Jedes Jahr am 24. Dezember, wenn alles im Schlaf lag, schlich sich ein schwarzes Kaninchen mit grauem Bart und Mähne, aus seinem heimischen Stall.
Vor ihm lag eine Aufgabe, fast zu groß für ein so kleines Tier und doch, machte es diese liebend gerne.
Es schaute zum Himmel der kühlen Nacht. Dieses Jahr vermisste es den Schnee, der in meist dicken Wolken vom Himmel fiel. Und selbst die Tanne, unter der alle Geschenke an diesem Tag warten, stand in einem adretten grünen Kleid vor ihm, ohne ihren weißen Mantel.
Einzig der Himmel mit seinen vielen leuchtenden Lichtern schien für diesen Tag geschmückt.
Das kleine Kaninchen nahm das erste Geschenk in sein Mäulchen.
Eine im saftigen Salatblatt verpackte Ansammlung von Leckereien. Eines für jedes Kaninchen ob im Haus, im Garten oder draußen.
Damit hopste es über die Wiese und hielt an.
Vor ihm erblickte es eine kleine Blume, die hier auf einer Anhöhe stand, wartend auf ein Kaninchen mit einem sehnlichen Wunsch. Ein zum Glöckchen geformter Kelch in goldener Farbe klang hell auf, als der Wind hindurch fuhr. Vermischt mit dem Klang von Glöckchen, als ein Schlitten am Himmel über ihn hinweg fuhr.
Sein Kamerad, mit dem Rauschebart und rotem Mantel.
Von ihm bekamen die Menschen ihre Geschenke und das kleine Kaninchen seine große Aufgabe.
Also verschwand es nun im Tunnel, zu der Aufgabe, die es an diesem Tag erwartete.
Das erste Geschenk führt ihn in ein auf dem ersten Blick ruhiges Haus.
Ein Kranz aus Kerzen brannte auf dem Tisch, von denen eine schon erloschen war. Von ihnen wurde ein warmes Licht in den Raum geworfen.
In einem Flackern, entdeckte das Weihnachtsnin zwei Meerschweinchen auf einer Box dösen. Ein umgestoßenes Buch hatte ihnen als Rampe gedient.
Eines ruhte mit dem Kopf auf der Box, sein hinteres Pfötchen ließ es über den Rand baumeln. Das andere Meerschwein hatte seinen Kopf auf den des Freundes gelegt.
Einen Moment verweilte das Weihnachtsnin in der Frage, ob es ein Weinachtsmeeri gab, das auch ihnen ein Geschenk brachte.
Der kleine Kerl mit dem Geschenk im Maul war nur für die Kaninchen auf der Welt zuständig. Da hatte der große Bärtige recht.
Mehr war einfach nicht zu schaffen.
Obwohl das Weihnachtsnin auch gerne den Meerschweinchen etwas gebracht hätte, oder wer noch an diesem Tag ohne Geschenk war.
Damit wenigstens die Kaninchen etwas bekamen, ging er weiter seiner Pflicht nach und suchte nach den Bewohnern dieses Hauses.
Er fand sie unter einer Bank liegend.
Dort platzierte er das Geschenk.
Der kleine Kerl wollte sich gerade wieder umdrehen, als eine Schar aus fünf jungen Meerschweinchen auf ihn zukam. Sie sprangen an ihm hoch. Fiepsten und quiekten, was wohl in der Meerschweinschensprache bedeutete, sie wollen auch ein solches Geschenk.
Für das Weihnachtsnin war es sein drittes Jahr mit dieser Aufgabe.
Es wusste, dass die Geschenke genau aufgeteilt waren. Jedes Kaninchen bekam ein Geschenk.
Da blieb keines für die Meerschweinchen übrig, obwohl der kleine Kerl annahm, auch diese hätten sich über das leckere Salatblatt mit Frucht- oder Obstfüllung gefreut.
Es viel ihm schwer, die Bande abzuschütteln und in den Tunnel zu der Wiese zurückzukehren.
Doch während seiner Arbeit blieben seine Gedanken bei den kleinen Meerschweinchen.
Es seufzte andauernd und wirkte gar nicht richtig glücklich.
Das fiel auch dem Bärtigen auf, der ihm in manchem der Häuser begegnete.
Summend ging dieser dort der Arbeit nach. Platzierte Geschenke oder schenkte den Häusern Christbaumschmuck mit seinem Abbild, dort, wo der Baum noch einen Platz dafür aufwies.
Der Mann war gerade wieder dabei, eines der Geschenke zu platzieren, als ihn das dort vor seinem Tunnel liegende Weihnachtsnin auffiel.
„Was ist denn, mein kleiner Freund?“, erkundigte er sich und lachte in seinen Rauschebart hinein. „Ist dir die Arbeit doch zu anstrengend. Wenn du eine Pause brauchst.“
„Nein!“, rief das Kaninchen schrill. „Die Arbeit ist wundervoll.“
Der vorangegangene Elan verschwand und wurde vom Kummer getränkt.
Es machte die Arbeit gerne. Das war es nicht, erkannte auch der ältere Herr.
„Was dann?“, wollte dieser nun wissen. „Was grämt dich in dieser wunderbaren Nacht.“
Wieder seufzte das kleine Kaninchen und sah auf das Präsent, dass es mitgebracht hatte.
„Sag, bekommen auch die Meerschweinchen in dieser Nacht ein Geschenk?“, wollte der kleine Kerl von dem großen Mann wissen, der darauf mit dem Kopf schüttelte.
„Du bist mein einziger Kollege, von dem ich weiß“, verriet der Mann.
Wieder ein Seufzen von dem kleinen Weihnachtsnin.
Wie half es nun den Meerschweinchen? Wie schenkte er dieser Rasselbande ein Weihnachtsfest, wie sie es sich wünschen.
„Das Traumglöckchen!“, sagte der Weihnachtsmann im gleichen Moment, wie es der kleine Kerl vor ihm dachte. „Ich schenkte es dir, damit du einem Kaninchen in dieser Nacht einen Wunsch erfüllen kannst. Wenn du dir wünschst, den Meerschweinchen diesen Wunsch zu schenken, dürfte es funktionieren.“
Das kleine Kaninchen sprang in seiner Freude auf.
Damit würde er der Rasselbande wirklich einen wundervollen Weihnachtsabend schenken können.
Was sie sich wohl wünschen würden? Ein gewaltiger Weihnachtsbaum für Kaninchen und Meerschweinchen? Ein Topf voll Leckerein oder sogar eine Weihnacht für alle Meerschweinchen auf der Welt, wie er es sich gewünscht hatte und seitdem als Berufung sah?
In seiner Freude sprang es um den Bärtigen herum und von dort aus in den Tunnel hinein.
Halt zurück! Zuerst war da noch ein Päckchen das verteilt werden wollte. Mit ihm viele weitere, bis alle Kaninchen ihr Geschenk bekommen hatten.
Jetzt stand das Weihnachtsnin vor dem diesjährigen Traumglöckchen und biss es mit seinen scharfen Zähnen ab.
Begleitet vom Klang der kleinen Blume, schlüpfte es durch den Tunnel dorthin, wo ihn sein erster Auftrag hinführte.
Die älteren Meerschweinchen schliefen weiter auf ihren Platz. Ebenso die Kaninchen dieses Hauses.
Selbst die Bande aus kleinen Meerschweinchen hatte sich zu einem Knäuel zum Schlafen eingefunden.
Auf dem Tisch war die dritte der Kerzen gerade dabei zu verlöschen, da erklang kaum hörbar ein Glöckchen im Raum.
Verschlafen öffneten die jungen Meerschweinchen ihre Äuglein und nahmen das fremde Kaninchen wahr, von dem vorhin ein Geschenk gebracht wurde. In seinem Maul die Blume mit goldenem Kelch.
„Für euch!“, sagte das Weihnachtsnin, ohne überhaupt zu wissen, ob die Meerschweinchen es verstanden. „Ich schenke euch damit einen Wunsch zu Weihnachten.“
Eines von ihnen Fiepste, als würde es eine Frage stellen, ob es wirklich für sie war und das Weihnachtsnin nickte.
Als ob es einen Startschuss gegeben hätte, sprang das Meerschweinchen heraus, schnappte sich das Blümchen und rannte zu einem weiter entfernten Platz im Raum. Seine Geschwister folgten ihm dorthin. Dann steckten sie die Köpfe zusammen, als würden sie beraten.
Was es war, wurde von den Meerschweinchen in Fiepsen und Sprüngen aufgenommen.
Das Weihnachtsnin war zufrieden und gespannt darauf, was der Wunsch der Meerschweinchen sein würde.
Eines der älteren Meerschweinchen öffnete die Augen.
Was hatte es zuerst geweckt? Der Klang des Glöckchens oder die Aufgebrachten Rufe der Jungen?
Vor ihnen stand ein fremdes Kaninchen. Schwarz mit grauem Bart und Mähne. Eine wirklich komische Gestalt.
Wusste er überhaupt, was die Jungen hier so vor sich hin quiekten und jetzt im Canon sangen?
Vermutlich nicht!
Dumme Kaninchen, so was Einfaches nicht zu verstehen, wie die Sprache der Meerschweinchen.
Es schmiegt seinen Kopf wieder an den der Partnerin.
Der Boden verschwand und wurde durch Gras ausgetauscht. Ihr erstrahlender Weihnachtsbaum wuchs zu einer gewaltigen Tanne an. Und die Wände verschwanden zu einer schier endlosen Landschaft.
Dann brach der Sturm über die tierischen Bewohner des Hauses los.
In einem Donner brachen die Bässe los. Erschütterten alles und drangen bis in den Boden vor.
Von einem imaginären DJ an die Boxen dirigiert. Ganz nach den Wünschen der Meerschweinchen, die davor im Takt die Pos wackeln ließen und aufsprangen. Zu einem Tanz.
Die Köpfchen nickten und fiepsend sangen sie mit.
Das Weihnachsnin starrte die Gruppe zuerst verwirrt an, dann zur Tanne, die mit Partydeko versehen war.
Es hatte alles erwartet aber nicht das!
Aber selbst der kleine Kerl konnte sich dem Takt der Musik nicht lange verwehren. Sein hinteres Pfötchen tippte auf den Boden. Dann wurde der ganze Körper angesteckt.
Es tanzte zusammen mit den Meerschweinchen über die Wiese.
Nach und nach kamen die Kaninchen zu der Party.
Sogar die älteren Kaninchen, zuerst mürrisch, tanzten zur Musik.
Die dritte der Kerzen flammte ein letztes Mal auf, dann verlöschte auch sie, da war die Party im vollen Gange.
Alles tobte und niemand schien Müde.
Als der Bärtige das Fleckchen besuchte, sah er sich vor einer Schar tanzenden Tiere. Meerschweinchen und Kaninchen, gemeinsam zu diesem Fest geladen.
Er lachte auf und klatschte in die Hände.
Gerade als er ansetzen wollte, in die Party mit einzustimmen, stand eines der jungen Meerschweinchen vor ihm. Aufgeplustert und drohend. Irgendwas von einer Gästeliste brummend, auf der nur Tiere standen.
Erst der rügende Blick des Weihnachtsnins ließ ihm eine Ausnahme zu.
Und so tanzten alle bei dieser Party durch die Nacht.
Kaninchen, Meerschweinchen, Weihnachtsmann und sogar dessen Renntiere waren gekommen.
Selbst der Himmel schien in Partystimmung.
Langsam tanzte weißes Konfetti durch die Luft. Dicke Schneeflocken, die bald die Tanzfläche bedeckten.
Und im Fall der Schneeflocken vor dem Fenster erlosch auch die vierte der Kerzen und schenkte dem Raum seine Ruhe.
Unter dem Tisch schliefen fünf junge Meerschweinchen. Aneinandergekuschelt, manches der Beinchen zu einer lägst verklungenen Musik zuckend. Glücklich brummend.
Die älteren lagen auf dem Podest. Und unter der Bank die Kaninchen im Schlummer.
Selbst das Weinnachtsnin hatte zum Schlaf gefunden.
In seinem Heim auf der eingeschneiten Wiese liegend. Über ihm der blitzende Sternenhimmel. In seinem Traum war es immer noch bei der Party. Feierte und freute sich schon auf das nächste Weihnachtsfest.
Bildmaterialien: Petra Dirscherl/Pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 23.12.2012
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