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14.Februar 2001

Heute trau ich mich endlich. Ich überwinde meine Angst vor einer Abweisung. Sie kann mir an diesem Tag doch keine Abfuhr geben, es ist doch schließlich Valentinstag.
Oder doch?
Angst kriecht in mir hoch. Die Angst vor einer Abweisung, die Angst davor mich vor ihr zu Blamieren.
In meiner zitternden Hand halte ich ein rotes Pappherz. In seinem Inneren Pralinen, die ich von meinem mickrigen Taschengeld gekauft hatte. Verbunden ist es mit einer goldenen Schleife, mit dem auch eine Karte daran befestigt ist. ‚Would you be my Valentine?’ steht auf der Vorderseite, in seinem Inneren steht ein Gedicht, das ich extra für sie schrieb. Ein Gedicht, in dem ich all meine Gefühle ihr Gegenüber offenbare. Meine Sehnsucht, meine Hoffnung.
Dann sehe ich sie endlich. Sie läuft über den Hof, genau auf mich zu.
Der kalte Februarwind spielt mit ihrem blonden Haar. Sie fährt sich mit der Hand über die Stirn und legt eine Strähne ihres schönen, langen, lockigen Haares hinter ihr rechtes Ohr. Ihre Himmelblauen Augen liegen auf ihrer besten Freundin, mit der sie gemeinsam den Hof entlang geht und etwas plaudert. Dann plötzlich bildet sich auf ihren sinnlichen, vollen Lippen ein herzhaftes Lachen. Sicher hat ihre Freundin einen Witz erzählt. In der Linken Hand hält sie ihre Bücher. Beide sind auf dem Weg zur nächsten Unterrichtsstunde. Ihr wohlgeformter Po wackelt aufreizend, ihr ganzer Körper ist wundervoll und obwohl sie einen dicken Pullover an hat, so kann man doch ihre traumhafte Figur erahnen.
Diese Göttin wird mir sicher nie eine Chance geben.
Mir, den alle nur als Streber sehen und mit dem kaum einer etwas zu tun haben will.
Ich stöhne auf, sehe traurig auf die Karte.
Von mir würde sie die Karte sicher nicht annehmen, ich bin nicht mal ihr Typ.
Kurze braune Haare, braune Augen, eher blass und ziemlich schmächtig. Sie beachtet mich ja nicht mal.
Von meinem Selbstvertrauen fang ich gar nicht erst an.
Was das betrifft, ich stehe an einer Seite des Schulgebäudes, so dass die beiden mich nicht sehen können, aber ich sie. Mein Herz rast vor Aufregung und Angst.
Dann gehen die beiden in das Gebäude. Ein paar der Jungs aus ihrer Klasse treten ihre Kippen aus und folgen den beiden.
Ich lehne mich mit den Rücken an die Wand, mein Blick geht in den Himmel. Mit geballter Faust schlage ich auf die Hauswand. „Verdammt“, brülle ich, wütend über meine eigene Feigheit. Ich löse die Faust und fahre mir stöhnend durchs Haar.
„Du bist so feige, so wirst du niemals eine abbekommen“, stöhne ich zu mir selbst. Ich bin ein elender Versager, wer will schon so jemanden?
„Hey Daniel, führst du jetzt schon Selbstgespräche?“, erkundigt sich jemand zu meiner Rechten. Der Seite, auf der der Hof liegt.
Verwundert sehe ich ihn an. Tim steht vor mir und mustert mich von oben bis unten, sein Blick bleibt auf dem Herz liegen. „Für Nadja?“, erkundigt er sich, mit einer Kippe im Mund.
„Für wen sonst?“, lautet meine missgelaunte Antwort.
„Hey, hey“, kommt es von Tim, er hebt die Hände zur Abwehr. Tim und ich sind schon seit dem Kindergarten befreundet. Nur ist Tim im Gegensatz zu mir ziemlich beliebt, hin und wieder wird er sogar von den Anderen gefragt, wieso er mit mir befreundet ist. Außerdem schaut er ziemlich gut aus, trainiert oft, ist 1,90 m groß, hat dunkelbraunes Haar und braune Augen.
„Sorry Kumpel“, kommt es seufzend von mir.
Tim lehnt sich neben mir an die Wand. „Vergiss die Kleine“, rät er mir. „Die poppt doch mit jedem, der ihr über den Weg läuft. Dieses Miststück hat doch nicht mal Geschmack.“
Unweigerlich balle ich meine Hand zur Faust, ich verspüre die Lust ihm eine zu verpassen.
Tim merkt meinen Zorn und ruft: „Ist doch wahr.“ Er legt mir seine Hand aufmunternd auf die Schulter. „Jetzt lass den Kopf nicht hängen. Irgendwann findest du ein nettes Mädchen, dass dich genauso mag, wie du sie.“ Sein Versuch gelingt einigermaßen, ich entspanne mich etwas. „Also vergiss die Schlampe.“
Bei seinen letzten Worten, steigt wieder etwas Zorn in mir hoch. Ich mag es nicht, wenn jemand Nadja Göring so betitelt.
Ein Seufzen kommt von mir.
„Also was machen wir jetzt?“, erkundigt sich Tim. Er nimmt einen letzten kräftigen Zug von Seiner Zigarette, bevor er sie aus dem Mund nimmt und sie auf den Rasen schnippte. Im Anschluss bläst er mir den stinkenden Rauch ins Gesicht.
Ich huste etwas.
Meine Mutter ist über die Tatsache ziemlich froh, dass ich nur mit Tim befreundet bin, aber nicht seine Angewohnheiten teile. Zum Beispiel das Rauchen. Auch wenn er mir öfters eine anbietet.
„Da du sie eh nicht vergessen kannst.“ Ein Grinsen bildet sich auf seinen Lippen. „Schlage ich vor, ich spiele Liebesbote und überreiche deiner Herzdame ihr Geschenk.“ Noch ehe ich die Bedeutung dieses Satzes richtig verstanden habe, ist das Herz auch schon in Tims Besitz. Ich sehe ihn verwirrt an, während er schnell um die Häuserecke herumgeht, einen Satz über das Geländer macht und im Schulgebäude verschwindet. Erst dann steigt in mir Panik auf und ich eile ihm hinterher.
Mithalten und ihm das Herz abnehmen, das kann ich nicht. Tim ist eine echte Sportskanone. Er hat sogar schon einige Sportwettbewerbe für unsere Schule gewonnen. Die Tatsache, dass er raucht wie kein anderer hatte seiner Kondition noch nie etwas angetan. Noch ein Grund, weswegen ich ihn so bewundere.
Im Gebäude stürme ich die erste Treppe hinauf. Ich bin etwas außer Atem, Tim der schon auf bei Nadja und Kim Trappe ist, wirkt voller Energie.
Meine Schritte enden auf der Treppe, weit weg von der Gruppe, die um Kim und Nadja stehen aber nah genug, dass ich dem Geschen lauschen kann. Mein Herz schlägt jetzt noch mehr als zuvor. Ich sehe voller Panik auf Tim, der Nadja anlächelt.
„Hallo die Damen“, spricht er die beiden an. Sie wirken beide überrascht, währen Nadja Tim kaum eines Blickes würdigt, mustert Kim das Herz voller Interesse und Neugier.
Kim ist ein genauso tolles Mädchen wie Nadja. Kims eichenholzfarbenes Haar ist kinnlang und glatt. Ihre Augenfarbe ist ein sanftes Rehbraun.
„Das ist für unsere Zauberhafte und von allen bewunderte Nadja von einem heimlichen Verehrer“, eröffnet er ihr. Das Herz muss er Nadja regelrecht vorhalten, dass sie es beachtet.
Ich schlucke, während ich die Drei betrachte. Mein Gesicht, färbt sich rot. Vielleicht denkt Tim, wirklich es würde nirgendwo stehen, von wem es ist, nur leider irrt er. Unter dem Gedicht steht mein Name. Was sie wohl sagen wird? Ich ahne schlimmes.
Tim drückt Nadja das Pappherz in die Hand. Sie stöhnt auf, dann öffnet sie die Schleife. Das Herz gibt sie Kim, die sofort eine der Pralinen nimmt. „Hmmmmm“, kommt es von ihr.
Dann widmet sich Nadja der Karte, sie wirkt etwas genervt. Ihre schönen, zarten Hände öffnen langsam die Karte. Als sie die ersten Zeilen liest, weicht ihr genervter Blick dem des Überraschens. Sie zieht die Augenbrauen hoch, dann verkündet sie mit amüsierten Ton den Inhalt. Mein Gedicht wird vor allen laut vorgelesen und mein Gesicht wird noch roter. Am Schluss kommt die Signatur. „In Liebe Daniel Schuster“, lesen ihre wundervollen Lippen vor.
Tim wirkt über den Schluss überrascht. Sein Blick geht in meine Richtung.
Ich trete den Rücktritt an, von oben dringt Gelächter an meine Ohren.
Ein Junge tritt plötzlich vor mich. Roger Spieß. Er ist um einiges größer als ich, so dass ich zu ihm aufschauen muss. Seine Arme sind in die Hüfte gestemmt, seine Augen sehen mich zornig an.
„Na Freak, da hast du ja was Schönes gedichtet“, ruft er. Das zweite Wort, spuckt er mir förmlich entgegen. Der Junge hat kurzes schwarzes Haar und braune Augen.
Er bringt mir genauso viel Verachtung entgegen wie ich ihm.
Der größte Grund, weswegen ich ihn nicht ausstehe ist der, das er mal mit Nadja im Bett war und sie jetzt als sein Eigentum sieht.
Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Um mich herum lachen alle und spotten. Nadja hat es so laut vorgelesen, dass sogar einige im Erdgeschoss es mitgehört haben. Und wer dazu kommt wird auch sofort eingeweiht.
Da hat Tim wirklich was Tolles angerichtet.
„Jetzt macht euch aber rein“, ruft einer der Lehrer, er sieht die lauten Schüler strafend an. Die Schüler folgen seinem Befehl.
Der kräftige Junge geht an mir vorbei. „Nach der Schule bist du fällig“, knurrt er mir leise ins Ohr.“
„Hat es eigentlich schon geklingelt?“, erkundigt sich Tim bei mir, er wirft Nadjas starkem Beschützer einen zornigen Blick nach.
Ich zucke mit den Schultern. „Wahrscheinlich“, rufe ich. Ich schlurfe nach draußen, vor einer Bank halten meine Schritte, auf die ich mich fallen lasse. „Danke“, rufe ich Tim enttäuscht zu.
„Ich hab doch nicht gewusst, dass du das so persönlich gemacht hast“, ruft er, in seinem Blick steht reue. „Komm, bevor unser Lieblingslehrer noch ein Anfall bekommt“, ruft Tim zum Aufbruch.
Ich raffe mich auf, und gemeinsam eilen wir zur Sporthalle.


14. Februar 2002

Ich stehe auf dem Pausenhof an eine Wand eines der Schulgebäude gelehnt, in meiner Hand halte ich mein Pausenbrot. Meine Augen liegen auf dem Mädchen, das mich im letzten Jahr so blamiert hat.
Nadja plaudert fröhlich mit Kim.
Ich beiße ein Stück von meinem Brot ab, als plötzlich Nadja zu mir schaut. Auf ihrem Gesicht bildet sich ein Lächeln, das mich erröten lässt. Sie sieht einfach nur toll aus.
Dann läuft sie auf mich zu. Ihr Becken schwingt verführerisch, bei jedem Schritt, den sie tut.
Ich schlucke das Stück Brot in meinem Mund hinunter und starre sie verwundert an, unfähig einen Ton aus meiner Kehle zu bekommen.
„Na Romeo, hast du wieder ein nettes Gedicht für mich?“, fragt sie mit zuckersüßer Stimme. Kim bricht in schallendes Gelächter aus. Nadja stimmt mit ein. Nach einer Weile beruhigen sich beide wieder. Auf Nadjas Gesicht bildet sich ein nettes Lächeln, sie wendet sich an die Freundin. „Aber die Pralinen waren gut.“ In ihrer Stimme schwingt Arroganz mit. „Meinem Hund haben sie jedenfalls sehr geschmeckt.“
Nadja wirft mir noch einen kurzen Blick zu, bevor beide kichernd weggehen.
Wut steigt in mir auf. Ich hab ihr in diesem Gedicht mein ganzes Herz ausgeschüttet, jeden dieser Verse schrieb ich voller Liebe zu ihr, und sie? Sie trampelt auf meinen Gefühlen herum, wie auf der Karte, die ich ihr gab.
Ich erinnere mich noch an den Nachmittag dieses Tages.
Nadja bestellte mich zu einem Teil der Schule und ich Idiot bin dieser Einladung gefolgt. Sie machte sich über mich lustig, erzählte mir, was für ein Versager ich sei und dass sie sich nicht mal mit mir treffen würde, wenn wir die letzten Menschen auf Erden währen. Dann trat sie vor meinen Augen auf meine Karte. Zur Krönung dieses Tages lief ich genau in Rogers Faust. Ein Typ, der ziemlich scharf auf Kim war und meinte sie vor allem und jedem beschützen zu müssen.
„Was wollten denn diese Schnecken von dir?“, erkundigt sich Tim, der so plötzlich neben mir steht, dass ich vor Schreck zusammenzucke. Ich hab gar nicht mitbekommen, wie er zu mir kam.
Ich sehe Nadja weiter nach und stöhne.
„Es ist doch wieder Valentinstag“, antworte ich ihm abwesend, mein Blick liegt immer noch auf Nadja und ihrem wohlgeformten Po. „Sie hat mir gerade vorgeschwärmt, wie toll meine Pralinen ihrem Hund geschmeckt haben.“
Liebe ich Nadja überhaupt noch? Die Antwort lautet Nein! Seit dem letzten Valentinstag fühle ich nur noch unbändigen Hass für sie. Das ganze Jahr über haben sich alle über mich lustig gemacht. Wegen dieser Hure. Mein Herz ist nur noch von Hass und Rachegedanken erfüllt.
Nur noch ein Gedanke beschäftigt mich, wie ich es diesem Biest heimzahlen kann.
Noch etwas fühle ich wenn ich sie mir betrachte. Ihren wundervollen Körper, der jetzt von einem dicken Anorak verdeckt wird. Verlangen. Der Wunsch, sie einmal zu haben.
„Und?“ Tim sieht mich fordernd an. „Hast du Schiss oder geht es mit heute Abend klar?“ Auf seinem Gesicht bildet sich ein vorfreudiges Lächeln.
Ich sehe ihn an. Heute Abend, der Abend, an dem Nadja ihre Abrechnung bekommt. Der Abend, an dem ich Lache. Mit Vorfreude denke ich an diesen Abend, auf meinen Lippen bildet sich ein Lächeln.
Aber ich habe auch Angst, wenn ich daran denke. Was, wenn etwas schief geht? Dennoch antworte ich ihm mit ‚Ja’.
„Und das Geschenk für die Süße?“, erkundigt sich Tim.
Ich werfe das Pausenbrot in einen Mülleimer, der neben mir steht, dann greife ich in meine Tasche. Ich hole ein kleines schwarzes Etui heraus, das ich Tim reiche.
Neugierig schaut er auf ein herrliches, goldenes Collier. „Wow“, kommt es nur von ihm.
„Aber ich brauch das Teil bald wieder.“ Ich sehe ihn warnend an. Es ist ein sehr teures Stück, aus dem Juweliergeschäft meiner Mutter. Wenn ich es bis morgen früh nicht wieder zurückgelegt habe, dann gibt es Ärger mit ihr.
Auf dem Collier ist ein Saphir, der genauso schön ist, wie Nadjas Augen.
Ein teures Geschenk, wenn man bedenkt, dass wir es ihr heute Abend wieder abnehmen.
Tim grinst. „Und hier die Verpackung.“ Er holt ein kleines, hübsch verziertes Schächtelchen aus seiner Tasche, in der er das Etui samt Collier hinein legt. Das Schächtelchen verschließt er mit einem silbernen Band. Dann drückt er mir das Geschenk in die Hand. Tim kramt danach etwas in seiner Tasche herum. Nach kurzem Suchen zieht er einen Umschlag heraus.
„Hier noch die Karte.“ Auch die drückt er mir in die Hand. Plötzlich bildet sich in seinem Gesicht ein Grinsen. „Nun mein Lieber Daniel, tust du deine Pflicht und bringst unser kleines Geschenk, zu der guten Nadja.“
„W-w-wie?“, stottere ich, vor Schreck. „Das ist doch nicht dein Ernst?“ Ich Schlucke. Das kann er doch nicht von mir erwarten?
Tim tritt hinter mich. „Ich hab das letzte mal dein Geschenk zu ihr gebracht“, erinnert er mich, während er mich vorwärts schiebt. Tim ist ziemlich kräftig, mich dagegen zu sträuben würde kein Erfolg werden. „Jetzt bist du an der Reihe.“
Der Weg endet an Nadjas Klassenzimmer. Erst verstehe ich nicht, was er von mir verlangt, doch dann zieht er einen Schlüsselbund aus seiner Tasche.
Die Tür zum Klassenzimmer ist in der Mittagspause immer verschlossen.
Tim geht zu der Tür, steckt den Schlüssel hinein und schließt die Tür auf.
„Ich hab doch schon den schmutzigsten Teil der Aufgabe gemacht“, grinst er.
Ist Tim in das Lehrerzimmer eingebrochen um an den Schlüssel zu kommen? geht es mir durch den Kopf. Zutrauen kann ich es ihm zwar nicht, aber dennoch muss er irgendwie an den Schlüssel gekommen sein.
„Sag mal, bist du irre?“, gehe ich ihn zornig an. Eigentlich hätte ich nicht gedacht, er verlangt von mir unerlaubt ein Klassenzimmer zu betreten. „Wenn das einer rauskriegt sind wir geliefert.“
„Jetzt schrei hier nicht so rum“, fährt Tim mich an. „Wenn du so rum schreist bekommt es noch die ganze Schule mit.“ Tim öffnet mir die Tür und bedeutet mir hinein zu gehen.
Widerwillig gehorche ich.
„Keine Sorge, der Schlüssel ist im nu wieder im Lehrerzimmer.“ Seine Worte beruhigen mich kaum. „Bring das Geschenk zu Nadjas Tisch und verschwinde dann aus dem Fenster.“
Ich nicke, dann trete ich ins Zimmer.
„Beeil dich!“, ruft mir Tim noch zu, bevor er die Tür wieder verschließt. Dann rennt er schon aus dem Gebäude.
Ich schaue mich in dem unbekannten Klassenzimmer um. Einige Taschen liegen herum, doch eine ist mein Ziel.
Nadjas Tasche kenne ich, sie hat so ein kleines Mäuschen daran befestigt. Vorsichtig öffne ich die Tasche.
Plötzlich läutet die Schulglocke. Die Pause ist beendet.
Eilig stecke ich das Geschenk hinein, dann schließe ich die Tasche wieder.
Stimmen dringen an mein Ohr. Die Stimmen der Schüler, darunter Nadjas, die sich angeregt unterhält. Sie lacht.
Ich eile zum Fenster, stoße es panisch auf, hinter mir höre ich, das Klappern eines Schlüssels und wie er ins Schloss gesteckt wird.
Jetzt oder nie. Ich springe aus dem Fenster und lande auf den Rasen.
Das Klassenzimmer liegt im ersten Stock, so dass ich mir nichts tue. Dann lehne ich mich an die Wand, entspanne und lausche.
Tim ist auch schon wieder da und erkundigt sich, ob alles erledigt ist. Ich nicke nur.
Plötzlich ertönt Kims laute Stimme.
„Was iss’n das?“, will Kim neugierig wissen.
„Keine Ahnung“, kommt es verwirrt von Nadja. Scheinbar hat sie das Geschenk gefunden. Dann ein ziemlich überraschter Aufschrei. Ob sie es geöffnet hat? Wahrscheinlich.
„Das ist doch Wahnsinn“, kommt es unfassend von Kim. „Ist das nur billiger Plunder oder …?“
„Ich hoff doch“, ruft Nadja unfassend. Ein Raunen geht durch die Klasse, es scheint so, als sind alle gespannt, wer Nadja dieses teure Geschenk gemacht hat.
Dann folgt der Brief.
Mit zitternder Stimme liest Nadja vor.

Meine geliebte Nadja!
Ich schwärme schon sehr lange für dich holdes Wesen. Aber fand bisher nicht den Mut, dir meine große Liebe zu offenbaren. Jetzt trau ich mich endlich und lade dich ein zu einem romantischen Dinner unter dem Sternenhimmel. Im Wald auf der großen Lichtung um 20:00 Uhr. Also zieh dir was Nettes an und bitte trage mein Geschenk heut Abend.

Dein geheimer Verehrer

„Und, gehst du hin?“, will Kim von ihrer besten Freundin wissen.
„Ähm“, kommt es etwas sprachlos von Nadja. „Ich glaube schon. Mich würde interessieren wem ich für dieses Geschenk danken kann.“
„Wer das wohl ist?“, höre ich Kim seufzen. Sie klingt neugierig, aber auch leicht neidisch.
„Holdes Wesen und große Liebe offenbaren“, zitiere ich amüsiert. Ich sehe Tim lachend an. „Wer hat dir denn den Text geschrieben?“
Tim wirkt beleidigt. „Ich hab alles vollkommen alleine geschrieben“, behauptet er. Doch glauben kann ich es nicht. Tim ist niemand, der sich für ein Mädchen nette Ferse ausdenken kann. Es wird ihm dabei eher sein Bruder geholfen haben.
„Daniel Schuster, Tim Meinhardt“, kommt es streng von unserer Linken. Wir beide zucken zusammen. Es ist der Hausmeister und sein Blick liegt streng auf uns. „Was habt ihr beide auf dem Rasen verloren?“
„Ähm …, ja …“, kommt es nur sprachlos von Tim. Ich lache auf. Es ist das erste Mal, dass ich sehe, dass er mal keine Antwort hat.
Schnell eilen wir vom Rasen.
Mein Gedanke ist nur noch bei heute Abend.
Mal schauen, wie es Nadja gefällt, gedemütigt zu werden.

Die ersehnt Nacht kam schnell.
Jetzt sitze ich neben Tim, in einem schwarzen VW, den er sich von seinem Bruder ausgeborgt hat. Die ganze Fahrt über habe ich mir Gedanken gemacht, was passiert, wenn uns ein Polizist anhält. Tim ist genauso wie ich erst 16 Jahre alt.
Aber die ganze Fahrt war es ruhig, niemand der uns an unseren Vorhaben hinderte. Nun holpert der Wagen einen kleinen Waldweg entlang und je näher er seinem Ziel kommt, umso größer werden die Bedenken.
Sollten wir das wirklich machen, oder gehen wir damit zu weit?
Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. Es ist 19:00 Uhr, eine Stunde, bevor Nadja kommt.
Ob sie auch wirklich alleine kommt? frage ich mich. Diese Kim war so ein neugieriges Biest, dass ich es ihr zugetraut hätte, dass sie ihre Freundin begleitet. Tim meint dazu nur, ich solle ruhig sein und das alles schon klappen wird.
Manchmal wünschte ich mir, ich hätte seine Zuversicht.
Tim hält den Wagen am Weg an. Von hieraus müssen wir alles zu einer kleinen Lichtung tragen, die nicht sehr weit entfernt liegt.
Ich steige aus, Tim macht es mir gleich. Er öffnet den Kofferraum und holt zwei Stühle und einen Tisch heraus, die er an einen Baum lehnt. Beides ist zum zusammenklappen. Dann holt er einen dreiarmigen, silbernen Leuchter, den er beim Trödler erstanden hat und drei Kerzen heraus. Tim reicht mir den Halter und die Kerzen, er selber nimmt die Stühle und den Tisch.
Wir eilen zu der Lichtung. Ich habe den Job, alles herzurichten, während Tim den Rest zur Lichtung bringt.
Zuerst Stelle ich den Tisch auf. Die Stühle stelle ich so auf, dass sie sich gegenüber stehen. Den Leuchter stelle ich in die Mitte. Als nächstes kommen die Teller und das Besteck. Dann stelle ich die Töpfe rechts und links vom Leuchter auf. Darin befindet sich die Überraschung für Nadja. Bloß ob es ihr Schmecken wird, dass bezweifle ich.
Zuletzt stellt Tim ein kleines Kärtchen auf.
Als wir fertig sind ist es 30 Minuten vor der Zeit, zu der wir Nadja eingeladen haben.
Bei unserem kleinen Plan, wollen wir aber nicht erkannt werden. Vielleicht später, aber nicht jetzt. Dafür hat Tim auch etwas besorgt.
Zum einen zwei Mönchskutten aus dem Faschingsverleih, die in dieser Kälte nicht sehr angenehm sind, zum anderen zwei Masken.
Tim reicht mir die erste Maske, die Maske eines Schweinegesichts.
Ich zieh die Augenbrauen hoch und sehe ihn unfassend an. „Was besseres hast du wohl nicht auftreiben können?“, erkundige ich mich.
Er zuckt mit den Schultern, während er sich die zweite Maske, ein Katzengesicht, über zieht, und sie sich auf die Haare schiebt. „Es waren die letzten beiden.“
Ich mustere etwas unwillig die Maske und murmele missmutig: „Und wieso bekomm ich die?“
Tim beginnt zu grinsen. „Weil mir die besser steht als dir.“ Ich will schon zum Protest ansetzten, doch Tim stoppt mich mit einer kurzen Geste. „Außerdem hab ich die Dinger besorgt und bezahlt, genauso wie den Rest.“
Ich gebe auf und belasse es mit einem Stöhnen.
Wir legen uns auf die Lauer, alle Lichter, die wir bei uns hatten erlöschen wir, so dass nur noch die drei Kerzen im Leuchter brennen.
Ich bin ziemlich aufgeregt, aber mehr wegen der Konsequenzen. Ich habe Angst, davor, was passieren könnte, wenn etwas schief geht.

Nadja ist nicht wohl bei der Sache, aber die Neugier ist einfach zu groß. Wer wohl dieser Unbekannte ist?
Vielleicht Daniel Schuster?
Nadja beginnt darüber zu lachen. Seine Mutter besitzt zwar ein nettes kleines Juweliergeschäft, aber die Geschäfte laufen mies, dass weiß jeder. Außerdem würde der es sicher nicht noch mal wagen es bei ihr zu versuchen.
Sie wirft einen Blick auf das Collier, das um ihren Hals hängt. Es ist wunderschön und sieht auch sehr teuer aus.
Sie kennt niemanden, der ihr so ein Geschenk machen würde und könnte. Das macht sie noch neugieriger auf den Unbekannten.
Nadja betrachtet sich im Schein der Taschenlampe die Karte. Das innerste ist mit dem PC geschrieben, also kann sie nicht anhand der Schrift erkennen, von wem sie ist.
Sie seufzt.
Kim hatte sie davon abhalten wollen, zu gehen, besonders alleine. Sie hatte Angst um die beste Freundin, doch Nadja hatte sie etwas beruhigt.
Was soll ihr denn schon groß passieren?
Ein Irrer, der auf sie hinter einen Baum wartet? Das ist doch Schwachsinn.
Nadja wirft noch einen kurzen Blick auf die Uhr. Es ist 19:43 Uhr und je später es wird, umso aufgeregter wird sie.
Angst ist auch etwas dabei. Aber es kann doch nichts passieren, redet sie sich immer wieder ein.
Nadja Atmet noch einmal tief durch und sammelt all ihren Mut zusammen, dann geht sie zu dem Treffen.
Die Lichtung ist nicht weit entfernt, so dass Nadja sogar vor der Zeit da ist.
In der Mitte der Lichtung steht ein Tisch, zwei Stühle und von dem Gastgeber fehlt jede Spur.
Neugierig tritt Nadja näher an den Tisch heran.
Ein Leuchter erhellt den Tisch. Vor jedem Stuhl steht ein Teller mit Besteck. Dann stehen noch zwei Töpfe auf den Tisch.
Was wohl da drinnen ist? fragt sich Nadja. Und wo ist der Gastgeber?
Auf einem der Teller steht ein kleines Kärtchen.
Nadja geht zu dem Stuhl und lässt ihre Tasche auf den Boden, neben dem Stuhlbein sinken, dann nimmt sie das Kärtchen. Sie schlägt es langsam auf.
Ihr inneres ist mit roter Schrift geschrieben. ‚Lass es dir schmecken, Darling. Es wird dein letzte Mahl sein’, steht dort.
„Was soll das?“, ruft Nadja verwirrt auf. Ihre Augen wandern durch die Dunkelheit des Waldes. Ist das ein mieser Scherz?
Verwirrt schaut sie auf das Collier.
Aber ein teurer Scherz.
Sie legt das Kärtchen wieder auf den Tisch und widmet sich dem ersten Topf. Langsam hebt Nadja den Deckel an und schaut darunter.
Der Schein der Kerzen offenbart sein Inneres. Etliche widerliche Maden, die sich in dem Topf winden.
Nadja springt vor Schreck zurück, dabei wirft sie den Stuhl um, den nach hinten fällt.
Sie fängt sich wieder und knallt den Deckel auf den Topf, was in dem anderen ist, will sie gar nicht wissen. Ihr einziger Gedanke im Moment ist die Flucht.
Als sie nach ihrer Tasche greift, packt sie eine starke Männerhand. „Willst du schon gehen, Darling?“, fragt er. Seine Hand reißt ihren Arm unsanft herum. Er zwingt sie sich umzudrehen und ihn anzusehen.
Nadja folgt der groben Bewegung. Leider kann sie das Schwein, nicht erkennen. Er trägt eine Kutte und eine Katzenmaske.
„Hey!“, ruft eine zweite Stimme. Im ersten Moment denkt Nadja an die Rettung, doch auch wenn sie ihn noch nicht sieht, sein zweiter Satz lässt die Hoffnung entschwinden. „Nicht das die Kette kaputt geht“, lautet seine Angst. „Weißt du wie teuer das Teil ist?“
„Keine Sorge“, ruft der in der Katzenmaske, seine freie Hand wandert zu ihrer Wange und fährt fast zärtlich darüber. „Wir sorgen schon dafür, dass dem Schmuckstück nichts passiert.“ Aus seiner Stimme hört Nadja einen amüsierten Ton. Dann spricht er weiter. „Was den Rest betrifft, da bin ich mir nicht sicher.“ Seine Hand fährt von ihrer Wange zu dem Collier.
In Nadja steigt Angst hoch. Was meint der Kerl damit? Sicher nichts Gutes.
Jetzt kommt auch der Zweite zu uns. Auch er ist mit einer Kutte bekleidet, sein Gesicht ist verdeckt durch eine Schweinemaske.
Nadja versucht sich zu befreien. Der Kerl in der Katzenmaske nimmt auch ihr zweites Handgelenk in die Hand, wirbelt sie herum, so dass sie mit dem Rücken zu ihm steht.
„Wer seid ihr?“, verlangt sie zu erfahren, ihre Stimme zittert vor Angst. Doch eine Antwort bekommt sie nicht. Stattdessen nähert sich der Kerl in der Katzenmaske mit dem Mund ihren Hals. Er haucht ihr einen Kuss darauf.
Nadja spürt nur die Plaste auf ihrer Haut und seinen heißen Atem.
Angewidert versucht sie erneut sich aus der Gefangenschaft zu befreien. Wieder gelingt es ihr nicht. Seine Hände halten sie einfach zu fest und sein Griff schmerzt.
Der Kerl in der Schweinemaske kommt mit einem Etui in der Hand auf sie zu. Er bleibt vor ihr stehen und ruft mit warnender Stimme: „Sei schön brav, Mädchen.“ Er legt das Etui kurz auf den Boden, dann steht er wieder auf, greift in ihr Haar und reißt ihren Kopf unsanft zu sich, damit der Verschluss freiliegt.
Nadia schreit auf.
Er lässt ihr Haar los und öffnet das Collier. Dann legt er es in das Etui.
Sie sieht ihn voller Abscheu an.
„Fertig“, ruft der Kerl in der Katzenmaske. In seiner Stimme liegt eine Vorfreude, die Nadja noch mehr ängstigt.
„Bitte lasst mich gehen“, hofft sie auf Mitleid. Ihre Stimme zittert, sie versucht sich zu befreien, aber wieder misslingt es ihr.
Der Kerl in der Schweinemaske lacht auf, langsam geht er zum Tisch. Er legt das Etui darauf und stellt den umgefallenen Stuhl wieder auf.
„Kommen wir zur Vorspeise“, lacht er.
Nadja beginnt zu zittern, und sträubt sich gegen den Versuch sie zum Tisch zu bewegen, als sie versteht, was die beiden vorhaben. Doch der grobe Kerl ist stärker als sie. Er hat zwar ein paar Schwierigkeiten aber am Ende sitzt sie auf dem Stuhl.
Der in der Schweinemaske hebt den Deckel hoch und schaut auf die Maden. „Lecker“, ruft er, während sein Blick auf die sich windenden Tiere fällt. Mit einer Kelle holt er ein paar heraus und lässt sie auf den Teller vor Nadja fallen.
Sprachlos, und ohne sich rühren zu können, sieht sie auf die widerlichen Tiere. Voller Ekel, klammert sie sich an dem Stuhl fest, der grobe Griff um ihre Handgelenke, löst sich.
„Jetzt meine Liebe, lass es dir schmecken“, ruft der in der Katzenmaske, der in der Schweinemaske reicht ihr einen leeren Löffel.
Nadjas Blick liegt immer noch auf den Tieren. Sie ist unfähig irgendwas zu tun, der Ekel lähmt sie vollkommen. Erst ein starker Schmerz in ihrer linken Schulter lässt sie sich wieder rühren.
Sie sieht von einem zum anderen, fleht sie mit ihrem Blick regelrecht an sie gehen zu lassen. Doch die Antwort ist nur ein noch größerer Schmerz in ihrer Schulter.
Der in der Katzenmaske drückt seine Hand weiter schmerzhaft auf ihre Schulter. „Mach!“, ordnet er an.
Nadja wirft noch einen Blick auf den Teller. Der Schmerz lässt nach, die Hand löst sich von ihrer Schulter.
Dann springt Nadja auf. Sie will diesem Alptraum entfliehen, doch der in der Katzenmaske lässt sie nicht.
Blitzschnell packt er sie am linken Handgelenk. Er reißt sie herum, mit seiner rechten Hand, verpasst er ihr einen Schlag auf die Wange.
„Setzt dich hin“, befiel er schroff.
Nadja gehorcht. Langsam setzt sie sich wieder auf den Stuhl und nimmt den Löffel in die Hand.
„Bitte lasst mich gehen“, bittet sie erneut, Tränen steigen in ihre Augen, doch Mitleid kann sie nicht von den Kerlen erwarten.
Vielleicht lassen sie sie ja gehen, wenn sie tut, was die Kerle von ihr verlangen? hofft Nadja. Sie tut ein paar der Tiere auf den Löffel. Zitternd, führt sie ihn an ihren Mund. Bei der zitternden Bewegung fallen einige Tiere von dem Löffel und auf ihren Schoß. Angewidert schreckt sie auf, dabei fallen die restlichen Tiere auf den Waldboden.
„So wird das nichts“, seufzt der in der Katzenmaske. Dann wendet er sich an Nadja, in seiner Stimme lässt er Enttäuschung mitklingen. „Wir haben uns doch so viel Mühe mit dem Essen gemacht, und du verschwendest es einfach.“
„Vielleicht sollten wir sie füttern?“, schlägt der in der Schweinemaske vor. Nadja kann zwar nichts erkennen, aber sie kann sich denken, dass er bei dem Gedanken daran grinst.
Der in der Schweinemaske nimmt ihr den Löffel ab, dann tut er ein paar Maden darauf. Ein paar der Tiere sind über den Tellerrand auf den Tisch gekrabbelt und nähern sich der Tischkante.
Nadja starrt auf den Löffel, über ihre Wangen kullern Tränen.
„Also in manchen Ländern ist das eine Delikatesse“, ruft der in der Schweinemaske.
„Dann friss sie doch selber“, geht Nadja ihn an. Ein Fehler.
Erneut saust die Hand des Kerls in der Katzenmaske auf sie nieder. Nadja reibt sich die Schmerzende Wange, flehend sieht sie ihn an.
„Mach dein Maul auf und iss!“, knurrt er sie an.
Nadja gehorcht. Sie öffnet den Mund und lässt zu, dass der Kerl in der Schweinemaske sie mit dem Löffel füttert.
Es kostet sie eine ziemliche Überwindung den Mund auf zu halten, noch mehr diese widerlichen Viecher herunterzuschlucken. Aber sie tut es. Aus Angst vor noch mehr Schlägen und davor dass es nicht nur dabei blieb.
„Braves Mädchen“, ruft der mit der Katzenmaske.
Nadja sieht es zwar nicht, aber sie kann sich vorstellen, wie die Kerle grinsen. Am liebsten hätte sie beiden eine gescheuert. Aber sie ist es, die unterlegen ist. Sie lässt es nur zu.
Weiter und weiter, stopft ihr der Kerl mit der Schweinemaske die Löffel mit den Tieren in den Mund.
Bis sie nicht mehr kann.
Nadja reißt sich los, diesmal gestattet es ihr der Kerl sogar. Sie stürzt vom Stuhl, auf den Boden und übergibt sich.
Es ist einfach widerlich.
„Was macht unserer Hauptgericht?“, erkundigt sich der Kerl in der Katzenmaske mit höhnischem Ton.
Nadja hört, wie der andere den Deckel vom Topf hebt.
„Das sieht richtig toll aus“, ruft er seinem Kumpel lachend zu. „Wenn ihr die Vorspeise schon geschmeckt hat, wird sie das lieben.“
„Nein“, haucht Nadja leise. Sie hat genug. Diese Erniedrigung. Womit hat sie das nur verdient? Wer kann sie so hassen?
Ihr fällt niemand ein.
Sie schaut auf die Kerle. Beide lachen und machen sich über sie lustig. Sie verhöhnen sie sogar.
Aber auch ein was könnte sie jetzt versuchen.
Eine Flucht.
Beide sind ziemlich damit beschäftigt über sie zu lachen und sich weitere perverse Spiele auszudenken, dass es ihr vielleicht gelang.
Ein Versuch war es wert. Und es war alle male besser, als sich wehrlos weiter so etwas antun zu lassen.
Nadja überlegte nicht lange.
Sie sprang auf und rannte los Richtung Wald.
Die Kerle hinter ihr waren erst kurz verwirrt, dann rannten sie ihr nach.
Es gelang Nadja die beiden nach einer kurzen Zeit im dunkel des Waldes abzuhängen, jedenfalls glaubte sie es. Bis sie hinter sich knackende Äste und fluchen hörte.
Sie rannte so schnell sie konnte.
Es war nur ein kurzer Blick den sie nach hinten warf, als sie plötzlich von ihm umgeworfen wurde.
Dem Kerl mit der Katzenmaske.
„Lass mich gehen, du Schwein!“, ging sie ihn an. Mit ihrer Hand versuchte sie ihn zu treffen, doch er wehrte den Angriff ab.
Der Kerl in der Katzenmaske packte schmerzhaft Nadjas Handgelenke und presste sie auf den Boden. Dann setzte er sich auf ihre Beine.
Nadja versuchte sich zu befreien, aber es gelingt ihr nicht.
„Du kleines Miststück, bliebst schön hier“, knurrte er sie an.
Doch Nadja gibt noch nicht auf.
Der Kerl nimmt ihre Handgelenke in eine Hand um ihr eine schallende Ohrfeige zu verpassen.
„Das werdet ihr bereuen“, keift sie, doch ihre Stimme mehr verängstigt, als das sie ihn einschüchterte. Er lachte sogar darüber.
„Ach wirklich?“ Mit seiner Hand fuhr er ihr unter das Shirt. Sie spürte an ihrem Bein, wie erregt er war.
Nadja begann zu zittern und er schien es sogar zu genießen.
Er senkte seinen Mund an ihr Ohr und flüsterte: „Süße Nadja, du lässt doch sonst jeden über dich rüber steigen.“
Bei diesen Worten erschrak sie und etwas Kampfwillen kam zurück. Doch der versiegte als sie erneut eine Ohrfeige bekam.
„Wenn du schön brav bist, geschieht dir nichts“, sagte er.
Nadja wurde ruhig. Aber sie hatte nicht vor sich vergewaltigen zu lassen. Sie war kein dummes Huhn, das sich so leicht einschüchtern lies.
Nur wie sollte sie hier herauskommen?
Der Kerl küsste sanft durch die Maske hindurch ihren Hals. Seine Hand schob ihr Top hoch. Etwas lockerte er seinen Griff um ihre Handgelenke.
Aber sie wusste, dass das nur eine weitere Ohrfeige zur Folge hatte.
Dann gab er ihr eine Chance, die sie sofort annahm.
Er öffnete langsam den Reisverschluss ihrer Jeans um sie ihr auszuziehen. Dabei stand er etwas auf, um sie ihr über die Hüfte streifen zu wollen. Ein Fehler, den er sofort bereute.
Nadja zog ihr rechtes Bein hoch.
Er ließ ihre Handgelenke los, fiel zu Boden und krümmte sich vor Schmerz.
Sie zog sich ganz schnell wieder an, doch ohne Dank wollte sie nicht geben.
Nadja ging zu ihm und sah ihn von oben herab an. Mit rechts holte sie aus und trat ihm in den Bauch.
„Das wirst du bereuen, du verdammtes Miststück“, keuchte er auf.
Sie rannte wieder in den Wald hinein.
An einem Baum machte sie halt.
Um zu verschnaufen und Hilfe zu holen.
Ihre zitternden Hände konnte sie kaum kontrollieren. Sie brachte es nur noch zustande die Nummer zu wählen, die sie so oft gewählt hatte.
„Hey Nadja, wie war das Date?“, ertönte eine gut gelaunte Stimme aus dem Handy. Doch zum Antworten kam sie nicht mehr.
„Nadja“, ruft jemand durch den Wald.
Sie erschreckt, ihren zitternden Körper presst sie an den Baum.
Die Stimme ist so verdammt nah, dabei hat sie doch geglaubt ihnen entkommen zu sein.
Sie steckt das Handy vorsichtig in die Tasche.

Verdammt, fluche ich innerlich. Dass Nadja einfach so abhaut war nicht geplant. Wir hätten ein Seil mitnehmen sollen aber dafür ist es eh zu spät.
Tim war ihr sofort hinterher gerannt.
Ich bin nicht so schnell wie die beiden, also verlor ich sie ziemlich schnell. Jetzt irre ich durch den Wald.
Die Lichtung lag irgendwo hinter mir.
Meine Schritte stoppen. Seufzend sehe ich mich um.
Vielleicht hat Tim sie ja schon gefunden? Geht es mir durch den Kopf. Ich sollte zurück zur Lichtung laufen.
Plötzlich huscht vor mir ein Schatten durch die Nacht. Ein Schatten, der ungefähr Nadjas Größe hat.
Ich beginne zu grinsen.
Sie tut mir zwar leid, aber irgendwie genieße ich das Spiel auch.
„Nadja!“, rufe ich laut nach ihr.
Langsam gehe ich auf den Baum zu, hinter dem sie verschwand.
Ob sie Angst hat? frage ich mich.
Noch einmal rufe ich ihren Namen. Wieder keine Reaktion. Dafür hat aber jemand anderes zu uns gefunden.
Tim.
Er hält sich seinen Bauch.
Neugierig sehe ich ihn an.
„Weißt du, wo dieses verdammte Miststück ist?“, erkundigt er sich bei mir. Seine Stimme wirkt zornig. Was wohl passiert ist?
Ich deute auf einen der Bäume.
„Nadja!“, rufe ich ein letztes Mal.
Es ist eine große Eiche, hinter der sie Schutz gesucht hat. Sie zittert etwas und presst ihren Körper an den Baum. In ihrem Blonden Haaren sind ein paar Blätter und Erde.
Das sehe ich, als ich an der einen Seite des Baumes auftauche.
Nadja erschreckt.
Sie springt auf und versucht in die Entgegengesetzte Richtung zu fliehen. Doch dort ist schon Tim, mit dem sie zusammen stößt.
„Wir haben nach dir gesucht“, ruft er ruhig. Jetzt klingt seine Stimme nicht mehr Zornig sondern eher Triumphierend.
„Genau, du bist einfach abgehauen“, sage ich. „Wieso meine kleine Nadja?“
Nadja presst ihren Körper wieder ängstlich an den Baum. Sie schaut uns in die Augen, flehend darum dass wir sie lassen.
„Was – was wollt ihr von mir?“ Ihre Stimme zittert vor Angst.
„Uns nur ein bisschen mit dir vergnügen“, kommt es direkt von ihm. „Hab ich das nicht vorhin schon erwähnt?“
Panik steigt in ihren Augen auf.
Wieder frage ich mich, was passiert war. Scheinbar ist Nadja für seinen scheinbar schmerzenden Bauch verantwortlich.
Plötzlich holt Tim ein Jagdmesser unter seiner Kutte hervor.
Ich sehe ihn geschockt an. Waffen waren nicht Abgemacht.
„Bitte“, fleht Nadja. Sie sieht voller Angst auf das Messer, dessen Klinge jetzt sanft über ihre Wange geleitet.
„Wie hübsch wird dein Gesicht wohl mit Schnittwunde aussehen?“, fragt Tim.
„Bitte nicht“, fleht sie ihn an.
Tim grinst nur und ritzt Nadjas Wange leicht mit dem Messer. Tränen laufen ihr über das Gesicht.
Ich bin erschüttert über das was er macht, doch irgendwie gefällt mir ihr Anblick auch. Es gefällt mir, wie sie zittert und uns anfleht sie gehen zu lassen.
Ich fühle mich irgendwie das erste Mal mächtig und gefällt mir. Besonders da ich immer der war, der einstecken musste und den die anderen alle für Dreck hielten.
Auch wünschte ich mir in dem Augenblick es selbst tun zu dürfen, egal ob wir zu weit gehen.
„Bitte, bitte tut mir nichts“, fleht sie uns an.
„Aber wir tun dir doch gar nichts“, lacht Tim, seine Stimme klingt amüsiert.
Mit der Klinge fährt er über ihre andere Wange und sie hinterlässt eine blutige Spur.
Ihre Salzigen Tränen fliesen noch stärker ihre Wangen entlang und vermischen sich mit dem Blut.
Jetzt fährt Tim über ihre Kehle, aber ohne sie zu verletzen. Nadja beginnt zu wimmern.
Ich sehne mich regelrecht danach nicht nur daneben zu stehen. Es muss ein tolles Gefühl sein dieser Schlampe Angst einzujagen.
„Was … was hab ich euch getan?“, will sie von uns stotternd wissen.
Ich hätte es am liebsten laut herausgeschrieen, wie ich sie verachte. Doch ich bleibe stumm und genieße einfach nur den Anblick.
„Wieso tut ihr das?“
„Weil es uns Spaß macht.“ Tim ist der der Antwort.
Sie scheint zu glauben, sie hätte es mit irren zu tun. Ob sie auch um ihr Leben fürchtet? Sicher.
Doch dann tut sie etwas, womit wir beide nicht gerechnet haben.
Nadja nimmt all ihren Mut zusammen und reißt Tim die Katzenmaske vom Gesicht.
„Du Tim.“ Sie sieht Tim unfassend an.
Sein Blick liegt verwirrt auf ihr.
Sie wendet sich an mich. Auch mir nimmt sie die Maske ab.
„Ich hätte es mir denken können!“ Sie weint immer noch. Aber jetzt zittert ihre Stimme vor Wut. Die Angst ist vollkommen verschwunden. „Ihr Schweine, ich zeig euch an.“ Sie faucht uns an, das Messer in Tims Hand beachtet sie gar nicht mehr.
Ihre Angst ist davon, dafür bekommen wir aber Panik. Wir wechseln Rat suchend beim anderen die Blicke.
„Ich mach euch fertig, das verspreche ich euch!“
Nadja schubst mich von sich weg, dann macht sie sich auf den Weg in den Wald.
Tim sieht auf das Messer in seiner Hand.
„Ganz sicher nicht“, haucht er. Dann geht alles viel zu schnell.
Tim greift in Nadjas Haar und wirft sie an den Baum. Dann stößt er ihr das Messer in den Bauch.
Ich folge geschockt dem Geschehen, unfähig etwas dagegen zu unternehmen.
Nadjas Hand greift nach dem Messer. „Ihr verdammten Schweine“, schreit sie.
Tim zieht das Messer mit einem Ruck wieder heraus und sticht erneut zu. Nadjas weiße Jacke tränkt sich mit ihrem Blut.
„Ihr werdet nie damit durchkommen.“ Ihre Stimme ist nur noch ein Flüstern, sie sinkt auf die Knie.
Ihre Hand presst sie auf die Stiche, dann durchtrennt Tim ihre Kehle mit einem Schnitt.
Nadjas Körper fällt auf den Boden und bleibt regungslos liegen.
„Was …“, bringe ich geschockt raus, als ich meine Stimme wieder gefunden hab. Mein Blick liegt auf Tim.
Das kann doch nur ein Alptraum sein, flehe ich innerlich. Es war doch nur als Spiel gedacht.
„Was hast du getan?“
Tim sieht auf die am Boden liegende.
„Denkst du, ich will in den Knast?“, fragt mich Tim.
„Ich doch auch nicht.“ Ich sehe auf Nadja, Panik steigt in mir auf. Das kann doch niemals gut ausgehen. „Was … was sollen wir mit ihr machen?“ Ich sehe Tim auffordernd an.
Tim seufzt. „Sie im Fluss versenken oder vergraben“, lautet seine Überlegung.
Ich sehe wieder auf Nadja. Wenn wir für den Streich nur eine milde Strafe bekommen hätten. Dafür würden wir sicher in den Knast gehen.
Jedenfalls glaube ich nicht daran, dass wir einfach so davon kommen.
Tim kratzt sich am Kopf. „Ich geh erstmal zum Auto“, sagt Tim. „Mir fällt unterwegs sicher was ein.“
„Und was mach ich derweilen?“, will ich von ihm wissen.
„Du passt auf die Süße auf“, ordnet Tim an.
„Aber …“, beginne ich zu protestieren, doch Tim hindert mich daran weiter zu sprechen.
„Keine Sorge, mir fällt schon was ein“, verspricht er mir. Dann geht er los.
Ich gehe an einen Baum und lehne mich seufzend daran.
In den Knast zu kommen ist nicht wirklich das, was ich mir erträumt habe.
Mein Blick wandert auf Nadjas leblosen Körper.
Wieso hatte Tim an diesem Tag ein Messer mit, frage ich mich. Um sie einzuschüchtern oder hatte er so etwas geplant?
Ich schüttele den Kopf und lache über diesen Gedanken.
Sicher nicht.
Langsam lasse ich mich an dem Baum zum Boden sinken.
„Das ist doch ein Alptraum“, seufze ich leise.
Die restliche Zeit warte ich, dass Tim wieder kommt. Doch die Zeit vergeht so langsam, das mir die Minuten wie Stunden vorkommen.
Ich zittere und denke nur an die Zukunft hinter Gittern.
Um mich abzulenken rede ich etwas mit dem toten Mädchen neben mir und ehrlich gesagt ist es angenehm. Kein Wort kommt von ihr. Keine Beschimpfung oder Spott.
Irgendwann habe ich ihr meine ganze Lebensgeschichte offenbart.

Es vergeht eine ganze Stunde, als Plötzlich der Strahl einer Taschenlampe auf mich gerichtet wird.
Instinktiv zucke ich zusammen. Meine Hand halte ich mir vor Augen und versuche durch das Licht jemanden zu erkennen.
Ich bin geliefert, ist mein erster Gedanke. Doch als die Taschenlampe etwas herunter genommen ist, erkenn ich in der Dunkelheit das grinsende Gesicht von Tim.
„Und hattest du eine schöne Zeit mit unserer Süßen?“, erkundigt er sich bei mir.
Ich stehe auf und stürme zu ihm. Meine Erleichterung ist mir deutlich anzusehen.
„Man Tim, wo warst du die ganze Zeit?“, frage ich ihn hektisch.
„Ziemlich schwer den Platz zu finden“, antwortet er mir. „Ich hab mich etliche Male verlaufen.“
Auf seinem Rücken trägt er einen Rucksack, in beiden Händen eine Schaufel.
Eine davon wirft er mir vor die Füße.
„Was soll ich damit?“, verlange ich von Tim zu erfahren.
„Buddeln“, lautet seine direkte Antwort.
Dann fängt er an. Ich folge seinem Beispiel. Zusammen heben wir das Loch aus, das Nadjas Grab werden wird.
„Das geht sicher nicht gut“, demotiviere ich mich.
„Abwarten“, sagt Tim nur. „Vielleicht finden sie sie ja auch nicht oder die Ermittlungen verlaufen im Sand.“
All zu sehr bin ich nicht motiviert.
Tim ist der, der das letzte bisschen Erde verteilt.
„Und falls sie doch gefunden wird …“
Ich sehe meinen Freund fragend an und lausche seinen Worten.
Auf Tims Gesicht bildet sich ein Grinsen. Er betrachtet sich amüsiert die Stelle unter der wir Nadja begraben haben.
„Und falls sie doch gefunden wird …“, wiederholt er sich. „Für den Fall hab ich schon den perfekten Sündenbock.“

Impressum

Bildmaterialien: mjranum-stock (deviantart.com)
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2012

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