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Küsschen unterm Weihnachtsbaum

Es war wieder einmal der 24. Dezember angebrochen. Alles schlief in dieser Nacht, nur nicht ein kleines schwarzes Kaninchen mit grauem Bart und Mähne.

Es hatte eine große Aufgabe. Eine Aufgabe, die zwar anstrengend war, aber es dennoch gerne machte und liebte.

Heimlich und unbemerkt von seiner Gruppe schlich sich der kleine Kerl durch einen versteckten Tunnel aus seinem Gehege. Es hoppelte zu einer kleinen Blautanne, unter der sich ein enger Tunnel öffnete. Gerade mal so groß, dass ein kleines Kaninchen durchpasste.

Ein Tunnel, der auf eine verschneite Wiese führte. Im silbernen Mondlicht, glitzerte der Schnee, als würde er aus tausend funkelnden Diamanten bestehen und unter einer großen verschneiten Tanne lagen wie jedes Jahr viele kleine, grüne Päckchen, die darauf warteten, von ihm ausgetragen zu werden.

Das kleine Kaninchen machte sich sofort eifrig an die Arbeit. Unterwegs traf es auf viele unterschiedliche Kaninchen. Große und Kleine, in den unterschiedlichsten Ställen aber auch draußen in der wilden und kalten Natur. Sogar seinen bärtigen Kollegen traf es wieder, der den kleinen Kerl belächelte.

Dank ihm konnte es diese Arbeit tun und einen Moment überlegte das Kaninchen sogar, ob es dem Bärtigen nicht das diesjährige Traumglöckchen überlassen sollte. Als kleines Geschenk für diese Arbeit.

Selbst der bärtige Mann im roten Anzug musste doch einen sehnlichen Wunsch haben.

Doch in dieser Nacht führte es das kleine Kaninchen auch in ein Haus, in dem zwei Käfige standen. In dem einen saß eine kleine Kaninchendame, mit einem schneeweißen Fell und zwei strahlend blauen Augen, wie ein paar von den kleinen Beeren, die sich in diesem Geschenk befanden. Wundervolle magische Augen, die aber nur von einem einzigen Kaninchen fasziniert waren.

Ihrem Charlie. Einem schwarz-weißen Schecken.

Flöckchen, wie die Dame hieß, berichtete dem Weihnachtsnin ihre Qual.

Seit Tagen schon saßen sie sich stumm gegenüber, den Tag abwartend, an dem sie sich endlich begegneten. Das hatten ihnen die Menschen jedenfalls versprochen.

Doch der Tag kam einfach nicht und je mehr sie ihn herbeisehnte, umso schleichender verging die Zeit. Dabei konnte sie sich nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm herumzutollen.

Ein Wunsch, den ihr die Menschen verwehrten.

Auch Charlie konnte sich nichts Wundervolleres vorstellen, als endlich mit seinem Flöckchen zusammen zu sein.

Er hatte es ja versucht auszubrechen, doch waren die Gitter einfach nicht durchzuknabbern. Auch der Boden ließ keinen Gang zu. Es war wie verhext.

Wie taten des Weihnachtsnin die Beiden leid. Es lebte in einer großen Gruppe und sie konnten nicht zusammen. Was konnte es da tun? Das Traumglöckchen wollte der kleine Kerl doch dem Bärtigen als Dank überlassen.

Das war wirklich eine verzwickte Situation.

Selbst als es ihnen ihr Geschenk gebracht hatte, wollten sie nicht recht davon naschen. Was konnte das Weihnachtsnin da nur tun? Diese Frage brannte regelrecht in seinem Kopf wie ein unstillbares Feuer.

Von Haus zu Haus und Höhle zu Höhle führte ihn sein weiter Weg, aber es viel ihm keine Lösung ein.

Sogar dem Bärtigen fiel seine Abwesenheit auf. Eine ganze Weile schweig er. Erst nach dem dritten Haus, in dem sie sich begegneten, wollte er es wissen.

„Kleiner Kerl, was bedrückt dich denn so?“

„Ach …“ Das kleine Kaninchen wusste nicht recht, was es sagen sollte, immerhin war alles eine Überraschung. Dennoch, nach einem Drängen des Alten, klagte der Kleine ihm sein Leid. Es erzählte von Flöckchen, Charlie und ihrem gemeinsamen Wunsch endlich zusammen zu kommen.

„Dafür hast du doch das Traumglöckchen“, rief der Alte und lies ein fröhliches Lächeln in seinem Rauschebart entstehen.

„Damit wollte ich etwas anderes tun“, druckste das Weihnachtsnin herum, bis es sich entschloss, auch noch den Rest zu erzählen. „Das wollte ihr dir Schenken. Als Dank für meine Aufgabe.“

„Weißt du, kleines Kerlchen“, brummte es aus dem Rauschebart hervor. Nicht garstig sondern sanft und beruhigend. Geradezu gütig, als würde nie ein böses Wort darunter hervortreten. „An Weihnachten sehe ich, wie die Kinder ihre Geschenke öffnen. Ihre Augen leuchten vor Freude. Dies ist mir Geschenk genug. Und wenn ich dich betrachte, so voller Elan, weiß ich, dass es kein Fehler war, dir diese Aufgabe zu übertragen. Nimm das Traumglöckchen ruhig. Ich alter Mann habe keine Wünsche. Außer vielleicht einen Einzigen. Aber den brauchst du mir mit dem Traumglöckchen nicht zu erfüllen.“

Das Weihnachtsnin fragte sich zwar, was für ein Wunsch das sein mochte aber zum Fragen kam es einfach nicht, dafür war alles in ihm so aufgewühlt und in Bewegung. Wie Blätter die im Wind rauschen.

Das kleine Kaninchen freute sich so sehr für die Beiden, dass es darüber bald seine Arbeit vergaß.

 

Leise schneebedeckte Pfötchen tapsten neugierig durch den Raum, hin zu dem Liebespaar, das immer noch starr da saß und den jeweils anderen fixierte.

Die Beiden waren so tief in Gedanken versunken, dass sie weder den leisen Besucher bemerkten, noch den sanften Klang eines kleinen Glöckchens, getragen von dem süßen Duft eines zarten Blümchens.

Doch etwas drang noch zu ihnen. Wie die Gitter langsam verschwanden, um den Weg ins Zimmer preiszugeben. Zu Näschen, die sich sehnsüchtig suchten und fanden.

Flöckchen und Charlie glaubten, in einem herrlichen Traum vereint zu sein. Ein Traum der ihnen ermöglichte zusammen zu sein. Herumzutollen unter allen Möbeln und zwischen den Geschenken.

Sie waren so glücklich dabei. Ach würde der Traum nur nie enden, wünschte sich Flöckchen.

Aber war da nicht noch etwas?

Ein zarter Duft, der alles erfüllte. Ein leises Glöckchen, das in ihren Ohren erklang.

Doch da saß Flöckchen schon mit ihrem Charlie unter dem Weihnachtsbaum. Knabberte gemeinsam mit ihm ein paar zarte Spitzen der Äste, um mit ihm in einen wunderschönen Traum zu fallen.

Erst am nächsten Morgen wurden sie entdeckt und das kleine Weihnachtswunder der Beiden. Von zarten Kinderhänden, die sanft über ihr Fell streichelten. Doch das Weihnachtswunder endete nicht damit, es war erst der Anfang. Denn von diesem Tag an wurden sie nie mehr getrennt.

Nur das kleine Weihnachtsnin erfuhr nichts davon. Es war auch zu erschöpft von seiner Arbeit. Aber in seinem Traum sah es sie noch einmal. Wie sie fröhlich herumtollten. Glücklich endlich zusammen zu sein.

Jetzt verstand es den Bärtigen. Solch ein Bild war einfach das schönste Geschenk.

Impressum

Bildmaterialien: compot-stock (deviantart.com)
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2012

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