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Prolog:

Ihr Vater bog um die Kurve und zog das Tempo ein wenig an. Er konnte nicht sehen, was sie sah. Er sah nicht das entgegenkommende Auto – oder erst zu spät. Beide krachten zusammen, sie überschlugen sich mehrere Male, dann prallte das Auto erneut auf den Boden auf. Ihr wurde alles schwarz vor Augen.


Kapitel 1

Carina schlug die Augen auf.
Über ihr war nur eine weiße Decke. Strahlend weiß, nicht wie ihre himmelblaue Zimmerdecke. Mühsam drehte sie den Kopf nach links, was ihr schwerfiel.
Auch die Wand war weiß, mitten in der Wand war eine Tür, jedoch ebenfalls in weiß gehalten.
„Schatz?", fragte eine sanfte Stimme.
Carina drehte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht um und sah in die Augen ihrer besorgten Mutter.
„Mum?", flüsterte sie zaghaft. „Was machst du hier?"
Die blauen Augen ihrer Mutter füllten sich mit Tränen.
„Oh mein Schatz! Du warst im Koma, nach dem schrecklichen Autounfall. Wir dachten, du würdest nie wieder aufwachen!"
Jetzt erst begann Carina sich langsam zu erinnern.
Der Autounfall. Ein Laster war auf sie zugerast, nachdem ihre Eltern sie vom Reiten abgeholt hatten. Dann waren die beiden Wagen mit einem fürchterlichen Crash zusammengestoßen. Weiter konnte Carina sich nicht erinnern, sie musste wohl schon das Bewusstsein verloren haben.
Sie versuchte, sich aufzusetzen und wollte sich mit dem rechten Bein abstützen, doch es ging nicht. Sie spürte ihre Beine nicht mehr!
Vorsichtig fühlte sie mit ihren Händen nach. Alles war normal. Doch warum spürte sie ihre Beine nicht.
„Mum?", wimmerte sie. Ihr kam ein schrecklicher Verdacht.
Ihre Mutter schien zu wissen, warum ihre Tochter so aufgelöst war. Sanft sagte sie: „Du bist Querschnittsgelähmt, Schatz! Es tut mir leid!"
Carina starrte ihre Mutter kurz an. Dann sank sie ohnmächtig wieder in ihre weiches Bett im Krankenhaus Zimmer 233 in der Intensivstation zurück.

Als sie aufwachte, fühlte Carina sich schon um einiges besser. Ihr Kopf tat nicht mehr höllisch weh, es lag nun noch ein leichter Druck darauf. Und sie konnte sich wieder völlig problemlos bewegen.
Diesmal sah sie ihre Vater mit besorgt dreinschauendem Gesicht am Bett sitzen.
„Hey!“ Sie lächelte, wohl wissend, dass sie für den Rest ihres Lebens gelähmt sein würde. Ihr Vater hatte, genau wie ihre Mutter beim letzten Mal, Tränen in den Augen.
„Geht es dir wieder gut?“, fragte er vorsichtig und Carina nickte. „Bin ich immer noch querschnittsgelähmt?“, fragte sie.
Ihr Vater nickte mit traurigem Ausdruck, dann besann er sich jedoch und zwang sich zum Lächeln.
„Ja, leider mein Schatz!“ Das waren die gleichen Worte wie die ihrer Mutter, doch Carina war zu erschöpft, um darüber nachzudenken.
Sie schloss erneut die Augen und schlief ein. Sie war zu erschöpft.

Die Sonne kitzelte Carina unter der Nase und sie musste Niesen. Langsam öffnete sie ihre katzengrünen Augen. Eine Schwester in weißem Kittel mit schwarzen Haare stellte ein Tablett auf dem Tisch ab. Sie drehte sich zu Carina um, sobald diese einen Ton von sich gab.
„Guten Morgen, ich bin Schwester Lan!“, erklärte sie freundlich. Nun erkannte Carina, dass Schwester Lan eine Chinesin sein musste. Sie hatte natürlich braune Haut und eine typisch breite Nase. Klein war sie außerdem.
„Wie geht’s dir? Hast du Hunger?“, fragte die Schwester freundlich. Carina nickte und Lan stellte ein großes Tablett vor ihr auf die Knie. Doch Carina spürte es nicht, und schlagartig wurde sie wieder an ihre Beine erinnert. Tränen quollen aus ihren Augen hervor.
Als die Schwester es bemerkte, umarmte sie Carina schnell und gab ihr ein Taschentuch. „Alles okay!“, tröstete sie und Carina hätte sie am liebsten angeschrien, das nichts okay war und sie sie doch endlich loslassen sollte. Doch selbst dazu hatte sie keine Kraft.
Also begann sie nur stillschweigend zu essen.
Das Essen schmeckte gut, das musste Carina zugeben. Sie aß alles auf, dann nahm Schwester Lan das Tablett wieder von ihren Beinen und rollte mit einem silbernen Wagen hinaus. Carina schloss die Augen und ließ sich die Sonne aufs Gesicht scheinen. Sie dachte zum ersten Mal bewusst über den Unfall nach.

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Tag der Veröffentlichung: 06.04.2010

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