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Robs Spiel des Lebens

Aus dem Verkehr gezogen

 

Aus. Vorbei. Es ging einfach nicht mehr. Ich konnte nicht mehr mit Kevin zusammen sein. Fast drei Jahre waren wir ein Paar. Mehr oder weniger. Nicht zuletzt das vollständige Fehlen eines Bedauerns angesichts unserer Trennung zeigt mir, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Wenn ich ehrlich bin, empfinde ich sogar Erleichterung über das Ende unserer Beziehung. Ich glaube, dass es Kevin ähnlich ging, als ich ihn heute davon in Kenntnis gesetzt habe, denn anstatt Zeter und Mordio zu schreien, wie ich es befürchtet hatte, schien er ebenfalls erleichtert. Darüber bin ich heilfroh, denn ich mag ihn wirklich gerne. Ganz am Anfang, da glaubte ich sogar, in ihn verliebt zu sein, nicht so sehr wie damals in Manuel, aber er hat mir wirklich etwas bedeutet.

Manuel … das ist ein ganz anderes Thema. Es gab einmal eine Zeit, in der ich den Boden unter seinen Füßen angebetet habe. Ich war so verknallt in ihn, dass ich alles für ihn getan hätte. Und damit meine ich wirklich alles! Wir sind sogar einmal zusammen im Bett gelandet, aber ich habe damals schnell begriffen, dass es eine ziemlich einseitige Angelegenheit gewesen ist. Er war in Experimentierlaune und ich … tja, ich sagte ja, dass ich alles für ihn getan hätte. Daran hat sich auch im Wesentlichen nichts geändert … nur der Sex, das würde ich nicht mehr für ihn tun. Ich käme ohnehin nie wieder in einen solchen Genuss. Seit er Axel kennt, hat Manuel scheinbar völlig vergessen, dass es noch andere Männer auf dem Planeten gibt.

Ich habe lange gebraucht, bis ich mich davon erholt hatte und mich quer durch den Landkreis gehurt. Eine andere passende Bezeichnung fällt mir dafür einfach nicht ein, vögeln wäre schlichtweg zu harmlos für das, was ich alles getrieben habe. Ich bin nicht wirklich stolz darauf. Ich möchte allerdings nicht ungerecht sein und Manuel den schwarzen Peter zuschieben, es war ganz sicher nicht seine Schuld. Damals musste er als Ausrede herhalten, heute bin ich mir allerdings sicher, dass ich zeit meines Lebens auf der Suche war, wonach auch immer. Ich habe es bis heute nicht rausgefunden. Und dann bin ich eines Tages auf Kevin gestoßen. Er war der Erste nach Manuel, bei dem ich wieder etwas fühlte. Allerdings nicht genug. Für diese Erkenntnis habe ich fast drei beschissene Jahre gebraucht, in denen ich sowohl meine, als auch seine Nerven bis aufs Äußerste strapaziert habe. Die letzten Monate habe ich mich eh mehr oder weniger in mich selbst zurückgezogen. Heute Abend habe ich dann kurzen Prozess gemacht. Mit ihm … vor allem aber mit mir selbst.

Und nun stehe ich hier, im Boots. Eher unfreiwillig. Manuel hat mich herzitiert. Obwohl, ich freue mich eigentlich, heute hier zu sein. Ich beobachte das rege Treiben um mich herum und genieße es sogar ein bisschen. Wohl ein Echo früherer Zeiten, in denen ich mich nicht nahezu komplett abgeschottet habe. Außerhalb meiner Beziehung hatte ich nur noch mit Manuel Kontakt. Ich glaube, dass das mit ein Grund war, dass die Trennung heute ohne großes Theater über die Bühne gegangen ist. Ich bin zum reinsten Stubenhocker mutiert. Das macht kein Mann lange mit. Aber ich denke, ich habe diese Zeit einfach gebraucht. Nach all den Partys, Clubbesuchen und sexuellen Zerstreuungen brauchte ich einfach Ruhe, um den Kopf wieder aus den Wolken zu bekommen. Ich möchte es nicht Selbstfindung nennen, das hört sich so abgedroschen an, aber so etwas in der Art dürfte es schon gewesen sein.

Allerdings habe nicht nur ich mich verändert, auch im Boots hat sich einiges getan. Es scheint sehr viel größer zu sein, als in meiner Erinnerung. Ich steuere auf die Bar zu, die mittlerweile die komplette rechte Seite einnimmt. Ich schwinge mich auf einen der Barhocker und blicke interessiert die Theke entlang.

"Verdammt Rob, dich gibt es noch?" Patrick kommt grinsend auf mich zu.

Ich zucke mit den Achseln. "Unkraut vergeht nicht."

"Schön dich mal wieder zu sehen. Ich wusste gar nicht, dass du ne Blondine bist." Er hebt verblüfft eine Augenbraue.

"Überraschung!", tue ich albern.

"Du siehst zwar vollkommen anders aus, als in diesen Pseudo-80er-Pop-Look, aber steht dir." Er nickt anerkennend.

"Danke", antworte ich. Mein Lächeln ist sogar aufrichtig. Ich habe mich von jeher gut mit Patrick verstanden.

"Und sonst? Alles fit? Du warst doch nicht krank, oder?", will er besorgt wissen.

"Nein", winke ich ab. "Ich bin okay. Bei euch hat sich ja ne ganze Menge getan", wechsle ich das Thema. Ich habe nicht wirklich große Lust über mich zu sprechen.

"Ja, wir haben den Gastraum erweitert. Dadurch mussten einige Räume ein Stockwerk nach oben verlagert werden. Wenn du also das Klo suchst: drüben raus, die Treppe hoch und dann links." Er zeigt grinsend in die entsprechende Richtung. "Was darf’s denn sein?"

"Ein Bier für den Anfang", antworte ich und drehe mich herum, als Patrick sich um das Bier kümmert. Der Stammtisch ist weg, an seiner Stelle stehen nun ebenfalls kleine runde Bistrotische mit jeweils vier Hockern. Im hinteren Teil kam eine Art Bühne hinzu, worauf sich im Moment eine Band ausbreitet. 'Shooting Five' steht auf dem Banner, das hinter ihnen an der Wand hängt. Noch nie von denen gehört. Nicht weit davon entfernt steht ein Hüne mit dunkelblondem Haar. Wenn ich mich recht entsinne, ist das der Typ, der vor Jahren mal in Axel verknallt war und wegen dem Manuel die totale Krise bekommen hat. Neben ihm, gut einen Kopf kleiner, ein blonder Lockenkopf. Ziemlich süßer Kerl.

An einem Tisch, ganz in der Nähe der Bühne, entdecke ich schließlich Axel und Manuel. Noch immer fühle ich einen ganz leichten Stich, wenn ich die beiden so vertraut miteinander umgehen sehe. Ich weiß bis heute nicht, wie sie diese nonverbale Kommunikation zustande bringen. Sie blicken sich in die Augen und scheinen sofort zu wissen, was der andere möchte. Dafür beneide ich sie von ganzem Herzen, auch wenn ich das niemals offen aussprechen würde. Dabei mochte ich Axel anfangs überhaupt nicht. Es ist nicht so, dass ich eifersüchtig auf ihn gewesen wäre, ich habe mir Manuel schon vor Jahren aus dem Kopf geschlagen. Ich bin vielmehr eifersüchtig auf diese tiefe Zuneigung und Zusammengehörigkeit, die beide wie eine Art Aura umgibt. Man weiß einfach, dass diese Zwei nichts und niemand auf der Welt auseinanderbringen kann. Das habe ich in einer solchen Form noch nie zuvor gesehen, noch nicht einmal bei Heteropaaren. Ich schnappe mir das Bier, das Patrick für mich mittlerweile auf die Theke gestellt hat, winke ihm noch kurz zu und gehe zu Manuel hinüber.

Er lächelt, als er mich näher kommen sieht und ich lasse mich unwillkürlich davon anstecken. "Schön, dass du da bist", sagt er, während er beide Arme um mich schlingt und mich kurz an sich drückt.

"Hey Rob, lange nicht gesehen", kommt es von Axel. Er lächelt. Es ist ein freundliches, offenes Lachen – das war nicht immer so. Es gab eine Zeit, da hätte er mir am liebsten Rattengift verpasst. Doch das ist Jahre her, inzwischen verstehen wir uns eigentlich ganz gut. Die besten Freunde werden wir zwar niemals werden, aber wir kommen miteinander aus.

"Alles klar bei dir? Wo ist Kevin?", will Manuel wissen.

"Hab Schluss gemacht", erwidere ich achselzuckend.

"Schon wieder?", feixt Manuel.

Ich kann’s ihm nicht verdenken, so lief das ständig in den vergangenen drei Jahren. "Diesmal endgültig", erkläre ich.

"Was ist passiert?" Manuel hebt erstaunt die Augenbrauen. Auch Axel sieht irritiert drein.

"Weiß nicht ... hab einfach genug von dem Mist. Irgendwie von allem. Kevin und ich ... ich mag ihn, aber einfach nicht genug. Wir blockieren uns doch nur gegenseitig. Er hat ohnehin was Besseres als mich verdient", gebe ich, wenn auch ungern, zu.

"Jetzt mach dich mal nicht schlechter als du bist. Aber mit einem hast du recht, Kevin und du, ihr passt nicht zusammen." Er legt eine Hand auf meine Schulter.

"Nur scheiße, dass ich so lange gebraucht hab, um das zu kapieren", seufze ich.

"Und wie geht’s ihm damit?", fragt er.

"Gut, glaube ich. Wir sind uns einig. Es ist gut so, wie es jetzt ist. Er hat jetzt die Chance, jemanden kennenzulernen, der ihn lieben kann ... so, wie er es verdient. Er ist ein feiner Kerl, irgendwann wird er seinen Traumprinzen finden. Ich war das zu keiner Zeit."

"Und was ist mit dir?", wirft Axel ein.

"Mit mir ist alles okay, mir geht’s wirklich gut. Es fühlt sich an, als ob mir eine Last von den Schultern genommen wurde. Dabei habe ich Kevin eigentlich nie als eine Art Ballast gesehen. Aber ich vermisse ihn auch nicht, das zeigt mir, dass die Trennung richtig war. Und keine Angst, die Schlampenzeit ist endgültig vorbei."

"Unser Rob ist endlich erwachsen geworden?" Das kommt wieder von Manuel.

"Vielleicht", antworte ich vage. "Aber vor allem glaub ich, dass ich mich langsam genug ausgetobt habe. Mensch, ich bin über 30 und Kevin war mein allererster Versuch mal auf dem Boden zu bleiben. Das ist schon eine ziemlich traurige Bilanz. Ich werde mich jetzt erstmal um mich selbst kümmern, den Kopf frei bekommen und dann sehen wir weiter. Vielleicht läuft mir ja doch irgendwann mal der Richtige über den Weg." Ich kann’s selbst kaum glauben, dass ich den Schwachsinn, den ich hier verzapfe, wirklich ernst meine.

Manuel offensichtlich auch nicht. "Das sind ja ganz neue Töne."

Ich zucke erneut mit den Achseln. "So sieht’s aus."

"Keine Einwände", erwidert Manuel deutlich ernster.

"Kennst du die Band?", will ich wissen und nicke Richtung Bühne. Außerdem hab ich keinen Bock mehr über mich zu reden.

"Ja, wir haben ne CD von denen zu Hause. Hat uns ein Arbeitskollege von Axel in die Hand gedrückt. Live haben wir die Jungs aber noch nicht gesehen."

"Der Schlagzeuger ist heiß", grinse ich.

"Von dem würd ich die Finger lassen, wenn du nicht willst, dass Moritz dir die Augen auskratzt", kichert Axel.

"Echt? Der ist mit Moritz zusammen? Der Süße mit den unglaublichen Augen? Der hat mich damals eiskalt abblitzen lassen." Schon ewig her.

"Tja, Nick ... also den Schlagzeuger hat er offensichtlich nicht abblitzen lassen. Die beiden sind unzertrennlich."

"Das freut mich wirklich für ihn. Moritz ist ein netter Kerl", entgegne ich.

"Sieh an, wen haben wir denn hier?" Ich sehe in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Zwei Typen gesellen sich zu uns. Einer davon ist etwas älter mit an den Schläfen angegrautem, schwarzen Haar, was seiner Attraktivität jedoch nicht den geringsten Abbruch tut. Er kommt mir vage bekannt vor. Bei ihm eine hellblonde Schönheit der Marke Surferboy.

"Hey ihr beiden, schön, dass es doch noch geklappt hat", werden sie von Axel freudig begrüßt. Sowohl Axel als auch Manuel bekommen von den Neuankömmlingen je eine kurze, jedoch herzliche Umarmung.

"Das sind Chris und Max, Arbeitskollegen und zugleich Freunde von mir", stellt er vor. "Und das", er zeigt auf mich, "ist Rob ... Manuels langjähriger Freund."

Chris, also der Ältere von den beiden, mustert mich genauer. "Kennen wir uns? Du kommst mir irgendwie bekannt vor, hab aber keine Ahnung, wo ich dich hinstecken soll." Er runzelt die Stirn. Dafür weiß ich mittlerweile umso genauer, woher ich ihn kenne. Es ist einige Jahre her. In meiner schlimmsten Schlampenzeit habe ich mir meine amourösen Abenteuer zuweilen auf dem Autobahnrastplatz ganz in der Nähe gesucht. Einmal war ich mit Chris zugange ... das heißt, wir wollten gerade anfangen. Dazu kam es jedoch nie, weil plötzlich eine Furie vor uns stand, die sich als Chris Ehefrau entpuppte.

"Ähm ...", beginne ich. Das ist jetzt eine verdammt beschissene Situation. Mein Blick huscht kurz zu Max.

"Scheiße, jetzt weiß ich, woher ich dich kenne."

"Gott, sag jetzt nicht, ihr seid zusammen im Bett gewesen!" Manuel hat Mühe ein Lachen zu unterdrücken.

"Nicht direkt, beziehungsweise so weit kam es erst gar nicht", erwidert Chris. "Er ist derjenige, mit dem mich Melli erwischt hat."

"Ups", meldet sich Max zu Wort. "Dann muss ich dir ja glatt danken", er grinst mir entgegen und ich habe das Gefühl, die Sonne geht auf. Verdammt ist der Kerl hübsch.

"Möchte mich jemand aufklären?", bitte ich erleichtert darüber, einem Drama entgangen zu sein.

"Okay, Kurzversion: Ich war verheiratet, zwar nicht glücklich, aber ich bereue es keine einzige Sekunde. Ohne meine Exfrau hätte ich meine wundervolle Tochter nicht. Dass ich schwul bin, wusste ich im Grunde schon immer, trotzdem haben die gesellschaftlichen Zwänge gesiegt und ich habe mir eine Scheinwelt errichtet. Die ist mir irgendwann gnadenlos um die Ohren geflogen, denn ab einem gewissen Punkt konnte ich einfach nicht mehr. Also bin ich losgezogen und habe meine Bedürfnisse bei irgendwelchen anonymen Typen gestillt. Melli hat Verdacht geschöpft und ist mir gefolgt. Was dann kam, hast du ja Live miterlebt. Es kam zu einem ziemlich schmutzigen Scheidungskrieg, auf den ich nicht näher eingehen möchte. Katrin kam zu mir und irgendwann habe ich meinen Sonnenschein kennengelernt." Chris schenkt Max einen glühenden Blick, bei dem selbst mir ziemlich heiß wird. Max schlingt einen Arm um seinen Liebsten und drückt ihn verzückt an sich. Na super, noch so ein Traumpaar.

"Du siehst also", erzählt Max weiter, "ich muss mich bei dir bedanken!" Er lacht und seine dunklen Augen leuchten begeistert. Seine Reaktion ist eine willkommene Abwechslung, ich hätte mir genauso gut einen Kinnhaken einhandeln können. Schwein gehabt.

Als ich das Boots schließlich um kurz nach Mitternacht verlasse, kann ich auf einen wirklich netten und sehr unterhaltsamen Abend zurückblicken. Manuel hat mir das Versprechen abgerungen, mich wieder öfter blicken zu lassen. Sie treffen sich jeden zweiten Freitag zu einer Art Stammtisch und ich soll mich anschließen. Nun, da wäre es wieder, dieses Manuel-Thema, ich kann ihm immer noch nichts abschlagen. Jedenfalls bin ich ziemlich gut gelaunt, als ich in mein Auto steige und mich auf den Heimweg begebe. Allzu weit komme ich allerdings nicht, denn exakt drei Kreuzungen weiter gerate ich in eine polizeiliche Straßensperre. Ich tippe auf Alkoholkontrolle ... und ich behalte recht. Glücklicherweise belasse ich es strikt bei einem Bier, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin. Ich habe von Berufswegen schon viel zu viel Scheiße gesehen, die durch Alkoholeinfluss geschehen ist ... und das waren in den seltensten Fällen harmlose Auffahrunfälle. Ich bin Rettungsassistent.

Ein gut gebauter Beamter zieht mich mit einer dieser Leuchtkellen, die man auch aus dem Fernsehen kennt, aus dem Verkehr. Ich bin nicht der Einzige, denn auf der anderen Straßenseite erleidet gerade jemand das gleiche Schicksal. Auf der Verkehrsinsel wird ein junger Kerl Marke Fahranfänger von zwei weiteren Polizisten in die Mangel genommen und sieht bedröppelt drein.

"Guten Abend, Polizeiobermeister Bauer. Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte", werde ich in neutralem Tonfall von einer tiefen Stimme aufgefordert, nachdem ich die Scheibe nach unten gelassen habe. Ich nicke kurz und hebe dann mein Becken an, um meinen Geldbeutel aus einer der hinteren Hosentaschen zu ziehen. Kurze Zeit später reiche ich ihm die gewünschten Papiere. Die Kreuzung ist hell erleuchtet und ich wage einen genaueren Blick auf ihn. Und dann bleibt mir fast das Herz stehen. Was. Für. Ein. Mann! Er dürfte etwa einen halben Kopf größer sein als ich. Sein dunkles Haar ist hinten kurz, oben und an den Seiten etwas länger. Vorn ist es aus dem Gesicht gekämmt, eine Haarsträhne hat sich jedoch selbständig gemacht und fällt ihm locker in die Stirn. Seine Augen kann ich nicht genau erkennen, aber sie scheinen dunkel zu sein, und sie sind umrahmt von einem Kranz dichter und langer Wimpern. Ich liebe lange Wimpern an einem Mann. Die Nase ist gerade und passt perfekt in sein Gesicht. Die Oberlippe steht etwas über und ich muss mich verdammt zusammenreißen, um nicht gleich etwas vollkommen Blödsinniges zu veranstalten, für das ich garantiert im Knast landen würde! Das Kinn steht etwas nach vorn und gibt ihm ein energisches Aussehen. Dieser Kerl weiß ganz genau, was er will und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er das auch für gewöhnlich durchsetzt. Er ist glatt rasiert, aber ich kann ihn mir auch sehr gut mit einem Dreitagebart vorstellen. Kurzum: Ich will ihn! Scheiß auf mein Geschwafel von vorhin! Da gibt es nur ein Problem: Der Typ ist ein Bulle im Dienst, meine üblichen Methoden einen Kerl klarzumachen, fallen bei dem wohl flach.

"Wo kommen Sie her?", will er wissen.

"War mit Freunden im Boots, ist nicht weit von hier." Kann sicher nicht schaden, wenn er schon mal weiß, wo der Hase bei mir langläuft. Sein linker Mundwinkel zuckt ganz kurz. War das der Anflug eines Lächelns?

"Haben Sie etwas getrunken?", bleibt er auf Kurs.

"Ein Bier", antworte ich wahrheitsgemäß.

"Wären Sie mit einem Alkoholtest einverstanden?" Gott, wenn der wüsste, was er alles mit mir machen dürfte. Bei ihm wäre ich mit allem einverstanden. Da kocht grad ganz die Schlampe hoch. Ich kann von Glück sagen, dass schmutzige Gedanken nicht strafbar sind, sonst würde mir mit Sicherheit postwendend der kurze Prozess gemacht.

"Klar", erwidere ich so neutral wie möglich und schenke ihm ein Lächeln.

"Steigen Sie bitte aus."

Ich löse den Gurt und warte noch einen Augenblick, bis er zur Seite gegangen ist. Ich möchte ihm nicht unbedingt die Autotür gegen seinen Luxuskörper donnern.

"Folgen Sie mir bitte." Das muss er kein zweites Mal sagen. Folgsam trotte ich ihm hinterher und habe einen wundervollen Blick auf seine Kehrseite. Diese dunkelblaue Hose spannt sich ganz schön um seinen wohlgeformten Hintern. Dürfen diese Typen überhaupt so verdammt heiß in ihren Uniformen aussehen? Das gehört doch verboten! Auch die muskulösen Oberschenkel zeichnen sich sehr ansehnlich unter dem Hosenstoff ab. Dieser Typ ist einfach nur unverschämt sexy.

Am Straßenrand angekommen, gibt er mir das Alkoholmessgerät in die Hand. Er stülpt ein frisches Mundstück über und erklärt: "Bitte mehrere Sekunden kräftig blasen." Oh Scheiße, hat der sie noch alle? Nicht nur, dass dieser Mundschutz mich an ein Gummi erinnert, der kann doch zu einem stockschwulen Typen, der zudem im Moment spitz ist wie Nachbars Lumpi, nicht irgendwas von blasen sagen. Hat der ne Ahnung, was für Assoziationen er mir gerade ins Hirn pflanzt? Wenn er mir jetzt in den Schritt schaut, bin ich geliefert.

Ich setze das Gerät an und beginne damit, wie ein Irrer in das Ding zu pusten. Ich fühle geradezu, wie mein Gesicht purpurrot anläuft, und komme mir vor, wie der letzte Depp. Kurz bevor ich drohe wegen Sauerstoffmangels umzufallen wie ein gefällter Baum, piepst das Scheißding endlich und ich nehme es aus dem Mund.

"0,15 Promille." Zufrieden nickt mein Superbulle mir zu und deutet in Richtung meines Autos. "Alles Okay, Sie können weiter." Gleichzeitig gibt er mir meine Papiere zurück. "Gute Fahrt Herr Wagner", wünscht er mir, nachdem er mich zu meinem Auto begleitet hat.

"Danke", entgegne ich ziemlich aufgekratzt. Nicht ganz zurechnungsfähig zwinkere ich ihm sogar kurz zu, nachdem ich mich wieder hinters Lenkrad geschwungen habe.

Bevor ich allerdings die Scheibe wieder nach oben lassen kann, dreht er sich noch einmal zu mir um. "Sind Sie öfter im Boots?"

Flirtet er etwa gerade mit mir? Ich schenke ihm ein breites Grinsen. "Jetzt ja!", antworte ich, lasse die Scheibe nach oben und fahre los. Wenn der Typ nicht in meinem Team spielen sollte, fresse ich einen Besen - samt Putzfrau!

 

 

 

Tristan

 

"Hey Rob, gestern hat jemand nach dir gefragt", begrüßt mich Patrick einige Tage später an der Theke vom Boots. Es ist weder Freitag, noch Stammtisch, noch ist Manuel da ... und ich hocke trotzdem hier. Vorgestern übrigens auch. Am besten ich ziehe gleich ein. Gott, bin ich bescheuert.

"Echt? Wer denn?", will ich wissen, obwohl ich so eine vage Ahnung habe. Oder Hoffnung? What ever.

"Ein gewisser Tristan."

"Kenn ich nicht. Wie sah er denn aus?"

"Ziemlich gut. Groß, gut gebaut, dunkelhaarig, sexy Lächeln." Na bitte, klingt nach Superbulle Bauer.

"Kennst du den?", will ich wissen.

"Taucht hin und wieder mal auf." Gerade bereue ich es, dass ich mich in den vergangenen Monaten so rar gemacht habe, sonst wären wir uns sicherlich schon früher über den Weg gelaufen.

"Hat er was gesagt?"

"Ich soll dir ausrichten, dass er heute hier wäre, so ab kurz nach 10."

Na das trifft sich doch hervorragend. Das ist in einer halben Stunde. Ich kann nicht leugnen, dass ich mich ziemlich auf ihn freue. In den vergangenen Tagen habe ich mehr an ihn gedacht als mir lieb war. Tristan also ... schöner Name, passt zu ihm.

Ich vertreibe mir die Zeit mit Patrick. Natürlich ausschließlich verbal. In grauer Vorzeit hatten wir mal ein kurzes Stelldichein, genau so vorübergehend und unbedeutend wie die Kerle vor und nach ihm. Etwas, worauf ich mittlerweile nicht wirklich stolz bin, aber ich stürze mich deswegen auch nicht in tiefe Depressionen. Es war eine Zeit lang okay und irgendwie wird es auch immer ein Teil von mir bleiben. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ich habe gerade die letzten Reste meines ersten Glases Apfelschorle vor meiner Nase stehen, als sich jemand neben mich auf den Barhocker pflanzt. Ich muss noch nicht einmal nachsehen, wer der Neuankömmling ist, ich fühle es. Mein Magen beginnt erwartungsvoll zu kribbeln und ich halte mich überrascht an meinem Glas fest. Der Kerl hat bei mir mehr Eindruck hinterlassen, als ich für möglich gehalten hätte.

"So schnell sieht man sich wieder." In seiner Begrüßung schwingt ein Lachen mit, welches das Kribbeln in meinem Magen noch verstärkt.

"Herr Bauer!", tue ich überrascht, nachdem ich mich ihm zugewandt habe.

"Tristan, bitte", grinst er.

"Tristan ... nett dich kennenzulernen." Ich erwidere sein Grinsen.

"Ganz meinerseits, Robert", geht er darauf ein.

"Rob ... meine Freunde nennen mich Rob", korrigiere ich ihn.

"Was darf ich dir zu trinken bringen?", macht sich Patrick bemerkbar.

"Ich nehm ein Bier, bitte", bestellt Tristan.

"Ich will dich nicht in Panik versetzen, aber einige Kreuzungen weiter steht manchmal ne Alkoholkontrolle", tue ich verschwörerisch und zwinkere ihm zu.

"Ist nicht wahr!", spielt er mit.

"Mich hat es vor ein paar Tagen voll erwischt." Erst als die Worte meinen Mund verlassen haben, merke ich, wie zweideutig sich das angehört hat.

"So? Dann sollte ich es bei dem einen Bier belassen, was meinst du?", erwidert er, sichtlich zufrieden.

"Unbedingt! Wobei, die haben echt nette Polizisten", rutscht es mir über die Lippen.

"Tatsächlich? Ist das auf jemanden bestimmten bezogen?"

"Könnte schon sein", antworte ich grinsend. Mir gefällt dieses Spiel. Ich leere mein Glas und rufe: "Patrick, machst du mir auch ein Bier fertig, bitte?"

"Kommt sofort", antwortet Patrick sichtlich amüsiert. Er hat unser Geplänkel zweifelsohne mitbekommen.

"Stammgast hier?", will Tristan wissen.

"Ja, eigentlich schon, auch wenn ich nicht mehr ganz so oft da bin, wie noch vor einigen Jahren." Ich zucke mit den Schultern. "Vielleicht ändert sich das jetzt ja wieder", füge ich mit einem Seitenblick auf Tristan hinzu.

"Mich würde es freuen, du warst immer gut fürs Geschäft, Rob", kommt es von Patrick, während er zwei Gläser Bier vor unsere Nase stellt.

Ich schieße einen warnenden Blick in seine Richtung.

"Jetzt bin ich neugierig. Feucht fröhlich oder was anderes?" Tristan mustert mich eingehend.

"Sag jetzt nichts Falsches, Patrick. Das ist ein Bulle", kann ich mir nicht verkneifen.

"Polizeiobermeister bitte, so viel Zeit muss sein", feixt Tristan neben mir.

"Ich hatte eine wilde Zeit", beantworte ich Tristans Frage, bevor Patrick es tun kann.

Tristan zuckt mit den Achseln. "Hatten wir die nicht alle?"

"Meine war besonders wild", erkläre ich.

"Jäger oder Gejagter?" Oh, jetzt wird’s aber konkret.

"Beides", antworte ich wahrheitsgemäß.

"Und mittlerweile?"

"Immer noch beides ... aber ich bin sehr viel ruhiger geworden. Vielleicht liegt das auch an meiner fast dreijährigen On-Off-Beziehung. Außerdem wurde es Zeit erwachsen zu werden", erzähle ich.

"Beziehung ... ist sie im Moment on oder off?"

"Ich säße nicht hier, wenn ich immer noch in dieser Beziehung stecken würde, egal welchen Status sie im Moment innehätte. Kevin und ich haben uns getrennt, endgültig."

Tristan nickt zufrieden. "Das ist gut ..."

"Hast du denn mir gegenüber irgendwelche Absichten?", schmunzle ich.

"Ich wäre nicht hier, wenn es nicht so wäre", geht er darauf ein.

"Das ist gut ...", wiederhole ich seine Worte von vorhin.

"Darf ich dir einen Rat geben?" Er rückt mit seinem Kopf näher und tut verschwörerisch.

"Nur zu", fordere ich ihn auf.

"Wenn du das nächste Mal auf einen schwulen Polizisten triffst, dann hebe ihm nicht dein Becken entgegen, um dein Portemonnaie aus der Hosentasche zu ziehen. Und vor allem friss ihn nicht mit den Augen auf, wenn er versucht sich auf deine Papiere zu konzentrieren."

Ich rücke nun meinerseits etwas näher an ihn heran. "Dann hätte ich aber auch einen Rat für dich. Wenn du auf einen schwulen Autofahrer triffst, mit dem du einen Alkoholtest machen willst, dann fordere ihn nicht auf, dass er blasen soll. Das weckt ziemlich wilde Assoziationen", kontere ich.

"Das war pure Absicht. Normalerweise lasse ich die Leute nämlich pusten. Und du hast wunderbar darauf reagiert, sogar heftiger als erwartet!" Ein versautes Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. Ich bin froh, dass ich sitze, sonst würde ich Gefahr laufen, zu Boden zu gehen. Niedergestreckt von einem sexy Lächeln. Super Rob, wie alt bist du? 13?

"Du hast gelinst", stelle ich fest.

"Ich bekomme nicht alle Tage so ein Prachtstück vor die Nase, da kann ich doch nicht wegschauen!" Er nimmt einen Schluck von seinem Bier. Etwas Schaum klebt ihm anschließend an der Oberlippe und er leckt ihn ab. Eigentlich eine ganz normale Geste, aber das, zusammen mit den soeben gehörten Worten, lässt mich denken einen Stromschlag abbekommen zu haben. Die Luft um mich herum sirrt und meine Haare stehen zu Berge. Die ganze aufgeladene Energie schießt direkt in meine Lenden.

"Ich ..." Worüber haben wir gerade geredet? Hab’s irgendwie komplett vergessen.

"Und später hast du mir zugezwinkert. Ich hätte dich um ein Haar aus dem Auto gezerrt." Ach ja, die Alkoholkontrolle.

"Ich hätte keinen Widerstand geleistet", antworte ich atemlos.

"Das will ich doch hoffen. Ich habe nämlich eine Uniform ... und Handschellen." Er wackelt bedeutungsvoll mit den Augenbrauen.

Eine heiße Szene materialisiert sich vor meinem inneren Auge, die beide Utensilien beinhaltet. Heilige Scheiße, wann ist die Stimmung denn dermaßen gekippt? Nervös ruckle ich auf dem Stuhl hin und her. Wenn er nicht will, dass ich an Ort und Stelle über ihn herfalle, sollte er damit aufhören. Sofort!

"Wenn du diese ... Konversation fortführen möchtest, schlage ich einen anderen Ort vor. Vielleicht einen mit etwas mehr Privatsphäre?", biete ich an.

Ein tiefes, amüsiertes Grollen ertönt. Tristan lacht mit allem, was er zur Verfügung hat. Mund, Augen ... der gesamte Körper, alles ist involviert. Nie ist mir ein aufrichtigerer Ausdruck von Freude begegnet. "Keine Einwände", antwortet er zustimmend.

"Patrick, wir zahlen. Sofort!", schmettere ich einmal quer über den kompletten Tresen hinweg, ohne Tristan auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

Zwei Minuten später torkeln er und ich lachend aus dem Boots. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten, dabei habe ich mein Bier überhaupt nicht angerührt. Japsend beuge ich mich etwas nach vorn und stütze beide Hände auf den Oberschenkeln ab. Ich fühle mich, als ob ich gerade einen Marathon hinter mir hätte. Genauso atemlos, körperlich matt ... vor allem aber extrem euphorisch. Tristan scheint es ähnlich zu gehen. Wir sehen uns an, zunächst immer noch feixend. Die Belustigung in seinen Augen weicht aber schon bald einer unverhohlenen Gier. Eine gewaltige Hitze steigt in mir auf. Ich weiß erst gar nicht, wie mir geschieht, als mich zwei Hände grob am Kragen packen und mich gegen die Hauswand donnern.

"Gott, das wollte ich schon tun, als ich dich das erste Mal gesehen habe", keucht er. Dann fühle ich seine Lippen auf den meinen. Er geht dabei überraschend zart und vorsichtig vor. Das hätte ich nach dem Überfall von eben nicht erwartet. Er bedeckt mein Gesicht mit kleinen Küssen, bevor er sich wieder meinem Mund widmet. Er neckt mich mit der Zunge und mit den Zähnen. Fast schon zärtlich knabbert er so lange, bis ich es nicht mehr länger aushalte und ihm entgegen komme. Er schmeckt wunderbar ... und nach mehr - sehr viel mehr! Bisher waren Küsse ein notwendiges Übel ... es gehörte eben irgendwie dazu, nichts Weltbewegendes. Aber das hier mit Tristan, das nimmt eine vollkommen neue Dimension an. Ein Kuss von Tristan löst mehr Empfindungen in mir aus, als es Duzende namenloser Ficks je gekonnt hätten, viel mehr, als es Kevin je gekonnt hätte. Und plötzlich weiß ich, dass ich verloren bin. Es ist Tristan, auf den ich gewartet habe, ohne mir dessen überhaupt bewusst zu sein. Und ich bekomme es mit der Angst zu tun - nackte panische Angst. Ich versteife mich in seinen Armen. Es bleibt nicht unbemerkt. "Was ist?" Seine Stimme ist rau vor unterdrückter Erregung.

"Ich glaube ... ich", stammle ich und drücke ihn sanft aber bestimmt von mir. Ich löse mich vollends von ihm und wende mich ab. "Sorry, aber ..." Und dann renne ich los, als ob es um mein Leben gehen würde. Aus den Augenwinkeln erkenne ich, wie Tristan mir ungläubig hinterher schaut.

"Rob, was soll der Scheiß!", schreit er. Sein Blick ist fuchsteufelswild.

Ich beachte ihn nicht weiter, rase zu meinem Auto und fahre wie von Wölfen gehetzt davon. Mein Herzschlag wird erst dann wieder ruhiger, als ich mich in der sicheren Umgebung meiner eigenen vier Wände befinde. Obwohl wir Ende Juni haben, friere ich so sehr, dass meine Zähne aufeinander schlagen. Also schlinge ich meine dicke Wolldecke um mich herum und schlafe irgendwann im Wohnzimmer auf dem Sofa ein.

Es ist bereits hell, als ich die Augen öffne. Obwohl ich mehrere Stunden geschlafen haben muss, bin ich völlig gerädert. Die Decke habe ich irgendwann in der Nacht von mir gestrampelt, ansonsten habe ich immer noch die Klamotten von gestern an und schwitze mich fast zu Tode. Stöhnend erhebe ich mich von meinem unbequemen Nachtlager und gehe ins Bad, um mich zu erleichtern. Danach putze ich die Zähne und nehme eine ausgedehnte Dusche. Anschließend stelle ich mich vor den Spiegel und betrachte mein Gesicht. Meine Augen sind von einem wässrigen Blau, darunter sind heute leichte Ringe zu erkennen.

Seit ich meine Haare nicht mehr färbe, wurden sie auch nicht mehr geschnitten, aus diesem Grunde sehen sie derzeit auch etwas merkwürdig aus. Das Schwarz ist zwar mittlerweile fast vollständig rausgewachsen, aber an den Spitzen sind sie immer noch arg dunkel. Zudem haben sie inzwischen eine Länge erreicht, dass ich sie mir zu einem winzigen Pferdeschwanz binden könnte. Mein Erscheinungsbild unterscheidet sich krass von dem, wie ich ausgesehen habe, als ich Kevin kennenlernte. Damals hätte ich durchaus als eine aus den 80ern entsprungene Pop-Ikone durchgehen können. Heute würde man mir mit knapper Not den Kurt Cobain in seinen abgewracktesten Zeiten abnehmen. Dennoch fühle ich mich damit wohler ... echter ... ehrlicher. Es war okay, die in schwarzem Leder und weißen Rüschen gekleidete Schlampe zu geben. Und ich bereue auch nichts, aber ich muss das nicht mehr haben.

Hätte Tristan der Rob von damals gefallen? Der Gedanke war da, bevor ich ihn verhindern konnte. Ich möchte nicht an Tristan denken, nicht nach meinem unrühmlichen Abgang vom Abend vorher. Es ist Jahre her, seit ich eine Panikattacke wie die gestrige erlebt habe. Früher kamen sie häufiger, meist in Situationen, in denen ich außergewöhnlichem Stress ausgesetzt war. Eigentlich dachte ich, dass ich diese Anfälle endgültig hinter mir hätte. Ich weiß noch nicht einmal genau, wieso es ausgerechnet gestern dazu kam. Was war das? Angst vor Gefühlen, an die ich in einer solchen Intensität niemals geglaubt hätte? Von einem Kuss! Oder Angst vor Nähe? Zumindest über Letzteres bauche ich mir keine Gedanken mehr zu machen, denn nach meinem Auftritt gestern hat sich das Thema Tristan mit Sicherheit erledigt. Den dumpfen Schmerz, der sich grade in mir auszubreiten versucht, ignoriere ich.

 

 

 

Heißer als die Polizei erlaubt

 

In der nächsten Zeit meide ich das Boots wie die Pest. Mir ist ohnehin nicht nach Gesellschaft. Manuel wäre eine Option, aber er ist mit seinem Liebsten für eine Woche im Urlaub. Auf Malle. Sie kommen erst in ein paar Tagen wieder nach Hause. Sonst gibt es ehrlich gesagt niemanden, dessen Gesellschaft ich im Moment ertragen könnte. Tristan vielleicht noch, doch der kommt aus gegebenem Anlass nicht infrage. Er sieht das offensichtlich anders, denn eines Tages ... es dürfte seit unserer letzten Begegnung etwas mehr als eine Woche vergangen sein, erhalte ich eine SMS von ihm. Ich habe nicht die geringste Ahnung, woher er meine Nummer hat, ich habe sie ihm zumindest nicht gegeben. Obwohl, als Bulle ... pardon, als Polizeiobermeister, dürften ihm vermutlich Mittel und Wege zur Verfügung stehen, von denen wir Normalos noch nicht einmal wissen, dass es sie gibt.

Die Nachricht ist kurz. Da steht lediglich: 'Hey Rob, hier ist Tristan'

Meine Finger zittern etwas, als mein Daumen über die virtuelle Tastatur des Smartphones fliegt: 'Woher hast du die Nummer?'

Die Antwort kommt prompt: 'Ich habe so meine Möglichkeiten'. Dahinter ein Zwinkersmiley.

'Nennt man das nicht Amtsmissbrauch?'

'Weiß ja keiner'
. Diesmal ist ein Smiley mit einer rausgestreckten Zunge hintendran.

'Ich weiß es'

'Würdest du mich wirklich verraten?'
Ohne Smiley.

'Nein, natürlich nicht'

'Ich möchte dich sehen'
. Wieder ohne Smiley.

'Warum?'

'Weil da etwas ist zwischen uns, Rob'.

'Ich hab dich stehen lassen'.

'Vielleicht gehst du mir gerade deswegen nicht mehr aus dem Kopf'.

'Willst du dir wirklich so jemanden wie mich ans Bein binden? Ich bin kein einfacher Mensch'
. Bisher empfand ich diese Art der Kommunikation als sehr hinderlich und unpersönlich. Aber gerade jetzt genieße ich es, weil ich ihm Dinge schreiben kann, die ich vermutlich nicht über die Lippen brächte, wenn er vor mir stünde.

'Ich möchte es wenigstens versuchen. Außerdem war der Kuss verdammt gut'. Er setzt diesen Kusssmiley dahinter.

'Ja, das war er'

'Also?'

Mir fällt plötzlich kein einziger Grund mehr ein, warum ich mir keine schöne Zeit mit ihm machen sollte. Selbst wenn es irgendwann auf eine Trennung hinauslaufen sollte: Shit Happens! Nichts ist für die Ewigkeit. Ich habe mich doch früher nicht so geziert. Im Gegenteil: Vom Großteil der Typen, die ich hatte, kannte ich noch nicht einmal den Vornamen. 'Okay, wann und wo?'

'Sofort? Ich steh vorm Haus'.

Bitte?! Ich renne in die Küche, reiße das Fenster auf und starre nach unten. Tatsächlich, da steht er, mit dem Rücken gegen die Hausmauer gelehnt. "Komm hoch", rufe ich hinunter. Dann gehe ich in den Flur und betätige den Türöffner. Ich bleibe im Türrahmen stehen, bis er oben angekommen ist. Er sieht noch besser aus als in meiner Erinnerung.

"Rob." Er nickt einfach nur.

"Tristan", tue ich es ihm gleich. Wir taxieren uns gegenseitig einige Sekunden lang, dann gebe ich nach: "Komm rein."

Er lässt sich nicht zweimal bitten und folgt mir ins Wohnzimmer. Ich deute auf die Sitzecke. "Kaffee?", frage ich. Er ist fast frisch, hab ihn vor einer halben Stunde gemacht.

"Gern."

"Milch? Zucker?"

"Ohne alles, bitte."

Ich nicke und gehe in die Küche. Dann greife ich nach zwei Tassen, befülle sie und kehre wieder zu Tristan zurück. Er hat es sich inzwischen auf dem Sofa bequem gemacht und blickt interessiert umher.

"Schön hast du es hier", erklärt er, nachdem ich ihm die Tasse gereicht habe. Keine Ahnung, ob er es ernst meint oder einfach nur Konversation betreiben möchte.

"Danke", antworte ich einsilbig.

"Warum bist du abgehauen, Rob?" Er klingt neutral, aber ich gehe jede Wette ein, dass er nicht so ruhig ist, wie er es mich glauben lassen will.

Ich ziehe die Schultern nach oben. "Ich bin damit durch die Schlampe zu sein, die ich früher war. Ich möchte das nicht mehr", antworte ich ausweichend.

"Was möchtest du nicht mehr? Sex?"

Meine Hände liegen verknotet in meinem Schoß. "Unbedeutenden Sex."

"Ich glaube nicht, dass es bei uns unbedeutender Sex wäre."

"Wäre es auch nicht", pflichte ich ihm bei.

"Wo liegt dann das Problem?" Er sieht mich mit gerunzelter Stirn an.

Ich zucke mit den Achseln. "Dieser Kuss ... der war ... der war ... fantastisch", stammle ich. "Er hat so viele Empfindungen in mir wach gerufen, von denen ich keine Ahnung hatte, dass ich sie habe. Ich hab mich zu Tode erschreckt", erkläre ich.

"Okay, ich fasse zusammen: du willst keinen unbedeutenden Sex mehr, aber welchen der etwas bedeutet, willst du auch nicht, weil du Angst davor hast. Muss ich das verstehen?"

"Ich habe dich gewarnt, dass ich nicht einfach bin." Ich lächle müde.

"Und trotzdem möchte ich es versuchen. Ich war ganz schön sauer auf dich, zumindest am Anfang. Doch als ich richtig darüber nachgedacht habe, kam es mir fast so vor, als sei es eine Art Panikattacke gewesen."

"War es auch", gebe ich zu. "Wenn auch nicht so schlimm wie früher."

"Ist ... ist dir mal was Schlimmes passiert?", fragt er vorsichtig.

Für eine Sekunde denke ich darüber nach, die Frage einfach mit ’nein' zu beantworten, aber ich glaube, er hat ein Recht darauf es zu erfahren. "Meine Mutter ist gestorben, als ich 11 war", erzähle ich.

"Das tut mir sehr leid", antwortet er sichtlich betroffen. "Was ist passiert?"

"Allergischer Schock ... als der Notarzt eingetroffen ist, war sie schon tot." Noch immer sehe ich sie da in der Küche auf dem Fußboden liegen. Wäre die verkrampfte Körperhaltung nicht gewesen, hätte man denken können sie schläft. Ich habe mich oft gefragt, ob diese Situation damals meine Berufswahl beeinflusst hat.

"Rob", flüstert er.

"Schon okay, mir geht’s gut", winke ich ab.

"Offensichtlich nicht. Hat es danach angefangen?", vermutet er.

Ich nicke. "Ja ..."

"Und dein Vater? Was ist mit dem?"

"Nichts. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich noch ganz klein war. Als Kind hatte ich kaum Kontakt zu ihm. Nach dem Tod meiner Mutter war ich einige Jahre notgedrungen bei ihm. Dann hat er erfahren, dass ich einer dieser ekelhaften Schwanzlutscher bin. An meinem 18. Geburtstag hat er mir nahegelegt auszuziehen. Seither haben wir uns nicht mehr gesehen. Ich bin nicht böse drum", erkläre ich achselzuckend.

"Was für ein Arsch!" Tristans Augenbrauen haben sich ärgerlich zusammengezogen.

"Das hast du sicher recht, aber er ist mir ehrlich gesagt scheißegal. Er ist einer dieser bemitleidenswerten Typen, welche die Schuld für ihr eigenes Versagen immer bei anderen suchen. Getreu dem Motto: ... und wenn ich nicht schwimmen kann, ist das Wasser dran schuld", führe ich aus. Mein Erzeuger ist mir wirklich schnuppe.

Tristan fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht und seufzt anschließend. "Oh man Rob. Du hast echt schon einiges mitgemacht. Hat die Nähe zwischen uns die Panik ausgelöst?", fragt er nach.

"Gewissermaßen, mit Gefühlen konnte ich schon in meiner Kindheit nicht besonders gut umgehen. Immer, wenn ich starken Emotionen ausgesetzt war, hat mein Körper dichtgemacht. Der Prüfungsstress war besonders schlimm. Bei der mittleren Reife bin ich fast gestorben, ich glaube ohne meine Therapeutin damals, wäre ich mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Danach wurde es besser. Die RettAss-Ausbildung habe ich ohne Probleme gepackt. Seither hatte ich keinen Anfall mehr ..."

Tristan sieht mich eine lange Zeit einfach nur an. Dann fragt er: "Warst du jemals verliebt, Rob?"

"Ja", antworte ich wahrheitsgemäß. "Einmal."

"Und was wurde daraus?"

"Nichts", erwidere ich lapidar. "Trotzdem ist er noch heute einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben."

"Liebst du ihn noch?" Etwas Lauerndes liegt in seinem Blick. Unwillkürlich bekomme ich eine Gänsehaut.

"Ja, aber schon sehr lange nicht mehr so. Er ist mein bester Freund", entgegne ich, ohne Tristan aus den Augen zu lassen. Meine Antwort scheint ihn zufrieden zu stellen, denn das bedrohliche Glimmen verwindet.

"Und was machen wir jetzt?" Er streicht fast schon liebevoll eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

"Weiß nicht, was willst du?"

"Oh, das ist einfach. Dich!"

Ich kann nicht behaupten, dass mich seine Worte kalt ließen. Im Gegenteil. Ich stelle meine Tasse auf den Wohnzimmertisch, ziehe ein Bein auf das Sofa und drehe mich mit dem ganzen Körper in Tristans Richtung. Mein rechter Ellbogen ruht auf der Lehne, während ich den Kopf auf die Hand stütze. Ich betrachte eingehend sein Profil und erkenne erneut, wie schön er ist. Dann tut er es mir gleich, so dass wir uns schließlich direkt gegenübersitzen. Das erste Mal ist es hell genug, dass ich seine Augenfarbe genau erkennen kann. Bisher dachte ich, es sei ein Braun, doch nun erkenne ich, dass seine Augen in Wirklichkeit einen faszinierenden Grünschimmer besitzen. Er beugt sich nach vorn und haucht mir einen Kuss auf die Nasenspitze. Anschließend verschränkt er seine Hand mit meiner. Sein Daumen streicht zärtlich über meinen Handrücken, bevor er federleichte Küsse darauf verteilt. Die ganze Zeit über hat er mich für keine Sekunde aus den Augen gelassen.

Plötzlich kommt mir die eigentlich geringe Distanz zwischen uns vor wie ein unerträglich breiter Graben und ich rutsche so nahe an ihn heran, dass ich sein Aftershave riechen kann.

"Tristan", flüstere ich.

Mehr Aufforderung braucht er nicht, um beide Arme um mich zu schlingen und mich so dicht an sich heran zu ziehen, dass noch nicht einmal ein Blatt Papier zwischen uns passen würde. Mit einem zufriedenen Seufzen erobert er meinen Mund. Die gleichen Empfindungen überrollen mich, doch dieses Mal bleibt die Panik aus. Ich lasse zu, dass Tristan mich sanft, aber bestimmt mit dem Rücken auf das Sofa drückt. Er küsst mich stetig weiter und ich werde fast verrückt dabei. Das Nächste, das ich fühle, ist eine warme Hand, die sich unter mein Shirt stielt. Ich stöhne verhalten auf, weil sich diese rauen Finger einfach wundervoll auf meiner nackten Haut anfühlen. Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln.

"Gott, weißt du, wie sexy du bist, wenn du diese Töne von dir gibst?", keucht er.

"Nur dann?", necke ich ihn.

"Nicht frech werden", antwortet er grinsend. Mittlerweile ist er mit seinem Mund an meinem Hals angekommen und beißt hinein. Ich zucke zusammen, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet habe, aber es gefällt mir, sehr sogar! Unmittelbar danach zwickt er mich wenig sanft in eine Brustwarze. Es ist, als wenn er mir einen Stromstoß verpasst hätte, der direkt in meine Lenden fährt. Dieses Mal ist es ein eindeutig erregtes Keuchen, das meine Kehle verlässt.

"Gefällt dir das?", flüstert er ganz nah an meinem Ohr.

"Ja", bestätige ich.

"Das ist gut", brummt er zufrieden. Gleichzeitig drückt er seinen Oberschenkel kräftig in meinen Schritt. Eines ist klar, Blümchensex wird es mit Tristan nicht geben. Merkwürdigerweise macht mich diese grobe Art ziemlich an. Schneller, als ich bis drei zählen kann, habe ich mein Shirt verloren. Tristan betrachtet meinen blanken Oberkörper und das Leuchten in seinen Augen sagt mir, dass ihm gefällt, was er sieht. Ich bin vollständig haarlos, schon immer gewesen. Da, wo bei den meisten Männern wenigstens vereinzelt Härchen sprießen, ist bei mir nichts, noch nicht einmal um die Brutwarzen herum. Auch die restliche Körperbehaarung fällt bei mir eher spärlich aus. An den Beinen habe ich lediglich einen hellblonden Flaum, und der Intimbereich? Sagen wir mal so: Ich musste mich da noch nie rasieren.

"Rasierst du dich?" Tristan betrachtet immer noch fasziniert meine nackte, haarlose Haut.

Ich fasse mir ans Kinn und streiche einmal kurz darüber. "Alle zwei bis drei Tage reicht", verstehe ich ihn absichtlich falsch, was mir einen weiteren Biss einhandelt, diesmal in die Brustwarze. Oh Himmel, ich hatte niemals für möglich gehalten, dass mich das so anmacht. Bisher konnte ich nie verstehen, warum manche Männer bei der Berührung ihrer Nippel abgehen wie Schmidts Katze.

"Also nochmal: Rasierst du dich?" Seine Stimme hat einen grollenden Unterton bekommen. Bei jedem anderen hätte ich jetzt laut gelacht, nicht aber bei Tristan. Dies hier ist ein Spiel ... und scheiße, ich will unbedingt mitspielen!

"Nein", hauche ich.

"Das gefällt mir verdammt gut, mein Süßer." Seine Stimme ist in erregtem Zustand noch viel dunkler und seine Augen sind vollständig grün. "Ich will, dass du dich ausziehst."

So schnell war ich mein Lebtag noch nicht aus den Klamotten raus. Auch der Rest von mir scheint Tristans Zustimmung zu finden. Er beugt sich über mich und beginnt damit meine nackte Haut mit Mund, Zähnen und Zunge zu bearbeiten und bringt mich damit fast um den Verstand. Mehrmals bäume ich mich ihm entgegen, doch er ringt mich jedes Mal wieder nieder. Die Stelle, die vor allen anderen darum lechzt von ihm berührt zu werden, lässt er akribisch aus. Irgendwann halte ich es einfach nicht mehr aus und berühre mich selbst.

"Hör sofort auf damit", knurrt er und schlägt meine Hand zur Seite. "Und wage es nicht zu kommen, bevor ich es dir erlaubt habe!" Keine Ahnung warum, aber anstatt sich meine Lust durch diese Behandlung in Luft auflöst, wird sie noch gesteigert. Über meine Lippen kommt lediglich ein klägliches Wimmern.

"Lehn dich jetzt mit dem Oberkörper über die Lehne." Sein Tonfall duldet keinen Widerspruch. Ich fühle mich zwar wie auf dem Präsentierteller, aber ich bin viel zu erregt, um mich zu wehren. "So ist es schön. Jetzt spreiz die Beine, damit ich alles genau sehen kann." Auch das setze ich widerstandslos um. Meiner Rückseite wird nun ebenfalls seine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil. Er gräbt seine Zähne in meine Schulter, dann gleitet er leckend und saugend und fast schon zärtlich nach unten zu meinem Hintern. Die Finger beider Hände krallen sich in meine Pobacken, während seine Daumen einen ganz anderen Weg nehmen, nämlich in mein Inneres. Ich sauge scharf die Luft in meine Lungen und drohe dennoch zu ersticken. Es ist zu viel ... und doch viel zu wenig. Niemals in meinem Leben habe ich einen Mann so sehr gewollt wie Tristan in diesem Augenblick. Noch nicht einmal Manuel hat je solche Gier in mir ausgelöst. Irgendwann sind die Daumen weg und etwas sehr viel Größeres entert meinen Eingang. Es tut weh ... aber der Schmerz ist paradoxerweise genau das, was ich gerade brauche, um von meiner eigenen Geilheit abzulenken. Andernfalls liefe ich Gefahr, sofort zu kommen und genau das hat Tristan mir verboten. Immerhin bringt mich das für einen ganz kurzen Augenblick zurück in die Realität.

"Gummi", rufe ich Tristan fast schon panisch zu.

"Sch ... alles okay. Hier, fühl." Er greift nach meiner Hand und führt sie zu dem Punkt, an dem wir miteinander verbunden sind. Erleichtert stoße ich ein Seufzen aus, als meine Fingerspitzen das Latex berühren. Danach küsst er mich mit einer unerwarteten Zärtlichkeit in den Nacken. Einen Arm schlingt er um meinen Bauch und drückt mich fest an sich. Sein Atem geht stoßweise.

Doch dieser unglaublich sanfte Moment währt nicht lange. Sobald er sich sicher sein kann, dass ich mich an seine Größe einigermaßen gewöhnt habe, legt er los. Seine Finger krallen sich tief in meine Pobacken, während er mit weitausholenden Bewegungen seinen Schwanz hart in mich rammt. Er verändert so lange immer wieder ganz minimal den Winkel, bis er die richtige Position erwischt hat. Ich stoße einen kurzen Schrei aus, als er den ersten Treffer landet. Er ist ein geschickter Liebhaber, kaum einer der folgenden Stöße geht daneben. Er greift um mich herum und berührt das erste Mal meine zum Bersten bereite Härte. So minimal die Berührung auch gewesen ist, es hätte nicht viel gefehlt und es wäre vorbei gewesen.

"Du kommst erst, wenn ich es dir erlaube", erinnert mich Tristan knurrend. Es ist die reinste Folter, denn seine harschen Worte geben mir noch einen zusätzlichen Kick. Zum Glück lässt er meine Erregung erneut links liegen, andernfalls könnte ich für nichts garantieren. Tristans Bewegungen werden schneller und härter und wir sind mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo ich mich nicht mehr zurückhalten kann. Mein Herz pocht in meiner Brust wie ein Vorschlaghammer und ich fürchte, ich beginne laut zu betteln.

Einige Sekunden lässt Tristan mich noch schmoren, dann erhalte ich endlich das langersehnte Kommando: "Jetzt!"

Im Nachhinein kann ich nicht mehr genau sagen, was dann passiert ist. Es war die reinste Explosion. Ich hatte keine Ahnung, dass ein Orgasmus so lange andauern, und dass man in einem Schuss so viel Sperma verpulvern kann. Ich war vollkommen weggetreten, und wenn Tristan mich nicht festgehalten hätte, wäre ich vermutlich vom Sofa gekippt. Ich brauchte ewig, um mich wieder einigermaßen zu erholen. So etwas Intensives habe ich mein Lebtag noch nie erlebt.

"War es okay für dich?", fragt er unsicher, nachdem er das Kondom entsorgt und uns beide notdürftig sauber gemacht hat. Ich bin immer noch nicht in der Lage mich zu bewegen. Ich glaube, ich bleibe die nächsten 1-2 Wochen einfach hier liegen. Vielleicht findet sich ja jemand, der mir ab und zu etwas zu essen und trinken hinstellt.

"Ja, das war es", beruhige ich ihn mit schwerer Zunge. Ich komme mir vor wie im Vollrausch.

"Nicht zu viel?"

Ich sehe ihn eine Weile an und grinse träge. "Nein, es war verdammt geil." Dann sehe ich an mir herunter und füge hinzu: "Auch wenn ich es die nächsten Tage vielleicht vermeiden sollte, ins Schwimmbad zu gehen. Sieht mein Rücken genauso aus?" Ich bin ganz schön ramponiert. Außerdem tut mir der Arsch weh.

"Sorry", meint er zerknirscht. "Ich mag’s etwas grober."

"Ja, das hab ich gemerkt", schmunzle ich.

"Dann ist es kein Problem für dich?", fragt er noch einmal nach.

"Nein, ist es nicht. Es war ... keine Ahnung, wie ich es nennen soll. Oberhammergeil? Denk dir einfach ein Superlativ aus, es passt garantiert." Keine Ahnung, warum ich das zu ihm sage ... vermutlich bin ich durch die zeitweise Unterversorgung meines Hirns mit Sauerstoff blöde geworden. "Allerdings ..."

"Was?"

"Naja." Ich weiß nicht so recht, wie ich es ausdrücken soll, denn bei diesem echten SM-Zeug werd ich nicht mitmachen. Jedem das seine, aber das ist nichts für mich. Ein wenig Grobheit ist geil, echte Schmerzen dagegen mehr als abtörnend. Nur wie sag ich ihm das, ohne mich zum Affen zu machen? "Vielleicht solltest du wissen, dass ich für echte Schmerzen nicht zu haben bin. Auspeitschen, Unterwerfung und das ganze Geraffel, mach ich nicht mit."

"Gott Rob, ich bin doch kein Dom!" Er wirkt ehrlich bestürzt.

"Sorry", rudere ich zurück. "Ich wollte es nur klarstellen."

"Okay, aber darüber brauchst du dir echt keine Gedanken zu machen. Das ist auch nichts für mich. Ich mag’s etwas härter und ich spiele gerne, mehr nicht."

"Rollenspiele?"

"Ja ... da gibt es die ein oder andere Fantasie, die ich gerne mal mit dir ausprobieren würde."

"Hat eine dieser Fantasien etwas mit Uniformen und Handschellen zu tun?"

"Scheiße ja!", stöhnt er.

"Du kannst ganz auf mich zählen!", erwidere ich und meine Augenbrauen zucken bedeutungsvoll nach oben.

 

 

 

Zeit zum Spielen

 

Als ich am nächsten Morgen zum Dienst muss, ist Tristan noch bei mir. Wir haben irgendwann ins Schlafzimmer gewechselt und mir kam gar nicht in den Sinn, ihn nach Hause zu schicken. Ohne darüber reden zu müssen, war vollkommen klar, dass er die Nacht bei mir verbringen würde. Das ist ebenfalls neu für mich, denn ich habe mit keinem der Typen jemals eine Nacht verbracht, schon gar nicht in meinem Bett. Mit Kevin ist es während unserer gemeinsamen Zeit nur zwei Mal vorgekommen. Bei beiden Gelegenheiten hatte er so einen im Kahn, dass ich ihn nicht mehr mit dem Auto hab fahren lassen. Tristan hat keinen Tropfen getrunken, dennoch ist er noch hier.

"Komm wieder ins Bett", brummt er schlaftrunken, als ich mich von ihm verabschieden möchte.

"Geht nicht, muss zum Dienst."

"Wie spät?", nuschelt er.

"Erst kurz vor sieben. Wann musst du los?"

"Hab Spätdienst."

"Soll ich dir den Wecker stellen?"

"Nee, ich steh dann auch mal auf und fahr heim."

"Hab Kaffee gemacht, steht in der Küche. Im Schrank neben der Spüle hat’s Toastbrot. Bedien dich einfach."

"Okay, danke. Sehen wir uns später?"

"Bin spätestens um fünf wieder da. Wie lange geht dein Dienst?"

"Bis zehn." Er seufzt.

"Das wird ganz schön spät, du Hengst ... ich muss morgen früh wieder um sechs raus." Außerdem hab ich heute Nacht nicht wirklich viel geschlafen.

"Wie sieht’s am Wochenende aus?", will er gähnend wissen.

"Hab frei."

"Das ist gut, ich auch." Er lächelt.

"Treffen wir uns morgen Abend im Boots? Ich würde dir gerne zwei Freunde von mir vorstellen." Manuel und Axel sind seit gestern wieder aus dem Urlaub zurück.

"Ist einer von ihnen ..." Erkenne ich da in seinen Augen etwa Unsicherheit?

"Ja", antworte ich, "einer von ihnen ist Manuel. Der andere sein Mann Axel."

"Okay." Er greift nach meiner Hand und drückt einen Kuss darauf. Erst der harte Fick von gestern Abend und nun diese unglaublich sanfte Geste. Diese krassen Gegensätze hauen mich beinahe um. Dass er auch anders als schnell und hart kann, hat er mir allerdings heute Nacht schon bewiesen. Richtiger Sex war zwar nicht mehr drin, das hätte mein Hintern auch gar nicht mitgemacht, aber es gibt schließlich auch noch andere Wege, wie zwei Männer Spaß miteinander haben können. Und ich habe offen gestanden noch nie einen Mann getroffen, mit dem ich so viel Spaß hatte wie mit Tristan. Und das hat nicht nur mit seinem wundervollen Körper zu tun, den ich in der Nacht ausgiebig kennenlernen durfte.

"Kommst du dann nach dem Dienst ins Boots?", frage ich nach.

"Da kannst du einen drauf lassen!", erwidert er bestimmt.

"Bekomm ich denn noch einen Kuss, bevor ich endgültig los muss?", frage ich grinsend. Und dann demonstriert mir Tristan, dass er sich nicht nur auf das Erteilen von Befehlen, sondern auch hervorragend auf das Erfüllen von Wünschen versteht.

*


Ich bin um 21 Uhr mit Manuel und Axel im Boots verabredet. Die beiden sitzen schon an einem Tisch, als ich durch die Tür trete.

"Hey ihr zwei", begrüße ich sie. Manuel bekommt wie immer eine Umarmung und diesmal auch einen Kuss auf die Wange. Axel einen Händedruck.

"Salü! Wie geht’s dir?"

"Ziemlich gut, danke", antworte ich grinsend.

"Verliebt?" Axel trifft wie immer den Nagel auf den Kopf. Wie macht der Kerl das?

Manuel sieht seinen Mann irritiert an. "Rob? Verliebt? Vorher friert die Hölle zu."

"Deine bessere Hälfte hat wie immer einen unfehlbaren Riecher, Großer", lache ich.

"Echt jetzt?"

"Ja." Im Grunde kann ich es selbst kaum fassen. Wie lange kenne ich Tristan jetzt? Zwei Wochen?

"Wer ist er? Wann hast du ihn kennengelernt?"

"Er heißt Tristan. Bin vor zwei Wochen, als ich von hier nach Hause gefahren bin, in eine Alkoholkontrolle geraten. Er war einer der Beamten", führe ich aus.

Axel lacht. "Oh Scheiße, du hast dir einen Bullen angelacht?"

"Sieht ganz so aus."

"Na dann erzähl mal", fordert Manuel mich auf. Und das tue ich dann auch. Sie erfahren alles, na gut, fast alles. Das ein oder andere delikate Detail lasse ich natürlich aus. Ich vertraue Manuel wirklich alles mögliche an, aber wie sich Tristans Schwanz in mir angefühlt hat, als er wie ein wilder Stier in mich gestoßen ist, geht ihn dann doch nichts an.

"Und wann lernen wir ihn kennen", fragt Manuel.

"Heute", antworte ich lächelnd.

"So neugierig ich bin, aber ich muss mal. Bin gleich wieder da", entschuldigt sich Axel. Ich bin ehrlich gesagt erleichtert, so habe ich die Möglichkeit für ein paar Minuten mit Manuel alleine zu sein.

"Du legst ein ganz schön rasantes Tempo an den Tag", bemerkt dieser lächelnd.

"Tristan könnte mein Axel sein, Manuel", erzähle ich und merke erst hinterher, dass er das vollkommen falsch verstehen könnte. "Natürlich ist er vollkommen anders und ich schwöre, dass ich niemals irgendwelche Absichten hatte ..."

"Rob", unterbricht er mich sanft, "ich weiß, wie es gemeint war." Er lächelt mich an. "Dich hat’s ziemlich erwischt, was?"

"Das ist gar kein Ausdruck. Das, was ich bei ihm fühle, habe ich noch nie gefühlt ... es ist ... ich kann es nicht beschreiben ... so intensiv, dass ich zwischendurch das Gefühl habe, den Verstand zu verlieren, verstehst du? Als wir uns das erste Mal geküsst haben ... ich habe eine Panikattacke bekommen und bin gerannt, als ob 1000 nackte Russen hinter mir her wären."

"Früher wärst du bei den 1000 nackten Russen stehen geblieben und hättest dir die mit dem größten Schwanz rausgepickt", lacht er.

"Idiot", erwidere ich schmunzelnd. Wirklich unrecht hat er ja nicht. "Er ist ... er ist ziemlich dominant."

Er zuckt mit den Achseln. "Ist es okay für dich?"

"Mehr als das", gebe ich zu.

"Wo liegt dann das Problem?"

"Es gibt keines. Ich hätte nur nie gedacht, dass es mir so sehr gefallen könnte."

Dann kommt Axel an den Tisch zurück und ich wende mich wieder unverfänglicheren Themen zu. Ich bin mir inzwischen auch gar nicht so sicher, dass Axel wirklich auf die Toilette musste. Ich würde ihm durchaus zutrauen, dass er mir einige Minuten mit seinem Mann alleine geben wollte.

Je weiter die Zeiger vorrücken, desto nervöser werde ich, obwohl ich gar keinen Grund dafür habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Manuel Tristan mögen wird, und auch umgekehrt. Doch ich kann die Unruhe nicht unterdrücken, was auch Manuel und Axel bemerken.

"Ich glaube, er ist da", meint Axel plötzlich, nachdem ich schon beinahe soweit war, die glatten Wände hochzugehen. Es ist bereits kurz vor halb 11. Ich drehe mich zur Tür und tatsächlich steht er da und blickt sich suchend um. Noch bevor ich den Arm heben kann, um mich bemerkbar zu machen, hat er mich entdeckt und kommt auf unseren Tisch zu.

Er stellt sich neben mich, schlingt besitzergreifend einen Arm um meine Hüfte, zieht mich an sich und gibt mir erst einmal einen Kuss, bei dem mir hören und sehen vergeht. Fehlt eigentlich nur noch, dass er mich markiert, um für alle sichtbar sein Revier abzustecken. Dann erst widmet er sich den beiden anderen.

"Hallo, ich bin Tristan", stellt er sich gut gelaunt vor, während mir das Herz bis zum Hals schlägt. Am liebsten würde ich ihn irgendwo in eine dunkle Ecke ziehen und mich nach Strich und Faden von ihm vernaschen lassen.

Manuel und Axel grinsen wie die reinsten Honigkuchenpferde. "Freut uns sehr. Ich bin Manuel. Und das hier", er deutet auf Axel, "ist mein Mann."

"Hey, ich bin Axel", meldet er sich ebenfalls zu Wort.

"Hab schon befürchtet, du kommst nicht mehr." Im gleichen Moment möchte ich mir eine Ohrfeige verpassen, weil sich das so furchtbar jammernd angehört hat.

"Sorry, aber ich musste noch etwas vorbereiten", antwortet er. Seine Augen beginnen zu funkeln und ein wohliger Schauer läuft über meinen Rücken.

Obwohl die drei sich blendend verstehen, ist der Abend für mich gelaufen, denn ich kann an nichts anderes mehr denken als an Tristans Worte. Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass er etwas für uns vorbereitet hat. Und so dränge ich zu vorgerückter Stunde zum Aufbruch. Manuel und Axel lächeln wissend, während Tristan eine undurchdringliche Mine aufgesetzt hat.

Wir machen uns auf den Weg zu ihm. Nicht gemeinsam in einem Auto, sondern ich fahre ihm hinterher. Er wohnt am Stadtrand, in einem Dreifamilienhaus, ganz oben unter dem Dach, in einer Wohnung im Maisonettestil. Im Erdgeschoss lebt der Eigentümer, in der Etage darüber seine Tochter nebst Söhnchen. Der dazugehörige Vater hat sich wohl aus dem Staub gemacht. Tristan schiebt mich vor sich her die Treppe nach oben, schließt die Tür auf und bittet mich hinein.

"Sieh dich ruhig um, ich bin gleich wieder da", meint er zwinkernd und verschwindet im oberen Teil der Wohnung, der durch eine Wendeltreppe vom restlichen Bereich abgetrennt ist. Neugierig tue ich, wie mir geheißen. Seine Wohnung ist wirklich hübsch ... mit großen Fenstern und Holzböden. Linker Hand gelangt man in ein geräumiges Wohnzimmer. Die Einrichtung unterscheidet sich nicht wesentlich von meiner. In der einen Ecke stehen eine Couch, ein Glastisch und ein Sessel. Gegenüber ein Sideboard mit Flachbildschirm und einer Playstation obendrauf. Links an der Wand ein riesiges Regal mit Büchern, CDs und DVDs. Von der Wohnungstür aus rechts gesehen geht es in eine top ausgestattete Küche mit viel Edelstahl und Glas. Die Arbeitsfläche ragt im vorderen Bereich weit in den Raum hinein und dient als eine Art Tresen, davor stehen drei Barhocker aus Edelstahl mit gepolsterten Sitzflächen aus schwarzem Leder. Sogar einen Kaffeevollautomaten hat er hier. Das, was ich bisher gesehen habe, ist tiptop sauber und ordentlich. Ich bin beeindruckt. Zwei weitere Türen gehen vom Flur ab. Hinter einer verbirgt sich eine Gästetoilette, die andere führt in ein kleines Büro.

Ich höre Schritte und blicke zur Wendeltreppe … und plötzlich wird mein Mund staubtrocken. Tristan kommt mir entgegen, in Uniform … mit allem, was dazu gehört: Hose, kurzärmeliges Hemd, Mütze … Handschellen am Gürtel rechts, links davon ein Schlagstock. Sogar eine von diesen verspiegelten Brillen hat er aufgesetzt, lediglich eine Waffe fehlt. Jetzt weiß ich auch, was diese Heimlichtuerei von vorhin zu bedeuten hatte. Heute Nacht wird gespielt!

In Vorfreude beschleunigt sich mein Herzschlag. Ob es Tristan ebenso ergeht, kann ich nicht sagen, denn durch die Brille bleibt mir die Sicht auf seine Augen verwehrt, zudem ragt der Schirm der Polizeimütze tief in sein Gesicht hinein. Kurz: Er sieht aus wie ein wahrgewordener, feuchter Traum! Panthergleich kommt er auf mich zu … jederzeit zum Sprung bereit. Dicht vor mir bleibt er breitbeinig stehen. Mit vor der Brust verschränkten Armen blickt er auf mich herab. Seine Bizeps treten deutlich hervor. Selbst wenn ich es wollte, ich könnte mich keinen Millimeter bewegen, so fasziniert bin ich von seinem Anblick.

"Sie sind Robert Wagner?", bellt er mir mit donnernder Stimme entgegen. Ich zucke leicht zusammen und mehr als ein Nicken bekomme ich nicht zustande.

"Ich habe hier eine Anzeige gegen Sie. Sie sollen vor einigen Wochen einen Beamten während einer Straßensperre sexuell belästigt haben. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzutragen?"

"Ich … was?", stammle ich blöde.

"Soll ich es noch einmal für Sie wiederholen?", stößt er zwischen den Zähnen hervor.

Ich sehe ihn bestimmt an, wie ein Huhn, wenn’s donnert. Ich schüttle langsam den Kopf. Er zieht seinen Schlagstock aus dem Gürtel und treibt mich damit die Treppe hinauf. "Ich fürchte, ich muss bei Ihnen eine Leibesvisitation durchführen. Der Beamte ist sich sicher, dass sie harte Gerätschaften unter ihrer Kleidung verstecken." Wenn er damit auf mein anschwellendes Genital anspielen sollte, hat er verdammt recht. Gott, ich platze gleich!

Oben angekommen lässt er mir kaum Zeit, um mich umzusehen. Wir stehen in einem riesigen Studiozimmer, das ist alles, was ich für den Moment erkennen kann, bevor er damit beginnt, mit dem Schlagstock meinen Körper abzutasten. Er beginnt links. Quälend langsam streicht er mit dem Stock meine Seite entlang, bevor er auf die andere wechselt. Danach zwingt er meine Beine auseinander und presst den Stock unbarmherzig gegen meinen Schritt. "Dachte ich es mir doch. Das sieht nicht gut für Sie aus", behauptet er. "Das sieht gar nicht gut für Sie aus", wiederholt er kopfschüttelnd.

"Bitte", bettle ich. "Es muss doch etwas geben, das ich tun kann", spiele ich mit. "Ich will nicht ins Gefängnis. Ich tue alles, was sie wollen", setze ich noch einen oben drauf. Dabei versuche ich mich ängstlich und unterwürfig zu geben und sehe ihn aus großen Kuhaugen heraus an.

"Wenn ich es mir recht überlege, gibt es da vielleicht tatsächlich etwas, das Sie für mich tun können", überlegt er. "Doch ich fürchte, ich muss Ihnen Handschellen anlegen, damit Sie keinen Unsinn machen können. Mein Kollege hat mich davor gewarnt, Sie nicht zu unterschätzen. Er hält Sie für gefährlich", erklärt er aalglatt.

Mein Herz klopft wie verrückt. Dieses Spiel gefällt mir. Oh und wie es mir gefällt!

"Arme nach vorn!", befiehlt er. Ich bin ein vorbildlicher Gefangener, denn ich strecke ihm postwendend meine Hände entgegen. Das kühle Metall legt sich um meine Gelenke und rastet mit einem vernehmlichen Klicken ein. Ganz kurz kommt mir die Frage nach dem Schlüssel in den Sinn, nicht dass wir nachher ziemlich dumm dastehen und womöglich in Erklärungsnöte geraten. Aber ich vertraue ihm, er wird schon wissen, was er tut.

"Auf die Knie!" Er wartet eine Antwort gar nicht erst ab, sondern drückt mich rigoros an den Schultern nach unten, bis ich mit der Nase direkt vor seiner Leibesmitte hänge. Selbst durch die Hose hindurch kann man sehen, dass die letzten Minuten nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind. Er öffnet den Reißverschluss seiner Hose und einen Moment später wird mir ein fast vollständig erigierter Schwanz in den Mund gestopft. "Wehe es geht auch nur ein einziger Tropfen daneben und versaut mir die Hose", warnt er mich knurrend.

Ich lege mich voll ins Zeug. Mit Raffinesse und Geschick treibe ich ihn höher und höher. Die jahrelange Übung macht sich bezahlt. Mal schiebe ich ihn so weit in meinen Rachen, dass mich seine Härchen in der Nase kitzeln, was nebenbei bemerkt eine Glanzleistung ist, denn er ist nicht gerade klein – und im nächsten Augenblick lasse ich ihn vollständig aus mir gleiten, um an seiner Spitze zu saugen und meine Zunge in den kleinen Schlitz zu bohren. In der einen Sekunde nehme ich ihn schnell und wild, um im nächsten Moment das Tempo wieder zu zügeln und ihn gemächlich hinein und wieder hinaus gleiten zu lassen. Seine Fassade beginnt zu bröckeln. So sehr er sich auch darum bemüht, seinem Spiel-Ich die Oberhand zu lassen, er schafft es nicht. Letztendlich ist es mein Name, der ihm wenige Sekunden später über die Lippen kommt, als er in mir zu pulsieren beginnt.

"Rob, oh Gott Rob", brabbelt er. Dann zieht er mich zu sich hoch und nimmt meinen Mund in Besitz, als ob es an sein Leben gehen würde. Mütze und Brille hat er mittlerweile abgelegt, so dass ich einen wahren Sturm an Gefühlen in seinen Augen erkenne, sobald ich einen Blick auf sein Gesicht werfen kann. "Eigentlich war das etwas anders geplant. Ich wollte dich noch schön hart rannehmen … aber ich bin alle! Himmel, du hast mir den Blowjob meines Lebens verpasst!", keucht er. "Wenn ich gewusst hätte, dass du dich so ins Zeug legst, hätte ich vorher Dampf abgelassen, um länger durchzuhalten. Gott Rob, ich bin vor Geilheit fast gestorben!"

"Wie wäre es, wenn ich dir eine Pause gönne, um wieder einsatzbereit zu werden und du dich derweil um mein Untergeschoss kümmerst?", schlage ich süffisant grinsend vor. Ich bin nämlich für heute noch lange nicht fertig mit Spielen. Mit den Handschellen und dem Eisengestell am Kopfende seines Bettes lässt sich bestimmt eine ganze Menge netter Dinge machen. Das sieht Tristan offenbar ähnlich, denn ich werde hochgehoben, auf die Matratze geworfen und mit beiden Händen am Eisengestell festgekettet. Und dann lerne ich, dass auch ein Polizistenmund verdammt gut Blasen kann.

 

 

 

Im Schrank

 

In den kommenden Wochen verbringen wir so viel Zeit miteinander, wie unsere Arbeit es zulässt. Das ist nicht wahnsinnig viel, dafür ist jede Sekunde aber etwas ganz Besonderes. Wie sich herausgestellt hat, hat Tristan eine Menge Fantasien. Auch von meiner Seite aus kam die ein oder andere dazu. Zum Beispiel wollte ich schon immer einmal wissen, wie es ist, es in einer Autowaschstraße, auf dem Rücksitz eines Autos, zu treiben. Jetzt weiß ich es! Sehr zu empfehlen übrigens. Wir mussten uns zwar etwas beeilen, um rechtzeitig zum Ende des Waschprogrammes fertigzuwerden, aber letztendlich war auch das keine große Herausforderung. Wir waren so scharf aufeinander, dass wir es vermutlich auch in der Hälfte der Zeit geschafft hätten. Als Nächstes ist eine Gefängniszelle dran. Nein, natürlich keine echte … es gibt da ein Hotel, dessen Zimmer eben Zellen sind, so richtig mit Gitter davor und Pritsche im Eck. Ich habe bereits gebucht, Tristan weiß noch gar nichts davon. Ich hätte ihn ja gerne an seinem Geburtstag damit überrascht, das hat aber leider nicht mehr hingehauen. Wir haben beide Dienst, er Spät, ich Nacht.

Damit wir an diesem Tag zumindest ein bisschen was voneinander haben, habe ich meinen Dienst mit einem Kollegen getauscht. Er war mir eh noch einen Gefallen schuldig, also war es nicht allzu schwer ihn davon zu überzeugen. Und deswegen stehe ich jetzt unangemeldet hier. In meiner Hosentasche steckt ein Schlüssel zu meiner Wohnung, den ich ihm heute geben möchte. Ich will einfach, dass er jederzeit zu mir kommen kann, wenn er das will. Nicht so uneigennützig, wie sich das anhören mag, das geb ich gerne offen zu. Frau Kappus von unten öffnet in dem Moment die Haustür, als ich läuten will. Sie kennt mich inzwischen und lässt mich lächelnd herein. Oben angekommen drücke ich auf die Klingel. Es dauert einen Augenblick, bis ich seine Schritte auf der anderen Seite der Tür vernehme. Ein erwartungsvolles Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht und meine Hände werden vor Aufregung ganz feucht. Ich wische sie an meiner Jeans ab. Er weiß nicht, dass ich mir heute frei genommen habe und ihn außerplanmäßig heimsuchen will. Sonst wäre es schließlich keine Geburtstagsüberraschung, nicht wahr? Er öffnet die Tür und gleichzeitig höre ich dieses vertraute Lachen, das ich so sehr an ihm liebe. Wenn Tristan lacht, dann tut er das mit vollem Körpereinsatz. Es beginnt im Brustkorb und breitet sich von dort aus schnell in sämtliche Regionen seines Körpers aus.

"Jungs, ihr seid zu ...", bringt er über die wundervollen Lippen, bevor er erkennt, wer da wirklich vor seiner Tür steht. "Rob!" Die anfängliche Verwirrung macht einem breiten Grinsen Platz. Seine Lippen sind leicht geöffnet, so dass man eine perfekte Zahnreihe aufblitzen sieht. Gleichzeitig ist sein linker Mundwinkel etwas nach oben gezogen. Es ist zum Niederknien sexy.

"Überraschung", japse ich und vergrabe die Hände nervös in meinen Hosentaschen. Er steht immer noch im Türrahmen und grinst mich einfach nur an. "Lässt du mich rein?", frage ich, nachdem er keine Anstalten macht mich in seine Wohnung zu lassen.

"Ja, klar ... komm rein", reagiert er endlich und macht einen fast schon hektischen Schritt zur Seite.

"Alles Gute zum Geburtstag", hauche ich, nachdem er der Tür einen kräftigen Schubs verpasst hat und sie ins Schloss fällt. Gleichzeitig lege ich beide Arme um seinen Nacken und ziehe ihn fordernd zu mir. Er erwidert den Kuss ziemlich verhalten, was mich sehr irritiert. Ich löse mich von ihm, bringe ihn etwas auf Abstand und sehe ihn an. "Stimmt was nicht?", will ich wissen. Aus einem unerfindlichen Grund ist mir plötzlich mulmig zumute.

"Nein", antwortet er halbherzig, "alles in Ordnung." Dann zieht er mich wieder zu sich heran und presst seine Lippen auf die meinen. Nun bekomme ich zwar einen Kuss, dennoch scheint er mit den Gedanken weit weit weg zu sein. Irgendwas stimmt hier doch nicht! Gerade, als ich ihn erneut danach fragen möchte, ertönt die Türklingel. Er stößt mich von sich, als ob er sich an mir verbrannt hätte. Verdammt noch mal, was wird hier gespielt? Was immer es ist, dieses Spiel gefällt mir nicht! "Scheiße", presst er hervor.

"Du erwartest Besuch", stelle ich fest. Mein Körper beginnt zu kribbeln. Es ist allerdings nicht das angenehme Kribbeln, sondern eines, das nichts Gutes verheißt.

"Ja ... das ... verdammt. Rob, du musst verschwinden." Sein Blick huscht zwischen der Wohnungstür und mir unstet hin und her.

"Was?", frage ich ungläubig nach. Ich kann den Augenblick genau fühlen, als mir sämtliches Blut aus dem Gesicht weicht.

"Rob bitte, mach keine Szene, geh einfach, okay?"

"Du wirfst mich raus?" Gott, mir wird kotzübel.

"Es tut mir leid, ich erkläre es dir später ... bitte!" Er haucht mir einen keuschen Kuss auf die Wange und schiebt mich Richtung Wohnungstür.

"Tristan ... ich verstehe nicht ..." Ich bin zu perplex, um mich angemessen wehren zu können, außerdem habe ich die größte Mühe mich auf den Beinen zu halten. Mein Kreislauf spielt vollkommen verrückt.

"Das sind meine Kollegen ... sie ... sie ...", stammelt er.

Es klingelt ein zweites Mal und ein übler Verdacht kriecht wie ätzende Säure durch meine Eingeweide.

"Sie wissen es nicht, richtig?", schieße ich ins Blaue.

Er antwortet nicht, er sieht mir noch nicht einmal in die Augen. "Ich muss ..." Er deutet auf die Tür.

Meine Augen beginnen zu brennen. Nein, nein ... ich habe nicht mehr geheult, seit ich ein Teenager war, ich werde jetzt garantiert nicht damit anfangen. Ich schlucke schwer und nicke einfach.

Tristan überbrückt die Distanz zwischen ihm und der Tür mit zwei Schritten. Er drückt auf den Türöffner, atmet ein paarmal ein und wieder aus, dann setzt er ein Lächeln auf, das falscher nicht sein könnte und öffnet die Tür. Eine Handvoll Kerle kommt die Treppe nach oben, jeder mit Bier oder sonstigen, überwiegend alkoholischen Getränken bewaffnet.

"Happy Birthday to you ... happy Birthday to you ...", beginnen sie zu intonieren und einer nach dem anderen klopft Tristan auf die Schulter, während sie den Flur entern.

Ich versuche mich unsichtbar zu machen und warte auf einen Augenblick, um möglichst ungesehen aus der Wohnung zu schlüpfen ... ich muss unbedingt raus hier - doch ich habe keine Chance.

"Wer bist du denn?", werde ich von einem Hünen mit militärisch kurz gestutzten Haaren gefragt.

"Das ist ... der gehört in die Wohnung drunter, er wollte gerade gehen." Unter ihm wohnt die alleinerziehende Mutter mit Kind. Seh ich vielleicht aus wie ein Familienvater? Wenn ich nicht so geschockt wäre, würde ich mich kringeln vor Lachen! An mich gewandt fährt Tristan fort: "Danke, Mann, man sieht sich!" Seine Miene gleicht einer leblosen Maske. Ich kann keinerlei Gefühlsregung darin erkennen.

Wie in Trance hebe ich einfach nur eine Hand, zwinge mich zu einem freudlosen Grinsen und schiebe mich durch die Tür. Noch bevor sie hinter mir ins Schloss fällt, höre ich einen der Typen fragen: "Der gehört zu deiner Nachbarin? Der sieht aus wie ne Schwuchtel."

Tristans Antwort warte ich gar nicht mehr ab, sondern stürze durch das Treppenhaus hinaus ins Freie. Die Tränen, die ich so verzweifelt versucht habe zu unterdrücken, brechen hervor. Die Finger meiner rechten Hand umschließen den Schlüssel in meiner Hosentasche. Das hat sich wohl soeben erledigt. Die andere Hand ist zu einer Faust geballt und ich presse sie fest vor meinen Mund, um ein Schluchzen zu verhindern - und dann beginne ich zu rennen, als ob der Teufel hinter mir her wäre.

Ohne bewusst diesen Weg eingeschlagen zu haben, stehe ich irgendwann vor dem Haus, in dem Manuel und Axel leben. Sie wohnen gar nicht weit von Tristan entfernt. Ganz so überraschend bin ich wohl dann doch nicht hier gelandet. Etwas unschlüssig stehe ich zunächst da. Die Übelkeit hat sich mittlerweile wieder gelegt, ebenso wie die leichte Panik und die Tränen dränge ich rigoros zurück. Irgendwie komme ich mir so lächerlich dabei vor, dass ich, als erwachsener Mann von über 30 Jahren, bei jeder Gelegenheit, mit der ich nicht klarkomme, die beiden belästige. Andererseits hätte Manuel mir schon längst gesteckt, wenn ich ihnen zu sehr auf die Nerven gehen würde. Also strecke ich zögernd meinen Arm aus und drücke den Klingelknopf.

Es ist Axel, der mir öffnet. "Hey Rob ... Ach je, was ist mit dir passiert? Du siehst furchtbar aus."

"Schönen Dank auch", antworte ich und verziehe das Gesicht. "Ist Manuel da?"

"Ne, der hat zurzeit Spätschicht. Komm erst mal rein", bietet er an.

Ich trotte ihm hinterher in die Küche. Manuel wäre mir zwar lieber, aber im Moment bin ich nicht wählerisch. Dann schwalle ich eben Axel mit meinen Problemen zu. "Magst du was trinken?"

"Gib mir einen von Manuels Tropfen, glaub das brauch ich gerade." Schwerfällig lasse ich mich auf einen der Stühle fallen. Der erste Schock ist zwar vorüber, aber ich fühle mich, wie durch den Fleischwolf gedreht. Fröstelnd ziehe ich das Genick ein und ziehe meine Jacke vor der Brust zusammen.

Axel greift nach der Fernbedienung und schaltet den Fernseher aus. Dann stellt er für sich und mich je ein Glas auf den Tisch und befüllt beide mit Manuels Single Malt. Wir prosten uns zu und ich nehme den ersten Schluck. Er brennt in meinem Rachen wie Hölle und schwemmt ein paar unterdrückte Tränen weg. Nennenswert besser geht es mir danach allerdings nicht. Es hätte mich auch sehr gewundert. Ich hätte niemals gedacht, dass Tristan noch im Schrank stecken könnte. Okay, er ist Polizist, aber selbst dort ist man mittlerweile doch im 21. Jahrhundert angekommen. Es ist noch nicht einmal die Tatsache, dass er offensichtlich ungeoutet ist, sondern die Art und Weise, wie er mich vorhin abgespeist hat.

"Was ist los, Rob?" Axels Hand legt sich für einen kurzen Augenblick auf meine und drückt zu. "Gott, du bist ja eiskalt!", sagt er mitfühlend und ich bin ihm unglaublich dankbar dafür. Eigentlich mochten wir uns vom ersten Moment an nicht besonders. Aber Manuel liebt ihn abgöttisch und er tut ihm gut, deswegen habe ich mich irgendwann mit ihm arrangiert. So langsam beginne ich zu begreifen, was Manuel in Axel sieht. "Soll ich dir eine Decke bringen?"

Langsam schüttle ich den Kopf. "Geht schon", antworte ich und versuche die Tränen wegzublinzeln, die sich schon wieder in meinen Augen gesammelt haben. Es gelingt mir nur leidlich. "Tristan hat mich rausgeworfen", beginne ich.

Axel holt zischend Luft. "Hast du was angestellt?"

"Warum zum Teufel denkst du gleich, dass ich daran schuld sein müsste?", begehre ich auf, wirklich böse kann ich darüber jedoch nicht sein. Er kennt mich, beziehungsweise kennt den Rob, der ich noch vor ein paar Monaten gewesen bin.

Er hat wenigstens so viel Anstand zerknirscht zu wirken. "Sorry ... ich wollte dir nicht zu Nahe treten. Was ist passiert?"

Ich lasse ein freudloses Lachen hören. "Ich wollte ihn überraschen, heute. Er hat Geburtstag. Eigentlich hätte ich arbeiten müssen, aber ich hab mit nem Kollegen getauscht, damit ich bei Tristan sein konnte. Das hätte ich mir echt sparen können." Erneut nehme ich einen Schluck von meinem Whiskey. Der Alkohol beginnt endlich zu wirken, denn die frostige Kälte weicht langsam.

Axel beißt sich unbehaglich auf die Unterlippe. "Hat er ... hat er jemanden bei sich gehabt?"

Ich schüttle den Kopf. "Nein, das nicht. Aber er hat ein paar seiner Kollegen erwartet. Da war ich wohl im Weg, also hat er mir gesagt, dass ich abhauen soll."

"Was?", antwortet Axel ungläubig.

"Genau so habe ich auch reagiert", erkläre ich ihm. "Seine Kollegen ... ich glaube sie wissen nicht, dass er schwul ist", kläre ich auf.

"Oh ...", erwidert er wenig eloquent.

"Ich hab mich gefühlt, wie der letzte Dreck. Was bin ich denn für ihn?" Mein Handy gibt einen kurzen Alarmton von sich, der mir signalisiert, dass eine Nachricht eingetroffen ist. Noch bevor ich sie lese, weiß ich, dass sie von Tristan ist. 'Ich habe mich wie ein Arschloch benommen, bitte verzeih mir. Ich hab mich so gefreut, als du vor meiner Tür gestanden bist. Bitte lass es mich morgen in aller Ruhe erklären'.

Ohne lange darüber nachzudenken, schicke ich meine Antwort: 'Fick dich!'

"War er das?", fragt Axel.

Ich nicke und zeige ihm Tristans SMS.

"Ihm liegt was an dir", behauptet er.

"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Bisher hatte ich auch das Gefühl, aber nach heute ...", seufze ich.

"Als wir zusammen im Boots waren, hat er mir nicht den Eindruck gemacht, als ob er nur ..." Axel bricht vielsagend ab.

"... mit mir ficken will?" Beende ich seinen Satz. Vielleicht ist es doch ganz gut, dass Axel hier ist. Er hat irgendwie ein Gespür für sowas. Keine Ahnung, wie er es macht, aber er scheint immer ganz genau zu wissen, was andere Leute denken oder fühlen.

"Ich glaub nicht. Rob, er hat dich fast aufgefressen. Tristan ist verrückt nach dir! Das hat sogar Manuel erkannt. Ich glaube nicht, dass das gespielt war." Auch wenn ich selbst im Moment nicht so wirklich dran glauben kann, tun seine Worte gut.

"Wie kannst du das wissen? Wie machst du das?"

Er zuckt mit den Achseln. "Ich konnte schon immer gut beobachten", erklärt er, "da bekommt man einfach ne ganze Menge mit."

"Dafür hattest du damals mit Manuel aber ne ganz schön lange Leitung ... und auch bei der Geschichte mit Sven", necke ich ihn.

"Wenn es mich selbst betrifft, verlässt mich dieser Riecher leider", seufzt er. "Was hast du ihm geantwortet?", will er wissen.

"Etwas, das anatomisch ziemlich unmöglich ist", erwidere ich lapidar.

Er schüttelt lächelnd den Kopf. "Du solltest dir vielleicht anhören, was er zu sagen hat", rät er.

"Und dann? Ändert doch nichts dran, dass er immer noch im Schrank lebt. Ich weiß nicht, ob ich das packe mit nem ungeouteten Typen, zumal ich mir schon vor Urzeiten geschworen habe, mich auf sowas nie einzulassen."

"Ich war auch nicht geoutet, als ich Manuel kennenlernte. Ich wusste noch nicht einmal, dass ich Männer mag", gibt er zu bedenken.

"Dafür ging’s Manuel zwischendurch auch ziemlich scheiße", knalle ich ihm an den Kopf. Vergessen habe ich das immer noch nicht.

Er senkt schuldbewusst den Kopf. "Ich musste damals für mich selbst erst einmal erkennen, wie sehr ich ihn liebe ...", erklärt er und fährt dann grinsend fort: "und mir einen Tritt von Sandra abholen!"

"Aber hättest du Manuel verraten, so wie es Tristan mit mir gemacht hat?"

"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Da war ne ganze Menge Angst in mir drin, im Nachhinein völlig unbegründet, aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Einmal hat meine Mutter angerufen und Manuel ging ans Telefon. Sie wollte natürlich sofort wissen, wer er war. Ich habe sie angelogen und ihr gesagt, dass er ein Arbeitskollege wäre."

"Ich erinnere mich. Das hat Manuel ganz schön verletzt. Er kam zu mir, um sich auszuheulen."

"Du hast ziemlich viel von dem mitbekommen, was damals war, oder?"

"Ich war genauestens im Bilde. Ich wusste zu jeder Zeit, was ging und was nicht", kann ich mir nicht verkneifen.

"Scheiße ... langsam kapier ich, warum du mich so gehasst hast."

"Das stimmt so nicht, ich habe dich niemals gehasst. Manuel liebt dich über alles, du bist sein Leben, also kannst du nicht so übel sein. Aber ich konnte einfach einige Dinge nicht nachvollziehen. Für mich warst du der Inbegriff der Klemmschwester und ich konnte nicht verstehen, warum Manuel, der jeden hätte haben können, sich ausgerechnet dich ausgesucht hat", schweife ich aus. "Und genau deshalb, weil ich eben Parallelen zu euch beiden sehe, setzt mir das mit Tristan doppelt zu!"

"Du weißt aber auch, wie es mit Manuel und mir weiterging", gibt er zu bedenken.

"Ich weiß ... aber Tristan ist nicht du, aber vor allem bin ich nicht Manuel. Er ist ein vollkommen anderer Mensch als ich. Ich glaube, er hätte bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf dich gewartet. Ich könnte diese Geduld nicht aufbringen", seufze ich.

 

 

 

Exklusiv für (Schmuse)Tiger

 

Am Nachmittag des nächsten Tages verlasse ich meine Wohnung. Die Nacht zuvor war sehr aufschlussreich. Ich glaube, das war das erste Mal, dass Axel und ich uns so gut, und vor allem über mehrere Stunden hinweg, miteinander unterhalten haben. Und ich weiß mittlerweile auch ganz genau, was Manuel so an ihm fasziniert. Wenn man ihn erst einmal unvoreingenommen betrachtet, ist er ein toller und vor allem verdammt einfühlsamer Kerl. Er hört zu, gibt brauchbare Ratschläge, hält aber auch mal den Schnabel, wenn es die Situation erfordert. Fazit: Manuel hätte es nicht besser treffen können. Als ich mich schließlich mitten in der Nacht verabschiedet habe, bekam nicht nur Manuel, der natürlich irgendwann zu uns gestoßen war, eine feste und ehrliche Umarmung.

Nun habe ich zwar mit Axel ein für alle Mal aufgeräumt, mit meinem eigenen Problem bin ich jedoch nach wie vor nicht viel weiter. Ich werde aber Axels Rat befolgen und mir gleich anhören, was Tristan zu sagen hat. Er hatte mir heute Nacht noch eine Reihe Nachrichten geschickt, die allesamt sehr gefühlsduselig und wirr waren. Besonders die letzte geht mir seither nicht mehr aus dem Kopf, was wohl auch Sinn und Zweck der Sache gewesen sein dürfte. Inwieweit da der Alkohol aus ihm gesprochen hat, kann ich nicht beurteilen, von nüchtern schien Tristan zu diesem Zeitpunkt jedenfalls meilenweit entfernt zu sein.

Er hat mir doch tatsächlich geschrieben: Vermiss dich, lieb dich so. Dahinter ein Trauersmiley.

Ist der noch zu retten? Der kann mich doch nicht aus seiner Wohnung hinauskomplimentieren und mir einige Stunden später schreiben, dass er mich liebt? Der hat doch einen an der Waffel! Das hat noch nie jemand zu mir gesagt und natürlich hat es eine Wirkung auf mich. Das hätte es auf jeden, der anstelle seines Herzen nicht grade einen Eisklotz sitzen hat.

Als ich mir sicher sein konnte, dass er wieder halbwegs bei Sinnen ist, habe ich per SMS meine Besuchsabsichten kundgetan. Ich mache garantiert nicht noch einmal den gleichen Fehler, unangemeldet vor seiner Tür aufzutauchen. Liebes-SMS hin oder her. Auf einen zweiten Rauswurf kann ich gerne verzichten. Postwendend habe ich die Antwort erhalten, dass er sich sehr auf mich freuen würde ... er hat auch nicht damit gegeizt mir zum bestimmt hundertsten Mal mitzuteilen, wie leid ihm das alles täte.

Etwa eine halbe Stunde später stehe ich erneut vor dem Haus, in dem er wohnt. Nicht weniger aufgeregt als beim letzten Mal, jedoch aus einem deutlich unangenehmeren Grund. Ich glaube, er hat unmittelbar bei der Wohnungstür auf mich gewartet, denn als ich klingle, wird keine Sekunde später der Türöffner betätigt. Ich eile die Treppe nach oben und sehe mich einem schuldbewusst dreinblickenden, ziemlich übernächtigt aussehenden Tristan gegenüber. Die Haare stehen ihm buchstäblich zu Berge und die Ringe unter den Augen sehen auch nicht gerade gesund aus.

"Du bist wirklich gekommen, Gott sei Dank!" Die Erleichterung ist ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

"Der hatte damit garantiert nichts zu tun", brumme ich harscher, als eigentlich beabsichtigt. Er blickt betreten zu Boden, seine Arme hängen an seinem Körper herab und die Hände sind zu Fäusten geballt.

"Rob, ich ..." Seine Hände schnellen nach vorn und wollen nach mir greifen, doch ich weiche nach hinten aus. Wenn er mich jetzt anfasst, bin ich hinüber. Dann bekomme ich kein ordentliches Gespräch mehr zustande. Ich kann nicht mehr klar denken, wenn er mir zu Nahe kommt, dafür hat er sich viel zu tief in mein Innerstes eingenistet ... und nein, damit meine ich ausnahmsweise einmal nicht seinen Schwanz.

"Reden, Tristan ... ich bin hier zum Reden", kläre ich auf.

"Okay", gibt er sich geschlagen. "Kaffee?"

"Gerne", antworte ich neutral und mache mich auf den Weg zum Wohnzimmer, während er in der Küche verschwindet. Das Wohnzimmer sieht picobello aus. Nichts deutet darauf hin, dass er hier in der Nacht zuvor ein Saufgelage abgehalten hat, zusammen mit ein paar anderen Typen, die nicht den Anschein erweckt hatten, dass ihr alkoholisches Limit bei nur zwei oder drei Flaschen Bier liegen würde. Um solche Fleischberge ins Delirium zu befördern, bedarf es schon etwas mehr. Deswegen sollte man meinen, dass wenigstens ein paar Chipskrümel auf Sofa und Boden zu finden sein müssten. Aber wie gesagt, in der Wohnung sieht es aus wie geleckt.

Kurze Zeit später erscheint Tristan mit zwei Bechern Kaffee. Einen davon drückt er mir in die Hände. "Schöne Party gehabt?", ätze ich.

Er zuckt merklich zusammen, dann erwidert er leise: "Mir war nicht nach Feiern, das haben die Jungs wohl recht schnell begriffen und sind nach ner Weile wieder abgehauen."

"Ach was, wieso das denn?", zicke ich weiter. Ich kann es nicht erklären, aber ihn in einer derartig demütigen Stimmung zu erleben hat was. Sonst ist er ja derjenige, der den Ton angibt.

"Du warst nicht mehr da", erklärt er müde.

"Genau das wolltest du doch? 'Rob, du musst verschwinden'", äffe ich ihn nach.

"Das war ein Fehler, der mir unsäglich leidtut. Bitte Rob, das musst du mir glauben!"

"Müssen muss ich gar nichts, außer irgendwann abzukratzen! Ob ich dir glaube oder nicht, entscheide immer noch ich!", rede ich mich langsam in Rage. "Weißt du eigentlich, wie beschissen ich mich gestern gefühlt habe? Was bin ich denn für dich? Die Schlampe, die dir den Arsch hinhält, wenn’s der gnädige Herr gerne mal wieder etwas härter mag?"

"Jetzt mach mal nen Punkt, Rob! Unterstelle mir bitte nicht, dass ich mit Alibi-Weibern rummachen würde, wofür hältst du mich eigentlich? Ich bin schwul und das wissen auch die meisten. Nur eben die Kollegen von der Wache nicht. Weil es sie einfach verdammt noch mal einen Scheißdreck angeht, mit wem ich ins Bett gehe. Ja, ich habe mich dir gegenüber wie ein Arschloch benommen und das tut mir aufrichtig leid. Ich würde alles tun, um es rückgängig zu machen. Aber ich hab einfach kurzzeitig die Nerven verloren, verstehst du? Hast du ne Ahnung, was ich mir für Sprüche anhören dürfte, wenn sie es wüssten? Ich habe das alles schon durch. Es hat einen Grund, warum ich mich vor nem halben Jahr hab versetzen lassen. Meine alten Kollegen haben es durch nen dummen Zufall mitbekommen. Ich habe es zwar nie versteckt, aber bin damit auch nicht gerade hausieren gegangen. Irgendwann hat’s ne Razzia in nem Schwulenclub gegeben, da kam’s dann raus." Er sieht mich müde an und fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht.

"Was ist dann passiert?", frage ich wesentlich versöhnlicher. Plötzlich hat sich meine Wut fast vollständig in Luft aufgelöst.

"Naja, ich musste danach miterleben, wie sich Männer, die ich für Pfundskerle gehalten habe, in homophobe Arschlöcher verwandelt haben."

"Das ist scheiße", erwidere ich. "Deswegen wolltest du nicht, dass die Jungs von gestern es erfahren?"

"Ich habe keinen Bock auf ne Wiederholung", gibt er zu. "Außerdem möchte ich nicht erneut wechseln. Mir gefällt es hier. Ich hab hier nämlich so nen Typen gefunden, den ich ziemlich toll finde." Sein linker Mundwinkel verzieht sich zu einem schiefen Grinsen und er senkt verlegen den Kopf.

Soll ich? Soll ich nicht? Kann ich ihn wirklich so schnell vom Haken lassen? Ich stelle den Becher Kaffee auf den Tisch und wende mich ihm zu: "Bitte sag mir ehrlich: Bist du geoutet?"

"Ja!", ruft er. "Natürlich! Seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Sonst wissen es wirklich alle. Es war zuvor auch nie ein Problem, noch nicht einmal auf der Polizeischule. Hast du wirklich gedacht, dass ich mit Alibi-Weibern rummache und mich mit dir austobe?" Seine Augen sind tellerrund.

Wieso zum Geier bin ich jetzt derjenige mit einem schlechten Gewissen? Kacke! "Nein, nicht wirklich", rudere ich zurück. "Es hat nur scheiße weh getan. Ich hatte einfach Angst, dass du dich im Schrank verkriechen könntest. Keine Ahnung, ob ich das gepackt hätte. Glaub ich bin einfach nicht stark genug, um mir einen solchen Stress anzutun. Es gibt nicht so viele Paare, bei denen das gut geht."

"Komm mal her", bittet er mich und streckt eine Hand nach mir aus. Ich ziere mich nicht länger, im Grunde habe ich ihm doch schon längst vergeben. Außerdem will die Schlampe in mir jetzt dreckigen Versöhnungssex. Also schwinge ich mein linkes Bein über seinen Schoß und lasse mich auf ihm nieder. Meine Arme finden ganz alleine ihren Weg um seinen Nacken. "Alles wieder gut?", flüstert er ganz nah an meinem Ohr.

"Ja", hauche ich. Und ich meine es ehrlich. "Tristan?"

"Ja?"

"Diese SMS ... war das Ernst gemeint?" Ich muss es einfach wissen. Er schließt seine Augen und wendet sich mit einem fast schon schüchternen Lächeln ab.

"Ich habe mich schon gefragt, ob und wann du mich danach fragen würdest. Das war so zwar nicht geplant, aber es ist mein voller Ernst", flüstert er.

Ein Kribbeln im Magen macht sich bemerkbar. Diesmal ist es eines der guten Sorte. Der richtig guten Sorte sogar. "Ich bin ziemlich unerfahren in sowas", beginne ich.

"Hey, du musst nichts dazu sagen, wenn es dir unangenehm ist. Ich weiß, dass ich dich nicht einfach hätte damit überfallen dürfen. Ich war ... verzweifelt. Ich hatte solche Angst, dass ich alles verbockt haben könnte. Ich will einfach, dass es funktioniert mit uns", unterbricht er mich.

"Das will ich doch auch. Und jetzt lass mich einfach ausreden, okay? Ich will etwas dazu sagen und es ist mir auch nicht unangenehm. Es ist nur ... vollkommenes Neuland, verstehst du?", antworte ich bestimmt. Er nickt und ich fahre einfach fort. "Ich habe es schon bei unserem ersten Kuss gemerkt. Diese Gefühle, die mich da überrollt haben, die haben mich ausgeknockt. Das war nicht nur Geilheit ... doch ja, natürlich auch, aber eben nicht ausschließlich! Da war noch viel mehr. Ich wusste, dass du, als erster Mann überhaupt, in der Lage sein könntest mir das Herz herauszureißen und den Krokodilen zum Fraß vorzuwerfen. Ich hab mir fast ins Höschen gemacht vor Schiss. Ich bekomme Herzklopfen, wenn ich nur an dich denke! Das gabs bei mir noch nie verstehst du? Noch nie!", erkläre ich ihm. "Und dann der Sex. Er ist großartig! Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es mir gefallen könnte, wenn jemand so grob zu mir ist. Und doch kannst du’s auch zärtlich, einfühlsam und sanft. Bei dieser Mischung wird mir schwindelig! Ich liebe es ... und ich liebe dich." Bei meinen letzten Worten werden seine Augen tellergroß und seine Arme schlingen sich schraubstockartig um meinen Körper.

"Rob", flüstert er.

"Ich hab das noch nie zu jemandem gesagt, du kannst dir also echt was drauf einbilden", versuche ich die Situation etwas zu entschärfen.

"Halt dich fest", sagt er plötzlich und macht Anstalten, sich zu erheben.

"Wooooooh", rufe ich aus und klammere mich reflexartig an ihm fest. "Was hast du denn vor?"

"Ich bring dich ins Schlafzimmer!"

"Okay? Und was machen wir da?"

"Ich will mit dir schlafen, Rob", antwortet er bestimmt.

"Keine Einwände, aber dafür musst du mich nicht ins Bett tragen, ich bin schon ein großer Junge, weißt du?", necke ich ihn. "Außerdem kommen wir zusammen niemals diese enge Wendeltreppe hoch", gebe ich stirnrunzelnd zu bedenken.

"Shit, du hast recht." Er stellt mich sichtlich widerwillig ab und gibt mir einen Klaps auf den Hintern. "Los, hoch mit dir." Ich spurte kichernd los, als ob die Hunnen hinter mir her wären, gegen ihn habe ich allerdings keine Chance, er ist wirklich verdammt gut in Form. Lachend überholt er mich, noch bevor ich bei der Wendeltreppe angekommen bin, und hat das Schlafzimmer mit wenigen, riesigen Schritten erreicht. Er lässt sich seitwärts aufs Bett fallen und stützt den Kopf auf seiner Hand ab. Mit der anderen Hand klopft er neben sich aufs Bett. "Komm her, du." Er befiehlt es nicht, er bittet und ich krabble auf allen Vieren neben ihn. Dann legt er eine Hand auf meine Wange, beugt sich vor und küsst mich. Er teilt meine Lippen und schiebt seine Zunge zwischen ihnen hindurch. Ich erwidere den Kuss, gebe zurück, was ich von ihm bekomme und fühle mich unbeschreiblich gut. Meine Hand gleitet unter sein Shirt und berührt die warme, weiche Haut darunter. Er unterbricht den Kuss, zieht sich das Shirt über den Kopf und rollt sich auf mich. Sofort macht er da weiter, wo er aufgehört hat. Er presst seinen Körper gegen meinen, während ich fasziniert über seinen Rücken streiche. Für seine Verhältnisse ist er im Moment erstaunlich sanft und anschmiegsam ... und genau diese Vielfalt liebe ich so an ihm. In der einen Sekunde kann er wild und hemmungslos sein, in der anderen ein Schmusetiger ... mein Schmusetiger! Mit ihm wird es niemals langweilig werden, in hundert Jahren nicht. Ich bin mittlerweile bei seinen Pobacken angelangt und streichle darüber. Er stöhnt leise auf und presst seine Vorderseite gegen mich. Augenblicke später löst er sich erneut von mir, öffnet seine Hose und strampelt sie ungeduldig von den Beinen, danach rollt er sich auf den Rücken und blickt mir in die Augen. Die Gefühle, die ich in seinem Gesicht erkennen kann, sind überwältigend. Ich sehe zu, dass ich aus meinen Klamotten komme, und setze mich auf ihn. Sofort gleiten meine Finger durch sein Brusthaar. Auch etwas, das neu für mich ist. Bisher hat mich die Körperbehaarung eines Mannes nicht sonderlich interessiert. Bei Tristan allerdings liebe ich sie. Er hat nicht übermäßig viel. Ein hübsches, sich nach unten verjüngendes Dreieck, dann ein Streifen, der zum Bauch hin etwas breiter wird, sich danach wieder verschmälert, um sich schließlich mit seiner Scham zu verbinden. Ich beuge mich nach vorn und vergrabe meine Nase darin. Er riecht hier so wunderbar.

"Rob?", sagt er leise. Seine Stimme klingt fast schüchtern.

"Hm?", antworte ich. "Was ist?", rede ich weiter, nachdem kein Ton über Tristans Lippen gekommen ist.

"Was ist das mit uns, Rob?" Ein komischer Unterton schwingt in seiner Frage mit. Hat er etwa Angst?

"Was meinst du?", will ich irritiert wissen.

"Unsere Beziehung ... ist sie exklusiv?" Er errötet ... etwas, was ich bei ihm noch nie gesehen habe. Hingerissen betrachte ich sein Gesicht.

"Ich liebe dich Tristan, noch exklusiver geht gar nicht!"

Es ist ihm deutlich anzusehen, wie die Anspannung weicht und einem überwältigenden, befreienden Lächeln Platz macht. "Ich bin heilfroh, dass du das auch so siehst. Ich weiß nicht, ob ich mit einer offenen Beziehung klargekommen wäre. Schon alleine bei dem Gedanken, dass ich dich mit anderen Typen teilen müsste, wird mir kotzübel."

"Dazu besteht kein Anlass, du Superbulle", erwidere ich lächelnd. "Noch etwas, was du geklärt haben möchtest, bevor ich dich in Grund und Boden reite?", frage ich süffisant grinsend, obwohl eigentlich mir noch eine Kleinigkeit auf dem Herzen läge. Aber nicht jetzt, dafür bedarf es den richtigen Zeitpunkt. Ich glaube, wenn ich Tristan jetzt eröffnen würde, dass ich gerne einmal an seinen jungfräulichen Arsch möchte, fällt er mir in Ohnmacht.

"Nein", krächzt er sichtlich angetan von meinen Worten und hat es plötzlich ziemlich eilig. Gespielt wird dieses Mal nicht, dafür sind wir beide einfach viel zu gefühlsduselig und aufgewühlt. Erst ist Tristan noch zart und sanft. Das ändert sich aber recht schnell und letztendlich ist er es, der mich auf den Bauch wirft, mit einer Hand meinen Oberkörper auf die Matratze zwingt und nach allen Regeln der Kunst in Grund und Boden rammt.

*


"Rob?" Tristan malt mit dem Finger kleine Kreise auf meinen Körper. Das kitzelt saumäßig, aber ich bin einfach zu ermattet, um ihn aufzuhalten. Ich sollte dringend ins Bad, denn wir sind beide ziemlich eingesaut von meinem Sperma, nur - ich mag mich einfach nicht bewegen. Später.

"Hm?"

"Wenn es dir wichtig ist, dann sage ich es ihnen."

"Was? Wem?" Mein Gehirn ist noch überflutet von Endorphinen. Logisch Denken ist noch nicht.

"Na dass ich schwul bin ... zu meinen Kollegen." Ach das.

Ich hebe träge den Kopf und sehe ihn überrascht und ernst zugleich an.

"Das würdest du für mich tun?" Er würde sich wirklich für mich einem möglichen Mobbing durch seine Kollegen aussetzen?

"Ja, für dich ... vor allem aber für uns. So eine Situation wie gestern möchte ich nie wieder erleben. Ich bin immer noch so verdammt sauer auf mich selbst, weil ich dir wehgetan habe. Du bist einer der wichtigsten Menschen für mich. Sollen die doch über mich reden, was sie wollen!"

Sein Vorhaben in allen Ehren, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich möchte, dass sich das ganze Revier das Maul über ihn zerreißt. "Tristan, hör zu", beginne ich, "Ja ich war geschockt, enttäuscht, verletzt ... such dir was aus. Aber ..." Ich hole tief Luft. "Aber du musst das nicht tun ... nicht für mich. Wenn du es unbedingt tun möchtest, dann tu es für dich und zu einem Zeitpunkt, an dem du bereit dafür bist." Ich sehe ihn eindringlich an.

"Aber ... bist du dir sicher, dass es okay für dich ist?", erwidert er erstaunt, aber in seinem Blick liegt auch eine gewisse Erleichterung.

"Ist es. So oft werde ich nicht auf deine Kollegen treffen ... und wenn es doch mal passieren sollte, wird uns schon etwas einfallen, okay?"

Er nickt und lächelt glücklich. Und in diesem Moment weiß ich einfach, dass es richtig war, ihn davon abzuhalten. Eine Szene wie die gestern, werde ich dennoch nie wieder erleben müssen, dessen bin ich mir absolut sicher!

 

 

 

Epilog

 

"Worauf hast du Appetit?" Tristan schiebt den Einkaufswagen Richtung Frischgemüse und lacht, als er mein schmutziges Grinsen bemerkt. "Zum Essen", ergänzt er kichernd und rempelt mich mit der Schulter kurz an.

Ich zucke mit den Achseln und denke einen Augenblick nach. "Burger?", schlage ich vor. Hatten wir schon lange nicht mehr. Auch wenn Tristan nicht gerade ein Gourmetkoch ist, aber seine Hamburger sind wahnsinnig lecker! Außerdem ist das ein Gericht, bei dem er keine Hilfe duldet, zumindest keine, die über das Schnippeln von Gemüse hinausgeht. Ich esse zwar gerne, aber kochen gehört nicht zu meinem bevorzugten Zeitvertreib.

Tristan stutzt und grinst dann: "Gib’s zu, du bist nur zu faul zum Kochen."

Ich klimpere mit den Wimpern und versuche mich in einem unschuldigen Augenaufschlag. "Mach dich auf etwas gefasst, wenn wir zu Hause sind", raunt er mir ins Ohr und kneift mich kräftig in den Hintern. Ich schnappe hörbar nach Luft und stehe sofort in Flammen. Fast sieben Monate sind seit unserer Versöhnung vergangen und ich kann immer noch nicht fassen, was er für eine Wirkung auf mich hat. Er wendet sich mit einem wissenden Augenzwinkern ab und legt scheinbar unbeeindruckt Kopfsalat, Gurke und drei große Rispentomaten in den Wagen. Er weiß ganz genau, dass ich jeden seiner Schritte mit den Augen verfolge, und sonnt sich in meinem gierigen Blick.

Keinen einzigen Tag möchte ich mehr ohne diesen Mann sein. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich mein Lebtag noch nie so glücklich gewesen bin wie mit Tristan. Es läuft gut mit uns, wir haben trotz unserer beschissenen Arbeitszeiten einen gemeinsamen Rhythmus gefunden und nein, das meine ich nicht sexuell. Wenn wir zusammen sind und nicht gerade ausgehen, verbringen wir die meiste Zeit bei Tristan zuhause. Es hat sich einfach so ergeben ... und mir gefällt seine Wohnung sehr. Zudem lebt er nicht weit von Manuel und Axel entfernt, bei denen wir regelmäßig zum Essen eingeladen sind. Tristan hat mir vor einigen Wochen gebeichtet, dass er zu Anfang ganz schön eifersüchtig auf Manuel gewesen ist. Seit er allerdings weiß, dass Manuel in keinster Weise gefährlich für uns werden könnte, verstehen die beiden sich blendend! Panikanfälle hatte ich auch keine mehr. Meine damalige Therapeutin ist leider in Rente ... aber ich habe mich mit meiner Hausärztin darüber unterhalten. Sie rät mir trotz der immensen Wartezeiten zu ein paar Sitzungen. Sollte sich der Anfall von damals vor dem Boots wiederholen, werde ich ihren Rat befolgen.

"Bin gleich wieder da", flüstere ich Tristan ins Ohr und schlendere die Reihen bis zum Drogeriebereich entlang. Als ich zu ihm zurückkomme, steht ein Mann bei ihm, der mir vage bekannt vorkommt. Unschlüssig bleibe ich einige Meter von ihnen entfernt stehen und verstecke vorsichtshalber beide Hände hinter dem Rücken. Kondome in Verbindung mit Gleitmittel lassen sich nicht so einfach erklären wie ein Becher Joghurt. Ich wusste, dass diese Situation irgendwann auf uns zukommen würde und mir wird mulmig. Die Erinnerung an Tristans Geburtstag verblasst zwar so langsam, aber vergessen ist sie noch lange nicht.

Tristan dreht den Kopf in meine Richtung und lächelt. Sein Gesichtsausdruck zeigt Unsicherheit und Entschlossenheit zugleich. Langsam setze ich mich in Bewegung und bleibe schließlich neben Tristan stehen. "Richard, das hier ist Rob, er ist mein Freund", erklärt er ohne mit der Wimper zu zucken.

"Hey Rob, schön dich kennenzulernen, ich bin Tristans Kollege. Wir haben uns schon mal gesehen, kann das sein?" Seine Stimme klingt freundlich und interessiert, trotzdem schlägt mir das Herz bis zum Hals hinauf.

"Hallo Richard", antworte ich brav und zwinge mich zu einem Lächeln. "Ich ... wir ...", stammle ich.

"Mein Geburtstag", werde ich von Tristan unterbrochen.

"Verstehe!" Richard beginnt zu grinsen und mustert mich von Kopf bis Fuß. Bei meinen immer noch hinter dem Rücken versteckten Armen bleibt er hängen und runzelt die Stirn. Plötzlich komme ich mir furchtbar dämlich vor und ich nehme beide Hände nach vorn. Tristan hat die Bombe ohnehin schon platzen lassen, mir wird dennoch heiß und kalt zugleich. Richard nimmt die Utensilien zwischen meinen Finger spöttisch zur Kenntnis und sagt dann: "Also gehört er nicht zu deiner Nachbarin."

"Nein, Rob gehört zu mir", antwortet Tristan bestimmt, reckt trotzig das Kinn, nimmt mir Kondome und Gleitgel aus den Händen und legt sie seelenruhig in den Einkaufswagen. Ich kann gar nicht anders, als ihn fasziniert anzustarren. Mein Herz läuft über vor Freude. Gott, wie ich diesen Mann liebe!

"Warum hast du nie was gesagt?", will Richard neutral wissen. Ich kann immer noch keinen Funken Feindseligkeit in seiner Mine erkennen.

"Hab schlechte Erfahrungen mit früheren Kollegen gemacht, außerdem geht’s niemand was an", erklärt Tristan entschieden.

"Das tut mir leid", erwidert Richard stirnrunzelnd. "Bei uns brauchst du dich aber wirklich nicht verstecken. Sie haben mich akzeptiert, dann werden sie es auch mit dir tun." Richard zwinkert uns beiden vergnügt zu.

"Was?" Tristan lacht ungläubig. Ich sehe mindestens ebenso dumm aus der Wäsche wie mein Liebster. Dieser Typ hier fischt auf unserer Seite des Ufers?

"Ihr habt mich schon richtig verstanden", antwortet Richard lachend.

"Warum hast du nie was gesagt?" Tristan findet seine Stimme als Erster wieder.

Richard zuckt mit den Schultern. "Die anderen wissen es alle und es spielt schon lange keine Rolle mehr. Du warst der Neue und hätte ich nur den Funken einer Ahnung gehabt, hätte ich wohl früher schon den Mund aufgemacht. Wo habt ihr euch kennengelernt?"

"Bei einer Alkoholkontrolle", antworten wir unisono und grinsen uns bedeutungsvoll an.

*


"Ich fasse es nicht", erklärt Tristan zum wiederholten Male kopfschüttelnd, als er mit unseren Einkäufen durch die Wohnungstür tritt. Er hat auf der Heimfahrt von nichts anderem gesprochen. "Seit Monaten veranstalte ich diesen Affentanz und es wäre gar nicht notwenig gewesen!" Er gibt der Wohnungstür mit dem Fuß einen Tritt und sie fällt polternd ins Schloss. "Ich habe den für eine Hete gehalten!"

"Ich auch", pflichte ich ihm bei. Allerdings habe ich eine ziemlich gute Ausrede. Ich war damals so geschockt von Tristans Verhalten, dass ich Richard noch nicht einmal dann als Schwester erkannt hätte, wenn er ein Baströckchen um die Hüften und rosa Schleifchen im Haar getragen hätte. Je mehr ich allerdings über ihn nachdenke, desto sicherer bin ich, Richard zu kennen. Ich weiß nur noch nicht woher.

"Du arbeitest aber auch nicht schon seit Monaten mit ihm zusammen", erwidert Tristan trocken. "Ich war so darum bemüht nicht aufzufallen, dass mein Radar komplett versagt hat. Aber weißt du was mich am meisten umhaut? Dass Richard mit Markus Bruder Wolfgang zusammen ist." Tristan hat mittlerweile begonnen, unsere Einkäufe wegzuräumen.

Markus ist übrigens der Typ, der mich an Tristans Geburtstag als Schwuchtel bezeichnet hat. Das hat mir Tristan verraten, als wir auf dem Heimweg waren. Bei der Gelegenheit hat mein Liebster auch gleich erfahren, dass ich das durchaus mitbekommen habe. Ich denke, Tristan wird sich heute ganz besondere Mühe mit dem Essen geben ... und noch viel mehr mit dem Nachtisch!

"Markus war einer der Gründe, warum ich meiner Truppe nichts sagen wollte. Der haut manchmal Sprüche raus, für die ich ihm am Liebsten eine aufs Maul hauen würde. Trotzdem sind Richard und Markus die besten Kumpels. Das verstehe, wer will." Ungläubig lachend schüttelt er den Kopf. "Egal, ich bin jedenfalls sehr erleichtert, dass es vorbei ist ... und jetzt lass uns kochen, ich habe einen Bärenhunger!"

*


Die Burger waren hervorragend. Satt und zufrieden liegen wir auf dem Sofa und lassen uns vom TV-Programm berieseln.

Diesen Beziehungsalltag habe ich bei Manuel und Axel häufig belächelt, mittlerweile hat er auch Tristan und mich eingeholt und ich finde es großartig! Er liegt hinter mir und hat einen Arm besitzergreifend um meinen Bauch geschlungen. Von Zeit zu Zeit spüre ich seinen warmen Atem an meiner Wange und seine Hand unter meinem Shirt. Ich drehe den Kopf nach hinten und fordere einen Kuss, indem ich die Lippen spitze. Tristan wäre nicht er selbst, wenn er auf diese eindeutige Bitte nicht prompt reagieren würde. Er sieht mir lächelnd in die Augen und senkt dann seinen Mund auf den meinen. Er schmeckt noch etwas nach den Burgern, die er vorhin vertilgt hat. Willig öffne ich den Mund und lade Tristan dazu ein, den Kuss zu vertiefen. Habe ich schon einmal erwähnt, wie sehr ich diese Knutscherei mit Tristen liebe? Einmal damit angefangen kann ich mich kaum mehr bremsen. Muss ich aber auch nicht, denn Tristan genießt das hier mindestens ebenso sehr wie ich.

Um einer Genickstarre zu entgehen, drehe ich mich auf den Rücken, ohne den Kuss zu unterbrechen. Tristan gleitet meine Vorderseite nach oben zu meinen Brustwarzen und reibt mit dem Handballen fest darüber, gleichzeitig wütet seine Zunge in meinem Mund. Ich seufze leise, während eine meiner Hände sich in Tristans Haar vergräbt. Wie sehr ihn dieses kleine Intermezzo erregt, kann ich deutlich an meinem Oberschenkel fühlen. Ich selbst stehe ihm in nichts nach, denn auch meine Hose spannt mittlerweile unangenehm. Tristan hat Erbarmen mit mir und öffnet meinen Reißverschluss. Ich brumme erleichtert in unseren Kuss hinein.

"Warte", flüstere ich, "ich hol uns schnell Gummis." Ich bin schon dabei aufzuspringen und in die Küche zu rennen, als Tristan mich aufhält. "Was ist los?", frage ich irritiert und sehe in sein Gesicht. Er starrt irgendwo an mir vorbei auf einen Punkt hinter mir und vergräbt die Zähne in seiner Unterlippe. Auf seiner Stirn haben sich Falten gebildet. "Tristan?"

"Ich überlege gerade ...", sagt er langsam und blickt mir in die Augen.

"Was denn?", frage ich nach.

"Ich würde gerne ..."

"Was würdest du gerne?", hake ich nach, nachdem er auch nach einigen Sekunden keine Anstalten macht, weiterzusprechen.

"Ihr werdet euch doch, genauso wie wir, regelmäßig testen lassen müssen, oder?", beginnt er, nachdem er mir einen Kuss auf den Mundwinkel gesetzt hat.

Zuerst weiß ich nicht, was er damit meint, doch dann fällt der Groschen. "Du willst es ohne Gummi machen."

Er nickt.

Ich runzle die Stirn. Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Sex und Gummis, das gehört zusammen wie ... wie ... Frühling und Mai, Winter und Schnee. Tristan und Rob. Ja, wir gehören zusammen, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Bei Kevin war es lediglich ein schwacher Versuch ... ein kleiner Schritt in Richtung Normalität. Wir gehörten nie zusammen. Er war nur eine winzige Etappe in meinem Leben. Tristan und ich - das ist etwas ganz Großes ... Riesiges! Zum ersten Mal in meinem Leben fühlt sich etwas so verdammt richtig an.

"Wir müssen nicht, wenn du nicht willst", rudert er zurück.

"Nein, das ist es gar nicht ... das war bisher nur nie ein Thema. Ich habe es noch nie ohne Gummi gemacht. Auch nicht mit Kevin ..."

"Wie gesagt ... wir müssen wirklich nicht. War einfach so ein Gedanke ..."

"Tristan?"

"Hm?"

"Ich bin sauber. Der letzte Test war vor nem Vierteljahr. Seit Monaten bin ich nur mit dir zusammen und daran wird sich auch nichts mehr ändern", erkläre ich ernst. Kaum hat er mir diesen Floh ins Ohr gesetzt, kann ich es fast nicht mehr erwarten, ohne störendes Latex mit ihm zu schlafen.

"Komm mit", bittet er mich, greift nach meiner Hand und führt mich ins Schlafzimmer.

"Spielen?", frage ich keck nach, nachdem er mich behutsam auf die Matratze gesetzt hat und nun vor mir kniet.

Er schüttelt den Kopf. "Nein, heute möchte ich nicht spielen, dafür ist mir das hier viel zu Ernst", beginnt er.

Ich setze mich aufrecht hin und lege eine Hand an seine Wange. "Hey, mir ist das mit uns doch auch Ernst!"

Er lächelt und schmiegt das Gesicht in meine Handfläche. "Das weiß ich doch", erwidert er und drückt schließlich einen Kuss darauf. "Es gibt da aber noch etwas, das ich gerne tun würde ... und ich hab ehrlich gesagt ziemlich Schiss davor. Du bist der Erste, bei dem ich überhaupt darüber nachdenke."

"Was möchtest du denn ausprobieren, hm?", frage ich sanft nach.

"Ich will ... ich hätte gerne, dass du mich liebst." Er errötet und wendet sich verlegen ab.

"Aber das tu ich ..." Noch bevor ich den Satz zu Ende sprechen kann, kommt mir ein Gedanke in den Sinn, bei dem mir fast die Luft wegbleibt. "Du willst, dass ich dich toppe?", flüstere ich. Ich habe das Gefühl, dass wenn ich es laut aussprechen würde, der Zauber sofort gebrochen sein könnte.

"Ja", kommt es ebenso leise von ihm zurück.

"Oh Gott", stöhne ich und lasse mich nach hinten aufs Bett fallen.

"Willst du nicht?", fragt Tristan verunsichert nach.

"Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich das schon seit Monaten will", gebe ich zurück.

"Dann lass es uns tun. Du in mir, ohne Gummi, jetzt!" Zumindest hat er seinen befehlenden Ton wieder gefunden. Mit einem Lachen auf den Lippen ziehe ich ihn zu mir. Das vergeht mir allerdings sofort wieder, als Tristan beginnt, mich überschwänglich zu küssen. Seine Unsicherheit von eben ist wie weggeblasen. Einmal zur Sprache gebracht hat er es sogar plötzlich furchtbar eilig. In Windeseile haben wir beide unsere Kleidungsstücke verloren und mir wird der Gelspender in die Hand gedrückt.

Ich zittere ganz leicht, als ich das Gleitmittel zwischen Daumen und Zeigefinger verreibe und mich damit Tristans Spalte nähere. Bevor ich mit der Fingerkuppe in ihn eindringe, umkreise ich mit sanftem Druck seine Öffnung. Ganz leicht nimmt er mich anschließend auf. Ich gehe sehr langsam und vorsichtig vor, obwohl ich so hart bin, dass ich mit meinem Schwanz Nägel in die Wand schlagen könnte. Doch das hier ist das erste Mal für Tristan, und wenn ich das zukünftig öfter haben möchte, muss ich äußerst behutsam sein. Vorsichtig schiebe ich meinen Finger ein kleines Stück weiter. Tristan entkommt ein leises Seufzen und er ruckelt nervös mit seinem Becken.

"Ich bin ganz vorsichtig", verspreche ich und streiche mit der anderen Hand beruhigend über seinen Bauch. Danach beuge ich meinen Kopf nach unten und lecke einmal der Länge nach über seinen inzwischen nur noch auf Halbmast stehenden Schwanz, bevor ich die Spitze zwischen die Lippen nehme, mit der Zunge dagegen drücke und schließlich daran sauge. In der Zwischenzeit dringt mein Finger tiefer, ohne dass er überhaupt etwas davon gemerkt hat. Als ich von seiner Härte ablasse, warte ich noch ein paar Sekunden, bevor ich meinen Finger in seinem Innern über die Erhebung lenke und sanft darauf drücke. Dann geschehen mehrere Dinge gleichzeitig: Tristan grunzt laut, sein Schwanz zuckt und der Muskel um meinen Finger herum verengt sich. Ich wandere mit dem Gesicht nach oben und hauche ihm einen Kuss auf den geöffneten Mund.

"Gefällt es dir?", frage ich leise.

"Ungewohnt, aber ... ich glaube ja", keucht er. Seine Wangen sind gerötet und seine Augen glänzen fiebrig. "Mach weiter", bittet er - und ich tue es. Im gleichen Tempo fahre ich fort. Vergessen ist meine eigene Lust, ich konzentriere mich voll und ganz auf Tristan. Irgendwann nehme ich einen zweiten Finger dazu, dann einen dritten. Als ich endlich der Meinung bin, dass er bereit für mich ist, ziehe ich mich aus ihm zurück, reibe meine Härte mit einer guten Portion Gel ein und knie mich zwischen seine Oberschenkel.

"Möchtest du von hinten oder vorne?", frage ich. Meine Stimme zittert und ich streiche seine Oberschenkel entlang. Ich kann kaum glauben, dass das hier wirklich gerade passiert und obwohl ich es schon Hunderte Male mit fast ebenso vielen unterschiedlichen Typen gemacht habe, habe ich gehörige Angst davor, es gerade jetzt gründlich zu versauen.

"Ich will dich sehen können", krächzt er.

Ich kann einfach nicht anders, ich beuge mich vor und küsse ihn. Meine Ellbogen bohren sich links und rechts von Tristan in die Matratze, während ich die Unterarme unter seinen Achseln hindurchfädle und von hinten seine Schultern umklammere. Er umschlingt gleichzeitig mit beiden Armen meinen Nacken und spreizt die Beine. Mehr Aufforderung brauche ich nicht und mein Schwanz findet von ganz alleine den Weg. Ich habe Tristan gut vorbereitet, denn ich gleite zunächst ohne große Mühe in ihn hinein, zumindest bis zu dem Punkt, an dem er beginnt, sich zu verkrampfen. Sofort halte ich inne, obwohl ich nur bei dem Gedanken in ihm zu sein, sofort kommen könnte. Tristan keucht und sein Atem geht schnell, während ich vor Anstrengung beginne zu zittern. Es kostet mich fast meine vollständige Beherrschung, nicht einfach fest in ihn zu stoßen und mir das zu holen, wonach mein Körper schon seit Monaten lechzt. Stattdessen fahre ich seine Lippen entlang und mein Mund murmelt beruhigende Worte. Nach und nach entspannt er sich wieder und irgendwann bin ich vollständig in ihm. Ich habe vor Tristan öfter den aktiven Part übernommen, aber so wie jetzt, war es noch nie. Möglicherweise liegt es an dem fehlenden Kondom, dass es so intensiv ist, dass ich mich kaum zu bewegen wage ... aber ich glaube eher, dass es Tristan ist. Früher hatte ich Sex, um Druck abzulassen. Natürlich war es meistens geil, aber ich habe mich den Typen deswegen nicht näher gefühlt. Das ist mit Tristan vollkommen anders. Mit ihm fühlt es sich an, als ob wir zwei Hälften eines Ganzen wären. Wir ficken nicht, wir vereinen uns. Langsam ziehe ich mich ein klein wenig zurück, bevor ich mich wieder in ihn schiebe.

"Geht es?", frage ich mit erregter Stimme.

"Ja", stöhnt er, als ich meine vorherige Bewegung wiederhole. "Und leg endlich los, ich bin nicht aus Zucker!"

Das braucht er mir nicht zweimal sagen. Ich gleite fast vollständig aus ihm heraus, um mich im nächsten Moment wieder in ihm zu versenken. Nach und nach verfalle ich in einen trägen Rhythmus, dem sich auch Tristan anpasst. So ganz kann er wohl doch nicht aus seiner Haut, denn von Zeit zu Zeit fühle ich seine Hände, die auf meine Arschbacken klatschen. Als er plötzlich einen Zeigefinger mit Speichel benetzt und ihn durch meine Spalte gleiten lässt, während ich bis zum Anschlag in ihm stecke, wäre es beinahe vorbei gewesen. Ich löse meine Arme von ihm und bringe mich in eine kniende Position. Danach lege ich eines seiner Beine über meine Schulter, umklammere mit beiden Händen seinen Oberschenkel und stoße mehrmals hintereinander kräftig zu. Tristan bäumt sich auf, während er seinen Kopf tief in das Kissen drückt und fast schon schreit: "Fass mich an!"

Ich löse eine Hand von seinem Bein und strecke sie aus. Sein Schwanz pocht heiß zwischen meinen Fingern, als ich ihn umfasse und mit dem Daumen über die Spitze reibe. Er wimmert leise und beschert mir damit einen Wonneschauer, der über meinen Rücken rieselt. Für einen Moment vergesse ich völlig meine eigene Lust und betrachte diesen geliebten Mann, der so viel mehr für mich ist, als ich es je für möglich gehalten hätte. Sein Mund steht etwas offen, der Hals ist überstreckt und die Augen geschlossen. Ein feiner Schweißfilm hat sich auf Brust und Bauch gebildet und sammelt sich in seinem Nabel. Einer Eingebung folgend beuge ich mich nach vorn und puste ganz leicht über seine Vorderseite. Seine Haut ist hochempfindlich geworden, denn selbst bei diesem winzigen Windhauch richten sich die Härchen auf, während sich seine Brustwarzen verhärten. Auch an den Beinen bekommt er eine Gänsehaut und fasziniert streiche ich mit der anderen Hand darüber.

"Schlaf nicht ein, Wagner!", knurrt er ungehalten und ich blicke hoch. Seine Augen funkeln mich wild an und ein Zischen verlässt seinen Mund. Und dann ... lege ich los! Wenn ich etwas kann, dann ist es das hier. Ich verfüge über ein riesiges Repertoire und schöpfe daraus, um für Tristan ein unvergessliches Erlebnis zu machen. Deswegen dauert es letztendlich gar nicht mehr lange, bis er sich, ohne große äußerliche Stimulation, vor Ekstase windet. Er schreit meinen Namen, als er sich schubweise über seine komplette Vorderseite ergießt. Genau auf diesen Moment habe ich gewartet, um mich selbst zu erlösen. Nach zwei weiteren festen Stößen folge ich ihm. Mein Sperma schießt tief in ihn hinein und ich bekomme eine Gänsehaut. Noch nie war ich der besitzergreifende Typ ... auch nicht in den wenigen Beziehungen, die ich in meinem Leben hatte. Aber jetzt, in genau diesem Augenblick, habe ich das Bedürfnis meinen Anspruch geltend machen zu müssen. Ich ziehe mich ein Stück aus Tristan zurück, um mich anschließend noch einmal so tief wie möglich in ihm zu versenken und verharre dort. Gott ich liebe ihn so sehr! Er ist meins. Meins! Nie wieder gebe ich ihn her. Nie wieder!

Erst als Tristan sein Bein von meiner Schulter nimmt, sich aufrichtet, mir prüfend ins Gesicht sieht und dort zärtlich eine vereinzelte Träne wegwischt, bemerke ich, dass ich die Worte im Überschwang meiner Gefühle laut ausgesprochen haben muss.

"Wenn ich gewusst hätte, dass du so abgehst, hätte ich dich schon früher ran gelassen", sagt er mit liebevollem Spott. Ich remple ihn kichernd an. Eigentlich sollte es mir peinlich sein, dass er meinen letzten Ausbruch miterlebt hat ... ist es aber nicht.

"Aber eigentlich hätte ich es mir denken können, oder?", überlegt er. "Wenn ich etwas in den Monaten über dich gelernt habe dann das, dass du keine halben Sachen machst. Du bist schonungslos ehrlich und wenn dir etwas wirklich wichtig ist, dann ziehst du das mit Feuereifer durch. Auch beim Sex. Du hast mein erstes Mal perfekt für mich gemacht, Rob."

"Übung macht den Meister", erwidere ich verlegen und zucke mit den Achseln. Ich bin ziemlich geflasht von dem, was er mir eben gesagt hat.

"Mir ist klar, dass du das alles nicht auf einem Kurs der VHS gelernt haben kannst und ich will auch gar nicht wissen, mit wie vielen Männern du es in all den Jahren getrieben hast, und weißt du was? Es ist vollkommen egal. Ich bin derjenige, den du liebst - nur ich - und das ist alles, was zählt!"

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Und überhaupt, wer bin ich denn, dass ich einem Hüter des Gesetztes widersprechen würde!

Impressum

Texte: Jule Becker
Bildmaterialien: Gestaltung: Rigor Mortis, Fotos: Nemo (Handschellen), Weinstock (Schachbrett), www.pixabay.com
Lektorat: Annette Schmitt
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2014

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