Seufzend schalte ich meinen Rechner ein und beobachte das Betriebssystem beim Hochfahren. Ich trommle ungeduldig und etwas genervt mit den Fingern meiner rechten Hand auf dem Schreibtisch herum und warte darauf, dass der Login-Screen erscheint. Schnell tippe ich mein Passwort ein und darf erneut warten, bis diese dämliche Eieruhr verschwunden ist und meine Festplatten endlich aufgehört haben zu rödeln. Irgendwann werde ich mir wohl doch eine neue Kiste zulegen müssen. Wenn ich allerdings nur daran denke, alles neu zu installieren und zu konfigurieren, wird mir übel. Wenn das alles nur nicht so wahnsinnig viel Zeit kosten würde. Andererseits bin ich bei der Geschwindigkeit, die das Teil hier mittlerweile an den Tag legt, wahrscheinlich so alt wie Methusalem, noch bevor ich diesen bescheuerten Artikel überhaupt fertig geschrieben habe.
Ah mein Stichwort: Artikel. Der erneute Versuch meines Chefs, mich in den Wahnsinn zu treiben. Ich soll für die Samstagausgabe nächster Woche einen Bericht über 'Internet-Chats und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft' schreiben. Wofür haben wir eigentlich Volontäre? Mal ganz abgesehen davon, dass es bestimmt bereits unzählige Studien zu diesem Thema gibt.
„Ist das denn wirklich notwendig? Dazu gibt es doch schon massenhaft Zeug“, unternahm ich den recht halbherzigen Versuch meinen Chef noch umzustimmen. Eigentlich weiß ich ja, dass das ziemlich sinnlos ist, denn wenn er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es nahezu unmöglich, ihn wieder davon abzubringen.
„Schon, aber ich hätte gerne etwas aus erster Hand. Übrigens interessiert es mich besonders, wie Frauen in Chats behandelt werden“, meinte mein werter Herr Chef.
„Okay“, ergab ich mich seufzend und rieb mit Daumen und Zeigefinger über meine Nasenwurzel, „sonst noch was?“
„Hm, eigentlich nicht, ich lasse Dir freie Hand. Aber ich glaube, es wäre nicht verkehrt, wenn Du Dich als Frau ausgeben würdest. Das hätte den Vorteil, dass Du niemanden befragen musst und gleichzeitig macht Dich das vielleicht wieder etwas kontaktfreudiger“, erwiderte er grinsend.
Man ist doch nicht gleich kontaktscheu, wenn man etwas zurückhaltender ist, oder? Was ist denn falsch daran, im Hintergrund zu stehen und das Geschehen um sich herum aufmerksam zu verfolgen? Geht es bei unserem Job in erster Linie nicht darum, eine gute Beobachtungsgabe zu haben und Dinge zu erkennen, die anderen Menschen für gewöhnlich entgehen? Und darin bin ich echt gut … deswegen arbeite ich auch als Redakteur bei einer Tageszeitung und bin kein Alleinunterhalter!
Ich vermute ja eher, dass es im Grunde ohnehin um etwas ganz anderes geht. Ich lebe immer noch alleine, das ist ihm schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge. Vielleicht wittert er eine Chance, dass ich über diesen Weg jemanden kennen lerne. Möglicherweise hegt er sogar immer noch die heimliche Hoffnung, dass meine Homosexualität doch nur eine Phase ist und ich irgendwann mit einer netten Frau ein halbes Dutzend Kinder in die Welt setze. Er weiß aber auch, dass er zumindest auf letzteres vergeblich warten darf.
Das hat man davon, wenn der eigene Chef auch gleichzeitig, zusammen mit den Großeltern väterlicherseits, die einzige Familie ist, die einem nach dem Tod der Eltern noch verblieben ist. Mein Onkel hat mich damals, ohne mit der Wimper zu zucken, bei sich aufgenommen. Mir ist natürlich klar, dass er es nur gut meint, er möchte mich einfach glücklich sehen und er hat mir im Grunde auch noch nie das Gefühl gegeben, dass er mich weniger lieben würde, weil ich bin, wie ich eben bin.
Natürlich wäre es manchmal schön, wenn es jemanden gäbe, der zuhause auf mich wartet, der nicht blutsverwandt ist, aber es ist auch nicht so, dass ich mir das sehnsuchtsvoll herbeiwünschen würde. Einmal ganz davon abgesehen, dass es einfach im Moment auch gar niemanden gibt, für den ich mich näher interessieren könnte. Mein Onkel würde jetzt natürlich wieder sehr pathetisch behaupten, dass 'die Liebe' ganz sicher nicht unter meinem Sofa auf mich lauert. Dabei bin ich doch gar nicht der Stubenhocker, den er mir immer wieder einzureden versucht. Außerdem kann er sich an seine eigene Nase fassen. Er selbst ist Single aus Überzeugung, so nennt er es zumindest. Böse Zungen würden hierzulande eher 'Altlediger' dazu sagen.
Wann hatte er das letzte Mal eine Verabredung mit einer Frau? Eine echte meine ich, also keine, die irgendwie etwas mit der Arbeit zu tun hatte. Daran kann er sich vermutlich noch nicht einmal selbst erinnern. Mein letztes Date ist immerhin erst 3 Wochen her… oder vielleicht auch 5 oder 6, so genau weiß ich das gar nicht mehr. Gott ja, dann ist es eben auch bei mir schon etwas länger her. Was ist denn dabei? Ich bin einfach nicht der Typ, der ständig in irgendwelche Clubs rennen und dort irgendjemand aufreißen muss. Deswegen muss man doch nicht gleich von Kontaktschwierigkeiten reden. Ich bin für gewöhnlich einfach nur etwas … zurückhaltend, möglicherweise auch ein wenig schüchtern, insbesondere, wenn mir jemand besonders gut gefällt.
Auf dem Bildschirm erscheint mittlerweile eine Seite mit einer Auswahl verschiedener Links auf regionale Chats. Nach einem kurzen Blick auf einen Gay-Chat, entscheide ich mich allerdings für einen stinknormalen Baden-Württembergischen Anbieter. Ich denke, meinem Onkel ist an einer 'anständigen' Berichterstattung gelegen. Ich habe einen Gay-Chat vor einiger Zeit einmal ausprobiert und da geht es doch eher etwas … hm, schlüpfrig zu. Also nicht unbedingt etwas, das für die Samstagsausgabe einer seriösen Tageszeitung geeignet wäre.
Stirnrunzelnd blicke ich auf den blinkenden Cursor im Texteingabefeld für die Anmeldung. Ich habe keinen Schimmer, welchen Benutzernamen ich verwenden soll. Normalerweise würde ich nicht lange fackeln und mich einfach mit meinem eigenen Namen anmelden: Moritz. Mein Vorhaben erfordert nun aber leider einen Namen, der etwas weiblicher klingt. Suchend lasse ich meinen Blick über all die Buchreihen schweifen, die sich seit meiner Kindheit angesammelt haben. Grinsend bleibe ich an einem Werk von Wilhelm Busch hängen.
Wie wäre es mit Maxi? Das geht auf jeden Fall als Mädchenname durch und hätte gleichzeitig auch noch eine humoristische Verbindung zu meinem eigenen Namen.
Maxi ist natürlich schon vergeben. Das hätte ich mir eigentlich auch denken können. Also setze ich noch mein Geburtsjahr dahinter. Bei der Captcha-Abfrage vertue ich mich natürlich mehrmals … welcher Mensch mit einer halbwegs normalen Sehkraft, kann schon auf Anhieb erkennen, welche Zeichenfolge auf diesen dämlichen Bildchen abgebildet ist? Ich jedenfalls nicht. Aber irgendwann habe ich die Anmeldung dann doch erfolgreich hinter mich gebracht und ich bin stolzer Besitzers des Nicknamens Maxi81.
Ich lande in einer Art Lobby. Auf der rechten Seite werden alle anwesenden Member gelistet. Ich habe noch nicht einmal genügend Zeit, um mich einigermaßen zurechtzufinden, da bekomme ich auch schon den ersten Whisper:
Bomber21: m/w?
Öhm, was bitteschön ist an Maxi so uneindeutig, dass man nachfragen muss?
Maxi81: w
Zusätzlicher Punkt auf meiner imaginären ToDo-Liste: Onkel erschlagen. Ich bereue es jetzt schon, mich auf diesen Blödsinn eingelassen zu haben.
Bomber21: lust auf nen heißen schwanz?
Ähhh … also unter anderen Umständen ja schon, aber im Moment … Hilfe!
Maxi81: Mir scheint, Du hast Deine Hormone nicht so richtig im Griff.
Wieso antworte ich eigentlich noch auf einen solchen Schwachsinn?
Bomber21: dafür hab ich was anders im griff … haha
Ah ja, wie schön für ihn. Bei solchen Typen muss Deutschland ja einfach irgendwann den Bach runtergehen. Ich überlege nicht lange und klicke das Fenster weg. Das ist mir als Kerl ja schon zu viel. Da möchte ich gar nicht darüber nachdenken, wie sich eine Frau bei solch einer idiotischen Anmache fühlen könnte. Vielleicht sollte ich ihm ganz nebenbei einfach stecken, dass ich ein Kerl bin… Mal sehen, wie lange es dauert bis das, was er da vermeintlich so im Griff hat, zu einem bemitleidenswerten Würstchen verkümmert. Von 100 auf 0 in einer Sekunde, sozusagen. Haha!
Ich suche die Seite verzweifelt nach einem Link auf mein Profil ab. Am oberen Bildschirmrand finde ich irgendwann die entsprechende Registerkarte und klicke darauf. In der Zwischenzeit löchert mich dieser Bomberdepp weiter. Ein Whisper schlimmer als der andere. Ich ignoriere ihn einfach in der Hoffnung, dass es ihm irgendwann zu langweilig wird. Und tatsächlich, nach zwei weiteren, hübsch formulierten Bitten, ihm einen zu blasen, gibt er schließlich auf.
Mein Profil ist schnell geändert. Da mir nichts wirklich Sinnvolles einfallen mag, das ich hier reinschreiben könnte, beschränke ich mich für die schlichte Angabe meines Geschlechts (weiblich), des Wohnorts (Kreis Stuttgart) und dass hormongesteuerte Vollpfosten bleiben können, wo der Pfeffer wächst.
Ein weiteres Whisper-Popup öffnet sich:
Phil_C: tach
Ich hätte nicht gedacht, dass ich irgendwann einmal über ein schlichtes 'tach' als Begrüßung so erleichtert sein würde. Ich rücke den Schreibtischstuhl zurecht und drücke einmal den Rücken durch. Meine Wirbel knacken unangenehm und erinnern mich daran, dass ich in den vergangenen Wochen nicht nur meine sozialen Kontakte aufs Sträflichste vernachlässigt habe.
Maxi81: Hey Du.
Phil_C: ich hab grad mal in dein profil geschaut. kann es sein, dass du schon an bomber geraten bist? ^^
Maxi81: Sei mir bloß still mit dem. Ist der immer so … direkt?
Phil_C: nur zu frischfleisch. ignorier ihn einfach, wenn es dir zu viel wird. meistens hört er von alleine wieder auf. don’t feed the trolls und so…
Maxi81: Hab ich schon gemerkt. ;-) Dich gibt’s hier schon länger?
Phil_C: könnte man so sagen. den account gibt’s schon ewig. bin aber eher selten da… nutze den chat hauptsächlich, um zwischendurch mal bissel mit den kollegen aus meiner alten schule zu quatschen… oder wenn mir mal wieder danach ist.
Maxi81: Darf ich fragen, wie alt Du bist?
Phil_C: klar, ist ja kein geheimnis. wenn 81 dein geburtsjahr ist, bin ich 2 jahre jünger als du. ^^
Maxi81: Japp, ich gehe mit großen Schritten auf die 30 zu. oO
Am besten, ich bleibe einfach so nahe an der Wahrheit wie möglich, dann laufe ich nicht Gefahr mich irgendwann in einem Lügengespinst zu verstricken.
Phil_C: früher, als ich noch zur schule ging, empfand man leute mit 30 als steinalt. :P
Maxi81: Oh. Dankeschön, so etwas hört man doch gerne! *grummel*
Phil_C: gern geschehen ^^… ist maxi eigentlich dein richtiger name?
Ich kann es nicht wirklich erklären, aber irgendetwas in meinem Innern wehrt sich dagegen, ihm direkt die Hucke voll zu lügen und ich überlege fieberhaft, wie ich die Frage am besten umschiffe, ohne dass es groß auffällt.
Maxi81: Meinen Eltern ist wohl nichts Besseres eingefallen. Aber eigentlich finde ich meinen Namen ganz okay. ;-)
Und das stimmt ja auch, denn Moritz finde ich tatsächlich ganz okay. Es hätte mich durchaus schlimmer treffen können… mit Malte zum Beispiel. Nehmt es mir bitte nicht übel, aber bei diesem Namen muss ich unweigerlich an jede Menge Müsli und Jesuslatschen denken. Wird man damit überhaupt ernst genommen? Das weibliche Pendant dazu scheint mir übrigens Dörte zu sein … mindestens ebenso schlimm.
Phil_C: dich hat es auf jeden fall wesentlich besser erwischt als mich. ich habe am 06.12. geburtstag, rat mal, welchen namen mir meine eltern verpasst haben.
Maxi81: Ich traue mich fast gar nicht zu fragen … Nikolaus? *lach*
Phil_C: treffer und versenkt! aber wehe, du nennst mich so… sag einfach nick.
Maxi81: Nick klingt doch gut. ;-) Und wie kam es zu Phil?
Phil_C: durch einen der bedeutendsten musiker unserer zeit. ich bin ein absoluter phil collins fan.
Maxi81: Oh wow, da haben wir etwas gemeinsam. Genesis und Phil Collins sind der Hammer. 'In the air tonight' ist eines der genialsten Lieder, die ich kenne.
Phil_C: da stimme ich dir zu 100% zu! ^^ du sorry, ich muss dann mal. war echt nett, dich kennenzulernen, vielleicht läuft man sich ja mal wieder über den weg. ^^ bb
Maxi81: Das kann ich zurückgeben, fand's auch sehr nett. ;-) Schönen Abend noch.
Das stimmt sogar, ich fand es tatsächlich ziemlich nett. Dieser Nick scheint wirklich ganz okay zu sein, es hat Spaß mit ihm gemacht und ich bin fast schon ein wenig enttäuscht, dass er offline gehen musste. Ich habe bei unserer Plauderei sogar beinahe vergessen, dass ich mich ja eigentlich aus einem ganz bestimmten Grund in diesem Chat tummle. Erst jetzt fallen mir die handvoll Whisper-Fenster auf, die ich in der Zwischenzeit erhalten habe. Größtenteils natürlich Geflirte … aber durchaus Material, mit dem ich etwas anfangen kann.
Auch an den darauffolgenden Tagen logge ich mich zu den unterschiedlichsten Zeiten in den Chat ein und sammle Informationen für den Artikel. Es vergehen drei Tage, ohne dass Nick nochmals aufgetaucht wäre. Am Donnerstag jedoch ist er bereits online, als ich die Lobby betrete. Ich empfinde tatsächlich so etwas wie Freude, als sich kurz darauf ein Whisper-Fenster mit Nicks Namen öffnet.
Phil_C: salü! ^^
Maxi81: Hey Nick! ;-) na, wie schaut's?
Phil_C: wenn ich daran denke, dass morgen freitag und somit die arbeitswoche vorbei ist, ziemlich gut.
Maxi81: Anstrengende Woche gehabt?
Phil_C: das kann man wohl sagen. es sind einige überstunden dazu gekommen, die letzten tage…
Maxi81: Achje, so viel zu tun gerade? Was arbeitest Du denn, wenn ich fragen darf?
Phil_C: du darfst. wir sollten eigentlich diese woche noch eine außenfassade fertig bekommen, werden wir aber trotz überstunden nicht schaffen. bin maler… und du?
Ach Du Scheiße, was schreib ich denn jetzt? Wenn ich ihm erzähle, dass ich bei einer Zeitung arbeite, dann wird er bestimmt wissen wollen, bei welcher… und so viele gibt es hier im Umkreis nicht. Anlügen will ich ihn aber auch nicht. Mist.
Maxi81: Ich arbeite als Redakteurin in einem Verlag.
Immer schön allgemein bleiben. Ein Zeitungsverlag ist schließlich auch ein Verlag, nicht wahr? Also habe ich nicht direkt gelogen.
Phil_C: hört sich interessant an. und was machst du da so?
Diese Frage musste ja kommen.
Maxi81: Bei mir kommen z.B. Artikel und Geschichten an und ich entscheide dann, was davon in den Druck geht. Manchmal darf ich auch meinem Chef den Kaffee nachtragen. ;-)
Das stimmt fast, sogar das mit dem Kaffee. Wenn ich mir eine Tasse hole, bringe ich Onkel Clemens eine mit, das ist inzwischen fast so etwas wie ein Ritual geworden. Dass ich natürlich auch noch andere Aufgaben habe, nämlich selbst recherchiere, manchmal sogar Interviews führe, hauptsächlich jedoch mit der Gestaltung des Layouts, der Bildunterschriften und den Kurztexten beschäftigt bin, muss ich Nick ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
Phil_C: wow, ich bin beeindruckt… eine ausbildung von bestimmt mehreren jahren und du bist als kaffeeträger qualifiziert. :P
Maxi81: Na schönen Dank auch! ;-)
Phil_C: keine ursache, jederzeit gerne wieder. ^^ hups, ist ja gleich 8, muss leider los, hab gleich noch ne bandprobe.
Maxi81: Bandprobe?
Phil_C: japp, ich spiel als schlagzeuger in ner band. wünsch dir noch nen schönen abend, bis demnächst… hoffe ich. bb
Maxi81: Bye, hab Spaß! ;-)
Wieder macht sich eine Art Bedauern in mir breit. Ich will das nicht. Es soll weg gehen! Erstens denkt er, ich wäre eine Frau, zweitens war es noch nie eine gute Idee sich in jemanden zu verknallen, von dem man noch nicht einmal im Entferntesten weiß, wie er aus sieht … und zum dritten ist es eine noch schlechtere Idee, einer Hete hinterher zu hecheln, von der man ebenso wenig weiß, wie sie aussieht.
Das hält mich dennoch nicht davon ab, immer wieder nachzusehen, ob Nick online ist. Das geht sogar im Laufe der darauffolgenden Tage so weit, dass ich regelmäßig eingeloggt bleibe, um ihn ja nicht zu verpassen.
Natürlich habe ich offiziell eine tolle Begründung dafür: ich arbeite ja immer noch an dieser Story. Manchmal schaffe ich es sogar, mich selbst davon zu überzeugen. Mir hat man doch eindeutig ins Gehirn geschissen!
Es ist schließlich Sonntag, als er das nächste Mal online kommt. Meine Pulsfrequenz erhöht sich eindeutig, als das ersehnte Chatfenster sich öffnet. Gebannt starre ich auf meinen Bildschirm.
Phil_C: hi maxi. du scheinst ja voll auf den geschmack gekommen zu sein, was? ^^
Auf Deinen ganz sicher.
Maxi81: Hallo Nick. Das täuscht, ich habe nur die grüne Langeweile. Wie lief die Bandprobe? Hätte Dich ja gerne noch gelöchert mit Fragen, warst aber zu schnell weg. ;-)
Phil_C: ja sorry, hab irgendwie die zeit vergessen und war total spät dran. die bandprobe war okay, ich denke, wir sind gerüstet für das nächste wochenende.
Maxi81: Gerüstet? Was ist nächstes Wochenende?
Phil_C: wir haben nen auftritt.
Maxi81: Wow, gibt’s ne CD von euch, dass man sich euch mal anhören kann? Wie heißt ihr eigentlich?
Phil_C: shooting five… ne, wir haben noch nix aufgenommen. über die stadtgrenze hinaus kennt uns sowieso keine sau.
Maxi81: Vielleicht ändert sich das ja am Wochenende? ;-) Ist das euer erster Auftritt?
Phil_C: ne, zwar der erste in dem club, aber wir standen schon das ein oder andere mal auf der bühne.
Maxi81: Was spielt ihr denn so?
Phil_C: bunten mix… bissel was von allem. es ist was aus den aktuellen charts dabei, aber auch aus vergangenen jahrzehnten. und natürlich auch was von phil. ^^
Maxi81: Wer hätte es gedacht? ;-)
Phil_C: :P
Maxi81: Hehe …
Phil_C: hast du irgendwelche hobbies?
Maxi81: Eigentlich nur eines, das aber so richtig exzessiv. ;-) Ich liebe Bücher. Eine komplette Wand in meiner Wohnung besteht praktisch aus einem einzigen riesigen Bücherregal.
Phil_C: und wie viele sind das?
Maxi81: Ich habe sie noch nie durchgezählt, aber einige Hundert dürften es sicher sein. ;-)
Phil_C: und? alle gelesen? ^^
Maxi81: Natürlich! Aber mein größter Stolz ist eine Erstausgabe von Krabat. Das war in meiner Kindheit mein absolutes Lieblingsbuch. Keine Ahnung, wie oft ich das gelesen habe, aber ich kenne es fast auswendig. ;-)
Phil_C: ich bin beeindruckt. und was liest du so am liebsten, außer Kinderbücher? :P
Maxi81: Ich habe zugegebenermaßen einen gewissen Hang zu Kriminal-Geschichten. Autoren wie McFadyen, Russell, Lindsay, Grangé, Cornwell, Franz, etc. habe ich geradezu verschlungen. ;-)
Phil_C: die meisten der namen sagen mir zwar nichts, aber zumindest bei franz geht es teilweise ganz schön blutrünstig zu. muss ich jetzt angst vor dir haben? ^^
Maxi81: *lach* Nein, musst Du nicht. Ich bin völlig harmlos. Die Gefahr, dass ich zum Serienkiller mutiere, ist ziemlich gering, ich kann nämlich kein Blut sehen … und ich beiße auch nicht, es sei denn, es wird ausdrücklich gewünscht. ;-)
Phil_C: achwas? kippst du um oder so was?
Maxi81: genau, so was. ;-) Ne ernsthaft … vor einigen Jahren musste ich mal meinen Onkel vom Zahnarzt abholen. Dem haben sie eine Vollnarkose verpasst und gleich mehrere Zähne auf einmal gerichtet, weil er so panische Angst vor dem Zahnarzt hat. Er hatte nur etwas Blut an der Unterlippe kleben … tja, das hat schon gereicht. Mir wurde schwarz vor Augen und ich hab mich im Behandlungszimmer flach gelegt. *hust*
Oh Gott, die Story stimmt wirklich … ich kann kaum glauben, dass ich ihm das tatsächlich erzählt habe. Das war einer der peinlichsten Augenblicke in meinem Leben. Das nächste, an das ich mich bewusst erinnern kann, nachdem ich die Bekanntschaft des Praxisbodens gemacht habe, sind die grünen Augen des Anästhesisten…
Phil_C: loooool, wie geil! ^^ so was kann auch nur einem Mädchen passieren. :P
Jetzt bin ich beleidigt …
Maxi81: Hmpf …
Phil_C: tut mir leid, nicht böse sein, aber die vorstellung allein… *wegbrech*
Maxi81: Jaja, bin ja selbst schuld, was musste ich Dir das auch erzählen. ;-)
Phil_C: genau. soch, bin dann mal wieder weg, muss morgen ziemlich früh raus… nachti, träum schön und sei vorsichtig mit scharfen Gegenständen. :P
Maxi81: Du mich auch! *lach* Gut's Nächtle, schlaf gut. ;-)
In den darauf folgenden Tagen kam ich einfach nicht mehr dazu online zu gehen. Einer meiner Kollegen wurde krank und ich musste zumindest einen Teil seiner Arbeit übernehmen, ohne natürlich mein eigenes Zeug zu vernachlässigen. Dementsprechend fertig war ich, als ich abends endlich in meine Wohnung stolperte und das einzige, das mich dann noch interessierte, war mein Bett.
Es ist schließlich Freitagabend, als ich vor meinem Rechner sitze und unschlüssig auf den Chat-Login starre. Eigentlich besteht ja überhaupt keine Notwendigkeit mehr, mich weiterhin einzuloggen, der Artikel ist seit zwei Tagen fertig und heute Nacht geht er in den Druck. Dennoch möchte ich es nicht einfach so enden lassen, ich möchte Nick wenigstens noch ein einziges Mal 'sehen'. Ich weiß, dass das bescheuert ist, aber irgendwie … liegt mir etwas an ihm. Da ist dieses Kribbeln, das ich schon viel zu lange nicht mehr verspürt habe. Ich fühle mich dadurch lebendiger … und ja, so seltsam das auch klingen mag: es macht mich irgendwie … glücklich.
Kurz überlege ich noch, ob ich mir einfach einen neuen, männlichen Namen anlegen soll, verwerfe diese Idee jedoch sofort wieder. Was hätte er denn für einen Grund, sich mit einem Kerl zu unterhalten? Eben, keinen … es sei denn, er wäre schwul, und den Eindruck hat er die ganze Zeit über nicht gemacht.
Also logge ich mich mit einer gewissen Vorfreude ein und bin ziemlich enttäuscht, dass ich seinen Namen nicht in der Übersicht finden kann. Eine gute halbe Stunde und etliche eindeutige Angebote später, will ich eigentlich schon frustriert den Browser schließen, als ich Nicks Namen lese. Sofort macht sich eine gewisse Wärme in meinem Innern breit. Es dauert auch gar nicht lange, da poppt ein Whisper-Fenster auf:
Phil_C: hey maxi, schön dich zu sehen. Ich habe dich schon vermisst. ^^
Ich merke förmlich, wie meine Wangen rot werden. Er hat mich vermisst. Stopp … er hat Maxi vermisst, nicht mich!
Ich habe dieses ganze Verstecken und Verstellen so satt. Zudem wird mein schlechtes Gewissen von Mal zu Mal größer. Was mache ich denn, wenn er sich durch einen dummen Zufall in Maxi verknallt? Seltsamerweise wird mir bei dem Gedanken die Brust ziemlich eng. Ich will nicht, dass er sich für Maxi interessiert. Ich möchte, dass er sich für Moritz interessiert! Dafür müsste Nick allerdings erst einmal wissen, dass es überhaupt einen Moritz gibt. Ich könnte kotzen.
Maxi81: Hallo Nick. Ich freue mich auch, dass Du da bist. Wie schauts? ;-)
Phil_C: bin zwar etwas geschafft, ich komme gerade von ner bandprobe, aber ansonsten geht’s mir ganz gut. und selbst?
Maxi81: Hatte die Woche über ziemlich viel zu tun, aber jetzt geht’s mir gut. Und seit Du da bist sogar ganz besonders. ;-)
Ich halte den Atem an und schließe die Augen. Na toll. Das passiert, wenn man sich von seinen Gefühlen leiten lässt, anstatt vorher vielleicht einmal sein Gehirn einzuschalten. Im Grunde gibt es ja jetzt nur zwei Möglichkeiten: entweder er geht auf den Flirt ein, oder er sucht das Weite. Beides schmeckt mir nicht.
Ich muss ziemlich lange warten und für einige Minuten lang befürchte ich tatsächlich, dass er mir überhaupt nicht mehr antworten wird. Dann jedoch blinkt sein Fenster:
Phil_C: ähm… du maxi, ich glaube da gibt es etwas, das ich dir beichten müsste.
Mein Blutdruck schnellt in die Höhe. Ich bin ja so bescheuert. Er hat eine Freundin, natürlich hat er eine Freundin!
Maxi81: So schlimm kann‘s schon nicht sein. ;-)
… nur dass ich mich gerade so richtig, richtig scheiße fühle.
Phil_C: also… ich weiß nicht so recht, wie ich es dir sagen soll, ohne dich vor den kopf zu stoßen, denn das möchte ich auf keinen fall. ich mag dich nämlich echt gern…
Jetzt mache ich einer überreifen Tomate Konkurrenz und möchte mir am Liebsten ein riesiges Loch suchen, in das ich mich verkriechen kann.
Maxi81: aber?
Ich will es doch eigentlich gar nicht hören. Mein Herz beginnt jetzt schon zu bluten, obwohl Nick es noch gar nicht ausgesprochen, beziehungsweise geschrieben hat.
Phil_C: naja… ich kann mit frauen nicht allzu viel anfangen… ich stehe eher auf männer…
Ich setze mich kerzengerade auf und starre auf den Bildschirm. Bitte was? Ich lese den Satz 10-mal und kann immer noch nicht fassen, was da steht.
Phil_C: maxi?
Maxi81: Du bist … schwul?
Phil_C: tja, so nennt man das wohl. es tut mir leid, falls du… naja, du weißt schon…
Ich halte den Atem an und schlage beide Hände vor den weit geöffneten Mund. Dann stoße ich ein ungläubiges Keuchen aus und mir schießen Tränen in die Augen. Ich kann es immer noch nicht glauben, dabei steht es doch schwarz auf weiß vor mir: Nick. Steht. Auf. Männer.
Phil_C: maxi? bist du okay?
So okay war ich schon lange nicht mehr!
Maxi81: Mach Dir keine Gedanken, ich habe kein Problem damit. ;-)
Wie könnte ich auch? Für mich ist gerade Weihnachten, Neujahr, Ostern, Geburtstag und was weiß ich noch alles, auf einen Tag gefallen.
Phil_C: ehrlich nicht?
Maxi81: Ehrlich nicht! Freunde? ;-)
Phil_C: oh man, bin ich erleichtert. ich hatte schon befürchtet, dass du mich jetzt nicht mehr mit dem arsch anguckst. und klar freunde *freu*
Oh Gott, wenn der wüsste. Was gäbe ich darum, ihn wirklich mit dem Arsch angucken zu dürfen. Meine Finger zucken. Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt, ihm zu sagen, dass Maxi in Wirklichkeit ein Moritz ist und er mit seiner angedeuteten Vermutung gar nicht so daneben liegt, aber ich kann es nicht erklären, ich traue mich irgendwie nicht. Ich habe Angst, irgendetwas kaputt zu machen, schließlich habe ich ihn die ganze Zeit über praktisch nach Strich und Faden belogen.
Andererseits kann ich ihn jetzt im Grunde gnadenlos ausfragen, ohne dass er Verdacht schöpft. Die Versuchung ist einfach zu groß und ich erliege ihr gnadenlos.
Maxi81: Ich möchte alle schmutzigen Details wissen, hast Du einen Freund? ;-)
Phil_C: boah, frauen! ^^ aber um deine neugierde zu befriedigen: nein, ich habe im moment keinen freund. ich glaub ich bin nicht so der beziehungsmensch, zumindest hat keine bisher lange gehalten.
Maxi81: Woran lag‘s?
Phil_C: weiß nicht genau… vielleicht an mir selbst und meinen ansprüchen. mir geht ehrlichkeit über alles und da wurde ich in der vergangenheit das ein oder andere mal ziemlich enttäuscht.
Ich schlucke trocken und mein Hochgefühl schwindet dahin.
Maxi81: Das tut mir leid. :-(
Phil_C: muss es nicht, du kannst ja nichts dafür. ^^
Nein, nicht für die Vergangenheit. Für die Gegenwart schon.
Maxi81: Sag mal, wann genau und wo habt ihr eigentlich euren Auftritt?
Phil_C: magst du vorbeikommen? ^^
Maxi81: Vielleicht? ;-)
Phil_C: morgen abend. kennst du den alten schlachthof? der wurde vor einigen jahren komplett umgebaut und ist jetzt ein tanzclub.
Maxi81: Hab schon davon gehört, war aber noch nie drin.
Phil_C: also ich kann's empfehlen… ist ziemlich gut geworden.
Maxi81: Wann soll es denn losgehen?
Phil_C: wir fangen so gegen halb 11 an zu spielen. ich würde mich jedenfalls wirklich freuen, wenn du kämst. ^^
Maxi81: Na mal schauen. ;-)
An diesem Abend war ich derjenige, der sich zuerst ausgeloggt hat. Das tat mir zwar einerseits leid, da ich gerne noch mehr Zeit mit Nick verbracht hätte, aber andererseits musste ich dringend einen befreundeten Redakteur erreichen, der sich schon mehr als einmal als Recherche-Genie erwiesen hatte. Wenn es je einen Zeitungsbericht über die 'Shooting Five' gegeben hat, dann würde er ihn ausgraben.
Niels zeigte sich auf Grund der fortgeschrittenen Stunde zunächst zwar wenig kooperativ, nachdem ich ihn jedoch von der Dringlichkeit überzeugen konnte, versprach er mir für den nächsten Tag eine E-Mail, sofern er fündig werden würde.
Und er wurde fündig. Viel konnte man auf dem Zeitungsbild zwar nicht erkennen, aber wie ein Waldschrat sah Nick zumindest nicht darauf aus. Er schien dunkelhaarig zu sein … und schlank. Mehr konnte man aber leider nicht erkennen, dafür war das Bild einfach zu unscharf.
Es reichte jedoch aus, um aus dem vagen 'na mal schauen', ziemlich schnell ein 'nichts könnte mich mehr davon abhalten' zu machen, zumal ich jetzt ja auch noch weiß, dass wir im gleichen Team spielen. Und so stehe ich nun hier vor meinem Kleiderschrank und bin völlig verzweifelt. Einzig und allein Constantin, meinem besten Freund seit Kindertagen, ist es zu verdanken, dass ich nicht schon längst die glatten Wände hochgegangen bin.
„Komm mal wieder runter, Moritz. Das kann einfach nicht gesund sein, was Du hier so treibst. Wenn Du Dich nicht wieder etwas beruhigst, hat Deine Pumpe den Geist aufgegeben, noch bevor Du einen Schritt aus dem Haus getan hast“, meint Constantin und grinst mich spöttisch an. „Und das alles für einen Kerl, von dem Du noch nicht einmal weißt, wie er aussieht“, ergänzt er.
„Das stimmt doch gar nicht, ich weiß doch wie er aussieht …“, widerspreche ich halbherzig.
„Ja klar, auf dem Zeitungsbild war er ja auch ganz klar und deutlich zu erkennen, Du Nase“, lacht er.
Ich schiebe meine Unterlippe nach vorn und sehe pikiert an ihm vorbei auf den Berg aus Kleidungsstücken, der auf meinem Bett liegt und der in der vergangenen halben Stunde stetig gewachsen ist.
„Anstatt mich zu beleidigen, könntest Du mir ruhig sagen, was ich anziehen soll“, schmolle ich.
„Schätzchen, ich habe Dir bereits vor einer halben Stunde gesagt, was Du anziehen sollst. Du müsstest nur endlich einmal Deinen heißen Körper in dieses Outfit hier verfrachten, dann würdest Du sehen, wie scharf Du darin aussiehst“, er deutet mit dem Finger auf eine schwarze, tief sitzende und teuflisch enge Hose und ein königsblaues, eng anliegendes Hemd mit kurzen Ärmeln. Seines übrigens, an ihm sieht das auch echt super aus.
„Du hast gut reden, Du könntest Dir einen Kartoffelsack überziehen, und würdest immer noch geil aussehen, ich wirke in diesem Hemd bestimmt eher, wie eine Wurst in Pelle“, seufze ich und meine es absolut ernst. Constantin ist einfach … schön. Er ist kleiner als ich, zierlicher als ich, blonder als ich, hat wahnsinnig hübsche Gesichtszüge und die unglaublichsten blauen Augen, die ich je gesehen habe.
Constantin könnte wirklich jeden haben, er müsste nur mit dem Finger schnippen. Aber der Süße musste sich ja unbedingt jemanden aussuchen, der sein Herz bereits an einen anderen verloren hat. Dumm nur für Sven, dass dieser andere unerreichbar für ihn ist, denn ich kenne Axel aus einer Zeit, in der ich öfter im Boots war sogar … und auch seinen Partner, Manuel. Die beiden sind in der Szene bekannt wie bunte Hunde. Von vielen zwar belächelt, von den meisten jedoch insgeheim beneidet. Sie gelten als das Traumpaar schlechthin. Ich glaube bei den beiden passt noch nicht einmal ein Blatt Papier dazwischen, so wie die auf einander hängen. Die bringt nichts auseinander, ein Bär wie Sven gleich dreimal nicht. Bin ich jetzt gehässig, weil ich Sven das wirklich aus tiefstem Herzen gönne?
Constantin rollt übertrieben mit den Augen, greift nach Shirt und Hose und drückt es mir ungeduldig in die Arme. „Ich hab' jetzt genug. Du ziehst das jetzt gefälligst an oder Du gehst nackt! Ich verplempere hier doch nicht meine Zeit, weil Du mal wieder Lust auf eine Entscheidungsneurose hast. Komm endlich aus der Suppe, damit Dein Trommler noch in diesem Leben erfährt, was für ein süßer Kerl Du bist“, erklärt er energisch und gibt mir einen Klaps auf den Hintern. „Keine Widerrede!“, mahnt er in dem Moment, als ich auch nur daran denke, ihm zu widersprechen mit erhobenem Zeigefinger und in die Höhe gezogenen Augenbrauen und schiebt mich ins Bad.
„Hey, ich bin nicht einer Deiner Schüler, Du Sklaventreiber“, brumme ich.
„Dann benimm Dich nicht wie einer“, kontert er. Ich schließe also meinen Mund wieder und ergebe mich seufzend meinem Schicksal. Gegen einen Vollblut-Lehrer hat man einfach auch als Erwachsener keine Chance. Seine Schüler allerdings auch nicht. Und das wirklich Erstaunliche daran ist, dass sie ihn vergöttern. Keine Ahnung, wie er das anstellt.
Es ist bereits halb elf, als wir endlich den Club erreichen. Letztendlich hat Constantin seinen Willen natürlich durchgesetzt und ich trage tatsächlich dieses Hemd. Und auch wenn ich es nicht gerne zugebe, schon gar nicht ihm gegenüber, hatte er recht … das Hemd steht mir wirklich gut. Es ist zwar eng geschnitten, dennoch kaschiert es meinen leichten Bauchansatz und betont die schwach ausgeprägten Muskelpartien an meinen Oberarmen, damit ich nicht komplett wie ein Spargel-Tarzan wirke.
Ich weiß nicht genau was, aber irgendetwas hat er auch mit meinen Haaren gemacht, denn ich sehe aus, als ob ich gerade aus dem Bett gefallen wäre. Jedes Mal, wenn ich in einen Spiegel blicke, muss ich dem Impuls widerstehen, mit den Fingern etwas Ordnung in das Durcheinander auf meinem Kopf zu bringen. Als ich es vorhin tatsächlich kurz wagte, mit den Händen auch nur in die Nähe meiner Haare zu kommen, hat Constantin mir sofort empört auf die Finger geklopft.
„Wenn ich noch einmal sehe, dass Du versuchst, meine Arbeit zu sabotieren, hacke ich Dir die Hände ab“, bemerkte er streng. Wenige Sekunden später verzogen sich seine Lippen jedoch zu einem Lächeln. „Wow, Deine Augen kommen durch das Hemd super zur Geltung. Sie wirken blau mit einem Schuss grün und haben einen dunkelgrauen Kringel drumrum“, erklärte er fasziniert.
Ich klappte die Sonnenblende im Auto herunter, starrte in den kleinen Spiegel und schüttelte zweifelnd den Kopf. Meine Augen sahen aus wie immer: ein schmutziger Mix aus blau, grün und grau. Völlig unspektakulär, gewöhnlich, fast schon trist. Keine Ahnung, wo Constantin schon wieder hingesehen hatte.
Der alte Schlachthof ist voll, so voll, dass ich für eine Schrecksekunde lang die Befürchtung habe, dass wir nicht mehr eingelassen werden. Ich seufze erleichtert auf, als uns der Türsteher kurz zunickt und die Tür aufhält. Nachdem ich für Constantin und mich den Eintritt bezahlt hatte, bekommt jeder von uns noch einen Stempel auf den Handrücken gedrückt und wir werden vorgelassen.
Mir fällt sofort das gemischte Publikum auf. Das ist jedoch auch auf den ersten Blick das Einzige, das diesen Club von den Schwulenclubs, zumindest von denen, die ich kenne, unterscheidet. Na gut, die Besucher rennen hier auch nicht mit entblößtem Oberkörper herum … also gibt es vielleicht doch noch mehr Unterschiede. Dennoch fühle ich mich hier auf Anhieb irgendwie … wohler, es ist nicht so aufdringlich. Ich muss nicht bei jedem Schritt befürchten, angemacht zu werden.
Links und rechts des riesigen Raumes, befindet sich je eine Bar. Sowohl im vorderen, als auch im hinteren Bereich, führen Treppen nach oben auf eine Art Galerie, die rund herum führt. Ich kann es zwar in der Dunkelheit nicht genau erkennen, aber ich meine dort oben einige Sofas, Tische, Stühle und Bänke erkennen zu können. Unten, in der Mitte befindet sich die Tanzfläche, bevölkert von unzähligen Menschen, die sich im Takt der Musik bewegen. Dahinter, auf einer kleinen Bühne, gibt die Band im Moment 'Wonderful Life' von Hurts zum Besten. Ich bin angenehm überrascht, für einen Live-Auftritt in einem überfüllten Club hört sich das noch nicht mal schlecht an. Ich tippe Constantin kurz mit dem Ellbogen an und deute mit dem Kinn in den hinteren Bereich in Richtung der Band. Ich werde zusehends nervöser und umklammere eine von Constantins Händen.
„Au“, jault er gequält auf, „brich mir doch die Knochen.“
„Sorry“, erwidere ich zerknirscht und lockere den Griff. Mir war gar nicht bewusst, dass ich so fest zugedrückt hatte.
„Du musst unbedingt etwas runterkommen Schätzchen, bevor noch jemand ernsthaft zu Schaden kommt. Hopp, auf zur Bar, ich spendiere Dir sogar was“, widerwillig lasse ich mich von Constantin vorwärts schieben. Mein Flucht-Instinkt ist irgendwie gerade übermächtig.
„Eigentlich ist mir viel eher danach, das Weite zu suchen“, gebe ich ehrlich zu.
„Das kommt ja mal überhaupt nicht infrage. Ich habe doch nicht den ganzen Abend damit zugebracht aus Dir diesen sexy Typen zu machen, damit Du jetzt den Schwanz einziehst“, erwidert er unnachgiebig.
„Ist ja gut Herr Oberfeldwebel“, knurre ich. Dann schiebe ich jedoch wesentlich versöhnlicher nach: „Findest Du wirklich, dass ich sexy aussehe?“
„Also ich würde Dich ficken, wenn Du nicht mein bester Freund und eine solche Trantüte wärst“, grinst er süffisant und fährt sich mit der Zunge über die Oberlippe.
„Arsch“, lache ich und strecke ihm die Zunge raus.
„Hurra, Du hast das Lachen ja doch nicht verlernt“, meint er übertrieben enthusiastisch und schubst mich kichernd in Richtung der rechten Bar. „Los jetzt, ich hab Durst. Dein Trommler und seine Jungs sind übrigens gar nicht mal schlecht. “
„Find ich auch“, antworte ich und werfe erneut einen Blick in Richtung Bühne, wir sind aber immer noch zu weit entfernt, um mehr erkennen zu können.
„Willst Du was Bestimmtes?“, fragend richtet sich Constantins Blick auf mich.
Ich zucke mit den Achseln. „Mir egal, irgendwas. Vielleicht nicht grad 'nen Long Island Icetea“, antworte ich und verziehe das Gesicht zu einer Grimasse. Von dem Zeug hauen mich wenige Schlucke bereits komplett aus den Latschen.
„Weichei“, grinst er und wendet sich wieder an den Barkeeper.
Einige Momente später wird mir ein Longdrink-Glas mit dunklem Inhalt in die Hand gedrückt. Skeptisch betrachte ich den Drink und befürchte eigentlich schon, dass Constantin meine Bitte absichtlich ignoriert hat. Ich schnuppere daran und gebe ein erleichtertes „Danke“, von mir. „Riecht wie Whiskey-Cola.“
„Das könnte daran liegen, dass es Whiskey-Cola ist. Was dachtest Du denn?“, erwidert er und seine Augen funkeln amüsiert. Dann stößt er mit seinem Glas gegen das meine und ruft: „Skal!“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in seinem Glas nur Cola befindet. Er trinkt grundsätzlich nicht, wenn er mit dem Auto unterwegs ist, noch nicht einmal ein winziges Glas Bier. Ich habe ihn generell noch niemals so richtig betrunken erlebt. Allenfalls vielleicht einmal leicht beschwipst und selbst das ist Jahre her.
Wir kämpfen uns vorsichtig und darauf bedacht, nicht angerempelt zu werden, an der Bar entlang in den hinteren Bereich. Mit jedem Zentimeter, den wir näher zur Bühne vorrücken, werden meine Beine schwerer und meine Brust enger. Mein Blick ist mittlerweile starr auf den Schlagzeuger gerichtet. Ich kann zumindest schon einmal erkennen, dass er dunkle Haare hat … aber das wusste ich im Grunde ja schon durch das Zeitungsbild.
Mit den letzten Klängen irgendeines Liedes aus den aktuellen Charts, erlischt auch das Licht auf der Bühne. Lediglich Sänger, Gitarrist, Bassgitarrist und Keyboarder sind in einen diffusen Schein gehüllt. Der Schlagzeuger hingegen liegt in völliger Dunkelheit.
Ich blinzle ungläubig. Soll das ein Scherz sein? Gerade dann, wenn ich nahe genug wäre, um Nick genauer sehen zu können, schalten die das Licht aus? Ich muss an mich halten, um nicht in hysterisches Kichern auszubrechen.
Dann erklingen die ersten Takte von 'In the air tonight'. Gebannt lausche ich der Musik und versuche krampfhaft doch irgendwelche Details in der Schwärze erkennen zu können. Wir sind mittlerweile recht nahe an die Bühne herangetreten und ich kann zumindest Nicks Silhouette erkennen. Ich lehne mich an einen Stützpfeiler unmittelbar neben der Bühne und fühle, wie mir Constantin beruhigend über den Rücken streicht. Dann warte ich einfach ab … irgendwann muss dieses bescheuerte Licht ja mal wieder angehen.
„… some stranger to you and …“, singt der Kerl am Mikro.
Die Stimme ist noch nicht ganz verklungen, als die Beleuchtung komplett ausgeschaltet und lediglich ein einzelner Spot direkt auf den Schlagzeuger gerichtet wird. Die Menge beginnt zu kreischen und ich halte unwillkürlich den Atem an. Dann schlägt Nick kraftvoll mit seinen Sticks auf die Trommeln ein und scheucht mit jedem Hieb Dutzende von Schmetterlingen in meinem Bauch auf. Ich umfasse fast schon panisch Constantins Oberarm, da ich befürchte, dass meine Beine unter mir nachgeben.
„Heilige Scheiße“, kommt es fast schon andächtig von Constantin. „Bist Du Dir wirklich sicher, dass das Dein Nick ist?“
Ich nicke, dann schüttle ich den Kopf. Ich weiß es nicht. Dieser Kerl hier ist zumindest der absolute Hammer. Ich kann nicht wirklich sagen, wie ich mir Nick vorgestellt habe, jedoch nicht so … wild, gefährlich und vor allem nicht so unerhört sexy.
Elegant, fast schon akrobatisch, lässt er die Sticks über seine Finger gleiten. Mein Blick wandert weiter zu seinen kräftigen Unterarmen. Er trägt ein ziemlich enges schwarzes Shirt ohne Ärmel, das mehr betont, als verbirgt und ich kann von meiner Position aus deutlich die Muskeln erkennen, die bei jeder Bewegung unter seiner Haut arbeiten. Ich lasse meine Augen über seinen Adamsapfel gleiten, dann über sein ausdrucksstarkes Kinn und schließlich verweilt mein Blick an seinen vollen Lippen, auf denen im Moment ein entrücktes Lächeln liegt. Der ausgeprägte Unterkieferknochen gibt seinem Gesicht eine fast schon kantige Form. Die Nase ist gerade, sein Haar ist tatsächlich pechschwarz und ähnlich verstrubbelt wie mein eigenes heute. Am Auffälligsten jedoch sind seine Augen. Sie sind von einem hellen Grau und einer durchdringenden Intensität und sie richten sich in diesem Augenblick direkt auf … mich.
Das entrückte Lächeln verändert sich. Es ist jetzt kaum verhohlener Spott, gepaart mit etwas, das ich nicht so recht zuordnen kann, das mir mittlerweile aus seinen durchdringenden Augen entgegen blitzt. Ich schnappe unwillkürlich nach Luft und senke ertappt den Kopf. Das Blut rauscht durch meinen Körper und ich fühle, wie meine Wangen warm werden.
Constantin rückt näher und ich höre ihn leise an meinem Ohr lachen. „Mir scheint, Du wurdest bereits bemerkt.“
Ich wage erneut einen heimlichen Blick und schüttle langsam den Kopf. „Bei dem habe ich doch niemals eine Chance. Sieh Dir diesen Gott doch mal an“, seufze ich.
„So? Meinst Du? Während Du gerade darum bemüht warst, nicht zu Boden zu gehen, habe ich mir den Kerl mal etwas genauer unter die Lupe genommen“, schmunzelt er.
„Wer bei dem Kerl keine weichen Knie bekommt, würde auch einen Ian Somerhalder von der Bettkante stoßen“, seufze ich laut.
„Auf dem Boden ist ohnehin mehr Platz“, bemerkt er trocken.
Ich grunze amüsiert, dann werde ich jedoch wieder ernst. „Und? Hast Du irgendwas Interessantes entdeckt?“
„Nur, dass Du gerade splitterfasernackt neben mir stehst, ist das interessant genug für Dich?“
„Was?“, frage ich irritiert nach.
„Du scheinst ihm zu gefallen, er hat Dich jedenfalls mit den Blicken geradezu ausgezogen. Er sieht übrigens schon wieder zu Dir“, antwortet Constantin und wackelt bedeutungsvoll mit den Augenbrauen.
Ich hebe den Kopf und treffe erneut auf Nicks Blick. Doch dieses Mal wende ich mich nicht ab. Seine Mundwinkel zucken amüsiert und er nickt mir kaum merklich zu. Dann konzentriert er sich wieder auf seine Musik und überlässt mich meinem inzwischen glühenden Kopf und einer Schar Insekten, die einen Völkeraufstand in meinem Bauch zu proben scheinen.
Das Lied ist irgendwann zu Ende, doch anstatt der nächsten Klänge, ist es die Stimme des Sängers, die aus den Lautsprechern tönt: „Wir machen jetzt eine kleine Pause, doch vorher möchten wir uns noch bei all denjenigen vorstellen, die noch nicht wissen, wer wir sind. Begrüßt mit mir Jo an der Gitarre“, ein Spot wird auf einen der Gitarristen gerichtet und er schlägt einen kurzen Jingle an. Lauter Applaus ertönt aus dem Publikum, auch Constantin und ich klatschen in die Hände. „Marcel am Bass“, der Spot wechselt auf den anderen Gitarristen. Auch er spielt eine kurze Melodie. „Maik am Keyboard“, gleiches Spiel wie bei den anderen beiden zuvor. „Nick an den Drums“, auch Nick hämmert eine kurze Schlagfolge auf sein Instrument. Der Applaus wird lauter. „Und meine Wenigkeit heißt David. Die ‚Shooting Five bedanken sich, dass wir heute Abend für euch spielen dürfen. Ihr seid ein super Publikum! Wir sehen uns in etwa einer Viertelstunde wieder.“ Der Applaus hält immer noch an, als die Bühne längst in Dunkelheit liegt und ein DJ die Arbeit übernommen hat.
Ich kippe den Rest meines inzwischen abgestandenen Whiskey-Cola hinunter und drehe mich etwas unschlüssig zu Constantin um. Ich stehe immer noch etwas neben mir, fühle jedoch, dass der Alkohol seine Arbeit verrichtet, denn zumindest der Aufruhr in meiner Magengegend verebbt ganz allmählich wieder.
„Wie lange hattest Du eigentlich vor zu bleiben?“, kommt es irgendwann von Constantin.
„Keine Ahnung. Warum fragst Du?“, erwidere ich überrascht.
„Weil ich nicht allzu spät zuhause sein sollte. Ich müsste morgen noch einige Tests korrigieren“, antwortet er.
„Dein Auto, Du bestimmst, wann wir gehen. Ich bin ja schon froh, dass Du überhaupt mitgekommen bist. Sag einfach Bescheid“, ich zucke mit den Achseln und lächle ihn an.
„Du könntest natürlich auch hier bleiben “, grinst er.
„Ich bleibe garantiert nicht alleine hier“, antworte ich kopfschüttelnd.
„Oh, ich denke nicht, dass Du lange allein bleiben würdest.“ Was grinst der mich denn so blöde an?
„Wie kommst Du denn auf das schmale Brett?“, frage ich irritiert.
„Naja, es sieht so aus, als ob Du gleich Besuch bekommen würdest. Da steuert nämlich gerade jemand direkt auf Dich zu“, lacht er und deutet mit dem Kinn über meine Schulter hinweg auf einen Punkt hinter mir.
„Hey“, erklingt eine tiefe Stimme nur wenige Momente später und ich wirble erschrocken herum.
Ich schlucke trocken und bemerke schon wieder, dass meine Wangen heiß werden. Mit klopfendem Herzen hebe ich den Kopf und sehe direkt in Nicks Augen. „Hallo“, antworte ich und bin erstaunt, dass ich überhaupt einen Ton heraus bekomme.
Er lächelt und macht damit auch den winzigsten beruhigenden Effekt des Alkohols wieder zunichte. Ob der Kerl auch nur die geringste Ahnung davon hat, welche Wirkung er auf andere und insbesondere auf mich hat? Er hebt eine Augenbraue und seine Mundwinkel zucken spöttisch. Natürlich weiß er es.
„Du scheinst neu hier zu sein, ich habe Dich zumindest bisher noch nie hier gesehen. Verrätst Du mir, wie Du heißt?“, sein dunkler Bariton fährt mir durch Mark und Bein.
„Ich bin heute das erste Mal hier“, gebe ich zurück. „Ich heiße Moritz. Und das da …“, ich deute mit dem Daumen über meine Schulter und drehe mich kurz zu Constantin um, „ist Constantin.“
Er nickt Constantin kurz zu, wendet sich jedoch sofort wieder an mich. „Ich bin Nick“, grinst er.
„Hm, dachte ich mir schon“, antworte ich und erwidere sein Grinsen.
Er deutet auf das leere Glas, das ich immer noch in der Hand halte und will wissen: „Ich könnte etwas zu trinken vertragen, leistest Du mir dabei Gesellschaft?“
„Natürlich tut er das“, antwortet Constantin gut gelaunt an meiner statt. „Tut einfach so, als wäre ich unsichtbar. Ich müsste eh kurz wohin“, ergänzt er und kämpft sich tatsächlich durch die Menschenmenge davon. Er kann mich doch nicht einfach hier alleine zurück lassen. Hilfe! Unsicher blicke ich ihm hinterher.
Nick scheint sich an meiner Unsicherheit nicht zu stören, oder er übersieht sie einfach, denn er lacht nur leise, greift nach meinem Handgelenk und zieht mich hinter sich her. Seine Hand fühlt sich angenehm warm an und ich schließe für einen kurzen Moment genüsslich die Augen.
Erstaunlich schnell kommen wir an der Bar an. Es scheint fast so, als würde Nick allein durch seine pure Anwesenheit eine Art Schneise durch die anderen Besucher hindurch schneiden, denn sie machen ihm unwillkürlich sofort Platz. Es sind nicht gerade wenige Augenpaare, die bewundernd auf ihm liegen. Er begrüßt den Barkeeper mit einem kurzen Handschlag und lässt gleichzeitig mein Handgelenk los. Sehr zu meinem Bedauern. Der Typ hinterm Tresen wirft mir einen kurzen aber abschätzenden Blick zu, es ist derselbe Kerl, bei dem auch Constantin vorhin unsere Getränke bestellt hatte. Ich glaube ich möchte gar nicht wissen, was er im Moment über mich denkt.
„Hast Du einen bestimmten Wunsch, oder vertraust Du mir?“, fragt Nick und zieht eine Augenbraue spöttisch nach oben.
Ganz kurz schießen mir irgendwelche Horrorszenarien über K.O.-Tropfen durch den Kopf, ich merke jedoch schon im nächsten Augenblick, wie albern solche Gedanken sind. Wenn Nick tatsächlich vorhätte, jemanden abzuschleppen, bräuchte er garantiert keine derartigen Hilfsmittel. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Hälfte aller Frauen ihm ohne mit der Wimper zu zucken folgen würde, egal wohin. Und wenigstens ein Kerl ebenfalls …
Ich zucke mit den Achseln. „Irgendwas“, erwidere ich recht einfallslos.
Nick wendet sich wieder von mir ab und gibt mir somit die Möglichkeit, ihn zu mustern, ohne, dass er es mitbekommt. Das heißt, sofern ihm mein Blick kein verräterisches Loch in den Rücken brennt.
Er ist größer als ich. Er überragt mich sogar um gut einen halben Kopf. Fasziniert stelle ich fest, dass nicht nur die Muskeln an seinen Oberarmen wohl definiert sind, sondern auch die ganze Rückenpartie samt Schultern sich sehen lassen kann. Mehr als das. Sein verdammt sexy Hintern steckt in einer schwarzen Lederhose und lädt einen geradezu ein, mit den Händen fest zuzupacken.
Ich zucke kurz zusammen, als Nick sich kurze Zeit später wieder zu mir umdreht und mir ein Glas mit dunklem Inhalt und Eiswürfeln entgegen hält. Unwillkürlich muss ich grinsen, als ich ihm den Whiskey abnehme. „Danke“, erwidere ich.
„Und? Geschmack getroffen?“, fragt er und ich bin mir im Moment wirklich nicht sicher, ob er das Getränk meint, oder eher sich selbst.
„Oh ja“, antworte ich und stoße immer noch lächelnd gegen sein Glas.
„Ist es wirklich okay, dass ich Dich einfach so entführt habe? Ich möchte nicht, dass ihr beide Ärger miteinander bekommt“, meint Nick plötzlich und irgendwie klingt er tatsächlich etwas … verunsichert.
Ich lächle und schüttle den Kopf. „Constantin und ich haben schon im Sandkasten zusammen gespielt. Er ist mein bester, nicht mein fester Freund.“
Er grinst und ich meine fast so etwas wie Erleichterung in seinem Gesicht erkennen zu können. Ich überlege allerdings noch, ob das, was ich zu erkennen glaube, tatsächlich echtem Optimismus entsprungen ist, oder doch eher purem Wunschdenken. Dann beugt er sich plötzlich zu mir herunter und flüstert in mein Ohr: „Wir spielen gleich nochmal. Bist Du später noch da?“ Sein Atem streift meine Haut und ich stolpere beinahe über meine eigenen Füße. Will der Kerl, dass ich hier vor all den Leuten über ihn herfalle? Nicht, dass ich mich das tatsächlich jemals trauen würde. Dennoch: hat der sie noch alle?
„Ich … ich weiß noch nicht“, stammle ich. „Das kommt auf Constantin an. Sein Auto, seine Entscheidung“, bringe ich hervor und klinge ebenso atemlos, wie ich mich fühle.
„Dann werde ich mich wohl einfach überraschen lassen müssen, nicht wahr?“ Seine Mundwinkel verziehen sich schon wieder zu einem spöttischen Lächeln. Dann hebt er mit einem Finger mein Kinn an und haucht einen zarten Kuss auf meine Lippen. Anschließend nimmt er wieder Abstand, leert sein Glas in einem Zug und stellt es zurück auf den Tresen. Wie vom Donner gerührt, bleibe ich einfach stehen und starre ihm ungläubig hinterher, als er ohne ein weiteres Wort in der Menge verschwindet.
Keine Ahnung, wie ich es letztendlich zurück zu meinem Stützpfeiler und Constantin geschafft habe. Ich bin immer noch ziemlich aufgewühlt, als ich schließlich bei ihm ankomme.
„Und?“, grinst er mir entgegen.
„Er wollte wissen, ob Du und ich ein Paar wären“, erkläre ich tonlos.
„So?“, tut er gespielt überrascht.
„Und er hat mich geküsst“, ich kann immer noch nicht glauben, dass er das wirklich getan hat.
„Ja, das habe ich gesehen. Ihr gebt ein echt heißes Paar ab“, meint er schmunzelnd.
„Und ich glaube, er hätte gerne, dass ich später noch da bin … also wenn sie fertig sind mit Spielen.“
„Und wo ist das Problem?“, meint er achselzuckend.
„Ich weiß nicht so recht. Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl dabei“, erwidere ich.
„Moritz“, stöhnt er und ich komme mir schon wieder vor, wie einer seiner Schüler. „Der Kerl ist ganz offensichtlich ziemlich scharf auf Dich, lass Dir doch diese Gelegenheit nicht entgehen.“
„Aber … aber was ist, wenn er … na du weißt schon“, gebe ich etwas ungehalten von mir.
„Sex? Um Gottes Willen, wie schrecklich. Wo kämen wir denn hin, wenn Moritz Möller endlich mal wieder richtig durchgevögelt werden würde. Nicht auszudenken!“ Er schüttelt den Kopf und stößt mich mit dem Ellbogen lachend an.
„Idiot“, grinse ich.
„Lass es doch einfach auf Dich zukommen. Ihr seid beide erwachsene Männer, auch wenn ich mir bei Dir da manchmal nicht so sicher bin“, ein breites Grinsen zieht sich von einem Ohr zum anderen. „Wenn ihr es beide wollt, ist es doch okay. Wenn nicht, nimm Dir ein Taxi nachhause.“
„Du hast ja recht …“, gebe ich mich geschlagen.
„Natürlich habe ich das“, erwidert er gut gelaunt. Dann wird er jedoch ernst: „Moritz?“
Ich sehe ihn fragend an.
„Wenn das heute was wird mit euch beiden, dann sag ihm die Wahrheit. Lass es nicht zu, dass Dir die ganze Geschichte irgendwann um die Ohren fliegt“, rät er mir.
„Ich weiß“, antworte ich leise. „Ich kann nur nicht einschätzen, wie er darauf reagieren wird“, ergänze ich.
„Trotzdem ist es besser, er erfährt es von Dir, als dass er durch einen dummen Zufall dahinter kommt. Insbesondere wenn es vielleicht nicht bei dieser einen Nacht bleiben sollte.“
Ich seufze und nicke schließlich.
*
Es ist fast zwei Uhr, als ich Nick auf mich zukommen sehe. Constantin hatte sich schon vor gut einer Stunde von mir verabschiedet und ich habe die Zeit seither in einer Art erwartungsvoller Freude verbracht. Dabei geholfen haben mir zwei weitere Gläser Whiskey-Cola, ohne die ich vermutlich längst schon vor lauter Nervosität tot umgefallen wäre.
„Schön, dass Du geblieben bist“, sagt Nick, kaum, dass er vor mir steht.
„Ja“, etwas unsicher hebe ich den Kopf und sehe ihm in die Augen. Ich bin hier geblieben, und eigentlich hätte ich jetzt gerne etwas dafür. Ich kann seit dieser Pause an nichts anders mehr denken, als an diese weichen Lippen, deren flüchtige Berührung gerade einmal ausgereicht hat, um meinen Appetit anzuregen und von denen ich unbedingt noch einmal berührt werden möchte.
Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, beugt er sich zu mir herunter. Reflexartig fallen meine Lider zu. Dieses Mal stehe ich aber nicht einfach nur da, wie ein Huhn wenn‘s donnert, sondern erwarte seinen Mund. Seine Nähe ist … betörend, anders kann man es einfach nicht nennen. Ich würde mich gerne eng an ihn pressen, denn er kommt mir auf eine eigenartige Weise vertraut vor … ist es vermutlich auch, denn im Gegensatz zu ihm, kenne ich ihn ja bereits seit fast zwei Wochen, zumindest habe ich eine vage Ahnung, was für ein Mensch er ist, sofern nicht alles gelogen war, das er mir so über sich erzählt hat. Andernfalls wäre ich niemals ohne Constantin hier geblieben und würde mir auch keine Gedanken darüber machen, vielleicht sogar die Nacht mit Nick zu verbringen. Ich lasse mich einfach … treiben. Das hätte ich bei einem vollkommen Fremden niemals gekonnt.
Und so genieße ich die Weichheit seines Mundes, das unrasierte Kinn, seinen Geruch … den Geschmack seiner Zungenspitze, die sich zwischen meinen Lippen hindurch schieben will. Ich öffne mich ihm, lege beide Arme um seinen Nacken und ziehe ihn noch näher an mich. Gierig nimmt er meine Einladung an und es entsteht ein stetiges gegenseitiges Vortasten und Zurückziehen. Es macht mich an, und wie. Ihn offensichtlich auch, sofern ich diese Schwellung zwischen seinen Beinen richtig interpretiere. Wir unterbrechen schließlich etwas keuchend den Kuss. Sehr zu meinem Bedauern, denn ich könnte Stunden damit verbringen, ihn zu küssen.
„Wow“, entfährt es mir und ich kann einfach nicht anders, ich vergrabe mein Gesicht an seinem Hals. Er riecht wundervoll. Eine winzige Spur nach Schweiß, ganz dezent nach einem Parfüm oder Aftershave, das ich nicht kenne, aber ansonsten einfach nur nach Mann.
„Was“, Nick räuspert sich kurz, „was hältst Du davon, wenn wir von hier verschwinden?“
Viel, sehr viel sogar. „Okay“, hauche ich an seinem Ohr. Mehr Worte bedarf es nicht. Nick nimmt meine Hand und zieht mich zum zweiten Mal an diesem Abend hinter sich her.
„Jo hat den Transporter mit den Instrumenten mitgenommen, wir müssen also entweder zu Fuß gehen oder uns ein Taxi rufen“, meint er fast schon bedauernd.
„Wohnst Du weit von hier?“, höre ich mich fragen.
Er schmunzelt. „10 Minuten Fußmarsch etwa.“
„Dann lass uns gehen. Um diese Uhrzeit dauert es bestimmt ewig, bis ein Taxi hier draußen ist.“ Bin ich von Sinnen? Ich habe es doch sonst nicht so eilig.
Er beißt sich grinsend auf die Unterlippe. „Hast Du es eilig?“
„Du nicht?“, kontere ich.
„Du hast ja keine Ahnung“, antwortet er mit einem gierigen Funkeln in den Augen und setzt sich in Bewegung. Ich folge ihm.
Schweigend bringen wir den Weg hinter uns. Aber es ist keine unangenehme Stille, eher … erwartungsvoll. Gedanken darüber, ob das hier richtig oder falsch ist, lasse ich einfach nicht zu. Die frische Luft hilft mir dabei, das unliebsame Flüstern meines Verstandes gekonnt zu ignorieren. Ich will diese Nacht, und das lasse ich mir auch von meinem aufbegehrenden Gewissen nicht vermiesen.
Schneller als erwartet, stehen wir vor einem Mehrfamilienhaus. Nick kramt einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und öffnet die Tür. Zwei Stufen auf einmal nehmend, steuert er die erste Wohnungstür auf der linken Seite an.
„Möchtest Du etwas trinken?“, fragt er, als wir in seiner Wohnung stehen und er mich mit einem Funkeln in den Augen ansieht. Natürlich weiß ich, dass diese Frage pure Höflichkeit ist. Er hat mich nicht auf einen gemütlichen Umtrunk mit in seine Wohnung genommen. Uns beiden steht der Sinn nach etwas ganz anderem.
Deshalb schüttle ich auch nur den Kopf und grinse ihn von unten herauf an. In der nächsten Sekunde fühle ich auch schon Nicks Hand in meinem Nacken und seine Lippen auf den meinen. Ich schlinge meine Arme um seine Hüften während seine andere Hand über meinem Rücken streicht und sich schließlich unter mein Hemd stiehlt.
„Es hat mich total irre gemacht, Dich da unten stehen zu sehen und nicht zu Dir zu können“, nuschelt er irgendwann. „Ich habe beim Spielen ständig gepatzt.“
„Hat man nicht gemerkt“, flüstere ich zurück, und ich fühle mich einfach großartig.
„Dann bin ich ja beruhigt, eigentlich wollte ich Dich doch beeindrucken“, meint er schwer atmend und beißt sachte in mein Ohrläppchen.
„Hat funktioniert“, gebe ich keuchend zurück.
„Tatsächlich?“, grinst er.
„Oh ja“, antworte ich und drücke meine Lenden gegen seinen Oberschenkel. Das sollte ihn wohl davon überzeugen, dass ich mehr als nur ein bisschen beeindruckt von ihm bin. „Und jetzt hör auf zu quatschen und küss mich lieber“, fordere ich. Ich habe keine Ahnung, wo ich all diesen Mut hernehme. Vielleicht ist es ja wirklich die Tatsache, dass ich ihn durch den Chat schon einige Zeit kenne, oder der Alkohol leistet doch bessere Arbeit, als zunächst gedacht. Möglicherweise ist es aber auch die Kombination aus beidem.
„Ganz wie der Herr es wünscht“, nuschelt er an meinen Lippen und presst sich eng an mich.
Das ist dann auch tatsächlich das Letzte, das man von Nick hört, wenn man einmal von den lustvollen Seufzern absieht, die er von Zeit zu Zeit von sich gibt. Auch ich kann nicht anders und stöhne ungehalten, als er mein Hemd aufknöpft und damit beginnt seine Hände über meine nackte Brust wandern zu lassen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so scharf gewesen wäre, wenn ich es überhaupt schon einmal gewesen bin. Ich kann mich nicht entscheiden, ob es mir nicht schnell genug geht, weil ich am liebsten alles sofort haben möchte, oder ob mir das ganze viel zu schnell geht, weil ich es so lange wie möglich genießen und auskosten möchte.
Nick nimmt mir die Entscheidung ab, indem er mich in eines der Zimmer bugsiert. Es ist zwar zu dunkel, um etwas erkennen zu können, aber wenn ich raten müsste, würde ich auf das Schlafzimmer tippen. Bingo, es ist eindeutig eine Matratze, auf die ich geschubst werde. Nick lässt kurz von mir ab und greift in die Dunkelheit. Eine Sekunde später wird das Zimmer in ein weiches Licht getaucht.
Nick ist über mir, mit den Armen rechts und links meines Kopfes auf der Matratze abgestützt, und sieht auf mich herunter. Ein hungriger Blick aus dunkelgrauen Augen trifft mich und ich kann nur ahnen, dass in meinen Augen ein ähnliches Feuer lodert. Ungeduldig ziehe ich ihn zu mir herunter und verwickle ihn in einen stürmischen Kuss. Er lässt sich keuchend der Länge nach auf mich sinken. Dann beginnt er im Rhythmus unserer Zungen seinen Unterkörper an dem meinen zu reiben. Ich meine vor Lust fast vergehen zu müssen. Ich stöhne ungehalten auf.
„Nick“, murmle ich an seinen Lippen. Es ist zu viel, viel zu viel. Wir haben uns noch nicht einmal angefasst und ich stehe kurz davor eine unglaubliche Schweinerei in meinen Pants anzurichten.
Er scheint mich verstanden zu haben, denn er stellt jegliche Bewegung ein. Er gibt uns einen Moment, damit wir die Möglichkeit haben, etwas runterzukommen. Dann schiebt er mein Hemd auseinander und beginnt damit mit beiden Händen Millimeter für Millimeter meine Brust und meinen Bauch zu erkunden. Sein Atem streicht heiß über meine empfindlichen Brustwarzen, bevor er eine davon in den Mund nimmt und zunächst zart, dann aber kräftiger daran saugt. Danach pustet er darüber und beschert mir damit eine unglaubliche Gänsehaut. Währenddessen haben es seine Hände bis zu meinem Hosenbund geschafft. Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand öffnet er geschickt den Knopf, der Reißverschluss folgt unmittelbar danach.
„Heb Dein Becken an“, flüstert er.
Er hat noch nicht einmal richtig ausgesprochen, da löse ich meinen Hintern von der Matratze. Mit einer fließenden Bewegung streift er mir sowohl Hose als auch Pants vom Körper. Die Schuhe hatte ich mir schon vorher von den Füßen gestrampelt. Ich hebe meinen Oberkörper an und schlüpfe aus dem Hemd. Achtlos werfe ich es neben Nicks Bett.
Nun liege ich völlig nackt vor ihm. Aber anders als bei den anderen Männern, mit denen ich bisher im Bett war, fühle ich mich nicht unbehaglich… im Gegenteil. Irgendwie schafft es Nick mit seiner ganzen Art, dass ich mich… begehrenswert fühle.
„Du bist verdammt sexy“, flüstert er plötzlich.
„Hey, pass auf … am Ende glaube ich Dir das noch“, versuche ich zu scherzen.
„Das war absolut ernst gemeint, mir gefällt Dein Körper, sehr sogar“, erwidert er und lässt seinen Blick bewundernd über meine Nacktheit schweifen.
Ich bin zu gerührt, um ihm eine Antwort darauf zu geben. Stattdessen lege ich eine Hand auf seine Wange und streiche mit dem Daumen über seine rot geküsste Unterlippe. Er schließt die Augen, öffnet seinen Mund und stupst mit der Zungenspitze meinen Daumen an. Dann schnappt er danach und saugt ihn in seinen Mund. Dieser Anblick schickt sofort Impulse direkt in meine Lenden und ich ziehe scharf die Luft ein.
Nick grinst und seine Augen blitzen diabolisch auf. Gleichzeitig greift er zwischen meine Beine und drückt einmal, zwar kräftig, aber nicht schmerzhaft, zu. Ein langgezogenes Stöhnen dringt von ganz weit unten in meiner Kehle empor und verlässt ungehemmt meinen Mund. Wie kann es nur sein, dass er ganz genau weiß, wie er mich um den Verstand bringen kann? Ich bin so aufgeheizt, dass ich nicht mal mehr weiß, wo oben oder unten ist.
„Dreh Dich um“, fordert er mich auf.
Ich lasse mich nicht lange bitten und rolle mich auf den Bauch. Dabei reibt mein Schwanz kurz am Bettlaken entlang. Selbst das ist fast zu viel. Ich nehme meine Arme nach oben und schiebe sie rechts und links von meinem Kopf unter das Kissen. Das Gesicht vergrabe ich in den wohlriechenden Baumwollstoff und versuche meine Atmung wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen.
Es gelingt mir auch tatsächlich, mich wenigstens ein klein wenig zu entspannen. Als ich jedoch Nicks Zähne in meinem Nacken fühle, ist all die mühsam zusammen gekratzte Beherrschung wieder beim Teufel. Lange halte ich dieses Wechselspiel zwischen Überreizung und Ignorieren nicht mehr aus. Irgendetwas muss passieren… und wenn ich selbst Hand an mich legen muss. Meine Härte lechzt nach Berührung und Nick hat bislang noch keine Anstalten gemacht, dieser Region südlich meines Bauchnabels näher zu kommen.
Im Moment haucht er zarte Küsse über meinen Rücken. Langsam arbeitet er sich bis zu meinem Hintern vor und bringt mich damit erneut schier um den Verstand. Er knetet meine Pobacken, beißt leicht hinein, spreizt sie, fährt mit einem Finger kurz tiefer und streicht mit den Händen wieder den Rücken nach oben. Ich wimmere leise in das Kissen hinein.
Dann sind seine Hände erneut an meinem Hintern. Wieder spreizt er meine Pobacken… doch diesmal fühle ich seine feuchte Zunge dazwischen. Ich stehe kurz vorm Durchdrehen. Spätestens jedoch, als ich auch noch einen Finger fühle, der sich vorsichtig in mein Inneres bahnt, meine ich vor Lust sterben zu müssen. Dann ist der Finger plötzlich verschwunden, jedoch nur, um kurz darauf mit einem seiner Kumpel zurückzukehren. Ich beiße mich im Kissen fest, um den Aufschrei zu dämpfen. Keine Ahnung, wie dick die Wände hier sind. Die Nachbarn müssen nicht unbedingt mitbekommen, was wir hier gerade treiben, beziehungsweise was Nick mit mir treibt.
„Ist das okay für Dich?“, höre ich ihn fragen.
„Mehr als das“, keuche ich und spreize meine Beine noch weiter.
Er entzieht mir seine Finger und ich brumme einmal kurz, um mein Missfallen zu bekunden. Nick lacht leise, dann höre ich einen Verschluss klacken und kurze Zeit später sind sie zurück. Glitschig diesmal. Nick lässt sich Zeit. Ob er mich damit wahnsinnig machen möchte oder einfach nur übervorsichtig ist, kann ich nicht sagen. Wie auch immer, es …
„… reicht“, knurre ich.
„Ich will Dir nicht weh tun“, meint er leise.
„Tust Du nicht“, antworte ich.
„Okay“, höre ich ihn mit fast schon zittriger Stimme hinter mir sagen. Dann kommt Bewegung in ihn. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mensch so schnell seine Kleidung losgeworden ist, wie Nick gerade. Es dauert wirklich nur Sekunden, bis ich Plastik reißen höre und zwei Hände, fast schon ein wenig grob, nach meinem Hintern greifen.
Mühelos durchstößt er meinen Eingang und schiebt sich in mich. Endlich. Durch all die vorangegangenen Reize ist der Schmerz mehr als nur ein bisschen willkommen. Er hindert mich daran, dem ganzen Geschehen ein vorzeitiges und damit für mich peinliches Ende zu nehmen. Ich drücke ihm mein Becken entgegen, um ihm zu signalisieren, dass ich nicht aus Zucker bin. Die Botschaft scheint angekommen zu sein, denn er geht nahezu sofort in eine etwas härtere Gangart über.
„Du machst mich irre“, erklingt es an meinem Ohr, bevor er zarte Bisse auf meinem Nackenbereich verteilt.
Als Antwort erhält er ein lautes: „Oh Gott!“, denn just in diesem Augenblick landet er einen Volltreffer. Ich sehe beinahe Sternchen. Meine Vorderseite reibt bei jedem Stoß über das Laken und es dauert nicht lange bis der Zeitpunkt erreicht ist, an dem ich es einfach nicht mehr zurückhalten kann. Der Höhepunkt bricht über mich herein und reißt auch Nick unbarmherzig mit sich.
Schwer und angenehm liegt er auf meinem Rücken und ist ebenso bemüht, wieder zu Atem zu kommen, wie ich selbst. Ich kann seinen schnellen Herzschlag spüren, und ich fühle mich einfach nur sauwohl. Ich glaube fast, das war der beste Sex, den ich jemals hatte. Mir mag im Moment zumindest niemand einfallen, mit dem es ähnlich schön und vor allem ähnlich geil gewesen wäre.
Träge gleitet Nick aus mir und lässt sich neben mich auf die Matratze sinken. Er entsorgt das Kondom und sieht mir anschließend in die Augen. Ich erwidere unsicher seinen Blick. Keine Ahnung, was er jetzt von mir erwartet. Will er, dass ich mich anziehe und verschwinde? Meine Brust wird alleine bei dem Gedanken unangenehm eng. Zudem gesellt sich erneut das schlechte Gewissen dazu.
Als er nach einer ganzen Weile immer noch nichts gesagt hat, richte ich mich auf und schiebe enttäuscht meine Beine aus dem Bett.
„Wohin willst Du?“, höre ich ihn fragen.
„Ich …“, der Kloß in meinem Hals drückt mir fast die Kehle zu.
„Komm her“, flüstert er und hebt seinen Arm. Erleichtert krieche ich zurück ins Bett und rutsche näher, bette meinen Kopf an seine Schulter und lege den linken Arm quer über seinen Bauch. Er schiebt mit einem Finger mein Kinn nach oben und unsere Lippen finden sich zu einem behäbigen Kuss.
Das Erste, das ich am nächsten Morgen wahrnehme, ist Nicks Arm, der schwer über meiner Hüfte liegt. Ich liege mit dem Rücken zu ihm. Sein warmer Atem streicht gleichmäßig über meinen Nacken. Ich drehe mich vorsichtig zu ihm um und betrachte sein schlafendes, schönes Gesicht. Ich würde ihn jetzt gerne berühren, möchte ihn andererseits aber auch nicht wecken. Irgendwann ist die Versuchung aber doch zu groß, zumal ich vergangene Nacht irgendwie nicht die Gelegenheit dazu bekam, bestimmte Körperregionen von ihm eingehender zu erkunden.
Dementsprechend selbständig macht sich meine Hand gerade. Ich fange bei seinen Unterarmen an. Sie sind ziemlich kräftig. Ob durch seine Arbeit, durch das Schlagzeugspielen, oder durch regelmäßigen Sport, kann ich nicht sagen. Es ist im Grunde ja aber auch egal, es gefällt mir, sehr sogar. Ebenso der weiche, dunkle Flaum, der seine Unterarme bedeckt. Auch die Brustpartie, sowie der Bauch sind leicht behaart. Nicht so wahnsinnig viel, dass kein Stückchen freie Haut mehr erkennbar wäre, aber doch so viel, dass ich die Härchen heute Nacht schon an meinem Rücken gefühlt habe, als er auf mir lag.
Ich streiche mit der Hand seine Seite entlang. Erkunde seinen Hüftknochen und lasse anschließend meine Finger nach hinten auf seinen Hintern gleiten. Ich knete leicht das feste Fleisch und registriere gleichzeitig, wie sehr es mich anmacht, ihn einfach so vor mir liegen zu haben und ihn zu streicheln. Ich taste mich wieder zurück zu seiner Hüfte und nehme nun den Weg nach vorn. Überrascht schnappe ich nach Luft, als ich etwas ziemlich hartes in meinen Händen halte.
„Was erwartest Du, wenn Du mich so anfasst, hm?“, kommt es verschlafen von Nick. Keine Ahnung, seit wann er wach ist.
„Sorry, ich wollte Dich nicht wecken“, flüstere ich.
„Keine Sorge, es gibt bedeutend unangenehmere Arten aufzuwachen“, nuschelt er und fährt sanft mit den Lippen über die meinen.
Ich verstärke den Griff und streiche mit dem Daumen einmal über seine Spitze. Jetzt ist es ohnehin zu spät, geweckt habe ich ihn schon und es wäre doch jammerschade diese prachtvolle Erektion einfach ungenutzt wieder weggehen zu lassen, nicht wahr?
*
„Kaffee?“, fragt mich Nick, nachdem wir gemeinsam seine Küche betreten hatten und er sich nun einem seiner Küchenschränke widmet. Er hat sich vor einigen Minuten unter der Dusche auf eine wundervolle Art bei mir revanchiert und ich grinse immer noch wie ein Idiot.
„Gerne“, antworte ich und nehme auf einem der Stühle Platz.
„Hast Du Hunger?“, will er wissen.
Ich schüttle den Kopf. „Kaffee reicht, ich bin nicht so der Frühstücker.“ Das stimmt auch. Meine erste Mahlzeit nehme ich meist erst irgendwann in der Redaktion ein, nachdem einer der Volontäre zum Bäcker und/oder Metzger geschickt wurde.
Er nickt lächelnd, setzt einen Filter in die Maschine ein, gibt Kaffeepulver hinzu und füllt den Tank mit Wasser. Danach greift er zwei Tassen aus einem der Hängeschränke und stellt sie vor sich auf die Arbeitsplatte.
„Milch? Zucker?“, er dreht seinen Kopf in meine Richtung und sieht mich fragend an.
„Nur Milch, bitte“, antworte ich und grinse ihn an. Ich kann wirklich nichts dagegen tun … sollte ich heute sterben, wird man mir das breite Grinsen aus dem Gesicht meißeln müssen.
Während wir warten, dass der Kaffee durch die Maschine läuft, habe ich die Gelegenheit ihn noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Er trägt nur eine Jogginghose. Seine Füße stecken in einem Paar dunkler Flip Flops, sein Oberkörper ist frei. Immer wieder schweift mein Blick zu seiner Brust, dann zu seinem Bauch und dem Streifen weicher Härchen, der irgendwann in der Hose verschwindet. Er gefällt mir so wahnsinnig gut … Gott, es ist schon so lange her, seit ich einen Mann so gewollt habe, wie Nick. Und das meine ich nicht nur in sexueller Hinsicht.
Ich schrecke fast ein wenig zusammen, als er eine geöffnete Milchpackung, zwei Kaffeelöffel und schließlich zwei Becher mit dampfendem Kaffee auf den Küchentisch stellt. Dann setzt er sich auf den Stuhl neben mir.
Ich gebe einen Schuss Milch in meine Tasse und rühre gedankenverloren um, während ich immer noch nicht meinen Blick von ihm abwenden kann.
„Was?“, sagt er irgendwann und hat wieder dieses spöttische Grinsen im Gesicht, das mich Gestern schon völlig irre gemacht hat.
Meine Wangen werden heiß und ich senke den Blick in die Tasse. Ich rühre immer noch.
„Heute Morgen warst Du nicht so schüchtern“, er klingt belustigt und mir wird noch heißer, als ich daran denke, was wir in den letzten Stunden so zusammen getrieben haben. „Möchtest Du mir etwas über Dich erzählen?“
„Was“, ich räuspere mich kurz, weil ich irgendwie krächze, „was möchtest Du denn wissen?“ Ahnt er etwa etwas? Das schlechte Gewissen trifft mich mit der Wucht eines Vorschlaghammers und ich blicke starr in meinen Kaffee.
Er zuckt mit den Achseln. „Weiß nicht … alles? Nachname und Alter würden mir für den Anfang aber vermutlich schon mal reichen“, grinst er.
Ich versuche mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. „Moritz Möller und ich werde im August 30“, antworte ich brav. „Und Du?“, setze ich schnell noch hinterher. Offiziell kenne ich ja sein Alter überhaupt nicht, also wäre es vermutlich nicht verkehrt, danach zu fragen.
„Fuchs“, erwidert er, „und ich werde Ende des Jahres 28.“
Ich fühle mich schrecklich. Dieses furchtbar schlechte Gewissen frisst mich fast auf, und hindert mich daran, diesen Augenblick angemessen zu genießen.
„Nick … ich“, setze ich an. Ich muss es ihm einfach sagen. Er sieht mich abwartend an, „ich …“
„Du?“
Mein kurzer Mutschub hat sich ebenso schnell verflüchtigt, wie er aufgetaucht ist. „Ich fand das sehr schön heute Nacht … und heute Morgen“, antworte ich und könnte mich erschlagen dafür. Ich bin so ein erbärmlicher Feigling.
„Aber?“
„Kein Aber“, versuche ich zu lächeln und hoffe inständig, dass es einigermaßen ehrlich rüberkommt. „Es hat mir sehr gefallen“, betone ich noch einmal.
„Ja, mir auch“, antwortet er und ich meine fast einen zärtlichen Unterton erkennen zu können. „Und ich würde es gerne wiederholen, falls Du auch …“
„Natürlich will ich“, sage ich schnell, um ja keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Gleichzeitig fühle ich mich furchtbar schlecht.
Er sieht mich eine Weile an. Dann streckt er eine Hand aus, legt sie mir in den Nacken und zieht mich zu sich heran. Es wird ein fast schon zarter Kuss, keiner dieser atemberaubenden Küsse, bei denen man droht zu verbrennen … dennoch scheint er eine Art Versprechen zu enthalten. Und er sorgt dafür, dass mein schlechtes Gewissen endlich in den Hintergrund rückt.
„Was hast Du heute noch vor?“, flüstert er an meinen Lippen.
Ich löse mich von ihm und sehe auf meine Armbanduhr. „Ich muss später noch in die Redaktion“, seufze ich.
„Sonntags? In die Redaktion?“, fragt er erstaunt. „Womit verdienst Du Dir denn Deine Brötchen?“
„Ich arbeite bei der Tageszeitung“, antworte ich.
„Hier bei uns?“, erstaunt hebt er seine Augenbrauen.
Ich nicke, zucke dann mit den Achseln und sage: „Ein Kollege wurde krank und wir mussten seine Arbeit irgendwie aufteilen. Die Leser möchten morgenfrüh ihre Tageszeitung auf dem Frühstückstisch haben, die kommt da aber nicht von alleine hin“, erkläre ich lächelnd.
„Wow … und was machst Du da so?“
„Naja, ich gestalte das Layout verpasse den Artikeln eine Überschrift, schreibe sogar manchmal selbst was“, antworte ich.
„Das ist ja putzig“, meint er plötzlich.
„Hm?“, ich sehe ihn fragend über den Rand der Kaffeetasse hinweg an.
„Naja, ich habe vor kurzem eine Frau kennengelernt, die hatte auch irgendwas mit Zeitung, Verlag oder Druck zu tun“, erwidert er.
„Oh, was denn genau und wo?“, versuche ich mich interessiert zu geben. Das ist gar nicht so einfach, wenn einem das Herz gerade in die Kniekehlen rutscht.
„Keine Ahnung, ich weiß nur noch, dass sie etwas von einem Verlag schrieb. Na ist ja auch egal. Wie lange müsstest Du denn arbeiten?“
„Kann ich nicht genau sagen, kommt drauf an, was seit gestern alles passiert ist. Warum fragst Du?“
„Hm, ich dachte, vielleicht könnten wir gegen später 'ne Runde ins Boots was trinken. Das kennst Du doch, oder?“
„Sicher, wer kennt das nicht?“, grinse ich. „Soll ich Dich anrufen oder eine SMS schreiben, wenn ich zuhause bin?“
„Das klingt nach 'nem Plan“, schmunzelt er und fängt meine Lippen zu einem weiteren Kuss ein.
„Dann bräuchte ich aber Deine Handynummer“, schnurre ich an seinen Lippen.
„Ich denke, das lässt sich einrichten“, antwortet er, bevor er seine Zunge zwischen meinen Lippen hindurch schiebt.
*
Es ist etwa 10 Minuten her, seit ich eine SMS mit der Info, dass ich zuhause wäre, abgeschickt habe. Die Antwort kam postwendend. Wir haben uns darauf geeinigt, uns in einer Stunde vor dem Boots zu treffen. Für die Fahrt dorthin würde ich etwa 20 Minuten brauchen. Umgezogen hatte ich mich bereits, also heißt es jetzt etwa eine halbe Stunde totzuschlagen.
Mein Mauszeiger schwebt über dem Login-Button. Ich weiß, dass ich es nicht tun sollte. Es ist falsch, es ist sogar ziemlich hinterhältig. Andererseits würde sich Nick doch sicherlich ziemliche Gedanken machen, wenn Maxi nicht mehr online käme, oder? Und, so dämlich das auch klingen mag, ich möchte nicht, dass Nick Maxi als wortbrüchiges Weibsstück in Erinnerung behält. Sie hat schließlich bei seinem Outing recht großspurig versichert, dass sie keinerlei Probleme damit hätte.
Noch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, bin ich eingeloggt. Natürlich ist Nick online … im Grunde wusste ich, dass er es sein würde. Das Whisper-Fenster lässt nicht lange auf sich warten:
Phil_C: einen wunderschönen guten abend, liebste maxi! ^^
Maxi81: Igitt, Du bist ja ekelhaft gut gelaunt. Was ist denn mit Dir passiert? ;-)
Ich schäme mich dafür, dass ich es wirklich nötig zu haben scheine, zu solchen Tricks zu greifen, gleichzeitig freue ich mir natürlich ein Loch in den Bauch, weil ich zu wissen glaube, warum Nick so gut gelaunt ist.
Phil_C: mir geht es so richtig, richtig gut. ^^
Maxi81: Hattet ihr Erfolg mit dem Auftritt? ;-)
Phil_C: hatten wir, aber meine laune hat nen anderen grund. ^^
Maxi81: Darf man denn fragen welchen? ;-)
Phil_C: fragen darfst du, aber erwarte keine antwort. :P
Maxi81: Lass mich raten: es hat etwas mit nem Kerl zu tun? ;-)
Ich bin so ein Arschloch.
Phil_C: japp! und nein, du bekommst keine details von mir zu hören, ein gentleman schweigt und genießt. ^^
Maxi81: Spielverderber! Na komm, rück schon raus damit. Alles muss ich ja auch nicht wissen, aber so ein paar Eckdaten wären nicht schlecht. ;-)
Phil_C: er heißt moritz, wird dieses jahr 30 und ist ziemlich … heiß. ^^
Ich schließe glücklich die Augen.
Maxi81: Okaaayyy… ;-)
Phil_C: und deswegen verlasse ich dich jetzt auch wieder, denn wir wollen uns heute Abend nochmal sehen. wünsch mir glück. ^^
Maxi81: Ich wünsch Dir viel Glück! Hab Spaß. ;-)
Phil_C: den werde ich garantiert haben. ^^ bb
Ich konnte mir erfolgreich einreden, dass es keinen Unterschied machen würde, ob Nick von meiner Lüge nun wusste oder nicht. Ich nahm mir ganz fest vor, ihm irgendwann die Wahrheit zu sagen, sobald der richtige Zeitpunkt dafür gekommen wäre. Das funktionierte erstaunlich gut, denn ich konnte das Zusammensein mit Nick voll und ganz genießen, ohne dass mir mein Gewissen in die Quere gekommen wäre. Der Abend endete mit einem hinreißenden Abschiedskuss vor meiner Haustür. Wir musste beide am nächsten morgen früh raus und wussten auch beide, dass wir nicht sehr viel Schlaf finden würden, sollten wir die Nacht zusammen verbringen… obwohl die Sehnsucht fast schon wieder größer war, als die Vernunft, zumindest von meiner Seite aus.
Die darauffolgenden Tage sahen wir uns nicht. Mein Kollege war immer noch krank und der Betrieb, in dem Nick arbeitete, war immer noch mit der Renovierung der Außenfassade beschäftigt, die eigentlich vergangenen Woche schon hätte fertig sein sollen. Das schlechte Wetter hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Wir telefonierten jedoch häufiger miteinander, oder schrieben uns SMS. Meine Kollegen hatten auch schon Verdacht geschöpft … kein Wunder, wenn ich seit Tagen mit einem ziemlich debilen Grinsen durch die Weltgeschichte laufe.
Wir sahen uns erst Freitagabend wieder. Ich hatte ihn zu mir nach Hause eingeladen, ihn bekocht und anschließend verführt. Obwohl, eine Verführung meinerseits war eigentlich gar nicht mehr notwendig, denn … öhm, lassen wir das.
Als ich am nächsten … Nachmittag, ich schätze 15 Uhr geht nicht mehr als Morgen durch, aus der Dusche steige, fühle ich immer noch diese wundervolle Trägheit, die ein ausgedehntes Liebesspiel für gewöhnlich mit sich bringt. Nick ist inzwischen ebenfalls aufgestanden und ich finde ihn schließlich vor meinem Bücherregal stehend. Splitterfasernackt. Was für ein Anblick.
Ich trete von hinten an ihn heran und drücke meine Nase auf sein rechtes Schulterblatt. Ich liebe diesen Geruch. Gleichzeitig schiebe ich beide Hände über seinen Bauch bis hoch zu seiner Brust und vergrabe die Finger beider Hände tief in diese Härchen, die mich ganz verrückt machen. Ich scheine gerade einen neuen Fetisch zu entwickeln.
„Ich glaube, ich habe außerhalb einer Bibliothek noch nie so viele Bücher gesehen“, wenn ich mich nicht sehr täusche, schwingt sogar eine Spur Bewunderung mit.
„Meine Großeltern hatten früher eine Buchhandlung. Das Ganze hier hat sich einfach über Jahre hinweg angesammelt. Ich habe sogar meine ganzen Kinder- und Jugendbücher noch“, antworte ich und küsse mich von einem Schulterblatt zum anderen.
Er fährt mit dem Finger die Buchreihen entlang, zieht scheinbar wahllos eines heraus, schlägt die erste Seite auf, klappt es nach einigen Sekunden wieder zu und stellt es zurück. Das wiederholt er noch zwei-, dreimal und dreht sich schließlich in meinen Armen um.
„Ich sollte langsam nach Hause“, sagt er leise.
„Schon?“, antworte ich und kann nicht verhindern, dass ich enttäuscht klinge.
Er lacht leise. „Wir können nicht den ganzen Tag im Bett verbringen.“
„Nicht?“, grinse ich. Ich weiß nicht, was der Kerl mit mir anstellt, denn ich bin normalerweise nicht so … sexbesessen.
„Nein, leider nicht. Außerdem ist heute noch eine Bandprobe. Da sollte ich hin, sonst werden aus den Shooting Five bald die Shooting Four“, antwortet er lächelnd.
„Na gut, wenn es denn sein muss. Gern lasse ich Dich aber nicht gehen“, murmle ich und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Was hältst Du von einer Partie Billard? Morgen im Carré?“
„Hört sich gut an. Stell Dich schon mal darauf ein, dass ich Dich fertig machen werde“, necke ich ihn.
„Davon träumst Du doch nur“, kontert er. „Sagen wir 18 Uhr?“
„Abgemacht“, antworte ich, schlinge beiden Arme um seinen Hals und ziehe ihn an mich.
*
Lächelnd schlängle ich mich durch die Tische hindurch auf Nick zu, der bereits in der Nähe der Billardtische Platz genommen hatte und vor sich hinstarrt. Er scheint mich noch nicht bemerkt zu haben. Kurz bevor ich bei ihm bin, hebt er den Kopf und sieht mich mit einem undefinierbaren Ausdruck in den Augen an. Seine sonst helle Iris funkelt in einem dunklen Grau und unwillkürlich werde ich an das Aufziehen eines Gewitters erinnert.
„Hey“, sage ich irritiert, beuge mich zu ihm hinunter und versuche ihm einen Kuss auf den Mundwinkel zu drücken. Er weicht zurück und jetzt erkenne ich auch, dass es Wut ist, die in seinen Augen lodert. Ich schlucke hart. „Was ist los?“
„Hallo Maxi“, seine Stimme klingt kalt und abweisend.
Ich merke, wie mir sämtliches Blut aus dem Gesicht weicht und lasse mich entkräftet auf den Stuhl ihm gegenüber sinken.
„Also stimmt es“, er holt tief Luft und wirkt plötzlich erschöpft, fast schon verletzlich. „Du hast mich die ganze Zeit über nur verarscht“, er wendet sich mit einem verächtlichen Schnauben von mir ab und starrt in das Glas vor sich.
„Nick … lass es mich erklären, bitte“, bettle ich. „Ich habe Dich nicht verarscht, weder als Maxi, noch als Moritz. Ich habe nicht gelogen, was meine Gefühle für Dich betrifft“, ich versuche über den Tisch hinweg nach seiner Hand zu greifen, doch er zieht sie zurück und wirft mir einen giftigen Blick zu.
„Ja genau, Du hast nur die klitzekleine Tatsache ausgelassen, dass Maxi und Moritz ein und dieselbe Person sind“, er wischt sich mit beiden Händen über sein Gesicht. „Verdammte Scheiße, ich bin so ein … ein … Idiot! Wie kommst Du überhaupt dazu, Dich als Frau in einen Chat zu setzen?“, bellt er wütend.
„Mein … mein Onkel hat mich auf eine Story angesetzt“, beginne ich stockend. „Ich sollte einen Artikel über Chat-Rooms schreiben“, erzähle ich weiter, werde aber von Nick jäh unterbrochen.
„Das wird ja immer schöner, ich war also nur ein beschissenes Studienobjekt für Dich?“, aufgebracht lässt er seine Faust auf den Tisch sausen und ich zucke erschrocken zusammen.
„Nein … nein“, sage ich entsetzt. „Das warst Du vielleicht ganz am Anfang, aber später doch nicht mehr.“
„Du hattest so viele Möglichkeiten, mir die Wahrheit zu sagen. Aber soll ich Dir sagen, was eigentlich das Schlimmste ist? Hättest Du mir nach unserer ersten gemeinsamen Nacht die Wahrheit gesagt, wäre ich im ersten Moment vielleicht wütend gewesen, aber ich hätte mich schnell wieder beruhigt, weil es da etwas gab zwischen uns, das ich unbedingt näher kennenlernen wollte. Aber dass Du Dich danach nochmal mit Maxi eingeloggt hast, um mich auszuhorchen, das war das Hinterletzte, das werde ich Dir niemals verzeihen! Hattest Du wenigstens Deinen Spaß dabei? Gott, Du musst Dich ja über mich kaputt gelacht haben!“ Höhnisch lacht er mir entgegen.
„Nein!“, rufe ich abermals entsetzt aus, „so war das doch gar nicht!“ Ich merke erst, dass mir Tränen über das Gesicht laufen, als sie mir warm auf den Handrücken tropfen. „Es tut mir so leid Nick … ich weiß, dass ich furchtbaren Mist gebaut habe. Ich hätte Dir schon längst die Wahrheit sagen müssen, aber ich hatte so Angst, dass Du wütend werden würdest. Ich wollte nicht alles kaputt machen“, schluchze ich und wische Tränen von meinem Kinn.
„Du hast ja keine Ahnung wie wütend ich bin … und enttäuscht. Weißt Du eigentlich, wie beschissen es sich anfühlt, wenn man erkennen muss, dass der Typ, für den man gerade anfängt Gefühle zu entwickeln, nichts als ein lausiger Lügner ist? Du wusstest genau, dass mir Ehrlichkeit über alles geht!“
„Ja, und genau deswegen hatte ich ja solche Angst, Dir die Wahrheit zu sagen. Ich wollte Dich nicht verlieren, ich will Dich nicht verlieren, weil … Du mir so unglaublich wichtig geworden bist“, die letzten Worte gehen fast in einem Schluchzen unter.
„Du hast mich in dem Moment verloren, als Du weiterhin dieses Spiel mit mir abgezogen hast, obwohl wir schon zusammen im Bett waren“, erklärt er kühl und erhebt sich.
„Nick, bitte … tu mir das nicht an. Mach jetzt nicht Schluss, weil ich diesen Scheißfehler gemacht habe. Es tut mir so furchtbar leid. Gib uns … gib mir noch eine Chance. Bitte, glaub mir doch“, ich bin verzweifelt und das merkt man mir auch an. Es fehlt nicht viel und ich gehe vor ihm auf die Knie. Wo ist nur mein Stolz geblieben.
„Das kann ich nicht, Moritz. Wie soll ich Dir nach alle dem noch vertrauen können?“, erwidert er matt, dreht sich um und geht davon.
*
„Hier, nimm“, sagt Constantin leise und hält mir ein Papiertaschentuch hin.
Ich nehme es ihm aus der Hand und putze mir geräuschvoll die Nase. „Danke“, flüstere ich mit tränenerstickter Stimme.
„Komm her“, er streckt die Hand nach mir aus und zieht mich in eine feste Umarmung.
„Hätte ich doch auf Dich gehört“, schluchze ich. „Du hast mich immer wieder gewarnt.“
„Schhhh, ist ja gut“, er streicht mir beruhigend über den Rücken. „Du kannst es jetzt nicht mehr ändern, also überlegen wir uns lieber, wie wir das wieder gerade biegen“, sagt er.
„Da gibt es nichts mehr gerade zu biegen. Er will mich nicht mehr sehen, er hasst mich.“
„Nach allem, was Du mir über ihn erzählt hast, kann ich mir nicht vorstellen, dass er Dich wirklich hasst. Er ist enttäuscht und wütend. Gib ihm ein paar Tage, um über alles nachzudenken.“
„Glaubst Du wirklich, dass ich noch eine Chance habe?“
„Ich will Dir keine falschen Hoffnungen machen Schätzchen, ich kenne ihn einfach nicht gut genug, um ihn einschätzen zu können. Und ich möchte auch nicht herunterspielen, was Du getan hast, denn das war ziemlich mies … Grund genug, Dich einige Tage ordentlich schmoren zu lassen, aber nicht ausreichend, um Dich zum Teufel zu jagen.“
Ich wünsche mir so sehr, dass Constantin recht hat, denn wenn ich ehrlich bin, habe ich schon lange keine Chance mehr, unbeschadet aus der Geschichte heraus zu kommen. Meine Gefühle gehen längst viel tiefer, als ich mir bisher eingestanden hatte. Ich liebe Nick, wahrscheinlich sogar vom ersten Moment an.
Ich höre die ganze Woche über nichts von ihm und die Hoffnung, die ich seit meinem Gespräch mit Constantin gehabt habe, schwindet langsam dahin. Ich starre meinen Computer an. Soll ich? Schlimmer kann ich es ja eigentlich kaum mehr machen. Ich schalte den Rechner ein, beobachte das Betriebssystem beim Hochfahren … was für ein Déjà Vu … starte den Browser und logge mich ein. Der Blick auf die Member-Übersicht treibt mir die Tränen in die Augen. Er ist da. Ich warte, unschlüssig, ob ich ihn anschreiben soll, oder nicht. Dann öffnet sich ein Whisper-Fenster:
Phil_C: hey maxi
Maxi?
Maxi81: Nick, es tut mir so furchtbar leid.
Dicke Tränen rinnen heiß über meine Wangen.
Phil_C: als ich mich dir gegenüber geoutet habe, hast du mir angeboten, dass wir freunde sind. gilt das noch?
Worauf will er hinaus? Ich kann nicht nur mit ihm befreundet sein, dafür bedeutet er mir viel zu viel.
Maxi81: Was?
Phil_C: sind wir noch freunde, maxi?
Was wird das? Ich entscheide mich, einfach einmal mitzuspielen.
Maxi81: Ja, wir sind Freunde.
Phil_C: gut, ich brauche nämlich gerade jemanden, mit dem ich reden kann.
Maxi81: Okay.
Phil_C: erinnerst du dich, dass ich dir von diesem kerl erzählt habe, den ich am tag unseres gigs kennengelernt habe?
Ich schlucke hart.
Maxi81: moritz, 30, heiß?
Phil_C: ja, genau der.
Ich sehe ihn und sein versonnenes Lächeln geradezu erschreckend real vor mir.
Maxi81: Was ist mit ihm?
Phil_C: wir hatten streit.
Maxi81: Das tut mir leid. Was ist passiert?
Phil_C: er hat mir etwas verschwiegen.
Maxi81: Etwas Schlimmes?
Phil_C: ich weiß nicht so recht. ich empfand es als sehr schlimm, als ich es bemerkt habe.
Maxi81: Hast Du ihn zur Rede gestellt?
Phil_C: ja…
Maxi81: Und was sagte er dazu?
Phil_C: er weiß, dass er ziemlichen mist gebaut hat und es tut ihm furchtbar leid. er hatte angst mir die wahrheit zu sagen, weil er mich nicht verlieren wollte.
Maxi81: Glaubst Du ihm denn?
Ich halte den Atem an.
Phil_C: erst habe ich das nicht getan.
Maxi81: Und jetzt?
Mein Herz steht kurz davor, aus meinem Brustkorb zu springen.
Phil_C: jetzt tue ich es … ich will zwar nicht verharmlosen, was er getan hat, denn dafür werde ich ihm ganz sicher noch eine ganze weile böse sein, aber ich glaube ihm.
Ich schließe die Augen und noch mehr Tränen rollen über mein Gesicht.
Maxi81: Was fühlst Du für ihn?
Phil_C: das sollte er eigentlich wissen…
Maxi81: Und wenn er es nicht weiß? Vielleicht gehört er ja zu der Art Menschen, die etwas schwarz auf weiß vor sich haben müssen, damit sie es auch wirklich glauben…
Phil_C: ich bin verrückt nach ihm…
Ich schluchze und lache gleichzeitig.
Maxi81: Und was möchtest Du jetzt tun?
Phil_C: ich möchte zu ihm.
Maxi81: Und warum bist Du dann noch hier?
Phil_C: weil ich nicht weiß, ob er mich überhaupt sehen will.
Maxi81: Warum um Gottes Willen soll er Dich denn nicht mehr sehen wollen?
Phil_C: weil ich ihn einfach in dieser kneipe habe sitzen lassen. ich habe gesehen, wie weh ich ihm getan habe und habe ihn trotzdem aus meinem leben geschickt…
Maxi81: Weißt Du, was ich glaube? Dass Du ihm wahnsinnig viel bedeutest und er verdammt glücklich wäre, wenn Du jetzt bei ihm wärst.
Phil_C: meinst du?
Maxi81: Ich bin mir ganz sicher!
Phil_C: und was soll ich jetzt tun?
Maxi81: Auf ins Auto mit Dir … fahr zu ihm. Ich bin mir absolut sicher, dass er auf Dich wartet…
Phil_C: das werde ich tun. danke maxi.
Maxi81: Gern geschehen Nick. ;-)
Und dann ist er offline. Ein glückliches Lächeln stiehlt sich auf mein tränennasses Gesicht. Ich schließe den Browser, fahre den Rechner herunter… und warte.
Etwas fröstelnd stehe ich am geöffneten Fenster und blase den Rauch der Zigarette in die Dunkelheit hinaus. Ich habe den Oberkörper vornüber gebeugt und stütze mich mit den Ellbogen auf dem Fensterbrett ab. Eigentlich rauche ich ja schon lange nicht mehr, nur manchmal überkommt es mich noch, vor allem, wenn ich unruhig bin. So wie heute Nacht. Der Grund dafür liegt ein Zimmer weiter, schläft vermutlich tief und fest und bekommt von meinem inneren Aufruhr noch nicht einmal etwas mit.
Moritz. Himmel, der Kerl hat mich überrollt wie eine Dampfwalze. Ich hatte nicht die geringste Chance gegen ihn, vermutlich sogar von Anfang an nicht. Er muss mich nur mit seinen großen Augen, deren Farbe sich je nach Gefühlslage verändert, anschauen und das war’s: Nick Fuchs wird zum Vorzeitmenschen, der nur seinen Urinstinkten folgt und nichts anderes mehr im Sinn hat, als sich zu vermehren. Als wir uns das erste Mal gesehen haben, habe ich es noch für pure Geilheit gehalten, doch es hat nicht aufgehört. Nicht am Morgen danach, nicht nach einem Monat, und auch nicht nach einem Jahr.
Wenn ich ganz ehrlich bin, erschreckt es mich auch heute noch manchmal fast zu Tode, wie tief meine Gefühle für diesen Kerl inzwischen gehen. Mein Herz möchte dann explodieren und irgendwie müssen diese ganzen Gefühle dann einfach raus. Da über ihn herzufallen nicht immer eine Option ist, ebenso wenig, wie mein Schlagzeug zu malträtieren, muss dann eben eine Zigarette dran glauben, zugegeben ein schwacher Ersatz, aber immer noch besser als die glatten Wände hochzugehen. Ich hätte natürlich heute Nacht einfach Moritz wecken können, aber er hatte einen anstrengenden Tag und ist mir beinahe schon beim Abendessen eingeschlafen … und mein Schlagzeug steht in einem Kellerraum in Jos Haus. Er und seine Eltern wären sicherlich hocherfreut, wenn ich dort mitten in der Nacht auftauchen und einen Heidenlärm veranstalten würde, nur weil ich mit meinen Gefühlen mal wieder nicht klar komme.
Vielleicht sollte ich für alle Fälle doch eine meiner Hanteln bei Moritz deponieren. Bei all dem Zeug, das ohnehin schon von mir hier rumliegt, kommt es darauf auch nicht mehr an. Am liebsten würde ich eh mein gesamtes Hab und Gut zu ihm schaffen und meine Wohnung kündigen. Was soll ich denn da noch… ohne Moritz. Dieser Gedanke geistert mir schon seit einigen Wochen im Kopf herum, aber irgendwie habe ich mich bisher noch nicht so recht getraut, das Thema anzusprechen. Ich habe einfach keine Ahnung, wie Moritz darüber denkt, ob er überhaupt dazu bereit wäre, sein Leben mit jemandem zusammen zu verbringen.
Eigentlich ist es ja schon fast zum Lachen, wenn es mir nicht so scheiße ernst damit wäre. Da stehe ich halbnackt und mitten in der Nacht am geöffneten Fenster in Moritz Wohnzimmer und überlege mir krampfhaft, wie ich Moritz am schonendsten beibringe, dass sich meiner Meinung nach unsere Namen ganz hervorragend zusammen auf einer Klingel oder einem Briefkasten machen würden. Ich schnippe mit Daumen und Zeigefinger den Zigarettenstummel in die Nacht hinaus, schließe die Augen und sauge tief die frische Luft in meine Lungen.
Sofort habe ich Moritz Bild von diesem einen Abend, an dem wir uns kennengelernt haben, vor Augen. Er ist mir gleich aufgefallen, als er mit Constantin an diesem Pfeiler, nicht weit von der Bühne entfernt, lehnte. Ich wusste auf den ersten Blick, wie er tickt. Nicht, dass Moritz besonders tuntig wirken würde, aber kein Kerl, der auf Möpse steht, mustert einen anderen Mann so, wie es Moritz an jenem Abend bei mir getan hatte.
Es kam nicht selten vor, dass ich mir nach einem Gig einen amourösen Zeitvertreib mit in mein Bett genommen habe. Warum auch nicht? Wenn der Kerl mir gefiel und er willig war, sprach nichts dagegen. Also fackelte ich auch an diesem Abend nicht lange. Ich hatte Moritz die Wahl gelassen. Ich freute mich, dass er geblieben war, es wäre jedoch auch kein Weltuntergang gewesen, wenn er kalte Füße bekommen hätte.
Doch anders, als bei den meisten Typen, die ich davor hatte, wollte ich plötzlich nicht, dass er nach dem Sex einfach wieder so aus meinem Leben verschwand. Ich hatte einfach noch nicht genug von ihm und ich wollte unbedingt erfahren, warum das so war. Wollte wissen, was es damit auf sich hatte, dass ich diesen Kerl am Liebsten festhalten und nie wieder loslassen wollte.
Und dann kam der Punkt, an dem ich erkennen musste, dass er mich die ganze Zeit über belogen hatte. Ich stand vor diesem riesigen Bücherregal und dachte darüber nach, weshalb mir das alles so bekannt vorkam. Ich hielt diese Erstausgabe eines Kinderbuches von Otfried Preußler in der Hand und wieder überkam mich dieses seltsame Gefühl. Erst später, als ich längst schon Moritz Wohnung verlassen und unterwegs zur Bandprobe war, ist mir eingefallen, wo ich das schon einmal gesehen, oder vielmehr gehört hatte. Maxi. Sie hatte mir von diesem riesigen Bücherregal erzählt, und von dieser Erstausgabe, ihrem ganzen Stolz. Wie wahrscheinlich war es denn, zwei Personen in etwa demselben Zeitraum kennenzulernen, die sich so sehr ähneln? Die Erkenntnis fühlte sich an, wie ein heftiger Tritt in die Magengrube.
Bis zuletzt war ich mir jedoch nicht wirklich sicher. Irgendwo ganz weit hinten schlummerte immer noch eine winzige Hoffnung, dass alles tatsächlich nur ein eigenartiger Zufall sein könnte. Seine Reaktion allerdings, als ich ihn einfach aus einem Impuls heraus mit dem Namen Maxi ansprach, verscheuchte dieses bisschen Hoffnung und bestätigte meinen schmerzlichen Verdacht.
Ich hatte mich daraufhin in eine schier unbändige Wut geflüchtet, die meine unmittelbare Umgebung hautnah miterleben durfte. Ich konnte einfach nicht anders. Ich habe meine Laune an allem und jedem ausgelassen, der mir in die Quere kam. Das war weder angebracht noch fair, aber lieber legte ich mich mit allen möglichen Leuten an, als mich mit dieser Enttäuschung auseinandersetzen zu müssen, die unaufhaltsam durch mein Innerstes kroch. Die tat nämlich schon weh, obwohl ich sie kaum zuließ. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie es mir ergangen wäre, hätte ich ihr freien Lauf gelassen.
Bei einer Bandprobe eskalierte das Ganze dann. Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass die anderen Jungs das nicht ewig mit ansehen würden. Jo hat mich kurzerhand einfach vor die Tür gesetzt.
„Klär das!“, hatte er gesagt. „Wir brauchen Dich hier. Aber solange Du Dich wie ein liebeskranker Trottel aufführst, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat, können wir nichts mit Dir anfangen. Tu uns und vor allem Dir selbst den Gefallen und fick ihn endlich… oder hak ihn meinetwegen ein für alle Mal ab. Nur entscheide Dich! Es ist scheiße, was er getan hat, ja … aber er bedeutet Dir etwas, das sieht doch ein Blinder mit Krückstock. Seit Tagen rennst Du rum wie ein verwundetes Raubtier und fauchst jeden an, der es auch nur wagt den Mund aufzumachen. So kann es nicht weitergehen Nick und das weißt Du selbst.“ Jo sah mich eindringlich an.
Ich funkelte ihn halb amüsiert, halb böse an. „Du weißt, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn Du mit guten Argumenten meinen Prinzipien in die Quere kommst“, knurrte ich.
„Ich hielt Deine Prinzipien schon immer für total überzogen. Auch wenn er Dir bei dieser einen Geschichte vielleicht nicht die Wahrheit gesagt hat, so macht ihn das doch nicht generell zu einem Lügner. Gib ihm die Chance, alles wieder gut zu machen.“
Ich sah ihn einige Momente lang an, dann drückte ich ihm einen feuchten Schmatzer auf die Lippen.
Er stieß mich energisch von sich und wischte gespielt angewidert mit dem Handrücken über seinen Mund. „Lass das! Ich warne Dich Nick… solltest Du jemals versuchen mir die Zunge in den Hals zu stecken, mach ich Dich kalt!“ Ich wusste, dass er es nicht so meinte … und er wusste, dass ich so etwas ohnehin niemals tun würde. Er steht auf Möpse, nicht auf Schwänze. Außerdem ist er für mich wohl das, was einem besten Freund am nächsten käme.
„Danke, Mann“, erwiderte ich grinsend.
„Schon okay. Es hat Spaß gemacht, Dir in den Arsch zu treten“, antwortet er verschmitzt. „Und jetzt hau endlich ab, ich will Dich heute hier nicht mehr sehen“, sagte er noch und rempelte mich kameradschaftlich mit der Schulter an.
Ich weiß bis heute nicht, wie Jo es geschafft hatte, aber als ich zuhause ankam, war meine Wut tatsächlich fast vollständig verraucht. Ich habe mich in diesen verfluchten Chat eingeloggt, ohne genau zu wissen, was ich mir eigentlich davon versprach. Im Nachhinein betrachtet, wusste ich natürlich ganz genau, was ich wollte: Moritz! Ich hatte nur nicht die geringste Ahnung, ob er mich überhaupt noch in seine Nähe lassen würde, nach meinem wenig ruhmvollen Abgang einige Tage vorher.
Es hatte sich irgendwie ergeben, dass wir wieder in unsere Rollen geschlüpft sind. In diesem Moment waren es nicht Moritz und Nick da in diesem Chat, sondern Maxi und Phil, genauso, wie es begonnen hatte. Ich kann es wirklich nicht erklären, aber meine Unsicherheit schwand mit jedem geschriebenen Wort und nach seiner Aufforderung, ins Auto zu steigen, gab es für mich kein Halten mehr.
Ich wundere mich heute noch, wie ich es geschafft habe unfallfrei und ohne Strafzettel vor dem kleinen Häuschen anzukommen, in dem er mit seinem Onkel wohnte. Er stand bereits in der Haustür, als ich mein Auto abstellte und mit raschen Schritten auf den Eingang zuging. Dicht vor ihm blieb ich stehen. Seine Nase war gerötet, die Augenlider leicht geschwollen. Man musste kein großer Beobachter sein, um zu erkennen, dass er geweint hatte. Unsicher blickte er mir entgegen und das war dann auch der Zeitpunkt, an dem ich ihm einfach nicht mehr böse sein konnte. Ich zog ihn in meine Arme und drückte ihn fest an mich …
„Hier bist Du, ich hab Dich schon vermisst“, erklingt eine weiche Stimme hinter mir und in der nächsten Sekunde schlingen sich zwei Arme um meine Hüfte. Moritz Atem streicht warm über meinen Rücken und beschert mir eine Gänsehaut, sie sich in Windeseile über meinen kompletten Körper ausbreitet. Seine Finger streichen über meinen Bauch und meine Brust und krallen sich in meine Haare. Ich grinse unwillkürlich, denn ich weiß inzwischen natürlich, dass er ganz wild auf meine Körperbehaarung ist. Er liebt es, seine Hände und auch sein Gesicht darin zu vergraben. Diese schnurrenden Laute, die er dann von sich gibt sind höchst erregend … ebenso diese Ungeduld, die mir ganz deutlich zeigt, dass er unser Zusammensein ebenso genießt, wie ich selbst.
„Hab ich Dich geweckt?“, frage ich und richte mich auf, so dass er sich von hinten eng an mich drängen kann.
„Mhm, das Bett neben mir war plötzlich leer“, erwidert er.
„Sorry, ich wollte Dich doch schlafen lassen. Ich hab mich so leise wie möglich aus dem Bett geschlichen, um eine zu rauchen“, antworte ich zerknirscht.
„Was beschäftigt Dich denn so, dass Du nach einem Glimmstengel greifen musstest, hm?“, fragt er liebevoll.
Er knabbert sich sachte über meinen Rücken und macht mich schon wieder total irre. Gleichzeitig gleitet er mit beiden Händen meine Vorderseite entlang. „Ich liebe Dich“, hauche ich.
„Und das macht Dich so fertig?“ Er schmunzelt, ich kann es geradezu fühlen.
„Nein, aber hätte ich nicht zur Zigarette gegriffen, wäre ich über Dich hergefallen“, antworte ich leise.
„Du rauchst lieber eine, anstatt Sex mit mir zu haben? Jetzt bin ich beleidigt.“ Er versucht seiner Stimme einen schmollenden Unterton zu geben. Wenn ich ihn inzwischen nicht schon so gut kennen würde, wäre ich vielleicht sogar darauf hereingefallen.
„Du warst ziemlich erledigt vorhin beim Abendessen“, verteidige ich mich.
„Aber jetzt bin ich wach“, erwidert er schnurrend und lässt seine Hände tiefer gleiten.
„Offensichtlich“, keuche ich, als eine seiner Hände mit einer geschmeidigen Bewegung meine Pants zur Seite schiebt und mich mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks von einem halbsteifen in einen vollständig erigierten Zustand befördert.
Ich lehne mich an ihn, während er mich mit seinen Handbewegungen fast um den Verstand bringt und gleichzeitig seine heiße Zunge über meinen Hals wandert. Ich lehne meinen Kopf weit nach hinten und schon bald findet sich seine Zunge in meinem Mund wieder. Stürmisch, besitzergreifend, drängend. Er dürfte mittlerweile ganz genau wissen, dass ich Wachs in seinen Händen bin, wenn er mich so küsst.
„Dreh Dich um“, flüstert er. Ich tue es, nahezu augenblicklich. Er hat mich sprichwörtlich in der Hand, wie könnte ich ihm da etwas abschlagen.
Moritz geht vor mir in die Knie und ersetzt seine Hand durch seinen Mund. Erst haucht er mir einen zarten Kuss auf die Spitze, dann leckt er einmal über die komplette Länge und saugt anschließend meine überaus empfindliche Eichel in seinen Mund. Ich stütze mich keuchend mit beiden Armen auf der Fensterbank hinter mir ab und beobachte fasziniert und erregt bis in die Fußspitzen Moritz Treiben.
Jetzt gerade schabt er leicht mit den Zähnen mein Geschlecht entlang. Meine Beine beginnen zu zittern und ich habe die größte Mühe, eine aufrechte Haltung beizubehalten. Mir entweicht ein langgezogenes Stöhnen und nahezu gleichzeitig werde ich mir des immer noch geöffneten Fensters bewusst. Ganz weit hinten in meinem Kopf meldet sich eine Stimme und rät dazu, weitere Aktivitäten vielleicht doch lieber im Schlafzimmer fortzusetzen, aber sie dringt nicht bis zu meinem Gehirn vor, das im Augenblick ohnehin ganz weit unten und in Moritz Mund steckt. Es ist mir auch scheißegal, ob uns jemand hören oder sehen könnte. Es ist nicht wichtig, es interessiert mich nicht.
Moritz nimmt nun seine Hand zu Hilfe und knetet fest meine Hoden. Nicht zu fest, damit es weh tut, aber dennoch fest genug, um mich Vögel zwitschern hören zu lassen. Ich habe meinen Blick immer noch starr auf meinen Schwanz gerichtet. Zu sehen, wie er immer wieder in Moritz Mund verschwindet, ist einfach zu viel für meine Beherrschung. Ich fühle die nahende Erlösung und versuche Moritz von mir zu drücken, doch er weicht keinen Millimeter vor mir zurück.
„Moritz“, keuche ich, doch es ist zu spät, ich kann es keine Sekunde mehr zurückhalten. Es dauert einige Momente, bis er mich aus seinem Mund entlässt. Um seine Mundwinkel liegt ein zufriedenes Lächeln. Meine Beine sind mittlerweile so zittrig, dass sie mich nicht mehr halten können. Kraftlos lasse ich mich neben ihn auf die Knie sinken. „Es tut mir leid“, keuche ich atemlos. „Ich wollte nicht … ich konnte nicht“, beschämt breche ich ab.
„Nun mach Dir mal nicht ins Hemd“, antwortet Moritz amüsiert. „Ich wollte es so, okay?“ Seine Augen blitzen mir schalkhaft entgegen. „Aber ich denke, wir sollten lieber im Bett weitermachen, meinst Du nicht auch? Ich habe es nicht so gerne, wenn sich die ganze Straße in Spekulationen darüber verliert, wo Dein Schwanz vielleicht gerade stecken könnte.“ Er deutet grinsend auf das geöffnete Fenster.
*
„Nick“, Moritz hebt den Kopf und sieht mich von unten herauf an. Ich habe mich vor einigen Minuten gebührend für diesen Wahnsinns-Blowjob revanchiert und wir kommen gerade wieder zu Atem. Wir haben jedoch weitere Aktivitäten tatsächlich ins Bett verlagert und das Fenster im Wohnzimmer ist geschlossen. Andernfalls hätten sich die Nachbarn vermutlich tatsächlich Gedanken gemacht. Aber es wäre nicht mein Schwanz gewesen, sondern Moritz, der für die akustische Untermalung gesorgt hätte. Übrigens etwas, das vor ihm absolut undenkbar gewesen wäre. Die Typen konnten so ziemlich alles mit mir machen, solange es außerhalb meines Körpers stattfand. Wäre auch nur einer von ihnen meinem Hintern zu nahe gekommen, wäre er aus dem Bett geflogen, noch ehe er hätte ‚ficken‘ buchstabieren können.
„Hm?“, brumme ich wie ein alter, zufriedener Kater.
„Ich …“, er beißt sich auf die Unterlippe und sieht mich unsicher an.
„Was denn?“
„Versprichst Du mir, dass Du mich nicht auslachen wirst?“
Ich drehe mich auf die Seite, stütze meinen Kopf mit einer Hand ab und sehe in seine Augen. Im Moment sind sie fast ganz grün. „Warum sollte ich Dich denn auslachen?“, frage ich irritiert.
„Naja.. ich… wir haben noch nie darüber gesprochen… ich weiß nicht, wie Du überhaupt darüber denkst … ich … vielleicht willst Du das ja gar nicht und ich…“, er bricht ab, als ich ihn verwirrt ansehe. „Ich will mich einfach nicht zum Affen machen“, erklärt er.
„Sag mir doch einfach, was Dir auf dem Herzen liegt, mein Süßer“, fordere ich ihn zärtlich auf.
„Also gut“, er räuspert sich kurz und meint dann: „Was würdest Du davon halten, wenn Du … wenn ich“, wieder hält er inne.
„Moritz“, sage ich und kann nicht verhindern, dass jetzt eine winzige Spur Ungeduld mitschwingt. „Spuck‘s endlich aus!“
Er beißt sich auf die Unterlippe und senkt den Blick. „Ich möchte gerne, dass wir zusammen ziehen“, antwortet er leise.
Ich sehe ihn perplex an. Es dauert eine Weile, bis die Bedeutung seiner Worte in meinem Gehirn ankommt. „Zusammen ziehen?“, frage ich noch einmal nach, um sicherzustellen, dass ich mich nicht verhört habe.
„Ja, das ist, wenn zwei Menschen sich miteinander eine Wohnung teilen“, erklärt er mir etwas ruppig und gräbt seine Zähne tief in seine Unterlippe.
Es ist zunächst nur ein Glucksen, das meiner Kehle entweicht, steigert sich jedoch bereits nach kurzer Zeit zu einem lauten Lachen.
Moritz sieht mich aus großen Augen heraus erschreckt und beleidigt zugleich an, richtet sich auf und schwingt beide Beine aus dem Bett. Er wirkt wirklich verletzt. Scheiße. Bevor er jedoch aufstehen kann, schlinge ich einen Arm um seinen Bauch und ziehe ihn wieder zurück zu mir.
„Hey, hiergeblieben“, hauche ich in sein Ohr.
„Ich habe doch gesagt, Du sollst mich nicht auslachen“, nuschelt er.
„Ich lache nicht über Dich mein Schatz. Ich lache über mich selbst“, antworte ich und drücke ihm einen Kuss in den Nacken.
Er dreht sich zu mir um. „Was meinst Du damit?“, will er immer noch misstrauisch wissen.
„Seit wir zusammen sind, haben wir jedes Wochenende gemeinsam verbracht. Oft bin ich sogar unter der Woche bei Dir. Aber soll ich Dir was sagen? Es ist mir nicht genug … noch nicht einmal annähernd. Was soll ich denn mutterseelenalleine in meiner Wohnung, wenn Du doch hier bist und ich so wahnsinnig Sehnsucht nach Dir habe, dass ich mich am liebsten in mein Auto schwingen und zu Dir fahren möchte? Und dann sprichst Du plötzlich dieses Thema an, das mir seit Wochen schon nicht mehr aus dem Kopf geht. Deswegen habe ich gelacht … über mich und meine eigene Dumm …“, weiter komme ich nicht, denn im gleichen Moment verschließt Moritz meinen Mund mit dem seinen und küsst mich, dass mir fast die Luft wegbleibt.
„Du meinst das wirklich ernst“, flüstert er atemlos, nachdem er sich von mir gelöst hat. Es ist mehr eine Feststellung, als eine Frage.
„Mir war noch nie etwas so ernst“, antworte ich leise und sehe ihm dabei fest in die Augen. „Wir bekommen das hin, nicht wahr?“, frage ich einige Momente später. Ich habe nicht wirklich Zweifel, dennoch ist das hier absolutes Neuland für mich. Ich habe noch nie mit jemandem zusammen gelebt. Ich hatte vor Moritz zwar die ein oder andere Beziehung, aber länger als zwei oder drei Monate hat nie eine gehalten.
„Natürlich bekommen wir das hin“, erwidert er mit dem Brustton der Überzeugung und knufft mich in die Seite. Gleichzeitig schiebt er seine Unterlippe nach vorn und sieht mich vorwurfsvoll an. Lachend ziehe ich ihn an mich und lege meine Stirn gegen die seine. Wie konnte ich auch nur so dumm fragen. Ich glaube fast es gibt nicht allzu viel, dass ich mit ihm an meiner Seite nicht schaffen würde …
~ Ende ~
Texte: Jule Fischer
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2012
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