Bella
Die Worte meiner besten Freunden waren mir noch im Kopf, als ich mich durch die Menge schlängelte.
„Es tut mir Leid, Bella“, hatte sie gesagt. „Ich weiß, dass du die Wichtige Ecke hasst, aber da Alice krank ist und ich die gesamte Veranstaltung organisieren muss, weiß ich niemand anderes, dem ich genug für diese Aufgabe trauen könnte.“
Und so war ich hier gelandet, in der hinteren rechten Ecke dieser High Society Party.
Ich lief vorsichtig, um nicht zu stolpern, auf die Gruppe zu, die ich an diesem Abend bedienen würde. Ich mochte diese Snobs nicht, die sich nur in ihren eigenen Kreisen aufhielten und zu jedem hinab schauten, der nicht dieselbe Menge an Geld auf dem Konto hatte oder eine ebenso lange Familiengeschichte in dieser Stadt – Geschichte einer wichtigen Familie in dieser Stadt, versteht sich.
Wie es oft ist, war dies nur ein Job für mich. Ich hatte seit meinem Abschluss an der High School mit Rosalie und Alice zusammen gearbeitet. Ich hatte verschiedene Kurse am College besucht und war nun dabei für ein eigenes Buchgeschäft zu sparen. In diesem Job gab es Partys, die schön waren und auf denen ich gerne arbeitete und welche, bei denen ich es nicht tat. Diese war eine der weniger schönen.
Die Cullens und Denalis lachten untereinander, als ich bei ihnen ankam. Die Ausdrücke auf ihren Gesichtern ließen mich darauf schließen, dass sie soeben ein neues Opfer gefunden hatten. Niemand schien jemals gut genug für sie zu sein. Es konnte die Kleidung sein, das Make up, die Haare... wirklich alles. Sie fanden immer etwas.
„Darf ich Ihnen einen Champagner anbieten?“ fragte ich mit meiner süßesten Stimme, das süßeste Lächeln auf den Lippen.
Wie immer stürzten sie sich auf mich, um ihre Hände an einen dieser sprudelnden Drinks zu bekommen.
„Danke, meine Liebe“, sagte Doktor Cullen. Er legte seine Hand auf meinen Rücken und ließ sie nach unten gleiten.
„Sir, ich muss Sie bitten das zu unterlassen“, flüsterte ich. Ich versuchte so höflich und wenig auffällig zu sein, wie es mir möglich war.
Er lachte nur. „Entspann dich. Und leb' ein bisschen.“
Als könnte er mir ein Leben bieten. Nicht ein solches, wie ich es mir für mich wünschte.
Ich hatte Glück, dass er genau in dem Moment gebeten wurde, seine Rede zu halten.
„Herzlich Willkommen.“ Er lächelte charmant in die Runde, nichts erinnerte mehr an das Ekelpaket, dass mir soeben begegnet war. „Ich danke euch allen für euer Kommen zu unserer alljährlichen Feier...“
Ich hörte nicht länger zu. Es war immer dasselbe. Er lobte sich selbst. Er dankte seinem Partner. Er erwähnte ihre Familien. Ich musste währenddessen mit den anderen Bedienungen dafür sorgen, dass jeder der Gäste etwas zu trinken hatte und anschließend in den Hintergrund treten.
Ich kam erst zurück zu den Festigkeiten und der Rede, als er seinen Sohn Edward und Tanya, die Tochter seines Partners, zu sich holte.
„Heute, an diesem besonderen Abend, ist es mir eine außerordentliche Ehre die Verlobung meines Sohnes mit Tanya Denali bekannt zu geben.“
Ich bemerkte nicht einmal, dass das Tablett von meiner Hand rutschte.
Edward
Ich konnte meinen Gesichtsausdruck kaum neutral halten. Was sagte Dad da? Ich? Verlobt mit Tanya? Wann? Warum?
Ich war so schockiert, dass ich erst mit einiger Verzögerung das schmetternde Geräusch und das Geflüster der anderen Gäste hörte. Ich ließ meine Augen durch den Raum wandern, zu dem Punkt, an dem ich sie zuletzt gesehen hatte. Aber sie war nicht mehr da. Da waren nur die anderen Bedienungen, die aufräumten.
Ich lief weg von meinem Vater, ohne die Rede zu halten, die nun von mir erwartet wurde. Warum tat er das? Ich liebte Tanya nicht und das wusste er. – Allerdings wusste er nicht, dass ich jemand anderes liebte.
Ich wusste, dass meine Familie immer angenommen hatte, dass ich Tanya heiraten würde. Ihre Familie erwartete es. Die Gesellschaft tat es.
Während ich zu einem der großen Fenster lief, um nach draußen zu blicken, sprach Tanya aufgeregt ins Mikrofon; wie überrascht und glücklich sie doch über meinen Antrag gewesen war.
Was würde ich nicht dafür geben, meine ganzen Gefühle einfach heraus schreien zu können. Aber das machte man nicht. So war ich nicht erzogen worden. Es war für einen Abend zu ertragen. Am nächsten Tag wurde es korrigiert. Das Leben konnte weitergehen.
Normal funktionierte das. Aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal ging es um eine Verlobung mit einer Frau, die ich nicht liebte, während die Frau, die ich liebte, es gehört hatte.
Ich konnte nicht sagen, wie viel Zeit später ich zu meiner Mutter ging und mich für den Rest der Party entschuldigte, um nach Hause zu gehen – nur dass ich nicht plante, nach Hause zu gehen. Ich musste die Liebe meines Lebens sehen.
Ich hatte Bella zu vielen Gelegenheiten, wie dieser, gesehen, aber konnte niemals mit ihr sprechen. Ich beobachtete sie, während sie die Unangebrachtheiten meines Vaters und die anderer Männer über sich ergehen lassen musste. Ich liebte es, sie ganze Abende zu beobachten und lernte sie dadurch kennen – ohne jemals mit ihre gesprochen zu haben; ohne ihren Namen zu kennen.
Das Glück war auf meiner Seite, als ich an einem Abend gezwungen war für Recherche die Bibliothek des Colleges aufzusuchen. Dort sah ich sie zum ersten Mal, weit weg von High Society Events. Sie war in Büchern und Notizen begraben, mit einer Lesebrille auf ihrer Nase. Sie war wunderschön!
Sie erkannte mich in dem Moment, in dem ich mich zu ihr an den Tisch setzte. Zunächst ignorierte sie mich und als ich begann mit ihr zu sprechen, machte sie es klar, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollte. Letztendlich brachte ich sie aber doch dazu, mit mir zu sprechen, als ich sie um Hilfe bat. Der Rest ist Geschichte. Es war nicht immer einfach, aber es war definitiv jede Strapaze wert gewesen.
Jetzt, beinahe ein Jahr später, musste ich eine Entscheidung treffen, die mein Leben für immer verändern könnte. Ich konnte nicht länger darüber nachdenken und grübeln, ob ich bereit war. Ich musste bereit sein. Und ich war bereit. Dessen war ich mir sicher.
Bella
Ich war zurück in meiner Wohnung, als die Tränen begannen über meine Wangen zu laufen. Ich hatte immer gewusst, dass es zu gut war, um wahr zu sein, aber ich hätte gerne noch ein bisschen länger in diesem Traum gelebt. Ich wäre gerne darauf vorbereitet gewesen, dass es enden musste. Aber dafür war es jetzt zu spät. Ich hatte einen sehr unschönen Weckruf bekommen.
Edward und ich waren schon immer von zwei verschiedenen Welten gewesen und was wir hatten, ging wahrlich über die Grenzen des Universums. Aber irgendwie hatten wir uns gefunden und waren von einer Kraft angezogen worden, der man nicht widerstehen konnte. Ich war so glücklich mit ihm, es kümmerte mich nicht einmal, dass wir alles geheim halten mussten. Nicht einmal Rosalie wusste, dass ich einen geheimen Liebhaber hatte. Und was für ein Liebhaber er war! Er war sicher der einzige Mann, den ich jemals lieben würde.
Jetzt hatte die Gesellschaft ihn mir genommen und er hatte es nicht einmal für wichtig empfunden, es mir zu sagen. Nun, er konnte davon ausgehen, dass die Nachricht bei mir angekommen war.
Ich entkleidete mich meines Blazer, der Bluse und des Rocks und zog stattdessen meine bequemstem Freizeitklamotten an. Ich hätte meinen Kummer gerne in einer großen Schale Eis, oder irgendwas, ertränkt, aber ich hatte nicht in Kühlschrank und Gefrierfach. Aber ich fühlte mich auch nicht danach zu dem Geschäft ein Stück die Straße runter zu gehen, das noch offen war. – Nicht, dass ich Geld für solch einen Luxus hatte, jetzt da ich sicher meinen bestbezahlten Job verloren hatte, weil ich weg gerannt war. Ich entschloss mich also in der Dunkelheit meines Wohnzimmers zu sitzen und meinen Tränen freien Lauf zu lassen.
Ich wusste nicht wie viel später es war, als ich ein sanftes Klopfen an der Tür vernahm. Einen Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass die Party noch nicht um war. Es konnte also nicht Rosalie sein.
Mit vorsichtigen Schritten ging ich zur Tür. „Wer ist da?“ fragte ich, nicht lauter als ein Flüstern.
„Ich bin es“, antwortete er. „Bella, ich muss mit dir reden.“
„Es gibt nichts mehr zu sagen. Geh weg, Edward.“
„Es gibt noch viel zu sagen, Liebste.“
„Nenn' mich nicht so“, bat ich. Meine Stimme brach.
„Doch, das werde ich. Weil es wahr ist... Ich bin nicht verlobt!“
„Ich war da, Edward. Ich habe deinen Vater gehört.“
„Genau. Meinen Vater. Ich habe sie nicht gefragt. Sie hat nie ja gesagt. Ich würde sie niemals heiraten. Nicht wenn ich jemand anderen liebe!“ Er erstummte kurz. „Bitte, lass mich rein.“
Ich zögerte einen Moment, aber öffnete die Tür trotzdem. Da stand er. Verzweifelt und wunderschön. Der Mann, den ich liebte.
„Bella“, hauchte er.
Ich trat einen Schritt zurück, als er versuchte mich zu berühren. Er sah mich an, einen Moment schockiert, nickte dann aber und trat ein.
Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Das Licht war immer noch nicht angeschaltet.
Edward
„Ich wusste es nicht“, begann ich. „Es gab keinen Hinweis... Ich denke, da ich nie gehandelt habe, dass er ungeduldig wurde und entschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Ich hätte dem niemals zugestimmt! Bella, du musst mir glauben. Es tut mir Leid, dass das passiert ist. Ich hätte es ihnen sagen sollen. Ich weiß. Ich war ein schlechter Freund. Ich habe nur an mich gedacht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie Leid mir das alles tut! Bitte, verzeih' mir. Ich verspreche, dass sich ab jetzt alles verändern wird.“
„Wie?“ flüsterte sie. „Ich bin immer noch ich. Du bist immer noch du. Wie sollte das funktionieren?“
„Du magst immer noch du sein – und bitte ändere dich niemals – aber ich bin nicht mehr ich. Ich habe mich verändert. Von jetzt an wird alles anders sein.“
„Wie?“ fragte sie noch einmal.
„Wir werden zusammen sein. Offiziell. Keine Geheimnisse mehr. Ich werde mich von meiner Familie abwenden, wenn sie nicht zu meiner Entscheidung stehen. Ich habe genug Geld, ich brauche sie nicht. Aber dich brauche ich. In meinem Leben. Immer.“
„Edward.“ Ich sah sie im Dunkeln ihren Kopf schütteln.
„Nein. Die Entscheidung ist gefallen. Ich liebe dich. Das ist alles, was zählt. Ich will nie wieder von dir getrennt sein. Bitte, schick mich nicht weg.“
„Edward“, sagte sie noch einmal. Sie kam zu mir, griff nach meinem Händen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Wie wäre es mit: Danke, dass du in meinem Leben bist. Denn ich bin es, ich bin mehr als glücklich, genau hier, wo ich gerade bin.“
„Danke. Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch.“ Ich zog sie auf meinen Schoß. „Wäre es zu viel, wenn ich um einen Gefallen bitten würde?“
„Was immer du willst“, antwortete sie.
„Ich brauche einen Platz zum schlafen, für heute Nacht und vielleicht ein paar Tage. Nur bis ich etwas für mich selbst finde, sobald alles geregelt ist.“
„Du kannst natürlich hier bleiben. So lange du willst.“
„Das hättest du nicht sagen sollen. Ich will hier, genau hier mit dir in meinen Armen, für den Rest meines Lebens sein.“
„Dann wäre das ja geklärt“, kicherte sie.
Wie erwartet war meine Familie nicht sehr erfreut darüber, dass ich meine Verlobung mit Tanya löste. Aber das war nichts zu ihrer Reaktion, als ich ihnen mitteilte, dass ich ausziehen würde, um mit meiner Freundin in einer kleinen Wohnung zu leben. Am Ende des Tages hatte ich meine Familie verloren, den größten Teil meiner Freunde und meinen Job. Aber ich hatte Freiheit erhalten, die ich an der Seite der Liebe meines Lebens verbringen konnte.
Tag der Veröffentlichung: 10.05.2011
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