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Sonnenstrahlen schienen vom Himmel herab und trafen nach ihrem langen Weg auf geschlossene Fensterläden, da wo der junge Student seine bescheidene Wohnstatt hatte.

Vor nicht allzu langer Zeit war er in die große Stadt gekommen, um Alchemie, Astrologie, Clairvoyance und Thaumaturgie zu studieren – jene beinharten Wissenschaften also, die den tiefsten Einblick in die wahre Natur der Welt, der menschlichen Seele und der Magie verhießen. Dies war selbst für einen äußerst begabten und hungrigen Geist ein hoch gestecktes Ziel, denn schließlich waren die Lehrinhalte äußerst umfangreich und überdies sehr, sehr schwierig: Manchmal verzweifelte Krysztof beinahe über das statische Rauschen in seiner gebraucht gekauften Kristallkugel oder er schlief einfach im Sitzen über den schweren, in Leder gebundenen Büchern ein, während die Kerze auf seinem Tisch unbeaufsichtigt herunter brannte.


Doch diesmal hatte er es rechtzeitig in sein Bett geschafft, allein schon um am nächsten Tag nicht mit Schmerzen in Rücken und Hals aufzuwachen: Zwar bildete der Professor für arcane Heilkunde und Homöopathie an der hiesigen Universität die besten Medicusse des ganzen Landes aus, aber ein bisschen Angst hatte Krysztof dennoch vor ihnen und ihren Apparaten: Da gab es Hämmer und Skalpelle, Blutegel und Ohrenschlüpfer und jede Menge Flaschen, deren Inhalt aussah wie besonders teures Badesalz… Nein, besser war es, gar nicht erst bei einem Arzt vorstellig zu werden! Vielleicht half es ja, wenn er sich etwas Ruhe gönnte.


Die Tage wurden wieder länger, das Neujahrsfest nahte und die Hörsäle waren vorübergehend geschlossen: Alles war ruhig. Und so hatte auch Krysztof gegen Mitternacht seinen dicken Wälzer über Systemisch –Interaktionistische Levitationstechniken zugeklappt und beschlossen, endlich einmal gründlich auszuschlafen: Inzwischen gelang es ihm hin und wieder, durch die Kanalisierung mentaler Energie seinen Mantel an die Garderobe zu hängen. Möbel zu levitieren erwies sich dagegen als sehr anstrengend: Er hielt es kaum länger als ein paar Sekunden lang durch. Beim letzten Versuch hatte er mit dem Bettpfosten einen kleinen Käfer zerquetscht. Er betrachtete dies als Zeichen, dass er genug gearbeitet hatte. Besser war es, er legte sich ins Bett hinein, anstatt damit herum zu zaubern. Bald schlief er tief und fest. Und so lag er noch immer friedlich in den Federn, als die Glocken im Tempel der Sonnengöttin zur Mittagsmesse läuteten.


Seine Ruhe sollte nicht ungestört bleiben. Abrupt schlug er die Augen auf, aber er konnte nicht ausmachen, was oder wer ihn zu dieser frühen Stunde geweckt haben könnte. Er drehte sich auf die andere Seite und döste wieder ein. Doch es dauerte nicht lange, bis er etwas Feuchtes an seiner Wange spürte. Er zwang sich dazu, erneut die Augen zu öffnen und blickte seinerseits in ein weiteres Augenpaar: Schmal, bernsteinfarben und wesentlich wacher als seine eigenen: Die Besitzerin war zierlich, schwarz und bewies in ihrem beharrlichen Bemühen, ihn aufzuwecken, dass sie eine sehr ausdauernde Zunge hatte: Da war eine Katze in seinem Bett!

„Nanu? Wie bist du denn herein gekommen?“, fragte Krysztof verschlafen. „Ich habe das Fenster doch zugemacht.“

„Ich habe die Katzenklappe genommen“, entgegnete die Einbrecherin.

„Aber ich habe doch gar keine Katzenklappe!“

„Jetzt schon.“

„Das wird meinem Vermieter aber gar nicht gefallen. Das gibt ganz sicher Ärger“, seufzte Krysztof, besorgt darüber, wie er denn eine neue Tür bezahlen sollte.

„Dann muss er ein ziemlicher Arsch sein. Dieses Haus ist nicht gerade katzenfreundlich.“

„Nun, eigentlich sind Haustiere in diesem Haus auch verboten. Ich frage mich, wieso es dann noch Haustiere heißt. Aber du hast recht, er ist ein ziemlicher Arsch.“ Krysztof machte ein nachdenkliches Gesicht… irgendetwas schien seiner Aufmerksamkeit zu entgehen, aber er wusste nicht genau, was. Es lag ihm auf der Zunge….Zunge- ja, das war es!

„Sag mal…“, setzte er an

„Jaa?“

„Wie kommt es eigentlich, dass du sprechen kannst?“, fragte er die Katze.

„Wie kommt es eigentlich, dass du sprechen kannst?“, gab sie zurück.

„Hm. Das ist eine gute Frage. Meine Eltern haben es mir vorgemacht und irgendwann habe ich angefangen Bücher zu lesen und mir die Worte selber vorgesagt.“

„Aha. Und bei dir war das anscheinend kein Problem.“
„Ich wollte dir nicht zu nahe treten oder so. Wenn du einfach deswegen sprichst, weil dir der Sinn danach steht, dann ist das natürlich deine eigene Sache. Es ist nur…“

„Ja?“

„Ich habe noch nie eine Katze reden hören.“

„Ja glaubst du denn, du bist so interessant, dass sich jede x-beliebige Katze mit dir unterhalten will?“
Er schaute sie enttäuscht an. „Bin ich das etwa nicht?“

„Nun ja, das seid ihr Menschen eigentlich selten. Manchmal suchen wir uns welche zum Schmusen oder zum Spielen, aber die meisten Katzen bleiben am liebsten unter sich.“

„Das klingt ein wenig elitär, findest du nicht?“
„Möglich. Vielleicht gibt es auch einen guten Grund.“
Doch selbst wenn die Katzen einen exklusiven Club bildeten, so schien zumindest Krysztof nicht draußen warten zu müssen.

„Wollen wir etwas spielen?“, fragte er. (Auf das Schmusen kam er nicht zu sprechen, weil er keinen falschen Eindruck erwecken wollte.)
„Eigentlich bin ich gekommen, weil es vielleicht Arbeit für uns beide gibt.“
Wieder machte Krysztof ein langes Gesicht. „Immer reden alle nur vom Arbeiten.“
„Jetzt hör mir doch erst mal zu!“
„Bitte.“
„Ich bin hier, weil ich dich fragen wollte, ob du eine Assistentin brauchst.“
„Eine Assistentin? Du meinst im Laboratorium? Wir haben da nicht viel Bedarf – manchmal schneiden unsere Magister die ein oder andere Katze auf, um zu sehen, an welcher Stelle die Vis Vitalis steckt, aber ich glaube nicht, dass dir das gefallen würde. Ein paar Hexen tragen Katzen auf der Schulter mit sich herum, aber die gibt es nur in diesen ganzen weichen, weibischen Fächern: Du weißt schon: Zaubertrankbrauerei, Verführungskunde und Ritualtanz. Ein seriöser Gelehrter und Aspirant der arcanen Wissenschaften kann sich mit so etwas nicht blicken lassen.“
„Dann sind es traurige Tage für die Wissenschaft!“ fauchte die Katze verächtlich. „Von uns könnten eure Magister und Professoren eine Menge lernen: Etwa, dass es sich nicht lohnt nach der Vis Vitalis zu suchen oder wie man das statische Rauschen aus den Kristallkugeln filtert oder woraus Sterne wirklich bestehen!“
„Ketzerei!“, rief Krysztof entsetzt. „Wenn uns jemand so reden hört, geht es mir an den Kragen.“
„Mach dir nichts draus. Wir wissen ja schon, dass niemand auf uns hört, darum geben wir uns erst gar keine Mühe. Aber ich bin nicht hier, weil ich mein Dasein zwischen verstaubtem Papier und Glasröhrchen und galvanischen Elementen fristen möchte: Nein, ich will ins Showbusiness!“ In ihrer Stimme lag aufrichtige Begeisterung.
„Showbusiness?!“
„Habe ich das nicht gerade gesagt?“
„Doch, schon aber… Aber ich bin doch ein angehender Gelehrter und kein Entertainer! Wieso kommst du ausgerechnet zu mir?“
„Weil ich gerne die Assistentin in deiner Bühnenshow wäre.“
„Aber ich habe doch gar keine Bühnenshow“, wandte Krysztof ein. Er fand die ganze Angelegenheit ein bisschen verwirrend.“

„Noch nicht. Aber eines Tages wirst du der größte Zauberkünstler im ganzen Königreich sein!“

Krysztof sprang auf und glotzte seine Besucherin erstaunt an. „Wie kommst du denn darauf?“
„Intuition.“ Mit diesem Wort war die Frage für die Katz abgehandelt.

„Aber ich kann ja nicht mal ein Geldstück verschwinden lassen! Beim letzten Versuch hat man mir auf die Nase gehauen…Naja, es war auch nicht mein Geldstück.“

„Die Kunststücke sind ja auch Nebensache. Entscheidend ist das Auftreten. Und natürlich der Hut.“
„Aber ich habe doch gar keinen Hut!“

„Lieber Krysztof“, erklärte die Katze sichtlich genervt. „Hör auf, so einen Defätismus zu verbreiten. Ständig bringst du Einwände: Aber ich bin doch gar kein Entertainer… ich hab doch keine Show… ich kann keine Zaubertricks und ich habe noch nicht einmal einen Hut…. Du tust ja geradezu so, als seien das unüberwindliche Hürden. Warte doch erst einmal ab. Die Probleme werden sich schon lösen. Findest du mein Angebot nicht interessant?“
Tatsächlich hatte Krysztof in den letzten Monaten kaum etwas erlebt, das interessanter gewesen wäre als eine sprechende Katze, die ihm Ruhm und Reichtum auf den Bühnen und in den Festsälen des Königreichs versprach.

„Doch, eigentlich schon“, antwortete er. „Erzähl mir mehr. Aber vorher sag mir, wie du eigentlich heißt. Du kennst meinen Namen ja auch.“
Plötzlich buckelte die Katze und ihr Fell sträubte sich, während sie furchterregend fauchte.“
„Ist ja schon gut“, meinte Krysztof beschwichtigend, aber auch ein bisschen beleidigt. „Du musst es mir nicht verraten, wenn du nicht willst.“
„Du missverstehst mich: Das war mein Name. Aber du könntest ihn wohl kaum korrekt aussprechen.“
„Darf ich dir dann einen Namen geben? Alle Leute, die ich kenne, geben ihren Katzen Namen.“
„Das kommt ganz darauf an.“ Sie blickte Krysztof abwartend an.

„Was hältst du von Pussi?“
„Nein.“
„Muschi?“
„NEIN!“

„Du bist ja ganz schön wählerisch.“
„Ja. Das ist auch gut so.“

„Kann ich dich dann Choosy nennen?“
Sie rollte mit den Augen. „Wenn du das unbedingt willst: meinetwegen.“ Es gab schlimmere Möglichkeiten und sie zweifelte nicht daran, dass sie ihrem angehenden Partner auch einfallen würden, wenn sie es ihn weiter versuchen ließ.
Da freute sich Krysztof. „Sehr schön.“
„Nun ja, es geht. Aber ich finde wir sollten wieder zur Sache kommen. Wie ich schon sagte, am wichtigsten für einen Magier ist der Habitus. Und, dass man eine Katze aus dem Hut zaubern kann.“
„Ich dachte immer, dafür nimmt man Kaninchen.“
„Willst du mich beleidigen? Kaninchen sind kein Vergleich. Die nimmt man nur, wenn man nicht an eine Katze herankommen kann. Du kannst dich also glücklich schätzen.“ Choosy reckte stolz den Kopf.
„Natürlich“, antwortete Krysztof. „Nur: Ich habe ja, wie bereits erwähnt, noch nicht einmal einen Hut!“

„Daran habe ich selbstverständlich schon gedacht“, erklärte Choosy.

Sie peitschte dreimal mit ihrem Schwanz durch die Luft und zischte etwas, das sich für Krysztofs Menschenohren kaum anders anhörte als ihr ursprünglicher Name. Ein hoher, schwarzer, breitkrempiger Zylinder mit glänzendem Band erschien aus dem Nichts und schwebte vor ihnen im Raum.

Krysztof machte große Augen. Er griff nach dem magischen Geschenk und setzte es stolz auf. Dabei musste allerdings etwas auf seinen Kopf geplumpst sein, mit dem er nicht gerechnet hatte. Denn, als er den Hut zog und sich spielerisch verneigte, fiel dieses Etwas zu Boden.

Es erwies sich als ein totes Kaninchen.

Krysztof sah Choosy mit hoch gezogenen Brauen an, sprach aber keine Frage aus. Sie schnupperte vorsichtig daran und wandte sich dann ab.

„Der Vorbesitzer war wohl ein wenig vergesslich“, meinte sie.

„Wie, das ist nur ein Second-Hand-Hut?“

„Stört dich das etwa?“
„Nein, nein, das ist ein nettes Geschenk. So gut wie neu, bis auf den Kaninchengeruch. Vielen Dank.“ Er setzte den Zylinder demonstrativ wieder auf.
„Ja, ich finde, es passt zu deinem schwarzen Hemd.“
„Danke. Was für Tricks soll ich denn damit vorführen? Einfach eine Katze aus dem Hut zaubern?“
„Ach, das ist doch ein alter Hut.“
„Second-Hand, sozusagen“, fügte Krysztof lächelnd hinzu.

„Ja, aber es wär ein guter Einstieg. Vorausgesetzt, du vergisst mich nicht darin. Es muss schon eine lebendige Katze sein.“
„Natürlich. Und was mache ich dann?“
„Darüber habe ich auch nicht so genau nachgedacht. Pyrotechnik soll ja gerade groß in Mode sein…“
Krysztof mochte Feuer. „Ja, das wäre eine tolle Idee.“

„Außerdem bin ich geschickt“, prahlte sie. Ich kann auf einen Würfel springen, bevor er fällt und darauf balancieren.“

„Wow – das kann ich nicht.“

„Sag mal…“, setzte Choosy an.

„Ja?“

„Du hast nicht zufällig ein Paar Stiefel für mich? Und vielleicht einen Hut? Mit einer Feder?“

„Nein, tut mir leid“, sagte Krysztof. „Mein Schuhwerk würde dir nicht passen und meinen einzigen Hut habe ich gerade von dir bekommen.“

„Tja,“, machte sie enttäuscht. „Dann musst du dich wohl selbst um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Aber sprich dich vorher mit mir ab.“

„Öffentlichkeitsarbeit?“

„Ja, wir müssen Plakate aufhängen und uns um die Mundpropaganda kümmern.“

„Hm…“


An was man alles denken musste! Glücklicherweise kannte Krysztof eine Lichtologiestudentin in einem fortgeschrittenen Semester, die es ihm ersparte, sich und seine neue Assistentin von Hand zu zeichnen. So hatten sie schnell ein Plakat angefertigt, auf dem Krysztof eine ausladende Geste machte und breit grinste. Choosy räkelte sich lasziv auf einer Holzkiste.

Die Überschrift bestand aus fetten, weißen Buchstaben. Sie glauben, dass niemand Ihnen etwas vormachen kann? You ain’t seen nothing yet!

Sowohl Krysztof als auch Choosy waren der Meinung, dass diese Worte einen angenehmen, herausfordernden Klang hatten, wenn man sie vorlas.

Darunter stand in kleinerer Schrift: Krysztof und Choosy. Wirker wahrer Wunder. Meister der Illusionen. Pure Bühnenmagie. Nur für Sie werden wir die Schatztruhe jahrtausenderalter Zauberkunst öffnen – um Ihnen die Show ihres Lebens zu bieten!

Anfangs war Krysztof skeptisch gewesen, ob sie den Mund mit dieser Ankündigung nicht doch zu voll nahmen, aber Choosy versicherte ihm, dass dies für die Verhältnisse im Showgeschäft noch recht zurückhaltend war: „Wenn man uns etwas vorwerfen kann, dann falsche Bescheidenheit.“
So wandte er sich statt der Schrift dem Bilde zu.

„Wo kommt die weiße Fliege her?“, fragte er seine Bekannte. „Künstlerische Freiheit“, erklärte diese kurz angebunden.

„Ach so.“ Er beschloss, wegen der Strapse und des grünen Tentakelmonsters nicht weiter nachzuhaken.


Es hatte von früh morgens bis tief in die Nacht gedauert, die Kopien des Plakats mit viel Kleister an strategisch günstigen Stellen in der Stadt zu platzieren. Einmal wären sie beinahe von einem Kutscher verprügelt worden, als sie gerade dabei waren, ein Verkehrsschild zu überkleben.

Müde ließ sich Krysztof auf sein Bett plumpsen. Die Katze döste sogleich neben ihm ein, gemütlich zusammen gerollt. Da kam ihm plötzlich etwas in den Sinn.

„Choosy?“ Seine Freundin öffnete ein Auge.

„Hätten wir nicht einen Ort und eine Zeit auf das Plakat schreiben sollen?“
„Wieso?“, fragte sie schläfrig.

„Damit die Leute wissen, wann und wo sie uns sehen können?“
„Meinst du?“
„Ja-sowas wie: Samstagabend im Purpurnen Mahlwerk.“
Choosy gähnte weit und streckte sich. „Ja, da hast du wohl recht.“

Ihr Partner bemerkte nicht mehr, wie sie vom Bett sprang und durch die Tür huschte.


Am nächsten Morgen verkündeten alle Plakate, dass die Vorstellung bereits an diesem Wochenende im Purpurnen Mahlwerk auf der Bühne des großen Saals stattfinden sollte. Die meisten Passanten waren ein bisschen überrascht, denn normalerweise zählten Magier nicht zum Programm des Etablissements.

„Weißt du, Choosy“, meinte Krysztof. „Danke, dass du das übernommen hast, aber…“
„Was ist denn nun schon wieder?“, fragte sie ungehalten. Dauernd hatte ihr Partner etwas einzuwenden!
„Glaubst du wirklich, wir können den Besitzer des Mahlwerks bis Samstag überreden, uns auf die Bühne zu lassen?“

„Weiß nicht. Wieso sollten wir das?“
„Naja, du hast es auf das Plakat geschrieben, ohne, dass wir vorher den Gig festgemacht hätten!“

„Ist das schlimm?“
„Naja, normalerweise muss man sich die Zustimmung des Besitzers holen, bevor man irgendwo auftritt.“
„Warum sollte er nein sagen?“, fragte Choosy. „Wir sind schließlich… groß im Kommen!“

„Naja, im Mahlwerk treten normalerweise keine Magier auf!“

„Sondern?“
„Naja, junge Frauen, die ein bisschen tanzen, während sie sich ausziehen. Oder junge Frauen, die schon beinahe nackt auf die Bühne kommen und dann tanzen.“
„Sowas Blödes!“ rief Choosy verständnislos. "Und der Laden läuft?“
„Sehr gut sogar! Nur, wir werden vor dem Publikum dort wohl schlechte Chancen haben. Es sei denn…“
„Ja?“
„Viele Bühnenmagier haben halbnackte Assistentinnen. Ich könnte versuchen, dich mithilfe eines Mutations-Expressions-Alterations-Formwandlungsilusionszaubers vorübergehend…“

„Vergiss es!“, fauchte Choosy wütend. „Ich behalte meine Gestalt.“

Krysztof nickte beschwichtigend. Damit war die Idee wohl vom Tisch.

„ Wir könnten versuchen, die Bühne zu stürmen“, schlug Choosy stattdessen vor. „Wir stehlen im wahrsten Sinne des Wortes die Show!“
„Die Tänzerinnen würden uns tottrampeln. Es gibt schlimmere Arten zu sterben, aber ich habe eigentlich gehofft, der Rest meines Leben würde noch länger dauern als nur fünf Tage.“

„Was schlägst du stattdessen vor?“
„Ich weiß nicht. Ich dachte, du kennst dich mit sowas aus.“ Krysztof reckte verzweifelt die Arme in die Luft. Es war wohl doch ein bisschen übertrieben, von einer Hauskatze einen perfekt ausgearbeiteten Handlungsplan zu erwarten.

„Es war deine Idee: Samstagabend im Purpurnen Mahlwerk. Hast du gesagt!“, schmollte Choosy.-
„Das war doch nur ein Beispiel –ich hätte ja nicht gedacht, dass du das ernst nimmst und dann auch noch sofort in die Tat umsetzt.“

„Ach so? Dann will ich dir mal was sagen: Ein bisschen mehr Initiative würde dir auch nicht schaden, Junge!“

„Ich kann Initiative zeigen“, stelle Krysztof klar. Er fand das unfair von der Katze.

Bald darauf war er zur Tür hinaus.

Als er wieder nach Hause kam, strahlte er übers ganze Gesicht.

„Ich habe das Purpurne Mahlwerk klar gemacht! Fünf Prozent Gewinnbeteiligung, kostenloses Essen und Getränke und wir können ein paar Mal den Hut herum gehen lassen. Andere, speziellere Vergünstigungen konnte ich jedoch nicht herausschlagen.“ In den letzten Worten schwang ein wenig Enttäuschung mit, doch diese war bald verflogen.

„Und du hast erst geglaubt, er ließe sich nicht überreden“, meinte Choosy freudig.

Krysztof blickte zu Boden. „Mit Überredung bin ich auch nicht weit gekommen.“
„Hast du ihn bestochen?“, fragte die Katze, obwohl sie eigentlich wusste, dass ihm dazu die Mittel fehlten.

„Nein. Ich habe doch gar kein Geld.“
„Hast du dann angeboten, dort als männlicher… ähem, Begleiter zu arbeiten?“
„Nein. Das Mahlwerk hätte mich doch niemals fest angestellt.“
„Also hast du den Wirt bedroht?“, fragte Choosy entsetzt.

„Nein. Damit wäre ich nie durchgekommen. Die Sache ist heikler: Ich habe ihn verzaubert.“

„Ist das schlimm?“
„Es ist verboten. Wenn man keine Approbation hat. Es ist nicht so, dass die Gilde ein Problem damit hat, wenn ein Mensch in eine Ziege oder einen Zombie verwandelt wird, nur will sie entscheiden, wer so was tun darf und wer nicht. Aber nachdem alle Plakate draußen hingen und so, war ich wirklich verzweifelt. Dann habe ich mich an eine Vorlesung in persuasiver Spruchmagie erinnert. An einen Meister, der ein Verfahren entwickelt hat, um Blutmagie und andere altmodische Beherrschungstechniken –mit Fingernägeln und Haaren und so – überflüssig zu machen. Ich hätte nicht gedacht, dass das klappt.“

„Wie geht das denn?“

„Eigentlich ist es ein Kinderspiel: Du musst nur eine ganz einfache Armbewegung machen.“ Er beschrieb mit der Hand einen Bogen vor Choosys Kopf. „Dann sagst du, was du willst. Nur dass du behauptest, dass er andere das will… also sowas wie: Du wirst uns am Samstagabend auf der großen Bühne des Mahlwerks auftreten lassen und uns folgende Vergütungen gewähren. Und dann zählt man halt die Vergütungen auf und bekommt die dann auch.“

„Und das klappt?“

„Es hat mich ja selbst überrascht. Niemand nimmt diese komische Akademie ernst, wo der Zauber entwickelt wurde… eigentlich sind das gar keine richtigen Magier. Laufen alle in so langen, hellbraunen Kutten rum und machen dauernd Fechtübungen mit verbundenen Augen – das ist doch leichtsinnig! Naja, vermutlich war es einfach nur Glück, dass sie diese Entdeckung gemacht haben. Ich wollte es jedoch nicht übertreiben. Also keine Damenbesuche in der Garderobe.“

„Mir macht das nichts aus.“
„Ich hoffe bloß, die Angelegenheit fliegt nicht auf. Aber außer mir und dem Wirt war niemand zugegen."

„Kann das Opfer es merken?“
„Naja, falls der Zauber unterbrochen wird, könnte ihm sein eigenes Verhalten merkwürdig vorkommen. Aber man braucht magische Grundkenntnisse, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und welcher Strip-Club-Besitzer hat die schon?“
„Ich weiß nicht. Ich kenne nicht so viel Strip-Club-Besitzer.“
„Das war eine rhetorische Frage.“
„Ach so.“ Choosy sprang auf. „Mein werter Herr, ich schlage vor, wir vertagen diese Diskussion. Wir haben noch viel vor: Zunächst einmal brauchen wir ein Programm und das müssen wir dann auch noch einüben.“

„Hast du denn schon etwas geplant?“, fragte Krysztof. „Ich habe ein paar Ideen, aber ich weiß nicht, ob wir sie umsetzen können.“
„Da ist natürlich zum einen die Katze im Zylinder. Aber das ist, wie bereits erwähnt, ein alter Hut.“

Krysztof nickte „Außerdem können wir damit keine zwei Stunden füllen – gut wäre, wenn du noch ein bisschen auf der Bühne herumläufst, dich elegant bewegst oder ein paar Zuschauern auf den Schoß hüpfst – dann wäre das schon eine hübsche Fülleinlage, aber wir brauchen mehr.“

„Ich glaub, ich könnte auf die Schnelle noch ein Buch mit Münztricks auftreiben. Ich kenne da jemanden, der hat sich das selbst beigebracht.“ Choosy erinnerte sich gerne an ihn. Er hatte etwas für Katzen übrig.

„Auch in so kurzer Zeit?“, fragte Krysztof hoffnungsvoll.

„Nein, während seiner Jahre im Gefängnis. Münztricks sind ganz schön anspruchsvoll.“

Krysztof schüttelte den Kopf. „Das schaffe ich niemals rechtzeitig.“ Er zwang sich, nachzudenken. Bis zum Auftritt waren es nur noch wenige Tage und selbst mit Choosys Unterstützung beherrschte er gerade einmal einen einzigen Trick. Vielleicht konnte er sich noch beibringen, wie man unauffällig ein Herzass im Ärmel versteckte und genau dann wieder ebenso unauffällig zutage förderte, wenn man es wieder gebrauchen konnte, aber das würde die Menge niemals zufrieden stellen.

Die Leute wollten Sensationen. Nackte Haut, rohe Gewalt und Dinge, die Funken sprühten und in die Luft gingen. Sie wollten, dass Dinge in einer Rauchwolke verschwanden und an unerwarteten Orten mit einem Knall wieder auftauchten. Sie wollten, dass Frauen in blutige Stücke gesägt wurden – und vielleicht auch, dass man sie danach wieder zusammensetze. Sie wollten sehen, wie andere Leute aus dem Publikum unter Hypnose zu willenlosen Sklaven wurden. Sie wollten sehen, wie große, schwere Gegenstände in der leeren Luft schwebten, bevor sie dann – wie die auf dem Boden stehenden Requisiten auch – lautstark und mit einem bunten Feuerwerk explodierten. Sie wollten sehen, wie sich jemand nackt in einem Tank voller Himbeersirup aus seinen Eisenketten befreite, vor den darin herum schwimmenden Barrakudas floh und diese dann ebenfalls in die Luft sprengte, so dass es Himbeersirup auf die Bühne und aufs Publikum regnete.

Doch Krysztof kannte keine Kunststücke, die annähernd so gut waren. Schließlich war er nicht vom Fach. Nicht einmal sein natürlicher Charme und gelungene Pointen würden darüber hinwegtäuschen, dass er ein miserabler Bühnenmagier war.

Er schlug die Hände vors Gesicht und ließ sich ein bisschen tiefer in seinen Schreibtischstuhl sinken. Nein, er würde das Publikum nicht beeindrucken können, es sei denn er wandte echte Magie an!
Es war zum Verzweifeln. Sie hatten sich übernommen und würden auffliegen. Es war ein schöner Traum gewesen, doch er musste enden, bevor…Moment mal!

Was ging ihm da nur gerade durch den Kopf? Der bloße Gedanke war ebenso verwegen wie verwerflich, doch er konnte zugleich auch ihre Rettung sein. Dann wurde er von seinen eigenen Worten überrumpelt.

„Wir könnten echte Magie benutzen!“, platzte er heraus.

Langsam hob er wieder den Kopf und sah Choosy fest in die Augen. „Ich habe schließlich schon eine ganze Weile studiert: Ich habe einiges drauf und die meisten Menschen können Zauberei nicht von einem schlechten Trick unterscheiden.“

Bei diesen Worten buckelte und fauchte die Katze und sah ihn entgeistert an. „Aber- das ist doch Betrug!“, rief sie. Sie konnte kaum glauben, dass jemand wie Krysztof so etwas ernsthaft in Betracht ziehen konnte – denn er galt unter seinen Kommilitonen als ehrlich und rechtschaffen.

„Na und? Du hast den Hut herbei gezaubert“, entgegnete er.
„Das war etwas völlig anderes. Ich habe ihn übrigens nur temporär in der Nexusdimension aufbewahrt: Ich habe ihn im Laden ausgesucht und bezahlt. Hat mich ne schöne Menge Katzengold gekostet. Angeblich ist er magisch.“

„Magisch? Ich dachte, das sei – um es mit deinen eigenen Worten zu sagen - Betrug.“

„Nun, ich habe ihn ausgesucht, weil er bequem aussah. Ich muss da ja wohl bald eine ganze Menge Zeit drin verbringen. Das Magische gab’s eben gratis dazu. Ich habe erst gedacht, das würde sich so anfühlen, wie bei Kleidungsstücken oder Decken, die statisch aufgeladen sind, aber eigentlich ist das Material ganz angenehm.“

„Aber er war magisch! Du hast ihn aus dem Nichts erscheinen lassen“, betonte Krysztof.

„Ich bin aber auch eine Katze und kein Student der arcanen Künste! Ich bin ja nicht einmal ein Mensch. Von mir kann niemand verlangen, dass ich mich an eure Regeln halte!“
„Fang gar nicht erst damit an. Es sind dumme Regeln, die uns die Gilde da auferlegt. Ein feines Stück Lobbyarbeit – mehr nicht. Aber wenn ich im Parlament säße und eine Gruppe Interessenvertreter würde mir damit drohen, meine Männlichkeit zu verfluchen oder mich in grünen Wackelpudding zu verwandeln, dann würde ich auch ihren Wünschen gemäß abstimmen! Das Zauberverbot für Bühnenmagier ist nicht dazu da, das Publikum vor Heimsuchungen durch Dämonen oder Ausbrüchen unkontrollierter arcaner Energie zu schützen: Es ist dazu da, dass Monopol der akademischen Zauberer zu schützen. Deswegen muss man als Künstler immer alles auf die komplizierte Art machen!“

„Das ist nicht fair“, sagte Choosy. „Ich bin auf vielen Tourneen mitgereist, aber ich habe die Dinge hingenommen, wie sie waren: Die Elite hat all den Komfort, aber wenn man ein armer Entertainer ist, dann muss man die ganze Mühsal auf sich nehmen und Tricks und Illusionen lernen. Das ist harte Arbeit. Sowohl das Einstudieren als auch der Auftritt. So mancher relativ junge Bühnenmagier hat sich so seine Gesundheit ruiniert. Und die ganzen Spiegel und doppelten Böden! Das Zeug ist verdammt teuer! Es bleibt einem ja kaum Geld zum Leben. Geschweige denn, um der Katze Fleisch zu kaufen. Da muss man als Assistentin aus der Mülltonne fressen!“ Sie hatte sich richtig in Rage geredet.

„Nein, es ist nicht fair. Wir haben geradezu die Pflicht, uns zur Wehr zu setzen“, sprach sich Krysztof selbst Mut zu. Grimmige Entschlossenheit glomm in seinen Augen. „Wer soll es auch sonst tun? Der König schert sich nicht um unsereins.“

„Das bedeutet, du wirst die Öffentlichkeit wissen lassen, dass du ein wilder Magier bist?“, fragte Choosy. „Ein Rebell, der sich nicht um die engen Regeln schert? Du wirst, wenn das Publikum dir applaudiert und dir Luftküsse zuwirft, verraten, dass du gar kein echter Gaukler bist? Dass du niemanden getäuscht und wirklich gezaubert hast?“

„Bist du verrückt? Die Leute würden die Bühne stürmen und mich lynchen und dir das Fell über die Ohren ziehen! Zumindest würden sie ihr Geld zurück verlangen, wenn sie wüssten, dass wir sie gar nicht verarscht haben.“ Krysztof wäre gerne ein Rebell geworden, doch den oftmals ungeplanten Karriereschritt zum Märtyrer wollte er nicht riskieren.

„Vermutlich würden sie das“, meinte die Katze traurig. „Aber vielleicht ist die Zeit eines Tages reif dafür.“
„Vielleicht. Jetzt müssen wir erst einmal zusehen, dass wir den Samstagabend überstehen. Auch wenn ich nicht alles von Grund auf neu lernen muss, so haben wir doch nicht allzu viel Zeit zum Proben.“

„Was sollen wir den einstudieren?“
„Ich weiß noch nicht genau, aber in der Bibliothek stehen jede Menge Original -Grimoires und Kommentare zu Grimoires und Leitfäden und Festschriften und arcane Überblicksarbeiten. An ein paar Zaubern habe ich mich bereits versucht. Mal sehen, was sich findet.“


Für die nächsten Tage gruben sie sich in der Universitätsbibliothek ein. Um diese Zeit des Jahres war sowieso niemand da, also auch niemand der sich darüber beschweren konnte, dass sie sich Essen und Getränke mit in den Lesesaal brachten. Gemeinsam hatten sie die Regale durchforstet und sich herausgesucht, was sie brauchen konnten: Lauwarmes und kochend heißes Gedankenlesen, Chaostheoretische Wettermagie zur Erzeugung von Innenraumgewittern und Westentaschentornados, galvanistische Totenerweckung, autogene Schwebetranceinduktion und kreative Materialisierung von Süßigkeiten und Salzbrezeln. Außerdem gab es da noch eine Anleitung, wie man medizinischen Wunderklebstoff im Kessel anrühren konnte. Das war wichtig, wenn man seine Assistentin zersägte, ohne stolzer Besitzer einer Kiste mit doppeltem Boden zu sein.

Bald hatten sie eine Zusammenstellung, die sich sehen lassen konnte: Alles ganz einfach, wenn man eine gute Quelle zur Verfügung hatte.

Krysztof war ziemlich stolz auf sich. Er hatte auch ein paar Stunden lang levitieren geübt und regelrecht gefühlt, wie seine mentalen Muskeln erstarkt waren. Er schaffte ganze Regalreihen auf einmal. Doch das genügte freilich nicht.

„Wir brauchen noch ein paar Explosionen. Für das große Finale. Die Leute mögen sowas“, verkündete Choosy. Ihr gefiel es in der Bibliothek. Außerdem hatte sie innerhalb kurzer Zeit sehr klare Vorstellungen davon entwickelt, was gut beim Publikum ankommen würde.

„Such mal unter exothermer Alchemiedilettanz. Regal 140 oder so. Findet sich bestimmt leicht. Auf den meisten Ausgaben zu dem Thema sind Rusflecken drauf.“

„Okay. Ich hab hier noch was gefunden, das interessant sein könnte. Wo die Zielgruppe im Mahlwerk doch so viel für Erotik übrig hat…“

„Ja, was denn?“ Eine Prise Erotik war nie verkehrt.

„Da steht was von Libidokanalisierung. Man kann einen Gott namens Eros beschwören. Scheint auch noch ne Art bösen Zwilling zu haben – oder sowas Ähnliches. Liest sich total spannend. Und es ist die Rede von Phasen.“ Choosy überlegte kurz. „Könnte was mit Sinusschwingungen und Synchronisation zu tun haben“, spekulierte sie.

„Nein, diese Autoren würden sich weigern, auch nur das kleinste Bisschen von trigonometrischer Magie zu verstehen, wenn ihr Leben davon abhinge “, erklärte Krysztof ein verächtlich. „Das kannst du zurück legen, der Kram funktioniert einfach nicht. Da kann ich mir ja gleich ein Buch über Tantramagie in der alternativen Hexenpraxis um die Ecke ausleihen!

„Warum steht es dann in der Universität bei den Praxisleitfäden?“
„Das frage ich mich auch oft genug… „, brummelte Krysztof. Ich finde, wenn man den Gauklern schon verbietet zu zaubern, sollte man den Zauberern auch verbieten zu gaukeln.“
„Das wäre wenigstens fair“, pflichtete die Katze ihm bei.

„Vielleicht erlebe ich den Tag ja noch. Es wäre ein großer Tag für mich.“

„Ja, aber bedenke: der nächste Große Tag ist immer der Größte Tag.“
„Wo hast du das denn aufgeschnappt?“
„Auf einem Bolzplatz. Zurück an die Arbeit, es ist nicht mehr weit hin.“
„Jawohl. Ah, schau mal, ich hab hier was: Kapitel 4- paradoxe Teleportation. Man verschiebt nicht den Gegenstand, den man eigentlich verschieben will, sondern das ganze Universum bis auf diesen Gegenstand. Nur in umgekehrter Richtung. Ich hab hier eine einfache Fünfschrittanleitung. Mit Bildern!“

Choosy blickte skeptisch. „Wohin willst du das Universum verschieben? Dann müsste ja neben dem Universum Platz für irgendetwas sein.“

„Den Teil verstehe ich auch nicht so ganz. Aber es scheint ein bewährter Zauber zu sein.“
„Was willst du teleportieren?“
„Na dich, meine Liebe! Einverstanden?“

„Maunz!“, erklärte Choosy.

„Hm.“

Und so arbeiteten sie sich durch das magische Repertoire und Krysztof schien es später als habe er in diesen Tagen mehr gelernt als zuvor in ganzen Semestern. Es war einfacher als sonst. Es hatte einen Sinn. Und es war sein Programm, seine Magie.


Dann war es soweit. Das Purpurne Mahlwerk drohte, vor lauter Gästen zu bersten. Ausnahmsweise waren auch zahlreiche Frauen darunter.

Krysztof schlüpfte in der Garderobe in seinen Umhang und setzte den Zylinder auf, den er von Choosy bekommen hatte. Sie sprang auf seine Schulter und miaute.

„Dann lass uns mal berühmt werden“, sagte sie zuversichtlich und wusch sich noch schnell, bevor sie sich vor all die Leute begab.

Krysztof rang sich ein Lächeln ab, obwohl er ganz schön Lampenfieber hatte. „Wenn’s weiter nichts ist… Glaubst du, es wird alles gut gehen?“
„Das will ich doch hoffen.“

Dann gingen die Scheinwerfer an und plötzlich befanden sich die beiden auf der Bühne, ohne sich so recht daran zu erinnern, wie sie dorthin gekommen waren.


Über Berge und Seen, durch Täler und Wälder, touren ein Bühnenmagier und seine reizende Assistentin. Das Publikum hat sie von der ersten Vorstellung an geliebt: Wo immer sie hinkommen, werden sie mit Jubelschreien und roten Teppichen begrüßt. Im Laufe der Zeit haben sie allerlei Reichtümer angesammelt: Das Gold, mit dem sie bezahlt wurden, die Schmuckstücke und Kunstwerke, die ihnen bedeutende Leute zum Geschenk gemacht haben und die Spitzenunterwäsche, die während der Auftritte immer wieder auf die Bühne geflogen ist. Hinzu kommen die unehelichen Kinder des Magiers: Es sind wohl an die vierzig, aus dreißig verschiedenen Städten.


Auch Choosy genoss das leichte Leben für eine Weile, doch für sie sollte es seinen Preis haben: Als sie trächtig wurde, musste sie das Showbusiness verlassen. Der Manager - unbemerkt hatten Manager, Agenten, Trainer, Berater, Maskenbildner, Choreographen und PR-Leute sich in ihr Leben geschlichen und angefangen, Aufgaben zu erledigen, die vor ihrem Arbeitsantritt niemals angefallen waren und Entscheidungen zu fällen, mit denen Krysztof und Choosy allein besser zurecht gekommen wären –wollte kein Risiko eingehen und strich sie aus dem Programm. Sie und ihr Co-Star waren wütend und enttäuscht. Sie wollte sich nicht einfach aufs Abstellgleis drängen lassen, doch nach der Geburt ihres Wurfs sollte es ihr nicht mehr so recht gelingen, in der Branche Fuß zu fassen, obwohl sie noch immer so frisch und talentiert war wie zuvor.

Als Choosy ging sang sie vor sich hin. „It’s a man’s world…“. Krysztof hatte beim Abschied Tränen in den Augen. "But it would be nothing", murmelte er. Es war nicht fair. Sie wussten beide, dass die Katze all das erst möglich gemacht hatte.

Fortan war er mit seinen Soloprogrammen unterwegs. Jedes von ihnen ein Erfolg, auch wenn das Publikum hin und wieder „Wir wollen Choosy!“ skandierte.

Die Akademiker an den offiziellen magischen Institutionen zerbrechen sich noch heute die Köpfe über seine Tricks. Sie fragen sich, wie es ihm gelingen kann, all diese komplizierten Kunststücke höherer Magie nachzuahmen. Sein Geheimnis haben sie zum Glück noch nicht erraten.

Vielleicht wird er eines Tages ein Buch veröffentlichen. Und nicht nur zugeben, dass all sein Ruhm auf Schwindel beruht: Dass die Münzen wirklich verschwunden sind, die Jungfrau wirklich in Stücke geschnitten wurde, dass der dicke Mann aus dem Publikum nun wirklich ein Ziegenbock ist. Dass er nicht an Schnüren hängt, wenn er in den Saal hinein schwebt. Dass seine Kunst auf jahrelangen Studien beruht, auch wenn er niemals einen Abschluss gemacht hat.

Dass all die Illusionen in Wahrheit gar keine waren.

Ob die Leute ihn wohl dafür hassen würden?
Oder seine Kollegen, wenn er die geheimen Lehren nicht mehr nur vorführen, sondern seinem Publikum erklären würde? Wie man Blei in Gold verwandelt, oder eine Herz Zwei in ein Pik Ass, ganz ohne Gegenstände in der Hand oder im Ärmel zu verstecken. Wie man eine Levitation ohne Drachenschnur oder Windmaschine durchführte. Oder wie man eine Person lebendig wieder zusammen setzte, wenn man sie in ihre Bestandteile zerlegt vorfand. Und Schlimmeres noch: Wenn er verriet, dass das Wort Levitation eigentlich überhaupt nicht mehr bedeutete, als dass man mit dem Körper vom Boden abhob. Dass Teleportation ganz einfach hieß, dass etwas an einem Ort verschwand und am anderen Ende wieder auftauchte. Dass Clairvoyance nur ein feines ausländisches Wort für In-die-Zukunft-Gucken war? Dass all die komplizierten Worte, welcher sich die Zauberer bedienten, für Dinge standen, die gar nicht so unbegreiflich und fern waren, wie sie es den anderen Leuten glauben machten?

Dafür würden sie ihn wohl am meisten hassen.

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Tag der Veröffentlichung: 03.09.2011

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