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Kapitel 1



606, 24.3.3586, 14.00 Uhr

Er war nichts besonderes, aber dennoch nicht normal.
Irgendetwas war an ihm anders, das spürte er. Aber was, das konnte er nicht sagen. Jeder schärfte ihm immer ein, dass er ganz normal war, dass nichts besonderes an ihm war, dass er war wie jeder andere, außer die paar Ausnahmen, die alles durften und alles hatten was sie wollten...
Jeder sagte das, aber es stimmte nicht. Finnel war etwas besonderes. Daran glaubte er.
Würde er nicht daran glauben würde er es wohl kaum aushalten, das Leben in 606.
606 lag in einem kleinem Inselstaat. Er hatte keinen richtigen Namen, wie alles andere auch. Früher hatte er mal einen Namen, hatte man ihm gesagt, aber damals war alles noch anders gewesen. Jetzt hieß er nur noch 600.
Der alte Namen war in Vergessenheit geraten, niemand kannte ihn noch. Auch Finnel nicht.
Er hatte keine Lust in der Schule zu sitzen, er hatte vor allem keine Lust auf Geschichte. Da lernte man doch sowieso nie etwas neues. Immer nur das gleiche.
Jeder Tag mussten sie lernen wie es damals war, in den „schlechten Zeiten“, als jeder noch tun und lassen konnte was er wollte. Finnel verabscheute sein Leben.
Er war ohne Eltern oder irgendwelche andere Verwandten aufgewachsen, keiner wusste woher er kam, aber diese Tatsache machte ihn in den Augen der anderen zu nichts besonderes. Er war ganz normal, wie jeder andere...
Die Schule war aus. Finnel ging zum Mittagessen. Er musste durch einen langen, grauen Flur laufen. Alles in 606 war grau.
Die Stadt bestand aus einem Einzigen großem Gebäude ohne Fenster.
In 606 wurden Waffen aller Art hergestellt. Keiner durfte die Stadt je verlassen, außer ein paar Leute von höherem Rang, aber über die wusste er so gut wie nichts.
Er war in dem Speisesaal angekommen. Er war von Menschen überfüllt. Schnell ging Finnel an einen Automaten. Er steckte eine Karte ein und erhielt im Gegenzug dafür ein Essen. Genau abgewogen nach Körpergewicht und Leistung.
Das Essen schmeckte nach nichts, aber Finnel störte das wenig, er war das Essen gewöhnt, hatte nie etwas anderes gegessen.
Nach dem Mittagessen stand Sport auf dem Plan. Finnel war 16 morgen würde er 17 werden.
Davor hatte er sich schon lange gefürchtet. Ab einem Alter von 17 Jahren konnte man jeder Zeit von der Regierung dazu auserwählt werden, ein Soldat zu werden, das war eine große Ehre, doch keiner, der einmal auserwählt wurde kehrte jemals zurück. Das versetzte viele Menschen in Angst und Schrecken. Viele aber nicht alle, manche glaubten auch, dass alle Soldaten nach ihrem Dienst ein schönes Haus in der Hauptstadt bekamen und bis an ihr Lebensende glücklich leben durften. Die meisten allerdings glaubten, dass die Ehemaligen Soldaten einfach erschossen werden, damit sie keine Kriegsgeheimnisse ausplaudern konnten. Diese Vermutung hielt Finnel für wesentlich wahrscheinlicher.
Finnel musste schon seit er zehn Jahre alt war, wie alle anderen auch, hart trainieren. Er war froh darüber, obwohl das Training anstrengend war, denn sonst hätte er wohl nie die Sonne zu Gesicht bekommen.
Um nach draußen zu gelangen musste Finnel an zwei Wachen vorbei, er zeigte seine Karte vor und sie ließen ihn passieren.
Der Übungsplatz war ein großes freies Feld, er war umgeben von meterhohem Maschendrahtzaun. Es war leise. So leise, dass sie das sirren des Stroms hören konnte, der den Ausweg aus 606 schier unmöglich erschienen lies. Finnel sah auf den Boden, nach fast 24 Stunden in beinahe völliger Dunkelheit, blendete ihn das grelle Sonnenlicht so stark, dass Tränen in seine Augen traten und er erst einige Sekunden warten musste, bevor er wieder aufsehen konnte.
Der große Platz war noch verlassen er war der Erste. Wie gerne würde er jetzt einfach davonlaufen, für immer in dem Wald verschwinden, der 606 umgab. Aber wo sollte er dann hin? Er konnte wohl nicht hoffen, dass ihn die Regierung einfach in Ruhe lassen würde, nein ein Fluchtversuch hatte viel verheerendere Folgen. Wenn er tatsächlich erwischt werden würde, wie er sich davonstahl, würde das nichts mehr mit der Regierung von 606 zu tun haben, dann käme das Imperium ins Spiel. Und wenn das Imperium ins Spiel kam, war er tot.
Schnelle Schritte hinter ihm ließen Finnel herumfahren. Es war ein Junge, ungefähr so alt wie Finnel. Wie er hieß wusste Finnel nicht, aber er hatte ihn schon öfter gesehen. Dem Jungen folgten mehrere Gleichaltrige, dann kamen immer mehr Jugendliche zum Vorschein. Der Übungsplatz füllte sich langsam.
Als letztes trat ein Trainer nach draußen, er begann ohne Umschweife mit dem Training. Zuerst laufen, dann Kampfsport. Finnel war gut im laufen er kam immer als zweiter oder dritter ins Ziel, aber im Kampfsport war er der ungeschlagene Champion keiner hatte ihn da je besiegt. Und deswegen hatte er Angst. Nach Leuten wie ihn hielt die Regierung Ausschau. Er konnte sich verteidigen, aber nicht gegen hundert bewaffnete Typen, viel zu spät hatte er erkannt, dass er viel zu gut war um nicht ausgewählt werden zu können. Doch wenn er jetzt jeden Lauf verlor und bei jedem kleinen Kampf den Kürzeren zog, wurden die anderen nur misstrauisch, und das konnte er jetzt gar nicht gebrauchen.
Der Startschuss riss Finnel aus seinen Gedanken. Er stürmte los, wenn er schon ausgewählt werden würde, dann zu Recht. Sein Start war nicht gerade glänzend gewesen, aber er hatte schon schlechtere gesehen. Finnel rannte immer schneller, dieses Mal wollte er gewinnen. Plötzlich bekam er Seitenstechen, er musste sein Tempo sehr verlangsamen. Er hatte den ersten Platz schon fast aufgegeben, da sah er, dass Kathrine die gleichen Probleme hatte wie er, das spornte ihn an und er legte einen Endspurt hin und lief als erster ins Ziel.
Keuchend lies er sich auf den Boden fallen und stand erst wieder auf als sich sein Trainer über ihn beugte und sagte, wenn er nicht sofort aufstand, würde er dafür sorgen, dass er die nächsten Tage nicht mehr sitzen konnte. Finnel entschloss es nicht darauf ankommen zu lassen und ging zum Kampfsport.
Er musste gegen Kathrine antreten. Kathrine war schon immer ein starker Gegner gewesen, aber heute behielt sie die meiste Zeit die Oberhand. Woran das lag stellte Finnel kurz darauf fest: Sie war wütend auf ihn. Sie bebte vor Zorn, man konnte es ihr deutlich ansehen.
Was habe ich getan?, fragte er sich, wieso ist sie so sauer?
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Kathrine war jetzt 17. Sie hatte 606 schon immer gehasst, wahrscheinlich wollte sie nur weg von hier und da bot die Auswahl natürlich die beste Möglichkeit. Und er hatte es ihr vermiest. Weil er besser war als sie würde bei der nächsten Auswahl die Wahl zu 99 Prozent auf Finnel fallen.
Soll sie doch nur gehen!, dachte Finnel wütend, wenn sie unbedingt tot sein will, bitte!
Die Erkenntnis, dass Kathrine so dumm war unbedingt ausgewählt werden zu wollen, machte Finnel so wütend, dass sein Trainer ihn von Kathrine trennen musste, da er sie sonst krankenhausreif gemacht hätte. Nach dem Training wurde er in die Krankenstation gebracht. Weil er ausgerastet war spritzte man ihm ein Beruhigungsmittel. So erlebte er seine letzten Stunden als 16 Jähriger wie in einem Traum.

Kapitel 2



602, 24.3.3586, 15.00 Uhr

Wütend starrte Lea zu ihm hinauf. Er war mindestens anderthalb Köpfe größer als sie doch Lea ließ sich durch nichts einschüchtern.
„Ich dulde es jetzt nicht länger, dass die Arbeiter keine Lebensmittel bekommen, Lousil!“, sprach Lea das Thema zum tausendsten Mal an. „Ich weiß genau, dass unsere Vorratskammern bis zum Rand gefüllt sind. Ich erwarte, dass noch diese Woche alle Arbeiter ihren Anteil für diesen Monat bekommen und den vom letzten auch!“
Ihr Gegenüber schluckte schwer wagte aber nicht zu widersprechen, „Ja, Prinzessin Lea. Die Arbeiter werden ihren Lohn bekommen.“
Lea seufzte schwer, „Du weißt genau, dass sie das nicht werden!“
„Doch, doch“, beteuerte Lousil und eilte davon.
Traurig starrte Lea ihm nach.
Hoffentlich ist der Krieg bald zu ende, dachte sie, hoffentlich gewinnt die Republik, das wäre für alle nur das Beste.
Sie hatte mit ihren 16 Jahren schon beide Elternteile verloren. Ihre Mutter war kurz nach ihrer Geburt an einer unbekannten Krankheit gestorben und ihr Vater hatte es vor einem knappen Jahr mit dem Präsidenten gewaltig verscherzt, kaum zwei Stunden später war sie Vollwaise gewesen.
Seit dem Tot ihres Vaters übernahm Lea die Regierung in 602. 602 war außer der Hauptstadt die größte Stadt im Land. Das war einer der Gründe, warum es dort auch noch einen König gab. Zumindest hatte es bis jetzt einen König gegeben, aber morgen war Leas 17. Geburtstag, dann konnte sie ausgewählt werden, und sie glaubte, dass der Präsident sich keine Chance entgehen lassen würde sie unauffällig loszuwerden.
Sie war ja schließlich die Tochter des ehemaligen Königs und außerdem behandelte sie ihre Untertanen in seinen Augen viel zu gut.

Kapitel 3



606, 25.3.3586, 11.00 Uhr

Finnel spürte, dass die Wirkung des Beruhigungsmittels nachgelassen hatte. Er konnte wieder klar denken. So schnell wie möglich verließ er die Krankenstation. Jetzt war er 17!
Jetzt musste er zwei lange Jahre lang, bis er 19 war, hoffen, dass keine Auswahl stattfand, denn würde eine stattfinden so wusste er, er wäre der Erste, der ausgewählt werden würde. Es war allerdings nicht sehr wahrscheinlich, dass die nächste Auswahl lange auf sich warten lies.
Die Republik hatte vor kurzem erst wieder zugeschlagen und viele Krieger des Imperiums vernichtet. In letzter Zeit waren die Auswahlen immer häufiger geworden.
Finnel konnte sich noch erinnern als in fünf Jahren nur eine stattfand. Doch seit der Krieg mit der Republik immer schlimmer geworden war, wurden die Auswahlen immer häufiger, bis sie jetzt fast monatlich stattfanden.
Wegen seinem Ausrasten am vorherigen Tag musste Finnel heute nicht zur Schule, aber es war sowieso schon Zeit zum Mittagessen gewesen, als er entlassen worden war.
Eilig lief er durch die Gänge, in 606 wurde kein Zuspätkommen geduldet.
Sein Essen schmeckte wie üblich nach gar nichts, lustlos stocherte er mit der Gabel darin herum. Schließlich schlang er es mit wenigen Bissen doch herunter.
Gerade als er fertig war ertönte ein langgezogener Alarmton. Finnel schreckte auf.
Eine helle Frauenstimme verkündete, dass eine Auswahl stattfinden würde und sich alle Jugendlichen zwischen 17 und 18 Jahren umgehend in der großen Halle einzufinden hatten.
Finnel rutschte das Herz in die Hose. Er begann zu zittern. Nein das konnte nicht sein, das konnte einfach nicht sein. War es Zufall, oder hatten es alle auf ihn abgesehen. Heute war der erste Tag an dem er an der Auswahl teilnehmen musste.
Er rannte los. So schnell er konnte. Er wollte dem allem entkommen. Er rannte bis er nicht mehr konnte, dann lehnte er sich an die Wand. Erschöpft und mit Tränen in den Augen.
Dann hatte er sich wieder gefasst. Es nützte auch nichts, wenn er davonlief. Im Gegenteil, dann würde er noch sicherer ausgewählt werden.
Energisch wischte er sich die Tränen aus den Augen. Entschlossen ging er los. Er würde in Würde dahin gehen, wo auch immer sie ihn hinschicken würden. Er nahm eine Abkürzung und traf als einer der Ersten in der großen Halle ein.
Jeder der Jugendlichen musste sich auf ein Podest stellen. Hinter dem Podest war ein weißer Schild angebracht, Finnel musste seine Karte in einen Schlitz stecken und auf dem Schild leuchteten Buchstaben auf, der Name und darunter eine kurze Beschreibung.
Finnel kam sich vor wie in einem Museum, und er war eine legendäre Mumie, die ausgestellt wurde. Langsam nahmen die anderen Jugendlichen ihre Plätze ein. Finnel sah sich um. Er entdeckte Kathrine auf dem ersten Platz. Anscheinend war sie gleich nachdem sie die Durchsage gehört hatte hierher gestürmt. Neben Finnel entdeckte er Lucas, einen kleinen Jungen, der auch erst vor kurzem 17 Jahre alt geworden war. Finnel hoffte das ihn die Auswahl nicht traf, er war ein guter Freund von ihm. Lucas war in Sport eine totale Niete, aber in seinem Kopf war mehr als in allen anderen. Er war immer Klassenbester.
Es wurde ruhig in der großen Halle. Finnel spürte die Anspannung im Raum. Er sah zu Lucas rüber. Dieser nickte ihm langsam zu. Entspannt bleiben, hieß das, du schaffst das schon, sie werden dich nicht auswählen.
Doch Finnel wusste, dass das Gegenteil der Fall war.
Leise öffnete sich die Türe. Ein groß gewachsener Mann trat ein, gefolgt von einem halben Dutzend anderer, in weiß gekleideter, Männer. Der erste trug auch weiß. Weiß mit mehreren schwarzen Streifen. Die Farbe des Imperiums. Er war nicht der Präsident. Finnel wusste nicht ob er darüber erleichtert oder besorgt sein sollte. Er wusste dass jetzt gerade in allen Städten des Landes Auswahlen stattfanden und der Präsident an einer teilnahm. Es hieß er wählte gern aus wer für ihn sterben sollte, dies fand Finnel widerlich und abstoßend.
Der Mann war einer seiner Minister. Langsam ging er durch die langen Reihen und sah sich die Jugendlichen an. Er musste sich nur für zwei oder drei entscheiden. Er setzte seinen Weg fort, sah sich die Gesichter an, die ängstlich zu ihm blickten, sein eigenes zeigte keinerlei Regung.
Er kam immer näher, Finnel bekam Panik. Er lief an dem Großen Mädchen vorbei, er lief an Lucas vorbei, dann lief er an Finnel vorbei. Finnel sah ihm in die Augen und für einen kurzen Moment blitzte in denen des Ministers ein Ausdruck des Erkennens. Doch als er genauer hinsah ging der Mann schon weiter.
Als wen hatte ihn der Unbekannte erkannt, oder hatte er sich das nur eingebildet? Vielleicht hatte er ihn als den Sohn seines besten Freundes erkannt, oder als den seines größten Feindes. Plötzlich fühlte er sich so einsam wie noch nie.
Der Minister näherte sich dem Ende der riesigen Schlange von Jugendlichen. Finnel sah das Kathrine immer aufgeregter wurde, als er schließlich an ihr vorbeikam schenkte sie ihm ihr schönstes Lächeln, doch er ging an ihr vorüber wie an allen anderen auch. Enttäuschung machte sich in ihrem Gesicht breit.
Der Minister und seine Begleiter hatten alles gesehen, was es zu sehen gab, jetzt mussten sie sich entscheiden. Sie wechselten nur ein paar Worte miteinander, dann ging er hinaus und seine Begleiter gingen um ihm die zu holen, die er wollte.
Kathrine war die erste, hoffnungsvoll blickte sie ihnen entgegen. Als sie sie mitnahmen, sah er Freude in ihren Augen, größte Freude, als wäre ein ewiger Traum war geworden. Finnel empfand nichts als Abscheu gegen sie, wie konnte man nur froh sein dazu auserwählt zu werden von den Magefightern in Stücke gerissen zu werden, keiner konnte es mit diesen Kämpfern der Republik aufnehmen. Niemand. Drei der Männer führten Kathrine hinaus die übrigen drei gingen langsam die Reihen entlang.
Jeder, an dem sie vorbeikamen, atmete erleichtert aus. Die Spannung war kaum auszuhalten.
Finnels Knie zitterten. Die Männer kamen immer näher, eine Horde Menschenfressende Monster. Sie gingen an Daniel vorbei, er war in Finnels Klasse und ziemlich stark.
Wenn sie ihn nicht nehmen, können sie nur mich mich nehmen, in Finnel machte sich Panik breit, Nein! Ich mag nicht gehen, ich mag keinen grausamen Tot sterben.
Und doch wusste er, es gab nur diese eine Möglichkeit, sie würden ihn nehmen, er hatte es in den Augen des Ministers gesehen, in ihnen war Erkenntnis aufgeblitzt, aber auch Hass und vor allem Furcht.
Sie nahmen Daniel nicht. Jetzt kann es nur noch ich sein, dachte sich Finnel, aber er hatte sich mit seinem Schicksal schon abgefunden.
Er sah zu Lucas hinüber, auf wiedersehen, formte er leise mit den Lippen. Lucas schüttelte mit dem Kopf. Nein! In ihm war noch Hoffnung, er wollte seinen Freund nicht verlieren, er hatte noch nicht aufgegeben. In Finnels Augen traten Tränen. Er wandte sich ab. Die drei Männer kamen auf ihn zu, Finnel sah ihnen fest in die Augen, dann traten sie an ihn heran und gaben ihm zu verstehen, dass er mit ihnen kommen musste, dass er nun ihnen gehörte.
Langsam stieg Finnel von dem Podest. Er warf Lucas noch einen letzten blick zu in dem Glaube ihn nie mehr wiederzusehen, auch in seinen Augen waren jetzt Tränen, und folgte den Wächtern nach draußen.

Kapitel 4



602, 25.3.3586, 11.00 Uhr

Lea hastete durch die Gänge. Sie rannte fast. Sie stieß eine große Tür auf und trat in den überraschend kleinen Raum dahinter. Der Raum war fast leer, nur an der Wand stand ein Sofa. Auf ihm saß ein Mädchen im Alter von etwa elf Jahren.
„Lily!“, stieß Lea hervor, „ich habe nicht viel Zeit, aber ich will, dass du mir etwas versprichst!“
Ihre Schwester sah zu ihr auf, „was?“, fragte sie, „was soll ich tun?“
„Versprich mir... . Versprich mir, dass du auf dich aufpasst!“
Lily nickte.
„Schwöre es!“
„Ich schwöre!“
„Gut. Dann versprich mir, dass du alles tust, was sie sagen. Wenn sie sagen, schwöre auf das Imperium, so tu es. wenn sie sagen, vernichte alles, was du hast, und gib uns alles, was du nicht vernichten kannst, so tu es. Und wenn sie sagen, vergiss deine Schwester für immer, so tu es. Denn das ist der einzige Weg zu überleben.“
Lily schwieg.
„Schwöre es!“
„Du weißt genau, dass ich das nicht kann!“
„Lily!“, Lea kniete sich vor ihre Schwester, nahm ihre Hände in ihre eigenen und sah ihr in die Augen. „Die Auswahlen finden statt. Du weißt das und du weißt auch, dass ich in den Augen des Imperiums zu viel falsch gemacht habe. Wenn ich jetzt da runter gehe, werde ich nicht wiederkommen, deshalb brauche ich Gewissheit. Du musst mir sagen, dass du alles tust, was sie sagen, alles. Ich könnte nicht den kurzen Rest meines Lebens aushalten, wenn ich wüsste, dass du eines Tages, da sein würdest, wo ich jetzt hingehe. Prinzessin sein schützt vor der Auswahl nicht, im Gegenteil, ein kleiner Fehler und die gesamte Regierung weiß es, dann bist du dran. Schwöre es mir, schwöre es, bitte!“
Lily zögerte. Langsam blickte sie im Zimmer umher. Dann sah sie ihrer großen Schwester tief in die Augen. Dann nickte sie. „Ich schwöre es.“
Erleichtert atmete Lea auf. Sie drehte sich um.
„Lebe wohl!“
„Du auch. Ich werde nicht zurückkommen!“
Mit diesen Worte verließ sie den Raum.
Jetzt rannte sie wirklich. Sie durchquerte den riesigen Palast in Rekordzeit. Keuchend blieb sie vor dem Tor stehen. Sie wartete, bis sie wieder normal atmete. Dann trat sie durch das Tor und landete auf einem großen Platz, auf dem alle Jugendlichen der Stadt zwischen 17 und 18 Jahren, versammelt waren.
Sie war die letzte. Natürlich, die anderen hatten keine Gewissheit, dass sie auserwählt wurden, sie mussten nicht ihrer Schwester, die nun als Waise, allein zurückbleiben würde, sagen, dass sie keine Dummheiten machen sollte. Mit einem leisen Seufzer stellte sie sich auf das Podest und schob ihre Karte in den Schlitz. Ihr Name und eine detaillierte Beschreibung, was sie alles falsch gemacht hatte, erschienen auf dem Bildschirm hinter ihr.
Die anderen Jugendlichen starrten sie überrascht an, sie hatten wohl nicht erwartet, dass ihre Prinzessin an den Auswahlen teilnehmen würde. Die, die ihr am nächsten waren verbeugten sich leicht. Lea lächelte ihnen schwach zu, aber es sah eher aus wie eine Grimasse.
Dann kam er, der Präsident höchstpersönlich. Lea sah ihn an, sie sah seine kalten schwarzen, sein Gesicht, dass sie abschätzend musterte und sie dann anlächelte. Lea lächelte nicht zurück. Sie sah ihm fest in die Augen. Eine stumme Drohung. Lea schien sich in seinen Augen zu verlieren, schien in eine Unendliche Dunkelheit zu fallen. Präsident Ethan wandte sich ab.
Keuchend riss sie sich von seinen Augen los. Für so einen Menschen sollte sie in den Krieg ziehen. Für so einen Menschen sollte sie sterben. Alles würde sie dafür geben, hier bleiben zu können. Alles. Doch das war nicht möglich.
Jetzt ging der Präsident los. Erlief durch die langen Reihen, sah in die Angstvollen Gesichter der Jugendlichen. Er ging schnell. Er hatte ja schon eine Kandidatin, wenn er keinen weiteren finden würde, der geeignet war, konnte er auch einfach nur sie nehmen, obwohl das zu auffällig war. Dann wusste jeder, dass er nur sie loswerden wollte.
Trotzdem war er schnell am anderen Ende angekommen.
Lea hatte keine Angst mehr. Sie wusste, dass es keinen anderen Weg gab, außer tot zu sein, aber sie hatte nicht vor sich in den nächsten fünf Minuten umzubringen, das wäre dann das Gesprächsthema der nächsten paar Jahre.
Sie wollte nicht als Feigling herüberkommen, also stellte sie sich aufrecht hin und wartete auf ihr Schicksal.
Die Begleiter des Präsidenten liefen durch die Reihen zurück. Als erstes nahmen sie Samuel mit. Drei der Männer geleiteten ihn weg von den anderen. Die Übrigen gingen weiter. Sie liefen an Jugendlichen vorbei, die ihnen ängstlich entgegenblickten, die hofften, dass das Los nicht auf sie oder ihre Freunde fiel.
Sie nahmen Lea. Natürlich. Dennoch gab es mehrere überraschte Ausrufe aus der Menge. Es war wohl zuvor noch nie eine Prinzessin zum Wehrdienst verpflichtet worden. Schweigend folgte Lea ihren Wachen, doch als sie das Ende des Platzes erreicht hatten drehte sie sich noch einmal um.
„Ich möchte nicht gehen!“, begann sie leise, „Aber ich muss, und deshalb gehe ich. Ohne mich zu beschweren. Ich bin froh, dass ich statt einem von euch gehen kann, so kann ich wenigstens einen retten. Das Imperium tut nichts rechtes. Es ist nicht recht, seine Kinder zu versklaven, damit sie im Krieg gegen übermächtige Feinde kämpfen, aber sie tun es.
Die Menschen sollten verstehen, dass es sich lohnt für die Freiheit zu kämpfen, dass sie nicht gewinnen können wenn sie nichts tun, wenn ihr weiter nichts tut werdet ihr bis in alle Ewigkeit so leben, ihr werdet sterben wie ihr geboren seid, unterdrückt in der Angst eurer Verwandten und Freunde beraubt zu werden, weil die Regierung Menschen braucht die für sie kämpfen... und sterben.“, Tränen rannen jetzt über ihre Wangen, „Ihr müsst endlich verstehen, dass ihr hier nie frei sein könnt. Tut es nicht für mich, tut es für eure Freunde und Verwandte, die für das Imperium sterben mussten!“
Sie schaute in die Runde, keiner regte sich. Langsam hob sie den Mittelfinger und den Zeigefinger und streckte sie gen Himmel. Das Zeichen für Friede. Noch immer regte sich niemand. Unter Tränen drehte sie sich um.
Alles war um sonst gewesen, sie hatte verloren. Ein letztes Mal drehte sie sich noch um. Da hoben sie den Mittelfinger und den Zeigefinger der Rechten Hand. Zuerst nur wenige, dann immer mehr, bis schließlich zweihundert Fingerpaare in den Himmel zeigten. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Dann wurde sie gepackt und zum Flugzeug gebracht.
Sie wurde in einen kleinen Raum gestoßen, dann wurde die Türe zugeknallt und das Flugzeug hob ab. Samuel war auch da.
Er sah sie lange an, dann sagte er: „Danke!“
„Gern geschehen!“, das war wirklich nicht gelogen, sie hatte getan, was sie tun konnte.
Jetzt hieß es nur noch warten und Hoffen... und Überleben.

Anhang


Danke fürs lesen!!


Dies ist erst ein kleiner Teil des Buches ich möchte die Teile nach und nach veröffentlichen. Wenn ich Material für ein richtiges Buch zusammen habe möchte ich gerne eine Gesammtausgabe veröffentlichen.

Juju1999

Anhang


Danke fürs lesen!!!


Das Buch ist noch sehr kurz, aber ich wollte es unbedingt jetzt schon veröffentlichen, allerdings arbeite ich schon an den nächsten Seiten. Wenn ich genug Material habe möchte ich auch einen gesamten Band veröffentlichen.

Ich hoffe euch hat das Buch bisher gefallen!

Juju1999

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

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