Den Bauernhof bewirtschaftete ein älteres Paar, wie Viktors Erkundung zeigte, bei der er sich aber die ganze Zeit versteckt hielt.
Sie machten ihre Arbeit, so gut es ihnen ihr Alter noch erlaubte. Der Trog für ihre Tiere war immer gefüllt, auch wenn das Dach einige Löcher aufwies.
In einer anderen Situation hätte Viktor seine Arbeit als Bezahlung für die heimliche Nacht hier angeboten. Aber er konnte sich keine Pause gönnen. Sie mussten fort. Sein Vater hatte bestimmt schon jemanden ausgesandt, um Flora gefangen zu nehmen.
Dazu bereiteten ihm auch Falk und Balduin Sorgen. Ihre Spezialität waren zwar Wölfe aber bei dem, was sie in dieser Nacht sahen, konnte Viktor es ihnen nicht verübeln, wenn sie ihre Aufgabe ausweiteten. Er wollte Flora vor all dem beschützen, kannte aber auch den Glauben seiner einstigen Kameraden.
Viktor späte zum Fenster in das Haus der Bauern hinein. Er konnte nur die Frau erkennen, die in ihrem zerschlissenen Kleid in der Küche saß und Wolle spann. Viktor hatte Flora früher öfters dabei beobachtet, nachdem Bernhard ihre Schafe geschoren hatte.
Wie stellte er alles nur an.
Sie brauchte dringend irgendetwas zum anziehen. Seine einzige Chance waren die beiden älteren Leute. Wie erklärte er nur denen, dass er mit einer nackten Frau reiste. Die Wahrheit, dass ihr Kleid vom Feuer verzehrt wurde, konnte er niemanden sagen.
Viktor ließ sich zurück an die Mauer sinken.
Als er wieder hinauf sah, blickte er in die Zinken einer Mistgabel, die unter seinem Kinn lagen.
Der Mann vor ihm erzitterte. Er war vielleicht sogar Anfang 70, mit erschlaffter Haut, die sich jetzt in seiner Angst sogar anspannte und ergrautem Haar. Die Hand hielt er dabei so unruhig, dass sich die Zacken gefährlich Viktors Hals näherten. Der Junge wagte es nicht einmal zu schlucken, damit sie sich nicht in seine Haut bohrten.
„Wer seid ihr?“, brülle der Alte seinen ungebetenen Besuch an. „Was macht ihr in der Nähe meines Hauses?“
Vorsichtig, um ihn nicht womöglich zu ängstigen, ergriff Viktor sein Schwert. Noch langsamer, die Mistgabel dabei drohend nahe seiner Kehle folgend, legte er es langsam zu Boden.
Erst dann sprach er.
„Ich möchte euch nichts Böses. Ich bin mit meiner Begleitung hier vorbei gekommen und wir hatten ein Nachtlager benötigt. Ich hoffe, sie verzeihen uns, dass wir ihren Stall als solches genutzt haben.“ Langsam senkte sich die Mistgabel zu Boden. Viktor brauchte einige Ansätze, bis er auch sein letztes Problem erklärt hatte. „Meine Begleitung benötigt auch ein Kleid und ich wollte darum bitten, ob sie mir nicht eines überlassen könnten. Wir hatten in der letzten Nacht ein paar Probleme. Ich wäre bereit sie dafür zu entlohnen, auch wenn ich leider nicht viel besitze.“
„Ihr braucht uns nicht zu entlohnen“, drang es mit kratziger Stimme von der Seite.
Die alte Frau des Bauern war zu ihnen gekommen. Ihre Augen ruhten jetzt gütig aber auch mit erdrückender Schwere gefüllt auf dem jungen Mann vor ihr.
„Wir besitzen noch Kleider unserer Tochter“, sagte sie mit ihrer matten Stimme. „Eure Begleiterin kann gerne ein paar davon haben.“
„Aber…“, wandte der Mann energisch ein. „Ich war vorhin kurz in der Stadt. Dort ist alles in Aufregung.“ Der Griff um die Mistgabel wurde fester. „Man sagt, der Inquisitor würde nach einem jungen Pärchen suchen. Beide sollen gefährlich sein.“
„Wir sind kein Paar“, sagte Viktor. Er wollte nicht wissen, was sein Vater mit ihm machen würde, gelänge es jemanden, ihn gefangen zunehmen. Früher waren es nur Schläge, mit denen er Viktor züchtigte. Oft nachdem dieser Flora besuchte. Aber jetzt, nach all dem, was in der vergangenen Nacht passiert war, müsste der Inquisitor wohl zu härteren Strafen greifen. „Wir haben auch nicht vor euch Ärger zu bereiten und brechen sofort wieder auf.“
„Bitte“, bat seine Frau. Ihre von Falten gezeichnete Hand legte sich auf den Griff der Mistgabel. „Ruht euch aus und seid unser Gast. Wir haben keinen Grund dem Inquisitor eine Freude zu bereiten.“
Ihre Stimme war so von Kummer gebeutelt. Viktor konnte sich gut vorstellen, wieso die Tochter keines ihrer Kleider mehr benötigte.
„Ignatius hat schon ihren Vater verurteilt“, sprach der Junge, ohne dass es verlangt war. „Wir können eure Sorge und Schmerz verstehen und werden uns nicht länger als nötig hier aufhalten.“
„Euer Schwert werde ich an mich nehmen“, rief der Bauer misstrauisch. Viktor nickte ihm verständnisvoll zu. „Ihr bekommt es wieder, wenn ihr weiter zieht.“
Er fühlte sich ohne die Waffe nackt, jeder Gefahr schutzlos ausgeliefert, konnte aber auch die Angst des Bauern verstehen.
Noch bevor die Frau mit einem Stapel Kleider in ihren Händen wieder kam, hatte ihr Mann Viktors Schwert in den Schuppen gebracht.
Dankend nahm Viktor nicht nur die Kleider an, sondern auch ein Stückchen Brot. Keine reichliche Mahlzeit aber es reichte für den Anfang.
So bepackt machte er sich auf zurück in den Stall. Schon beim eintreten erlebte er eine Überraschung. Flora war erwacht. Nur mit der löchrigen Decke bekleidet, war sie die Leiter herunter geklettert und saß jetzt auf dem Boden. Ihre Hand hielt sie einem kleinen Lämmchen entgegen gestreckt, das diese neugierig mit seinem Maul betastete. Mit der Linken hielt sie das alte Stück Soff an ihrer Brust zusammen.
Trotz allem, einer der schönsten Augenblicke seit langem.
„Du bist schon munter“, waren die ersten Worte, die der Junge zu ihr an diesem Morgen sagte.
Flora sah nicht zu ihm, sondern nur zu dem Lämmchen, dass ihre Finger ableckte.
„Ich habe Kleider für dich besorgt“, sagte er und wieder wandte sie sich nicht um.
Flora konnte sich schon denken, was das für Sachen er meinte.
Seit sie bei August lebte, hatte sie nur die schönsten Kleider und Geschmeide getragen, die er ihr fand. Edle Stoffe, die sich an ihren Körper schmiegten. Ganz anders, als ihr Bernhard gekauft hatte.
Zu Anfang empfand sie solche als unangenehm. Nur noch bei ihren Besuchen alleine in der Stadt, griff sie auf einfache Kleidung zurück.
Wenn sie jetzt darüber nachdachte, in einfache Sachen hinein gezwängt zu werden, fühlte sie sich unwohl. Leider würde sich daran nichts ändern können und weiter nackt wollte sie auch nicht herum laufen.
„Wir müssen fort von hier“, sagte Viktor. „In der Nähe des Dorfes ist es nicht sicher.“
Als ob es irgendwo einen Platz gab, wo sie sicher war. August hatte ihr oft genug erzählt, was passierte, nachdem ihre Mutter sich für ein Leben mit ihrem Vater entschieden hatte.
Er hatte sie lange verfolgt und würde es zweifelsohne auch bei Flora tun. Ob es da wirklich einen Ort gab, an dem sie sicher war?
Flora überwand sich und griff nach dem Kleid. Ihr Blick dabei zeigte deutlich die Abscheu.
Ein Lächeln erstrahlte auf Viktors Lippen.
„Früher haben dir solche Dinge gereicht“, wusste er noch. „Jetzt habe ich nicht mehr aber vielleicht kann ich dir in der Stadt ein schöneres Kleid kaufen, sollte ich dort eine lohnende Arbeit finden.“
Unbewusst wandte sie den Kopf ab, schuldig darüber, welche Gedanken sie eben noch sinnte. Ein Gefühl, dass aber sofort aus ihr vertrieben wurde.
Sie durfte Viktor nicht trauen. Nein, sie wusste nicht, ob sie ihm trauen konnte. Was, wenn alles nur Lügen waren. Wenn er sie so verletzte wie an diesem Wintertag ihres Abschieds?
Tränen stiegen noch immer in ihr hoch, wann sie auch daran dachte. Bei August hatte sie sich in solchen Momenten der Schwäche auf ihr Zimmer zurückgezogen, jetzt war sie froh, als Viktor sich von ihr Abwandte, damit sie das Kleid anziehen konnte.
Sie wischte sich über die Augen.
„Ich verspreche dir, dich diesmal vor allem zu beschützen“, sagte er.
„Du willst mich beschützen?“, entrüstete sich Flora. „Ein Jäger will eine Hexe beschützten?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Worte ihm voller Abscheu entgegen peitschten. All diese über Jahre hinweg aufgestaute Wut in ihr, schien sie sich genau für diesen einen Moment aufgehoben zu haben.
Damals in diesem Wald hätte sie genau das gebraucht. Viktor, der so kurz nach ihrem Tod nah bei ihr stand, für sie da war und sie sich in seine Arme schmiegen konnte. Doch da gab es niemanden, der ihr Trost spendete.
„Flora hör auf!“, sagte er streng. „Ich…“ Er machte eine Pause, um sich selbst zu beruhigen. „Nachdem ich dir das im Wald antat, bin ich nur noch einmal nach Hause gegangen. Um meine Sachen zu packen und meinem Vater zu sagen, dass sein Sohn auch an diesem Tag starb. Er wollte mich aufhalten aber ich verließ sein Haus.“ Viktor lachte plötzlich auf. Nicht aus Freude darüber, sondern erfüllt von einem tiefen Schmerz. „Ich weiß noch heute nicht, ob es aus der Auffassung war, mich seiner Arbeit wieder näher zu bringen, oder als Strafe. Er zwang mich dazu den ganzen Prozess an Bernhard mitzuerleben. Die Verhandlung, die Beweisfindung, bis hin zur Hinrichtung. Ich habe meinen Vater noch nie so gehasst, wie in dieser Zeit.“
Viktor legte seine Arme auf ihre Schultern, zwang Flora dazu ihn anzusehen. Seine Augen glänzten vor Tränen, die er nur mit Mühe zurück hielt.
„Du kennst mich doch Flora. Du weißt wie ich mich in den letzten Jahren verändert hatte. Ihr beide habt mir so vieles beigebracht und wart für mich wie eine zweite Familie. Wie hätte ich mit einem Mann weiterleben sollen, der mir sogar meine liebste Freundin wegnehmen wollte.“
Flora mochte jetzt nicht mit ihm darüber reden. Aber ja, sie kante ihn. Oder eher meinte, ihn zu kennen. Als tat sie das Einzige, was ihr in diesem Augenblick einfiel.
Die Decke glitt sanft die schmalen Schultern des Mädchens herunter und entblößte dabei einen Teil ihres Busens.
Das letzte Mal, dass Flora ihn so schnell erröten sah, war in ihrer Kindheit. Damals überreichte ihr Viktor die Kette. Dabei hatte er in der letzten Nacht mehr von ihr gesehen, als sie ihm jemals offenbaren wollte.
Beschämt wandte er sich von ihr ab.
Flora ließ die Decke auf den Boden vor sich gleiten. Dann stieg sie in das für sie so ungewohnt gewordene Bauernkleid. Was ihr Vater wohl von all dem halten würde? Von dem Weg, den sie einschlug.
Er glaubte nicht an echte Hexerei und dennoch. Ein goldener Funkennebel entstieg ihren Händen, der auf dem Boden schon verglüht war.
Was würde er sagen, wenn er dies beobachten könnte? Würde er sie genauso behandeln, wie sonst? Wie auch Viktor, der sich schon im Wald interessiert an ihrem Feuervogel gezeigt hatte.
„Wohin willst du nun mit mir?“ Mit ihren Fingern zog sie sich den Stoff noch ein letztes Mal zurecht.
„Ich weiß noch nicht“, gestand er. „Erst einmal sollte ich mein Schwert holen, dann brechen wir besser auf.“ Flora wollte etwas einwenden, doch Viktor legte ihr seine Hände beruhigend auf die Schultern. „Wir werden schon einen Platz finden, an dem wir sicher sind. Ich bin nur froh, dass wir uns wieder gefunden haben.“
Wie gerne hätte sie seine Zuversicht geteilt.
Viktor hatte zwar mit eigenen Augen gesehen, über was für Fähigkeiten sie verfügte, doch wenn er wirklich noch wie früher war, würde er ihr kaum glauben, dass es Werwölfe oder Vampire gab, vor denen sie sich in acht nehmen müsste.
Ein Lächeln glimmte schwach auf ihren Lippen auf, nachdem er sich umgewandt und aus der Tür des Stalls verschwand.
Flora wusste einfach nicht, wie sie je wieder solch ein Vertrauen in ihn setzten sollte, wo er sie doch schon einmal so enttäuscht hatte.
Ihr Körper sank erschöpft gegen das Gatter einer Kuh, die kaum Interesse an dem Besucher zeigte. Das Lämmchen sprang dagegen freudig um ihre Füße herum.
Wie sehr hatte sie sich immer im Frühling über die neu geborenen Lämmchen gefreut
, ging es ihr durch den Kopf. Ob sie nach all dem vielleicht dort anfangen sollte? Mit einer kleinen Schafherde. Ihr war noch einiges von dem in Erinnerung geblieben, dass ihr Bernhard beigebracht hatte.
Ein alberner Gedanke, wo sie jetzt wohl für immer auf der Flucht sein würde. Wollte sie denn überhaupt solch ein Leben?
Plötzlich ging eine Unruhe durch den Stall, auf die sogar das kleine Lämmchen bei seiner Mutter Schutz suchte. Als würde eine Gefahr in der Nähe lauern.
Wölfe! Konrad und Georg!
traf es sie fast wie ein Schlag.
Es war weniger eine Angst um sich selbst, die sie ergriff. Flora wusste, dass beide Wölfe ihr niemals etwas antun würden. Sie mochten Flora und wünschten sich nichts sehnlicher, als dass diese mehr für sie empfand, als pure Treue ihrem Herrn gegenüber.
Die Angst, von der sie erfasst wurde, galt viel mehr… Schnell eilte sie dem Tor entgegen. Mit ihren schlanken Händen stieß sie es auf, da wurde ihr auch schon der Körper eines jungen Mannes vorgeworfen. Gleich einem Spielball.
„Dummer Bauer!“, lachte Konrad voller Hohn auf. „Bild dir ja nicht ein, du könntest uns besiegen. Selbst mit einem Schwert wärst du kein Gegner für uns.“
„Überlass ihn mir!“, knurrte Georg in einem gefährlich grollenden Ton. Sein Arm war noch immer mit der Bandage versehen, die ihm Flora nach der Nacht im Wald umgetan hatte. Er trat einen Schritt auf den Jungen nahe Floras Füßen zu, dem er die Wunde verdankte. „Es wird mir eine Freude sein, ihn zu zerreißen!“
Der große Mann lecke sich über die Zähne und gebar sich auf seine wölfische Art, in dem er geduckt, mit einem leichten Katzenbuckel, näher kam.
Wieder einem Drängen in ihr, das ihm immer noch nicht ganz vertrauen wollte, hockte sich Flora zu Viktor.
„Was sind das für Kerle?“ Keine direkte Frage an sie, mehr als Ausdruck seiner Überraschung über ihre. Dabei nahm er den Blick nicht von seinen Gegnern.
Werwölfe hätte Flora beinah laut gesagt, erinnerte sich aber auch an Viktors Worte am Gefängnis, er glaube nicht an solche Wesen, sondern wolle nur die Wölfe aufhalten. Wie früher. Bernhard hatte ihm gelernt, es alles für Märchen zu halten. Nicht wie sein Vater, der an jeder Ecke eine Kreatur des Teufels sah.
Viktor wollte sie zurück halten, doch konnte nicht verhindern, dass sie wieder aufstand und kampfbereit vor ihn trat. Erst wenig später raffte er sich selbst auf, die Hand auf eine schmerzende Stelle gepresst, an dem ihn der Schlag eines der beiden Männer traf.
„Flora“, begann Konrad streng, wurde aber von seinem Kameraden weggedrängt.
„Überlass ihn nur mir!“, gluckste dieser laut. In einem Ton, der mehr dem Bellen einer Hyäne ähnelte, als sein sonst so wölfisches Auftreten. „Er soll ganz mir gehören.“
Konrad griff nach der Schulter des Kameraden, wurde von diesem jedoch abgeschüttelt.
„Wir sollen sie lebend zu unserem Herren bringen“, versuchte er den Freund zu zügeln.
„August hat nicht gesagt, dass wir ihn in einem Stück abliefern müssen.“ Sofort versperrte Flora ihm den Weg.
Sie musste einen Schwur ablegen, dem Vampir zu gehorchen und ihn zu beschützen, das zähle allerdings nicht für die beiden Werwölfe. Sollte das Mädchen dazu gezwungen sein, würde sie kämpfen.
„Und selbst wenn ihm etwas passiert, sagen wir einfach, es ließ sich nicht vermeiden.“ Ein gehässiges Grinsen zeichnete sich auf Georgs Lippen ab. „Wen interessiert schon dieser kleine Jäger?“
„Nein!“, warf Flora ein, viel zu energisch, als es eigentlich klingen sollte. „Wagt es ja nicht ihm ein Haar zu krümmen.“
Was ging nur in ihr vor sich?
fragte sich Flora. Sie hasste Viktor für das, was er ihr antat und dennoch ließ sie sich von ihm dazu überreden das Dorf, sogar seinen Vater zu verschonen. Nicht nur das. Sie war breit mit ihm zu gehen.
Dabei sollte ihm ihr eigentlicher Zorn gelten.
Aber wieso fühlte es sich richtig an hier zu stehen? Vor ihm; auf seiner Seite!
„Willst du wirklich bei diesem Jäger bleiben?“, verlangte Konrad streng von ihr zu erfahren.
In all den Jahren bei August, war ihr dieser der Wölfe am nahesten gewesen. Er sprach ihr Mut zu, wann immer sie ihn gebraucht hatte. Auch hatte er die Strenge eines Lehrers an sich, wann immer er es für nötig hielt. Gegen ihn wollte sie nicht kämpfen, wusste aber auch keine Antwort auf seine Frage.
„Ich bin nicht wie ihr“, sagte sie stattdessen. „Auch werde ich niemals so sein.“ Kein Monster, dem das Leben einer anderen Kreatur egal war, wie es sich August wünschte.
„Was willst du dann sein?“, fragte Konrad weiter in seinem strengen Ton, der so gleich verächtliche Züge annahm. „Schau dich nur mal an. Du siehst aus wie eine Bäuerin. Dabei bist du so viel mehr. August kann dir so vieles ermöglichen.“
Er legte eine Pause ein, ohne dabei den Blick von ihr zu nehmen. Prüfend fing er jede ihrer Gesten auf. Wie sie traurig zu Boden blickte. Unschlüssig, was sie tun sollte. Für die Wölfe noch nicht verloren. Beeinflussbar!
„Wenn du uns dich anschließt, würden ganze Königreiche sich uns unterwerfen. Flora, willst du die Armut wirklich einem Leben in Reichtum und Ansehen vorziehen? Sei nicht dumm, Mädchen!“
Dieses Leben in Reichtum würde aber auch voraussetzen, dass sie Angst und Abscheu verbreitete.
Konrad hatte aber auch Recht. August schenkte Flora alles, was ihr Herz begehrte. Kleider, Schmuck und noch vieles mehr, was ihr Bernhard nicht geben konnte. Und dennoch…
Sie sah auf, wo Konrad ihr seine Hand entgegen streckte.
„Komm mit uns!“, rief er sanfter als zuvor. „August würde dir sogar deinen Ungehorsam vergeben.“
Sie tat einen Schritt zurück. Ihre Hand griff instinktiv zur Brust, wo sonst der wundervoll grüne Stein lag. Doch jetzt war dort nichts mehr. In der letzten Nacht hatte sie die Kette zerrissen und Viktor vor die Füße geworfen.
Jetzt besaß sie nicht einmal dieses kleine Ding, das ihr sonst so viel Halt gab.
Eine Hand legte sich plötzlich darauf. Viktor, der bisher nur stumm zu gehört hatte, sie jetzt aber zärtlich an sich zog.
Ich bin bei dir
, schien diese stumme Geste zu bedeuten.
„Lass den Unsinn!“, sagte Konrad in einem verächtlichen Tonfall. „Ihr könnt niemals glücklich werden, wie es so manches Märchen vorgaukelt. Was will auch der Jäger von einer Hexe?“
Noch fester wurde Viktors Griff um sie, der das Mädchen unbedingt bei sich behalten wollte.
Ein warmes Gefühl stieg in Flora auf, das bei ihr den Wunsch weckte, sich einfach fallen zu lassen. Hinein in diese Umarmung und hinein in die Flucht mit ihm.
„Fora will nicht mit euch gehen“, rief er den Werwölfen kampfbereit zu. „Ich lasse es nicht zu, dass irgendjemand sie zu etwas zwingt, dass sie nicht will!“
„Dummer Jäger“, knurrte Konrad ihm entgegen. Diese Kampfaufforderung liebend gerne annehmend. Seine Hand griff zu dem Schwert.
Egal ob sie den Jungen lebend bei August ablieferten, für das was geschehen war, gab es nur eine Strafe. Den Tod! Flora dagegen war zu wichtig, als dass er ihr etwas antun konnte.
Ein Schicksal, vor dem sie ihren alten Freund bewahren wollte.
Egal ob noch Zweifel zwischen ihnen standen. Sie hätte nicht ertragen, ihn auch noch sterben zu sehen, wie damals ihren geliebten Vater. So erhob sie warnend ihre Hand gegen die beiden Männer.
„Lasst uns gehen!“, rief sie mit festeren Worten als je zuvor. Ihre Entscheidung war getroffen.
„Flora!“ Georg lachte selbstsicher auf. „Du hast geschworen, dich niemals gegen uns zu stellen. Also vergiss nicht deinen Schwur.“
Ein Schlag der leer ausging.
Diesen Schwur hatte sie nur August gegenüber leisten müssen, nicht aber den Dienern. Gegen die Werwölfe konnte Flora sich verteidigen.
Viktor nahm ihr die Entscheidung ab, indem er vor trat und sich zwischen sie und die beiden Männer schob.
Tränen stiegen in ihre Augen. Immer noch tobten in ihr die Zweifel, ob er seine Worte wirklich ernst meinte oder einen Plan verfolgt wurde, der Flora wieder in Trauer stürzte.
„Du hast noch nicht einmal eine Waffe und meinst, sie beschützen zu können?“ Georg war es, von dem ein höhnisches Lachen kam. „Nur zu, mein Junge. Ich werde sehr viel Spaß mit dir haben. Und dann treiben wir unserer zauberhaften jungen Hexe diese Flausen aus ihrem hübschen Köpfchen.“
„Ihr widerwärtiges Pack!“, spuckte Viktor vor ihnen aus.
Blitzschnell stieß Georg nach vorne, in seiner Hand das Schwert hoch erhoben.
Flora spürte einen Stoß, mit dem Viktor sie so unerwartet von sich weg stieß, dass diese auf den Boden stürzte. Als sie zornig nach oben blickte, erkannte sie, dass die Klinge genau an der Stelle, in der Wand des Stalls steckte, an der sie zuvor stand.
Viktor war einen Schritt zur Seite gesprungen, die Hände hoch erhoben, bereit dazu, einem weiteren Stoß mit dem Schwert auszuweichen. Aber auch mit dem Wunsch, den Schwertkämpfer von ihr weg zu locken.
Ein Knurren drang tief aus Georgs Kehle. Mit einem kräftigen Ruck zog er das Schwert aus dem Holz, bereit für einen weiteren Angriff auf den unbewaffneten Gegner.
In Viktor, der seit seiner Kindheit im Umgang mit Waffen geschult war, fand der Werwolf einen geschickten Gegner.
Georg stieß mit seinem Schwert auf Viktor zu, der so weit von Flora weg war, wie für ihn nötig erschien, dass sie nicht verletzt wurde, erst dann machte er sich daran nicht nur zu fliehen.
Ein weiterer Schlag von dem Werwolf, dem Viktor geschickt zur Seite auswich. Dann sofort einer von der Seite, so hoch angesetzt, dass der junge Jäger geschickt darunter hindurch tauchen konnte. Ehe Georg sein Schwert herumreißen konnte, war Viktor auch schon bei ihm. Die Faust sauste herauf, dass Georg kaum noch Zeit blieb dem Schlag auszuweichen.
Floras Herz hüpfte aufgeregt in ihrer Brust herum, so sehr freute sie sich darüber, dass der unbewaffnete Viktor einen Schlag gegen den Wolf erzielte.
Sie tat einen Schritt auf sie zu, da zeichnete die blanke Klinge eines dünnen Schwertes die deutliche Begrenzung.
„Du bleibst schön hier!“, ordnete Konrad streng an. Sein Blick ruhte auf den Kämpfern. Selbst er musste eingestehen, dass Viktor nicht einfach nur ein Bauer war, sondern sehr gut. Mit einem Schwert sicher eine große Gefahr für beide.
„Was meinst du, wie lange du mich noch aufhalten kannst?“, verlangte Georg in voller Rage zu erfahren. „Ohne irgendeine Waffe?“
Flora hielt den Atem an. Georgs nächster Schwerthieb war so gut gezielt, dass es nur Viktors schnellen Reflexen und einem Sprung zurück zu verdanken war, dass sein Kopf noch auf dem Hals saß. Jetzt hockte er da, keuchend und erschöpft.
Lange würde der Junge es nicht mehr durchhalten, war selbst Flora klar.
„Er ist wirklich talentiert“, gestand Konrad. Seine Lippen entblößten die weißen Zähne des Raubtiers. „Was für eine Verschwendung, dass unser Herr ihn persönlich für seine Tat büßen lassen will. Wäre er nur etwas gehorsamer, könnte er unserem Herrn sehr nützlich sein.“ Sein Grinsen wurde noch breiter, sogar unheimlich. „Vielleicht wäre es einen Versuch wert, ihm unter Zucht ein paar Manieren beizubringen.“
Flora presste ihre Lippen so fest zusammen, dass es nur noch blasse Striche waren.
Sein Vater hatte schon versucht ihn durch Schläge gehorsam ein zu bläuen, da würden die Wölfe auch nicht viel weiter kommen.
Wenn sie ihm nur helfen konnte.
Floras Hand erhob sich.
„Tu das ja nicht!“, drang es in einem drohenden Knurren zu ihr. Die Klinge des Schwertes drückte sich jetzt gegen ihren Hals. Nur etwas mehr und sie würde einen roten Stich zurück lassen. „Du weißt, dass wir beide dich sehr gerne haben. Aber wenn du es wagen solltest, uns in den Rücken zu fallen, müssen wir grober mit dir umgehen.“
Flora schluckte. Die Klinge wanderte hinauf zu ihren Lippen, die ein stummes Nein formten. Nach einem kurzen halt, fuhr Konrad sanft, mit der stumpfen Seite ihre Nase entlang, bis zu den Augen.
„Könntest du ihm noch helfen, wenn dir das Augenlicht fehlt?“, fragte Konrad mit einer so kalten Stimme, unter der das Mädchen ängstlich erzitterte.
Noch mehr sogar, als sie Viktor nach hinten stolpern sah.
„Gib auf Junge, oder wünscht du dir so sehr, dem Tod zu begegnen?“, höhnte Georg seinem Gegner zu. „Wenn ja, können wir dir gerne bei deinem Wunsch behilflich sein.“
„Ich sterbe lieber, als Flora noch einmal kampflos euch zu überlassen“, bellte er dem Werwolf entgegen.
Flora war es egal, dass Konrads Schwert wieder nahe an ihrer Kehle lag. Sie trat einen weiteren Schritt auf die Kämpfenden zu.
Tränen kullerten in dicken Perlen ihre Wangen entlang. Stumm formten ihre Lippen seinen Namen.
„Ignatius’ Sohn will sich für eine Hexe opfern.“ Georg brach in lautes Lachen aus. „Wenn dich dein Vater sehen könnte, Junge. Das wäre wahrlich ein schöner Anblick.“
Mutig sah Viktor zu dem Gegner auf und jeder Muskel unter seinem Hemd schien sich in wilder Kampfeslust anzuspannen. Noch war er nicht geschlagen und auch Flora wollte Kämpfen. Egal was es sie kosten würde.
Wenn Viktor es ernst meinte, sich für sie opfern zu wollen, war sie es ihm schuldig.
Und vielleicht waren seine Worte wirklich ernst gemeint. Dass er sich nach ihr gesehnt hatte, sie sogar liebte.
Mit schnellen Handgriffen, löste Viktor die lederne Schwertscheide von seinem Gürtel.
Er würde nicht aufgeben. In Floras rechter Hand bildete sich ein flammender Feuerball. Nicht zu groß, dass er den Werwolf ernsthaft Schaden zufügen würde. Flora wollte ihn nur auf Abstand bringen. Sie war Konrad viel zu dankbar, als das sie ihm etwas antun wollte.
Sie Sprang zurück und der Ball flog direkt auf Konrad zu, der wie erwartet, verschreckt von ihr fort eilte.
„Flora“, schrie er ihr zu. „Egal was du versuchst, du kannst nie vor uns und August fliehen!“
Ihr Blick wanderte abwesend zu Viktor.
Georg versuchte gerade wieder einen Angriff, da riss der junge Mann die Schwertscheide hoch, um dem zu parieren.
Es war kein Schwert. Würde somit weder zum Angriff taugen, noch den Schlägen lange standhalten. Aber es gab ihm eine Chance, sein Schwert wieder zu holen.
Flora sah gerade noch rechtzeitig zu ihrem Gegner, um einen feurigen Schild hochfahren zu lassen.
Konrad bremste seinen Angriff sofort ab.
„Lass uns gehen!“, rief sie mehr flehend, als befehlend.
„Sei vernünftig“, versuchte es Konrad ruhiger. „Gib einfach auf.“
„Nein!“, rief sie energisch. „Ich werde nicht mit euch kommen. Es ist vorbei!“
Flora schaute noch einmal auf Viktor, da verschwand er auch schon im Schuppen aus ihrem Blickfeld, gleich gefolgt von dem wahnsinnig schreienden Georg.
„Flora, glaub mir, ich würde dich gerne gehen lassen. Aber das würde meinen Tod bedeuten, was ich nicht einmal für dich eingehe. Also hör auf damit. Ihr habt keine Chance zu fliehen. August lässt niemanden entkommen. Deine Mutter hat es schon versucht und nicht geschafft.“
Flora erstarrte sofort. August hatte ihr vom Tod ihrer Mutter erzählt. Dass es damals zu spät war um sie und ihr Kind zu retten. Aber hatte er ihr womöglich einen Teil verschwiegen?
„Ignatius war nur ein Werkzeug“, erzählte Konrad. „August hatte nicht gedacht, dass er sie noch vor Ort ertränken würde.“
Alles in Flora zog sich zusammen vor Schmerz, während die Worte an Bedeutung gewannen.
„Er wollte ihr aufzeigen, was das Leben unter Bauern für eine Hexe wie sie bedeutete. Nebenbei hoffte er so auch den Bauern an ihrer Seite los zu werden. Deinen Vater Flora.“
„Nein“, drang es heiser aus ihrer Kehle. August konnte das nicht getan haben! Ihre richtigen Eltern einfach so dem Inquisitor auszuliefern, nur um ihre Mutter zu bestrafen.
Eine Woge von Schmerz, riss sie von den Füßen. Flora sank zu Boden und Konrad sprach ungerührt weiter.
„Deine Mutter war sehr weit weg geflohen, dennoch spürte August sie hier auf. Bis dahin soll sie sogar glücklich gewesen sein. Mit ihrem Mann und dem Kind, dass er ihr geschenkt hatte.“
„Also hat August Ignatius gesagt, meine Mutter sei eine Hexe?“, schloss sie mit erdrückter Stimme.
Der Werwolf schüttelte den Kopf.
„Er hat es ihm nicht gesagt, sich nur in der Schänke zu ihm gesellt und von einer Hexe berichtet, die in einem Dorf in der Nähe, Verzweiflung und Schmerz über die Leute gebracht haben soll. Es gab nicht sehr viele junge Frauen mit rotem Haar, die erst seit kurzem ins Dorf kamen. Beide sollen damals im Wald gewesen sein. Es war ganz kurz nach Tagesanbruch, aber die Sonne war noch nicht so weit oben, dass ihre Strahlen die Blätter durchdringen konnten. Deswegen gelang es August auch, seinen Plan eine Weile zu verfolgen. Dein richtiger Vater wollte so früh schon in den Wald, um Holz zu schlagen. Deine Mutter war damals bei ihm. Sie war in Sorge, wegen einer Erkältung, die ihn ein paar Tage zuvor ereilt hatte. Dort griff Ignatius beide auf. Deine Mutter hatte versprochen ihre Macht nie wieder gegen Menschen zu richten. So konnte sie nur hilflos mit ansehen, wie ihr geliebter Mann von den Bauern erschlagen wurde. Vielleicht spürte sie auch Augusts Nähe und wehrte sich deswegen nicht gegen die Männer. Vielleicht wollte sie es auf jedem Weg verhindern, dass sie oder du in seine Hände geraten. Diese Frage könnte wohl nur sie beantworten.“
Der Rest war einfach.
August hatte gehofft, dass sie genau wie Flora in der letzten Nacht, auf den Scheiterhaufen kommen und in der Wut über den Verlust ihres Mannes, das Dorf in ein Flammenmeer stürzten würde.
Sie brauchte nicht danach fragen, ob er auch diesmal alles so gedreht hatte. Die Frage beantwortete sich schon selbst.
Stattdessen lautete ihre Frage: „Was ist mit Viktor. Damals im Wald wurde er sicher genauso von August beeinflusst.“
Der Werwolf verzog keine Miene, er nickte nur stumm. Floras Tränen begannen erneut zu fließen.
„Ich war die ganze Zeit bei dir. Er hat Georg zu ihm geschickt, der hinterher vieles erzählte. Was für ein jämmerlicher Wicht Viktor doch wäre. Wie er ihn aufgefunden hatte, im Dreck liegend und weinend. Dabei sollte er der stolze Sohn des Inquisitors sein. Dessen strahlende Zukunft.“
Floras Hände legten sich auf den Boden.
Eine unbändige Wut über all das tobte in ihr, was August ihr und ihrer Familie antat. Darüber, dass Viktor sie vielleicht auf seiner Flucht mitgenommen hätte, wäre alles anders gelaufen. Dass er ihr ein Leben nahm, das sich ihre Mutter für sie gewünscht hatte, mehr als dass sie zu Augusts Waffe wurde.
Ihre Entscheidung verfestigte sich. Sie würde zu Viktor stehen und nie wieder August oder den Wölfen folgen!
Nur wenige Augenblicke blieben Viktor.
Kurz, nachdem er einen der Schläge mit der Schwertscheide abgeblockt hatte, bekam er genug Freiraum, um sich wieder auf seine Beine aufzurichten. Noch ein paar weitere Schläge in Rage von seinem Gegner, und dessen Schwert sauste nach gezielten Abblocken des Schlages, im hohen Bogen durch die Luft.
„Du“, bellte ihm Georg entgegen.
Ein Sieg war es nicht. Viktor hatte die schier unmenschliche Kraft der beiden Männer schon erleben können. In einem Faustkampf waren sie ihm deutlich überlegen.
Seine einzige Hoffnung war nun das Schwert, das der Bauer in seinen Schuppen gelegt hatte. Also spurtete er dorthin und bekam hier einen weiteren Beweis für die übermenschliche Fähigkeiten des Gegners.
Viktor stand nun im Schuppen, Georg vor ihm und zwischen ihnen ein paar Geräte.
Doch während Viktor keuchend da stand, vollkommen außer Atem vom harten Kampf und dem schnellen Sprint, schien der Gegner am Anfang seiner Kräfte zu sein.
Wer waren diese beiden Männer? Er hätte beinah schon danach gefragt, was sie waren.
Von draußen drangen Stimmen zu ihnen, auch wenn von denen zumeist, der andere Mann zu hören war, weniger Flora.
Trotz ihrer außergewöhnlichen Kräfte, machte er sich Sorgen um die Freundin.
Ein Schwerthieb sauste auf ihn nieder, den Viktor in seinem erschöpften Zustand nicht mehr ausweichen konnte. Die Klinge traf ihn an der Schulter.
Kein tiefer Schnitt. Viktor verzog vor Schmerz das Gesicht, wollte aber keinen Schrei erklingen lassen. Womöglich hätte sich Flora dann nur Sorgen gemacht.
„Schön! Schön! Schön!“ Der Mann lachte in einem diabolischen Laut auf. Dabei zog er das Schwert an sich. Viktors Hände griffen nach rechts, wo sein Schwert versteckt unter mehren Dingen für die Feldarbeit in einem Fass steckte.
Die Zunge des Gegners, leckte über die blutige Klinge, als sei dies nur ein schmackhafter Sirup.
„Es mag sein, dass ich dich nicht töten darf.“ Ein gellender Freudenschrei entstieg der Kehle dieses Monsters. „Aber niemand hat etwas davon gesagt, in wie viel Stücken wir dich zum Haus bringen müssen. Du wirst für das büßen, was du dummer Bauer mir angetan hatte.“
Was? Seine Lippen formten still dieses kleine Wort. Er wusste noch, dass er ihm in seiner Kindheit schon einmal begegnet war. Die beiden Männer waren jetzt älter, hatten sich aber ansonsten kaum verändert.
Aber er hatte sie nicht angerührt, eher geglaubt, ihre Sorge um Flora war echt und sie würden sich um das Mädchen gut kümmern. Er war ihnen sogar dankbar. Erst später wuchsen die Zweifel.
Viktor drückte sich an die Gerätschaften im Raum, das Schwert dicht an seinem Körper, verborgen für den Gegner.
„Es scheint mir, als wärst du wieder etwas bei Kräften“, höhnte er. „Bereit für eine zweite Runde? Es wäre doch zu schade, wenn der Kampf so schnell ein Ende fände. Das macht doch keinen Spaß.“
Wieder schlug das Schwert auf ihn nieder. Viktor bückte sich und wich nach links aus.
Wenn er sich alleine den Kampfstil anschaute, war seine Gegner eher stümperhaft. Die Schläge waren viel zu wahllos, ohne irgendeine Taktik. Auch zu leicht vorher zu sehen. Jemand anderen könnte Viktor sicher leicht besiegen.
Gefährlich machte diesen Georg eher die guten Reflexe, seine unvorstellbare Kraft und die Schnelligkeit der Schläge, denen Viktor immer nur knapp ausweichen konnte.
Viktor trat einen Schritt zur Seite. Erneut ein Schlag.
Blitzschnell riss Viktor den linken Arm in die Höhe. Die Klinge schnitt durch den Stoff seines Hemdes, über seine Haut hinweg.
Er biss sich auf die Lippen, als ein warmer Schmerz von der Stelle aus erstrahlte. Dem Gegner schien es sehr zu gefallen, dass er sich freiwillig opferte. Aber so schnell hätte er seine Meinung nicht treffen sollen.
Viktors Hand umfasste die Kette fest. Noch ehe sein Gegner das Schwert zurückziehen konnte, fand es sich schon in einem eisernen Gefängnis wieder, aus dem es kein Entrinnen gab.
Jetzt lächelte Viktor, der es mit seinem ganzen Gewicht nach unten drücke. Selbst der Balken, über den sie geworfen war, würde nicht so schnell nachgeben. Und auch wenn es eine Verzögerungstaktik war, ging sie voll auf.
„Das wirst du bereuen!“, keifte Georg laut. Seine linke Hand ballte sich zur Faust.
Darauf hatte Viktor gewartet.
Noch mitten im Schlag, zog er mit all seiner Kraft an der Kette, die rasselnd den Balken entlang schabte und das Schwert nach oben mit sich riss. Dem Faustschlag wich er dabei geschickt aus, in dem er sich auf den Boden fallen ließ.
Ohne Zeit zu verlieren, wirbelten seine Beine herum, um den Gegner mit einem gezielten Schwung von den Füßen zu reißen.
Es gab ein lautes Scheppern. Als Viktor jetzt wieder zu ihm blickte, lag er in mitten mehrerer Säcke. Großteils Saatgut, aber auch ein Sack Mehl war auf gegangen, der den groben Mann, in eine weiße Wolke hüllte.
Ein Husten war daraus zu hören.
Sofort eilte Viktor an ihm vorbei, hinaus ins Freie.
„Bleib hier!“, hörte er den großen Mann schreien. „Damit ich dich zerreißen kann. Du elende Made! Du niederer Mensch! Ich hätte im Wald schon meine Zähne in dich hinein schlagen sollen!“
Viktor hielt in der Tür kurz inne.
Das was der Mann gesagt hatte, war doch wahnsinnig. Er war keiner von dem Männern im Wald. Da waren außer Flora nur noch diese beiden… Wölfe
, ging es ihm durch den Kopf. Werwolf.
Aber nein, das war unmöglich.
Flora hatte ihm gezeigt, dass es mehr gab aber dies war nicht möglich.
Sein Blick wanderte zur mächtigen Begleiterin.
„Geh mir aus dem Weg!“, schrie sie ihren Gegner an, der ihr so nah war. Ihre Hände presste sie dabei auf dem Boden, der in ein wogendes Meer getaucht zu sein schien. Blasen schlugen hinauf und bildeten die Umrisse eines um sie herum gezogenen Kreises.
Er war genauso angetan davon, wie auch Konrad, der sich keinen Zentimeter bewegte, eher den rechten Arm zu ihr ausstreckte.
Eine Feuerwand erhob sich um Flora. Und da, wo eben noch Konrads Arm war, existierte nur noch dieses Feuer.
Viktor konnte einen Blick auf Flora werfen, bevor der wehende Vorhang aus Feuer es wieder verdeckte. Ihr erbleichtes Gesicht war auf den Mann vor ihm gerichtet, der seine linke Hand fest auf den verkohlten Stummel presste, den Mund zu einem Schmerzensschrei verzogen.
Es war ein furchtbarer Anblick.
„Du!“, drang es von hinten.
Durch den Krach, hatte Viktor überhört, dass sich Georg das Schwert wieder geholt hatte. Jetzt stand er hinter ihm, die Klinge in einem Stoß auf ihn zuschnellend. Viktor sprang nach vorne und stieß einen Schrei aus, der den ersten kaum zu übertönen vermochte.
Konrad war ganz mit Mehl bedeckt, hatte aber einen Blick aufgesetzt, der an Wahnsinn nicht zu überbieten war. Erst als er zu Flora sah, kurz darauf zu seinem Kameraden, erfüllte sich dieser mit unbändigem Zorn.
Viktor verbiss sich einen erneuten Schmerzensschrei.
Seine Hand presste er auf die durchbohrte Stelle an seinem Bein, um so die Blutung zu stoppen.
„Verdammte kleine Hexe!“, spie der Werwolf aus.
Der Mann vor ihm, zog die Lippen hoch und entblößt dabei zwei Reihen Zähne, die donnernd aufeinander rieben. Sein Körper krümmte sich, das Schwert sank zu Boden.
Konrad hatte sich soweit wieder gefangen, dass er seinem Kameraden noch ein paar letzte Worte zu rief.
„Nein… Tu es nicht!“, drang es abgehakt, in einem Schmerz verzerrten Geschrei zu ihnen.
Der Schleier um Flora öffnete sich diesmal weiter als zuvor. Selbst das Mädchen, schien das jetzt kommende verhindern zu wollen.
Der Werwolf hetzt in einem schnellen Sprint auf das Mädchen zu. Seine Beine stießen ihn nach vorne, zu dem wieder zufallenden Schleier aus Feuer, das sich dem Himmel entgegenreckte.
Vielleicht war es gut, dass sein Körper nicht auf der anderen Seite wieder landete, wo Flora schutzlos saß. Dicke Schweißperlen rollten über ihr zauberhaftes Gesicht, das jetzt zu einer Fratze des Schreckens geworden war. Der Körper des Mannes, eben noch so gewaltig, war jetzt vom Feuer verschluckt worden. Von einer Sekunde zur nächsten, war nichts mehr dort. Nur noch die hoch schlagenden Flammen, die jetzt nieder vielen und verebbten.
„Das wollte ich nicht“, brach es zitternd aus Floras Kehle. „Ihr solltet uns nur in Ruhe lassen.“
Viktor wollte zu ihr.
Er stieß das Schwert in den Boden, um sich daran hoch zu ziehen. So, halb auf das Schwert gestützt, humpelte er zu ihr hin, die den Blick nur schwer von der Stelle reißen konnte, an der eben der große Mann verschwand.
„Geh!“, wies sie dem anderen an. „Geh zu August und richte ihm aus, dass ich nicht wieder zu ihm zurückkehre.“
„Das wirst du bereuen“, knurrte Konrad ihr zu, sah aber ein, das dieser Kampf sein Ende fand. Seine Hand presste er weiter auf den Stummel seines rechten Arms, das Gesicht von Schmerz verzerrt, so ging er langsam davon.
Viktor sank erneut am Schwert zu Boden.
Da meinte er, sie beschützen zu müssen und dann konnte sich Flora doch ganz gut um sich selbst kümmern.
Ihr bleiches Gesicht war nur noch mehr von Sorge erfüllt, als sie ihn erblickte, mit der stark blutenden Schwertwunde am Bein. Er würde es überleben. Flora brauchte sich keine Sorgen machen.
Die Reise würde mit der Verletzung beschwerlich werden, solange sie keinen sicheren Unterschlupf oder ein Reittier besaßen. Aber es würde klappen. Das Flora bei ihm war, zählte als einziges für ihn.
Flora stürzte zu ihm. Ihre Finger waren warm, mit denen sie die Hose an seinem Bein zerriss, um die Wunde frei zu legen.
„Es geht schon!“, presste er in einer Schmerzeswoge aus seinem Körper.
„Wir müssen schnell hier weg!“, war auch ihr klar. „Konrad ist kein normaler Mensch. Er ist ein Werwolf. Die Wunde am Arm wird ihn wohl eine Weile außer Gefecht setzen, doch die größte Gefahr ist sein Herr. Er ist ein Vampir und wird mich nicht so schnell aus seinem Bann frei lassen.“
Sie besaß magische Fähigkeiten, was sich nicht so leicht abstreiten ließ. Es ängstigte ihn nur, wenn er daran dachte, wie die Leute darauf reagieren würden. Aber er war nur froh, dass sie sich selbst verteidigen konnte.
Dass die beiden Männer Werwölfe waren, schien eine Möglichkeit. Aber ein Vampir? Daran zweifelte Viktor noch. Alles war so fern seines Glaubens.
Er ergriff das Mädchen und zog sie ganz nah an sich. Der schwere Geruch des gestrigen Feuers war immer noch in ihren Haaren gefangen aber das störte ihn nicht.
„Egal wer hinter uns her ist, ich werde alles dafür geben, dich zu beschützen“, versprach er ihr. Diesmal ließ er sie nicht so einfach fort, außer wenn sie es sich wünschte. Flora war mehr als eine Freundin für ihn. Und nach all dem, was sein Vater ihr angetan hatte, sah er es als seine Pflicht an, sie zu beschützten.
Sie löste sich von ihm und wollte Viktor aufhelfen.
Ihrer Meinung nach, sollte er raus aus der Sonne unter einen der Bäume. Wenn sie es so wollte, gehorchte er auch brav. Doch bevor sie den Kampfplatz verließen, fiel sein Blick auf die Stelle, an der dieser Feuerkreis um Floras Körper erschien.
Der Boden glitzerte in den sanften Sonnenstrahlen. Die Erde wurde von der gewaltigen Hitze kristallisiert.
In der Nähe des Hofes gab es einen Bachlauf. Flora wollte seine Wunde reinigen, bevor sie diese verband.
Die beiden älteren Leute waren nicht sehr begeistert über das Spektakel vor ihrem Haus. Sie baten beide sogar noch eiliger die Gegend zu verlassen. Und Viktor gab ihnen dabei Recht. Er wollte ihnen keine Probleme machen.
„Viktor!“, erklang eine Stimme, vom Weg aus. Sie war alt und wirkte an diesem Tag so brüchig. In seiner Erinnerung schwebte sie oft erdrückend über ihm. Voller Kraft und Strenge. Genauso hatte sich auch der Mann verändert, der in seiner Kindheit einem großen Raubtier glich, zu dem er ganz früher aufgesehen hatte.
Seine Hand legte sich auf den Griff des Schwertes, bereit es wenn möglich zu ziehen.
„Was willst du?“, verlangte er von dem Mann zu erfahren. „Wenn du Flora willst, dann…“
Viktor brach mitten in seiner Drohung ab. Er hatte versucht sich aufzurichten, sank jetzt aber unter einem Schmerzensschrei zusammen, nachdem auch sein verletztes Bein bei dem Versuch belastet wurde.
Wie sollte er es so nur schaffen, sie schnell fort zu bringen.
„Beruhig dich!“, sprach sein Vater mit ruhiger Stimme auf ihn ein. Er schien alleine. Keiner seiner Männer war an der Seite des Inquisitors. Nur ein kleines, rotbraunes Pferd, das gehorsam an den Zügeln ging. Den Kopf hoch erhoben witternd, nach den Gerüchen, die noch immer in der Luft hingen.
„Was willst du?“, brachte er dem Vater barsch entgegen.
Er schätzte seinen Vater richtig ein, dass dieser nicht in Erinnerungen schwelgen würde.
„Ich habe das Schauspiel aus der Ferne beobachtet“, gestand er, kühler als zu vor. „Jämmerlich. Wie du dich gewunden hast, und auf Hilfe dieser Hexe angewiesen warst. Bei all dem, was ich in dich hineingesteckt habe, solltest du dich besser gegenüber solchem Pack behaupten können.“
Seine Achtung gegenüber anderer Leute war schon immer sehr gering, wusste Viktor. Für seinen Vater zählte nur er alleine und das Bild, das sein Sohn widerspiegeln sollte.
Der junge Mann schnaubte auf.
„Das muss ja eine große Schmach für den ehrenwerten Inquisitor sein. Sein einziger Sohn beschützt eine Hexe.“ Die Hand umklammerte den Griff seines Schwertes fester.
Viktor meinte, was er zu Flora sagte. Er würde lieber für sie sterben, als sie noch einmal im Stich zu lassen. Schon gar nicht sein Vater sollte die Chance haben, ihr das anzutun, was er bei dem Schäfer Bernhard getan hatte.
„Wenigstens erkennst du, was sie ist“, zeigte sich sein Vater zufrieden.
„Sie ist genau das, was sie schon als Kind war!“ In Viktor stieg der Wunsch auf, mit all seiner Kraft nach dem eigenen Vater zu schlagen, der sich noch immer nicht eingestehen konnte, dass er durch seine eigene Schuld so viel verlor. Einen Sohn, der ihn einst so sehr liebte und jetzt nur noch unbändigen Hass verspürte. „Eine wundervolle Person, die sich nichts davon ausgesucht hat. Das mein Vater ihr zweimal die Eltern nahm oder sie mit einer Gabe gesegnet ist, die sie vielleicht nicht einmal will. Es steckt kein Zauber oder ähnliches dahinter, dass ich sie verteidige. Nur Liebe.“
„Verliebte sind die größten Narren“, sagte sein Vater, mit einer fast schon so festen Stimme wie Viktor sie noch von früher kannte. „Ich sehe ein, dass du es selbst herausfinden musst. Damals hätte ich sie zusammen mit ihrer Mutter ertränken müssen, dann könnte ich heute mit Stolz auf dich blicken. Aber ich ließ mich von niederen Wünschen leiten. Ich dachte, mich würde jemand darauf aufmerksam machen, dass er dieses Kind beherbergt. Jedoch hatte er ihre Existenz vor den Leute verschwiegen, bis sie für das ganze Dorf plötzlich ein normales Mitglied der Gemeinde war. Dabei war meine Vermutung richtig.“
Sein Blick wandte sich der Richtung zu, in die das Mädchen vorhin verschwand. Was sich darauf abzeichnete war nur eine Grimasse aus endloser Abscheu.
„Der Inbegriff des Bösen, mehr ist sie nicht. Ich hoffe, dass mein törichter Sohn das noch früh genug erkennt, bevor sie ihn ins Unglück stürzt. Du bist dann immer noch bei mir willkommen, solange sie oder etwas von ihr, nicht an deiner Seite ist“.
Wenn Viktor es nur könnte, würde er genau in diesem Moment aufstehen und gehen. Es war schrecklich für ihn hier durch die stark schmerzende Wunde gefesselt zu sein, und den Worten seines Vaters zu lauschen.
Er bereute seine Entscheidung nicht. Genauso, wie er es nicht bereute das Haus seines Vaters verlassen zu haben. Es war auch nicht aus Trotz gegen die Meinung des Vaters.
Nein. Er wollte sich an Flora fest halten und hätte gerne, dass sein Vater dem die Zustimmung gab. Er war kein Narr, der sich blind in sein Verderben stürzte, wie dieser meinte.
Viktor und sie hatten sich gerade erst wieder gefunden. Auch wenn er sich die Zuneigung zu ihr immer bewahrt hatte, so zählte für ihn an erster Stelle ihr Glück, selbst wenn sich ihre Wege wieder trennten.
„In den Satteltaschen des Pferdes findest du Proviant und Geld, mit dem ihr eine Weile auskommen werdet.“
Verwundert sah Viktor zu seinem Vater auf.
Was er jetzt in dessen Miene erkannte, war keine Verachtung dem Mädchen gegenüber. Seine Falten wirkten tiefer, die Haut ergraut, in Sorge um das einzige Kind.
„Du bist mein Sohn.“ Die Zügel des Pferdes warf er dem jungen Mann zu. „Ich kann nicht anders. Wenn euch meine Untergebenen aufhalten, dann werde ich nicht anders handeln können, als euch beide zu Bestrafen. Sei nur vorsichtig. Und auch deine Freunde suchen nach dir.“
Viktor wusste nicht, ob es sein Vater noch hörte, wie er leise seinen Dank bekundete. Es waren die letzten Worte seines Vaters und das einzige Mal, das er tiefes Bedauern daraus vernahm.
Er sah nicht ob Ignatius sich noch einmal zu seinem Sohn umdrehte und wollte ihn auch nicht aufhalten. Der Inquisitor hatte seine Position, die er mit dieser kleinen Geste riskierte.
Flora fragte nach dem Tier, während sie seine Wunde versorgte. Viktor wusste nicht, ob sie ahnte, von wem das Geschenk kam, er wollte es ihr aber nicht sagen. Sie hätte es womöglich nur mit Kummer angenommen.
Es war Mittag. Der Vampir ruhte friedlich in seinem verdunkelten Zimmer, selbst die wachsamen Hunde im Hof waren verstummt. Sie würden nur anschlagen, wenn sich ein Fremder näherte. Da stürzte Konrad ins Haus und wollte zu ihm eingelassen werden.
Der alte Diener versuchte noch den Werwolf davon abzuhalten, doch dieser war so stark, dass er den Mann von den Füßen warf und dieser die Treppe ein paar Stufen hinunter stürzte.
Keiner von beidem tat sich etwas. Ihre Herzen schlugen aufgeregt und ein leichter Geruch, von verbranntem Fleisch, kündigte alles weitere an.
„Herr!“, rief Konrad, während er die Tür aufstieß.
August hob seine Decke an, damit die Sonnenstrahlen nicht zu ihm drangen, die mit der offenen Tür eingelassen wurde.
Sofort erkannte der Diener seinen Fehler und schloss die Tür.
„Was ist passiert und wo ist Georg?“, erkundigte sich August, wobei er versuchte seinen Ton keinen Funken der verräterischen Wut zu entlocken, die sich unweigerlich über den Fehlschlag ihn ihm ausbreitete.
Es war ihnen nicht gelungen beide zu fangen.
Seine Hand griff zum Nachttisch, verborgen durch die Decke, die seinen Körper bedeckte.
„Wie ich sehe, war Flora nicht sehr folgsam.“ Er winkte den Werwolf zu sich, der gehorsam neben das Bett seines Herrn trat, um sich dort nieder zu knien.
„Nein“, antwortete er. „Aber Georg hat den Jäger verletzt. Sie werden nicht so schnell vorankommen. Flora wurde jedoch von uns unterschätzt. Sie ist in den letzten Jahren sehr mächtig geworden.“
„Das wundert mich nicht“, gestand August. Seine linke Hand legte sich auf das Haupt des Dieners, der jetzt zu ihm aufsah. Die rechte Hand des Vampirs lag immer noch verborgen, aber in der perfekten Position. Es war nur noch nicht der rechte Augenblick.
Konrads rechter Arm war nur noch ein Stummel. Selbst wenn dieser verheilt war, würde der Diener unbrauchbar sein.
„Durch Floras Adern fließt auch das Blut eines Menschen, aber ihre Gabe mindert das nicht. Ich habe gesehen, wie ihre Mutter ganze Städte in ein Meer aus Feuer gestürzt hat. Die Tochter hat davon nur einen Funken erweckt.“
Ein gellendes Lachen drang aus seiner Kehle.
Werwölfe waren nichts weiter als dumme Tiere. Gehorsam ihrem Herrn gegenüber, wenn sie richtig dressiert wurden. Flora dagegen, war ein unersetzbares Juwel.
Er musste sie zurück erlangen.
Seine Hand wanderte über den Kopf des Dieners, wie einen Hund, den man lobte.
„Hab Dank. Du und Georg, ihr wart mir all die Jahre treue Diener.“
Der Mann zu seiner rechten Seite erhob sich, ohne die Worte seines Gegenübers zu verstehen. Er sah es noch nicht einmal voraus, als sich die silberne Klinge mit einen Ruck in sein Herz schob.
„Herr!“ Der Werwolf sank zu Boden, konnte August sogar noch einen Fragenden Blick zu werfen, ehe sein Körper auf dem Bett leblos zusammenbrach.
Ein einziger Stoß des Vampirs und ein dumpfer Schlag ertönte, als der Leib des Werwolfes in Menschengestalt zu Boden viel.
Es waren nur dumme Kreaturen. Genau wie der alternde Mensch, der sofort zu ihm eilte, um den Leichnam unter großer Mühe aus dem Zimmer zu schaffen.
Was Flora und Viktor betraf. Die würden ihm nicht so einfach entkommen.
Sein Blick wanderte zum Fenster, das von dunklen Vorhängen verdeckt wurde, die schwer zu Boden vielen.
„Wir sehen uns bald wieder, mein feuriger Engel“, drang es begleitet von einem tiefen Lachen aus seiner Kehle.
Die folgenden Wochen ihrer Flucht richtete sich Viktor ganz nach Floras Anweisungen.
In der Nacht vermieden beide es alleine zu sein und verbrachten ihre Zeit unter Menschen, oft in der Schenke. Nur tagsüber waren sie auf reisen oder ruhten.
Es funktionierte nicht immer. Viktor betrachtete seine Begleiterin dann immer traurig, wie sie sich zitternd auf dem Bett einrollte. Manchmal versuchte er genau in diesen Nächten ihr nah zu sein, um sie zu trösten.
So verstrich die Zeit, ohne dass Flora gewillt war, ihnen eine Pause zu gönnen. Ihr Blick wanderte in jede dunkle Ecke, in der sich ein Schatten auftat. Sie betrachtete jeden Fremden mit Misstrauen und schien ihr Lächeln ganz verlernt zu haben.
Der Winter kehrt im Land ein.
Es war das erste Mal, dass sie länger in einem Ort verweilten, als eine Woche.
Beide hatten Arbeit in einer Schenke gefunden. Zu Anfang musste Flora sich zwingen ein freundliches Gesicht aufzusetzen, wenn sie die Gäste bediente. Oft harrte Viktor aus, um sie still zu beobachten. Wie auch jetzt.
Er leistete sich während seiner harten Arbeit nur wenige Pausen. Oft zehrte es an seinen Kräften, wie bei Schlägereien, die er beenden sollte und wovon ihm einige Andenken geblieben waren. Einzige, ihre zarten Hände waren Entlohnung dafür. Wenn sie zärtlich über seinen Körper wanderten, jede neue Wunde prüfend betasteten und versorgten.
Manchmal entdeckte er sogar, dass ihr Lächeln doch nicht so verloren war, wie er annahm.
Es war schön sie nach all der langen Zeit so entspannt zu sehen.
Sein Kopf sank verträumt nach vorne auf seine Hände hinab, die sich von der Theke abstützten. Dahinter lief eilends ein stämmiger Mann, der allerhand zu tun hatte mit den Bestellungen dieses Abends hinterher zu kommen. Flora sauste davor fleißig wie eine kleine Ameise umher und versuchte dabei so viele Krüge zu stemmen, wie sie konnte.
Den anderen Mädchen schenkte er dabei kaum sein Interesse, nur ihr.
„Junge, steh nicht hier und träume!“, rief ihn der Wirt in die Wirklichkeit zurück. „Hol ein neues Bierfass von unten!“
Viktor schreckte auf.
Er hatte über die fasziniere Betrachtung von Flora ganz seine Arbeit vergessen. Das Mädchen sah in dem blauen Kleid bezaubernd aus. Ihre wallende, rote Mähne hatte eines der anderen Mädchen zu einem Kranz gebunden.
Seine Hände ergriffen das leere Fass, das er mit nach unten nahm. Dort im Schein der Lampe, betrachtete er sich die feinen Silberglieder einer wundervollen Kette, in die ein Smaragd gefasst war. Er hatte sie schon zu beginn ihrer Reise von einem Goldschmied reparieren lassen, sich aber noch nicht getraut sie ihr wieder zu geben.
Doch heute wollte er es tun.
Schon den ganzen Abend über musste ihn der Wirt rügen, weil Viktor zu unaufmerksam war, oder in seiner Aufregung etwas falsch machte. Dem Mann blieb jedoch nicht verborgen, wieso er heute anders war als sonst.
So huschte auch nur ein wissendes Lächeln über dessen Lippen, als der junge Mann seine Freundin nach hinten entführen wollte.
„Bleibt nicht lange Weg“, war die einzige Bitte des Wirts. Sein Blick wanderte über das geschäftige Treiben in seiner Schenke. Heute war überaus viel los.
Ehe Fora überhaupt begriff, was er vorhatte, zog Viktor das Mädchen auch schon mit sich. Erst viel zu spät erkannte sie sein Ziel und ihre innerliche Panik gewann wieder an Gewicht.
„Bist du verrückt, Viktor!“, zweifelte Flora an ihm.
Die Tür schloss sich hinter ihnen und sofort begann das Mädchen zu zittern. Nicht alleine vor Kälte.
Die Gasse hinter der Schenke, wirkte von jeder Menschenseele verlassen. Ein kleines Feuer, vor Wind und Wetter durch ein Glas geschützt, warf sein flatterndes Licht zu ihnen und war gerade so stark, dass eine Motte es versuchte zu erreichen.
„Bitte Flora, gib mir einen Moment“, flehte er die Freundin an, deren Hand sich schon auf der Klinke zurück in die Schenke befand.
Er musste es tun.
Seine Hand lag die ganze Zeit schon um den erwärmten Stein, der ihm jetzt Mut gab, so wie er es bei ihr oft getan hatte.
Es war nicht der beste Ort für solch eine Bitte. Kisten und Fässer wurden hier gelagert. Sie trugen den schweren Geruch nach abgestandenem Alkohol zu ihnen.
Viktor war wirklich verrückt, ausgerechnet hierher zu kommen. Aber morgen früh würde ihn wieder der Mut verlassen. Es schien sogar noch schwerer zu werden, als damals in seiner Kindheit. Wo er ihr nach dieser furchtbaren Nacht die Kette zum ersten Mal überreichte.
„Du weißt, dass wir hier nicht sicher sind“, erinnerte sie ihn. Ihr Blick wanderte unentwegt durch die Gasse.
Ein Schatten sauste vorbei, der das Mädchen zusammenzucken ließ. Erst beim erblicken leuchtender Katzenaugen, kehrte wieder Ruhe in sie ein.
Seine Hand umschloss er die Kette nun ganz, um sie im richtigen Moment heraus zu holen.
„Flora“, begann Viktor. In seiner Kehle machte sich ein Kloß breit, wie damals als Kind. Seine Hand fasste die Kette noch fester. Ein Schatten huschte über das hübsche Gesicht des Mädchens, das im Schein des Lampenlichts golden erstrahlte.
Erst als er seine Hand wieder aus der Tasche heraus zog und die Kette dem Mädchen präsentierte, kehrte auch seine Stimme zurück.
Ihre zarten Finger streichelten zärtlich den Stein, dann sah sie mit einer stummen Frage zu ihm auf, die er nicht zu deuten wusste.
„Das letzte Mal schenkte ich sie einer guten Freundin“, sprach er weiter. Bei ihren Gesichtszügen, die sich mit jedem Worte hoffend entspannten, sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. Es war, als hoffte sie insgeheim auf diese eine Frage. „Du hast mir schon immer so viel bedeutet. Und als ich diese Kette dann von meiner Großmutter bekam, war es wie ein Zeichen.“
In dem schwachen Licht sah er ihre Wangen an Farbe gewinnen. Flora errötete vor ihm. Viktor hätte sich das nie erträumen lassen, eher dass sie womöglich ablehnte. Diese Geste aber schenkte ihm so viel Mut und ließ seinen Körper trotz der kalten Winternacht vor Wärme fast schmelzen.
„Sie sollte ein Geschenk an meine Verlobte werden. Und als dieses…“ Er trat um sie herum. Die Kette legte er ihr mit immer noch vor Aufregung zitternder Hand um den schmalen Hals. „…will ich sie dir heute überreichen.“
Der hübsche, grüne Stein fiel auf den Stoff ihres Kleides. Wie schon früher, griff ihre Hand danach, schloss ihn fest in sich ein. Es war der richtige Platz dafür und das letzte was er brauchte, um die große Frage zu stellen, für die er so oft im geheimen geübt hatte und nun doch ganz anders anging.
„Bitte Flora, werde meine Frau.“
Es dauerte eine Weile, bis sie ihren Kopf zu ihm zurück neigte. Viktor meinte Tränen in ihren Augen zu erkennen. Nicht aus Bedauern ihn abzuweisen, eher Glück.
„Ich liebe dich“, hauchte er ihr mit einem Lächeln entgegen.
Sie schwieg weiter. Ihre Hand ruhte auf den Stein. Selbst nachdem er ihren Körper zu sich gedreht hatte und sie jetzt in seinen Armen lag, stumm zu ihm aufblickend.
Flora brauchte nichts sagen. Ihr Blick, der seinen widerspiegelte, war Antwort genug. Kein Nein, wie er befürchtete. Nur ein glücklicher Ausdruck, vollkommen zufrieden mit allem.
Seine Lippen näherten sich ihren, doch zum Kuss kam es nicht.
Irritiert hielt er inne.
Floras Blick war an ihm vorbei, starr zum Eingang der Gasse gerichtet. Ein Schatten purer Angst lag darauf, wie er sie bisher noch nicht erlebt hatte. Ihr schlanker Körper schmiegte sich an ihn, so dass er ihr Zittern deutlich spürte.
Es fiel ihm schwer sich jetzt von ihr zu lösen. Dennoch tat er es und wandte sich um, wo dort an der großen Straße, die an der Schenke vorbei führte, ein in Schwarz gekleideter Mann stand.
Seine Kleidung fiel schwer dem Körper entlang, wirkte aber so edel, wie an dem Tag, als er Viktor zu sich rief. Auch sein Aussehen schien sich nicht verändert zu haben.
Die dunklen Augen lagen streng auf dem Paar. Die Gesichtszüge wirkten düster und ähnlich einem Raubvogel, der seine Beute erspäht. Wie konnte Viktor nur jemals annehmen, darin echte Sorge um das Mädchen zu sehen.
Wenigstens so viel, das er sie ihm damals überlassen hatte.
Seine Finger betasteten den schwarzen Unterlippenbart, das Haar war ganz unter dem Umhang versteckt.
„Flora, Viktor, wir haben uns lange nicht mehr gesehen“, begrüßte er sie mit einem Lächeln so zäh wie Wagenschmiere. „Ich hätte es Flora kaum zugetraut so dumm wie ihre Mutter zu sein.“
Ein überhebliches Lachen drang tief aus seiner Kehle.
Viktor stellte sich vor ihr auf. Egal was dieser Mann von dem Mädchen wollte, er würde seine Freundin beschützten.
„Läuft doch tatsächlich mit einem Menschen davon. Als ob ihr das Schicksal der eigenen Mutter nichts Besseres gelehrt hätte.“
Mensch. Der Mann spuckte dieses Wort vor Viktor aus. Für ihn schien es nichts abscheulicheres zu geben, als ein menschliches Wesen. Auch der Rest war blanker Spott.
„Es sind doch nur niedere Wesen, eine notwendige Speise, die sich mit jemand meiner Gattung kaum messen kann.“ Sein Blick wanderte direkt zu dem zitternden Mädchen. „Was willst du, eine der mächtigsten Wesen, zwischen diesen Kreaturen? Du stehst weit über ihnen. Sie können deine Kraft kaum begreifen, geschweige denn sie akzeptieren.“
Flora trat näher an Viktor. Egal was dieser Mann sagte, sie wollte bei ihm bleiben. Für sie war es kein Fehler, sich genau wie ihre Mutter zu einem Menschen hingezogen zu fühlen. Viktor wollte sie in dieser Meinung auch nicht enttäuschen.
Er ging gerade einen Schritt auf den Vampir zu, da traten zwei gewaltige, schwarze Hunde an seine Seite.
Ihre dunklen Augen fixierten den Menschen. Das Fell auf ihrer Schnauze kräuselte sich, die Lefzen entblößten die gefährlichen Zähne und aus der Kehle entstieg ihnen ein angriffsbereites Knurren.
Viktor wusste nicht, wie er seine Freundin gegen diesen Mann verteidigen konnte. Er war unbewaffnet. Sein Schwert lag in ihrem Zimmer.
Neben sich sah er, wie Flora ihre zarte Hand ausstreckte.
Sofort stieg eine Feuerwand zwischen ihnen und dem Vampir empor.
„Vergiss du ja nicht deinen Schwur“, knurrte der Vampir, noch gefährlicher, als es bei den Hunden an seiner Seite klang.
Die Flammen erstarben, Flora trat einen Schritt zurück. Als sie nun ihre Hand wieder erhob, entfuhren nur ein paar Funken ihrer Gabe, kein gewaltiges Feuer wie zuvor.
Ein zufriedenes Lächeln zeichnete sich in Augusts Zügen ab.
„Der Schwur verhindert, dass unser kleines Kätzchen ihre Gabe gegen mich einsetzen kann“, erklärte er. „Oder denkst du, eine mächtige Hexe wie deine Mutter, wäre vor mir geflohen, wenn sie mich doch hätte angreifen können?“
Sein lautes Lachen weckte in Viktor eine so große Wut, dass er am liebsten seine Faust in das Gesicht des Mannes geschmettert hätte. Die dunklen Hunde traten zwischen die beiden Männer.
„Bleib zurück!“, wies Viktor dem Mädchen an.
„Keine Sorge, sie ist zu kostbar“, sagte er mit gefährlich ruhiger Stimme. „Ich werde ihr nichts tun. Aber du Junge.“ Er wandte sich an den Hund zur rechten Seite. „Zerreiß diesen Bastard!“
Die Bestie gehorchte seinem Herrn sofort. Der Hund sprang auf Viktor zu. Seine spitzen Zähne hatten die Kehle des jungen Mannes zum Ziel.
Es war nur Viktors Reflexen zu verdenken, dass er dieser Kreatur ausweichen konnte und mit seinen Händen dessen Hals zu packen bekam. Mit einem kräftigen Ruck riss er den Kopf herum, bis ein Knacken ertönte. Der erschlaffte Leib des Tieres fiel aus seinem Griff zu Boden.
August schien das zu amüsieren.
Mit seiner knöchrigen Hand, wies er auch dem zweiten seiner Hunde an, Viktor zu attackieren.
Wie gerne hätte er jetzt sein Schwert, mit dem er Hund und Herr die Köpfe vom Rumpf trennen konnte.
Die zweite der Bestien stieß ihren massigen Körper vom Boden ab. Diesmal war er nicht schnell genug. Ein Schrei entstieg seiner Kehle, die Zähne des Tieres gruben sich in seinen Arm hinein.
Wild riss der Hund daran, selbst als Viktor mit seiner Hand einige Schläge auf den Kopf des Tieres abgab, wollte es sich nicht lösen. Das höhnische Lachen des Vampirs klang an seine Ohren.
Flora drückte ihren zitternden Körper an die schmutzige Wand des Gasthofs, unfähig selbst in den Kampf einzugreifen, nur ängstlich besorgt um ihren Geliebten.
Viktor war nur froh, dass sie nicht Angriffspunkt der Hunde war. Aber er wollte sich auch nicht vorstellen, wie nach ihrer Flucht ein Leben im Haus des Vampirs aussehen würde.
Er musste sie ein für alle Mal von diesem Monster lösen.
Mit einem lauten Schrei und so fest er konnte, donnerte seine Faust gegen die Nase des Hundes, dass dieser sofort aufjaulte, nachdem er endlich Viktors Arm freigegeben hatte.
Seine Hand presste sich auf die blutende Fläche.
Noch war es nicht überstanden.
Der Hund brauchte nicht lange, um sich vom Schlag zu erholen.
Seine Zunge beleckte sich die Nase, in den Augen glimmte ein zorniger Blick auf.
Wieder sprang er auf Viktor zu, dem es diesmal gelang auch dieses Tier im Sprung aufzufangen.
Er keuchte vor Schmerz in seinem Arm auf. Das Tier in seinen Händen, versuchte voran zu kommen. Wieder und wieder schnappte das Maul in die Luft, immer nah dran seine Kehle zu packen.
Ein weiterer kräftiger Ruck und Viktor sank zusammen mit dem toten Hund auf die Erde.
Über das Gesicht des Vampirs zog sich ein zufriedenes Lächeln. Dies war erst der Anfang, verkündete es.
August jedoch wolle sich nicht die Finger an ihm schmutzig machen.
An seine Seite traten zwei weiter Hunde.
„Bitte!“, flehte Flora. „Ich komme mit dir aber verschone Viktor.“
„Nein!“, rief dieser streng, ohne seinen Blick von den Hunden und ihrem Herrn zu nehmen. „Ich habe dir gesagt, was immer passiert, ich werde dich beschützen.“
„Keine Sorge!“, rief August ihm zu. „Ich erfülle dir deinen Wunsch. Du kannst für sie sterben.“ Wieder ein Zeichen an die Hunde, die sofort auf ihren Gegner zu sprangen. „Flora kommt mit mir. Wenn ich mit ihr fertig bin, wird sie sich nie wieder einem meiner Befehle widersetzen.“
Viktor sprang zur Seite. Die Gasse war einfach zu schmal, um sich richtig bewegen zu können, so dass er gegen eine der Häuserwände stieß. Sofort ein Schritt nach hinten.
Der Hund schlug mit den Kopf genau an die Stelle, an der er eben noch stand. Benommen taumelte das Tier zur Seite.
Wo war die zweite Bestie?
Viktor hatte den dunklen Hund aus dem Augen verloren.
Aus einem der Schatten sprang etwas auf ihn zu, viel zu schnell, um rechtzeitig ausweichen zu können.
Ein Schrei stieß aus seiner Kehle. Die Zähne der Bestie gruben sich in sein Bein.
Eine Waffe, er benötigte irgendetwas um sich zu verteidigen. Viktor glaubte nicht daran, dass es ihm erneut gelang die Bestien zu packen. Nicht wenn es zwei waren, gegen die er kämpfte.
Einer der Hunde, er war noch leicht benommen vom Sturz gegen die Wand, schüttelte sich. Erst dann trat auch er zu Viktor. Knurrend und zum Sprung bereit.
Ein Bolzen sauste durch die Luft. Der Kopf des Hundes, der an seinem Bein zerrte, zersprang. Kurz darauf ein zweiter, blieb im Leib des anderen Hundes stecken.
„Wer wagt es?“, brüllte August auf und entblößte dabei seine Reißzähne, wie ein wildes Tier.
Er wirbelte herum, da blitzte im Schein der Lampe auch schon ein breites Schwert auf, das mit einem Hieb den Kopf des Vampirs vom Rumpf trennte.
War es zu Ende?
Viktor spähte in die Dunkelheit vor ihnen, aus der zwei verhüllte Gestalten traten.
Die Silhouette eines kräftigen Mannes. Die Klinge des Schwertes stieß in einem harten Schlag zu Boden. Neben ihm ein schlanker Mann, in seiner Hand die Armbrust, mit der er gezielt beide Hunde tötete.
Balduin und Falk, traf Viktor die Erkenntnis fast wie ein Schlag, noch ehe sie von ihnen begrüßt wurden.
„Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, Viktor“, rief Falk. Der weißblonde Jäger lüftete die Kapuze, gefolgt von Balduin.
Viktor wollte aufstehen. Sein Bein, die Wunde daran brannte wie Feuer. Er sank wieder nieder, kaum dass er es belastet hatte.
Floras zarte Arme schlossen sich um seinen Hals. Ihr Körper presste sich zitternd an seinen. Viktor spürte ihre nassen Tränen, die jetzt unaufhörlich über ihre Wangen kullerten.
Egal weswegen sie hier waren. Auch ihnen würde er die Freundin nicht überlassen.
„Wir sind schon eine Weile in der Gegend“, sagte Falk mit ruhiger Stimme. „Wir haben euch beobachtet.“
War er wirklich so unvorsichtig geworden?
Er blickte in einer stummen Entschuldigung zu Flora.
Die ganzen letzten Wochen hatte er nur Augen für die hübsche Rothaarige. Er hauchte ihr einen Kuss auf die tränennassen Wangen. Nichts schien diese Flut stoppen zu können.
Dann blickte er wieder auf die ehemaligen Freunde.
„Ich würde mich bedanken“, sagte er mit strenger Stimme. Misstrauisch beäugte er die beiden Männer, deren Waffen immer noch ruhten.
Egal ob sie einst Freunde waren, gab es da noch Flora mit ihrer außergewöhnlichen Gabe.
Balduins Blick wirkte gezwungen Sicher. In Wahrheit aber schlug ihm das Herz bis zum Hals. Am liebsten würde er noch ein paar Schritte weit weg von dem Mädchen rücken, statt neben dem Kameraden zu stehen.
Der große Mann wahr kein Feigling. Er hatte nur eine große Furcht vor Feuer.
„Wir sind nicht hier um euch etwas zu tun“, sagte Falk mit ruhiger Stimme. „Mag sein, dass wir deine Entscheidung nicht gerade gut heißen, aber wir werden auch nicht unsere Waffen gegen dich oder das Mädchen erheben.“
Viktor nickte.
Es war keine Lüge.
„Danke“, sagte er nach einer Pause und wandte sich dann ganz seiner Flora zu.
Sofort, als sich die Spannung zwischen allen gelegt hatte, sprang sie in seine Arme.
Endlich hatte alles ein Ende. Sie waren frei und mussten nicht mehr flüchten.
Viktor hob den Kopf an. Kühle Schneeflocken tanzten um ihre Körper. Es hatte begonnen zu schneien. Was für ein schöner Abschluss für diese blutige Nacht.
Sein Blick senkte sich zu Flora, deren feuriges Haar von lauter kleinen Flocken geschmückt wurde. Ihre Tränen schienen versiegt und nun endlich, konnten sich ihre Lippen in dem Kuss finden, mit dem sie ihr Verlobungsversprechen begonnen hatten.
Es war wirklich das Ende dieses Grauens und auch die beiden Jäger verschwanden still in die Nacht hinein.
Die Monate zogen dahin, dem Winter folgte der Frühling und darauf der von Blumen erfüllte Sommer, den Flora so sehr mochte.
Viktor lag im Schatten eines großen alten Apfelbaums. Seit dieser Nacht im Winter hatte sich so viel verändert. Besonders Flora, die jetzt fast jeden Tag mit einem Lächeln begann.
Ihr Haar war mit einer Blumenkrone geschmückt, die ihr eines der Dorfkinder angefertigt hatte. In einer Hand hielt sie einen üppigen Strauß Blumen, von der anderen, stiegen feurige Schmetterlinge empor.
Er fürchtete ihre Gabe keinen Moment und wollte ihr auch nicht vorgeben, wann sie diese einsetzte.
Als eine der ersten Geschenke, hatte er ihr im Frühling ein kleines Lämmchen gekauft. Wie Bernhard würde sie gerne eine kleine Schafweide haben. Bis dahin lag aber noch ein weiter Weg vor ihnen.
Falk und Balduin besuchten sie öfters, wenn sie in der Nähe waren.
Flora setzte sich zu ihm und schmiegte sich in seine Arme.
Egal was für Schwierigkeiten noch auf sie zukommen würden, keiner von beiden bereute seine Entscheidung. Sie waren glücklich. Mit sich, mit ihrem Leben.
Die Krönung davon würde die Hochzeit sein, die in ein paar Wochen stattfinden würde.
Viktors Blick wanderte zu dem Mädchen, das ihn aus ihren wundervollen grünen Augen anblickte. Der bunte Blumenstrauß lag in ihren Händen auf seiner Brust ruhend.
Ihren roten Lippen, voll und lockend vermochte er nicht zu widerstehen.
Es gab nichts, was dieses Leben schöner machen konnte, als ihre Liebe.
An diesem Punkt ist Ende aber ihr habt noch nicht genug?
Hier stelle ich weitere Geschichten von mir vor:
Der Wolkensee
Die Legenden besagen, wer auf diesem See wandelt, wird in die tiefe gerissen und nie weider die Oberfläche sehen. Doch was sich daraunter verbirgt, erahnt nicht einmal der kleine Junge, dem dieses Schicksal wiederfährt.
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Das Erbe der Amazonen - Band 1
Drei Länder ausgebrannt von generationsübergreifenden Kriegen, ohne dass einer ihrer Könige die warnenden Zeichen wahrnimmt. Die ärmeren Bevölkerungsschichten leiden. Nur ein kleiner Teil davon wagt es, sich zu einer Rebellion zusammenzuschließen, die im Amazonenkrieg ihren Höhepunkt findet.
Einige Jahre später ist die Schlacht noch nicht vergessen. Auch nicht die Hoffnung, represäntiert von der einstigen Amazonenkönigin. Das Mädchen Alina wird ausgeschickt eine aufwallende Rebellion an ihrer Wurzel zu packen. Sie soll eine der letzten Amazonen töten. In ihrer Begleitung ihr langjähriger Freund und Sohn eines angesehen Adeligen.
Zu welcher Entscheidung sie sich entschließt, ob für die Bürger der Länder, könnt ihr in dieser Romanserie lesen.
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Texte: Titelbild: Eingeheizt von berwis (pixelio.de)
Tag der Veröffentlichung: 16.05.2010
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