ich habe das schon einmal erlebt. Die Arbeitslosigkeit kommt schleichend und langsam, aber sie kommt.“

Sophia befand sich in mittleren Jahren und verschränkte nur frustriert die Hände vor ihrer Brust und lehnte sich zurück. Würde es wirklich so schlimm werden? Würden wirklich etliche gekündigt werden, damit der neue Chef seine Leute in der Firma unterbringen konnte? Ich blickte zu den abseits stehenden Tischen hinüber, wo die gehobene Gesellschaft saß. Die Leute an den Tischen unterhielten sich angeregt, lachten und schienen sich gut zu verstehen. Ich konnte das nicht glauben. Bisher war ich immer eine gute Sekretärin gewesen und hatte mir nichts zu Schulden kommen lassen. Auch Sophia, Ben und Jack, waren gut in ihrem Job. Solche Leute würde man doch nicht so einfach kündigen. Oder doch? Jetzt war ich mir auch nicht mehr sicher und blickte auf meinen halb leer gegessenen Teller. Ich schob ihn zur Seite und griff nach meinem Glas. Diese Einladung war anscheinen nur an Affront gewesen, denn wir waren die einzigen der Belegschaft, welche hier waren. Wo waren die anderen? Chefsekretärin und Co? Hatte man sie schon hinter unserem Rücken schon gekündigt und die an ihrem Tisch sitzenden, würden ihre Posten übernehmen?

„Das ist doch mehr als nur merkwürdig. Habt ihr noch andere aus unserer Firma hier gesehen? Ich nicht. Und ich gehöre zur Poststelle und bin hier. Ich glaube ich werde nach dem Essen von hier verschwinden. Dieses Gehabe geht mir schön langsam auf die Nerven. Wenn sie uns kündigen wollen, dann sollen sie es einfach tun.“

Jack stellte sein Teller lautstark zur Seite und verzog grimmig sein Gesicht. Jack stand kurz vor der Pensionierung und Ben war auch mittleren Alters. Waren sie nur hier, weil man sie verabschieden wollte? War das ihr Abschiedsgeschenk, bevor sie in den nächsten Tagen ihre Kündigung bekamen? Ich war doch erst Ende zwanzig. Gleich nach dem Studium, war ich in dieser Firma aufgenommen und geblieben. Wenn sie mich rauswarfen, würde ich mich nach einem neuen Job umsehen müssen. Doch was sollte ich dann tun? Ihre Worte hatten mich verunsichert und ich winkte einem Kellner, damit er mir ein Glas Wasser brachte und einen Schnaps.

 

 

 

Nachdem das Essen endlich vorbei war, entschuldigte ich mich von meinen Tischnachbarn und eilte zur Bar. Die Gespräche übers Geschäft interessierten mit nur wenig. Außerdem wollte ich den vielen Frauen entkommen, welche mir nach der Reihe nach vorgestellt wurden. Ich empfand das nur als peinlich und sehr aufdringlich. Während ich mir ein härteres Getränk holte, erblickte ich die Frau von der Bar vorhin, welche etwas blass in einer Ecke stand und sich hilflos an einem Glas in ihrer Hand fest hielt. Eine Frau stand neben ihr und versuchte beruhigend auf sie einzureden. Was hatte sie aus der Fassung gebracht? Die Musik wurde lauter und die Tische zur Seite geschoben, während die Massen sich aufteilten und sich in kleinen Grüppchen sammelten. Ich wurde von einer Frau abgelenkt, welche sich neben mich stellte und leicht streifte. Sie bestellte sich etwas zu trinken und warf mir einen anzüglichen Blick zu.

Oh, entschuldigen sie.“

Ich nickte nur, griff nach meinem Getränk und blickte wieder in besagte Ecke, doch die beiden Frauen waren verschwunden. Irgendwie ärgerte es mich, denn ich hätte gerne gewusst, was sie so aus der Fassung gebracht hatte. Bevor ich nach ihr suchen konnte, kam mein Vater wieder mit einigen Geschäftsleuten samt Anhang auf mich zu.

Das ist mein Sohn und er wird an meiner statt das Unternehmen leiten.“

Wieder Hände schütteln, wieder Frauen welche mich anhimmelten und wieder belanglose Gespräche. Nach mehr als einer Stunde, war ich endlich frei. Ich ging hinaus in den Garten und schnappte nach frischer Luft. Wie sehr ich doch solche Veranstaltungen hasste. Hatte mein Vater nicht schon genug Firmen gekauft, mit denen er Geld verdienen konnte? Wie viele brauchte er noch? Diese Übernahmen verliefen alle in einem gleichmäßigen Schema. Zuerst wurden die Firmen gekauft, es wurde einige Zeit viel geredet und gehandelt, dann wurden die ersten entlassen und mit seinen eigenen Leuten ersetzt. Innerhalb eines halben Jahres, war kein Angestellter mehr da, wo er sich jetzt befand. Das war weder sozial noch effektiv, doch sobald ich etwas sagte, schaltete mein Vater auf stur. Er wollte nichts von meinen Einwänden oder meinen Verbesserungsvorschlägen hören. Bei einem der vorbei eilenden Kellner holte ich mir ein frisches Glas und blickte mich um. Nicht viele Leute waren auf die riesige Veranda gekommen, aber mir viel sofort eine Gestalt auf, welche ganz alleine und abseits stand und an ihrem Glas nippte. Ob es ihr schon besser ging? Ich bewegte mich durch die Menge und näherte mich ihr vorsichtig.

Ihre Arbeitskollegen haben sie alleine gelassen?“

Sie schreckte leicht zusammen und warf ihm einen vorsichtigen Blick zu, bevor sie sich wieder von ihm abwandte. Ihre dunklen Augen waren groß und waren ein regelrechter Blickfang.

Ich brauchte dringend frische Luft.“

Sie klang bedrückt.

Darf ich fragen warum?“

Zuerst schüttelte sie den Kopf, dann seufzte sie und senkte ihren Kopf.

Verzeihen sie, aber das wird sie nicht interessieren.“

Ich bemerkte sofort das leichte zittern ihrer Hand, während sie ihr leeres Glas zur Seite stellte.

Würde es mich nicht interessieren, hätte ich nicht gefragt. Wollen sie noch etwas zu trinken?“

Abwehrend hob sie eine Hand und blickte in den Garten hinab, der leicht erleuchtet war von den vielen Lichterketten, welche dort angebracht worden waren. Mein Vater hatte wie üblich keine Kosten gescheut.

Wollen sie ein paar Schritte gehen und es mir verraten?“

Ich konnte nicht genau sagen, wieso mich diese Frau zu faszinieren anfing, aber das tat sie. Vielleicht wäre sie mir mit einem gewissen Alkoholpegel aufgefallen, aber ich war noch nicht einmal angeheitert. Trotzdem interessierte es mich, was sie bedrückte und ich hätte es gerne gewusst.

Nein.“

Sie sah mich mit traurigen Augen. Ihr Blick schweifte zur Seite und sie trat einen Schritt zurück.

Es interessiert sie ganz sicher nicht. Wieso sollte es das auch? Außerdem kommen da gerade vier Damen, welche sie schon die ganze Zeit beobachten.“

Sie neigte ihren Kopf und wollte gehen, doch ich griff schnell nach ihrem Arm und hielt sie zurück. Er warf ihr einen etwas säuerlichen Blick zu.

Soll ich es wiederholen? Hätte mich es nicht interessiert, hätte ich sie nicht angesprochen.“

Sie starrte erschrocken auf meine Hand, welche ihr Handgelenk festhielt. Sofort ließ ich sie los.

Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Bleiben sie in ihrer gehobenen Gesellschaft und kümmern sie sich um ihre Fans.“

Deutlich konnte ich die Tränen in ihren Augen glitzern sehen, als sie sich leicht verneigte und davon eilte. Ich wollte hinterher, doch da waren die drei Damen schon bei mir und hielten mich auf. Es dauerte ein wenig, bis ich mich von ihnen lösen konnte. Ich wollte wissen, was sie bedrückte oder warum sie so traurig war. Warum mir das ein Bedürfnis war, konnte ich nicht sagen, ich wollte es einfach wissen. Diese Frau war anders, als alle, welche ich bisher kennengelernt hatte.

 

 

 

 

Ich suchte nach Jack, Ben und Sophia. Die zweite Begegnung mit dem Mann, war seltsam gewesen. Er gehörte der oberen Schicht an und trotzdem hatten seine hellen Augen mich angesehen, als würde es ihm wirklich interessieren, was mich bedrückte. Es waren doch nur die Gespräche vom Tisch gewesen. Es machte mich einfach jetzt schon unglücklich meinen Job zu verlieren. Und das es so weit kommen würde, da war ich mir jetzt mehr als nur sicher. Kein anderer aus der Firma war eingeladen worden. Das alleine war schon sehr seltsam.

„Wo warst du?“

Ben lächelte und wollte mir ein frisches Glas reichen. Ich schüttelte jedoch den Kopf und blickte ihn traurig an.

„Ich werde nach Hause fahren.“

Sie sahen mich eine Weile an und nickte dann. Jack umarmte mich als erster und streichelte mir über den Rücken.

„Mach dich nicht verrückt von unseren Äußerungen. Es kann auch anders kommen.“

Ich nickte, umarmte die anderen und ging Richtung Ausgang. Sollte ich ein Taxi rufen oder würde eines draußen stehen? Ich war unsicher und verlangsamte meinen Schritt, als ich die Tür passierte und wieder an der frischen Luft mich befand. Niemand würde meine Abwesenheit vermissen. Ich ging zu den beiden Männern hin, welche den Parkservice organisierten.

„Sind Taxis hier, oder soll ich mir eines rufen?“

Der Jüngere schüttelte schnell den Kopf und hob eine Hand.

„Mister Black hat natürlich vorgesorgt. Sie gehen schon?“

Schüchtern nickte ich, als das Taxi vorfuhr. Der junge Mann öffnete die hintere Türe und ich bedankte ich herzlich bei ihm.

„Kommen sie gut nach Hause.“

Er schloss die Tür und ich nannte dem Fahrer meine Adresse. Die Fahrt kam mir nicht so lange vor, wie die Hinfahrt. Ich zahlte die Rechnung und gind hinauf in meine Wohnung. Nach der Pracht, welche ich heute gesehen hatte, kam sie mir schäbig vor. Aber hier fühlte ich mich wohl und ich wollte nirgends anders wo sein, als hier. Meine Schuhe ließ ich am Eingang zurück, bevor ich ins Schlafzimmer ging und mich auszog. Mir kurzer Hose und einem Trägertop ging ich zum Kühlschrank, schnappte mir eine Flasche Bier und machte es mir vor dem Fernseher gemütlich. Es war gerade einmal kurz vor elf. Welcher normale Mensch verließ eine Party noch vor elf? Ich war dieser Mensch und es war auch gut so gewesen. Das Gespräch am Tisch machte mir zu schaffen. Also öffnete ich meinen Laptop und fing an nach geeigneten Jobs zu suchen. Wenn man mich wirklich kündigen wollte, dann musste ich vorbereitet sein. Mit dem Arbeitslosengeld würde ich nicht lange überleben können. Und wenn man mich nicht kündigen würde, war ich wenigstens vorbereitet oder bekam ein besseres Angebot. Immerhin waren meine Unterlagen aussagekräftig und ich würde hoffentlich schnell wieder einen Job finden. Zwei Stunden später hatte ich einige Bewerbungen verschickt und lehnte mich seufzend zurück, bevor ich den Fernseher einschaltete. Auf dem Tisch vor mir stand eine Schüssel mit Süßigkeiten. Ich griff in die Schüssel und stopfte mir einige Sachen in den Mund, während ich nach einem geeigneten Sender suchte. Dieser war bald gefunden. Bus Spencer und Terence Hill hatte ich schon immer gerne gesehen, auch wenn ich ihre Filme mittlerweile in und auswendig kannte. Diese Filme erinnerten mich an meine Kindheit, als ich diese immer mit meinem Vater angesehen hatte. Mein Vater, der schon ein paar Jahre lang tot war. Meine Mutter war ihm nicht einmal später gefolgt. Sicher, es gab noch einige Verwandte auf der Welt verstreut, doch zu diesen hatte ich keinen Kontakt. Mehr oder weniger war ich alleine auf der Welt. Was mich nicht sonderlich störte, denn ich kam ganz gut alleine zu Recht. Obwohl ich versuchte meinen Kopf zu leeren, musste ich an diesen Mann denken mit seinen hellen Augen, der mich am Arm festgehalten hatte. Da war ein seltsames Kribbeln über meine Haut gezogen, dass mich erschreckt hatte. Auch hatte sich bisher kein Mann für meine Interessen interessiert. Er hatte gewirkt, als hätte es ihn wirklich interessiert. Aber irgendwie konnte ich das nicht glauben. Er verdiente sicherlich das fünffache oder gar zehnfache an Gehalt von ihr und konnte jede Frau haben, die er wollte. Das konnte ich deutlich an den Frauen sehen, welche ihn regelrecht sabbernd angestarrt hatten. Es war gut gegangen zu sein. Nicht länger hätte ich wollen auf diesem Fest bleiben wollen. Deshalb rollte ich mich jetzt auf meiner Couch zusammen und konzentrierte mich auf den Film.

 

 

 

Ich konnte die Frau nicht mehr finden. Sie war vom Erdboden verschluckt. Deshalb suchte ich nach den Personen, mit denen sie zusammen gestanden hatte. Etwas seltsam haben sie mich angesehen und waren mehr als verwirrt gewesen, als ich sie nach ihrer Arbeitskollegin nach ein paar belanglosen Worten ausgefragt hatte. Viel hatten sie mir nicht mitgeteilt. Sie wirkten verschlossen und zurückhaltend. Das war mir jedoch egal. Ich wollte unbedingt wissen, wer diese Frau war. Und nach einiger Zeit und gutem Zureden, erfuhr ich doch ihren Vornamen und wo sie arbeitete. Das war keine leichte Übung gewesen. Sie war angestellt in der Firma, welche mein Vater jetzt neu übernommen hatte. Aber was hatte sie bedrückt? Wovor schien sie so große Angst gehabt zu haben? War das wegen eines Mannes? Ich hatte mich die letzten paar Tage mehrmals gefragt, was sie so traurig gemacht hatte. Aber bald würde ich es wissen. Ich hatte gerade die Firma mit meinem Vater betreten, in der sie arbeitete. Leider kannte ich nur ihren Vornamen. Hoffentlich gab es nicht mehrere Frauen hier, welche Melina hießen.

Das hier ist unser Büro.“

Mein Vater öffnete eine Tür und ein riesiges Büro eröffnete sich mir. Es gab jedoch nur einen Schreibtisch und einen Computer.

Unseres?“

Er nickte und klopfte mir auf die Schulter. Vor der Tür gab es einen kleinen Vorraum, der jedoch leer war.

Ja. Ich werde nicht sehr oft hier sein, also ist das hier dein Reich. Nur in wichtigen Fragen, wendest du dich an mich. Es wird Zeit, dass du deine eigenen Erfahrungen machst.“

Etwas hilflos blickte ich mich um. Noch immer wollte er mich in eine Schiene pressen, die mir nicht wirklich gefiel.

Willst du das wirklich? Was, wenn ich einen Fehler mache und die Firma den Bach runter geht?“

Mein Vater lächelte und schüttelte den Kopf.

Es ist perfekt für deine Anfänge. Eine kleine Firma, welche nicht ins Gewicht fällt, solltest du einen Fehler machen. Dann schließen wir sie einfach oder übernehmen sie mit einer der anderen. Lerne, leite und delegiere. So habe ich damals auch angefangen. Solltest du Fragen haben, wendest du dich an mich.“

Ich schluckte und wandte mich ihm zu.

Also nicht unser Büro, sondern meines.“

Er lachte nur und klopfte mir auf die Schulter.

Alles was du brauchst befindet sich im Computer. Mach dich mit allem vertraut und lass einfach alles so laufen, wie du glaubst.“

Mit diesen Worten, ließ er mich alleine zurück in dem riesigen Zimmer. War das wirklich sein Ernst? Wollte er mich in diesen Posten ohne notwendige Vorkenntnisse stoßen und abwarten was geschah? War das fair gegenüber den Angestellten hier? Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und blickte auf den Bildschirm meines Computers. Er war bereits eingeschaltet und zeigte mir einige Programme. Wie wenig Ahnung ich doch hatte von all dem. Vielleicht hätte ich mein Interesse doch mehr auf die meines Vaters abstimmen sollen. E-Mail, Internet und alles andere war bereits eingerichtet worden. Als ich sah, dass ich mehr als fünfzig Mails hatte, seufzte ich frustriert auf. Dies hier war nicht meine Welt. Ich öffnete das Intranet, wo man alles über die Firma erfahren konnte. Ich klickte mich durch die vielen Berichte, las aufmerksam was hier eigentlich ablief oder was zu tun war und klickte dann weiter zu den Angestellten. Viele Gesichter und Namen. Nach der Hälfte blickte ich auf die Uhr an der Wand und erschauderte. Es waren nicht einmal zwei Stunden vergangen. Wenn ich das hier als Chef bewältigen würde können, brauchte ich Hilfe. Aber von wo? Ich klickte mich weiter durch die Angestellten, als ich die Frau fand, welche mich faszinierte. Sie lächelte schüchtern und hielt ihren Blick gesenkt. Melina Brown, stand unter ihrem Namen. Ich versuchte auf das Bild zu klicken, doch nichts geschah. Sie schien für einen der ehemaligen niederen Chefs als Sekretärin gearbeitet zu haben. Wie würde sie reagieren, wenn ich sie in mein Büro rief? Was würde sie dazu sagen, wenn ich sie um Hilfe bat? Würde sie mir helfen? Ich vergrößerte das Bild und betrachtete nachdenklich ihr Gesicht und ihre auf dem Bild zusammengebundenen Haare. Wenn sie offen waren, stand es ihr viel besser. Er öffnete eine andere Datei und las nach, wie lange sie schon hier beschäftigt war und was sie vorher gemacht hatte. Direkt von der Universität war sie hergekommen und war bisher hier gewesen. Melina kannte sich sicher gut hier aus und würde mir sicherlich helfen können bei meiner Aufgabe. Könnte sie eine Hilfe für mich sein? Würde ich dank ihr meinen Vater beeindrucken? Ich überlegte und wusste nicht Recht, was ich tun sollte. Sobald sie wusste wer ich war, würde sie sicher wie alle anderen reagieren und mich mit diesem gewissen Blick anhimmeln. Sie würde sich mehr von mir erwarten, als ich bereit war zu geben. Aber was, wenn er sie einfach ins kalte Wasser stieß und sie einfach arbeiten ließ? Mein Vater hatte nichts anderes mit ihm getan.

 

 

Ich war überhaupt nicht gefasst darauf, dass ich in den obersten Stock fahren sollte. Mein neuer Boss wollte mich sehen. Warum, wusste ich nicht. Wahrscheinlich war ich die erste in einer langen Reihe, welche ihren Job verlieren würde. Während ich im Aufzug stand fragte ich mich, ob ich meine Arbeit in all den Jahren nicht gut gemacht hatte. Aber bisher hatte niemand etwas zu mir gesagt oder auch nur meine Arbeit in Frage gestellt. Deshalb verließ ich auch den Aufzug mit gemischten Gefühlen. Hier oben gab es nur drei Büros. Mein Ziel war das letzte in diesem Gang. Die Tür war offen und ich spähte zögerlich hinein. Der Vorraum war leer, eine andere Tür geschlossen. Also gab es hier keine Sekretärin oder jemanden, der mich anmelden würde. Und jetzt? Sollte ich einfach eintreten und anklopfen? Ich haderte mit mir selbst. Aber das Mail war eindeutig gewesen. Ich musste dort hinein und ich musste mich dem stellen, was auch immer mich erwarten würde. Also betrat ich den leeren Raum und klopfte entschlossen an die zweite Tür. Wenn man mich schon kündigen wollte, dann würde ich es mit hoch erhobenen Hauptes hinnehmen. Auch wenn mir mehr zum Weinen zu Mute war, denn ich mochte meinen Job und ich wollte ihn nicht verlieren.

„Herein.“

Eine feste und tiefe Stimme erklang an meinem Ohr. Ich war anscheinend doch nicht so stark, wie ich es gerne gewollt hätte, als ich die Tür öffnete und mit gesenkten Blick eintrat.

„Sie wollten......ähm.....mich sprechen?“

„Ja.“

Wie kalt und abweisend die Stimme klang. Das war mein Ende. Hätte der neue Chef es mir nicht einfacher machen können? Aber nein, er musste mich hier herauf holen und es mir ins Gesicht sagen. Ein einfaches Schreiben wäre mir viel leichter gewesen. Unschlüssig und leicht ängstlich, stand ich da und starrte auf ihre Füße. Ich traute mich nicht den Blick zu heben.

„Sie sind schon lange in diesem Betrieb angestellt.“

Ich nickte und rechnete schnell nach.

„Mehr als zehn Jahre.“

Schweigen folgte für ein paar Minuten.

„Wie gut kenne sie sich aus in diesem Betrieb?“

Eine seltsame Frage, wie sie fand.

„Eigentlich recht gut. Ich kenne alle Angestellten und war die rechte Hand von Mister Winston. Aber das wissen sie ja sicherlich schon.“

Schnell biss ich mir auf die Zunge. Wie verdammt dämlich konnte ich sein, dass ich auch noch so frech war, wenn mein Job wahrscheinlich gleich beendet sein würde?

„Ich weiß für wen sie gearbeitet haben. Ich möchte aber wissen, was sie von den Angestellten wissen und von dem was hier abläuft.“

Ich blinzelte und trat einen Schritt zurück. Die Tür war noch offen. Aber was würde das für einen Eindruck hinterlassen, wenn ich ohne einen Antwort gebend einfach davon lief? Das wäre nicht sehr förderlich.

„Ich kenne die Geschäftsgebaren, wenn sie das meinen. Mit den Angestellten vertrage ich mich, weiß aber nicht viel von ihnen. Es gibt nur ein paar, welche ich näheren Kontakt pflege.“

Mit nähere Kontakt meinte ich Jack, Ben und Sophia. Sie waren seit ihrer Ankunft da gewesen und hatten mich unter ihre Fittiche genommen. Von den anderen wusste ich nur sehr wenig.

„Ich suche eine Sekretärin. Aber nicht eine normale. Sie muss sich hier auskennen, einen guten Draht zu den Arbeitern haben und mir helfen. Können sie das?“

Ich schluckte und zog leicht den Kopf ein. Was meinte er damit? Sollte ich für ihn arbeiten und als Spitzel fungieren? Das würde ich auf keinen Fall tun.

„Ich bin kein Spitzel oder Verräter, wenn sie das suchen.“

Schnell schlug ich mir eine Hand vor den Mund. Wieder einmal hatte ich das gesagt, was mir gerade in den Sinn gekommen war. Nicht gerade Vorteilhaft, wenn man gerade mit dem neuen Boss sprach. Zu meiner Verwunderung vernahm ich ein leises Lachen.

„Nein, keinen Spitzel. Nur jemand, der als Sprachrohr fungiert zwischen mit und den anderen. Jemand der mir ein wenig Arbeit abnimmt und auch selbst Entscheidungen treffen kann.“

Erleichtert atme ich auf.

„Ich, ähm, weiß nicht.“

„Ihr Büro wäre gleich draußen vor meiner Tür und ihr Gehalt wird natürlich angepasst. Ich werde sie weder zwingen auf irgendwelche Besprechungen oder Partys zu gehen. Wie klingt das?“

Das klang wirklich sehr verlockend. Er stand auf und näherte sich mir.

„Nehmen sie sich Zeit.“

Ich hob meinen Blick, als er mir seine Hand hinhielt und erstarrte. Das war der Mann von der Party gewesen.

„Sie?“

Er lächelte und zuckte mit den Schultern. Sofort erhitzten sich meine Wangen und ich sah sicher total dämlich aus.

„Darf ich mich jetzt offiziell bei ihnen vorstellen? Tyler Winston.“

Schüchtern reichte ich ihm meine Hand. Sein Händedruck war fest, aber nicht zu fest.

„So und jetzt gehen sie wieder an ihre Arbeit und melden sich bei mir, sobald sie eine Antwort für mich haben.“

 

 

Ich wartete jetzt schon einige Tage auf eine Antwort von ihr, doch sie meldete sich einfach nicht. Natürlich war ich ungeduldig, denn sie war erstens die perfekte Kandidatin für den Job und auch so fand ich sie mehr als interessant. Ich wollte sie unbedingt näher kennenlernen. Ihre stark geröteten Wangen und ihr entsetzter Blick, als sie ihn erkannt hatte, waren die ganze Show wert gewesen. Was mich jedoch wahrscheinlich an ihr reizte war die Tatsache, dass sie anders als die anderen Frauen war. Sie war nicht überheblich oder versuchte etwas zu sein, was sie nicht war. Und ich wollte sie endlich da draußen vor meinem Büro sitzen haben, damit ich mich mit ihr unterhalten konnte. Wieso rief sie nicht endlich an? Frustriert lief ich in meinem Büro auf und ab. Sollte ich sie anrufen oder gleich zu ihr gehen, damit ich endlich wusste ob sie den Job annehmen würde oder nicht? Ich haderte eine Zeit lang, bevor ich zu meinem Telefon griff und ihre Durchwahl wählte. Es läutete dreimal, bevor eine männliche Stimme sich meldete.

Ich würde bitte gerne Melina Brown sprechen.“

Da muss ich sie leider enttäuschen. Sie ist seit drei Tagen krank gemeldet. Kann ich ihnen weiterhelfen?“

Ich legte auf. Sie war krank? Wieso war sie krank? Hatte sie mein Job Angebot so verwirrt oder hatte sie sich krank gemeldet um mir nicht mehr über den Weg laufen zu müssen. Das hatte sie hoffentlich nicht getan. Ich blickte auf die Uhr. Für heute hatte ich keine Termine mehr. Also holte ich mir ihre Adresse aus dem Computer und machte mich auf dem Weg. Mehr als das sie mich abwies und wieder fortschickte, konnte nicht passieren. Mir stellte sich jedoch die Frage, ob ich nicht zu aufdringlich war, wenn ich jetzt zu ihr fuhr? Aber ich saß schon im Wagen. Ich brauchte jetzt nur noch ein Geschenk. Was brachte man einer kranken Person mit? Das war nicht so leicht, da ich gar nicht wusste, was ihr fehlte. Ich entschied mit für den klassischen Blumenstrauß. Dieser war schnell gefunden und schon parkte mein Wagen vor ihrem Haus. Nicht gerade das, was ich erwartet hatte. Das Haus in dem sie wohnte, hatte auch schon bessere Tage gesehen. Eine Renovierung war hier längst fällig. Mit einem mulmigen Gefühl, betrat ich das Haus. Es roch leicht modrig. Schnell ging ich in den zweiten Stock hinauf. Ihre Tür fand ich schnell, denn es war die einzige mit einer Türmatte. Meine Hand hatte ich schon gehoben, doch ich zögerte wieder. Wieso zögerte ich? Normalerweise benahm ich mich nicht so dämlich bei einer Frau. Ich riss mich schnell zusammen und reif mir ins Gedächtnis, dass es hier nur um einen Job ging. Also klopfte ich entschlossen und kräftig an.

Die Tür ist offen. Kommen sie rein, das Geld habe ich hier.“

Ich runzelte die Stirn. Geld? Welches Geld? Ich öffnete jedoch die Tür und betrat gleich eine Küche. Es war sehr sauber, doch es gab einfach viel zu viele Sachen, welche herumstanden. Die Wohnung war eindeutig zu klein. Aber sie besaß warme Farben und war gemütlich eingerichtet. Die Küche führte ihn direkt ins Wohnzimmer. Träge kam hinter der Couch eine Hand hervor.

Hier bin ich.“

War sie so krank, dass sie nicht einmal aufstehen konnte? Ich näherte mich der Couch und umrundete sie. Langsam kam Melina Brown in Sicht.

Stellen sie es einfach ab. Da liegt das abgezählte Geld.“

Sie war blass im Gesicht, ihre Nase stark gerötet, ihr Haar zerzaust und ein Bein war ein bandagiert worden. Ihr Blick war zum Fernseher gerichtet. Sie trug nur eine ganz kurze Hose und ein Trägertop.

Das ist gut zu wissen, aber für ein Geschenk nehme ich kein Geld an.“

Sie fuhr erschrocken herum und starrte mich entsetzte an. Schnell zog sie die Decke bis zum Hals hinauf und setzte sich mühselig auf. Ihre Augen waren stark geschwollen.

Was....was machen sie denn hier?“

Ich habe sie in der Arbeit gesucht, weil sie mir noch eine Antwort schulden. Man sagte mir sie wären krank.“

Sie räusperte sich und griff schnell nach einem Taschentuch um sich die Nase zu putzen. Eine ganze Apotheke hatte sie vor sich auf dem Tisch aufgebaut.

Und da kommen sie einfach her? Machen sie das bei all ihren Angestellten?“

Nein.“

Jetzt hatte ich ein Problem. Wie sollte ihr ihr erklären, dass ich mir doch ein klein wenig Sorgen gemacht hatte? Schnell ließ ich mir etwas einfallen.

Immerhin habe ich ihnen den Job als meine Sekretärin angeboten und habe mir gedacht, wir unterhalten uns in einer gemütlicheren Atmosphäre.“

Sie warf das Taschentuch in einen Eimer, der vor der Couch stand und blinzelte.

Na toll. Hätten sie nicht anrufen können?“

Sie wandte sich wieder von mir ab, doch ich hatte ihre geröteten Wangen bereits gesehen.

Wenn ich ihre Telefonnummer gehabt hätte, hätte ich das sicherlich getan. Ich habe ihnen Blumen mitgebracht. Haben sie eine Vase?“

Sie blickte verstohlen zu den Blumen und nickte. Ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Unter der Spüle. Würden sie bitte so freundlich sein?“

Ich eilte davon und fand die Vase auf anhieb.

Wen haben sie erwartet?“

Meine Essenslieferung. Diese ist schon spät dran.“

Ich wässerte die Blumen und suchte dann nach einem geeigneten Platz. Dass sie mich beobachtet hatte, war mir gar nicht aufgefallen.

Bitte dort rüber zum Fenster auf den kleinen Tisch. Schieben sie einfach alles zur Seite.“

Auf besagten Tisch lagen ein Laptop und einige Zeitungen. Ich schob die Zeitungen zur Seite und stellte die Blumen auf den Tisch. Dann wandte ich mich ihr wieder zu. Sie hatte sich in die Decke eingewickelt und versuchte verzweifelt ihr Haar zu richten.

Darf ich mich setzen oder soll ich wieder gehen?“

Sie sind ja extra hergekommen. Es wäre unhöflich von mir, sie gleich wieder rauszuschmeißen.“

Nickend setzte ich mich auf einen Sessel, der zwar schrecklich aussah und nicht zur Einrichtung passte, aber verdammt bequem war.

Verzeihen sie mein Aussehen.“

Lächelnd winkte ich ab.

Sie sind krank. Glauben sie ich würde besser aussehen in diesem Zustand?“

Wieder ein Schmunzeln und sie lehnte sich leicht zurück, bevor sie sich wieder ein Taschentuch nahm. Kleine Schweißperlen befanden sich auf ihrer Stirn. Wahrscheinlich hatte sie Fieber.

Was ist mit ihrem Bein?“

Verstaucht und geprellt. Ich hatte so hohes Fieber, dass ich mich nicht auf den Beinen halten konnte und jetzt muss ich es für einige Zeit ruhig stellen.“

Ich merkte, dass sie sich sehr unwohl fühlte, also blickte ich mich in ihrem Wohnzimmer um. Es gab nur eine offenstehende Tür, welche in ein Badezimmer führte. Kein Schlafzimmer? Melina Brown bekam genug Geld jedes Monat, um sich eine größere Wohnung leisten zu können. Wieso lebte sie dann noch immer hier und zog nicht um?

 

 

Mit allem hatte ich gerechnet nur nicht damit, dass mein Boss hier in meiner schäbigen und kleinen Wohnung saß und sich umblickte. Ich sah schrecklich aus und ich hatte Hunger. Mein Essen hätte schon vor einer Stunde hier sein sollen. Der Job reizte mich schon, doch jetzt würde ich ihn vergessen können. Ich seufzte und blickte sehnsüchtig zur Tür.

„Soll ich wirklich nicht gehen?“

„Nein, ich habe nur Hunger und mein Essen ist eine Stunde überfällig.“

„Haben sie bestellt?“

Ich nickte und griff nach meinem Handy. Natürlich hob niemand ab. Enttäuscht legte ich es zurück auf den Tisch.

„Worauf haben sie Lust?“

Da würde mir so einiges einfallen, aber er meinte sicher das Essen. Natürlich hatte er bemerkt, wie ich mir schnell auf die Lippen gebissen hatte und grinste.

„Was halten sie davon, wenn ich ihnen jetzt ein Essen besorge, dass mir meine Mutter immer bringt, wenn ich krank bin?“

„Aber der Lieferant kommt sicherlich bald.“

Entschlossen stand er auf und schüttelte den Kopf.

„Also wenn er schon eine Stunde überfällig ist, dann kommt er auch nicht mehr. Sie können mir ja heute nicht davonlaufen.“

Er zwinkerte und verließ meine Wohnung wieder. War er verrückt geworden? Wieso tat er das? Da er weg war, stand ich mühselig auf und schleifte mich irgendwie auf die Toilette. Ich musste mich dringend frisch machen und meine Haare kämmen. Auf keinen Fall sollte er weiterhin mein Aussehen ertragen müssen. Der Gang auf die Toilette war beschwerlich und schmerzhaft. Und natürlich passierte das, was ich eigentlich die letzten paar Tage versucht hatte zu vermeiden. Nachdem ich halbwegs normal wieder aussah und das Badezimmer verlassen wollte, fiel ich hin. Der Schmerz in meinem Bein raubte mir den Atem und ich wimmerte leise. Wie sollte ich jetzt wieder aufkommen? Mit Tränen in den Augen blickte ich sehnsüchtig zur Couch. Das wäre mir auch passiert, wenn ich alleine gewesen wäre. Das lag nicht daran, dass mein Boss mich nervös gemacht hatte. Verzweifelt versuchte ich mit einem gestreckten Bein aufzustehen, doch es gelang mir nicht.

„Verdammt.“

Wütend über mich selbst, und darüber, dass er mich aus der Fassung gebracht hatte, robbte ich unter Schmerzen Richtung Couch. Wenn ich sie erreichte, konnte ich mich irgendwie hochhieven. Weit kam ich nicht, denn die Tür öffnete sich und Tyler Winston kam mit zwei Tüten in der Hand herein. Als er mich sah, riss er erschrocken die Augen auf. Ging es eigentlich noch peinlicher? Seitdem ich diesem Mann begegnet war, trat ich von einem Fettnäpfchen ins andere.

„Was machen sie denn?“

Schnell stellte er die Tüten ab und eilte zu mir. Er hob mich kurzerhand auf und trug mich zur Couch zurück. Er wirkte ein wenig grimmig. Doch seine Hände fühlten sich verdammt gut an. Hitze stieg in meine Wangen und ich wandte schnell meinen Blick von ihm ab.

„Ich musste nur auf die Toilette.“

„Das habe ich gesehen. Wieso ist niemand hier um ihnen zu helfen?“

Ich seufzte und schlang schnell die Decke wieder um meinen Oberkörper.

„Meine Eltern sind schon lange tot und meine Freunde müssen arbeiten. Eine Hilfe kann ich mir nicht leisten. Wollten sie das von mir hören? Glauben sie mir gefällt das?“

Er hielt inne und musterte mich eingehend.

„Und sie haben keinen Freund?“
„Sehen sie einen?“

Schnell hob ich abwehrend eine Hand.

„Entschuldigen sie. Das sind nicht ihre Probleme und ich möchte sie nicht damit belasten. Sie sind hier, wegen dem Job. Was haben sie mir mitgebracht und was schulde ich ihnen?“

Mein Boss holte diverse Sachen aus den Tüten und schob den Stuhl näher an den Tisch heran.

Dann ging er in die Küche und suchte nach Besteck. Von wegen neuer Job mit mir Geld. Diese Hoffnung verrauchte genau in diesen Moment. Er kam mit den gesuchten Gegenständen zurück und setzte sich neben sie auf den Stuhl. Dann fing er an alles zu öffnen.

„Die Hühnersuppe zuerst. Die wird ihnen guttun und ihnen neue Kraft geben.“

Er reichte ihr einen Löffel und schnappte sich die andere Suppe, welche er gekauft hatte. Sie roch herrlich. Die hatte ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen. Gierig schlang ich sie hinunter. Sie schmeckte köstlich und es ging mir einigermaßen wieder besser.

„Dann haben wir noch Fleisch, Gemüse und Fisch. Ich wusste nicht, was sie lieber Essen.“

Er reihte das Essen vor ihr auf und sah sie aufmunternd zu. Alles sah köstlich aus.

„Da ich sowieso schon von einem Fettnäpfchen ins andere trete, kann ich sie auch jetzt Fragen, ob ich von allen kosten darf, wenn es ihnen nichts ausmacht. Also teilen?“

Zögerlich warf ich ihm einen Blick zu. Doch Tyler Winston lachte nur laut.

„Miss Brown, sie können Essen so viel sie wollen. Und wenn sie alle Mahlzeiten aufessen.“

Er zwinkerte mir noch immer lächelnd zu. Was für schöne Augen er doch hatte. Und erst die kleinen Grübchen in den Mundwinkeln, wenn er lächelte. Schnell schlug ich mir in Gedanken auf die Wange. Er war mein Boss. Noch zumindest.

„Es sieht alles einfach so köstlich aus. Aufessen kann ich das nicht alles alleine. Sie haben sicher auch Hunger.“

Zu meiner Verwunderung stand er auf und setzte sich auf den Boden dicht neben mir.

„Na dann. Wo fangen wir an?“

Ich deutete auf den Fisch und nahm diesen in die Hand, reichte mir eine Gabel und reichte ihn mir.

„Mister Winston, wieso tun sie das? Sie hätten weder herkommen müssen, noch dieses Essen besorgen. Auch müssen sie mir nicht helfen.“

Sein Blick wurde ernst, war aber noch immer weich.

„ich weiß schon, dass ihnen das unangenehm ist und ich das nicht hätte tun müssen. Aber wenn sie meine Sekretärin werden wollen, dann müssen sie sich auch leider von mir helfen lassen. Sagen wir, das ist ein Bonus zu ihrem neuen Vertrag.“

Ich schluckte und sah ihn fragend an. Ein Bonus? Was meinte er damit? Glaubte er, der ein Frauenheld zu sein schien, mich auch über den Finger wickeln zu können, wie all die anderen? Da hatte er sich gehörig geschnitten. Ich war keine Frau, die leicht zu haben war oder auf jeden Typen hereinfiel. Ärgerlich stellte ich das Essen auf den Tisch und zog meine Stirn kraus.

„Ich glaube sie sollten jetzt gehen. Mit ihrem Angebot und ihrem sogenannten Bonus. Sie überschätzen sich und unterschätzen mich. Ich bin nicht eines ihrer Flittchen, welche an ihrem Rockzipfel hängt und sie voll sabbert. Wenn diese Aussage auch meinen anderen Job kostet, ist mir egal. Für jemanden zu arbeiten der glaubt alles und jeden haben und kaufen zu können, dann haben sie sich geschnitten.“

Mein Herz schlug schneller in meiner Brust, als ich mich von ihm abwandte.

„Ihr reichen Typen seid alle gleich.“

Tyler Winston saß jedoch einfach nur wie versteinert da und starrte sie erschrocken an.

„Miss Brown, ich glaube sie haben da was falsch verstanden.“

Ich lachte kurz auf und schüttelte den Kopf.

„Das denke ich nicht. Bitte gehen sie jetzt und nehmen sie das Essen mit. Die Suppe hat vollkommen gereicht und dafür danke ich ihnen vielmals. Ich bin müde und mein Bein tut weh.“

Demonstrativ sank ich in mein Kissen zurück und blickte müde und enttäuscht zum Fernseher. Müde war ich wirklich nach der heißen Suppe und auch mein Bein tat höllisch weh. Ich hatte also nicht einmal gelogen. Wenn ich ignorierte, würde er sicher bald verschwinden. Nach ein paar Minuten, die er mich angesehen hatte, stand er auf und seufzte.

„Ich bin weder reich noch so wie die anderen. Mein Vater hat mich einfach in diese Stelle gedrängt, damit er das aus mir machen kann, was er will. Damit bin ich auch nicht glücklich. Aber das glauben sie mir sowieso nicht. Außerdem liegt meine letzte Beziehung fünf Jahre zurück. Es stimmt, sie hecheln mir hinterher, aber das sind alles keine Frauen in meinen Augen. Sie sind nur hinter dem Geld meines Vaters her. Ich selbst habe nur das monatliche Gehalt, welches ich für meine Arbeit bekommen. Ich wollte helfen und freundlich sein. So bin ich nun einmal und das missfällt meinem Vater und allen anderen. Ihnen anscheinend auch. Alle bilden sie sich ihre Meinung, ohne mich wirklich zu kennen. Das Angebot steht noch. Wenn nicht, können sie gerne ihren alten Job weiter machen. Ich wünsche ihnen eine gute Besserung.“

Die Tür knallte zu und ich zuckte leicht zusammen. Wie verbittert er geklungen hatte. Sogar ein leichtes zittern war in seiner Stimme gewesen. Hatte ich ihn wirklich falsch eingeschätzt, oder war das wieder nur eine seiner Maschen? Ich musste zugeben, jetzt sehr verunsichert zu sein, bezüglich ihm. Das Essen hatte er stehengelassen und ich kam nicht umhin, ein paar Bissen zu mir zu nehmen. Ich hätte vielleicht nicht so grob sein sollen. Aber das war eben meine Art. Jeder Mensch hatte seine Eigenarten. Meine war, dass ich meistens immer alles sagte, was ich dachte. Nicht umsonst hatte ich keine wirklichen Freunde, sondern nur Bekannte. Auch das war der Grund, wieso kein Mann bei mir bleiben wollte und ich jetzt einsam in meiner Wohnung saß und in den dämlichen Fernseher glotzte. Das war alles einfach nur zum kotzen. Hoffentlich war ich noch lange krank, denn ich wollte Tyler Winston so schnell nicht mehr unter die Augen treten.

 

 

 

Diese Frau machte mich wahnsinnig. Einmal war sie schüchtern und zurückhaltend und dann fuhr sie ihre Krallen aus und fauchte wie ein Löwe. Was mich am meisten ärgerte war die Tatsache, dass sie mich in einen Hut mit meinem Vater und all den anderen steckte. Dabei war ich gar nicht so. Ich führte zwar ein angenehmes Leben mit dem Gehalt das ich verdiente, doch ich schlug nicht über die Stränge. Niemals hatte ich Geld von meinem Vater angenommen, sondern mir alles selbst erarbeitet. Niemand hatte mir etwas geschenkt. Das entsprach nicht dem, was mein Vater sich unter Erziehung vorgestellt hatte. Er selbst hatte sich selbst zu dem gemacht, was er heute war und das hatte er auch von mir verlangt. Und das war auch in Ordnung gewesen, denn so habe ich gelernt mit meinem Geld umzugehen. Es war aber kein Wunder, dass Melina Brown, so schlecht von mir dachte. Sie hatte keine Ahnung, wie hart und mühsam mein Leben gewesen war. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie hatte sie ihre Meinung über mich gebildet und würde an dieser festhalten. Das störte mich ungemein. Bei allen anderen war es mir egal gewesen, aber nicht bei ihr. Wieso mir so viel an ihr und ihrer Meinung lag, konnte ich nicht sagen. Sie faszinierte mich einfach und ständig musste ich daran denken, wie ich sie im Arm gehalten hatte. So weich und warm war ihr Körper gewesen. Nicht zu dünn und nicht zu dick. Sie war einfach perfekt gewesen. So wie meine Verlobte damals, bevor sie mich mit einem anderen Mann betrogen hatte. Natürlich war die Verlobung gelöst worden und ich hatte keine Frau mehr wirklich in mein Leben gelassen. Bei Melina Brown war das jedoch anders. Sie hätte ich gerne näher an mich herangelassen. Aber das war jetzt nicht mehr möglich. In ihren Augen war ich ein Snob, der alles haben konnte, was er wollte und sie glaubte, dass sie mein neuestes Opfer war. Nichts davon stimmte bis auf die Tatsache, dass ich sie wirklich kennenlernen wollte. Ohne Vorbehalte. Ich hatte es vergeigt. Ich war zu schnell vorgegangen und hätte ihr verheimlichen sollen, wer ich wirklich war. Dann hätte ich sie vielleicht so kennengelernt, wie sie wirklich war und wäre ihr näher gekommen. Doch was dann? Wenn sie es erfahren hätte, hätte sie mich wahrscheinlich trotzdem hinausgeworfen und mich nie wieder angesehen. Wie ich es drehte und wendete, diese Frau würde niemals etwas von mir wollen. Auch wenn sie immer errötete in meiner Gegenwart und verlegen wirkte. Ob es daran lag, dass keiner ihrer bisherigen Männerbekanntschaften, sie zu würdigen hatte gewusst? Sicherlich hatte sie schlechte Erfahrungen gemacht. Genau so wie ich. Ich könnte es noch einmal versuchen, doch ich traute mich nicht. Auf keinen Fall wollte ich sie bedrängen. Besonders wollte ich das Licht, indem sie mich bereits sah, noch weiter schüren. Auch wenn es schwer fiel, ich würde mich zurückhalten und sie einfach vergessen müssen. Melina wäre es Wert gewesen um sie zu kämpfen, doch sie hatte es nicht zugelassen. Ein paar Wochen waren vergangen, als ich wie jeden Tag das Büro betrat und missmutig hinauf in mein Büro fuhr. Schon im Aufzug waren mir Möbelpacker begegnet. Anscheinend bekamen einige neue Möbel im Haus. Sollte mir auch Recht sein. Mein Vater hatte da sicher seine Hände im Spiel gehabt.

 

 

 

Meine Hände waren nass und ich war mehr als nur nervös. Ich hatte den Job angenommen und ich bekam mein neues Büro gerade aufgebaut. Vincent Winston, Tylers Vater, hatte mir das alles ermöglicht, nachdem ich ihn dann doch angerufen hatte. Ein kurzes Mittagessen und wir waren und einig gewesen. Tyler wusste noch nichts davon. Trotzdem fragte ich mich noch immer, warum ich das eigentlich tat. Ich war mir nicht sicher, ob er mich angelogen hatte oder nicht. Aber das Geld und die Position hatten mich gelockt. Tyler Winston war dabei nebensächlich gewesen. Stolz betrachtete ich meinen neuen Arbeitsplatz. Sophia und die anderen hatten schon vorbeigeschaut und mir gratuliert für meinen Aufstieg. Keiner von ihnen war gekündigt worden. Auch kein anderer. Victor Winston war ein sehr einsichtiger und verständnisvoller Mann, mit dem man sich gut unterhalten konnte. Das Essen mit ihm hatte mir sogar Spaß gemacht. Obwohl er der Boss von mehreren Firmen war, so schien er doch den Boden unter den Füßen nicht verloren zu haben. Wenn sein Sohn auch so war wie er, dann hatte ich mich wirklich in ihm getäuscht. Wie er wohl reagieren würde, wenn er gleich kommen würde? Wäre er erfreut oder würde er einfach nur in sein Büro gehen? Ich war mir mehr als nur unsicher. Wenn dies hier nicht klappte, dann konnte ich noch immer wieder zurück auf meinen alten Posten. Als ich diese Bedingung gestellt hatte, war diese sofort angenommen worden. Auf einen Versuch kam es an. Ich hatte schon so viel riskiert in meinem Leben. Wieso nicht auch jetzt? Ich trug ein schlichtes Kostüm und versuchte mir meine neue Rolle einzuverleiben. Die Möbelpacker brauchten meine Hilfe und so widmete ich mich wieder ihnen. Natürlich gab ich nicht nur Anweisungen, sondern half ihnen auf beim Aufstellen der Schränke und versuchte mein neues Büro so gemütlich wie möglich zu gestalten. Kartons mit Aktenordnern und anderen Utensilien, stapelten sich bereits in dem Raum. Da ich nicht mehr helfen konnte, fing ich an auszupacken. Victor Walters hatte einiges bestellt, dass seinen Platz noch brauchte. Als eine riesige Pflanze hereingetragen wurde, hatte ich ein Problem. Mehrmals drehte ich mich im Kreise, um den geeigneten Platz für diese zu finden. Kurzerhand schob ich die Kisten hinter meinen Schreibtisch und deutete neben die Tür. Alles war fertig und die Männer verabschiedeten sich mit einem freundlichen Lächeln. Ich widmete mich wieder meinen Kartons und hockte am Boden hinter meinem Schreibtisch und war ganz vertieft in die Arbeit, dass ich nicht mitbekam, dass jemand das Zimmer betrat. Mit sechs leeren Ordner in der Hand stand ich auf und wollte sie in eines der leeren Regale stellen, als ich erschrocken zusammen zuckte und sie mir alle aus der Hand fielen. Tyler Winston stand mitten im Büro und blickte mich mehr als nur überrascht und verwundert an. Sofort senkte ich den Blick und versuchte nicht schon wieder zu erröten.

„Verzeihung, sie haben mich erschreckt.“

Schnell bückte ich mich nach den Ordnern, um sie wieder zu stapeln und aufzuheben. Tyler legte seine Jacke auf den Tisch und bückte sich ebenfalls. Gleichzeitig griffen wir nach dem letzten Ordner. Unsere Finger berührten sich und ein leichter Schauer durchfuhr mich. Ich hob den Blick und sah ihm direkt in seine weit geöffneten Augen.

„Sie haben sich also doch entschieden?“

Ich nickte und zog den Ordner an meine Brust.

„Ja.“

Mehr brachte ich nicht heraus. Tyler packte die am Boden liegenden Ordner und stand auf.

„Wohin?“

Etwas schüchtern deutete ich auf die Schränke.

„Irgendwo hin.“

Er stellte sie eines der Regale und wandte sich dann wieder zu mir um.

„Ich hole uns jetzt einen Kaffee und dann helfe ich beim Auspacken. Hier stehen noch eine Menge Kartons.“

Bevor ich auch nur etwas sagen konnte, war er auch schon wieder verschwunden. Was ich davon halten sollte, konnte ich nicht wirklich sagen. Ich brachte seine Jacke in sein Büro und hängte sie auf den Kleiderständer, bevor ich mich wieder meinen Kartons widmete.

„Ich habe ein paar Stücke Kuchen auch mitgebracht.“

Tyler betrat ihr Büro und stellte alles auf meinen noch immer leeren Schreibtisch. Der Computer würde erst im Laufe des Tages kommen.

„Danke.“

Ich sah ihn nicht an, sondern wühlte in dem Karton herum. Schweigend half er mir alles auszupacken und zu verstauen. Langsam nahm alles Gestalt an. Der Kaffee schmeckte angenehm nach Vanille und auch der Kuchen war schön saftig. Immer wieder biss ich davon ab oder trank einen Schluck Kaffee. Keiner von uns beiden wollte etwas sagen oder auf jenen Tag in meiner Wohnung zu spreche kommen. Wenn dies hier jedoch funktionieren sollte, würde ich etwas sagen müssen. Immerhin war ich diejenige gewesen, welche ihn vor dem Kopf gestoßen hatte. Ob gerechtfertigt oder nicht, spielte keine Rolle. Ich würde wohl über meinen eigenen Schatten springen müssen.

„Fertig.“

Tyler faltete den letzten Karton zusammen und stellte ihn zu den anderen. Dankbar sah ich ihm lächelnd an. Ich war mehr als geschafft. Die Zeit war viel zu schnell vergangen und es war schon später Nachmittag. Das Mittagessen war wohl ausgefallen. Seufzend strich ich mir durchs Haar. Mein Computer und mein Telefon waren auch noch nicht gekommen. Hoffentlich kamen diese morgen. Etwas erschöpft blickte ich mich im Raum um. Zwar herrschte bereits eine gewisse Ordnung, doch das würde sicher noch besser werden, sobald ich mit meiner Arbeit wirklich angefangen hatte. Auch Tyler Winston stand mit seinen Händen in den Hüften im Zimmer und blickte sich um. Beide waren wir ganz schön ins Schwitzen gekommen und sein Haar stand ihm wirr vom Kopf ab. Ich wagte es jedoch ihn nur aus dem Augenwinkel zu betrachten.

„Liegt heute noch was an Boss?“

Er sah mich an und nickte.

„Ja, jetzt gehen wir Essen und dann bringe ich sie nach Hause. Und ich will keine Widerrede hören, ich habe fürchterlichen Hunger und sie sicher auch.“

Er ging in sein Büro und holte seine Jacke. Wie könnte ich bei solch einem Angebot widersprechen? Auch ich hatte Hunger und was war schon ein Essen? Immerhin bekam ich eine Fahrt nach Hause geschenkt. Ich griff nach meiner Tasche und hängte sie mir um. Eine Jacke hatte ich heute nicht mitgenommen. Jack ging neben mir und wir fuhren mit dem Aufzug hinunter in die Garage und zu seinem Wagen. Er fuhr in die Stadt und stellte seinen Wagen ab. Hier gab es nicht wirklich viele Restaurants. Und die, welche es gab, kannte ich nicht wirklich. Er deutete mir jedoch ihm zu folgen und so betraten wir ein kleines Bistro am Ende der Straße.

„Das beste Essen weit und breit. Ich hoffe es schmeckt ihnen.“

Er suchte einen Tisch aus, welcher abgelegen von den anderen sich befand. Die Speisekarten wurden uns gebracht und ich bestellte mir ein Glas Bier. Das hatte ich mir wirklich mehr als nur verdient nach dem heutigen Tag. Dann bestellten wir unser Essen und ich lehnte mich zurück in meinen Stuhl.

„Ich muss mich noch bei ihnen entschuldigen.“

Tyler Winston zog eine Augenbraue hoch und musterte sie eingehend.

„Weswegen?“

Wieder klang seine Stimme ein wenig kühl. Das machte es mir nicht gerade leicht.

„Wegen dem Vorfall in meiner Wohnung. Wenn die Zusammenarbeit funktionieren soll, dann bin ich ihnen das schuldig. Aber damit sie informiert sind, das ist nur ein Job auf Probe. Wenn es mir oder ihnen nicht gefällt, gehe ich zurück in mein altes Büro. So hat es mir ihr Vater zugesagt.“

„Mein Vater?“

Ich nickte und bedankte mich beim Kellner, der unsere Getränke brachte. Ich nahm einen Schluck von dem kalten Bier und sah ihn dann wieder an.

„Ich habe mit ihm über diesen Posten gesprochen und einiges ausgehandelt. Ich hoffe sie fühlen sich jetzt nicht hintergangen. Aber mir war wichtig mich abzusichern. Das werden sie hoffentlich verstehen können.“

Tyler Winston faltete seine Hände zusammen und musterte mich wie ein kleines Insekt.

„Kann ich verstehen. Was noch?“

Verwirrt sah ich ihn an. Was meinte er damit?

„Ähm, deshalb wollte ich mich entschuldigen. Der Rausschmiss und dass ich mich mit ihrem Vater getroffen habe hinter ihrem Rücken. Sie wollen eine Sekretärin, welche für sie arbeitet und ich werde versuchen ihren Ansprüchen gerecht zu werden. Vorweg möchte ich ihnen aber gleich sagen, dass ich weder als Spitzel fungiere oder in diverse Machenschaften hineingezogen werden will. Feste, Feiern und andere Anlässe werde ich nur besuchen, wenn ich es selbst will. Ansonsten werde ich versuchen ihnen so gut wie möglich zu helfen und ihnen so viel Arbeit abzunehmen, wie es nur geht.“

Wie geschwollen ich doch zeitweise daherreden konnte. Ich versuchte zu Lächeln, doch es gelang mir nicht wirklich.

„Wenn sie ehrlich sind, dann werde ich es auch sein. Ich bin nicht erfreut darüber, dass sie mit meinem Vater gesprochen haben hinter meinem Rücken. Und ich wünsche mir, dass sie das auch nicht mehr tun werden. Sie arbeiten für mich und nicht für ihn.“

Ich nickte und senkte den Blick. Um mich zu beschäftigen, spielte ich mit dem Glas vor mir. Das er sauer war, war zu erwarten gewesen.

„Nichtsdestotrotz würde ich vorschlagen, wir sagen Du zueinander. Egal was in der Probezeit passiert oder nicht. Während sie, oder du, damit einverstanden? Dieses Sie habe ich nämlich schon immer gehasst.“

Jetzt klang seine Stimme weicher und ich wagte ihn wieder anzusehen.

„Ein Neuanfang?“

Er nickte und streckte seine Hand quer über den Tisch. Ich ergriff sie erleichtert und mir fiel ein Stein vom Herzen.

„Melina.“

„Tyler.“

Er lächelte und ich hielt meine Hand für mein Gefühl ein wenig zu lange fest. Unser Essen kam und er ließ meine Hand wieder los. Leider, denn mir gefiel es, wie er mich ansah oder anfasste. Jedes Mal überkam mich ein Kribbeln und ich hätte mich am liebsten in seinen Augen verloren. Der Abend gestaltete sich dann doch locker und angenehm. Er erzählte mir von sich und ich ihm von mir. Nicht zu viel, sonst wäre es aufdringlich gewesen und ich hätte fast glauben können, das hier wäre ein Date gewesen. Er war mein Boss und ich seine Sekretärin und dabei sollte es auch bleiben. Er bezahlte die Rechnung und brachte mich anstandslos nach Hause. Zum Abschied warf er mir nur ein zuckersüßes Lächeln zu und wünschte mir eine gute Nacht. Dieses Mal hatte er sich eher zurückhaltend gezeigt und nicht aufdringlich. Hatte er sich meine Worte doch zu Herzen genommen? Oder lag es daran, dass wir nur wegen unserer Zusammenarbeit uns verstehen mussten? Mehr oder weniger war es mir egal. Ich konnte nur hoffen, dass wir ein gutes Team in der Arbeit wurden und uns nicht mehr in die Haare bekamen.

 

 

Es fiel mir mehr als schwer, Melina um diese eine Sache zu bitten. In den letzten Monaten hatten wir uns wirklich gut verstanden und unser Verhältnis beruhte auf einer normalen und angenehmen Ebene. Eine Art Freundschaft war zwischen uns entstanden, welche ich nicht mehr wirklich missen wollte. Ich wollte sie nicht mehr missen. Schon vorher hatte sie mich fasziniert, doch je mehr ich von ihr erfuhr, umso mehr wollte ich sie. Gerade eben hatten wir den Tagesablauf besprochen, wie jeden Tag. Würde sie meiner Bitte zustimmen und mir mitkommen? Ich hatte ein wenig Angst davor sie zu fragen und drückte nervös herum. Sie jedoch sah mich nur mit diesem gewissen Blick an und lächelte.

Ich weiß, dass du noch etwas sagen willst. Also heraus mit der Sprache.“

War ihr Verhältnis wirklich schon so gut geworden? Aber ihm erging es nicht anders. Er musste sie manches Mal nur ansehen und wusste sofort ob sie etwas bedrückte oder etwas nicht in Ordnung war.

Ich muss zu einer Hochzeit und brauche eine Begleitung.“

Noch lächelte sie.

Wen soll ich anrufen?“

Bei den letzten Feiern meines Vaters, hatte sie immer jemanden in der Hinterhand gehabt. Aber diesmal wollte ich mit keiner fremden Frau auftauchen. Ich wollte sie an meiner Seite haben. Mehr als jemals zuvor wollte ich, dass sie diejenige an meiner Seite war, welche mich dorthin begleitete. Aber wie sollte ich das angehen? Wie sollte ich ihr das schmackhaft machen? War sie überhaupt bereit mit mir irgendwo hin zu gehen, wo uns andere zusammen sehen konnten? Der kalte Schweiß brach mir aus, als ich verlegen auf meine Hände starrte.

Es handelt sich um eine Hochzeit. Ich kann nicht mit irgendwem dort erscheinen.“

Deutlich konnte ich sehen wie sie die Stirn runzelte und auf ihrem Stift herumkaute. Ich mochte es, wenn sie auf diese Art nachdachte.

Das wird nicht einfach werden. Was hast du dir vorgestellt?“

Ihre Stimme klang leiser und sie sah mich fragend an. Sollte ich sie einfach fragen und einen Korb kassieren? Das war besser, als zu schweigen und mit irgendeiner Barbie auf diese Hochzeit zu gehen. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und erwiderte ihren Blick.

Es handelt sich um die Hochzeit meines besten Freundes. Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mit mir hingehen möchtest.“

Schnell hob ich abwehrend meine Hände, als ich ihren verzweifelten Blick bemerkte.

Natürlich nur als meine Sekretärin und ohne Hintergedanken. Jeff hast du ja bereits kennengelernt und ich glaube, dass ihr euch gut verstanden habt. Zumindest kann er dich gut leiden und hat mich gebeten dich zu fragen.“

Ob ich aus dieser Sache wieder heil herauskam? Würde sie mir glauben und mitkommen? Ich wünschte es mir so sehr. Die Falten von ihrer Stirn verschwanden und sie schenkte mir ein zögerliches Lächeln.

Ich kann Jeff auch gut leiden. Seine Angetraute zwar nicht so und ich kann dir jetzt schon sagen, dass sie innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder geschieden sein werden, aber ich könnte schon mitkommen, wenn du es willst.“

Beinahe hätte ich sie vor Freude umarmt und geküsst. Wie ihre Lippen wohl schmecken würden? Schnell schob ich den Gedanken zur Seite und stieß erleichtert die Luft aus. Sie lachte nur und stand auf.

Und deshalb machst du so einen Aufstand?“

Sie schüttelte ihren Kopf und warf mir einen belustigten Blick zu.

Habe ich nicht gesagt, dass du auf keine Geschäftsessen, Meetings oder Feiern dabei sein musst?“

Hast du, aber hier geht es um eine Hochzeit und um Jeff. Ich mag ihn. Er ist ein bodenständiger und normaler Kerl, der Spaß versteht. Gerne wäre ich deine Begleitung.“

Sie verneigte sich leicht und am liebsten hätte ich sie für dieses Verhalten übers Knie gelegt. Melina sollte keinen anderen Mann ansehen oder mögen. Ich war hier vor ihrer Nase und sie behandelte mich wie einen sehr guten Freund oder Bruder. Nach den letzten Monaten mit ihr, hätte ich gerne mehr von ihr gehabt, als nur diese Floskeln.

Dann hole ich dich am Samstag um vier Uhr ab.“

Ein Grinsen befand sich in ihrem Gesicht, als sie den Block fest an ihre Brust drückte und sich wieder verneigte.

Es ist mir eine Ehre, mein Herr. Ich hoffe sie wissen, wie man eine richtige Dame behandelt.“

Ihre kleinen Anspielungen machten mich wütend. Auf ein paar Veranstaltungen war ich in den letzten Monaten gewesen und immer wieder hatte sie jemanden aufgetrieben, der an meiner Seite war. Frauen, welche ich nicht mochte und nicht wirklich beachtet hatte. Deshalb wollten standen sie auch nicht mehr zur Verfügung und hatten sich mehrmals bei Melina über mein abweisendes Verhalten beschwert. Sollten sie doch, denn ich wollte eigentlich sie an meiner Seite haben und sonst niemanden.

Du handelst dir Ärger ein, wenn du so frech bist.“

Ich warf ihr einen herausfordernden Blick zu. Aber Melina kicherte nur und eilte davon. Trotz all der Zeit, wurde ich einfach nicht schlau aus ihr. Was wollte oder brauchte sie? Welche Art von Mann gefiel ihr und hätte sie gerne an ihrer Seite? Über ihr Privatleben hatte ich bisher nur wenig herausgefunden. Sie wollte einfach nicht darüber sprechen und das stimmte mich immer wieder ärgerlich. Immerhin hatte sie Vertrauen zu mir gefunden und unser Umgang war locker und leicht. Zu wenig, wie ich fand. Aber am Samstag würde ich ihr zeigen, wie viel sie mir bedeutete. Schnell schrieb ich ihr ein Mail.

Hoffe du hast ein passendes Kleid. Wenn nicht geh einkaufen und ich zahle.“

Sofort kam eine Meldung zurück.

Daran habe ich gar nicht gedacht. Da du einen Anzug tragen wirst, werde ich schon das passende finden. Hoffentlich.“

Ich lächelte und tippte eine Nachricht zurück.

Stell die Braut nicht in den Schatten.“

Ein breit grinsendes Smiley kam zurück und ich sank erleichtert in meinem Stuhl zurück. Wir beide spielten mit heißen Kohlen. Aber es gefiel mir. Sie war so natürlich und mittlerweile schien sie bemerkt zu haben, wie ich wirklich war. Ihr anfängliches Misstrauen war verschwunden und wurde durch diese kleinen Neckereien ersetzt, welche ich so gerne mochte. Hoffentlich vergingen die restlichen Tage schnell. Ich konnte kaum erwarten sie am Samstag abzuholen um zu sehen, was sie tragen würde. Jeff würde sich freuen über ihre Anwesenheit. Ich jedoch noch viel mehr. Es war das erste Mal, dass wir gemeinsam auf eine Veranstaltung gingen.

 

 

Endlich war der Tag gekommen. Ich war so aufgeregt, dass ich alle paar Minuten auf die Toilette gehen musste. Es hatte zwei Tage gedauert, bis ich ein Kleid gefunden hatte, das mir gefiel und mir hervorragend passte. Auch der schwule Verkäufer war ganz außer sich gewesen, als ich nach gefühlten zehn Stunden dieses anprobiert hatte. Zum Glück hatte er die passenden Schuhe da und auch ein paar Accessoires. Tyler hatte mich gewarnt der Braut nicht die Show zu stehlen, doch das war mir egal. Ich konnte diese Tiffany überhaupt nicht leiden und konnte Jeff nicht verstehen, dass er ihr Mann werden wollte. War seine Menschenkenntnis wirklich so schlecht? Aber da wollte sie sich nicht einmischen. Das war ihre Sache und es war ja durchaus möglich, dass sie nicht so überheblich und komplex war, wie ich den Eindruck von ihr hatte. Mit Tyler verstand ich mich wirklich sehr gut und ich hatte mich wirklich total in ihm getäuscht. Was mir jedoch nicht gefallen hatte waren seine bisherigen Dates gewesen, welche am nächsten Tag sich fürchterlich bei mir beschwert hatten. Er wäre ignorant und hätte sie nicht einmal angesehen. Würde er das heute Abend auch tun? Würde er mich einfach in eine Ecke stellen und vergessen? Ich hoffte nicht, denn eigentlich konnte ich ihn mittlerweile mehr als nur gut leiden. Was jedoch wirklich in mir vorging, durfte er niemals erfahren. Irgendwie hatte ich mich in ihn verschossen. Das war passiert, nachdem ich ihn immer besser kennengelernt hatte. Deshalb war ich auch so aufgeregt heute. Das war unser erster Auftritt bei einer Party. Dieses Mal hatte er wirklich mich ausgewählt und hatte sich dabei angestellt wie ein kleines Kind. Aber was, wenn es nur wegen Jeff war und der Tatsache, dass wir uns leiden konnten? Fertig hergerichtet stand ich vor dem Spiegel und versuchte mir Mut zuzureden.

„Das ist nur eine Hochzeit eines vielleicht gemeinsamen Freundes. Das hat nichts zu bedeuten und es wird lustig und schön werden. Tiffany hin oder her.“

Ich richtete mir noch einmal meine Haare und bewunderte meine großen Locken, welche auf meinen Schultern ruhten. Meine Handtasche hatte ich in den letzten drei Stunden fünfmal neu gepackt und ich war mir noch immer nicht sicher, ob ich alles dabei hatte. Aber was brauchte ich auch schon großartig? Sicherheitshalber hatte ich mir Geld für ein Taxi eingesteckt. Tyler würde mich zwar abholen, aber auf dem Fest sicherlich einiges Trinken. Also würde ich irgendwie nach Hause kommen müssen. Gerade als ich zur Uhr blicken wollte, klopfte es an der Tür. Wie immer war er pünktlich. Ich zog mir schnell die Schuhe an, schnappte meine Tasche und einen Überwurf, sollte es kühler werden am Abend. Tyler sah verdammt gut aus in seinem schwarzen Anzug mit Krawatte. Sein Blick glitt jedoch bewundern über meinen Körper und er bekam kaum Luft. Immer wieder klappte sein Mund auf und wieder zu, ohne das er etwas sagte. Der schwule Verkäufer hatte wohl doch Recht gehabt.

„Willst du da stehenbleiben und mich anstarren, oder fahren wir?“

Ich lachte und schlang den Überwurf über meine Schultern. Nur langsam hob sich sein Blick und er sah mir in die Augen.

„Die Braut wird dich hassen.“

Ich verneigte mich und hackte mich bei ihm unter.

„Das sind natürlich genau die Komplimente, die eine Frau hören will. Du solltest wirklich mehr üben.“

Schnell schloss ich die Tür und versperrte sie, bevor wir die Treppe hinunter gingen. Noch immer sagte Tyler kein Wort. Er führte mich zum Wagen, öffnete mir die Tür und ich stieg ein. Als er hinter dem Lenkrad saß, holte er tief Luft und startete den Wagen. Ich fand seine Reaktion mehr als nur witzig und lächelte süffisant.

„Jetzt weiß ich was ich im Büro anziehen muss, um dich stumm zu machen.“

Sofort sah er mich an. Lag da etwas bedrohliches in seinem Blick? Ich musste noch mehr Lachen und machte es mir auf dem Sitz bequem.

„Jetzt hör schon auf. Du tust so, als würden die Frauen, mit denen du sonst ausgehst, nicht so aussehen.“

Deutlich konnte ich sehen, wie er das Lenkrad fester packte und sich auf den Verkehr konzentrierte. Seine Stirn kräuselte sich leicht und er biss sich auf die Lippen. Hatte ich etwas Falsches gesagt? So reagierte er nur, wenn er verärgert war. Hatte ich ihn mit dieser Aussage etwa verärgert? Sofort überkamen mich Gewissensbisse und ich legte eine Hand auf seinen Rechten Oberarm.

„Tut mir leid.“

Ich meinte es ernst und er nickte nur einmal und konzentriere sich weiterhin auf den Verkehr. Das hatte ich wohl mit meiner ach so dämlichen Art verbockt. Ob der Abend wohl noch schön werden würde? Nachdem wir endlich das Haus von Jeff erreicht hatten, öffnete Tyler mir die Tür und hielt mir hilfreich seine Hand hin. Ich ergriff sie sofort und stieg aus. Er verschränkte meine Hand mit seiner und legte mir die andere auf die Hüfte. Noch immer biss er sich auf die Lippen und sagte kein Wort. Das würde ich wohl später wieder gutmachen müssen. Ich wollte nicht, dass er sauer auf mich war. Wir besuchten eine Hochzeit und eigentlich sollte er fröhlich sein und lächeln. Gemeinsam betraten wir das riesige Anwesen. Die Party fand im Garten statt. Noch schien die Sonne, doch diese würde bald untergehen. Tyler wurde von vielen Leuten begrüßt und es dauerte nur Sekunden, bis er mich losließ und ich alleine dastand. Anscheinend hatte er keine Lust mich seinen Freunden und Bekannten vorzustellen. Auch gut, denn darauf hatte ich nicht wirklich Lust. In der gehobenen Gesellschaft hatte ich mich noch nie wohl gefühlt. Ich erblickte seinen Vater, der mir lächelnd zuwinkte. Ich ging zu ihm und begrüßte ihn.

„Ich wusste gar nicht, dass sie auch hier sind?“

Seine Frau stand daneben und beide lachen sie.

„Jeff ist wie ein eigener Sohn für uns gewesen. Das lassen wir uns doch nicht entgehen. Wie gefällt es ihnen in ihrem neuen Job?“

„Danke, recht gut. Hoffentlich gab es keine Beschwerden in der Zwischenzeit.“

Victor Winston schüttelte den Kopf.

„Ganz im Gegenteil. Seitdem sie meinem Sohn helfen, scheint es viel besser geworden zu sein. Machen sie nur so weiter.“

Ich nickte und wandte mich an seine Frau, um sie zu begrüßen. Diese zog mich gleich in eine Umarmung und tätschelte mir den Rücken.

„Ich freue mich endlich sie kennen zu lernen. Ich habe schon so viel von ihnen gehört.“

Ich sah sie verwundert an, doch sie blickte nur hinter mich. Plötzlich wurde ich von hinten gepackt und herumgewirbelt.

„Da ist sie ja.“

Es war Jeff. Sein Verhalten war mir ein klein wenig peinlich und ich entzog mich ihm schnell.

„Die einzige Frau die du so umarmen darfst, ist deine zukünftige Braut.“

Ich schlug ihm spielerisch und leicht auf den Oberarm. Er keuchte und trat einen Schritt zurück.

„Seht ihr das? Ihr beiden seid meine Zeugen. Sie ist so gemein zu mir.“

Eingeschüchtert blickte ich zu Tylers Eltern, welche nur lachten. Diese Familie und ihre Freunde waren wirklich nur einzigartig und nicht so, wie ich mir die gehobene Gesellschaft vorgestellt hatte. Waren sie die Ausnahme?

„Wo hast du Tyler gelassen?“

Schnell blickte ich mich um und deutete in verschiedene Richtungen.

„Ich, ähm, habe keine Ahnung.“

Er lächelte und hackte sich bei mir unter.

„Dann kann ich dich wenigstens zu einem Getränk entführen.“

„Aber gerne doch mein Herr.“

Ich verneigte mich vor ihm und entschuldigte mich schnell bei Tylers Eltern, bevor ich auch schon weiter geschleift wurde. Etliche Hände musste ich schütteln und kurze Konversation führen, bevor ich endlich ein kaltes Glas Sekt in der Hand hielt. Das war so nicht ausgemacht gewesen. Auch fragte ich mich, ob ich Jeff jetzt wirklich noch leiden konnte. Als wir abseits von den anderen standen, warf ich ihm einen bösen Blick zu.

„War das wirklich notwendig? Du weißt wie sehr ich das hasse.“

Er kicherte jedoch nur und prostete mir zu.

„Willkommen in unserer Welt.“

Leicht verdrehte ich meine Augen und wandte mich von ihm ab.

„Warte nur bis Tiffany davon erfährt. Die zieht dir die Ohren lang.“

„Die ist oben und wartet auf den Beginn der Zeremonie. Willst du ihr nicht Hallo sagen?“

Schnell schüttelte ich den Kopf und sah ihn erschrocken an.

„Sei mir nicht böse, aber ich habe dir schon gesagt, was ich von ihr und ihrem Verhalten halte.“

Sein Lächeln verschwand und er nippte an seinem Glas.

„Du verstehst nicht, um was es wirklich geht. Ich würde auch lieber jemanden wie dich heiraten, als sie. Aber es geht leider nicht anders.“

Bevor ich nachfragen konnte, was er damit meinte, eilte er davon und verschwand in der Menge. Was das hier nur eine Hochzeit des Geldes und des Anstandes wegen? Ich zog mich etwas zurück und beobachtete die Menschen, welche eingeladen worden waren. Ein paar kannte ich aus dem Fernsehen. Die anderen überhaupt nicht.

„Warum stehst du hier so alleine? Misch dich unters Volk.“

Tylers Mutter stand plötzlich neben mir.

„Ich kenne fast keinen von der Gesellschaft und die anderen nur aus den Medien. Worüber sollte ich mich als einfache Sekretärin schon mit ihnen unterhalten?“

Sie legte eine Hand auf meinen Arm und drückte sanft zu.

„Das wird schon. Mir ergeht es auf diesen Veranstaltungen nicht anders. Mehr als die Hälfte kenne ich nicht. Ich kenne nicht einmal die Eltern der Braut.“

Ich warf ihr einen mehr als überraschten Blick zu. Sie jedoch lächelte nur und ließ ihren Blick schweifen.

„Ich stamme auch nicht aus diesen Kreisen und habe solche Veranstaltungen immer gehasst. Deshalb ziehe ich mich immer schnell zurück. Das fällt nur meinem Mann auf. Den anderen ist es sowieso egal. Ich wette, das die Hälfte hier nicht einmal meinen Vornamen weiß.“

Sie lächelte noch immer und drückte meine Hand fester.

„Den weiß ich auch nicht. Verzeiht.“

Sie sah mich an und fing zu Lachen an.

„Wie denn auch? Wir begegnen uns erst das erste Mal. Die anderen kenne ich schon seit Jahren. Ihre Namen, ihre Gesichter und alles andere. Aber sie haben mich niemals wirklich wahrgenommen. Sie würden mich nicht einmal auf der Straße wiedererkennen.“

Ich schluckte und trat einen kleinen Schritt zur Seite.

„Und das stört sie nicht?“

Traurig sah sie mich an.

„Und wie. Aber was soll ich dagegen machen? Sie sehen nur Vincent und sein Geld.“

Da hatte sie Recht und mir erging es heute nicht anders. Im Vordergrund stand Tyler und nicht ich. Ich war auch nur seine Sekretärin. Mit vielen von diesen Menschen telefonierte ich jeden Tag und versuchte ihre Termine zu vereinbaren. Aber keiner von ihnen würde mich jemals als Mensch wahrnehmen. Es war wohl doch nicht so gut gewesen mit ihm heute her zu kommen. Tyler hatte ich seit unserer Ankunft hier nicht mehr gesehen. Er befand sich irgendwo in dieser Menschenmenge und begrüßte Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen. Sofort fühlte ich mich fehl am Platze. So sehr hatte ich mich auf dieses Fest gefreut, doch mir war mit einem Schlag klar geworden, dass dies hier alles falsch war. Ich gehörte hier nicht her.

„Wo sind die Toiletten?“

Tylers Mutter beschrieb mir den Weg und schon war ich weg. Dort angekommen, schloss ich mich ein und versuchte tief Luft zu holen. Ich habe schon immer gewusst, warum ich nichts mit dieser Gesellschaft zu tun haben wollen. Genau aus diesem Grund hasste ich auch solche Feiern und Veranstaltungen. Ich wollte es wegen Tyler und Jeff tun, doch ich hätte absagen sollen. Auf der anderen Seite was hätte ich zu Hause schon getan? Ich wäre vor dem Fernseher gesessen und hätte irgendwann eingeschlafen. Das klang noch immer besser, als das hier. Wer wusste schon, wie sich das ganz noch entwickelte. Ewig konnte ich mich hier nicht verstecken. Sicherlich wollten noch andere auf die Toilette müssen. Also wusch ich schnell meine Hände und verließ den Raum. Wie zu erwarten, standen schon zwei ältere Frauen davor und warfen mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Ich ging zurück nach draußen. Alle saßen auf ihren Plätzen und warteten auf die Braut. Es dauerte auch nur Sekunden, bis die Musik einsetzte und diese aus dem Haus stolziert kam. Mir wurde leicht übel, während ich mich noch weiter zurückzog. Tyler war nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich saß er irgendwo auf einem der Stühlen. Jeff wandte sich zu seiner Braut um. Die gemischten Gefühle waren ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Das war nur eine Hochzeit auf Zeit und nur zustande gekommen, weil es die obere Gesellschaft so wollte. Ob ich mit zwei Jahren wirklich richtig gelegen hatte? So wie er aussah, würde diese Vermählung nicht einmal ein Jahr halten. Die Braut schritt an den Altar und reichte Jeff ihre Hand. Die Zeremonie begann und noch immer stand ich alleine im Hintergrund unschlüssig da. Tyler hatte mich zwar eingeladen, doch eigentlich würde ich auch einfach verschwinden können, ohne dass es jemanden auffiel. In meiner Nähe standen ein paar Kellner und ich holte mir noch ein Glas Sekt, welches ich mit einem Zug leerte und im Haus verschwand. Gerade als ich das Wohnzimmer durchqueren wollte, wurde ich an der Hand gepackt und aufgehalten.

„Wo warst du und wo willst du hin?“

Tyler zog mich an sich und ich sah ihn erschrocken an.

„Ich gehöre nicht hier her. Das ist nicht meine Welt und wird es niemals sein. Bitte lass mich einfach nur gehen. Du hättest mit jemand anderen kommen sollen.“

Verzweifelt versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien, doch er griff mit seiner freien Hand nach meiner Schulter und schüttelte den Kopf.

„Was ist vorgefallen?“

Er wirkte säuerlich und hatte seine Stirn in Falten gezogen.

„Gar nichts. Nur die Wahrheit hat mich eingeholt. Bitte.“

Flehentlich und mit Tränen in den Augen sah sie ich ihn an. Ich wollte so schnell wie möglich hier weg und mir war dazu alles Mittel recht dazu.

„Und wenn ich nicht will, dass du gehst?“

Ich sah ihm kurz in die Augen und zog dann sogleich meinen Kopf ein.

„Tu mir das nicht an. Ich kenne nur dich, deine Eltern und Jeff. Lass mich gehen.“

Sein Griff wurde fester und er zog mich noch näher an sich heran.

„Du kannst mich doch nicht alleine hier lassen.“

Plötzlich erklang lauter Jubel an ihre Ohren und es wurde wild geklatscht. Anscheinend war die Hochzeit vollzogen worden und der Kuss war erfolgt. Seufzend hob ich meinen Blick und sah Tyler mehr als nur flehentlich an.

„Ich hätte nicht mitkommen dürfen. Bitte lass mich gehen.“

Jemand betrat lachend das Wohnzimmer und er ließ mich los. Ich trat schnell einen Schritt zurück, bevor Jeff ihn umarmte und sich dann zu mir wandte. Auch er umarmte mich, während Tiffany mich mehr als nur wütend anstarrte. Meine Hände hingen einfach nur hinab, bevor er mich wieder losließ, seine Frau schnappte und nach draußen eilte.

„Wir sehen uns in drei Wochen wieder.“

Winkend verschwand er und ich blickte ihnen sehnsüchtig hinterher. Ihnen war es wenigstens gestattet den Rückzug anzutreten. Aber was hinderte mich daran? Es war Tyler und sein seltsamer Blick. Seine Eltern und noch andere strömten in den Raum und wir wurden mehr oder weniger mit der Menge mit nach draußen gerissen. Die Gäste schrien dem Brautpaar zu, winkten, unterhielten sich und lachten, bis sie nicht mit ihrem Wagen verschwunden waren. Natürlich waren sie von einer weißen Limousine abgeholt worden. Da man mich zur Seite gedrängt hatte, blickte ich mich sofort sehnsüchtig nach einem Taxi um. Es standen auch einige gleich in der Nähe. Ich musste nur warten, bis alle wieder ins Haus gingen, dann würde ich in eines von ihnen einsteigen und entfliehen können. Doch da hatte ich mich gründlich verschätzt. Eine Hand schlang sich um meine Taille und ich wurde festgehalten.

„Wage es ja nicht.“

Ich blickte zu Tyler, der neben mir stand und mich mehr als nur warnend ansah. Wieso konnte er nicht verstehen, dass ich mich in diesen Kreisen unwohl fühlte? Dass ich lieber zu Hause auf meiner einsamen Couch saß und in den Fernseher glotzte? Selbst auf einer Hochschaubahn würde es mir jetzt besser gefallen als hier, obwohl ich diese auch nicht ausstehen konnte. Verzweifelt versuchte ich mich von ihm zu befreien.

„Tyler, kommt ihr?“

Er nickte und packte mich fester. Dieser Mistkerl. Das würde er noch büßen. Ich wagte noch einen letzten Versuch auf seine Vernunft zu appellieren.

„Nicht.“

 

 

Ich konnte sie nicht gehen lassen. Nicht jetzt und nicht in diesen aufgelösten Zustand. Ihr gefiel es genau so wenig hier, wie mir. Aber was hätte ich tun sollen? Wenigstens einen Tanz könnte sie mir doch schenken, bevor wir von hier verschwanden. Schon vorher hatte ich nicht vorgehabt all zu lange hier zu bleiben. Deshalb hielt ich sie fest und presste ihren Körper an meinen. Wir waren wie für einander geschaffen. Was ich mich jedoch fragte war, warum sie plötzlich so abweisend reagierte und fliehen wollte. Wer von den Gästen hatte mir ihr gesprochen und sie verunsichert? Denn das war sie. Mehr als dass, sie zitterte regelrecht in seinem Arm, als ich sie mit den anderen zurück in den Garten brachte. Die Musik spielte bereits und das Essen stand bereit.

Essen oder Tanzen?“

Sie sah mich verzweifelt an und schüttelte ihren Kopf.

Nach Hause?“

Ich blieb stehen und sah ihr fest in die Augen.

Sobald du mit mir getanzt hast. Versprochen.“

Ich wollte ihre Wange streicheln, sie küssten, doch ich konnte es nicht. Ich wagte es nicht. Also sah ich sie einfach nur an und wartete auf ihre Antwort.

Nur ein Tanz und dann kann ich nach Hause?“

Ich nickte und zog sie schnell zur Tanzfläche, bevor sie es sich anders überlegen konnte.

Ich fahre dich. Essen können wir unterwegs besorgen, wenn du Hunger haben solltest.“

Sie nickte zögerlich und blickte sich ängstlich um. Das Lied endete und ein neues fing an. Zu meinem Leidwesen war es ein Walzer und kein langsames Lied. Ich hätte wohl vorher mit der Kapelle sprechen müssen. Aber egal. Ich würde einfach nehmen, was sie bereit war mir zu geben. Ich griff nach ihrer Hand und hielt meine Hand auf ihrem Rücken. Ich hielt sie fest aus Angst, sie würde mir davon laufen. Das Kleid stand ihr mehr als nur perfekt und ich hatte noch nie eine schönere Frau in meinem Leben gesehen. Sie hatte sogar ihre Haar gewellt und trug nur ganz wenig Make up. Ich war regelrecht verzaubert von ihrem Aussehen. Als ich sie abgeholt hatte, hatte sie noch gestrahlt und gelächelt. Jetzt wirkte sie nur verunsichert und ängstlich. Das war wirklich nicht ihre Welt. Genau so wenig wie meine, aber ich konnte mich nicht von solchen Veranstaltungen fern halten. Ich wirbelte sie im Kreis, folgte dem Takt der Musik und ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Von Sekunde zu Sekunde entspannte sie sich mehr und sie wurde ein wenig lockerer. Doch ich hatte ihr versprochen von hier zu verschiwinden und dieses Versprechen würde ich auch halten. Sie sah mich die ganze Zeit an und klammerte sich fest an mich. Sie konnte verdammt gut Walzer tanzen. Ob sie noch andere Tänze konnte? Während ich mich das fragte, endete das Lied und wir blieben stehen. Melina hatte sicher genau so Hunger, wie ich. Ich zog sie enger an mich und flüsterte in ihr Ohr.

Wir verschwinden jetzt. Aber der Abend ist noch nicht vorbei.“

Deutlich konnte ich spüren wie sie erschauderte, bevor ich ihre Hand fester umklammerte und sie Richtung Ausgang zog. Dabei achtete ich darauf, dass uns niemand sah und wir ungehindert entkommen konnten. Als wir endlich in meinem Wagen saßen, holte ich erleichtert tief Luft. Zusammengesunken saß sie neben mir und blickte zum Fenster hinaus. Sie würde mich aber nicht so schnell los werden. Ich wollte noch länger ihren bezaubernden Anblick genießen und fuhr deshalb zum Salsa Club, wo ich schon lange nicht mehr gewesen war.

Das ist aber nicht mein zu Hause.“

Ich nickte und zog sie sanft zum Eingang des unscheinbaren Lokals.

Sagte ich nicht etwas von essen vorher?“

Hier?“

Sie blickte sich eingeschüchtert um und klammerte sich fester an mich. Wir betraten einen kleinen und düsteren Vorraum. Eine dicke dunkelhäutige Frau saß hinter einem Tisch und begrüßte sie herzlich. Ich zahlt und schob Melina durch einen dicken Vorhang hindurch. Sofort drang laute Musik an unsere Ohren. Ihre Augen weiteten sich, während sie die Tänzer auf der Tanzfläche betrachtete. Ich jedoch suchte nach einem freien Tisch, der etwas abgelegen lag. War nicht so schwer, denn die meisten saßen direkt an der Tanzfläche. Nachdem wir Platz genommen hatten, bestellte ich unsere Getränke und sah sie wieder an. Ihr Blick war noch immer auf die Tanzfläche gerichtet. Dazu hatte sie sogar ihren Stuhl verrückt und nun saß sie genau neben mir.

Gefällt es dir hier besser?“

Ich hätte nicht fragen brauchen, denn ich konnte deutlich ihren aufgeregten Blick und ihre leicht geröteten Wangen sehen.

Woher kennst du diese Bar?“

Ich lächelte und griff nach ihrer Hand, um sie sanft zu drücken.

Jeff ist Stammkunde hier und hat mich ein oder zweimal mitgenommen.“

Wie in Trance nickte sie, während sie noch immer den Tanzenden zusah. Eine Kellnerin brachte ihre Getränke und ich bestellte noch schnell etwas zu Essen. Es gefiel mir, dass sie wieder zu neuem Leben erwacht war und ihre Wangen regelrecht zu Glühen anfingen. Ich mochte es zu beobachten und lehnte mich leicht zurück. Das Essen kam schnell und sie blickte mich wieder an.

Schmeckt das gut?“

Ich nickte und widmete mich meinem Essen. Auch sie aß schnell und genussvoll, während sie immer wieder zur Tanzfläche blickte. Sie brauchte doppelt so lange wie ich für ihre Portion, da sie total abgelenkt war. Lächelnd trank ich aus und wartete, bis sie endlich fertig war mit dem Essen.

Und? Geschmeckt?“

Sie nickte, sah mich aber nicht an. Die letzten Monate waren so gut zwischen ihnen gelaufen. Das wollte ich auf keinen Fall wegen dieser verdammten Hochzeit aufs Spiel setzen. Ich stand auf und hielt ihr meine Hand hin. Überrascht sah sie mich an.

Was?“

Ich griff einfach nach ihrer Hand und zog sie auf die Beine.

Jetzt werden wir tanzen.“

Ich sah den Schrecken in ihren Augen, doch sie ließ zu, dass ich sie zur Tanzfläche zog.

Ich kann das aber nicht.“

Dann zeige ich es dir.“

Ich steuerte einen Platz auf der Tanzfläche an, welcher nicht so überfüllt war und ein ein wenig dunkler war. Auf keinen Fall wollte ich, dass sie sich blamierte oder unwohl fühlte. Ich versuchte ihr die Schritte zu zeigen, was sie tun musste und sie achtete sehr darauf, was ich tat und die anderen um uns herum. Es dauerte nicht lange, bis eine Latinofrau sich ihr näherte und sie einfach packte und versuchte ihr zu helfen. Wenigstens lachte sie und war eifrig dabei zu lernen. Schon bald hatte sie die Grundschritte intus und die Frau nickte ihr aufmunternd zu. Aber es dauerte nicht lange, bis die ersten Männer sich um Melina scharrten. Das gefiel mir weniger. Ich drängte mich an sie und packte sie von hinten an der Hüfte. Alle hier sollten wissen, dass sie zu mir gehörte und nicht mehr zu haben war. Und sie hielten auch sofort Abstand zu ihr. Die Frau flüsterte ihr etwas ins Ohr und lachte, bevor sie sich wieder ihrem Partner widmete. Melina drehte sich um, sodass sie mich ansehen konnte und legte ihre Hände auf meine Schultern.

Was hat sie gesagt?“

Das möchte ich nicht wirklich wiederholen.“

Sie strahlte noch mehr und ich zog ihre Hüfte an meine, um besser mit ihr Tanzen zu können. Wie verdammt schnell sie doch gelernt hatte. Ihr Körper schmiegte sich geschmeidig an meinen und ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Nichts hatte ich mir lieber gewünscht, als das hier. Melina in meinem Armen, lächelnd, glücklich und ihr Körper an meinen geschmiegt. Dies war wieder ein großer Punkt für mich. Vergessen schien sie die Hochzeit zu haben und die Dringlichkeit wieder nach Hause zu kommen. Ich drehte sie im Kreis und sie sah mich mit einem wundervollen Funkeln in ihren Augen an. Als das Lied endete, wedelte sie sich ein wenig Luft zu und deutete zu ihrem Tisch. Ich folgte ihr und sie sank seufzend auf den Stuhl. Die Kellnerin brachte uns sofort frische Getränke.

Du lernst schnell.“

Sie lachte und winkte ab, während sie trank.

Es sieht so einfach aus, ist es aber nicht. Es ist total anstrengend.“

Willst du noch bleiben, oder soll ich dich nach Hause bringen?“

Melina schüttelte ihre Locken und blickte zu einem Latinomann, der lächelnd auf sie zuging. Sie stand sofort auf und verschwand mit ihm zur Tanzfläche. Das hatte ich eigentlich nicht geplant. Aber Eifersucht stand mir nicht zu. Ich hatte auch nicht das Recht dazu. Ich saß einsam an meinem Tisch, während sie mit ihrem bezaubernden Kleid über die Tanzfläche wirbelte und einem nach dem anderen weitergereicht wurde. Die Frau von vorhin, zeigte ihr ein paar neue Tanzschritte, welche sie schnell konnte und sich schon in den Armen eines anderen Mannes befand. So wie ich schienen sie alle zu wissen wie einzigartig und außergewöhnlich sie war. Wenn ich nicht aufpasste, würde sie heute noch mit einen dieser Männer nach Hause gehen. Ich bezahlte die Rechnung und ging zur Tanzfläche. Als sie gerade einmal wieder herumgewirbelt wurde, schnappte ich sie mir und warf ein kurzes Nicken dem Mann zu, der sie mir übergab. Er lächelte und verschwand sofort in der Menge. Deutlich konnte ich spüren, wie schnell ihr Herz schlug.

Bleiben oder ein wenig frische Luft schnappen?“

Sie keuchte und klammerte sich erschöpft an mich.

Luft.“

Lachend nickte ich und brachte sie hinaus auf die Straße. Sie streckte ihre Arme weit aus und drehte sich ein paar Mal im Kreis.

Das war toll. Ich hab noch nie Salsa oder was auch immer getanzt. Einfach nur berauschend war das. Ich muss meinen Arbeitskollegen diesen Tipp geben.“

Wir gingen die Straße entlang und ich war mehr als glücklich, ihr nach diesem Desaster so viel Freude gemacht zu haben.

Die Firmenfeier steht bald an. Wie wäre es diese hier abzuhalten oder eine Salsa Band zu organisieren?“

Ganz genau. Und ich sehe schon das entsetzte Gesicht deines Vaters und den andere reichen Typen schon genau vor mir.“

Sie machte einen Wechselschritt und betrachtete ihre Füße. Mir kam sie in diesem Moment vor wie ein kleines Kind, welches ausgelassen und glücklich war. Ich konnte den Abend also doch noch retten.

Hey, schon vergessen? Ich bin der Firmenchef und was ich sage geschieht. Mir ist egal was mein Vater oder all die anderen denken.“

Sie grinste mich an und tänzelte neben mir über die Straße.

Ich würde dieses Fest gerne veranstalten. Aber nur, wenn ich deine Unterschrift bekomme und mir nichts passiert. Etlichen aus deinem Verwandten Kreise wird das sicher nicht gefallen.“

Ich schnappte sie mir, wirbelte sie herum und drückte sie fest an mich.

So lange du bei dieser Feier so strahlst wie jetzt, nehme ich alle Schuld auf mich.“

Sie kicherte und legte eine Hand auf meine Brust.

Das sagst du jetzt. Warten wir es einfach ab.“

Beschwingt entzog sie sich mir und winkte nach einem Taxi. Nach Luft ringend, sah sie mich an.

Jetzt bin ich wirklich müde und will nach Hause.“

Natürlich brachte ich sie nach Hause, damit ihr nichts geschah. Ich bezahlte das Taxi und brachte sie bis vor ihre Haustür. Mein Wunsch war es sie ins Bett zu bringen und sie langsam aus diesem Kleid zu schälen, aber ich hielt mich zurück und legte nur eine Hand auf ihre Wange.

Wir sehen uns am Montag.“

Sie nickte und wurde leicht rot im Gesicht.

Wäre das ein Date, hätte ich dich jetzt hereingebeten. Aber du bist mein Boss und das schickt sich nicht.“

Etwas zog sich schmerzlich in meiner Brust zusammen. Hätte sie das wirklich getan? Innerlich ärgerte ich mich jetzt, doch ich streichelte über ihre Wange und trat einen Schritt zurück.

Das Kleid steht dir mehr als nur gut und ich hoffe, dass ich es noch einmal an dir bewundern kann.“

Sie lächelte und schüttelte den Kopf.

Bei der Firmenfeier, brauche ich schon etwas bequemeres. Immerhin muss ich die Leute begrüßen und einweisen. Da wartet nur Arbeit auf mich.“

Gut zu wissen. Ich würde einfach ein paar Leute organisieren, welche ihr die Arbeit abnahmen.

Das wird nicht der Fall sein müssen. Ich brauche dich an meiner Seite. So wie ich die heute gebraucht hätte.“

Sie öffnete ihre Tür und betrat leicht schwankend ihre Wohnung. Wie viel hatte sie getrunken?

Ruf mich morgen an. Wir können dann gerne über alles sprechen, aber nicht jetzt. Ich glaube ich sollte jetzt schlafen gehen, bevor ich noch etwas sage oder tue, das unser Verhältnis zerstört.“

Sie schmunzelte verschmilzt und warf die Tür vor meiner Nase zu. Was hatte sie damit gemeint? Sein Herz machte einen Sprung, während er etwas ungläubig auf die Tür starrte. Was hätte sie getan, was ihre Beziehung zerstören würde können? Mir fiel nichts ein, was das könnte. Mir fielen sogar ganz andere Dinge ein, welche ich mit ihr getan hätte. Aber ich zog mich zurück und ging die Treppe hinab.

Tyler?“

Ich blieb sofort stehen und wandte mich um. Melina stand in der Tür und sah mich voller Verlegenheit an.

Danke für diesen doch dann wundervollen Abend.“

Ich wollte sie so sehr, dass ich die wenigen Stufen nach oben lief und sie am Genick packte und sie in ihre Wohnung drängte. Sie sah mich mit großen Augen an, bevor meine Lippen ihre eroberten. Sie schmeckte nach Wein und Sekt, doch ihr leises Seufzen an meinem Mund, ließ mich erschaudern. Ich entzog mich ihr wieder und sah ihr fest in die Augen.

Ich rufe dich morgen an und dann kommst du zu mir. Ich lasse dich abholen mit einem Taxi und ich koche uns etwas. Dann können wir uns über diese dämliche Feier unterhalten wenn du willst.“

Mehrmals schnappte sie nach Luft, währen sie irritiert blinzelte. Sie war von meinem Kuss genau so überrascht gewesen wie ich.

Ist gut.“

Sie nickte leicht und entzog sich meinem Griff. Am liebsten hätte ich sie auf der Stelle genommen, aber das hätte sie mit Garantie nicht zugelassen.

Gute Nacht.“

Ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und verschwand. Das war besser so, sonst hätte ich etwas getan, dass ihr nicht gefallen hätte. Die Initiative musste von ihr ausgehen und nicht von mir.

 

 

Ich hatte nicht viel getrunken und konnte mich deshalb deutlich daran erinnern was gestern geschehen war. Tyler hatte mich nach einem dann doch gelungenen Abend nach Hause gebracht und mich geküsst. So richtig geküsst. Zwar nur sehr kurz, doch er hatte es einfach getan. Um mich abzulenken, hatte ich den Fernseher eingeschaltet. Doch ich hatte noch immer das Gefühl, dass meine Lippen von diesem Kuss regelrecht brannten und geschwollen waren. Mein Handy gab ein leises Vibrieren von sich. Ich griff danach und las sie kurze Mitteilung.

Schon wach?“

Es war Tyler der mir schrieb. Ich hatte ihm versprochen mich mit ihm heute zu treffen oder zumindest die Sache mit der Firmenfeier zu besprechen. Das hätte ich vielleicht nicht tun sollen. Eigentlich hatte ich Abstand halten wollen zu ihm. Aber das fiel mir schwerer, als angenommen. Ich tippte ein „Ja, leider“ zurück und sank zurück auf meine Couch. Was hatte ich nur getan? Wie hatte ich seinen Kuss nur erwidern können? Das Verhältnis zwischen uns würde jetzt nur noch angespannt sein und ein Haufen Probleme mit sich ziehen. Aber sollte ich gleich meinen Job aufgeben und meinen alten wieder annehmen? Mein Handy piepste und ich las seine Nachricht.

So viel hast du gar nicht getrunken. Willst du dich heute noch mit mir treffen, oder willst du alleine sein?“

Ich seufzte und versuchte mir zu überlegen, was ich ihm schreiben sollte. Auf der einen Seite wollte ich zu Hause bleiben, auf der anderen Seite vermisste ich seine Anwesenheit. In den letzten Monaten hatte ich mich so a ihn gewöhnt, dass ich ihn lieb gewonnen hatte. Mehr als das. Irgendwie hatte ich mich in ihn verknallt. Zumindest ein klein wenig.

„Mag einerseits zu Hause bleiben, aber wir müssen wegen dem Fest sprechen.“

Ich drücke auf senden und schlug mir sofort eine Hand auf die Stirn. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Es dauerte nicht lange, bis eine Antwort zurück kam.

Besprechung bei mir? Ich koche und schicke dir Taxi. Du kannst ablehnen.“

Ich las seine Nachricht ein zweites Mal und holte tief Luft. Natürlich konnte ich ablehnen, aber wollte ich das wirklich? Mehrmals versuchte ich einen Text zu verfassen, löschte ihn aber immer wieder. Frustriert starrte ich zum Fernseher. Dort gab es auch niemanden, der mir hätte eine Antwort auf diese Frage geben hätte können. Nur wegen ihr, wollte er kochen? Das war doch absurd. Männer kochten doch nicht. Oder doch? Ich tippte eine neue Nachicht und schickte sie ab.

„Wegen mir musst du nicht kochen.“

Das klang neutral und nicht zu aufdringlich. Sofort schrieb er zurück.

Bist du schon wieder zickig? Ich kann wenigstens kochen und es würde dir sogar schmecken. Aber wenn du nicht kommen willst, dann sag es einfach. Wir können auch gerne das Fest in der Firma planen.“

Oje, das war eine Antwort, welche ich nicht erwartet hatte. Das klang mehr als nur säuerlich und beleidigt. So gut kannte ich ihn mittlerweile schon.

„Wer ist jetzt die Zicke? Ich habe weder abgelehnt noch zugesagt.“

Ich schickte die Nachricht ab und bekam nur ein Smiley zurück, welches mir die Zunge zeigte. Anscheinend wollte er sich schon wieder mit mir anlegen. Grinsend tippte ich eine weitere Nachricht ein.

„Sag mir zuerst, was du kochen würdest, dann überlege ich es mir.“

Es dauerte eine Weile, bis eine Nachricht zurückkam.

Was isst du gerne? Aber ich könnte uns Pizza machen. Keine tiefgefrorene, sondern eine selber gemachte. Oder Spaghetti, Steaks oder was immer du gerne hast. Kann auch Essen bestellen, wenn du meinen Kochkünsten nicht vertraust. Bin flexibel.“

Das war sehr rücksichtsvoll von ihm. Wollte ich wirklich zu ihm heute und den Tag in seiner Wohnung verbringen? Nach dem Kuss von gestern, war ich mir da nicht ganz sicher. Ich wollte keine von vielen sein in seinem Leben. Keine seiner Bekanntschaften, welche er mit einem Essen verführte und wir anschließend im Bett landeten. Natürlich hatte ich nichts dagegen, aber er war noch immer mein Boss und ich sollte eigentlich an diese Dinge denken.

„Ohne Erwartungen? Nur ein Essen mit Besprechung?“

Ich wollte die Nachricht schon abschicken, löschte sie aber schnell wieder. Das klang mehr als nur hart und abwertend.

„Wann soll ich da sein und was soll ich mitbringen?“

Bevor ich darüber nachdenken konnte, hatte ich die Nachricht schon abgeschickt.

In zwei Stunden holt dich ein Wagen ab. Ich gehe schnell einkaufen und zaubere dir ein leckeres Essen. Hoffe du trinkst Wein, Sekt, Bier oder Fruchtsaft. Was anderes habe ich nicht zu Hause.“

Ich lächelte und konnte nicht glauben, wie bereitwillig er wollte, dass ich zu ihm nach Hause kam. Dort war ich noch nicht gewesen und ich war schon mehr als neugierig darauf.

„Ist in Ordnung, aber erwarte dir nicht zu viel. Ich werde schlicht gekleidet kommen und es mir so richtig gemütlich machen bei dir.“

Ich grinste und ging mit meinem Handy in der Hand ins Badezimmer.

Trage eine Jogginghose und ein Shirt. Schlicht genug?“

Ich liebte unsere Neckereien, aber er hatte mich gestern geküsst und das stand wie eine dunkle Wolke über mir.

„Sehr sexy als Chef. Aber gut zu wissen. Ich werde mich deinem Outfit anpassen, damit du dich nicht unwohl fühlst.“

Es kam längere Zeit keine Nachricht zurück. Ich hatte mir eine bequeme Stoffhose aus dem Kasten geholt und ein legeres Top. Eigentlich ein doppeltes. Ein Trägertop mit darüber mit einem weiteren mit kurzen Ärmeln. Mein Handy piepste und ich griff sofort danach. Ein weinendes und trauriges Smiley hatte er mir zurück geschickt, bevor er noch etwas schrieb.

Ich dachte die Sache mit dem Chef hatten wir schon hinter uns gebracht? Du hast noch eine Stunde Zeit dich zu entscheiden., dann schicke ich dir einen Wagen, der dich abholt. Zwinge dich aber zu nichts.“

Das klang wieder ein wenig entrüstet. Das hatte ich nicht gewollt. Schnell schrieb ich zurück..

„Das sollte ein Spaß sein. Was los mit dir?“

Ja oder nein? Kommst du?“

War seine einzige Frage, welche er mir schickte. Seufzend setzte ich mich auf meine Couch.

„Natürlich. Tut mir leid. Wann ist der Wagen da? Bin schon fertig.“

Es tat mir sofort leid ihn beleidigt zu haben. Ich wollte mit ihm blödeln, doch er schien heute nicht danach aufgelegt zu sein.

Ist schon unterwegs.“

Ich war bereit ihm gegenüber zu treten. Zumindest glaubte ich das. Etwas mulmig war mir schon zumute. Ich packte mir noch schnell ein paar Sachen in meine Tasche und wartete auf den Wagen. Natürlich kam kein Taxi, sondern ein Kleinwagen mit einem Chauffeur. So ein Angber.

„Miss Brown?“
Er öffnete mir die Tür und ist stieg ein. Nobel ging die Welt zu Grunde. Zu meinem Erstaunen wurde ich nicht zu dem Haus gebracht wo seine Eltern wohnten, sondern zu einer Wohnhaussiedlung. Die Häuser sahen alle gleich aus, hatten einen Stock und eine Dachterrasse. Eigentlich Recht niedlich und sicherlich erschwinglich. Ich konnte ein paar Kinder in den kleinen Vorgärten spielen sehen, als ich aus dem Wagen stieg.

„Danke vielmals.“

Der Fahrer lächelte, verneigte sich leicht und fuhr erst davon, als ich an der Tür klingelte. Tyler öffnete die Tür und lächelte.

„Das ging schnell. Komm rein.“

Er trug wirklich nur eine Jogginghose und ein Shirt. Ich zog meine Schuhe aus und folgte ihm weiter in ein großes Wohnzimmer. Es war schlicht, aber modern eingerichtet. So prunkvoll und aufwendig, wie das Haus seines Vaters, war es nicht. Erstaunt blickte ich mich um.

„Du hast was anderes erwartet, nicht wahr?“

Ich nickte und drehte mich einmal im Kreis.

„Küche und Wohnzimmer sind hier. Oben befinden sich das Badezimmer, zwei Schlafzimmer und die Dachterrasse. Stelle deine Sachen einfach auf die Couch oder sonst wo hin. Ich muss schnell wieder in die Küche.“

Er flitzte an mir vorbei in die Küche, welche durch einen breiten Bogen zu betreten war. Jetzt war ich mir sicher, dass ich mich in ihm getäuscht hatte. Deshalb war er auch so sauer gewesen, als ich ihm damals das an den Kopf geworfen hatte. Da ich alleine war, nahm ich mir die Zeit mich ein wenig umzusehen. Sein Fernseher war riesig. Dort würden einige meiner Lieblingsfilme richtig geil rüber kommen. Ich blickte mir die Fotos an der einen Wand an. Sie zeigten seine Eltern in jungen Jahren und einen kleinen Jungen. Wahrscheinlich er selbst. Er war ein niedlicher Fratz gewesen. Ich ging weiter und entdeckte ein Regal mit Büchern. Sorgfältig waren sie nach Kategorien sortiert worden. Ich zog Moby Dick heraus und lächelte. Das Buch hatte einen sehr alten Einband und ich öffnete es. Erstaunt riss ich die Augen auf. Er hatte doch tatsächlich die Erstausgabe. Schnell stellte ich sie vorsichtig wieder zurück.

„Du hast meine Schätze gefunden.“

Ich drehte mich zu ihm um und deutete auf die Bücher.

„Das sind aber nicht alles Erstausgaben, oder?“

Er reichte mir ein Glas mit Bier und schüttelte den Kopf.

„Nein, aber die meisten.“

„Hast du keine Angst, dass jemand sie stehlen könnte?“

Tyler zuckte mit den Schultern.

„Das wäre durchaus möglich. Aber warum daran denken und in Angst leben?“

Auch wahr. Ich folgte ihm zur Couch und setzte mich.

„Du hast ein sehr schönes zu Hauses.“

„Schön das es dir gefällt. Willst du in der Küche essen, oder machen wir es uns oben auf der Terrasse gemütlich?“

Es war ein schöner warmer Tag.

„Wenn es keine Umstände macht, dann gerne oben.“

Tyler lächelte und deutete zur Treppe.

„Ich zeige dir oben alles. Das Essen braucht noch ein paar Minuten.“

Noch hatte keiner von ihnen den Kuss erwähnt. Ich traute mich auch nicht wirklich ihn jetzt deswegen anzusprechen. Mit meiner Tasche, folgte ich ihm die Treppe hinauf. Die Türen der Schlafzimmer waren geschlossen. Zum Glück. Die Badezimmertür war leicht geöffnet und eine Glastür führte extra hinaus auf die Terrasse. Ein paar Liegestühle standen dort, ein Tisch mit Bänken, eine Hollywood Schaukel und ein Grill. Natürlich gab es auch Pflanzen und Blumen. Ein herrlicher Flecken Erde.

„Du bist anscheinend oft hier oben.“

Er stellte die Getränke auf den Tisch und deutete mir mich zu setzen.

„Ich sehe nach dem Essen und bringe gleich die Teller rauf.“

„Warte, ich helfe dir.“

Schnell hob er abwehrend seine Hände.

„Kommt gar nicht in Frage. Du bist mein Gast und du wirst dich jetzt hinsetzen.“

Er zwinkerte und eilte davon. Wieso musste er selbst in Jogginghosen nur so verdammt gut aussehen? Um mich abzulenken, holte ich meinen Laptop heraus und schaltete ihn ein. Immerhin hatten wir eine Firmenfeier zu planen und ich war nicht zu meinem Vergnügen hier. Da mir warm war, krempelte ich mir die Hosenbeine auf. Ich hätte mir etwas luftigeres anziehen sollen. Aber nach dem Kuss von gestern, wohl doch keine so gute Idee. Er brachte die Teller und das Besteck und gleich darauf das Essen in zwei Schüsseln aufgeteilt. Es roch herrlich und schnell schob ich den Laptop zur Seite.

„Was ist das?“

Er setzte sich mir gegenüber.

„Da es schnell gehen musste, habe ich einfach nur Nudeln gekocht und eine Soße dazu gemacht. Ich hoffe es schmeckt dir. Fleischsoße mit Gemüse.“

Er verteilte die Nudeln auf ihre Tellern und goss Soße darüber. Schweigend aßen sie und ich war immer mehr von dem Mann, mir gegenüber, begeistert. Er konnte kochen, lebte nicht in Saus und Braus und in den letzten Monaten hatte ich ihn wirklich lieb gewonnen. Tyler besaß Humor und ich fühlte mich wohl in seiner Nähe. Auch wenn da dieser Kuss zwischen uns gewesen war letzte Nacht. Ich war so frech und nahm mir Nachschlag.

„Wenn du noch Durst hast, im zweiten Schlafzimmer steht noch ein Kühlschrank. Den habe ich einbauen lassen, damit ich nicht immer runter gehen muss.“

Ich lachte und verputzte meine zweite Portion auch noch, bevor ich mir gesättigt eine Hand auf den Bauch legte.

„Das war mehr als nur lecker.“

Ich bin froh, dass es dir geschmeckt hat.“

Ich beugte mich leicht nach vorne und grinste.

„Und was hättest du getan, wenn es mir nicht geschmeckt hätte?“

Auch er beugte sich leicht nach vorne und musterte eingehend mein Gesicht.

„Oh, ich weiß nicht genau. Aber da würde mir sicherlich was einfallen.“

Von seinem Blick wurde mir ganz heiß und ich wurde wieder leicht rot im Gesicht. Tyler lächelte und brachte das Essen nach unten in die Küche. Ich sollte wohl heute aufpassen, was ich noch von mir gab. Schnell fächelte ich mir Luft zu und legte meine Stirn auf den Tisch. Vom Regen in die Traufe gekommen. Sobald er wieder da war, sollten sie wirklich anfangen zu Arbeiten, sonst würde ich mich nicht mehr länger im Griff haben können.

 

 

Mir gefiel es, wie sie mit dem Feuer spielte und dann schnell wieder zurückzog. Niemals hätte ich mir gedacht, dass sie wirklich kommen würde. Aber jetzt war sie hier und ihr hatte geschmeckt, was ich für sie gekocht hatte. Das bewiesen auch die zwei Portionen, welche sie verdrückt hatte. Melina war kein Hungerhaken und sie achtete nicht auf das Essen, was sie zu sich nahm. Wenn sie Essen wollte, dann aß sie und das gefiel mir. Aus dem kleineren Schlafzimmer holte ich Getränke. An der Tür zur Terrasse blieb ich stehen. Ihre Stirn lag auf dem Tisch und sie seufzte. Meine Antwort hatte sie wohl ein wenig aus der Fassung gebracht. Schnell zog ich mich zurück und schloss die Tür neben mir und öffnete sie dann leise wieder. Sie wollte sicher nicht, dass ich sie in diesem Zustand sah. Als würde mich das stören. Sie war niedlich und ich konnte diesen verdammten flüchtigen Kuss nicht vergessen. Als sie vor mir stand, hätte ich sie am liebsten gleich wieder in den Arm genommen. Aber ich musste vorsichtig sein und es langsam angehen lassen. Es gefiel mir, sie langsam zu umgarnen und sie für mich zu gewinnen. Das schien ich zwar schon geschafft zu haben, aber noch wehrte sie sich gegen ihre Gefühle.

Frische Getränke.“

Sie saß wieder aufrecht am Tisch und ihr Laptop stand vor ihr.

Super. Können wir jetzt anfangen?“

Gerne hätte ich angefangen sie zu küssen, doch sie meinte die Arbeit. Also setzte ich mich neben sie und stellte die beiden Flaschen vor uns ab.

Also gut, Sklaventreiberin. Haben wir schon was, oder fangen wir bei Null an?“

Sie gab mir einen leichten Stoß mit ihrem Ellenbogen und drehte ihren Laptop so, dass ich lesen konnte, was dort stand.

OK, wir haben Ort, Tag und Uhrzeit. Das heißt wir brauchen ein Essen, Musik und alles andere auch noch.“

Vor allem bräuchten wir ein Motto.“

Fragend sah ich sie an.

Motto?“

Sie nickte und öffnete das Internet.

Jedes Fest, hat irgendein Motto. Es handelt sich zwar um eine Firmenfeier, aber ich glaube, dass könnten wir übernehmen und wird der Belegschaft sicherlich gut gefallen.“

Melina zeigte ihm ein paar Fotos von Mottofeiern, welche sie schon vorsorglich herausgesucht hatte. Sie war einfach viel zu gut für ihn.

Ich weiß schon was du meinst. Aber was könnten wir nehmen? Was würde allen gefallen?“

Keine Ahnung. Warum eigentlich eine Firmenfeier im Sommer?“

Mein Stichwort.

Mein Vater meinte, ich sollte für die Belegschaft ein Sommerfest veranstalten, damit sie mich besser kennenlernen und ich sie.“

Ob sie etwas damit anfangen konnte? Sie lächelte und rief im Internet den Ort auf, den mein Vater vorgeschlagen hatte.

Wir könnten den Ort wechseln.“

Und wohin?“

Sie tippte schnell und erst jetzt sah ich, dass ihre Hosenbeine bis übers Knie aufgekrempelt waren. Auf ihrem linken Bein befand sich eine Tattoo. Ein Kreis mit seltsamen Symbolen. Sollte ich fragen, was das zu bedeuten hatte? Später, jetzt war sie ganz in ihren Laptop vertieft und ich sah ihr so gerne bei der Arbeit zu. Sie biss sich immer wieder in die Lippe und wirkte total konzentriert. Einfach nur zum Küssen sah sie aus. Schnell schob ich den Gedanken zur Seite, bevor ich noch über sie her fiel.

Was hälst du davon?“

Sie zeigte mir ein Bild von einer Burg. Ich kannte sie, denn diese befand sich hier ganz in der Nähe. Eigentlich war es keine richtige Burg, sondern nur ein sehr alles Herrenhaus, dass so ähnlich aussah.

Ich wusste gar nicht, dass man das mieten kann.“

Melina öffnete die Internetseite und zeigte mir die Bilder von den Innenräumen und dem riesigen Saal. Dort gab es mehr als genügend Platz für die Belegschaft und eine Band. Aber mir schwante übles.

Und das Motto?“

Sie kicherte und klickte auf das nächste Bild.

Ritteressen mit Kostümen und allem drum und dran. Das ist lustig und gefällt jeden. Von meinen Quellen weiß ich, dass fast so ziemlich alle das mal machen wollen, aber nie die notwendige Menge an Leute zusammenbekommen. Das Essen würde dort direkt vorbereitet und serviert. Wir bräuchten uns darüber keine Sorgen zu machen und es gibt sogar die Möglichkeit, dass ein Stück aufgeführt wird, in dem die Gäste eingebunden werden. Muss zwar nicht unbedingt sein, aber es klingt lustig.“

Ein Ritterfest für die Angestellten. Das klang eigentlich gar nicht einmal so schlecht. Besonders deshalb, weil ich selbst bei so etwas noch nie dabei war.

Und das würde angekommen?“

Noch war ich skeptisch und nicht wirklich überzeugt davon. Melina jedoch legte eine Hand auf meinen Unterarm und nickte.

Vertraue mir. Das gefällt allen. Kostüme, Essen mit den Fingern , eine kleine Show und Musik. Da werden sie zu kleinen Kindern und du erreichst das, was du vorhast. Dich in ihre Herzen schummeln. Und billiger ist es auch, weil wir ein Gesamtpaket bekommen würden.“

Ich sah das Leuchten in ihren Augen und mir wurde ganz warm ums Herz. Was diese Feier kosten würde, war mir egal. Aber wenn ich dieses Strahlen in ihren Augen sah, konnte ich ihr keinen Wunsch abschlagen. Ich legte meine andere Hand auf ihre und sah ihr fest in die Augen.

Ich hoffe du weißt, was du tust. Wenn das nicht funktioniert, muss ich mir was einfallen lassen, dich zu bestrafen.“

Sie senkte ihren Blick und nickte zögerlich.

Und wenn es funktioniert?“

Dann hast du einen Wunsch frei.“

Langsam zog sie ihre Hand weg und wandte sich wieder ihrem Laptop zu.

Nur einen? Ist schon wenig, wenn ich dir die Belegschaft auf dem Silbertablett präsentiere, damit sie dich mögen.“

Da war es wieder. Zuerst verlegen und dann wieder schnippisch. Wie konnte sie von einer Sekunde auf die andere nur so schnell umschalten? Nicht einmal meinem Vater gelang das und der hatte ständig mit reichen und mächtigen Leuten zu tun.

Wie würde es klingen, wenn ich eine ganze Woche dann deine Wünsche erfülle?“

Sie sah mich von der Seite an und schien kurz zu überlegen.

Und du machst alles, was ich will?“

Zuerst wollte ich nicken, doch dann beugte ich mich zu ihr hinüber und legte eine Hand auf ihren Rücken. Deutlich konnte ich spüren, wie Melina leicht erschauderte.

Solange mein Ruf nicht darunter leiden muss, ja.“

Verdammt.“

Sie kicherte und lehnte ihre Schulter gegen meine. Das war mehr, als ich mir erwartet hätte.

Frechdachs.“

Viel zu schnell löste sie sich wieder von mir.

Also soll ich es buchen und am Montag mit dem Veranstalter besprechen, was wir genau wollen?“

Ich nickte und zog nur widerwillig meinen Arm von ihrem Rücken.

Ich hoffe du hast Recht, denn wenn nicht, dann werde ich mir eine Woche lang mir etwas von dir wünschen müssen.“

Theatralisch rollte ich mit den Augen und legte mir einen Handrücken auf die Stirn. Sie sah mich erschrocken an.

Eine Woche?“

Na gleiches Recht für alle? Du willst spielen, dann spielen wir. Geht das Fest zu meiner Zufriedenheit aus, kannst du dir eine Woche lang wünschen was du willst. Wird es Desaster, wirst du mir eine Woche lang all meine Wünsche erfüllen.“

Schmunzelnd hielt ich ihr meine Hand hin. Es war wirklich egal wer von uns beiden gewinnen würde. Ich würde Melina jeden Wunsch erfüllen und wenn ich mit einem Tütü durch die Firma rennen musste. Aber das musste sie ja nicht wirklich erfahren. Solange sie glücklich war, war ich es auch. Sie blickte zögerlich auf meine Hand, holte dann tief Luft und schlug ein.

Abgemacht.“

 

 

Es hatte keinen aus der Belegschaft gegeben, er sich nicht schon auf dieses Fest freute. Meine Idee war mehr als nur gut angekommen und ich konnte es kaum erwarten eine ganze Woche lang all meine Wünsche erfüllt zu bekommen. Obwohl ich gar nicht wusste, was ich mir alles von ihm wünschen sollte. Doch zuerst würden wir das Fest abwarten müssen. Ich hatte mit den Vorbereitungen so viel zu tun, dass ich Tyler in den letzten Wochen gar nicht wirklich zu Gesicht bekommen hatte. Einige Male war ich auch schon auf dieser Burg gewesen und hatte mit den Verantwortlichen ein Stück ausgearbeitet. Das hatte mir großen Spaß gemacht und ich konnte es kaum erwarten, dass es los ging. Die Kostüme wurden uns zur Verfügung gestellt und es gab eine lange Liste mit Namen, welche ich weitergegeben hatte. Jeder konnte tragen was er wollte. Nur für Tyler hatte ich etwas ganz bestimmtes im Sinne. Als Hofnarr würde er sicher gut aussehen. Er wollte doch sich mit der Belegschaft anfreunden und mit meiner Idee würde er das auch tun können. Tyler würde mich sicherlich verfluchen dafür, aber das war es mir einfach Wert gewesen.

„Die ersten Gäste kommen.“

Dankbar nickte ich eine der Frauen zu, welche für die Garderoben zuständig war.

„Super.“

Sie lächelte und zog sich wieder zurück. Das Essen war in der Früh schon vorbereitet worden und wartete jetzt nur noch darauf verspeist zu werden. Ich hatte zwei Musikgruppen organisiert. Eine, welche altertümliche Musik spielte für die Show und eine peppigere, welche dann später ihren Platz einnahm und das Gewölbe zum beben bringen würde. Nach und nach trafen die Gäste ein. Ich begrüßte sie, hackte sie ab und sie gingen sich umziehen, bevor sie sich in den Saal begaben. Mein Kostüm lag bereits auf der Seite und das würde ich anziehen, wenn alle hier waren. Sophia, Ben und Jack waren ganz aus dem Häuschen und fielen mir regelrecht um den Hals.

„Verrate uns endlich, was heute Abend auf uns wartet.“

Ich schüttelte lachend den Kopf und deutete zu den anderen.

„Das wäre unfair den anderen gegenüber. Nicht einmal der Boss weiß, was heute passiert.“

Sophia sah mich etwas erstaunt an.

„Hoffentlich geht das gut aus.“

Ich nickte und brachte sie weiter zu den Kostümen.

„Amüsiert euch einfach.“

Der Fotograf war schon da und machte Fotos von jedem einzelnen. Vor ihrer Verkleidung und nachher. Morgen würde ich sie alle bekommen und dann konnte ich anfangen sie alle ins Netz zu stellen und vielleicht ein paar Kommentare hinzuzufügen. Das würde sicherlich mehr Arbeit machen, als die Vorbereitung für dieses Fest. Tyler hatte ich gebeten später zu kommen. Ich musste dafür Sorge tragen, dass er das richtige Kostüm bekam und sich nicht dagegen wehren konnte. Leider machte er mir einen Strich durch die Rechnung. Als ich ihn in der Schlange stehen sah, lief ich schnell nach hinten.

„Mein Boss kommt. Ihr wisst, wie ihr ihn überreden müsst?“

Die zwei Frauen und zwei Männern grinsten und nickten eifrig. Erleichtert ging ich zurück und tat so, als würde ich nicht wissen, was vor sich ginge.

„Du bist noch nicht umgezogen.“

Ich strich seinen Namen auf der Liste durch und sah ihn lächelnd an.

„Noch muss ich arbeiten. Später werde ich mich umziehen.“

Er zwinkerte mir zu, streifte leicht meine Schulter und ging in die Umkleidekabine. Ich war so aufgeregt, dass ich mich nicht mehr wirklich konzentrieren konnte. Endlich hatte ich die Liste abgearbeitet und alle waren da. Keiner war ferngeblieben, was mich selbst ein wenig wunderte. Normalerweise gab es immer jemanden, der von solchen Veranstaltungen fern blieb. Aber sprach das nicht für mich und meine Idee? Sicherlich war ein Ritteressen nicht gerade üblich. Aber genau deshalb waren sie anscheinend alle gekommen. Als ich die Umkleide betrat, war niemand mehr da.

„Alle sind umgezogen und haben Platz genommen. Sie sollten sich beeilen.“

Ich nickte der Frau dankbar zu und fing an mich umzuziehen. Sie half mir dabei und richete auch noch meine Haare und setzte mir eine Tiara auf den Kopf.

„Ein kurzes Nicken genügt.“

„Danke.“

Ich ließ die Liste liegen und ließ mich von einem Ritter mit Kettenhemd, der eigentlich verdammt gut aussah, zum Saal führen. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, als zwei Wachen die Tür öffneten und ich eintrat. Ich fühlte mich zurückversetzt in eine andere Welt, als ich die vielen verkleideten Menschen sah. Der Ritter führte mich zu einem der Tische, wo Tyler mit seinem Kostüm saß und mehr als nur säuerlich aussah. Diese Runde ging wohl an mich. Als er mich kommen sah, weiteten sich seine Augen. Sein Blick schweifte über meinen Körper und wenn ich mich nicht irrte, sabberte er sogar. Der Ritter führte mich zu dem freien Stuhl neben ihn und zog ihn zurück.

„My Lady? Ich hoffe es findet alles zu ihrer Zufriedenheit statt.“

Dankbar drückte ich seine Hand und verneigte mich leicht. Es wurde schon getrunken, sich unterhalten und jeder schien es zu gefallen sich verkleidet zu haben. Ein paar Wortfetzen drangen an mein Ohr, als ich mich setzte. Tyler sah mich noch immer erstaunt an.

„Würdet ihr die Spiele beginnen lassen?“

Ich setzte mich und er verneigte sich tief. Dann zog er sein Schwert und räusperte sich lautstark, bevor er in die Mitte des Saales ging. Die Tische waren so angeordnet, dass die Show in der Mitte stattfand und jeder gut sehen konnte.

„Das zahle ich dir heim.“

Tyler hatte sich zu mir gebeugt und sah mich mehr als nur verlegen an.

„Dein Hut mit den Glöckchen steht dir gut.“

Er seufzte und wandte sich wieder dem Ritter zu, der anfing eine Geschichte zu erzählen. Meine Geschichte und die des Veranstalters, welch wir zusammen ausgearbeitet hatten. Alle waren in das Spiel eingebunden worden. Es war lustig und jeder schien Spaß daran zu haben. Tyler neben mir wirkte jedoch noch immer etwas unrund. Was würde ich mir alles von ihm wünschen? Während ich in Gedanken versunken war, vernahm ich nicht den Ruf nach mir, der immer lauter wurde. Der Ritter tauchte vor mir auf, rammte sein Schwert in den Boden und sank auf ein Knie hinab.

„Jede Burg braucht eine Lady. Würdet ihr mir bitte folgen?“

Das hatte ich nicht ausgemacht. Verwirrt blickte ich mich um, stand jedoch auf und ergriff die Hand des Ritters. Er führte mich zu einem Stuhl, der auf der Bühne stand und schön geschmückt war.

„Und was fehlt dem Hofstaat noch?“

Etliche waren um mich herum aufgereiht und das war mir mehr als nur peinlich. Deshalb senkte ich den Blick und versuchte nicht zu nervös zu wirken. Schnell wurden Rufe nach dem Narren laut. Tyler hatte mich gebeten seinen Ruf nicht leiden zu lassen. In dieser Hinsicht hatte ich wohl jetzt versagt. Zwei Schildwachen gingen zu ihm und zogen ihn auf die Beine. Ich warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, doch ich konnte ein unbekanntes Feuer in seinen Augen sehen. Ein Feuer, dass mich regelrecht zu verbrennen schien. Er löste sich von den Wachen und schüttelte leicht seinen Kopf, sodass eine Glöckchen schellten. Mit Wechselschritten und grinsend, kam er auf mich zugerannt fiel neben ihr auf die Knie. Er neigte sein Haupt und kicherte. Auf jeden Fall würde ich das büßen müssen. Die Geschichte ging weiter und eigentlich schien auch er Spaß daran zu haben, den Deppen zu spielen. Endlich war die Story vorbei und alle klatschten wie wild und lachten. Obwohl ich lächelte, war ich nicht wirklich fröhlich. Hatte ich mit diesem Fest alles ruiniert, was sich in den vielen Monaten zwischen mir und Tyler aufgebaut hatte? Ich war mehr als verunsichert, als mich mein Ritter wieder zu meinem Platz brachte und das Essen serviert wurde. Ein heilloses Durcheinander herrschte, als alle ausgelassen mit ihren Händen zu Essen anfingen. Mehr oder weniger war mir der Appetit vergangen und ich wagte nicht Tyler anzusehen. Es sollte ein Spaß für alle sein und ich hatte mir Mühe gegeben. Doch er war sicher mehr als nur wütend auf mich. Am Montag sah ich mich schon wieder auf meinem alten Schreibtisch sitzen. Verbannt und von ihm geachtet. Mein Magen drehte sich leicht um. Als ich aufstehen wollte, ergriff er meine Hand und hielt mich fest.

„Gewissensbisse?“

Ich warf ihm einen kurzen erschrockenen Blick zu und zog den Kopf ein. Ich hatte mir alles so einfach vorgestellt, doch jetzt verfluchte ich mich selbst. Er streichelte meine Hand und seine Glöckchen schellten wieder.

„Es tut mir leid. Das habe ich wirklich nicht gewollt. Entschuldige.“

Mit einem Ruck entzog ich ihm meine Hand, sprang auf und ging mit langsamen Schritten davon. Als ich außer Sichtweite war der anderen, fing ich zu rennen an. Jeder hatte Spaß und war mehr als erfreut über dieses Fest. Wieso war ich es nicht? Dringend brauchte ich frische Luft und erreichte auch irgendwann eine Balustrade. Seufzend stützte ich mich auf der Mauer ab und ließ das Kinn auf meine Brust fallen.

 

 

Am liebsten hätte ich Melina erwürgt für dieses Schauspiel, doch im Grunde hatte es mir sehr viel Spaß gemacht. Wieso sie jedoch jetzt davon gelaufen war, war mir ein Rätsel. Ich eilte ihr hinterher, brauchte aber eine Weile sie zu finden. Ihr Kleid war wunderschön und passte ihr mehr als perfekt. Es schmiegte sich perfekt an ihren Körper an. Ihr Kopf ruhte auf ihrer Brust, sie holte immer wieder tief Luft und ihre Hände waren auf der Mauer aufgestützt. Was bedrückte sie? Alle waren sie fröhlich und genossen den Abend. Nur sie war nicht glücklich und das ärgerte mich. Ich nahm den Hut von meinem Kopf. Sicherlich hatte sie das absichtlich gemacht, dass ich als Firmenchef den Narren mimte. Doch damit konnte ich leben. Leise legte ich ihn auf dem Boden ab und näherte mich ihr langsam. Sie hörte mich nicht kommen. Zum Glück. Vorsichtig legte ich eine Hand auf ihre Schulter. Sie fuhr erschrocken zusammen und stieß einen leisen Schrei aus. Sie wollte weg von mir, doch ich hielt sie fest und ergriff sofort eine ihrer Hände.

Was ist los mit dir?“

Wieder versuchte sie sich mir zu entziehen, doch ich ließ es nicht zu.

Es....es....ich.....wollte das nicht. Tut mir leid.“

Bevor sie ihren Kopf wieder senkte, konnte ich die Tränen in ihren Augen sehen. Weshalb entschuldigte sie sich? Wegen der Vorführung? Das war doch lächerlich. Ich griff nach ihrem Kinn und hob es hoch, sodass sie mich wieder ansehen musste.

Was soll das, Melina? Alle amüsieren sich und haben Spaß. Wieso weinst du?“

Mir zerriss es beinahe das Herz, sie in diesem aufgelösten Zustand zu sehen. Sie stotterte eine Weile herum und biss sich dann fest auf ihre Lippen, bevor sie ihren Kopf von mir abwandte. Während ich ihr verbissenes Gesicht betrachtete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich war in ihren Augen noch immer ihr Boss und diesen hatte sie vor der versammelten Belegschaft zum Narren gemacht. Sie hatte Angst, dass dies Konsequenzen für sie haben würde. Ich holte tief Luft, seufzte und zog sie an meine Brust. Wie sollte ich dir diese Angst nehmen oder ihr sagen, dass ich kein Problem damit hatte? Mein Image war nicht angekratzt worden, doch das schien sie nicht wirklich wahr zu nehmen. Der Abend war noch jung und das Essen im vollen Gage. Niemand konnte sagen, was noch geschehen würde heute. Zuerst versteifte sie sich, dann vergrub sie ihr Gesicht an meiner Brust und ich streichelte ihr sanft über den Rücken. Verzweifelt rang ich nach den richtigen Worten. Was konnte ich ihr sagen, dass sie sich wieder beruhigte? Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich hilflos. Deshalb hielt ich sie einfach nur fest und versuchte sie zu trösten. Nach einer Weile löste sie sich von mir und drehte mir den Rücken zu. Ich konnte deutlich sehen, wie sie sich die Tränen aus den Augen wischte und versuchte sich wieder zu fassen.

Melina?“

Sie gab mir keine Antwort, sondern machte einen Schritt und entfernte sich von mir.

Tut mir leid. Das hier war ein großer Fehler gewesen.“

Sie wollte an mir vorbei laufen, doch ich streckte sofort meinen Arm aus und fing sie wieder ein. Sie keuchte erschrocken auf, währen ich sie im Arm hielt und sie ansah.

Du läufst jetzt sicher nicht weg. Was quält dich? Dass du mich zum Narren gemacht hast? Das ich dir eine Woche lang all deine Wünsche erfüllen muss? Du bist für mich wie ein Buch mit leeren Seiten. Ich werde einfach nicht schlau aus dir. Hast du nicht gesehen, wie sich alle amüsiert haben? Und warum? Weil du das alles organisiert hast. Aber du läufst weg. Warum läufst du immer wieder weg? Vor allem vor mir?“

Ich konnte mich nicht mehr länger beherrschen. Meine Stimme klang auch ein wenig wütend, weil ich es auch war. Wieso konnte sie nicht endlich begreifen oder verstehen, dass ich mehr von ihr wollte? Sie schnappte nach Luft und sah mich mit weit aufgerissen Augen an.

Ich....ich kann es dir.....nicht sagen......Ich.....ich......es geht nicht.“

Sie wand sich in meinem Griff, löste sich und rannte davon. Ungläubig und frustriert starrte ich ihr hinterher. Mittlerweile hatte ich es satt ihr immer wieder nach zu laufen. Was hatte sie nur für Probleme? Wieso konnte sie sich nicht einfach fallen lassen und genießen? War ich so ein schrecklicher Mann? Es musste so sein, denn ansonsten würde sie nicht immer weglaufen. Obwohl sie meinen Kuss erwidert hatte, schien sie kein Interesse an mir zu haben. Gut, dann würde ich auch nicht mehr versuchen sie für mich zu gewinnen. Ihr Verhalten machte mich wütend und ich hatte wirklich keine Lust mehr ihr alles aus der Nase zu ziehen. So ein schwieriger Charakter war mir noch nie begegnet. Ich setzte mir die Narrenkappe wieder auf und ging zurück auf meinen Platz. Keiner schien mitbekommen zu haben, dass ich oder sie verschwunden waren. Sie saß nicht auf ihrem Platz und es war mir auch egal. Wenn sie mich nicht wollte, dann bitte. Dann würde ich ich mich heute einfach amüsieren und sie vergessen. Deshalb widmete ich mich meinem Essen und unterhielt mich dann mit meinen Tischnachbarn. Abwechslung war das, was ich jetzt brauchte. Genau so wie eine große Menge an Alkohol. Langsam wurde ich lockerer und meine Rolle machte mir immer mehr Spaß, je höher mein Spiegel stieg. Sollte sie doch der Teufel holen. Es gab genug Frauen da draußen, welche sich für mich interessierten.

 

 

Ich stand hinter der Band im Dunkeln und beobachtete Tyler. Er trank viel und schnell. Immer wieder kamen Leute auf ihn zu, welche mit ihm sprachen. Das Fest war für alle ein wundervolles Erlebnis gewesen und ich hatte es geschafft ihn in die Mannschaft zu etablieren. Aber nicht in mein Leben. Ich hatte ihn als Narren gedemütigt. Ich war über meine Stränge geschlagen. Auch wusste ich nicht wie ich ihm beichten sollte, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Als er mich an der frischen Luft in den Arm genommen hatte, war das so herrlich gewesen. Aber er stammte aus reichem Hause. Er war mein Boss und ich nur seine Sekretärin. Wie sollte ich ihn mit diesen starken Gefühlen in meinem Inneren wieder gegenübertreten können? Gar nicht. Ob das Angebot seines Vaters noch bestand? Ich könnte vielleicht meinen alten Job wieder haben und musste ihn nicht mehr sehen. Ich war und blieb ein Niemand, er ein Firmenchef. Traurig schloss ich die Augen und zog mich weiter zurück. Die Band wechselte nach dem Essen und die Stimmung wurde noch besser. Alle waren sie glücklich, nur ich nicht. Wieso musste ich mich auch in ihn verlieben? Das hatte alles nur komplizierter gemacht. Kreischend sammelte sich die Menge auf der Tanzfläche und mit schmerzenden Herzen musste ich zusehen, wie Tyler sich eine junge Frau schnappte und sie zur Tanzfläche zog. Dar war eindeutig zu viel für mich. Also wandte ich mich komplett von dem Geschehen ab und zog mich durch den Hintereingang zurück. Mit dem Veranstalter, plauderte ich ein paar belanglose Worte. Ich dankte ihm für die Vorstellung dem hervorragenden Essen, welches ich nicht einmal probiert hatte. Nachdem ich alles mit ihm geregelt hatte, verließ ich das Gebäude und suchte mir einen ruhigen Platz um alleine zu sein. Die Sonne war längst untergegangen und hier draußen, am Rande der Stadt, hatte man einen herrlichen Blick auf die Sterne. Mir ging es nicht gut und ich hätte es ihm so gerne gesagt, was ich für ihn empfand, doch das konnte ich nicht. Das würde ich ihn nicht antun können. Mir nicht antun können, denn immerhin war er mein Boss. Immer wieder musste ich daran denken, dass er derjenige war, der mein Gehalt zahlte und für den ich arbeitete. Es würde niemals eine Zukunft für uns geben können. Auch wenn seine Mutter eine aus meinen Kreisen war und ihren Mann vielleicht auf ähnliche Weise kennengelernt hatte. Zu oft hatte ich ihn schon von mir gewiesen und ihn immer wieder enttäuscht. Trotzdem war er immer freundlich zu mir gewesen und hatte versucht mir Nahe zu sein. Mit seiner lustigen Art, seinen Blicken, Nachrichten und wie er sich mir gegenüber einfach verhalten hatte. Das war jetzt sicherlich vorbei. Viel zu deutlich hatte ich es in seiner Stimme gehört, als er mich auf der Balustrade seine harten Worte an den Kopf geworfen hatte. Ich wusste doch selbst nicht einmal, wieso ich immer wieder von ihm davon lief und ihm nicht gestand, wie es wirklich seit einiger Zeit in mir aussah. Traurig zog ich die Beine an meinen Oberkörper und umklammerte sie fest. Die anderen hatten Spaß und sie würden ihren Chef besser kennen lernen. Ich jedoch wollte nur nach Hause und mich auf meiner Couch verkriechen. Der Schmerz in meiner Brust war stark und raubte mir fast den Atem. Wovor hatte ich so große Angst? Weil ich ich nicht eine von vielen sein wollte. Ich sah doch die vielen Frauen, welche ihm diesen lüsternen Blick zuwarfen und sich um ihn drängten. So eine Frau war ich niemals gewesen und wollte ich nicht sein. Ich kannte eine ganz andere Seite von ihm. Und genau diese Seite war es, in der ich mich verliebt hatte. Zu meinem Unglück, denn von nun an würde wir nur noch geschäftlich verkehren, wenn überhaupt. Es war sicherlich vorbei und damit musste ich von nun an klar kommen. Ich war keine leicht zu habende Frau, aber zwischen mir und ihm taten sich einfach Welten auf. Reicher Mann triff Arme. Diese ganze Geschichte lief ab wie in einem schlechten Film.

 

 

 

Ich hatte mich den restlichen Abend nicht wirklich amüsiert. Jeder einzelne wollte sich mit mir unterhalten und ich hatte viel zu viel Alkohol getrunken. Etliche Frauen wollten mit mir tanzen und ich hatte jeder einzelnen diesen Wunsch erfüllt. Melina hatte ich den restlichen Abend nicht mehr zu Gesicht bekommen. Mein Kopf schmerzte, als ich aufgewacht war. Es war früher Nachmittag. Ich ging in die Küche, warf ein paar Schmerztabletten ein und trank drei Gläser kaltes Leitungswasser. Obwohl ich mir geschworen hatte mir Melina aus dem Kopf zu schlagen, war das nicht so einfach. Zum Glück war ich alleine aufgewacht. Wie war ich eigentlich nach Hause gekommen? Komplett zerstört setzte ich mich auf die Couch und schaltete den Fernseher an. Ich musste mich ablenken, sonst griff ich nach meinem Handy und schrieb ihr vielleicht noch eine Nachricht. Das würde ich jedoch nie wieder tun. Sie hatte mir die Entscheidung abgenommen. Sie hatte nicht auf meine Fragen geantwortet und war nur wieder davon gelaufen. Dann sollte sie doch laufen. Ich würde sie nicht mehr aufhalten. Aber was würde morgen geschehen, wenn ich sie wieder sehen würde müssen? Wenn sie das Spiel mit dem Boss und der Sekretärin spielen wollte, dann konnte sie das haben. Ich würde mich nicht dagegen wehren. Jetzt nicht mehr. So viele Male hatte sie mich abgewiesen und irgendwann war meine Geduld auch zu Ende. Ich schaltete von einem Sender zum anderen, konnte mich aber nicht konzentrieren. Das war doch wirklich mehr als nur lächerlich. Wieso verschwand ihr Gesicht nicht endlich aus meinen Gedanken? Weil ich mich in sie verliebt hatte. Ob ich es wahrhaben wollte oder nicht. Sie war die Frau, welche ich mir immer an meiner Seite gewünscht hatte. Ihr Esprit war berauschend und ihr Lachen verzauberte mich. Keine andere Frau hatte das bisher geschafft. Nicht einmal die Frau, welche ich noch vor ein paar Jahren zur Frau nehmen wollte. Sie war einzigartig, besaß Humor, sah gut aus und nahm sich kein Blatt vor den Mund.

Ich darf nicht an sie denken.“

Wütend ballte ich meine Hand zur Faust und versuchte all meine Gedanken an sie zu verdrängen. Es war vorbei und das musste ich endlich in meinen Kopf bekommen. Ich musste mir eine andere Frau suchen und versuchen mein Glück zu finden.

 

 

Mein neuer Job war aufregend und es gab jeden Tag etwas Neues zu lernen. Ob ich bereute gekündigt zu haben? Ja und nein. Tyler hatte sich sowieso nicht mehr im Büro sehen lassen und hatte nur noch schriftlich mit mir verkehrt. Seine Anweisungen waren sachlich gewesen. Viel zu sachlich, sodass ich einfach gekündigt hatte und den Weg frei gegeben hatte. Natürlich hatte ich viel falsch gemacht und ihn niemals gezeigt oder gesagt, wie sehr ich ihn liebte und mochte. Auch jetzt musste ich immer wieder an ihn denken und konnte ihn einfach nicht vergessen. Wie oft hatte ich mich in den letzten Monaten gefragt, was er wohl gerade tat oder welche Frau bei ihm war? Doch das ging mich nichts mehr an. Mein organisiertes fest damals war für alle ein Highlieght gewesen und sie waren ihrem Boss näher gekommen. Ihn so kennengelernt hatten sie ihn, wie ich. Doch das lag lange zurück. Jetzt hatte ich ein neues Leben und fiel zu tun. Ich musste viel und schnell lernen, wenn ich hier bleiben wollte. Die Erlebnisse und die Zeit mit Tyler, würde ich nie vergessen, doch es war vorbei. Und warum? Weil ich zu ängstlich gewesen war und immer wieder einen Rückzieher gemacht hatte. Anscheinend war ich nicht geschaffen für eine Beziehung. Das war ich vorher schon nicht wirklich gewesen, aber mit ihm hätte ich mir da etwas vorstellen können. Meine Schuld und ich würde einfach damit leben müssen. Immer besser gelang es mir ihn aus meinem Kopf zu vertreiben. Ich hatte auch viel zu tun und selbst am Wochenende kam ich nicht wirklich zu Ruhe. Gerade durchforstete ich das Internet nach neuen Nachrichten für die Redaktion, als mein Handy klingelte. Die Nummer kannte ich nicht, aber ich hob trotzdem ab.

„Melina?“

Ein wenig war ich überrascht.

„Sophia?“

„Ja, mein Schatz. Wie geht es dir?“

„Gut. Was verschafft mir die Ehre deines Anrufes?“

Einen Moment herrschte Stille auf der anderen Leitung, bevor sich Sophia räusperte.

„Du hast morgen sicher nichts vor, oder doch?“

Ich überlegte kurz. Eigentlich wollte ich den Samstag zu Hause verbringen und im Internet recherchieren. Aber ich musste auch einkaufen gehen. Mein Kühlschrank war nur noch mit Getränken gefüllt.

„Ja und nein. Wieso?“

Wieder Stille. Als würde Sophia nach Worten ringen.

„Sei um ein Uhr in der Kirche am Hauptplatz. Es ist wirklich wichtig das du kommst. Versprich es mir.“

Was sollte ich in der Kirche tun? Heiratete wer von meinen ehemaligen Freunden aus der Firma? Oder fand ein Begräbnis statt? Das eine hätte mich gefreut, das andere stimmte mich traurig.

„Was soll ich anziehen?“

„Ist mir egal. Komm einfach. Hast du mich verstanden? Ben, Jack und ich warten vor dem Eingang auf dich. Ein Uhr und keine Sekunde später.“

Die Leitung brach ab, nachdem sie ein wenig hysterisch geworden war. Kleidung war egal? Was war das für eine Aussage gewesen? Sollte ich sie zurückrufen und fragen, was mit ihr los war? Eine Zeit lang hielt ich das Handy in der Hand, rief sie aber nicht an. Was auch immer morgen in der Kirche los war, ich würde es bald erfahren. Es schien nämlich wirklich dringend zu sein, denn ansonsten hätte sie sich niemals bei mir gemeldet. Den restlichen Tag verbrachte ich damit meiner Tätigkeit nachzugehen, bevor ich ins wohlverdiente Wochenende ging. Auf dem Weg nach Hause ging ich noch schnell einkaufen und machte es mir so richtig gemütlich. Morgen würde ich mir einfach eines meiner Kostüme anziehen oder ein Kleid. Mit dunklen Farben, würde ich sicher nicht falsch liegen. Warum ich das tat? Weil ich Sophia mochte. Sie hatte mich unter ihre Fittiche genommen und mir viel beigebracht. Wie man jedoch einen Mann findet und ihn halten kann, jedoch nicht. Weil ich auch nicht zugehört hätte. Von Vertrauen will ich gar nicht erst anfangen. Den einzigen Mann, für den ich mehr als Liebe empfunden hatte, war weg und ich würde ihn nie wieder bekommen.

 

Ich war mehr als pünktlich mit meinem dunkelblauen Kostüm und meiner Tasche auf der Schulter. Vor der Kirche standen nur Sophia, Ben und Jack. Von weiten winkte ich ihnen zaghaft zu, doch sie sahen sich nur nervös. Als ich sie erreichte, wollte ich sie begrüßen, doch sie packten mich am Arm und zogen mich in die Kirche hinein. Verdammt viele Menschen befanden sich darin. Alle herausgeputzt und überall standen Blumen.

„Was..?“

Fragend blickte ich zu Ben, doch dieser legte mir schnell eine Hand auf den Mund zog mich in die hintere Reihe. Wir setzten uns und er und Sophia hielten mich fest.

„Sie nach vorne.“

Ich tat, was sie sagte und erschauderte. Dort vorne stand Tyler mit einem Anzug, einer Blume im Revers und starrte mehr als traurig auf seine Beine, während seine Hände in seinen Hosentaschen vergraben waren. Dass er diese zu Fäusten geballt hatte, war nicht zu übersehen. Ich sah mich weiter um und mich überlief eine Gänsehaut. Das war keine Beerdigung, sondern wirklich eine Hochzeit. Aber nicht irgendeine Hochzeit, sondern seine. Wie schnell hatte er mich doch vergessen und sich jemand neuen gesucht. Zu wissen, was gleich geschehen würde, trieb mir Tränen in die Augen. Ich blickte hilflos zu Sophia.

„Warum habt ihr mich hergeholt?“

Meine Stimme zitterte und ich wäre am liebsten aufgesprungen und davongelaufen. Sie wussten natürlich nichts davon, was zwischen mir und ihm war. Woher auch? Ich löste mich aus ihren Griffen, stand auf und suchte mir einen Weg Richtung Ausgang. Tyler hatte sich entschieden und ich wollte auf keinem Fall dabei sein, wie er gleich eine andere heiraten würde. Immer wieder versuchten sich mich festzuhalten, doch ich war so voller Panik, dass ich Ben ins Gesicht schlug und stolpernd zur Tür lief. Nicht länger konnte ich meine Tränen zurückhalten. Bevor ich jedoch die Tür öffnen konnte, ging diese auf und eine Frau in ihrem Hochzeitskleid stand plötzlich vor mir. Ich kannte dieses Mädchen. Sie war die Tochter eines reichen Moguls aus der Stadt und war gerade erst volljährig geworden. Sie musterte mich fragend und ein wenig erschrocken. Auch sie schien mich erkannt zu haben. Das war also der Typ Frau, auf den Tyler stand? Zum Glück hatte ich mich rechtzeitig von ihm gelöst. Stille war eingekehrt und ich konnte etliche Blicke auf mir spüren. Schnell verneigte ich mich vor der Braut und versuchte meine Tränen zu verbergen.

„Entschuldige.“

Ich rannte an ihr vorbei und hinaus auf den kleinen Platz vor der Kirche. Das würde ich Sophia und den anderen niemals verzeihen. Die ganze Belegschaft war anwesend gewesen und noch viel mehr Menschen. Die Tränen verschleierte mit den Blick und ich schlang meine Arme fest um um meinen Oberkörper, bevor ich schluchzend hinter einer der vielen Statuen auf dem Platz, in die Knie ging. Das war ja so ungerecht. Mein Brustkorb zog sich so fest zusammen, dass ich kaum Luft bekam. Ich hätte nicht herkommen sollen. Das war ein verdammt großer Fehler gewesen. Nicht umsonst hatte ich alle Kontakte abgebrochen. Aber was hatte ich auch erwartet? Das Tyler weiterhin mir nachlief und sein Glück bei mir versuchte? Da hatte ich wohl falsch gelegen. Sehr schnell hatte er sich eine andere gesucht und war jetzt dabei sie zu heiraten. Aber das bedeutete auch, dass er niemals etwas für mich empfunden hatte. Das er nur neugierig auf mich war, weil ich ihm nicht hinterher gelaufen war, wie all die anderen. Dann war es wohl jetzt wirklich vorbei. Er war über mich hinweg und Sophia, Ben und Jack wollten mir wahrscheinlich nur klar machen, dass auch ich ihn vergessen sollte. Das unsere gemeinsame Zeit nur ein Spiel gewesen war zwischen Chef und seiner Untergebenen. Langsam und träge sickerte es in mein Gehirn. Dies war der Schlussstrich, nachdem ich die ganze Zeit gesucht hatte. Weinend vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen und versuchte wieder ruhiger zu werden.

„Ich bin es Jeff, darf ich mich setzen?“

Schnell wandte ich mich von ihm ab und zeigte ihm meinen Rücken. Mein Auftritt war wohl nicht unbemerkt geblieben. Was auch kein Wunder war, denn die Braut wollte gerade den Saal betreten, als ich wie eine Furie sie beinahe umgerannt hatte. Hoffentlich hatte mich keiner erkannt. Mühselig wischte ich mir die Tränen aus den Augen, bevor ich aufstand.

„Ich muss jetzt gehen.“

Zu meiner Verwunderung, klang meine Stimme fester, als ich mich selbst fühlte.

„Musst du nicht.“

Er stellte sich mir in den Weg und versuchte mich aufzuhalten.

„Ich muss in die Redaktion. Habe noch viel arbeit vor mir.“

Wieder versuchte ich an ihm vorbei zu gehen, doch er packte mich an den Schultern und schob mich zurück auf den Platz, auf dem ich vorhin schon gesessen hatte.

„Bullshit. Ich war derjenige, der Sophia, Ben und Jack gesagt hat, sie sollen dich anrufen. Und ich bin froh, dass du hier bist. Tyler ist gerade dabei seinen schlimmsten Fehler in seinem Leben zu begehen. Und ich spreche aus Erfahrung. Du hattest Recht, als du mir und Tiffany ein oder zwei Jahre gegeben hast. Wir haben uns vor ein paar Wochen scheiden lassen und ich bin froh sie los geworden zu sein. Ich hätte damals auf dich hören sollen, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Tyler rennt gerade in sein Unglück und du bist die einzige, die ihn davon abhalten kann.“

Mit Tränen in den Augen, starrte ich ihn nur ungläubig an. Wusste er nicht, was vorgefallen war und ich ihn angetan hatte? Mein Körper wurde von einem weiteren Schluchzen erfasst und ich schüttelte meinen Kopf.

„Jeff, ich bewundere dein Arrangement, aber das kommt etliche Monate zu spät. Ich bin keine Frau, die in eure Welt passt und das hat Tyler auch mittlerweile begriffen. Es hat schon seinen Grund, wieso er dieses junge Mädchen heiraten will. Kann ich jetzt endlich gehen?“

Wieder versuchte ich mich von ihm zu befreien, doch sein Griff wurde nur fester.

„Ich habe gedacht du wärst intelligenter als die anderen. Tyler heiratet diese geldgierige Nutte nur, weil sein Vater das will. Ist dir nicht aufgefallen wie traurig und fix und fertig er ist? Verdammt Melina, er liebt dich. Ist das so schwer zu begreifen? Und an deiner Reaktion sehe ich auch, dass du ihn liebst. Wieso seid ihr beide nur so stur und verleugnet euer Empfinden? Ich würde Bäume ausreißen und Purzelbäume schlagen, wenn mir eine Frau wie du über den Weg laufen würde. Scheiß auf das Geld und die Macht. Davon hatten Tyler oder ich noch nie genug. Unsere Eltern haben uns immer an der kurzen Leine gehalten. Wieso glaubst du verstehen wir uns so gut? Alles was er oder ich erreicht haben, haben wir uns selbst erarbeitet. Ohne Hilfe unserer Eltern oder ihrem Geld. Wieso kannst du ihn nicht wahrnehmen wie er eigentlich ist?“

Jeffs Worte berührten mich und ich schob unsanft seine Hände zur Seite. Er wollte wissen wieso? Dann würde ich ihm hier und jetzt, alleine unter vier Augen sagen wieso. Ich holte ein paar Mal tief Luft. Zuerst sprach ich leise, doch schnell wurde meine Stimme lauter.

„Du willst wissen warum? Weil ich verdammt noch einmal Angst habe. Ich war nur interessant für ihn, weil ich ihm nicht hinterher gelaufen bin wie all die anderen. In seinen Augen war ich nur eine weitere Errungenschaft. Aber das wollte ich nicht sein. Deshalb habe ich mich immer wieder zurückgezogen. Ich wollte mich nicht auf ein Spiel einlassen, indem ich als Verlierer hervorgehe. Er gehört einer reichen Gesellschaft an und ich bin nur eine Sekretärin. Glaubst du es ist mir leicht gefallen? Glaubst du wirklich ich hätte ihn in den letzten Monaten vergessen können? Noch nie zuvor war ich einem Mann wie ihm begegnet. Aber ich konnte mich nicht darauf einlassen. Er war mein Chef und besaß oder besitzt ein gewissen Ansehen. Ich kann mit diesen vielen Frauen mithalten. Habe ich niemals gekonnt. Meine Kündigung fiel mir nicht leicht, doch ich habe sie durchgezogen, weil ich nicht länger in seiner Nähe bleiben konnte. Hast du überhaupt ein Gefühl wie es sich anfühlt jemanden zu lieben, der diese Liebe nicht erwidert? Ja, ich habe mich in ihn verliebt und es tut höllisch weh ihn mit einer anderen Frau in dieser verdammten Kirche zu sehen. Aber was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Während ich dich hier anschreie und dir mein Herz ausschütte, ist sowieso schon alles gelaufen und vorbei. Deshalb werde ich jetzt nach Hause fahre und werde meinen Scheiß Kummer ertränken und mich so besaufen, dass ich ohnmächtig werde.“

Wild gestikulierte ich mit meinen Armen, während ich ihn immer weiter zurückdrängte und gleichzeitig nach einer möglichen Fluchtmöglichkeit mich umsah. Niemand wusste, wie es wirklich in mir aussah, doch ich hatte die Worte einfach nicht mehr zurückhalten können. Jeff jedoch lächelte sanft und hob leicht abwehrend seine Hände.

„Ist das wahr?“

Tylers leise und tiefe Stimme drang an mein Ohr und ich verfluchte mich in diesem Moment selbst. Ich wagte mich nicht umzudrehen, sondern starrte einfach nur noch immer wütend und total verzweifelt Jeff an. Dieser zog sich sofort zurück und ließ mich einfach stehen. Der Weg war frei. Was hielt mich auf los zu laufen und das Weite zu suchen?

„Melina, bitte.“

Wieso verursachte seine Stimme mir noch immer eine Gänsehaut? Heftig nach Luft ringend, versuchte ich mich zu beruhigen. Das Taxi war nicht weit weg. Wenn ich auf der Stelle los rannte, würde ich es erreichen können. Ich wollte schon einen Schritt machen, doch ich wurde am Arm gepackt und gegen einen festen Körper gepresst. Dunkle Augen suchten meinen Blick. Mehrmals versuchte ich seinem Griff und seinem Blick zu entkommen. Wie viel er von meinen Worten mitbekommen hatte, wusste ich nicht. Es war mir auch egal. Ich wollte einfach nur von hier weg und nach Hause.

 

 

Ich hatte wirklich versucht Melina zu vergessen und mich voll und ganz auf das zu konzentrieren, was vor mir lag. Aber es war mir nicht gelungen. Ständig geisterte sie in meinem Kopf herum und ich konnte nicht glauben, dass sie wirklich am Tage meiner Hochzeit aufgetaucht war. Sie in der Kirche zu sehen, hatte mich mehr als nur verwundert und mich wieder einmal an die Zeit denken lassen, welche wir zusammen verbracht hatten. Aber wieder einmal lief sie vor mir davon und das machte mich wieder einmal rasend vor Wut. Jeff jedoch war schneller gewesen und hatte sie aufgehalten. Er hatte ihr ein Geständnis entlockt, welches mir meine Beine weich werden ließ. Die ganze Zeit war ich hinter ihr gestanden und hatte Wort für Wort von ihrem Ausbruch mitbekommen. Jeff hatte mich natürlich schon die ganze Zeit bemerkt, sich aber nichts anmerken lassen. Ich hatte alle Gäste und meine Braut einfach vor dem Altar stehen gelassen um zu sehen, was mit ihr war. Jetzt hielt ich sie endlich wieder im Arm und noch nie hatte sich etwas besser angefühlt, als das hier. So gerne hätte ich das alles schon viel früher gewusst und befände mich jetzt nicht in dieser Situation. Ihre Augen waren weit geöffnet, während sie mich einfach nur entsetzt anstarrte. So schnell würde kein Wort mehr über ihre Lippen kommen. So viel wollte ich ihr sagen, aber auch ich brachte kein Wort heraus. Ich zog sie einfach fester an mich und eroberte ihre Lippen. Sie schmeckten leicht salzig von ihren Tränen, doch sie waren weich und es dauerte nicht lange, bis auch sie diesen Kuss erwiderte. Das war es war ich immer gewollt hatte. Nicht die Frau, welche vor dem Altar auf mich wartete.

Tyler?“

Erschrocken zuckte ich zusammen. Schnell schob ich Melina zur Seite, welche nur frustriert seufzte.

Können wir wieder hinein gehen?“

Natürlich waren wir nicht mehr alleine. Mehrere meiner Gäste standen da und sahen mich erwartungsvoll an.

Und ich muss gehen. Entschuldige die Störung.“

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und ging einfach davon. Ich wollte ihr nacheilen, aber mein Vater hielt mich zurück und zerrte mich schon fast in die Kirche zurück. Jeff warf mir einen missmutigen Blick zu, als Melina in ein Taxi stieg und verschwand. Wieder einmal war uns nur ein kurzer Kuss vergönnt gewesen. Jetzt würde ich meine Verlobte heiraten müssen, welche am Eingang der Kirche stand und mir einen mehr als wütenden Blick zuwarf. Natürlich zu Recht, denn ich hatte gerade eine andere Frau geküsst. Eine Frau, die meine Welt auf den Kopf gestellt hatte und von der ich vorhin vernommen hatte, dass sie mich liebte. Es mir aber nicht gesagt hatte, weil sie einfach nur Angst gehabt hatte. Angst vor den beiden Welten in denen wir aufgewachsen waren. Wieder einmal war sie geflüchtet und ich wollte nicht mehr länger hier sein. Meine zukünftige Braut stand schon wieder vor dem Altar und warf mir einen auffordernden Blick zu. Ja, schon beinahe ungeduldig sah sie mich an. Auf halben Wege zu ihr, musste ich mich fragen, ob ich sie wirklich heiraten wollte. Melinas Gesicht erschien vor meinen Augen. Ihre Tränen auf den Wangen, ihr erschrockener Gesicht und wie sie sich an mich geschmiegt hatte. Sie war diejenige, welche ich wollte und nicht diese Barbie Puppe, welche nur reich heiraten wollte. Das hier war keine Hochzeit aus Liebe, sondern eine Zweckheirat. Dafür war ich mir aber viel zu Schade.

Sohn, da vorne spielt die Musik.“

Obwohl ich nickte, konnte ich Melinas schmerzhaften Ausdruck nicht vergessen, als sie wie von der Tarantel gestochen aus der letzten Reihe aufgesprungen war. Die Hand meiner Mutter verschränkte sich mit meinen Fingern und sie gab mir eine Kuss auf die Wange.

Warum bist du noch immer hier?“

Ich warf ihr einen verwunderte Blick zu, doch sie nickte nur zustimmend und lächelte aufmunternd. Sie schien genau zu wissen, was in mir vorging.

Können wir die Zeremonie endlich hinter uns bringen?“

Meine Braut, dessen Namen ich immer wieder verwechselte und sie anders nannte, als sie eigentlich hieß, verdrehte ihre Augen und warf frustriert ihre Hände in die Luft. Das war nicht die Art Frau, welche ich an meiner Seite haben wollte. Schnell küsste ich meine Mutter auf die Wange, umarmte Jeff, der mich aufmunternd ansah und wandte mich an meinen Vater.

Die Frau da vorne werde ich auf keinen Fall heiraten. Enterbe mich, verstoße mich oder kenne mich nicht mehr. Es ist mir egal. Mein Herz gehört einer anderen.“

Sofort nahm ich meine Beine in die Hand und lief davon.

 

 

Zu Hause angekommen, zog ich mich um und verließ schnell wieder meine Wohnung. Ich brauchte dinrgend frische Luft und so ging ich in den angrenzenden Park. Um diese Zeit waren kaum Leute unterwegs und ich war eigentlich mehr oder weniger alleine hier. Zum Glück, denn so konnte mich niemand sehen, wie ich vor lauter Verzweiflung und Frust weinte. Ich sollte das nicht tun. Ich sollte anfangen Tyler zu vergessen und mich auf mein neues Leben konzentrieren. Auch mir würde eines Tages ein Mann begegnen, der bei mir blieb und mich liebte, so wie ich war. Tyler hatte aufgegeben, da er mich nicht verstanden hatte. Wie hätte ich ihm auch gerecht werden können? Weder er noch seine Eltern oder die anderen hätten verstanden, dass er eine sogenannte bürgerliche mochte. Ich war nur eine Kuriosität für ihn gewesen und nichts anderes. Ich war selbst schuld, dass ich mein Herz an ihn verschenkt hatte. Und mit diesem Schmerz in meiner Brust, musste ich jetzt klar kommen. Alleine und ohne fremde Hilfe. Die Sonne versank am Horizont und es kam ein frischer Wind auf. Zuerst merkte ich nichts davon, doch dann bekam ich doch eine Gänsehaut und erschauderte. Meine Körper umschlungen mit meinen Armen, stand ich auf und wollte nach Hause gehen, doch Tyler stand plötzlich vor mir. Er sah abgehetzt und verschwitzt aus. Sein Atem ging schnell und er rang verzweifelt nach Luft. Was tat er hier? Ich wich einen Schritt zurück und umschlang meinen Oberkörper fester.

„Bitte, hör mich einfach nur zu.“

Ich schüttelte den Kopf und blickte auf seine Hände. Diese lagen ausgestreckt auf seine Oberschenkeln. Kein Ring befand sich daran. Keuchend und nach Luft ringend kam er auf mich zu. Was hätte er mir schon zu sagen? Sollte er nicht in der Kirche sein und eine andere Frau heiraten? Er kam weiter auf mich zu und packte meine Oberarme.

„Wieso bist du nur so stur?“

Tyler war noch immer völlig außer Atem, bevor er weiter sprach.

„Hast du noch immer nicht kapiert, dass ich mich schon längst in dich verliebt habe? Glaubst du ich würde jede einfach so küssen und mich so um sie bemühen?“

Sein Blick suchte meinen. Woher sollte ich wissen, was in ihm vor sich ging? Etwas erschüttert über seine Worte, trat ich einen Schritt von ihm weg.

„Du machst mich mit deinem ewigen Weglaufen total wahnsinnig.“

Er packte mich und zog mich an sich. Erschrocken darüber, schnappte ich nach Luft. Sein Körper erzitterte leicht, als er mich auffordernd ansah.

„Erstens, will ich keine andere Frau heiraten. Zweitens, schulde ich dir noch eine Woche, in der ich dir deine Wünsche erfüllen muss. Drittens, hör auf davon zu laufen von mir und sag es mir endlich ins Gesicht, dass du mich liebst.“

Tyler seufzte und drückte seine Stirn an meine.

„Was muss ich noch tun, dass du meinen Worten glauben schenkst? Dass du verstehst, dass ich dich will und keine andere. So erging es mir nach unserem ersten Kuss in deiner Wohnung, als ich dich nur mit schweren Herzen alleine gelassen habe. Damals schon wollte ich mehr von dir, als nur diesen einzigen Kuss, aber ich habe mich nicht getraut. Auch jetzt habe ich Angst dich zu überfordern. Du machst es mir auch nicht gerade leicht.“

Zögerlich hob ich meine Hände und sie auf seine Schultern.

„Ist es wahr? Du liebst mich auch und du hast nicht dieses junge Ding geheiratet?“

Seine Augen öffneten sich wieder.

„Habe ich nicht und ich werde sie auch nicht heiraten. Ich hätte das nur getan, weil ich dachte du willst mich nicht. Wie bei Jeff wäre es nur eine Heirat auf Zeit gewesen. Ohne Intimität und Nähe. Das ist es nicht was ich will.“

Seufzend lehnte ich mich an ihn. Wir waren ganz alleine in dem Park und ich wollte nicht mehr länger sprechen oder ihm zuhören. Also eroberte ich einfach seine Lippen und versuchte so viel Gefühl wie möglich in diesen Kuss zu legen. Wieso sollte ich es nicht einfach versuchen? Er hatte doch unmissverständlich gesagt, dass er mich auch liebte. Mein Herz hatte ich ja bereits verloren an ihn und ich wollte mehr von seinen Küssen und Umarmungen. Tyler hob mich hoch und wirbelte mich ein paar Mal im Kreis. Ich musste Lachen und behutsam setzte er mich wieder ab.

„Lass uns nach Hause gehen, öder möchtest du hier bleiben?“

Seine Finger verschränkten sich mit meinen und zog mich an seine Seite.

„Das klingt gut. Aber ich würde gerne meinen ersten Wunsch äußern.“

Tyler sah mich an und nickte.

„Du weißt aber schon, dass die Woche dann heute anfängt.“

Ich lächelte und nickte.

„Dann fährst du zuerst zurück zu der Kirche und den anderen. Du kannst sie doch nicht so einfach stehen lassen.“

Sein Lächeln verschwand und er fuhr sich durchs Haar.

„Aber nur wenn du mitkommst.“

Ich drückte seine Hand fester. Natürlich würde ich mitkommen und ihm beistehen. Hoffentlich waren seine Eltern nicht zu wütend auf ihn oder gar auf mich.

 

 

Vor der Kirche herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Braut schrie meinen Vater an und war mehr als nur wütend.

Du hast gesagt er wird mich heiraten. Du hast es versprochen. Dein Geschäft mit meinem Vater kannst du vergessen. Dafür wirst du einiges Blechen müssen.“

Ich hatte vorher schon gewusst, dass es hier um ein Geschäft geht, aber dass sie es so laut hinaus posaunen musste, war verächtlich und bemitleidenswert. Melina erstarrte regelrecht und ich gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Warte im Wagen auf mich.“

Dankbar lächelte sie. Jetzt musste ich mich ihnen allen stellen. Zu wissen, dass Melina hier war, gab mir die nötige Kraft. Jeff war der Erste, der mich erblickte. Er kam auf mich zu und klopfte mir auf die Schulter.

Das war verdammt knapp. Aber ich glaube da hast du jetzt einige Wogen zum Glätten.“

Ich deutete zum Wagen und Jeff ging schon davon. Sicherheitshalber sollte er auf sie aufpassen und ihr beistehen. Meine Mutter zog eine Schnute, doch ihre Augen strahlten und sie nickte zustimmend. Da waren jetzt wenigstens schon drei auf meiner Seite. Blieben noch all die anderen. Langsam näherte ich mich meinem Vater und der noch immer wütenden Adele. Sie benahm sich nicht nur wie ein kleines Kind, sie war auch noch eines. Wie hatte ich mich nur auf diese Hochzeit einlassen können. Die Trennung von Melina hatte mir wirklich nicht gut getan. Aber jetzt würde ich sie nie wieder gehen lassen. Mein Vater sah mich mit einem enttäuschten Blick an. Noch war er nicht wütend. Oder doch? Immerhin konnte er sich verdammt gut beherrschen.

Können wir reden?“

Adele wirbelte zu mir herum, knallte mir eine und packte dann meine Hand.

Wie kannst du es wagen einfach davon zu laufen? Du hast mich einfach stehen gelassen. Bist du verrückt geworden? Das ist mein Tag und niemand wird mir diesen ruinieren. Hast du mich verstanden? Und jetzt gehen wir alle wieder rein und du wirst mich gefälligst heiraten.“

Sie kreischte schon wieder und ich verzog leicht den Mund. Nur mit Mühe konnte ich ihren Arm von meinem lösen. Obwohl sie so klein und zierlich war, besaß sie eine unglaubliche Kraft. Mittlerweile hatten sich alle um uns versammelt und warteten darauf, was jetzt geschehen würde.

Das werde ich nicht tun. Ich hätte mich niemals auf diese Sache einlassen dürfen. Du bist viel zu jung und zu unreif. Werde erwachsen und suche dir einen Mann, den du liebst und nicht heiraten willst wegen Geld oder eines Namens. Aus diesem Grunde sollte man nicht heiraten.“

Sie sah mich mehr als entsetzt an.

Jetzt weiß ich, dass du verrückt bist. Was redest du da für einen Schwachsinn? Hast du eigentlich eine Ahnung, was für deine Familie auf dem Spiel steht? Also geh gefälligst da hinein und lass uns heiraten.“

Lächelnd wandte ich mich an meinen Vater.

Bereitwillig ersetze ich dir den angerichteten Schaden und wenn es mein ganzes Leben dauern wird. Aber ich hoffe, du verstehst mich ein klein wenig.“

Liebevoll blickte ich zu meiner Mutter, welche sich neben meinen Vater drängte und nach seiner Hand griff. Noch immer reagierte er nicht. Diese verdammte Fassade, welche er immer aufrecht hielt, konnte selbst sie nicht immer gleich durchschauen.

Aber ich werde kein Kind heiraten. Mein Herz gehört einer anderen und wenn sie es eines Tages will, dann werde ich mit ihr vor einem Altar stehen. Bis dahin wird aber noch viel Zeit vergehen. Sei wütend, enterbe mich oder was auch immer. Aber ich liebe nun Mal eine andere und das schon sehr lange. Verzeihe mir. Aber du warst derjenige, der mich erzogen hat und gewisse Werte gelehrt hat. Wenn ich das getan hätte, hätte ich alles was du mir gelehrt hast verraten und das kann ich nicht.“

Ein kurzes Aufblitzen in den Augen meines Vaters, dann ein leichtes Lächeln. Angespannt starrten alle zu meinem Vater, der plötzlich einen Schritt nach vorne machte und mich einfach nur in den Arm nimmt.

Endlich bist du erwachsen geworden und stehst für die Dinge ein, die dir wichtig sind. Noch nie war ich so stolz auf dich.“

Er klopfte mir auf die Schultern und es ging ein leises aufatmen durch die Menge.

Nein! Nein! Nein! Wenn du dir nebenbei eine Hure halten willst, bitte. Aber du wirst mich jetzt heiraten.“

Deutlich konnte ich spüren, wie mein Vater zuckte und sich von mir löste. Ein kurzer Blick genügte und ich sah, wie er vor Wut kochte, als er sich zu Adele umdrehte. Erschrocken weiteten sich ihre Augen und sie hielt den Atem an.

Ich an deiner Stelle wäre jetzt sehr vorsichtig. Das ist eine schwere Beleidigung, für die ich dich anzeigen könnte. Dann wärst du diejenige, welche ihr Leben lang zahlen würde müssen und glaube mir, das bringe ich vor jedem Richter durch. Dein Vater ist ein sehr guter Geschäftspartner von mir und wir können uns sehr gut leiden, doch bei dir hat er mehr als nur versagt. Ich an seiner Stelle würde dich übers Knie legen und dir ein riesiges Stück Seife in den Mund schieben. Glaubst du wirklich ich wäre ein Geschäft eingegangen ohne mich abzusichern? Dein Vater hat sich auch abgesichert. Du verstehst so wenig noch vom Leben. Nimm dein restliches Stück Würde und fahre nach Hause in deine kleine Welt und zu deinem Puppenhaus. Denn dort gehörst du hin, bis du nicht erwachsen geworden bist.“

Noch nie hatte ich meinen Vater so reden gehört. Ich blinzelte und konnte es nicht fassen. Meine Mutter schlang ihre Arme um meinen Bauch und drückte ihre Wange auf meinen Oberarm. Adele schnappte nach Luft, Tränen kamen ihr und sie fing wie ein kleines Mädchen an nach ihrem Papa zu rufen, als sie davon lief. Einige der Gäste grinsten, andere versuchen nicht zu laut zu lachen und von ihren Eltern war keine Spur zu sehen. Wahrscheinlich war der Auftritt ihrer Tochter genau so peinlich wie allen anderen.

Ich hab dich lieb.“

Ich drückte meine Mutter an mich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Mein Vater wandte sich der Menge zu und holte tief Luft.

Es tut mir leid, dass ihr Zeugen von diesem Vorfall geworden seid. Trotzdem würde ich euch bitten noch zu uns zu kommen. Es gibt viel zu Essen und zu Trinken und es wäre Schade, dass alles wegzuschmeißen. Also bitte, kommt und lasst uns den Tag noch genießen. Ich werde ihm meinen Sohn widmen, der endlich Eier in der Hose bekommen hat.“

Lautes Gelächter erklang und ich warf ihm einen frustrierten Blick zu. Auch wenn er immer der Geschäftsmann war, so konnte er auch ganz anders.

Vater, bitte.“

Er wandte sich um und lächelte.

Na kommt ihr zwei. Ich glaube da wartet im Wagen schon jemand ganz ungeduldig. Und ich hoffe, dass ihr mitkommt.“

Ich wandte mich zum Wagen um. Melina stand mit gefalteten Händen vor ihrer Brust neben Jeff, der ihr eine Hand auf ihre Schultern gelegt hatte. Er grinste schelmisch, während sie mich nur sanft lächelnd mit ihren großen Augen ansah. Sie sah so süß aus, dass mir sofort warm ums Herz wurde. Zu dritt gingen wir auf sie zu und ich griff nach ihren Händen, um sie zu küssen.

Geht es dir gut?“

Sie nickte und blickte zu meinen Eltern. Meine Mutter schob mich unsanft zur Seite.

Jetzt geh schon zur Seite.“

Melina bekam eine feste Umarmung und einen Kuss auf die Wange. Sie wurde rot im Gesicht und schüchtern senkte sie ihre Lider.

Miss Brown?“

Meine Mutter und ich traten zur Seite. Sie hob wieder ihren Blick und ich konnte sehen, wie sie nervös schluckte.

Ist es noch zu früh sie in dieser Familie willkommen zu heißen?“

Flüchtig sah sie mich an, bevor sie sich meinem Vater zuwandte.

Ich....ich weiß nicht?“

Er lachte und schlang einfach seine Arme um sie.

Du fährst bei mir mit. Ich würde mich gerne noch mit dir unter vier Augen unterhalten. Das Essen und die Getränke warten bereits.“

Bevor ich etwas sagen konnte, zog er sie weg von mir und dem Wagen. Hilflos wandte sie sich um und warf mir einen ängstlichen Blick zu. Was hatte mein Vater mit ihr vor? Was würde er ihr sagen? Ich wollte einen Schritt machen, doch meine Mutter hielt mich zurück und schüttelte den Kopf.

Ihr zwei setzt euch jetzt in den Wagen. Wir bekommen Gäste und dein Vater wird sie schon nicht auffressen.“

Drohend hatte sie einen Finger erhoben und deutete auf den Wagen neben ihnen. Ich konnte es nur hoffen, denn an Melina lag mir wirklich sehr viel und mein Vater konnte manchmal sehr merkwürdig sein. Hoffentlich würde ich sie nach dieser Fahrt wiedersehen.

 

 

Ganz erfreut war ich nicht darüber, jetzt mit Victor Winston in einem Wagen ganz alleine zu sitzen. Aber mir blieb anscheinend nichts anderes übrig. Der Wagen setzte sich in Bewegung und ein mehr als nervös und ängstlich saß ich neben ihm.

„Wieso haben alle immer nur Angst vor mir?“

Er seufzte und drehte sich zu mir.

„Verzeihen sie.“

Er lächelte und tätschelte meine Hand.

„Können wir das Sie nicht lassen? Ich bin Victor.“

Ich sah ihn leicht ungläubig an.

„Melina.“

Er nickte und seine Hand ruhte auf meiner.

„Du musst mir verzeihen. Ich wollte Tyler nicht in diese Hochzeit drängen, doch er hat einfach viel zu bereitwillig Ja gesagt. Ich habe vorher schon gewusst, dass da etwas nicht stimmen kann. Jetzt kenne ich wenigstens den Grund dafür. War er unhöflich gewesen? Hat er dich zu sehr bedrängt? Was war es, dass du dich nicht auf ihn eingelassen hast?“

Verlegen wandte ich mich von ihm ab.

„Nichts von alle dem. Ich war eigentlich diejenige, die nicht glauben konnte, dass ein Mann wie er, mit seinem Geld und seiner Position sich wirklich für mich interessiert. Ich dachte er würde nur eine weitere Eroberung suchen.“

Sein Vater fing neben mir lauthals zu Lachen an.

„Und ich wette, du hast ihm das auch gesagt.“

Ich nickte zögerlich und er lachte noch lauter.

„Schade, dass ich sein Gesicht nicht gesehen habe, als du ihm gewisse Dinge an den Kopf geworfen hast.“

Ich konnte mir noch immer keinen Reim darauf machen, was er eigentlich von mir wollte. Ich fühlte mich unsicher und total fehl am Platze. Trotzdem musste ich Schmunzeln, da er so herzhaft lachte.

„Es ist für mich als Vater schön zu sehen, wie mein Sohn regelrecht aufblüht, wenn er dich ansieht. Das ist mir schon früher aufgefallen. Als du mich damals treffen wolltest wegen dem Job, war ich mehr als überrascht gewesen, aber ich wollte dich kennenlernen. Tyler hatte vorher schon ständig versucht mich zu überreden, nur dir diesen Job zu geben. Ich hatte einige andere an der Hand, doch er hatte alle abgelehnt. Deshalb war ich neugierig geworden. Als unser Essen vorbei war wusste ich, was ihn so faszinierte. Du hast viel von meiner Frau und bist ihr sehr ähnlich.“

Schnell hob er abwehrend seine Hände und sah mich vorsichtig an.

„Das sollte jetzt nicht so klingen, dass du ihn an seine Mutter erinnerst. Aber du bist ihr sehr ähnlich. Ich hatte gerade angefangen mein Imperium aufzubauen, als sie mir über den Weg lief. Wie ein Wirbelwind war sie mit ihren gemischten Gefühlen in mein Leben gerauscht. Einerseits wollte sie mich, auf der anderen Seite hielt sie mich auf Abstand. Damals besaßen wir beide kaum etwas, doch ich wollte sie vom ersten Augenblick an. Doch wir haben geheiratet und einen Sohn aufgezogen. Auf den ich wohlgemerkt, sehr stolz bin. Er muss niemanden heiraten des Geldes wegen oder wegen eines Geschäftes. Das hätte ich auch niemals von ihm verlangt und ich hoffe du glaubst mir. Wir haben immer darauf geachtet, dass er sich selbstständig in der Welt zurecht findet und Geld zu schätzen weiß. Nicht so wie Adele oder alle anderen aus der gehobenen Gesellschaft. Deshalb ist es mir auch nur Recht, dass er jemanden gefunden hat, den er von Herzen liebt. Eine Frau, die nicht hinter Geld oder Macht her ist und mit beiden Beinen fest im Leben steht. Seine damalige Braut hatte ihm schwer zugesetzt mit ihrem Verrat und danach war er nicht mehr der Selbe gewesen. Er zog sich immer mehr zurück und es wurde schwierig für uns wieder einen Draht zu ihm zu finden. Das änderte sich schlagartig nach dem Fest bei mir zu Haue, wo er dich das erste Mal getroffen hatte. Ich habe ihm die Firma übergeben, damit er endlich wieder unter Leute kommt, doch er hatte nur dich im Sinn. Dabei ist ihm nicht einmal aufgefallen, dass er eigentlich seine Sache ganz gut gemacht hatte. Die Firma florierte und das nur dank deiner Hilfe. Das ist ihm nicht einmal aufgefallen. Ihr wart ein gutes Team. Doch nachdem du gegangen bist, wurde alles anders. Er ging zwar in die Arbeit, doch nichts ging mehr weiter. Termine wurden nicht eingehalten. Die Belegschaft ist sauer und das Geschäft läuft nicht mehr so gut. Als würde es seine Seele widerspiegeln. Er setzte sogar nach ein paar Wochen jemanden ein, der seine Arbeit übernommen hat. Seit eurem Streit, oder wie immer ich das nennen soll, hat er sich keinen Tag mehr um die Firma gekümmert. Und jetzt komme ich auch zu dem Grund, wieso ich mit dir sprechen wollte.“

Das hatte ich alles nicht gewusst, doch ich hatte mir vorher schon gedacht, dass Victor Winston nicht ohne Grund mit mir sprechen wollte. Es ging wohl doch ständig nur ums Geschäft für ihn. Er liebte seinen Sohn und seine Frau, doch er war einfach ein Geschäftsmann und konnte dies auch nicht ablegen wie es schien.

„Ich will das du zurückkommst. Aber nicht als Sekretärin, sondern als Geschäftsführerin. Mit Tyler an deiner Seite oder nicht ist mir egal. Du verstehst deinen Beruf, kennst die Angestellten und weißt was sie wollen und was nicht. Wie ich eine so talentierte und tolle Frau habe gehen lassen können, ist mir ein Rätsel und etliche aus der Firma vermissen dich. Und nein. Ich mache dir das Angebot nicht, weil ihr euch verliebt habt. Ich wollte schon längst an dich herantreten und dir dieses Angebot unterbreiten. Dich zu finden, war aber nicht so leicht. Ständig warst du nicht im Büro und auf deiner privaten Nummer, wollte ich dich nicht anrufen. In deinem Büro sollten etliche Anfragen von mir vorliegen. In den letzten Monaten habe ich immer wieder versucht dich zu erreichen.“

Hatte er das wirklich? Aber ich hatte keine Nachrichten erhalten. Ich runzelte die Stirn.

„Ist das wahr?“

Vincent nickte und holte sein Handy heraus. Er tippte darauf herum und hielt es mir hin. Er zeigte mir die vielen Anrufe an die Redaktion und die Mails, welche er meiner Chefin geschickt hatte. Aber niemand hatte mir etwas ausgerichtet. Wieso hatte mir niemand etwas gesagt?

„Ich wusste bis jetzt nichts davon.“

Er seufzte und steckte sein Handy wieder ein.

„Das habe ich mir gedacht. Deine neue Chefin war nicht gerade freundlich zu mir gewesen und hat immer wieder aufgelegt, sobald ich dich sprechen wollte. Anscheinend hat auch sie dein Potenzial erkannt und wollte dich nicht abwerben lassen. Wie du siehst, ich tue das nicht für meinen Sohn, sondern weil ich ein Talent erkenne. Und du hast verdammt viel Talent. Du hast in der Zeit als Sekretärin meines Sohnes diese Firma in andere Sphären katapultiert. Du besitzt einfach das richtige Gespür für alles und verbindest dich mit den Angestellten und achtest ihre Wünsche und Vorlieben. Ich sage nur Ritteressen.“

Ich lächelte. Von Minute zu Minute entspannte ich mich immer mehr. Vincent Winston log mich nicht an und wenn doch, dann konnte er sich verdammt gut verstellen. Aber das glaubte ich nicht.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Er lachte und der Wagen hielt an.

„Heute will ich noch keinen Antwort von dir. Lass dir einfach alles durch den Kopf gehen. Bedenke aber, dass ich will, dass du diese Firma leitest. Alleine oder mit wem auch immer. Wenn Tyler nicht zurück will, dann ist es mir auch egal. Ich weiß, ich handle jetzt eigennützig in deinen Augen, aber ich will dich wirklich fordern, weil ich weiß was du kannst. Du bist mit Herz und Seele bei deiner Arbeit und solche Leute gibt es nur noch ganz wenige.“

Nachdenklich sah ich ihn an, als die Wagentür geöffnet wurde und er ausstieg. Er hielt mir seine Hand hin und ich ergriff sie ohne Bedenken.

„Und jetzt werden wir uns über das Buffet hermachen und nicht mehr davon sprechen. Ist das in deinem Sinn?“

Lächelnd nickte ich und ließ mich von ihm ins Haus führen. Sein Angebot war wirklich sehr verlockend. Ich ärgerte mich aber darüber, dass mir niemand ausgerichtet hatte, dass er angerufen hatte und mich sprechen wollte. Lag es wirklich daran, dass ich in seinen Augen so gut war? Ein wenig verunsicherte mich das alles, doch er hatte Recht. Es gab Essen und Getränke im Überfluss. Einer der Butler kam uns entgegen und er schob mich sanft von sich.

„Das ist Gregor. Er wird dich nach oben bringen und dir zeigen wo du dich umziehen kannst. Kleidung ist genug oben. Nimm dir einfach was du willst. In der Zwischenzeit warte ich auf die anderen.“

Gregor verneigte sich und ich warf einen fragenden Blick zu Vincent.

„Ich kann doch nicht einfach mich umziehen.“

Er nickte und schob mich Richtung Treppe.

„Schon vergessen? Hausherr und vielleicht zukünftiger Arbeitgeber?“

Meine Wangen röteten sich, als Gregor nach meiner Hand griff und mich einfach mit sich zog. Das war mehr, als ich mir jemals erwartet hatte. Tylers Vater war wirklich anders, als ich gedacht hatte. Mühsam hatte er sich sein Geld angehäuft und schien aber noch immer normal geblieben zu sein. Nicht abgehoben oder überheblich. Ich bereute meine schlechten Gedanken über ihn und ließ mich von dem Butler in ein Schlafzimmer führen.

„Ihnen wird sicher etwas passen. Ich werde auf die Herrin warten und sie dann gleich zu ihnen bringen. Ist das in Ordnung?“

„Wem gehören dir Sachen?“

Er lächelte und öffnete den Schrank.

„Der Herrin. Sie haben aber die gleiche Größe.“

Ich trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. Das war also das Schlafzimmer von Tylers Eltern. Wie ein Eindringling kam ich mir vor.

„Bitte sagt Melina zu mir. Aber seien sie mir nicht böse. Ich kann das nicht tun. Ich bleibe einfach so wie ich bin.“

Gerade als er etwas sagen wollte, öffnete sich die Tür und schon kam eine aufgeregte und breit grinsende Frau hereingestürmt.

„Danke Gregor. Ich mach das schon.“

Er verneigte sich vor ihr, warf mir ein Lächeln zu und eilte davon.

„Also, was willst du anziehen?“

Sie betrachtete die Kleider in ihrem Schrank und wirbelte dann herum zu mir.

„Entschuldige. Ich bin Maria und ich hoffe es stört dich nicht, dass ich Du zu dir sage.“

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Sie war ganz aus dem Häuschen, als sie sich wieder ihren Schrank widmete. Sie holte ein Kleid heraus, welches sich in einer Plastikhülle befand.

„Ich habe es gekauft, als ich schwanger war und habe versucht meine alte Figur wieder zu bekommen, damit ich hineinpasse. Doch es war mir nicht gelungen. Ich hätte gerne, dass du es probierst.“

Sie drehte sich damit um und ich starrte auf das Kleid in ihren Händen. Sie zog das Plastik herunter. Ein dunkelgrünes Kleid kam zum Vorschein. Das konnte ich nicht annehmen, oder doch? Sie kam zu mir und drückte es mir einfach in die Hand.

„Das Badezimmer ist gleich da hinten. Würdest du mir den Gefallen tun und es anziehen?“

Der Stoff war weich und die Farbe gefiel mir sehr gut. Ich nickte und eilte ins Badezimmer. Schnell zog ich mich aus, wusch mein Gesicht und zog mir das Kleid an. Es passte wie angegossen. Ich ging zu ihr hinaus ins Schlafzimmer und sie lächelte, während sie mich betrachtete.

„Es passt perfekt. Ich werde es dir schenken, denn mir passt es nicht.“

„Das kann ich nicht annehmen.“

Sie nickte und trat an mich heran, um die Träger zu richten.

„Das kannst du. Ich habe es niemals getragen und es hängt einsam und verlassen in meinem Schrank. Du siehst bezaubernd aus und ich bin froh, dass es endlich jemand zu Gesicht bekommt.“

Sie öffnete meine Haare, griff nach einer Bürste und fuhr ein paar Mal damit durch mein Haar. In Gedanken verloren richtete sie meine Haare und ging dann zu einer Kommode. Sie holte etwas heraus und drehte sich dann wieder zu mir um.

„Das ist nur eine Leihgabe.“

Maria legte mir eine Kette um den Hals und zog mich zum Spiegel.

„Du siehst aus wie eine Prinzessin. Ich bin ja so froh, dass mein Sohn dich gefunden hat.“

Ich starrte in den Spiegel und fühlte mich sofort ein wenig unwohl. Ich wandte mich von meinem Spiegelbild ab und wandte mich zu Tylers Mutter. Das Kleid passte wirklich sehr gut, doch ich fühlte mich seltsam. Traurig senkte ich den Blick.

„Das bin nicht ich.“

Ich wollte schon gehen, da ergriff sie meine Hände und sah mir fest in die Augen.

„Du bist noch immer die Gleiche. Ich weiß, dass diese Welt dir nicht behagt und du dich unwohl fühlst, aber so ist es nicht immer. Es werden schlechte und gute Zeiten auf euch zukommen. Auch ich habe mich nicht wohl gefühlt damals, als Victor Geld anhäufte und wir uns leisten konnten, was wir wollten. Auch heute noch bin ich nicht wirklich glücklich darüber, doch es fällt mir nach den vielen Jahren einfach leichter, es zu akzeptieren. Wir lieben uns, wir haben einander und nichts anderes ist wichtiger. Bitte lass mich dir das Kleid schenken. Es würde mir wirklich viel bedeuten.“

Ich nickte und betrachtete mich wieder im Spiegel. Es passte mir wirklich sehr gut. Warum sollte ich es tragen?

„Danke.“

Sie lächelte und hackte sich bei mir unter.

„Und jetzt komm. Die anderen warten schon auf uns.“

 

 

Immer wieder hatte ich die Nähe meines Vaters gesucht, doch er schien keinen Augenblick Zeit für mich zu haben. Melina und meine Mutter waren nirgendwo auffindbar und es waren mehr Gäste gekommen, als ich angenommen hatten. Obwohl keine Hochzeit stattgefunden hatte, so wollten sie sich das Essen und die Getränke nicht nicht entgehen lassen. So ziemlich jeder versicherte mir, dass ich richtig gehandelt hatte und unsere Familie dadurch nicht ins schlechte Licht gerückt war. Adele und ihre Eltern konnte sowieso niemand wirklich leiden. Doch das war alles belanglos. Wo war Melina und wann würde sie endlich kommen? Was hatte mein Vater ihr angetan? Diese Frage stellte ich mir immer wieder, während ich mich schon beinahe verzweifelt ständig im Saal umblickte. Aber sie war nicht hier. Warum war sie nicht hier? Um mich wieder zu fassen, ging ich zu einem der Kellner und schnappte mir ein Glas Champagner. Leise spielte die Musik und jeder suchte sich einen Platz für das Essen. Ich stürzte mein Glas hinunter und wollte mich gerade auf die Suche nach ihr machen, als sie und meine Mutter den Raum betraten. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid, welches ihres Figur mehr als nur aufreizend betonte. Mir fielen beinahe die Augen aus den Höhlen, so schön sah sie aus. Ihr Haar war offen und reichte ihr bis zu den Schulterblättern. Verstohlen und ängstlich blickte sie sich um, bevor unsere Blicke sich streiften. Sie senkte schnell den Kopf und ließ sich von meiner Mutter in den Saal führen. Beide kamen sie auf mich zu.

Entschuldige. Ich wollte dir Melina nicht so lange vorenthalten, aber wir haben einfach die Zeit vergessen.“

Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, griff nach meiner Hand und legte Melinas Hand in meine. Dann eilte sie davon und ich stand noch immer wie angewurzelt vor ihr stehen.

Du siehst wunderschön aus. Ist das die Kette meiner Mutter?“

Sie griff sich an den Hals und nickte, bevor sie den Blick hob.

Ja. Sie hat sie mir geborgt.“

Wie automatisch legte ich eine Hand auf ihre Taille und brachte sie zu dem Tisch meiner Eltern. Ich schob den Stuhl zu Recht und setzte mich neben sie, bevor ich ihre Hand wieder ergriff. Ich konnte nicht anders. Ich musste sie spüren und ihr versichern, dass alles gut war. Es saßen noch andere Leute am Tisch, welche ich nicht wirklich kannte, doch Melina schien sich köstlich zu amüsieren mit ihnen und unterhielt sich während des Essens angeregt mit ihnen. Immer wieder lachte sie und ihr schien das Essen zu schmecken. Nach dem Hauptgang, lehnte sie sich leicht zurück und legte eine Hand auf ihren Bauch. Ich liebte diese Geste von ihr. Ich betrachtete sie eingehend und griff nach ihrer Hand um sie zu küssen. Sie errötete leicht.

Charmeur.“

Ich nickte und wollte sie an mich ziehen, als einer der Kellner kam und die Nachspeise brachte. Das war gemein, denn ich hätte sie jetzt gerne geküsst und anschließend von hier weggebracht. Etwas verzweifelt war ihr Blick, als sie die Nachspeise betrachtete. Doch es dauerte nicht lange, bis sie meine Hand leicht drückte und sie mir entzog. Sie aß auch das noch auf und seufzte dann leise mit geschlossenen Augen. Jeder am Tisch betrachtete sie mit einem Lächeln.

Ich bin froh, dass es dir geschmeckt hat.“

Erschrocken riss sie ihre Augen auf und blickte zu meinem Vater, der sie nur lachend ansah. Konnten ihre Wangen noch dunkler werden? Ja, das konnten sie. Deutlich konnte ich sehen, wie sie nach Worten rang.

Das Essen war einfach nur himmlisch.“

Mein Vater griff nach ihrer anderen Hand und drückte sie fest.

Das höre ich gerne.“

Auch die anderen am Tisch lobten das gute Essen und versuchten Melina beizustehen. Mit ihrer einfachen und unbefangenen Art, konnte sie alle mit Leichtigkeit um ihren Finger wickeln. Das war nicht nur erstaunlich, sondern hatte mich auch immer wieder an ihr fasziniert. Die Musik wurde lauter und die Gäste meines Vaters verließen ihre Tische und bildeten Grüppchen. Einige fingen sogar zum Tanzen an. Melina jedoch wirkte ein klein wenig erschöpft und müde. Sofort machte ich mir Sorgen um sie.

Soll ich dich nach Hause bringen?“

Sie legte eine Hand auf mein Knie und schüttelte den Kopf.

Später. Ich will jetzt einfach nur sitzen und das Essen sacken lassen. Außerdem wünsche ich mir mit dir zu tanzen.“

Glücklicher konnte ich gar nicht sein, wie in diesem Moment. Mein Vater forderte meine Mutter auf zum Tanzen und nun saßen wir ganz alleine am Tisch. Ihre Hand lag noch immer auf meinem Knie und sie streichelte es sanft, während sie zurückgelehnt auf ihrem Stuhl saß und zur Tanzfläche blickte. Melina hatte ja keine Ahnung, wie sehr ich sie liebte. Ich schlang einen Arm um ihre Schultern und zog sie sanft an meine Seite. Sie lehnte sich auch bereitwillig an mich.

Darf ich um den Tanz bitten?“

Leicht versteifte ich mich, als Jeff vor uns erschien und sich vor Melina verneigte. Sie kicherte und schüttelte den Kopf.

Mein erster Tanz gehört Tyler. Aber später würde ich gerne mit dir tanzen.“

Jeff setzte sich auf den freien Stuhl neben ihr und sah sie mehr als nur traurig an.

Du bist gemein.“

Sie fing zu lachen an und löste sich sanft von mir, um sich nach vorne zu beugen.

Bin ich nicht, aber vielleicht schenkt dir Tyler seinen ersten Tanz.“

Erwartungsvoll sah mich mein bester Freund an, doch ich schüttelte schnell den Kopf.

Kommt gar nicht in Frage.“

Ich stand auf und zog sie auf die Beine. Etwas schwerfällig folgte sie mir zur Tanzfläche. Ich nahm sie in meinen Arm und sah ihr fest in die Augen.

Der erste Tanz gehört mir.“

Sie kicherte und nickte, bevor wir uns im Takt der Musik bewegten.

 

 

Niemals hätte ich mir gedacht, dass mir das alles so viel Spaß machen würde. Tyler war eifersüchtig auf Jeff, weil er mich zum tanzen aufgefordert hatte. Das war total süß von ihm und schmeichelte mir. Wir drehten uns im Kreise und ich hatte nur Augen für ihn und seine erhabene Haltung.

„Ich würde dann gerne von hier verschwinden. Normalerweise würde ich diese Frage nicht stellen, aber zu dir oder zu mir?“

Seine Augen blitzten auf und er packte mich fester.

„Dein Wunsch ist mir Befehl. Wo immer du lieber hin möchtest.“

Ich wollte gerade antworten, da löste ihn sein Vater ab und er warf mir nur einen traurigen Blick zu. Ein Lied nach dem anderen musste ich mit verschiedenen Leuten tanzen, bevor ich völlig erschöpft mich endlich zurückziehen konnte. Ich setzte mich auf einfach auf einen freien Stuhl und zog meine Schuhe aus. Die Schuhe hatte ich von Maria bekommen. Sie passten perfekt, doch ich war so hohe Schuhe einfach nicht gewohnt. Erleichtert bewegte ich meine Zehen. Jetzt würde ich sie nicht mehr anziehen können, doch das war mir egal. Eine Hand legte sich auf meinem Nacken und streichelte mich sanft.

„Tun dir deine Füße weh?“

Ich legte eine Hand auf seine und zog ihn zu einem freien Stuhl vor mir.

„Ein wenig.“

Er lächelte und griff nach meinem Bein, um es sich auf die Schoss zu ziehen. Schnell blickte ich mich verstohlen um, als er anfing meine Fußsohlen zu massieren.

„Das kannst du doch nicht machen.“

Ich wollte mich ihm entziehen, doch er ließ es nicht zu.

„Es war zwar kein ausgesprochener Wunsch, doch ich konnte es deutlich in deinen Augen sehen. Was die anderen denken, ist mir so was von egal.“

Wieder versuchte ich meinen Fuß wegzuziehen, doch er hielt packte meine Knöchel noch fester und warf mir einen warnenden Blick zu. Da es mir sowieso nicht gelingen würde, lehnte ich mich seufzend zurück und ließ ihn einfach seine Arbeit machen. Und was er machte, machte er verdammt gut. Tyler beugte sich leicht nach vorne und strich mit seiner Hand bis zu ihrem Knie hinauf.

„Gehen wir nach oben oder fahren wir zu dir oder zu mir?“

Gänsehaut lief mir über den Rücken, als ich seinen verlangenden Blick sah.

„Und was ist mit deinen Eltern?“

Er schüttelte den Kopf und stellte meinen Fuß vorsichtig auf den Boden.

„Die sind mir egal, aber wenn wir nicht gleich von hier verschwinden, muss ich dich vor allen anderen küssen.“

Verlegen wandte ich mich von ihm ab und blickte in die Runde. Es wurde in Gruppen getrunken, sich unterhalten und seine Eltern befanden sich auf der Tanzfläche mit einigen anderen auch. Ich schnappte mir seine Hand und eilte mit ihm zur Tür. Ich konnte nur hoffen, dass uns niemand aufhielt. Und es gelang uns ungesehen davon zu laufen.

„Und jetzt?“

Vor der Treppe blieb ich stehen und blickte mich suchend um. Tyler jedoch zog mich einfach weiter und brachte mich in eines der letzten Zimmer im ersten Stock.

„Ich bin mehr als froh, doch an meiner Seite zu haben.“

Seine Lippen senkten sich auf meine, während er mich fest an sich zog und meine Schmetterlinge so wild in meinem Bauch herumflogen, dass mir ganz schwindlig wurde.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.05.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
*Rohfassung - Fehler sicherlich vorhanden* Melina lernt ihren zukünftigen Boss durch Zufall kennen und lieben. Urteilt selbst.

Nächste Seite
Seite 1 /