Cover

1. Prehistory
2. To find Someone you Love
3. Lost and Found and Found and… Lost again?
4. Sunnyland Orphanage
5. Business Lunch
6. Library
7. Clear and Brief
8. Sara-Leigh
9. Family Day
10. Edward hits the Orphanage
11. Talk and Text
12. Barbecue (Ladies and one Gentleman)
13. Secrecy
14. Tagliolini
15. Adoption
16. Happy Birthday, Esme
17. Christmas Preparation
18. Alice hits the Orphanage
19. Christmas
20. Wedding and...
21. Epilogue
22. Outtake: Business Lunch – Bellas PoV


6 Monate - Elternschaft ist nicht einfach


1. Prehistory


Es war ein befreiendes Gefühl, als ich heute über die Schwelle meiner Universität nach draußen trat. Ich hatte die letzten Prüfungen des Semesters geschrieben und musste dieses Gebäude nun über ein halbes Jahr nicht mehr sehen.
Meiner Ausbildung zufolge war ich nun endlich soweit um richtige Arbeitserfahrung zu sammeln und so hatte ich das letzte Semester damit verbracht nach einem geeigneten Krankenhaus zu suchen. Dabei hatte ich allerdings nicht nur auf die Qualitäten des Krankenhaus selbst geachtet – was eigentlich die Wichtigkeit Nummer eins sein sollte – sondern auch auf den Standort. Ohne die Hilfe meiner Adoptivschwester Alice wäre aus diesem Plan sicher nichts geworden, aber man konnte leider auch nicht unbedingt sagen, dass sie ihn gut hieß. Ich hingegen tat es und deswegen würde ich ihn auch ausführen.
Alice hatte mir verraten, dass Bella sich derzeit in Chicago aufhielt und nicht, wie ich erwartet hatte, weil sie es mir damals gesagt hatte, in Seattle.
Damals… Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich war auf dem Uniparkplatz angekommen, stieg in meinen Wagen und fuhr, ohne noch einmal zurück zu blicken, zu meiner Wohnung.
Ich hatte Glück und eines der Krankenhäuser in Chicago konnte derzeit tatsächlich einen Studenten einer Eliteuniversität der Ostküste aufnehmen. Meine Eltern hatten mir sehr bei der Wohnungssuche geholfen und auch mit der dürfte ich, nachdem was ich gehört habe, doch sehr zufrieden sein.
Ich konnte nicht verstehen, warum Alices und Bellas Freundschaft über all die Jahre in dieser Intensität überstehen konnte, während wir… während Bella und ich schon zuvor scheiterten. Ich wusste nicht, warum sie es für nötig gehalten hatte, am Ende des Sommers, nach unserem Abschluss an der High School, bevor wir alle zu unseren Universitäten gingen, mit mir Schluss zu machen. Und damit alle meine Pläne zerstörte, die ich für uns hatte. Für mich stand außer Frage, dass ich sie, zu dem Zeitpunkt, genauso wie jetzt auch, immer noch genauso liebte, wie in dem Moment, als wir zusammen kamen – und vielleicht auch noch früher. Aber sie war einen Tag vor ihrer Abreise zu uns gekommen um sich zu verabschieden, für immer. Und Alice hatte gesagt, dass ich ihre Entscheidung respektieren sollte, wenn ich sie liebte und es ihr nicht noch schwerer machen sollte. Den Grund wollte mir niemand verraten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Bella mich nicht mehr liebte. Das, was zwischen uns gewesen war, war von einer wundervollen Einzigartigkeit, die man nicht beschreiben konnte, die aber definitiv niemals scheitern sollte. Meiner Meinung nach nicht einmal könnte. Aber sie hatte es gekonnt.
An meiner Wohnung angekommen, parkte ich meinen Wagen sicher in der Tiefgarage, wo er sich die nächsten Monate aufhalten würde. Ein Freund hatte sich netterweise bereit erklärt mich zum Flughafen zu fahren.
Ich hatte niemals versucht über Bella hinwegzukommen, ich hatte zuvor gewusst, dass dieses Unterfangen unmöglich wäre. Ich war mir bei ihr so sicher gewesen und hatte ihr alles anvertraut und sie hatte es, so hatte ich zumindest gedacht, verstanden. Aber wie viel konnte sie verstanden haben, wenn sie mich trotz des Wissens verließ?
Meine Wohnung war noch voll eingerichtet und, bis auf die fehlenden Bilder von Bella und die gepackten Koffer im Wohnzimmer, könnte nichts darauf schließen lassen, dass ich längere Zeit nicht mehr zurückkehren würde.
An der Universität hatte ich genau den entgegen gesetzten Ruf, wie früher an der High School, bevor der verhängnisvollen zwei Praktikumswochen, die alles verändert hatten. Für die Mädchen hier war ich ein unerreichbarer Single. Ich hatte nie ein Mädchen näher, als Freundschaft, an mich heran gelassen, auch wenn manche gedacht hatten, dass sie mir so vielleicht doch näher kommen könnten. Wie könnte ich? Obwohl Bella und ich nicht zusammen waren, so kam es mir doch so vor, als würde ich sie betrügen. Ich wusste nicht, wie sie ihren Alltag derzeit meisterte, ob sie jemand Neues gefunden hatte. Alice wollte mir darüber nie etwas erzählen. Das hinderte mich allerdings nicht daran, immer wieder danach zu fragen. Aber mehr als, dass es ihr gut ging, brachte ich nie aus meiner Schwester heraus. Immerhin ging es ihr gut.
Mir ging es auch gut, bis auf den fehlenden Teil, den ich immer mit mir herumschleppte. Die Leere, die niemand füllen konnte, außer der Person, die es nicht mehr wollte. Es gab nicht einen Tag, an dem ich nicht an sie dachte, nicht eine Stunde, nicht eine Minute.
Aber wie gesagt, ich hatte nie über die hinwegkommen wollen, ich wusste, dass niemand sie ersetzen konnte und ich hatte gewusst, dass ich irgendwann nach meinen Antworten suchen würde. Die Arbeitserfahrung bot mir diese Möglichkeit. Nach Chicago ging ich in erster Linie, weil ich wusste, dass sie dort war. Es war mir egal, ob sie alleine dort war, oder mit jemandem, mein erstes Ziel war, dass ich sie sehen wollte, mich selbst davon überzeugen, dass es ihr gut ging. Ich war neugierig, ob sie es geschafft hatte, ihren Traum zu verwirklichen, der sich im letzten Jahr der High School bei ihr gebildet hatte. Ich hatte keinen Zweifel daran. Erst dann würde ich mich zu erkennen geben – obwohl ich gleichzeitig daran zweifelte, dass ich mich zurückhalten könnte, hätte ich sie einmal gesehen.
Es klingelte an der Tür, ich öffnete schnell. Seth war einer meiner ersten und besten Freunde an der Universität gewesen und er kannte die volle Geschichte.
››Hey Mann! Bist du bereit?‹‹ fragte er mit breitem Grinsen.
Ich wusste nicht, ob er jemals verstanden hatte, was das alles für mich bedeutete, aber er akzeptierte meine etwas abgedrehte Art dieses Thema betreffend und das war alles, was ich erwartete.
Ich zuckte zur Antwort mit den Schultern, griff nach dem größeren der beiden Koffer und meinem Rucksack und brachte beides nach draußen. Dort wartete ich, bis Seth den anderen Koffer herausgebracht hatte und schloss die Wohnung doppelt ab. Es machte mir nichts aus, meine langjährige Heimat für so eine lange Zeit zu verlassen. Ich wusste, dass ich ein viel schöneres Ziel hatte.
››Du bist so schweigsam‹‹, stellte Seth nach ein paar Minuten im Auto fest.
Wahrscheinlich war es ihm gegenüber nicht fair, dass ich nicht mit ihm sprach, immerhin waren wir Freunde und würden uns eine lange Zeit nicht mehr sehen, aber ich konnte mir nicht helfen. In Gedanken hatte ich nur Bellas Bild vor mir. Ob sie sich in den letzten Jahren wohl sehr verändert hatte? Aber ihrer Schönheit konnte sicher nichts etwas antun.
››Tut mir Leid‹‹, seufzte ich.
››Du bist bei ihr, hm?‹‹ fragte er mitleidig nach.
››Noch mehr als sonst‹‹, gestand ich.
››Wann wirst du zu ihr gehen?‹‹
››Ich weiß es noch nicht.‹‹ Ich seufzte erneut. ››Ich hoffe, dass es sich sobald wie möglich ergibt, sechs Monate können sich als eine kurze Zeit herausstellen. Und ich will keine Sekunde verpassen. Allerdings ist da die neue Umgebung, ich muss einige Dinge erledigen, bevor ich mich auf mein Hauptvorhaben konzentrieren kann. Und dann ist da die Arbeit, das will ich auch nicht verbocken, aber das wird mir einiges an Zeit rauben.‹‹
››Sechs Monate – und sollten es am Ende nur fünf sein, weil du ja so viel zu erledigen hast-‹‹ meinte er das genauso ironisch, wie es in meinen Ohren klang? ››-sollten mehr als genug sein, nachdem was du von früher erzählt hast. Mach dir da Mal keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass alles genauso laufen wird, wie du dir das vorstellst.‹‹
››Danke, Mann!‹‹ Ich lachte. ››Allerdings bezweifle ich, dass es so ablaufen wird, wie ich es gerne möchte, dazu kenne ich Bella zu gut. Sie wird sich ganz bestimmt nicht sofort in meine Arm werfen, wenn sie mich sieht, dazu beharrt sie viel zu sehr auf einer Entscheidung, die sie gefällt hat. Sie ist so sturköpfig manchmal.‹‹ Ich seufzte wieder und verlor mich in Erinnerungen mit Bella.
››Natürlich wird es nicht so ablaufen, aber ganz ehrlich, was sollte sie daran hindern?‹‹
››Ich weiß es nicht. Vielleicht könnte ich dir das beantworten, wenn ich wüsste, warum sie damals Schluss gemacht hat.‹‹
››Wahr‹‹, gab Seth zu. ››Aber sie hat doch auch gesagt, dass ihr euch irgendwann wieder sehen werdet, nicht?‹‹
››Sie sagte, dass wir uns vielleicht wieder sehen und wirklich überzeugt hat sie nicht geklungen. Es klang vielmehr, als fühlte sie sich gezwungen das zu sagen, aber wollte es nicht wirklich.‹‹
››Und vielleicht warst du in dem Moment einfach zu geschockt, um alles so zu verstehen, wie sie es meinte.‹‹
››Vielleicht‹‹, gab ich zu.
Seth hatte natürlich Recht. Ich war ein Wrack, nachdem sie sich von mir verabschiedet hatte. Ich hatte meine Seelenverwandte gefunden, meine große Liebe und ich war mir sicher, dass wir für immer zusammen sein würden. Ich war fest davon überzeugt, dass ich mit Bella alt werden würde. Und, nachdem was sie sagte, dachte ich immer, dass sie es genauso sah. Und dann verabschiedete sie sich auf einmal aus meinem Leben, ohne eine Erklärung. Nicht einmal meine Schwester, ihre beste Freundin, konnte sie mir geben, allerdings wusste auch ich nicht, ob Alice sie kannte.
››Du wirst sehen, wie sich alles einlenkt, sobald ihr euch wieder gesehen habt.‹‹
››Danke‹‹, sagte ich. Ich wusste, dass es niemals so eintreffen würde, aber ich war ihm sehr dankbar, dass er versuchte mir Mut zu machen. Das war genau das, was ich im Moment brauchte.
››Wie viel Zeit haben wir noch?‹‹ fragte Seth nach einer weiteren Pause.
Ich blickte schnell auf die Uhr. ››Ich sollte in spätestens einer Stunde eingecheckt sein.‹‹
››Was hältst du davon, wenn wir davor noch was essen gehen? Du brauchst etwas in den Magen für deine Nerven‹‹, schlug Seth vor.
Ich nickte. ››Gute Idee.‹‹ So würden wir noch etwas Zeit miteinander verbringen können.


2. To find Someone you Love

Die Woche, bis ich in meiner neuen Wohnung komplett eingerichtet war und mich schließlich bei meinem neuen Arbeitsplatz vorgestellt hatte, verging schneller, als ich erwartet hatte. Ich hatte kaum Zeit darüber nachzudenken, wie mein sicher baldiges Aufeinandertreffen mit Bella ablaufen würde.
Schließlich war aber Wochenende und unserer Wiedervereinigung stand nichts mehr im Wege. Am Samstagmorgen verließ ich gegen zehn Uhr mein Appartement und machte mich auf den Weg zum Einwohnermeldeamt, da ich Bellas Adresse hier immer noch nicht wusste. Alice hieß meinen Plan immer noch nicht gut und war mir deshalb auch keinesfalls eine Hilfe. Aber ich würde es auch selbst herausfinden, selbst wenn meine Schwester mir nicht helfen wollte. Und wenn ich etwas von meinem Charme einsetzen musste, den ich eigentlich erst wieder auspacken wollte, sobald ich Bella gegenüber stand. Dieser Plan setzte allerdings voraus, dass mir eine Frau in besagtem Amt gegenüber saß – wobei ich zugeben musste, dass mein Charme auch gelegentlich bei Männern wirkte.
Das Rathaus von Chicago lag nicht direkt in der Stadtmitte und hatte ein eigenes Parkhaus, somit hatte ich hier keine Probleme meinem Ziel näher zu kommen. Das erste Hindernis kam, als ich im Erdgeschoss des Gebäudes vor einer großen Tafel stand und herauszufinden versuchte, welches Stockwerk und welches Büro ich denn jetzt genau ansteuern sollte.
Auf der zweiten Hälfte, ziemlich in der Mitte des dritten Stockwerkes, fand ich das gesuchte Amt. Ich blickte mich schnell in der Halle um und fand bald zu meiner rechten, am anderen Ende der Wand, einige Fahrstühle. Ich stieg in einen, ließ mich in das dritte Stockwerk bringen und betrat dort den mit dickem Teppich ausgelegten Flur. Auf gut Glück ging ich gerade aus den Gang entlang und las jedes Türschild, an dem ich vorbeikam, bis ich letztendlich vor der richtigen Tür stand.
Nach dreimaligem Klopfen betrat ich das Büro und schaute mich schnell um. Mir gegenüber saßen zwei älterliche Frauen, denen man ihren Bürojob eindeutig ansah, und hielten offensichtlich Kaffeeklatsch – kein Wunder, dass ich auf mein Klopfen keine Antwort erhalten hatte.
Ich räusperte mich.
Die beiden schreckten auseinander, blickten mich an und bekamen augenblicklich große Augen. Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen. Das würde offensichtlich einfacher werden, als erwartet.
Die Dame am Schreibtisch auf der linken Seite, vom Tresen aus gesehen, sprang auf, strich sich hastig ihren olivefarbenen Rock glatt und hastete nach vorne.
››Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?‹‹ konnte sie nicht schnell genug fragen.
››Hallo... Lucy‹‹, sagte ich nach einem kurzen Blick auf ihr Namensschild. ››Ich suche eine Freundin von mir, sie ist vor einiger Zeit hier hergezogen und jetzt wollte ich sie besuchen kommen, da ich für längere Zeit in der Stadt sein werde. Sie scheint allerdings einen Fehler in der Adresse gemacht zu haben, denn als ich dort war, wurde mir gesagt, dass hier keine Bella wohnt und auch niemals eine gewohnt hat. Und da habe ich mich gefragt, ob Sie mir eventuell weiterhelfen könnten?‹‹ Beim letzten Satz blickte ich ihr direkt in die Augen.
Lucy blinzelte ein wenig, offensichtlich versuchte sie die Fassung wieder zu erlangen, allerdings wusste ich, im Gegensatz zu ihr, dass ihr das nicht gelingen würde.
Die andere Frau, Gretchen verriet ihr Namensschild, trat näher.
››Tut mir... tut mir wirklich Leit, Mister...?‹‹
››Edward, nennen Sie mich Edward‹‹, hauchte ich ihr entgegen.
››Tut mir Leid... Edward... Aber ich fürchte, es ist mir nicht möglich Ihnen solch vertrauliche Informationen zu geben. Vielleicht hatte die Frau einen Grund Ihnen eine falsche Adresse zu geben?‹‹
Ich seufzte enttäuscht und traurig auf und schlug meine Lieder nieder. ››Das kann ich voll und ganz verstehen‹‹, sagte ich leise und fügte nuschelnd hinzu: ››Dann werde ich ihr wohl nie sagen können, wie sehr ich sie liebe.‹‹
Lucy und Gretchen blickten auf.
››Wie war das?‹‹ fragte Gretchen nach.
››Nun...‹‹ fing ich langsam an. ››Damals, als Bella beschloss zu gehen, habe ich mir nie etwas dabei gedacht, doch sobald sie weg war, wurde mir klar, wie sehr ich sie brauchte in meinem Leben – dass ich sie liebe, wie nichts anderes auf dieser Welt! Allerdings war es dann zu spät. Ich habe mich nicht getraut früher nach ihrer Abreise hier her zu kommen. Sie müssen verstehen, dass ich sie immer als meine beste Freundin gesehen habe und dann plötzlich habe ich Gefühle für sie? Aber glauben Sie mir, solche Gefühle, wie ich sie für Bella empfinde, die gibt es nicht noch einmal auf der Welt. Es war, als wäre die Sonne für immer untergegangen, als sie ging und sie kann erst wieder aufgehen, wenn ich sie wieder gesehen habe und sie meine wahren Gefühle für sie kennt.‹‹ Ich seufzte theatralisch und legte eine Hand auf meine linke Brust, ein leichtes, verträumtes Lächeln auf den Lippen. ››Alleine der Gedanke an sie lässt mein Herz warm werden.‹‹
Gretchen blickte mich an, als würde sie jeden Moment schmelzen.
Lucy hingegen musterte mich mitleidig. ››Und was, wenn sie nicht dasselbe für Sie empfindet?‹‹ fragte sie leise nach.
Ich schlug meine Lider einen Augenblick nieder, bevor ich wieder aufsah. Ich versuchte all meine Liebe, die ich für Bella empfand, in diesen Blick zu stecken. ››Dann habe ich ihr zumindest gesagt, was ich für sie empfinde. Dann kennt sie die Wahrheit, das ist alles, was ich will. Wenn sie nicht dasselbe empfinden kann, dann werde ich weiterhin ihr bester Freund sein und sie in allem und auch in jedem unterstützen. Ich will doch nur, dass sie glücklich ist!‹‹
Beiden, Lucy und Gretchen, stockte der Atem, als sie mich ansahen. Lucy gab ihrer Kollegin einen Stoß, worauf die sich umdrehte, zurück an ihren Schreibtisch ging und wild in ihren Computer eintippte.
Einer meiner Mundwinkel zuckte nach oben. Offensichtlich hatte ich die beiden überzeugt mir Bellas Adresse auszuhändigen.
››Wie war der Name Ihrer Freundin, Edward? Bella…?‹‹ fragte Gretchen, als sie die wahrscheinlich richtige Seite geöffnet hatte, um Adressen ausfindig zu machen.
››Ihr Name ist Isabella. Isabella Swan.‹‹
››Was für ein schöner Name‹‹, bemerkte Lucy.
Ich nickte verträumt, wieder in meinen Erinnerungen gefangen.
Fünf Minuten später kam Gretchen mit einem kleinen Post-It Zettel zurück, den sie mir über den Tresen zuschob. ››Das ist die Adresse ihrer Bella, die sie hier angegeben hat. Wissen Sie, wo das ist, oder sollen wir es Ihnen erklären?‹‹
Ich lächelte die beiden Damen dankbar an – worauf sie sich beide an die Brust fassten – ››Nein, ich werde es schon finden. Ich werde einfach meinem Herzen folgen.‹‹ Ich zwinkerte den beiden zu. ››Vielen Dank‹‹, sagte ich, bevor ich den Raum verließ, den Zettel sicher in meiner Faust umklammert.

Ich unterdrückte Luftsprünge, als ich die Gänge entlang zu den Fahrstühlen ging. Ich konnte gar nicht schnell genug wieder an meinem Mietwagen sein, um die gefundene Adresse in das eingebaute Navigationssystem einzugeben – ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht ausreichen würde, wenn ich einfach meinem Herzen folgte, dazu war Chicago einfach zu groß – und mich auf die Fahrt zu Bella zu begeben.
Ich stellte ziemlich schnell fest, dass es keine lange Fahrt würde. Die Appartementgebäude, in deren Mitte Bella wohnte, waren nur wenige Blocks von dem städtischen Rathaus entfernt, direkt neben einem größeren Familienpark.
Eine kurze Erinnerung ließ mich aufseufzen.
Ich suchte nach einem Parkplatz und sprang schließlich aus dem Wagen, verschloss ihn mit der Fernbedienung, während ich schon großen Schrittes auf die Eingangstür zuging.
Plötzlich blieb ich jäh stehen.
Ich hatte nichts, absolut gar nichts! Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, wenn sie wieder vor mir stand. Ich hatte mir, jetzt wo ich darüber nachdachte, nicht einmal etwas Besonderes angezogen. Noch nicht einmal einen Strauß Blumen hatte ich für sie besorgt. Was sollte sie denn von mir denken, wenn ich auf einmal – im wahrsten Sinne – mit leeren Händen vor ihr stand?
Lavaartige Panik durchströmte meinen gesamten Körper, mein Bauch machte einen unangenehmen Purzelbaum und meine Stirn fühlte sich feucht an.
So konnte ich definitiv nicht vor sie treten.
Einmal drehte ich mich um meine eigene Achse und strebte schließlich den Park an. Er war speziell für Familien gedacht – das verriet mir ein großes Schild über dem Eingang – also würde sich sicher irgendwo ein Blumenverkäufer finden lassen.
Ich war ungeduldig, als ich mich zwischen den Familien hindurchschlängelte, meine Augen stets den Wegrand oder verschiedene Parkecken absuchend, auf der Suche nach dem Unauffindbaren. Nirgendwo hier schien sich ein Blumenverkäufer zu tümmeln. Oder ich war zu unaufmerksam in meinem Blick, denn mein Kopf war voller Wörter, die ich zu Bella sagen wollte, sich aber keinesfalls zu einem Satz zusammen tun wollten. Ich war hilflos. Und verzweifelt.
Schließlich schnaubte ich genervt und schnappte einer Kleinfamilie eine eben frei gewordene Bank vor der Nase weg. Mein Blick schien dermaßen mörderisch, dass sie sich gegen die andere Hälfte der Bank entschieden.
Ich stützte meine Arme auf meinen Knien und meinen Kopf in meinen Händen und schloss die Augen. Einen Moment wollte ich nichts sehen, sondern einfach nur zur Ruhe kommen. Ich würde eine Lösung finden. Aber nicht, wenn ich mich verrückt machte.
››…nein, Schatz, lass die Blume, die ist nicht zum pflücken!‹‹ hörte ich eine junge Frauenstimme direkt neben mir sagen.
Oder die Lösung würde mich finden.
››Aber… aber… ich will aber Blume haben!‹‹ sagte ein kleines Mädchen nicht weit von mir entfernt.
››Dann lass uns zum Pflückpark gehen, da kannst du-‹‹ Die Frau brach ihren Satz abrupt ab, als ich plötzlich aufsprang und sie mit gierigem Blick musterte. Sie starrte erschrocken zurück.
Ich schloss meine Augen, schüttelte leicht den Kopf und ergriff mein Nasenbein mit Daumen und Zeigefinger, bevor ich meine Augen wieder öffnete. ››Entschuldigen Sie bitte‹‹, sagte ich leise, meine Stimme konzentriert kontrollierend, ››sagten Sie eben, dass man hier Blumen pflücken kann?‹‹ Bella würde das viel besser gefallen, als ein professioneller, gekaufter Strauß.
››Ja, Sir‹‹, sagte die junge Mutter und blickte mich vorsichtig an. Ich musste sie sehr verschreckt haben.
››Können Sie mir sagen, wo? Ich bin schon komplett verzweifelt, weil ich meiner Freundin einige Blumen besorgen wollte, aber weit und breit keinen Verkäufer finden kann‹‹, sagte ich mit einem leichtem Lächeln, dass sie hoffentlich beruhigte.
Sie nahm das Lächeln an. ››Das liegt daran, dass es hier keine Verkäufer gibt, sondern den Pflückpark in der Mitte. Jeder kann dort seine Blumen selbst pflücken und anschließend eine kleine Spende dort lassen, wenn er möchte. Soll ich Ihnen den Weg zeigen? Betty und ich waren gerade sowieso auf dem Weg dorthin.‹‹
››Danke, das wäre sehr nett.‹‹
Die Frau nahm ihre Tochter, Betty, an die Hand und ging voraus. Wir gingen den Weg, den ich gekommen war, bald aber bog sie in einen Seitenweg ein, der mit einem Pfeil gekennzeichnet war, dass es hier zum Pflückpark ging. Das hatte ich übersehen, da ich nicht direkt danach gesucht hatte.
Der Pflückpark war von einer saftig grünen Hecke umgeben, die etwa einen Meter hoch war und so den Blick auf eine große, bunte Blumenwiese freigab, in der viele Kinder lachend herumtobten und ihre Eltern sie schmunzelnd beobachteten.
Ich bedankte mich bei der jungen Frau und ging meines Weges. Ich wollte etwas abseits von den Kindern suchen, in der Hoffnung, dass dort nicht alles niedergetrampelt war. Ich hatte Glück. Bald fand ich ein Stückchen, das mir zusagte und so pflückte ich schnell einige weiße Magereten und umrandete sie mit violettem Wiesenschaumkraut. Zufrieden betrachtete ich mein Werk und ging auf eine der Boxen am Rand zu. Hier konnte man ein Stück strick aus einem Ballen ablösen und die Spende für die Erhaltung der Blumenwiese hinterlassen.
Glücklich, mit dem Strauß in der rechten Hand, schlenderte ich zurück durch den Park, bis ein Duft in meine Nase kam, der meinen Bauch sofort zum knurren brachte. Ich wandte mich einmal um meine eigene Achse, bis ich einen Hot Dog Stand entdeckte, der mich beinahe magisch anzog. Ich hatte Hunger, so konnte ich keinesfalls vor Bella treten. Also ging ich auf den Stand zu, bestellte mir eine Wurst. Während ich wartete, legte ich den Strauß auf einem der Stehtische ab und ließ meinen Blick durch den Park wandern. Zu meiner linken war ein kleiner Wald aus dem Kinder ein und aus rannten, gefolgt von ihren Vätern oder älteren Geschwistern. Hinter dem Wäldchen kam ein kleiner Bach hervor, über den links vor mir ein Brückchen führte. Auf einer Bank saßen zwei junge Frauen, eine mit Kinderwagen, und unterhielten sich, während sie zwei weitere Kinder am Ufer des Bachs beobachteten. Zu meiner rechten war ein großer Spielplatz, mit einer großen Anzahl an Möglichkeiten für Kinder jeden Alters – und wahrscheinlich auch über das Kinderalter hinaus. Jede einzelne Bank um und in dem Platz war besetzt, meistens mit Eltern, die ihre Kinder beobachteten, oder die Zeit, in der ihre Kinder abgelenkt waren, nutzten um sich mit sich selbst zu beschäftigen.
Ich sah mich selbst mit Bella dort sitzen, sah unser Elektronikbaby als fünfjähriges Mädchen im Sand spielen. Bella lachte, während ich missmutig den kleinen Jungen beobachteten, der Elizabeth wiederholt die Schaufel klaute.
››Mister!‹‹ wurde ich von dem Verkäufer der Hot Dogs aus meinem Tagtraum gerissen.
Ich schaute ihn an und nahm ihm mein Essen ab, das er mir entgegenhielt. Bezahlt hatte ich schon nach dem Bestellen.
Mein Blick wanderte wieder zum Park. Auf der Bank, auf der ich eben mich mit Bella gesehen hatte, saß nun eine braunhaarige junge Frau. Ich konnte sie aufgrund der Entfernung nicht genau erkennen, trotzdem zog es mich augenblicklich in ihre Richtung. Warum war sie alleine hier? War eines der Kinder auf dem Spielplatz ihres? Wo war der Vater? War er noch da? Musste er am Wochenende arbeiten?
Je näher ich kam, desto klarer sah ich das Gesicht der Frau. Ihre Züge waren schön, ihre Augen waren fest auf einen Punkt auf dem Spielplatz fixiert, ihre vollen Lippen zu einem glücklichen Lächeln verzogen. Ich brauchte nicht ein zweites Mal hinzuschauen. Es war eindeutig Bella! Meine Bella!
Mein Herz wurde warm, als ich sie dort so glücklich sah, Kinder auf dem Spielplatz beobachtend. Offensichtlich hatte sie sich ihren Traum erfüllt und war nun in einem Waisenhaus angestellt.
In dem Sommer nach den Projektwochen hatte Bella ein Praktikum in einem Waisenhaus gemacht. Als Halbwaise konnte sie sich ungefähr vorstellen, wie es war, wenn man ohne seine Eltern aufwuchs, auch wenn sie nur ein Elternteil vermisste und sie wollte den Kindern helfen. So hatte sich ihr Traumjob gebildet. Sie wollte in einem Waisenhaus arbeiten und helfen. Ich hatte sie in dieser Idee immer unterstützt, da ich gesehen hatte, wie sehr Bella in dieser Idee und der Ausführung in den Ferien aufblühte und auch, weil ich sie mit unserem Elektronikbaby gesehen hatte. Bella hatte unglaubliche Mutterinstinkte und Liebe, die sie nicht nur an ihren eigenen Kindern zeigen konnte. In gewisser Art erinnerte sie mich da an meine eigene Mutter, Esme.
Mit langsamen Schritten ging ich auf die Bank, in meinem Kopf formten sich langsam Worte zu Sätzen, die ich zu ihr sagen konnte.
Plötzlich aber sprang Bella auf um gleich darauf mit ausgebreiteten Armen in die Hocke zu gehen. Ein kleines Mädchen von vielleicht zwei Jahren sprang mit einem spitzen Aufschrei hinein und drückte sich an Bella. Bella schloss ihre Arme um das Kind, hob sie hoch und drehte sich lachend mit ihr im Kreis.


3. Lost and Found and Found and… Lost again?

Ich war etwa fünf Meter von den beiden entfernt, nicht fähig einen Schritt weiter zu gehen. Wie betäubt beobachtete ich die beiden, wie sie gemeinsam lachten. Ich war so auf die beiden fixiert, so auf Bellas Lachen konzentriert, dass ich sämtliche anderen Geräusche des Parks komplett ausblendete.
Bella stoppte schließlich und hob das Mädchen ein Stück von sich weg, um in ihr Gesicht sehen zu können. Die Wangen der Kleinen waren errötet, aber sie grinste immer noch breit, als sie mit ihren Händen Bellas Gesicht anfasste. ››Mami… mehr!‹‹ juchzte sie mit ihrer glockenhellen Stimme.
Die Blumen fielen aus meinen Händen, ich nahm nur in Zeitlupe wahr, was als nächstes geschah. Bella schüttelte den Kopf und sagte etwas, dass ich nicht verstehen konnte. Sie setzte das kleine Mädchen ab, das artig ihre Hand nahm und gemeinsam verließen die beiden den Park. Ich beobachtete sie, bis sie über die kleine Brücke gegangen waren und somit aus meiner Sichtweite verschwunden.
Keine anderen Kinder. Nur Bella und das Mädchen, das sie ihre Mutter nannte. Bella hatte eine Tochter?

Ich saß auf der Couch im Wohnzimmer meines neuen Appartements und starrte den Strauß Blumen an, der vor mir auf dem gläsernen Couchtisch lag. Ich konnte immer noch nicht fassen, was ich eben im Park beobachtet hatte.
Ich konnte im Nachhinein nicht sagen, wie lange ich noch auf demselben Punkt gestanden hatte und auf die Stelle hinter dem Brückchen gestarrt hatte, an der ich die beiden zuletzt gesehen hatte. Irgendwann hatte ich mich tranceartig nach unten gebeugt, die Blumen aufgehoben und in Bewegung gesetzt. Ich hatte nun nicht mehr das Ziel Bella gegenüber zu treten, allerdings wollte ich einen Blick auf ihre Klingel werfen. Verheiratet konnte sie nicht sein, da ich sie immer noch unter dem Namen Isabella Swan hatte ausfindig machen können – aber vielleicht hatte sie einen Freund, mit dem sie zusammen lebte? Der Vater ihrer Tochter? Ich musste es herausbekommen!
Das Namensschild an Bellas Klingel hatte nichts verraten, offiziell wohnte dort nur eine Isabella Swan. Trotz dieser Information, hatte ich mich nicht durchringen können, nach oben zu gehen und an ihrer Tür zu klingeln. Stattdessen war ich zu meinem Wagen gegangen und in meine eigene Wohnung gefahren, um weiter meinen Gedanken nachzuhängen. Ich wusste nur nicht, was ich denken sollte!
Alice, die einzige, die mir wahrscheinlich etwas dazu sagen könnte, wollte ich nicht anrufen. Sie würde es sicher nicht tun. Sie war in dieser Sache schon immer zu sehr darauf aus gewesen, ihre Freundin zu schützen. Eine andere Möglichkeit sah ich nicht und so gab ich das auf. Ich würde es nur selbst herausfinden können – wenn ich es denn noch wollte; wenn es denn noch etwas bringen würde.

Ich gab mir die nächste Woche, um darüber nachzudenken. Einzig und alleine die Arbeit im Krankenhaus, konnte mich von meinen Gedanken ablenken – glücklicherweise musste ich nicht in die Kinderabteilung – und so hatte ich innerhalb einer Woche, den Ruf eines Workaholics, da ich diese Ablenkung mehr als ausnutzte und mehr Stunden im Krankenhaus verbrachte, als von mir erwartet wurde. Mir war klar, dass das zwar gern gesehen war, aber einem Studenten auf Arbeitserfahrung nicht gestattet war. Bald würde sich einer meiner Vorgesetzten an mich wenden und mir mitteilen, dass ich zurückschrauben sollte.
Diese Woche war es aber noch nicht soweit.
Als ich in der Nacht von Freitag auf Samstag das Krankenhaus verließ, stand mein Entschluss fest, wie ich mein Wochenende verbringen würde. Ich wollte Bella sehen, allerdings nicht auf die Art, wie man es sich jetzt wahrscheinlich vorstellte. Ich wollte etwas über sie herausfinden. Ich wollte den Samstag nutzen um etwas über sie herauszufinden. Wie ich das anstellen musste, wusste ich allerdings noch nicht. Sollte ich ihr wie ein Stalker auf Schritt und Tritt folgen, oder mich doch dazu überwinden, einfach an ihrer Tür zu klingeln? Was wäre, an einem Samstagmorgen, eine angemessene Zeit dies zu tun? Sie war nie wirklich eine Langschläferin gewesen, hatte mir aber trotzdem immer die Möglichkeit gegeben, sie einige Zeit beim Schlafen zu beobachten, da ich immer sehr kurz schlief. Mit einem Kleinkind im Haus, da war ich mir sicher, müsste sie spätestens um neun aufstehen, wobei es viel wahrscheinlicher war, dass es früher war.
Am Samstagmorgen stand ich um Punkt acht Uhr vor Bellas Wohnblock und es stellte sich heraus, dass es keine Sekunde zu früh war. Kaum hatte ich mich auf die Bank, einige Meter von der Eingangstür zu ihrem Appartementhaus gesetzt, öffnete sich die Tür auch schon und Bella eilte heraus, mit ihrer Tochter an der Hand. Sie steuerten den Parkplatz an, und gingen genau auf den Wagen zu, neben dem meiner stand. Einen Augenblick starrte Bella den silbernen Volvo an, schüttelte dann aber, auf das Ziehen ihrer Tochter an ihrer Hand, den Kopf und öffnete ihren Wagen.
Mit langsamen Schritten ging ich auf den Parkplatz, immer in Deckung, da ich – noch – nicht entdeckt werden wollte.
Zuerst versicherte sich Bella, dass das kleine Mädchen in ihrem Sitz fest angeschnallt war, bevor sie sich selber hinter das Steuer setzte und den Wagen anließ.
Jetzt musste ich mich beeilen, wenn ich einerseits nicht wollte, dass Bella mich in den Volvo steigen sah, ihr aber andererseits folgen wollte.
Irgendwie gelang mir das Kunststück aber und ich konnte Bella durch den samstäglichen Großstadtverkehr in eines der ärmeren Viertel der Stadt folgen. Hier parkte sie am Straßenrand vor einem großes Haus – oder, wie ich bemerkte, als ich genauer hinsah, ein Familienhaus mittlerer Größe mit vielen Anbauten. Bevor Bella überhaupt aussteigen konnte, wurde schon die große Haustür aufgerissen und zwei Jungen und ein Mädchen im Grundschulalter rannten heraus, auf Bellas Wagen zu. Kurz darauf erschien eine Frau im Türrahmen, die wahrscheinlich so um die Mitte vierzig war.
Ich fuhr an dem Geschehen vorbei, als würde es mich nicht sonderlich interessieren. Allerdings drosselte ich die Geschwindigkeit, im Falle, dass eines der Kinder auf die Straße rannte. Im Rückspiegel konnte ich sehen, wie Bella meinem Wagen kurz hinterher sah, sich dann aber abwandte und die Kinder mit breitem Lächeln allesamt umarmte. Ich bog um die nächste Kurve und parkte den Wagen an der nächstbesten Möglichkeit, stieg aus und schloss ab, bevor ich mich auf den Rückweg zu der Kreuzung machte. Ich lugte vorsichtig um eine Hausecke und schaute die Straße hinauf. Bella und die Kinder, samt ihrer eigenen Tochter, machten sich auf den Weg in das Haus, die andere Frau war nicht mehr zu sehen. Ich wartete noch ungefähr fünf weitere Minuten bevor ich mich, um die Hausecke herum traute und die Straße nach oben lief, bis ich vor dem Haus stand, in dem Bella verschwunden war.
Über dem Eingangstor neben halbhohen Hecken war ein großes, entfärbtes Schild angebracht, dass dem Besucher sagte, wo er sich gerade befand:
›SUNNYLAND ORPHANAGE‹
Ein Waisenhaus. Also arbeitete Bella doch in einem Waisenhaus? Erleichterung machte sich in mir breit. Selbst wenn sie mit jemandem zusammen war, obwohl sie eine Tochter hatte, so war sie nicht daran gehindert, ihren Traumberuf auszuführen. Bella war ganz sicher glücklich.
Wieder machten sich Zweifel in mir breit, ob es richtig wäre, einfach so in Bellas Leben zu platzen. Andererseits wusste ich auch, dass ich mich selbst nicht daran hindern konnte, mich Bella irgendwann, in naher Zukunft, gegenüber zu stellen, jetzt wo ich auch genau wusste, wo sie war.
Ich trat unter dem Schild hindurch und schaute mich auf dem Grundstück des Waisenhauses um. Arm war es offensichtlich nicht, aber es passte auch nicht ganz in die Gegend. Wenn das Waisenhaus doch offensichtlich so viel Geld hatte, warum hatten sie sich dann ein Grundstück in einer solch armen Gegend ausgesucht? Die Anbauten wirkten alle noch sehr neu, während dass Hauptgebäude einen eher eingefallenen Eindruck machte. Wieder ein Widerspruch, den ich mir nicht erklären konnte.
Die Anbauten hatten seltsame Baustile. Die auf der rechten Seite erinnerten eher an Miniaturbanken oder Miniaturfabriken, während die auf der linken Seite an kleine Hotels erinnerten. Neugierig trat ich an das bankähnliche Gebäude heran. Neben dessen Tür war ein Schild befestigt, welches aussagte, dass das Gebäude vor etwa zwei Jahren eröffnet worden war und von einer großen Bank der Stadt finanziert worden war. Ich nahm an, dass dieses Gebäude ein Abbild der Bank war, nur um einiges kleiner und wohntauglich. Neben der Tür des Fabrikgebäudes war ein ähnliches Schild angebracht. Es war kein Jahr alt und von einer bekannten, städtischen Fabrik gesponsert worden. Die hotelähnlichen Gebäude auf der anderen Seite waren auch nicht älter, als diese und mit ähnlichen Schildern ausgezeichnet. Jemand hatte hier in den letzten zwei oder drei Jahren unglaublich gute Arbeit geleistet!
››Entschuldigen Sie bitte, kann ich Ihnen helfen?‹‹ hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir.
Erschrocken fuhr ich herum, mit der Stimme im Hinterkopf, dass ich dieses Grundstück unerlaubt betreten hatte. Vor mir stand die Frau mittleren Alters, die ich bei Bellas Ankunft im Türrahmen hatte stehen sehen. Sie trug nun eine Schürze, die mit Mehl befleckt war.
››Nein, ich… tut mir Leid‹‹, stotterte ich. Ich atmete einmal durch, um meine Stimme wieder fester werden zu lassen. ››Ich bin nur eben hier vorbeigekommen und habe ihre verschiedenen Anbauten gesehen. Sehr eigenartig, darf ich bemerken. Ich bin hereingekommen um mir einen genaueren Blick zu genehmigen, es tut mir wirklich sehr Leid, einfach unerlaubt eingedrungen zu sein, aber ich finde es einfach unglaublich, was sie aus diesem Grundstück gemacht haben. Die Kinder müssen sich sicher sehr wohl hier fühlen! Ich möchte gerne einen Beitrag leisten!‹‹ Der letzte Satz war über meine Lippen, bevor ich ihn zu Ende gedacht hatte.
Das misstrauische Gesicht der Frau hellte sich auf. ››Das ist wirklich ein sehr großzügiges Angebot, Mister…?‹‹
››Cullen‹‹, sagte ich schnell. Es gab viele Cullens, Bella würde nicht sofort auf mich schließen können.
››Mr. Cullen. Sie haben Glück, Bella – ich meine, Miss Swan ist heute im Haus, sie ist für unsere Finanzen verantwortlich und hat uns auch alle Sponsoren für die Anbauten an Land gezogen. Wollen Sie vielleicht hereinkommen und sich mit ihr besprechen?‹‹
Ich biss mir auf die Lippen. Das lief in die falsche Richtung. ››Ich würde sehr gerne, allerdings habe ich einen Termin und bin durch meine kleine Besichtigungstour jetzt schon spät dran. Wäre ihre Miss… Swan, sagten sie? Wäre sie wohl auch nächstes Wochenende anzutreffen?‹‹
››Ja, sie wird die nächsten zwei Wochen jeden Tag hier sein, von morgens bis abends. Ich freue mich schon, sie wieder zu sehen. Und vielen Dank, Mr. Cullen!‹‹
››Gerne‹‹, sagte ich schnell. ››Bis bald!‹‹ Mit diesen Worten floh ich schon fast von dem Grundstück.

Zurück in meinem Wagen schlug ich mir immer wieder den Kopf gegen das Lenkrad. Dies war meine Chance Bella zu sehen und ich flüchtete, als würde ich von Kampfhunden verfolgt. Allerdings, wäre das die richtige Umgebung für unser Aufeinandertreffen gewesen? Wohl kaum…
Ich ließ den Motor an und machte mich auf den Rückweg zu meiner Wohnung.


4. Sunnyland Orphanage


Ich verbrachte den Sonntag und meine freien Stunden in der nächsten Woche damit herauszufinden, wie ich Bella am besten gegenüber treten könnte. Das Problem war, dass sie, wie die Leiterin des Waisenhauses mir gesagt hatte, jeden Tag in den nächsten zwei Wochen arbeiten würde. Ich konnte weder morgens, bevor sie zur Arbeit fuhr, in ihrer Wohnung auftauchen, noch abends nach der Arbeit - immerhin hatte sie ein kleines Kind, das schlafen musste. Ein Wiedersehen im Waisenhaus selbst, schloss ich kategorisch aus, da ich nicht wusste, wie Bella auf mich reagieren würde, und abgesehen davon, konnte ich nicht einmal meine Reaktion vorhersehen. Zu überschwänglich? Oder zu gekränkt? Ich wollte mir vor Fremden keine Blöße geben.

Meine Entscheidung, wie ich vorgehen würde, fiel ganz spontan am Freitagnachmittag, in einer kurzen Pause. Und ich hatte noch genau die richtige Menge an Zeit um sie auszuführen. Zunächst telefonierte ich mit meinem Vater, der erstmal nicht begeistert war, aber schließlich zustimmte, weil ihm mein Glück über alles ging. So machte ich mich nach der Arbeit direkt auf den Weg zur Bank, wo schon alles in die Wege geleitet worden war. Es fing gut an, und nun konnte ich nur hoffen, dass es auch genauso enden würde.
Es war halb acht, als ich langsam in die Straße des Waisenhauses, in dem Bella arbeitete, einbog. Der Straßenrand bestätigte meine Einschätzung. Ihr Wagen stand nicht dort, sicher war ihre Arbeitszeit für den Tag bereits beendet. Es lief wie geplant.
Ich parkte direkt vor dem Eingangstor, schaltete den Motor aus und stieg aus dem Wagen. Per Fernbedienung schloss ich ab, selbst wenn ich nicht lange bleiben wollte, wusste man in einer Gegend wie dieser nie. Ich schritt durch das Tor, ging langsam auf die große Eingangstür zu und klopfte, sobald ich davor stand.
Die Tür öffnete sich sogleich. Ein kleines Mädchen, von vielleicht fünf oder sechs Jahren stand vor mir und schaute mich mit großen Augen an.
››Guten Abend, Kleines‹‹, grüßte ich sie. ››Kannst du mir vielleicht die Leiterin-‹‹ In dem Moment wurde ich unterbrochen.
››Sally, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du die Tür nicht alleine öffnen sollst!‹‹ Die mir bereits bekannte Frau erschien in der Tür und zerrte das kleine Mädchen sanft hinter sich, bevor sie sich mir zuwandte. Erkennen glitt über ihre Züge. ››Ah, Mr. Cullen, wie schön Sie wieder zu sehen. Entschuldigen Sie bitte die Begrüßung, aber die Kinder müssen einfach lernen, dass es auch einmal gefährlich enden kann, einfach die Tür zu öffnen.‹‹
››Vollkommen verständlich‹‹, sagte ich mit einvernehmendem Lächeln. ››Es tut mir sehr Leid, dass ich zu so später Stunde noch hier her komme, aber meine Arbeit ließ ein früheres Erscheinen leider nicht zu.‹‹
››Das kennt man doch, das ist kein Problem, Mr. Cullen. Kommen Sie doch herein, wir wollen das nicht zwischen Tür und Angel klären, oder? Und vielleicht wollen Sie sich in unserem bescheidenen Haus etwas umsehen? Leider muss ich Ihnen sagen, dass sie Bella verpasst haben, sie hat vor ungefähr eine viertel Stunde das Haus verlassen. Sie erinnern sich? Sie ist unsere Finanzberaterin…‹‹
Während die Frau erzählte, glitt ich nach innen und schloss die Tür hinter mir. Anschließend folgte ich ihr einen dunklen, mit Spielzeug ausgelegten Gang hinunter.
››… Entschuldigen Sie auch die Unordnung. Es ist nämlich so, dass wir jeden Freitagnachmittag einen großen Spieltag veranstalten, an dem alle Spielsachen herausgeholt werden, oder wir gehen bei schönem Wetter in den großen Park und nehmen die Außenspielsachen mit. Wir waren gerade dabei alles einzuräumen, als Sie klopften.‹‹
››Überhaupt kein Problem‹‹, bestätigte ich. ››Ich hoffe, dass Sie alle einen schönen Tag hatten?‹‹
››Ja, ein sehr schöner Tag und nur die normalen, kleinen Unfälle. Treten Sie ein!‹‹ forderte sie auf.
Ich betrat ein mittelgroßes Büro, indem sich überall Papiere stapelten. Was auf den ersten Blick sehr unordentlich wirkte, war in Wirklichkeit aber ein sehr verworrenes, aber logisches Ordnungssystem. Ich meinte Bellas Handschrift darin entdecken zu können.
Nachdem die Leiterin nach draußen noch ein paar Anweisungen gegeben hatte, dirigierte sie mich zu einem Stuhl und setzte sich selbst hinter den Schreibtisch.
Sie seufzte. ››Willkommen im Waisenhaus Sunnyland. Mein Name ist Kate Withers, nennen Sie mich bitte Kate. Ich leite dieses Haus seit ungefähr fünf Jahren, seit meine Vorgängerin in Rente ging. Davor habe ich auch schon hier gearbeitet.‹‹
Ich nickte zum Zeichen, dass es mich sehr interessiert, was sie mir erzählte und noch mehr erfahren wollte.
››Wir haben noch zwei weitere, feste Mitarbeiter und einige Freiwillige, die uns immer wieder aushelfen, wenn sie Zeit haben. Wir sind ihnen sehr dankbar, da wir es ohne sie einfach nicht schaffen würden, besonders an Tagen, wenn Ausflüge anstehen. Die beiden Mitarbeiter sind Bella, von der ich Ihnen schon erzählt habe und Marc, mein Ehemann. Er arbeitet hier schon fast genauso lange wie ich. Er hätte auch die Leitung übernommen, aber er dachte, dass die Rolle besser zu mir passen würde und wenn ich ehrlich bin, denke ich, dass er damit Recht hatte.
Bella ist vor drei bis dreieinhalb Jahren zu uns gestoßen und ich kann es nicht anders ausdrücken, als dass sie ein Geschenk des Himmels war. Mit ihrer Liebe und Hingabe zu den Kindern und ihrer Intelligenz, zudem ihrer Bescheidenheit ist sie uns unentbehrlich geworden. Ihr haben wir es zu verdanken, dass wir in den letzten Jahren nicht schließen mussten. Wir standen schon kurz vor dem Abgrund und was wäre dann mit den Kindern geworden? Es passiert leider viel zu selten, dass hier jemand vorbeikommt und sich freiwillig bereit erklärt etwas zu spenden. Bella hat es aber geschafft uns wieder Sponsoren an Land zu ziehen, selbst in diesen schweren Zeiten. Sie hat wirklich eine ganz besondere Ausstrahlung. Es ist zu schade, dass Sie sie nun verpasst haben und sie nicht selbst treffen konnten. Obwohl, wir würden uns natürlich freuen, wenn Sie uns wieder besuchen kommen würden!‹‹
Ich nickte lächelnd. Mein Herz schwoll vor Stolz, als Kate so über Bella sprach. Und wenn alles so ablief, wie ich es mir im Moment vorstellte, dann würde ich sogar noch sehr oft zu Besuch kommen.
Ich griff in meine Jackentasche und holte den Umschlag hervor, der den Scheck beinhaltete. Mit den Worten ››Mein Beitrag.‹‹ legte ich ihn auf den Schreibtisch und schob ihn zu Kate.
Sie griff danach, doch bevor sie ihn öffnen konnte, ging die Tür auf und ein Mädchen im Teenager Alter kam herein. Sie trug ein Tablett, auf dem zwei Gläser Limonade und ein Schälchen mit Keksen standen. Mit einem, an mich gerichteten schüchternen Lächeln, kam sie herein, stellte es auf den Schreibtisch und verschwand sofort wieder.
››Das war Chloe‹‹, erklärte mir Kate. ››Wir geben den etwas Älteren die Chance sich ein kleines Taschengeld dazu zu verdienen. Die Mädchen helfen im Haushalt, die Jungen halten Haus und Garten intakt und alle zusammen helfen sie bei Ausflügen als Aufsichtspersonen. Ich denke, das ist ein guter Weg sie in das Arbeitsleben einzuführen. Natürlich arbeiten sie nicht zu viel, es hat alles seine Ordnung‹‹, erklärte sie mir.
››Davon bin ich überzeugt. Ich halte es tatsächlich für eine gute Idee.‹‹
››Limonade?‹‹ fragte Kate und deutete auf die Gläser.
Nickend nahm ich mir eines und trank einen Schluck.
Kate schaffte es nun endlich den Umschlag zu öffnen und holte neugierig den Scheck heraus – ihre Augen wurden augenblicklich groß. ››Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen, Mr. Cullen.‹‹
››Es ist mir eine Ehre und eine Freude‹‹, war meine simple Antwort.
››Gibt es irgendetwas bestimmtes… Oder warten Sie. Gibt es eine Möglichkeit, dass sie wiederkommen? An diesem Wochenende? Tagsüber? Ich möchte, dass sie Bella kennen lernen, sie soll wissen, wer uns eine so großzügige Spende zukommen lässt. Und es ist normalerweise so, dass wenn es sich um eine solch große Summe handelt, wir dem Spender die Chance geben selbst Ideen einzubringen, wie das Geld angelegt werden soll. Sicher sind Ihnen die neuen Wohnhäuser draußen aufgefallen. Die Spenden dafür waren nur so groß, weil Bella ihnen vorgeschlagen hat, dass die Häuser diese Formen annehmen werden. Haben Sie bestimmte Pläne für ihre Spende? Möchten Sie das nicht mit Bella besprechen, sie kennt sich am besten mit unserer Finanzlage aus. Was sagen Sie?‹‹
Dass das genau das war, was ich hören wollte. Aber das sagte ich nicht laut.
››Da meine Zeit dieses Wochenende sehr kapp bemessen ist, fürchte ich, dass ich Ihrer Einladung leider nicht folgen kann. Aber warten Sie, da fällt mir vielleicht doch eine Möglichkeit ein. Ich habe morgen früh einen Termin im River North Hotel und wollte danach dort, gegen ein Uhr, noch eine Kleinigkeit essen gehen, bevor ich weiter zu meinem nächsten Termin muss. Wenn es… Bella vielleicht einrichten könnte, sich mit mir dort zu treffen? Denken Sie, dass das gehen würde, dass Bella mir Gesellschaft leistet? Ich weiß, das muss seltsam für sie klingen, aber ich habe wirklich unschuldige Absichten und das scheint mir wirklich die einzige Möglichkeit für mich in nächster Zeit. Ich bin die nächsten Wochen bereits komplett verplant. Am Sonntag fahre ich aufs Land zu meinen Eltern und die Woche darauf muss ich wieder arbeiten…‹‹ log ich, ohne dabei nervös zu werden. Ein Glück, dass ich so ein guter Lügner war und dann auch noch einer mit Charme!
Während Kate überlegte bildete sich eine kleine Falte auf ihrer Stirn. ››Nun, ich werde Bella morgen darauf ansprechen, aber das muss sie selbst entscheiden. Sie werden so oder so da sein, also macht das keine Umstände. Ansonsten sind Sie mehr als willkommen auch erst in der nächsten Woche oder in den nächsten Wochen wieder zu kommen.‹‹
››Natürlich‹‹, sagte ich.
Kate erhob sich nun von ihrem Stuhl und umrundete den Tisch. ››Was halten Sie von einer kleinen Führung durch das Haus?‹‹
››Sehr gerne‹‹, erwiderte ich und stand ebenfalls auf.


5. Business Lunch


Ich hatte mir an diesem Samstagmorgen eine lange Dusche gegönnt, denn ich wollte gut riechen, wenn ich sie wieder sah.
Ich hatte meine Haare nass gekämmt und anschließend wieder mit dem Handtuch verstrubbelt und Luft trocknen lassen. Ich wusste, dass sie diesen Look liebte.
Ich stand schon eine ganze Weile vor meinem Kleiderschrank und war absolut ratlos, was ich anziehen sollte, was ihr gefallen würde.
Die Farbe Grün hatte den Mädchen schon immer sehr an mir gefallen, sie sagten, dass würde gut zu meinen Augen passen. Allerdings machte dieses Grün selten einen seriösen Ausdruck und genau den wollte ich heute vermitteln.
Bella hatte es immer gemocht, wenn ich schwarze Hemden trug. Sie meinte, das würde mich geheimnisvoll, aber unwiderstehlich machen. Also würde ich wohl ein schwarzes Hemd tragen müssen.
Und dazu? Ich entschied mich schließlich für eine gleichmäßig dunkelblaue Jeans.

Ich war fest entschlossen mich um viertel vor eins im Restaurant des River North Hotels einzufinden. Ich würde Bella eine halbe Stunde geben, ehe ich mir enttäuscht etwas zu essen bestelle, sollte sie bis dahin nicht gekommen sein. Ich wusste nicht, was ich von ihr erwarten sollte. Natürlich kannte sie die Gefahr, sich in einem Hotel mit einem ›fremden‹ Mann zu treffen, allerdings war sie sehr neugierig und ich war mir fast sicher, dass sie es tun würde, sollte es um Spenden für ihr geliebtes Waisenhaus gehen. Und ein Restaurant war um die Mittagszeit wirklich nicht so unsicher.
Der Tisch, den ich mir aussuchte – ich war mit dem, der mir der Mann vom Empfang zunächst zugewiesen hatte, nicht zufrieden gewesen – wurde von einer Kellnerin bedient, die mir schon nach der ersten Begegnung übereifrig vorkam. Ich sagte ihr, dass ich zunächst mit einem Wasser zufrieden wäre und sie wieder rufen würde, sobald ein weiterer Wunsch aufkam.
Die nächste viertel Stunde war ich noch relativ ruhig, doch je mehr der Zeiger die zwölf überschritt, desto nervöser wurde ich.
››Ich hätte es mir denken sollen‹‹, hörte ich da eine bekannte und doch fremde Stimme hinter mir.
Bella erschien in meinem Blickfeld und ließ sich mit einem gezwungen ernsthaftem, aber einem Hauch Missmut gezierten Gesichtsausdruck auf den Stuhl mir gegenüber fallen.
››Alleine der Name ›Cullen‹ hätte es mir sagen müssen, obwohl ein C davor auf dem Scheck stand. Was hat Carlisle davon so eine große Spende an ein Waisenhaus zu geben?‹‹
››Einen zufriedenen und hoffentlich glücklichen Sohn‹‹, antwortete ich. ››Hallo Bella.‹‹
Alleine ihren Namen auszusprechen, war wie Balsam auf meiner Zunge. Erneut wurde mir klar, wie sehr ich sie vermisst hatte, ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihr reißen. Sie hatte sich verändert, selbst ihre Stimme, alles an ihr war erwachsener und reifer geworden, aber es gab keine Zweifel daran, dass sie exakt die Frau war, der ich vor Jahren mein Herz geschenkt hatte.
Sie hingegen schien immer noch nicht begeistert davon mich vor sich zu sehen. Ich wusste, es würde nicht einfach werden.
››Was machst du hier, Edward?‹‹ fragte sie anstatt mich ebenfalls zu begrüßen.
››Ich musste dich wiedersehen‹‹, antwortete ich ehrlich. ››Ich brauche Antworten! Bella, ich habe dich nie-‹‹
Sie unterbrach mich, indem sie die Hand hob. ››Nicht‹‹, sagte sie gequält. Dann räusperte sie sich und setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf. ››Das ist auch nicht der Grund, warum wir hier sind.‹‹
››Doch, das ist genau der Grund‹‹, widersprach ich.
››Nein, ich bin hier um ein geschäftliches Gespräch mit einem Sponsor meines Waisenhauses zu führen, also tun wir das auch.‹‹
››Solange du nicht anfängst mich zu siezen‹‹, grummelte ich und hoffte gleichzeitig, dass das, das Gespräch etwas auflockern würde.
Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. ››Nein, das werde ich nicht.‹‹
Ich nickte zufrieden. Ich würde ihr die Zeit lassen, aber ich würde auch darauf bestehen, dass das hier nicht unser letztes Treffen, während meiner Zeit in Chicago war.
Ich winkte der Kellnerin, die uns schon die gesamte Zeit mit Argusaugen beobachtete, damit sie uns die Karten brachte.
››Wünschen Sie schon etwas zu trinken?‹‹ fragte sie Bella.
››Ein Wasser, bitte.‹‹
Sie notierte und zog wieder von dannen.
››Ich zahle‹‹, teilte ich Bella mit, bevor ich mich hinter der Karte vergrub.
Sie widersprach nicht, wofür ich dankbar war.
Es herrschte eine Weile Stille, während wir wählten, bis hin zur Bestellung.
Es war in dem Moment, als Bellas Handy klingelte. Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu und ging ran.
››Hallo Kate‹‹, sagte sie mit einem leichten Lächeln.
››Ja, es ist alles in Ordnung. Edward und ich werden bestimmt zu einer Vereinbarung kommen.‹‹
Bella begann zu kichern, wohl eine Reaktion auf etwas, das Kate sagte und meinte: ››Ja, ich erzähle dir später davon.‹‹
Kate schien noch etwas zu sagen, was Bella dazu veranlasste ihre Augen zu verdrehen. Ohne ein weiteres Wort legte sie auf.
››Kate war etwas überrascht, dass wir schon bei den Vornamen sind. Besonders nachdem du ihr deinen nicht verraten hast.‹‹
››Hätte ich es gemacht, wärst du nicht gekommen‹‹, stellte ich klar.
››Wohl wahr‹‹, nickte sie. ››Lass uns zum Geschäftlichen kommen.‹‹
Ich nickte. ››In Ordnung.‹‹
››Kate sagte, sie hat dir schon erzählt, dass du ein gewisses Mitspracherecht hast, was die Anlegung deines Geldes angeht. Hast du irgendwelche Vorstellungen, oder möchtest du in unsere aktuellen Pläne für unser Waisenhaus eingeweiht werden?‹‹ Sie zeigte auf die große Aktentasche, die sie neben sich stehen hatte.
Ich musterte sie genau, fand aber in keinem ihrer Züge das, was ich suchte. Sie würde voll und ganz auf die geschäftliche Seite des Treffens bestehen, es gab keine Chance für mich auf privates abzuschweifen.
››Nein. Ich habe das Geld aus einer Kurzschlussreaktion angeboten und wollte es dann auch ausführen. Ich habe mir keine Gedanken um die Verwendung gemacht. Was habt ihr denn für Pläne?‹‹
››Einige, nur derzeit noch nicht genug Geld um sie wirklich auszuführen. Ich denke, wir werden zwei oder drei davon noch vor dem Essen durchbekommen.‹‹
Ich setzte mich aufrecht und schaute auf die rote Mappe, die Bella mir nun reichte.
Bella öffnete sie für mich mit ihrem Zeigefinger. ››Du hast sicher gesehen, dass wir einige neue Anbauten um das Hauptgebäude herum haben. In den letzten Jahren wurden alle Schlafgebäude der Kinder renoviert und vergrößert. Die Bank und Fabrik für die Jungen, die Hotels für die Mädchen. Wir würden nun auch gerne das Hauptgebäude etwas modernisieren, nicht viel, aber hier und dort hat es einige größere Alterserscheinungen, die wir selbst mit unseren kleinen Aushilfshandwerkern nicht mehr bewältigen können. Also planen wir eine Vollrenovierung. Das hier sind die Pläne für alle Änderungen, die vorgenommen werden sollen.‹‹
Ich nickte und schaute die Unterlagen kurz durch, dann griff ich nach der nächsten, grünen Mappe, die Bella mir bereits hinhielt.
››Auch dieses Projekt hat mit unserem Haus zu tun. Wir haben schon einige Sponsoren dafür gefunden und hier und da Spenden erhalten, allerdings reicht es noch nicht ganz aus. Wir haben schon vor längerer Zeit die große Wiese hinter unserem Haus gekauft, das war sogar noch vor meiner Zeit. Bis jetzt kommen die Kinder dort immer nur so zum spielen hin, aber wir würden ihnen gerne einen kleinen Spielpark dort anbauen. Spielgeräte aufstellen, Häuschen errichten und wir würden gerne einen großen Grillplatz erbauen. Das Problem daran ist, dass die wirklich sicheren, wie wir einen brauchen würden, sehr viel Geld kosten.
In der Nähe des Waisenhauses gibt es nur einen sehr kleinen und alten Spielplatz, auf den wir unsere Kinder nicht gerne lassen. Wir haben dort kaum Möglichkeit sie zu beaufsichtigen und wie du dir denken kannst, ist die ganze Gegend nicht allzu sicher. Also hätten wir gerne unseren eigenen, großen Spielplatz. Immer in den Park zu fahren, können wir uns nicht leisten.‹‹
Ich nickte. Auch diese Idee gefiel mir sehr gut, auch wenn sie wahrscheinlich nicht so eine Dringlichkeit hatte, wie das Hauptgebäude. Außerdem meinte Bella, dass sie dafür schon Sponsoren hatten. Die Pläne für den Spielplatz waren sehr vielversprechend.
Die nächste Mappe, die ich aufschlug, war blau.
››Dieses ist das Projekt, das als nächstes ansteht. Es handelt sich um die Gestaltung der Weihnachtszeit und –ferien. Stets zu Adventszeit erlernen die Kinder alle zusammen ein Krippenspiel, dass wir an Weihnachten oder einen Tag davor aufführen. Das stellt eine Art Spendengala dar, da wir dadurch Geld sammeln können, aber es reicht nie, dass wir die gesamte Weihnachtszeit abdecken können. Also suchen wir auch hierfür noch Sponsoren.
Die Kinder sind es gewohnt keine großen Geschenke zu bekommen, aber wir geben unser bestes, es ihnen doch so angenehm wie möglich zu gestalten, durch ein schön geschmücktes Haus und einen großen Ausflug am Tag nach Weihnachten. Wir machen Dinge, wie Schlittschuhlaufen und anschließend einen Kinobesuch. Aber das kostet alles Geld und dafür können wir kaum selbst aufkommen. Also könntest du dein Geld hier anlegen um den Kindern ein schöneres Weihnachten zu bescheren. Es wäre vermutlich nicht einmal die gesamte Menge deines Geldes.‹‹
Ich nickte anerkennend für ihre Bemühungen für die Kinder, in meinem Kopf formte sich allerdings schon ein ›Nein‹ für diese Anlegung. Stattdessen hatte ich bereits eine andere Idee, wie ich die Kinder an Weihnachten eventuell überraschen könnte. Vielleicht würde daraus etwas werden, wenn Bella mitspielte.
››Wir suchen auch noch freiwillige Mitarbeiter für die Weihnachtszeit‹‹, scherzte Bella, während sie mir die nächste Mappe reichte, die gelb war und um einiges dicker, als die vorhergehenden.
››In dieser Mappe geht es um unser Sommerprogramm‹‹, klärte mich Bella auf. ››Für gewöhnlich verreisen wir alle für eine Woche in ein Sommercamp. Das ist nicht sonderlich teuer, an der frischen Luft und die Kinder lieben es. Außerdem lernen sie dort zusammenzuhalten und zusammenzuarbeiten.
Das sonstige Programm versuchen wir auf die verschiedenen Altersgruppen abzustimmen. Und manchmal auch auf das Geschlecht. Für die Mädchen planen wir eine Einkaufstour. Für die Jungen buchen wir für einen Tag ein Fußballfeld. Für die Kleineren werden verschiedene Programmpunkte im Haus geplant - mal dürfen sie malen, ein andermal die Küche unsicher machen. Wir gehen schwimmen und bowlen, planen kleine Discos. Letztes Jahr haben wir für zweimal die Woche einen Gitarrenlehrer bekommen. Keines der Kinder wird gezwungen an allen Programmpunkten teilzunehmen. Sie haben allerdings die Chance, selbst Vorschläge zu machen, dann wird von ihnen aber erwartet, dass sie daran teilnehmen. Wir versuchen so viele Wünsche wie möglich umzusetzen, aber alle gehen natürlich nicht. Viel zu viele der schönen Pläne scheitern auch einfach am Geldmangel.‹‹
Ich schaute auch diese Mappe durch, wo sich unter anderem Bilder der letzten Jahre fanden, mit kleinen Anmerkungen, dass es hier und da nicht so viel gekostet hatte, aber den Kindern sehr viel Spaß gemacht hatte. Man könnte das wieder aufgreifen.
Da das Essen während Bellas letzter Rede gekommen war, reichte ich ihr die Mappe schnell wieder und sie packte sie weg.
››Guten Appetit‹‹, wünschte ich, während ich nach meinem Besteck griff.
››Dir auch.‹‹ Nach einigen Bissen schaute sie wieder auf. ››Und, hat dir etwas zugesagt?‹‹
››Alles‹‹, gab ich zu. ››Ich bin mir noch nicht ganz sicher, aber ich denke, dass meine Entscheidung gefallen ist. Oder gibt es noch mehr?‹‹
Sie lachte leicht. ››Nein, das war das größte. Das, wo wir fremde Unterstützung brauchen. Es gibt natürlich immer kleinere Dinge, aber für die schaffen wir es selbst, an Geld zu kommen. Das ganze Jahr über veranstalten wir immer wieder Aktionen um Spenden zu bekommen. Da gibt es den ›24-Hours Stay-Awake‹, der immer gutes Geld einspielt, oder wir machen ganze Bastelnachmittage und verkaufen die Werke der Kinder auf Märkten, solche Dinge eben. Darf ich deine Entscheidung wissen?‹‹ fragte sie neugierig.
››Ich möchte, dass mein Geld bei der Renovierung des Hauses eingesetzt wird. Ich finde, es sollte die Priorität Nummer eins sein, dass die Kinder in einem sicheren Haus wohnen‹‹, teilte ich ihr meine Gedanken mit.
Bella strahlte mich breit an und von einem Augenblick auf den nächsten brach ihre Fassade. ››Edward, warum das ganze? Warum bist du hier? Warum diese große Spende? Warum?‹‹ Ihr Gesicht war mit einem Mal verletzlich. Die Geschäftsfrau war einer jungen Frau gewichen, die von ihrer Vergangenheit eingeholt wurde.
››Bella, ist das nicht klar? Ich musste dich wieder sehen, mich davon überzeugen, dass es dir gut geht, dies war mir noch wichtiger, als endlich herauszufinden, warum du mich damals verlassen hast. Und das möchte ich wirklich! Ich muss wissen, ob ich etwas falsch gemacht habe, was es war – alles!‹‹
››Mir geht es gut‹‹, sagte Bella leise. ››Wirklich, es ist alles wunderbar, in dem Waisenhaus zu arbeiten ist wie eine Erfüllung! Aber ich kann dir keine Antworten geben, können wir dass nicht hinter uns lassen?‹‹
››Ich kann es nicht‹‹, antwortete ich ehrlich. ››Und ich weiß, dass ich es auch nie können werde. Ich will es nicht einmal und wenn du dich noch an damals erinnerst, wirst du auch wissen, warum.‹‹ Ich atmete einmal tief durch, weil ich sah, dass Bella meine Antwort nicht glücklich machte, weswegen ich beschloss nichts mehr dazu zu sagen. ››Es freut mich, dass es dir gut geht. Du scheinst wirklich in deiner Arbeit aufzugehen, das habe ich eben bemerkt, als du mir von den Projekten erzählt hast. Davon hast du immer geträumt.‹‹
››Es ist viel besser, als das, was ich mir erträumt habe! Wie geht es mit deinem Studium? Bist du bei der Medizin geblieben?‹‹
››Ja, und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass es das richtige für mich ist. Ich werde ein halbes Jahr hier in Chicago in einem Krankenhaus arbeiten und Erfahrungen sammeln.‹‹
››Dann bleibst du länger?‹‹ fragte Bella fast beiläufig nach.
››Ja. Und ich hoffe, dass wir uns noch einmal sehen werden.‹‹ Ich wollte nicht bei dem Thema bleiben, also wechselte ich schnell wieder. ››Wie geht es Charlie?‹‹
Bella musste von einer Erinnerung getrieben lächeln. ››Er ist im Ruhestand, es ist ihm nahe gelegt worden. Seine Haushälterin hat alle Hände voll damit zu tun, ihn im Haus zu halten, weil er fast jeden Morgen versucht auszubrechen um wieder in die Arbeit zu fahren. Ich bin froh, dass er sich wenigstens ein bisschen was von ihr sagen lässt, sonst wäre ich vor Sorge jedes Wochenende zurück zu Hause. Er meint, er wäre immer noch der junge Polizist, wie vor Jahren. Aber er wird älter und sein Arzt meinte, dass es für sein Herz besser wäre, wenn er in Ruhestand geht. So langsam scheint er es auch zu verstehen. Manchmal rufen ihn seine alten Kumpel auch noch an, um nach Rat zu fragen, oder er lädt sie zu sich nach Hause ein.‹‹
››Das klingt doch gut. Und so sehr nach Charlie.‹‹
››Wie geht es Esme und Carlisle?‹‹
››Carlisle arbeitet immer noch im Krankenhaus, aber Esme überredet ihn öfter mal dazu Urlaub zu nehmen und mit ihr um die Welt zu reisen. Ihr ist es viel zu ruhig im Haus, seit wir alle weg sind. Aber ihnen geht es blendend, wie immer.‹‹
››Das freut mich zu hören.‹‹
Ich hätte Bella noch gerne so viele Fragen gestellt, aber ich wusste, dass sie mir keine Einzige beantworten würde, da sie alle Privat waren. Sie hatteeindeutig klar gemacht, dass sie darüber jetzt nicht sprechen wollte. Und wahrscheinlich war das erste Treffen auch nicht geeignet dafür.
Wir beendeten unsere Mahlzeit größtenteils schweigend. Bella wartete, bis ich die Rechnung beglichen hatte und zusammen machten wir uns auf den Weg nach draußen. An ihrem Wagen blieben wir stehen.
››Kann ich dich wiedersehen, Bella?‹‹ fragte ich eindringlich.
››Edward, ich weiß nicht, ob das richtig wäre. Ich stehe nach wie vor zu meiner Entscheidung und es haben sich noch so viele andere Dinge ereignet.‹‹
Ich biss mir auf die Zunge, um diese nicht zu hinterfragen. ››Ich will kein Date, Bella‹‹, log ich. Oder war das vorerst die Wahrheit? Bis ich alles wusste? ››Aber ich will ein Teil deines Lebens sein. Bitte!‹‹ sagte ich nachdrücklich.
Sie schloss die Augen und atmete tief ein. ››Okay. Ich werde mich bei dir melden.‹‹
››Danke‹‹, sagte ich und tippte meine aktuelle Nummer in ihr Handy.
››Bitte komm nicht zum Waisenhaus, ja?‹‹
››Wenn du es so möchtest. Aber bitte melde dich!‹‹
››Ich verspreche es.‹‹
››Danke‹‹, sagte ich erneut. ››Wir sehen uns.‹‹
››Ja.‹‹
Bella stieg in ihren Wagen und fuhr davon. Erst als sie außer Sichtweite war, drehte ich mich um und ging weiter zu meinem Wagen.
War das jetzt gut gelaufen?


6. Library


Ich erwartete nicht, dass Bella sich in der folgenden Woche meldete – schon alleine, weil sie arbeiten musste. Sie tat es nicht.
Ich hoffte, dass sie sich in der Woche darauf melden würde. Was sie aber nicht tat.
In der dritten Woche nach unserem gemeinsamen Mittagessen begann ich unruhig zu werden. Sie würde sich doch melden, oder?

Ich hatte letztendlich den Aufruf bekommen, dass ich meine Arbeitszeiten etwas zurück schrauben sollte, weswegen ich beschloss meine Zeit mit Studien zu verbringen. Obwohl ich sozusagen derzeit eine Auszeit von der Universität hatte, hieß das nicht, dass ich nichts zu arbeiten hätte. So verlangte mein Professor, dass wir in dieser Zeit mindestens zwei Hausarbeiten schrieben und ihm die per E-Mail zukommen ließen – er war sowieso sehr auf moderne Kommunikationsmittel aus. Er hatte zu jedem seiner Kurse eine eigene Seite auf seinem Internetblog, die er regelmäßig mit Updates füllte. Der meines Jahrganges war derzeit mit verschiedenen Themen für Arbeiten gefüllt.
Mein ursprünglicher Plan war gewesen, zunächst die Sache mit Bella zu klären, dies einige Zeit zu genießen und mich anschließend an diese Arbeiten zu machen. Da ich jetzt aber unverhofft Zeit hatte, würde ich mich sofort an die Arbeit begeben und dann hoffentlich später mehr Zeit für Bella haben. Sollte sie sich melden, würde ich sofort abbrechen und mich wieder voll und ganz auf sie konzentrieren.

Es war Montag und seit dem Mittagessen waren genau drei Wochen und zwei Tage vergangen. Ich war vom Krankenhaus direkt in die Universitätsbibliothek gefahren, hatte meinen Laptop genau vor mir stehen und verschiedene Medizinbücher um mich herum verteilt.
Ich kam mit meinem Thema sehr gut voran. Wenn nichts dazwischen kommen würde, könnte ich die Arbeit noch bis Ende der Woche abschließen und abschicken, da war ich mir sicher. Ich hatte jetzt schon mehr Seiten, als mindestens erwartet wurde und mit dem Stoff, den ich eben in einem Buch gelesen hatte, würde ich auch noch ein paar Zeilen weiter kommen.
Ich hatte schon vor einiger Zeit versucht, sämtliche Geräusche um mich herum auszublenden, was mir auch größtenteils gelang. Genauso hatte ich extra noch ein paar mehr Bücher auf meinem Tisch verteilt, damit auch das letzte lästige Studentenmädchen verstand, dass sie hier nichts zu suchen hatte. Desto mehr war ich nun überrascht, als sich der Stuhl neben mir tatsächlich schon wieder bewegte, jemand meine Bücher verschob und seine stattdessen dorthin platzierte. War es nicht offensichtlich genug gewesen?
Genervt schaute ich auf – und entspannte meine Gesichtszüge sofort wieder in ein zärtliches Lächeln.
››Bella‹‹, hauchte ich.
Sie erwiderte das Lächeln. ››Edward, was für eine Überraschung dich hier zu sehen.‹‹
››Wie man es nimmt. Ich bin ein Student und muss lernen.‹‹
››Sehr angestrengt, wie man sieht‹‹, triezte sie mich und zeigte über den gesamten Tisch.
››Ich wollte nicht gestört werden‹‹, sagte ich mit zuckenden Schultern. ››Was aber absolut nicht auf dich zutrifft‹‹, fügte ich schnell hinzu. ››Hast du dich von dem Schock erholt, dass ich hier aufgetaucht bin?‹‹
››Ja, das habe ich. Es tut mir Leid, dass ich mich noch nicht gemeldet habe, aber ich hatte letzte und diese Woche Kurse, die sehr wichtig sind. Ich besuche die Uni nicht regelmäßig, sondern eher für Kurse, die sich über ein, zwei Wochen strecken. Das ist angenehmer und ich muss auch nicht einen… Aber hier bin ich eigentlich aus einem anderen Grund, ich muss etwas Privates recherchieren. Normal ist das nicht mein Fachgebiet.‹‹ Sie klopfte auf den Bücherstapel vor sich.
Ich las den ersten Titel: ›Kinderrechte‹. ›Gesetzbuch der Adoption‹, war der zweite. Genau so ging es weiter.
››Oh, das sieht ziemlich nach Arbeit aus. Da möchte ich dich nicht aufhalten, ich muss auch bei mir weitermachen.‹‹
Sie nickte, zog einen Block und Stift aus ihrer Tasche und schlug das erste Buch auf. Ich mache schnell noch etwas Platz für sie auf dem Tisch und widmete mich wieder meinem Bildschirm.
Es hatte etwas unglaublich beruhigendes, mit Bella neben mir zu schreiben. Ich hatte schon früher immer gerne mit ihr gelernt. Sie hatte sich nie als Ablenkung herausgestellt, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern war für mich immer vielmehr eine Inspiration gewesen. Und sie arbeitete mindestens genauso ambitioniert wie ich.
Wir saßen eine lange Zeit hier zusammen und arbeiteten. Als der Akku meines Notebooks schließlich schlapp machte, beschloss ich, dass ich für diesen Abend genug getan hätte und fuhr den Computer herunter. Ich warf einen neugierigen Blick zu Bella. Sie stützte ihren Kopf schwer auf ihrer Hand und unterdrückte ein Gähnen. Es schien, als wäre ich nicht der einzige, der erschöpft war.
››Was hältst du davon, wenn wir unsere Arbeit für heute beenden und noch einen Happen gemeinsam essen gehen?‹‹ fragte ich sie leise.
Sie schaute unentschlossen in meine Augen. ››Okay‹‹, sagte sie. ››Aber ich zahle selbst. Hier um die Ecke ist ein guter Italiener mit studentengerechten Preisen.‹‹
Ich hätte ihr gerne widersprochen, was das Zahlen anging, aber wusste, dass es nutzlos war und ich hatte immer noch meinen Schwur, dass ich ihr Zeit geben würde. Keine Dates, sondern Freundschaft – vorerst.
Wir verstauten unsere Bücher an ihren angestammten Plätzen und trafen uns am Eingang wieder. Bella führte mich eine Seitenstraße entlang und gleich darauf standen wir vor dem Restaurant. Es sah wirklich ganz nett aus, aber gleichzeitig wie eine typische Studentenbude. Was sollte ich sagen? Wir waren auf dem Campus.
Die Karten waren auf dem Tisch ausgelegt, so konnten wir sofort entscheiden und bestellen, als der Kellner an unseren Tisch kam.
››Was belegst du derzeit für einen Kurs hier?‹‹ fragte ich neugierig.
››Ein Buchhaltungskurs, er baut auf einigen anderen auf, die ich in den letzten Jahren absolviert habe. Ich ergreife die Chance immer, wenn ich mich auf diesem Gebiet weiterbilden kann, außerdem ist es auch sehr wichtig für das Waisenhaus. Ich konnte ihnen schon viele Tipps geben, wo sie Geld besser anlegen können und wo noch eingespart werden kann. Ich weiß selbst nicht, was genau mich in die Finanzecke getrieben hat… Wahrscheinlich war es einfach nur, weil sie jemanden gebraucht haben der sich in diesem Bereich auskennt und ich mich bereit erklärt habe, mich weiterzubilden.‹‹
››Hast du nun eine Ausbildung zur Erzieherin?‹‹ fragte ich. Das war immer ihr Wunsch gewesen.
››Ich habe damit angefangen, aber abgebrochen, als ich das Angebot für die Stelle hier bekommen habe. Aber auch hier habe ich mich in verschiedenen Kursen weitergebildet‹‹, antwortete sie mir geduldig.
››Was hat dich nach Chicago verschlagen? Wie bist du auf diese Stelle gekommen?‹‹ fragte ich weiter, da sie sich bis jetzt nicht gesträubt hatte.
››Die Fragerunde ist eröffnet, was?‹‹ fragte sie mit leichtem Grinsen. Kein Widerstand. ››Ich bin ehrlich gesagt, nie in Seattle gewesen, wie ich dir erzählt habe. Ich habe meine Pläne kurzfristig umgeworfen, für den Fall, dass… Nun ja… Ich habe meine Ausbildung hier angefangen und im Sunnyland Waisenhaus an den Wochenenden ausgeholfen, um Arbeitserfahrung zu sammeln. Sie haben mich direkt übernommen.
Ich bekomme dort nicht viel Geld, gerade genug, damit ich essen kaufen kann. Alles andere bezahle ich von meinem Collegefond und dem Geld, dass mein Vater mir hin und wieder zur Unterstützung schickt. Aber die Arbeit dort ist wirklich sehr schön und ich mache es gerne. Vielleicht werde ich irgendwann noch einen Nebenjob annehmen, wenn es dringend wird, aber derzeit möchte ich mich lieber voll und ganz auf den Job und … Kurse zur Weiterbildung konzentrieren.‹‹
Der Kellner stellte uns ein Knoblauchbrot auf den Tisch und wir begannen langsam mit der Vorspeise. Zu viel durfte ich davon nicht essen, da ich morgen wieder im Krankenhaus arbeiten musste.
››Erzähl mir mehr von deinem Studium? Und wie ist die Uni? Hast du nette Leute kennen gelernt?‹‹ Damit war ihre Fragenrunde eröffnet.
Ob sie mich gerade indirekt fragte, ob ich eine Freundin hatte? Oder Freundinnen dort gehabt hatte? Würde sie das wirklich von mir denken? ››Ich hatte einen sehr netten Mitkommilitonen, der hat aber im zweiten Jahr das Fach gewechselt. Er ist immer noch dort und der beste Freund, den man sich vorstellen kann. Seth ist der einzige, der mit meinen Eigenarten, die ich entwickelt habe, klar kommt. Ansonsten sind alles nur flüchtige Bekanntschaften, mit denen ich nie mehr als zwei Worte gewechselt habe. Mit meinem Leben an der High School lässt es sich kaum vergleichen.‹‹
››Stimmt, das klingt absolut nicht nach dir.‹‹
››Ich hatte einfach keinen Ansporn neue Menschen kennen zu lernen und habe ihn auch jetzt noch nicht. Was nicht heißt, dass es nicht manche probieren, aber es sind noch alle gescheitert. Nein, da gibt es wirklich nichts Interessantes zu erzählen.
Ansonsten ist mein Studium genau das, was ich mir vorgestellt habe. Meiner Meinung nach, habe ich einen sehr guten Professor. Manche mögen ihn zwar nicht so gerne, wegen seiner etwas abgedrehten Art, aber es kann keinen besseren geben um dir die Eigenarten der Medizin näher zu bringen.‹‹
››Und du bist sein Liebling, weil du Kursbester bist…‹‹ sponn Bella, wie auch früher so gerne, weiter.
››Nun ja, vielleicht nicht Kursbester, aber ich kann sehr zufrieden sein. Und, ja, ich denke, dass die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht.‹‹
››Was uns jetzt nicht überrascht‹‹, lachte Bella. ››Du hast es ja schon früher immer irgendwie geschafft alle Lehrer um deinen Finger zu wickeln.‹‹
››Fass du dir mal an die eigene Nase‹‹, stimmte ich in ihr Lachen ein. ››Wenn du jetzt einen Kurs besuchst, gehst du dann nicht ins Waisenhaus?‹‹
››Doch, ich bin jeden Tag dort. Selbst jetzt werde ich direkt noch hinfahren um… um nach dem Rechten zu sehen. Es ist sehr wichtig für das Vertrauen, dass die Kinder auch mich jeden Tag sehen.‹‹
››Wird da denn jetzt noch jemand wach sein?‹‹ fragte ich zweifelnd. Es war inzwischen weit nach zehn.
››Ja, von den Teenagern ganz sicher…‹‹
Das Essen kam. Bella hatte nur einen Salat bestellt, während auf mich eine große Pizza Salami wartete.
››Sind drei Mitarbeiter eigentlich genug? Und du, wenn du manchmal Kurse besuchst und weniger da sein kannst?‹‹ fragte ich neugierig. Das hatte mich in den letzten Tagen häufiger beschäftigt. Außerdem fand ich es einen guten Weg, Bella zum Sprechen zu bringen, wenn wir über das Waisenhaus sprachen.
››Es reicht. Es könnten natürlich gerne mehr sein, aber das können wir uns nicht leisten. Wie gesagt, ich arbeite dort auch für weniger, als einen Hungerlohn.
Kate und Marc leben im Hauptgebäude und sind somit immer vor Ort. Wenn wirklich mal etwas sein sollte, können sie mich jeder Zeit anrufen und auch auf die Nachbarn ist in diesen Fällen verlass.
Und so groß ist unser Haus nicht, sonst würden wir vielleicht mehr Unterstützung vom Staat bekommen und dadurch vielleicht auch noch die eine oder andere Person mehr anstellen können.‹‹
››Wie viele Kinder sind denn da?‹‹
››Siebenunddreißig, zweiundzwanzig Mädchen und fünfzehn Jungen in der Alterklasse von zwei bis sechzehn. Drei unserer Kinder, ein kleines Mädchen und ein Geschwisterpärchen - ein Mädchen und ein Junge - haben derzeit die Chance auf Adoption. Von außen haben wir derzeit eine Anfrage für einen Jungen, ob wir ihn aufnehmen können. Er wird wohl innerhalb der nächsten zwei Wochen zu uns kommen.‹‹
››Und was für Kinder sind normal bei euch? Sind es wirklich Waisen? Oder auch aus gebrochenen Familien?‹‹
››Wir haben alles, aber mehr Waisen, als Kinder aus zerrütteten Familien. Wir haben nicht die richtigen Möglichkeiten und genügend Mitarbeiter, um mit sozial gestörten Kindern und Teenagern zu arbeiten. Obwohl das sicher auch eine interessante Erfahrung wäre…‹‹ Bella begann nun von verschiedenen Kindern und ihren Hintergründen zu erzählen, wobei sie mit sämtlichen, schlimmeren Geschichten sehr diskret umging, oder sie ganz ausließ.
Ich fand es sehr erstaunlich, wie viel sie über ihre ganzen Schützlinge wusste. Vieles davon konnte man sicher nicht einer Akte entnehmen.
Bald wurde es dann auch schon Zeit aufzubrechen, vor allem, da Bella noch im Waisenhaus vorbeisehen wollte. Ich nahm Bella das Versprechen ab, dass sie sich bald bei mir melden würde und so verabschiedeten wir uns.

Auf der Heimfahrt ließ ich mir die gesamte Begegnung noch einmal durch den Kopf gehen.
Was für ein Zufall, dass wir uns in der Unibibliothek getroffen hatten! Aber es war sehr schön gewesen, wie offen Bella gewesen war. Nicht nur, dass sie mich zum Abendessen begleitet hatte, sie hatte mir auch noch unglaublich viel erzählt. Ich hatte ja bereits seit längerem, in meinem Kopf, die nächsten zwei Treffen geplant, aber ich hätte nie gewagt davon zu träumen, soviel aus ihrem Leben zu erfahren, wie es heute der Fall gewesen war.

Natürlich war mir auch nicht entgangen, dass sie einen entscheidenden Teil immer ausgelassen hat. Etwas, dass ihr Leben sehr beeinflusste, sie mir aber offensichtlich nicht sagen konnte. Irgendetwas dass sie dazu veranlasste, bestimmte Sätze unvollständig zu lassen und mittendrin umzuschwenken.


7. Clear and Brief


An: Edward
Von: Bella
Freitag, 7 Uhr, Cineplexx?


Ich hatte gerade Pause, als mich diese Nachricht erreichte. Ich saß mit einigen Schwester und Pflegern in deren Aufenthaltsraum bei einer Tasse Kaffee, ein Ritual, dass sich für mich über die letzten Wochen eingestellt hatte. Ich schloss mich den anderen einfach an. Meist sprachen wir über Dinge an der Arbeit, besondere Fälle, Anstößigkeiten von Patienten, meist hatten wir viel zu lachen.
Mein Herz machte, wie immer, einen Sprung, als ich mein Handy klingeln hörte. Jedes Mal hatte ich aufs Neue die Hoffnung, dass Bella sich endlich melden würde und jedes Mal war ich aufs Neue enttäuscht worden. Bis heute.
Ich konnte nicht verhindern, dass ein erleichtertes und glückliches Seufzen meinen breit grinsenden Lippen entwich und sofort hatte ich die gesamte Aufmerksamkeit auf mich gezogen.
››Gute Nachrichten, Cullen?‹‹ fragte Taylor, einer der Pfleger, der schon jede einzelne Schwester hier im Krankenhaus angebaggert haben musste, mit einem machohaften Lächeln. Er schien alles immer in der zweiten Bedeutung zu sehen.
Doch waren es gute Nachrichten? Drei Wörter und eine Zahl konnte man wohl kaum als gut bezeichnen. Aus Bellas Sicht? Ich vermutete, dass sie nicht wusste, wie sie sich ausdrücken sollte, welche Worte sie benutzen sollte, damit die Nachricht richtig herüber kam, so dass ich weder zu viel hineininterpretierte, noch zu wenig. Meine Bella, sie war schon immer besonders gewesen.
››Ja, sehr gute Nachrichten‹‹, sagte ich schließlich überzeugt. Ich hatte nicht vor, meinen vorübergehenden Kollegen in mein Privatleben einzuweihen, was allerdings nicht hieß, dass sie es nicht versuchen würden.
››Deine Schnitte?‹‹ fragte Taylor weiter, wofür ich ihm am liebsten die Nase gebrochen hätte.
››Nein, nicht meine Schnitte‹‹, antwortete ich, meine Wut unterdrückend. Selbst wenn Bella noch meine Freundin wäre, würde ich niemals ein Wort wie ›Schnitte‹ für sie verwenden!
Taylor hatte es nie verstanden, warum ich mich ihm nicht anschließen wollte und mich nicht an der großen Auswahl und ›Frischfleisch‹ bediente, dass es hier im Krankenhaus gab und zudem willig schien.
Ich klinkte mich für die restlichen Minuten aus dem Gespräch der anderen aus, um in meine eigene Gedankenwelt einzutauchen. Bella wollte sich endlich freiwillig mit mir treffen, das war ein gutes Zeichen, nicht? Das konnte nur ein gutes Zeichen sein! In drei Tagen würden wir uns treffen und einen wunderschönen Abend gemeinsam verbringen. Ich würde versuchen sie zu überzeugen, dass es nicht nur bei Kino blieb, denn dort konnte man sich nicht unterhalten und ich wollte so viel, wie möglich, mit Bella reden, immer und immer wieder, mehr über ihr Leben erfahren… und über diese (große) Kleinigkeit, die sie mir verschwieg, in Form eines kleinen Mädchens.
Ich hatte mir von Anfang an geschworen, dass ich nicht darüber nachdenken würde, jedoch ließen sich einige Gedanken, hin und wieder, nicht vermeiden. Sie konnte nicht älter, als zwei, sein, weshalb ich es ausschloss, dass das Mädchen meine Tochter war. Wäre sie es, müsste sie wenige Monate über zwei sein und dazu kam sie mir zu jung vor. War es Bellas Tochter? Ich war nicht wirklich nahe genug an das kleine Mädchen heran gekommen, um sie genauer betrachten zu können, allerdings hatten sich die braunen, wild gelockten Haare in mein Gedächtnis eingebrannt. Das alleine war aber noch keine Bestätigung – oder?
Ich entschied, dass das alles unwichtig ist, solange ich wusste, dass Bella nur mich wollte. Denn wenn sie mich wollte, dann würde sie mich auch bekommen und ich würde sie nehmen, mit oder ohne Tochter. Leiblicher Tochter?
Die anderen brachen auf und so erhob auch ich mich aus meinem Stuhl. Jessica, eine der Schwestern, gesellte sich zu mir auf meinem Weg nach draußen.
››Hör nicht auf diesen Großkotz‹‹, meinte sie. ››Der ist doch bloß neidisch auf dich.‹‹ Sie blickte mich mit ihren großen Augen an.
Ich nickte. ››Das hatte ich auch nicht vor‹‹, versprach ich.
Sie nahm das zufrieden zur Kenntnis und zog von dannen. An meinen ersten Tagen hatte sie, wie viele andere auch, versucht ein Date mit mir zu erhaschen. Sehr bald jedoch hatte sie verstanden, dass bei mir nichts zu holen war und sie hatte es akzeptiert. So war sie eine der wenigen Damen hier, mit denen ich ab und zu richtige Gespräche führen konnte. Auf geschäftlicher Basis, an mehr war ich nicht interessiert.

Ich fieberte dem Freitag und schließlich, als der Freitag gekommen war, dem Feierabend entgegen. Es schien, als würde jede Minute länger dauern, als die vorherige. Als wollte die Zeit mich ärgern.
Ich kämpfte mich durch den Nachmittag, schaute nach jedem Patienten auf die Uhr, um wieder nur feststellen zu müssen, dass ich mich nicht einmal halb so lange in dem Raum aufgehalten hatte, wie ich vermutete. Es war zum verzweifeln!
Schließlich aber war es Feierabend und ich konnte das Krankenhaus verlassen. Ich fuhr sehr gemächlich durch den Großstadtverkehr um etwas Zeit zu schinden, die ich dann, weniger in meiner Wohnung verbringen musste. Dort angekommen, hatte ich noch eine Stunde, bis ich wieder los müsste.
Die letzte halbe Stunde zappte ich nervös durch die Programme.
Ich hatte mir vorgenommen, dass ich meine Wohnung bereits gegen halb sieben verlassen würde, da ich mir nicht ganz sicher war, ob ich den Weg zum Kino auf Anhieb finden würde, und abgesehen davon, blieb natürlich immer noch die lästige Parkplatzsuche. Mir war bewusst, dass ich trotz meiner Zeitrechnung zu früh dort wäre, aber so konnte ich mich wenigstens noch etwas umsehen. Besonders ein Restaurant, würde im Zentrum meines Interesses stehen.
Das Kino, so stellte sich heraus, hatte seine eigene Tiefgarage, die groß genug war, dass ich bequem einen Platz für meinen Volvo finden konnte. Ich stieg aus, schloss ab und machte mich auf den Weg zu den Aufzügen. Ein Schild zeigte mir, dass sich das Kino im ersten Stock des Gebäudes befand, jedoch steuerte ich, aus Neugierde, das Erdgeschoss an. Was lag wohl unter dem Kino?
Ich trat in eine große Halle, die mich fast an eine Einkaufsmeile erinnerte – nur dass sie ausschließlich aus Fast Food Ketten und Buden ähnlicher Art bestand. Man ging wohl davon aus, dass die Gäste hier; vor oder nach dem Kinobesuch sehr hungrig waren. Wobei ich jedoch vermutete, dass man hier nicht ausschließlich Kinobesucher bewirtete.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich zehn Minuten zu früh war. Ich beschloss etwas den Gang nach oben zu schlendern und mir die verschiedenen Angebote näher anzusehen. Viele davon hingen mit dem Kino zusammen. Mit Vorzeigen des Tickets bekam man entweder Rabatte, oder das Menu Kinofertig verpackt. Allerdings war mir das alles ein bisschen zu billig. Sollte Bella zustimmen nach dem Kinobesuch mit mir noch etwas essen zu gehen, würde ich sie in ein besseres, ein richtiges Restaurant führen.
Ich schüttelte kurz den Kopf und erklomm schließlich die nächstliegenden Treppen, die mich direkt zum Ticketverkauf des Kinos führten. Hier könnte ich auf Bella warten – oder mich zu ihr gesellen, wie ich feststellen musste. Sie war bereits da, glücklicherweise war sie aber einfach nur früher da und ich nicht zu spät.
Ich betrachtete sie eingehend, wie sie sich, auf einem Bein abgestützt umsah und dabei nervös auf ihren Fingernagel herumkaute. Sie sah wunderschön aus in ihrem tiefblauen Kleid und zurückgesteckten Haaren. Mit freudigem Lächeln ging ich auf sie zu. Sie entdeckte mich wenige Meter, bevor ich bei ihr war.
››Hi‹‹, hauchte sie, beugte sich nach vorne und gab mir einen Kuss auf die Wange.
Ich war überrascht. Mit so viel Initiative von ihrer Seite hatte ich für unser Treffen nicht gerechnet. ››Hallo Bella. Du siehst wunderbar aus.‹‹
Ihre Wangen röteten sich leicht. ››Danke.‹‹
››Hast du lange gewartet?‹‹ fragte ich besorgt.
››Nein, ich bin auch eben erst gekommen. Wollen wir uns das Angebot anschauen?‹‹
››Gerne.‹‹
Wir entschieden uns für einen mittelschweren Actionfilm, der etwas Humor und etwas Romantik versprach. Nicht zu viel und nicht zu wenig, genau richtig für unser Treffen. Der Nachteil des Filmes war, dass er erst um acht beginnen würde.
Nachdem wir die Tickets erstanden hatten, setzten wir uns auf die breite Couch in der Lounge und beobachteten die verschiedensten Menschentypen und versuchten zu erraten, welchen Film sie wohl besuchen würden. Es war, als hätten wir uns stillschweigend darauf geeinigt, dass wir (vor dem Film noch) keine private Unterhaltung wollten.

Der Film stellte sich tatsächlich als eine gute Wahl heraus. Bella und ich verließen sehr zufrieden den Kinosaal und waren in ein Gespräch, über die Szenen, die für immer in unseren Erinnerung bleiben würden, vertieft.
An den Aufzügen angekommen, wechselte ich abrupt das Thema. ››Was hältst du davon, wenn wir noch etwas zusammen essen gehen?‹‹ platzte ich mit meiner Frage heraus.
Bella blickte mich an, entschuldigend. ››Tut mir Leid, ich kann nicht…‹‹ Ich wollte schon enttäuscht wegblicken und nicken, als Bella weiter sprach. ››Aber ich würde mich sehr freuen, wenn du dir Morgen früh die Zeit nehmen würdest, mit mir zu frühstücken. Ich… ich würde dir gerne jemanden vorstellen‹‹, fügte sie sehr leise hinzu.
Ich nickte andächtig. Natürlich hätte ich am nächsten Morgen Zeit für sie. ››Gerne. Ich bringe frische Brötchen?‹‹
››Das wäre nett. Gegen acht? Wir frühstücken immer um diese Zeit, tut mir Leid.‹‹
››Nein, keine Sorge, du weißt, dass ich kein Langschläfer bin.‹‹
››Das weiß ich allerdings‹‹, sagte sie mit einem leichten Grinsen.
Wir kamen unten in der Tiefgarage an und ich begleitete Bella bis an ihren Wagen, auch wenn der, in der entgegengesetzten Richtung von meinem lag, um sie zu verabschieden.
Bella drehte sich zu mir um. ››Danke für den Abend. Tut mir Leid, dass er nur so kurz war, aber…‹‹ Sie räusperte sich. ››Im Waisenhaus ist etwas dazwischen gekommen, deswegen habe ich nicht so viel Zeit, wie ich eigentlich geplant hatte. Aber ich wollte dir nicht ganz absagen…‹‹
››Kein Problem‹‹, meinte ich ehrlich. ››Dafür sehen wir uns ja morgen früh, nicht wahr?‹‹
››Richtig‹‹, sie lächelte leicht, nervös. ››Bis dann, ich freue mich.‹‹ Sie gab mir einen weiteren, kurzen Kuss auf die Wange, bevor sie sich schnell umdrehte und in ihren Wagen stieg.
Ich sah ihr hinterher, meine Hand lag auf der Wange, die sie eben geküsst hatte, bis ihr Wagen aus meiner Sicht verschwunden war. Während ich zu meinem Auto lief, unterdrückte ich mit jedem Schritt einen Luftsprung. Das lief besser, als ich erwartet hatte, alles. Und sie wollte mir Morgen früh jemanden vorstellen – ihre Tochter? Bestimmt! Sie würde mich sicher nicht auf die Wange küssen oder sich mit mir verabreden, wenn sie einen Freund hätte.
Ich fragte mich, ob ich mit meinen Hoffnungen für den nächsten Tag soweit gehen konnte und eine Erklärung für alles bekommen würde?


8. Sara-Leigh


Der Duft von frischen Brötchen umspielte meine Nase verführerisch und ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Ich war hungrig. In der Nacht hatte ich mehr wach gelegen, als geschlafen, obwohl ich mir selbst die Gedanken daran verbieten wollte, darüber nachzudenken, was Bella mir wohl an diesem Tag alles erzählen würde. Wen sie mir – wie - vorstellen wollte.
Der Becker, zu dem ich gehen wollte, war an diesem Samstagmorgen maßlos überfüllt gewesen, was ich nicht mit eingerechnet hatte. Deswegen war ich nun etwas spät dran.
Meine Mundwinkel zuckten, als ich daran zurückdachte, wie Bella und ich das erste Mal gemeinsam in meinem Haus frühstücken wollten. Damals war ich extra früh losgefahren, falls beim Becker viel los sein sollte und, wie ich mir nur halb eingestehen wollte, weil ich es nicht mehr bei mir zu Hause ausgehalten hatte, weil ich sie wieder sehen wollte. Das ganze hatte zur Folge gehabt, dass ich eine halbe Stunde zu früh vor ihrer Haustür gestanden hatte.
Ich parkte meinen Volvo › an seiner üblichen Stelle‹ auf dem Parkplatz von Bellas Wohnblock und hastete anschließend zu der großen Eingangstür, wo ich an ihrem Schild die Klingel drückte.
Der Summer ging, ohne dass nachgefragt wurde wer an der Tür stand. Glücklich öffnete ich die untere Tür und betrat direkt das Treppenhaus, um mit meinem Aufstieg zu beginnen.
Bella wohnte im vierten Stock. Die Wohnungstür stand offen, Bella war aber nirgends zu sehen. Ich versicherte mich noch einmal am Türschild, ob ich auch wirklich die richtige Wohnung betrat. Es war die richtige. Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir. Dort blieb ich unsicher vor einer Wand stehen. Nach rechts ging es nicht weiter, nach links konnte man in das erste Zimmer der Wohnung einblicken.
››Komm rein‹‹, hörte ich Bellas Stimme von irgendwo aus dieser Richtung.
Ich zog meine Jacke aus und hängte sie an einen freien Kleiderhaken an dieser Wand mir gegenüber und ging schließlich nach links, den kurzen Gang entlang. Der Gang führte mich direkt in ein großes, offenes Wohnzimmer mit Küchenzeile. Diese war an der rechten Wand, nahe einer großen Fenstertür, die auf einen großen Balkon führte, der die gesamte Breiseite ausmachte. Das Wohnzimmer war modern, aber dezent eingerichtet, genau nach Bellas Stil. Bella konnte ich in diesen Räumlichkeiten nicht entdecken, daher vermutete ich, dass sie sich hinter einer der drei Türen an der linken Wand befand.
››Mach es dir bequem, fühl dich wie zu Hause‹‹, hörte ich wieder ihre Stimme, die nun etwas gestresst klang.
Ich beschloss mich etwas umzusehen, besonders in der Küchenzeile. Für das Frühstück war noch nichts vorbereitet, vielleicht könnte ich ihr etwas helfen.
Plötzlich ging ein lauter Schrei durch die Wohnung, der mich erschrocken zusammen zucken ließ. Gleich darauf ertönte wieder Bellas Stimme. ››Sara-Leigh, scht!‹‹ Ein Wimmern.
Sicher war das Bellas kleines Mädchen. Sarah-Leigh, was für ein schöner Name!
Das Wimmern ließ kaum nach, während ich mich nun in der Küche einlebte und alles für ein Frühstück zusammen suchte und Kaffee aufsetzte.
››Das duftet wunderbar‹‹, hörte ich nun Bellas Stimme dichter hinter mir, als erwartet.
Erschrocken fuhr ich herum und blickte sie dann wie erstarrt an.
Nicht, weil sie wie immer wunderschön aussah, sondern weil sie das kleine Mädchen auf dem Arm hielt, dass mich nun mit großen, dunkelbraunen Augen anstarrte. Wie ich es in Erinnerung hatte, hatte das Mädchen wildes, braun gelocktes Haar, welches Bella versucht hatte in zwei Zöpfchen zu bändigen. Ihr Teint erinnerte an den einer Latina, was mir aber bei der ersten Begegnung nicht aufgefallen ist – zu sehr war ich auf Bella konzentriert gewesen. Jetzt, da ich sie näher betrachten konnte, würde ich sie keinesfalls mehr auf älter, als zwei Jahre schätzen. Sie war überaus niedlich und würde später sicher einmal umwerfend schön werden.
Bella lächelte mich unsicher an, während ich das kleine Mädchen in ihren Armen musterte.
››Hi Bella‹‹, sprach ich meine ersten Worte an diesem Morgen. ››Und wer bist du, Kleines?‹‹
Bellas Lächeln wandelte sich in Erleichterung, als ich dem Mädchen gegenüber so offen war. Diese streckte eines ihrer kleinen Händchen nach mir aus, nachdem ich sie angesprochen hatte. Ich ergriff sie vorsichtig.
››Edward, das ist Sara-Leigh. Ich habe sie vor einigen Wochen aufgenommen und würde sie gerne adoptieren. Sie ist noch nicht lange elternlos.‹‹
››Hallo Sara-Leigh‹‹, das kleine Mädchen quietschte vergnügt, als ich seinen Namen sagte. ››Es freut mich sehr dich kennen zu lernen.‹‹
Bella musterte mich skeptisch, dann entfloh ihren Lippen ein nervöses Kichern. ››Ich nehme an, ich sollte nicht überrascht sein, dass du so wenig schockiert über ein kleines Mädchen in meinem Arm bist. Genauso wenig, wie du wusstest, wo ich wohne, ohne dass ich es dir gesagt hatte.‹‹
Ertappt biss ich mir auf die Lippen. Ich würde es ihr erklären müssen, irgendwann.
Bella schien zu erkennen, dass ich ihr nicht antworten würde, meine Geste hatte ihr aber sicher genug verraten. ››Okay, lass uns frühstücken, ich habe Hunger. Tut mir Leid, dass ich noch nicht fertig war, aber der kleine Balg stellt sich mehr und mehr als Morgenmuffel heraus.‹‹
››Kein Problem.‹‹
Ich war mit den Vorbereitungen schon fast fertig gewesen, so musste Bella sich jetzt nur noch um Sara-Leighs Frühstück kümmern und bald saßen wir alle zusammen am Tisch.
››Sara-Leigh ist der Grund, aus dem ich gestern nicht länger bleiben konnte‹‹, begann Bella zu sprechen. ››Eigentlich war geplant, dass sie über Nacht im Waisenhaus bleibt, allerdings haben zwei Kinder die Grippe, da konnte Kate nicht auch noch nebenher auf ein Kleinkind aufpassen. Sara-Leigh wäre mit zwei Jahren, mit Abstand das jüngste Kind dort.‹‹
››Das ist doch vollkommen in Ordnung, überhaupt kein Problem‹‹, sagte ich schnell. ››So kann ich sie jetzt kennen lernen und zusammen frühstücken, das ist doch genauso gut.‹‹ Ich wollte nicht, dass Bella sich schlecht fühlte.
››Danke‹‹, sagte Bella. Unsicher schaute sie mich an. ››Darf ich dich was fragen?‹‹
››Sicher.‹‹
››Wie hast du alles über mich herausgefunden? Alice?‹‹
››Nein, nicht Alice. Sie wollte mir rein gar nichts verraten, ihr ist nur einmal herausgerutscht, dass du in Chicago bist. Ich habe alles soweit selbst herausgefunden, aber keine Sorge, ich habe keinen Privatdetektiv auf dich angesetzt.‹‹
››Das erleichtert mich ungemein‹‹, lachte Bella. ››Wie dann?‹‹ wollte sie wissen.
››Deine Adresse hatte ich aus dem Einwohnermeldeamt. Ich habe sie nur mit Müh und Not bekommen‹‹, die Erinnerung ließ ein leichtes Lächeln auf meine Lippen schleichen.
Bella musterte mich neugierig, offenbar witterte sie eine interessante Geschichte.
Ich beschloss nicht darauf einzugehen. ››Ich wollte dich direkt konfrontieren, allerdings gab ich das schnell wieder auf, als ich dich mit… Sara-Leigh sah.‹‹
››Dachtest du, sie wäre meine Tochter?‹‹
››Der erste Gedanke war wohl, dass sie unsere Tochter wäre und du mich deswegen verlassen hast. Das verwarf ich aber schnell wieder, die Zeitrechnung hat nicht gepasst… Ich war mir nie sicher, ob sie deine Tochter war, aber ich habe es auch nicht ausgeschlossen. Ich hatte keinen direkten Blick auf sie.
Da ich nun aber wusste, dass sich dein Leben wirklich sehr verändert hatte, habe ich beschlossen nicht einfach an deiner Haustür aufzutauchen, sondern erst noch ein bisschen mehr über dich zu erfahren. Ich habe dich… vielleicht… ein bisschen verfolgt.‹‹
Bella schien in Gedanken. ››Der silberne Volvo an dem Tag, als du das erste Mal im Waisenhaus aufgetaucht bist…‹‹ sagte sie leise.
››Schuldig‹‹, sagte ich mit gesenktem Blick. ››Tut mir Leid, Bella, ich weiß, dass das nicht richtig war, aber ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte. Ich wusste, dass da ein kleines Mädchen war, das dich Mama nennt, aber ich wusste nicht, ob sie deine Tochter war, ob du in einer Beziehung stecktest und ich wusste auch nicht, wie ich reagiert hätte, wenn sich das alles bestätigt hätte.‹‹
››Es ist okay, Edward. Besser du, als jemand anderes‹‹, sagte sie langsam. ››Ich weiß, ich habe doch schon einmal gefragt, aber warum bist du hier?‹‹
››Weil ich dich in meinem Leben brauche, Bella. Mehr als alles andere. Weil ich wissen möchte, was damals falsch gelaufen ist und weil ich wissen muss, ob es für uns noch eine Chance gibt. Ich weiß, dass du die einzige in meinem Leben bist und dass ich niemals mit einer anderen Frau glücklich werden könnte. Nur mit dir. Ich will nur dich.
Wirst du mir Antworten geben?‹‹
››Ja‹‹, sagte sie. ››Aber nicht heute.‹‹
››Ich kann warten‹‹, gestand ich ihr Zeit zu. ››Solange du mich nicht wieder aus deinem Leben ausschließt.‹‹
››Werde ich nicht. Versprochen.‹‹ Sie lächelte sanft.
Ich musste eine letzte Frage stellen. ››Du hast mir nie gesagt… Ich weiß jetzt, dass Sara-Leigh nicht deine Tochter ist, aber wie ist es mit… Partnern? Gibt es irgendwas, dass ich wissen müsste?‹‹
Sie lächelte erneut. ››Wie kannst du nur denken, dass ich jemand anderes, als dich, wollen würde?‹‹ verneinte sie.
››Wie kannst du nur denken, dass ich ohne dich Leben könnte?‹‹ entgegnete ich ihr.
››Ich werde es dir irgendwann erklären.‹‹
Ich nickte und beschloss auf ein leichteres Thema umzuschlagen. ››Du willst Sara-Leigh also adoptieren? Was hindert dich bis jetzt noch?‹‹
Sie seufzte. ››Ich habe den Antrag schon vor einiger Zeit gestellt, allerdings gibt es immer wieder Probleme, die unter anderem mit ihrem Alter und meiner Arbeit im Waisenhaus zu tun haben. Eine Adoption ist nicht so einfach, wie es aussieht. Immerhin haben sie mir erlaubt, dass ich sie hier leben lassen darf.‹‹
››Warum sie? Warum nicht eines der anderen Kinder? Weil sie so jung ist?‹‹
››Vielleicht war das ein Auslöser, andererseits finden die jungen Kinder auch immer schneller eine Pflegefamilie oder Adoptionseltern. Ich kann es nicht erklären, ich habe sie sofort in mein Herz geschlossen, als ich sie das erste Mal sah, auf eine andere Weise, als die anderen Kinder. Sie hat etwas Besonderes…Es ist so schwer zu erklären. Ein Blick in ihre Augen und ich habe gewusst, dass ich ihre Mutter sein möchte.‹‹
Ich lächelte Bella verständnisvoll an. Irgendwie konnte ich sie verstehen. Sara-Leigh war ein hinreißendes, kleines Ding und sie war dabei auch mein Herz zu erobern, während sie sich hier von Bella füttern ließ und mit ihrem Brei spielte – was Bella hingegen weniger gefiel.
Ich könnte ihr Vater werden, durchzuckte mich ein Gedanke, der in mir ein kleines Hochgefühl auslöste. Wenn Bella mir nur eine Chance gäbe, könnte ich der Vater des kleinen Mädchens werden.
››Ich weiß, was du meinst‹‹, stimmte ich Bella nun laut zu, während ich Sara-Leigh meinen Zeigefinger anbot, den sie sofort mit ihrem kleinen Händchen umschloss.
››Sie scheint dich zu mögen‹‹, meinte Bella und wirkte erleichtert.
Ich nickte zufrieden.
››Möchtest du den Tag mit uns verbringen?‹‹ fragte Bella schüchtern.
Ich schaute sie fragend an. Meinte sie das ernst?
››Natürlich musst du nicht…‹‹
››Doch‹‹, sagte ich schnell. ››Natürlich will ich, ich war nur… überrascht, denke ich. Was habt ihr denn heute noch vor?‹‹
››Am Vormittag werden wir wohl wie üblich etwas in den Park gehen und nach dem Mittagessen sollte ich mich etwas um den Haushalt kümmern. Wenn du möchtest, kannst du Sara-Leigh beschäftigen, wenn du es dir zutraust? Und gegen zwei, halb drei muss ich ins Waisenhaus, wenn du da mitkommen willst?‹‹
››Ich bin mit jedem Programmpunkt mehr als einverstanden.‹‹ Es freute mich, dass Bella mir Sara-Leigh für einige Zeit anvertraute, während sie nebenher mit anderen Dingen beschäftigt war.
Und ich freute mich auf einen wunderschönen Tag mit… meiner kleinen Familie?


9. Family Day


Wir brachen recht bald nach dem Frühstück in den Park auf. Es war ein schöner, sonniger Tag, allerdings bemerkte man, anhand der sich ändernden Farbe der Baumblätter, bereits den hereinbrechenden Herbst und Bella entschied sich lieber für eine Schicht mehr Klamotten für ihr kleines Pflegekind. ››Ausziehen geht immer‹‹, waren ihre Worte, als die Kleine sich wehrte.
Sara-Leigh gab Bella genau an, welche Spielsachen sie an diesem Tag im Park brauchen würde und ich bekam die Tasche in die Hand gedrückt, während Bella sie an die Hand nahm und sicher die Treppen bis zur Haustür hinunter führte.
Unten angekommen drehte Sara-Leigh sich zu mir um, wartete bis ich aufgeholt hatte und streckte ihre zierliche Hand nach mir aus. Überrascht griff ich danach, was dem kleinen Mädchen ein weiteres, erfreutes Juchzen entlockte. Auch mir bildete sich ein fröhliches Lächeln auf den Lippen und aus Bellas Richtung war eindeutig ein Seufzen zu vernehmen. Ich fühlte mich in diesem Moment vollkommen glücklich.
››Na, wo möchtest du als erstes hin?‹‹ fragte Bella Sara-Leigh, sobald wir im Park angekommen waren.
Das Mädchen bekam einen schelmischen Ausdruck auf dem Gesicht, befreite sich von unseren beiden Händen und rannte los, soweit man das in diesem Alter und mit diesen kurzen Beinen schon so nennen konnte.
››Nicht so schnell, Sara-Leigh‹‹, kam es sofort besorgt von Bella.
Eine Sorge, die ich voll und ganz teilte. Der Weg hier war nicht gerade für ein kleines Kind zum Fallen geeignet. Doch natürlich ignorierte sie uns und wir beschleunigten unseren gemütlichen Schritt um wieder zu ihr aufzuholen.
Es stellte sich heraus, dass ihr Ziel der große Spielpark war, an dem ich die beiden schon vor so vielen Wochen das erste Mal gesehen hatte. Die Erinnerung an diesen Tag ließ mir einen leichten Schauer über den Rücken fahren. Er gehörte nicht zu meinen schönsten. An diesem Tag hatte ich Bella gefunden und wieder verloren.
Geduldig wartete Sara-Leigh am Rand der Schaukeln bis wir bei ihr angekommen waren, griff dann sofort nach Bellas Hand und zog sie mit. Ihr Ziel waren eindeutig die Schaukeln für die großen Kinder – war sie dafür nicht noch viel zu jung?
Doch Bella ließ sich, lachend unter meinem erschrockenen Blick, auf die Schaukel fallen und hob Sara-Leigh dann direkt auf ihren Schoß.
››Ich glaube, wir brauchen jemanden, der uns anschubst, was meinst du Sara-Leigh?‹‹ fragte Bella die Kleine, aber laut genug, dass ich es hören konnte.
Sara-Leigh antwortete mit einem faszinierten ››Jaaa‹‹ und so machte ich mich lachend auf den Weg zu den beiden, stellte mich hinter sie und griff vorsichtig nach der Schaukel, um sie nach hinten zu ziehen. Welche Höhe konnte ich für die beiden verantworten? Immerhin hatte auch Bella nur eine Hand um sich festzuhalten.
››Mehr‹‹, feuerte mich Bella mit lautem Lachen auf.
Von Sara-Leigh war nur noch freudiges Kreischen zu hören.
Ich wagte mich, den beiden einen weiteren Stoß zu geben. Anschließend umrundete ich die Schaukel im sicheren Abstand um die beiden von vorne zu betrachten und an ihrer Freude teilhaben zu können. Es war wirklich ein wundervolles Bild, das sich mir da zeigte und ich wünschte mir augenblicklich eine Kamera in die Hand.
Ich schubste die beiden wenige Minuten später noch einmal an und ließ mich dann auf die freie Schaukel neben den beiden sinken, um mit ihnen an Höhe mithalten zu können. Nie hätte ich gedacht, dass ich in meinem Alter noch einmal auf einer Schaukel sitzen würde und solch einen Spaß damit haben würde.
Meinen Blick ließ ich kaum von den beiden Damen neben mir.
Schließlich hatte Sara-Leigh aber genug von ihren Höhenflügen – auch ich hatte mit ihr zusammen schaukeln müssen, während Bella uns fröhlich zugesehen hatte – und sie machte sich auf den Weg in die Sandgrube, in der ein kleines Piratenschiff aufgebaut war, mit Hängebrücke, Rutsche und allem anderen, was ein Kinderherz begehrte. Zu Bellas Misslaune zog Sara-Leigh sich am Rand sofort ihre Schuhe aus und war nicht mehr davon zu überzeugen sie wieder anzuziehen, ohne dass es in großem Gebrüll endete. Bella ließ ihr ihren Willen mit den Worten, dass der Sand glücklicherweise trocken war.
Ich setzte mich am Rand der Sandgrube nieder und packte die Tasche aus, die ich bis zu diesem Zeitpunkt getragen hatte – nur für das Schaukeln hatte ich sie kurz abgestellt. Hier fanden sich allerlei Schaufelgrößen, Eimerchen und Förmchen mit denen ich schließlich anfing Bella einen Kuchen zu backen. Sara-Leigh wollte mir dabei leider keine Gesellschaft leisten, sie war vielmehr an der Rutsche interessiert.
››Hier, für dich!‹‹ sagte ich schließlich mit stolzem Bubengrinsen im Gesicht, als ich eine Kleeblattförmige Schale auf dem Rand umdrehte und Bella ihren Kuchen präsentierte.
Ich hatte zwischen dieser und einer Herzform geschwankt, allerdings dann entschieden, dass es für letztere noch zu früh war.
Bella lachte laut auf, tätschelte mir den Kopf und meinte. ››Hast du ganz toll gemacht, mein kleiner Edward.‹‹
Ich nickte breit grinsend. ››Du musst probieren‹‹, darauf bestand ich.
Doch bevor Bella sich meinem Befehl beugen konnte, landete eine Kinderhand auf meinem Sandkuchen. Ich sah in das breit lachende Gesicht von Sara-Leigh.
››Jetzt musst du mir einen neuen machen!‹‹ verlangte ich von ihr und drückte ihr die nächste Form in die Hand, die ich ergreifen konnte. Es war das Herz.
Sara-Leigh nickte begeistert, ließ sich in den Sand plumpsen – was Bella mit einem Stöhnen quittierte – und begann mit ihren Händchen die Form voll zuschaufeln. Ihre Drehung auf dem Rand war nicht schnell genug, so sah das Herz ziemlich verfallen aussah, dennoch lobte ich sie in den größten Tönen und ›probierte‹ sogar ein Stück des Kuchens.
Es war so einfach mit Sara-Leigh umzugehen und ich hätte mir das mit einem kleinen Kind nie zugetraut.
Auch Sara-Leigh schien es Freude zu bereiten. Ihr war sogleich die Lust am Kuchen backen vergangen, griff jetzt nach meiner Hand und wollte mich dazu bekommen, dass ich auf das Piratenschiff kletterte. Ich konnte mich gerade so dagegen wehren, beobachtete sie aber von unten und winkte ihr immer wieder zu, wenn sie es verlangte. Ich fing sie auf, als sie an einer Stange herunterrutschen wollte und half ihr beim hinunter gleiten. Sofort stellte ich sie wieder nach oben, dass sie zur Rutsche rennen konnte, an deren Ende ich sie bereits erwartete. Sie streckte mir ihre Ärmchen entgegen und ich hob sie hoch, wirbelte sie ein bisschen herum und setzte sie ein weiteres Mal auf die Rutsche. Juchzend rutschte sie ein weiteres Mal.
Ich warf einen kurzen Blick zu Bella, die uns glücklich beobachtete. Langsam, nachdem ich mich versichert hatte, dass Sara-Leigh anderweitig beschäftigt war, machte ich mich auf den Weg zu ihr. Gemeinsam suchten wir nach einer Bank außerhalb der Sandgrube.
››Du kannst gut mit Kindern‹‹, meinte Bella anerkennend. ››Gibt es da etwas, dass du mir sagen musst?‹‹ fügte sie schalkhaft hinzu.
››Sie erweckt irgendwie den kleinen Jungen in mir‹‹, gab ich zu. ››Und irgendwie macht es auch einfach unglaublich Spaß mal wieder auf einer Schaukel zu sitzen. Mein nächstes Ziel ist eine Sandburg.‹‹
››In der wir Für Immer Und Ewig glücklich zusammen leben…‹‹ lachte Bella.
››Ja, so in der Art hatte ich mir das gedacht‹‹, fügte ich scherzend hinzu. Ich fragte mich, ob wir wirklich jemals in unserem Traumhaus zusammen leben würden und glücklich wären.
››Ich glaube, es tut ihr gut mal mit jemand anderem, als nur mit mir, im Park zu sein‹‹, seufzte Bella.
››Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihr hier jemals alleine seid‹‹, witzelte ich, fügte aber schnell ernster hinzu: ››Mach dich doch nicht selbst fertig, Bella, ich weiß, dass du eine großartige Mutter bist. Das Beste, was Sara-Leigh jemals passieren konnte, nachdem ihre Eltern… nun ja, nicht mehr für sie sorgen konnten.‹‹
Bella nickte, nicht völlig überzeugt.
››Was war eigentlich mit ihren Eltern? Kannst du das sagen?‹‹ Ich wollte nicht indiskret sein.
››Ja, es war das Übliche. Ein Autounfall - dahinter steckt keine spannende Geschichte. Sara-Leigh war in der Kindertagesstätte, ihre Eltern hatten sie gerade dort hingebracht und waren dann auf den Weg zu ihrer Arbeit gewesen. Es muss wohl etwas auf der Fahrbahn gewesen sein…‹‹
››Furchtbar‹‹, sagte ich. ››Wie schnell das passieren kann.‹‹
››Ja‹‹, sagte Bella abwesend.
Ob sie solche Dinge an ihre eigene Mutter erinnerten? Wie sie plötzlich aus ihrem Leben verschwunden war?
Ich musste dem Drang nachgeben und einen Arm um ihre Schulter legen. ››Gegen so was kann man nichts machen, es ist einfach böses Schicksal‹‹, versuchte ich ihren Gesichtsausdruck – von dem ich nicht wusste, welche Gedanken sich dahinter verbargen – aufzumuntern.
››Ich weiß. Und ich werde mir den verschiedenen Kindern im Waisenhaus jeden Tag damit konfrontiert, trotzdem kann ich es nicht verhindern, dass es mich immer wieder in der Zeit zurückwirft… Du weißt schon…‹‹ Sie konnte es immer noch nicht aussprechen.
Nur einmal hatten wir darüber gesprochen, das war, als sie mir alles erzählte. Danach war das Thema nie wieder gefallen, oder einfach als ›Du weißt schon…‹ abgetan worden.
››Ja, ich weiß. Das ist doch auch okay so, völlig natürlich, dass du daran erinnert wirst.‹‹
››Aber ich fühle mich trotzdem immer schlecht, wenn ich an die Schicksale der Kinder denke, die so viel schlimmer waren.‹‹
››Kommst du damit klar?‹‹ fragte ich und konnte die Besorgnis in meiner Stimme nicht unterdrücken.
››Ja, das geht schon. Ich freue mich immer, dass ich den Kindern dadurch so viel Verständnis entgegen bringen kann. Sie spüren es, wenn man es ehrlich mit ihnen meint und, wenn man keine Ahnung hat, wovon mach spricht.‹‹ Sie lächelte. ››Es schafft Vertrauen.‹‹
Wahrscheinlich, dachte ich mir, war das der Grund warum Bella so viel über ihre Schützlinge wusste.
Bella stand auf und ging zum Rand der Sandgrube um Sara-Leigh zu sich zu rufen. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir uns sicherlich auf den Rückweg machen mussten, wenn wir noch den restlichen Punkten auf dem Tagesplan nachgehen wollten.
Ich packte die Spielsachen wieder zusammen, während Bella Sara-Leigh überzeugte, sich von den anderen Kindern loszureisen. Schließlich hob Bella die Kleine hoch und wirbelte sie etwas durch die Luft, wodurch die Tränen sofort verstummten.
Mir kam eine Idee, als ich wieder an meinen letzten Besuch hier im Park erinnert wurde. Sobald wir beieinander standen, sagte ich: ››Ich möchte noch mit euch wohin.‹‹ Ich ließ offen, wo es sein würde und Bella folgte mir mit verwirrtem Blick, immer noch Sara-Leigh auf dem Arm.
Natürlich brachte ich die beiden zur Blumenwiese, wovon Sara-Leigh sofort begeistert war und einmal quer durch sprang, bis sie gefunden zu haben schien, was sie suchte und zu pflücken begann. Auch ich machte mich auf den Weg, wieder in die Ecke, in der ich das letzte Mal meinen Strauß erstellt hatte. Bella schaute uns beiden von Rand aus zu, ihr Blick nachdenklich. Offensichtlich fragte sie sich, was mich hier her verschlug.
Diese Frage beantwortete sich, als ich mein Werk beendet hatte und wieder zu ihr lief, sobald ich noch ein Band um die Stängel gebunden hatte. ››Für dich‹‹, mit diesen Worten drückte ich ihr den Strauß in die Hände.
Überrascht schaut sie mich an, lächelte dann aber erfreut. ››Danke‹‹, sagte sie und senkte verlegen den Blick. Ihre Wangen wurden leicht rot.
Ihre Reaktion erfüllte mich mit Zufriedenheit.
Ich ging noch einmal zu der Spendenbox zurück und hinterließ dort etwas Geld, welches auch für Sara-Leighs beträchtlichen Blumenstrauß ausreichte. Er füllte beide ihrer kleinen Hände vollkommen aus, aber sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

Wir kehrten in Bellas Wohnung zurück, wo wir uns alle zusammen daran setzten ein leckeres Mittagessen zu zaubern.
››Ich werde gleich nach dem Essen in die Waschküche im Keller des Hauses gehen. Normal würde ich Sara-Leigh mitnehmen, aber da du da bist, könntet ihr auch hier oben bleiben, wenn dir das Recht wäre?‹‹ teilte mir Bella mit.
››Kein Problem, denke ich. Und wenn etwas ist, dann weiß ich ja, wo du bist.‹‹
››Richtig‹‹, nickte sie. ››Die erste Tür hier links an der Wand ist Sara-Leighs Zimmer, es ist noch sehr provisorisch. Da ich die Erlaubnis auf Adoption noch nicht habe, habe ich noch kein richtiges Kinderzimmer eingerichtet, sondern bisher nur Möbel und auch einige Spielsachen aus dem Waisenhaus geliehen. Je nach Entscheidung gehen die auf jeden Fall wieder zurück. Die Tür in der Mitte führt ins Badezimmer und die rechte Tür ist zu meinem Zimmer.‹‹
››Okay, dann kenne ich mich aus.‹‹
››Noch was‹‹, fügte Bella hinzu. ››Es könnte sein, dass sie bald müde wird, dann könnte sie etwas quengelig werden. Ich bereite gleich noch eine Flasche Milch vor, die du ihr dann geben kannst. Du legst sie damit einfach in ihr Bett und sie wird von selbst einschlafen.‹‹
››In Ordnung‹‹, nickte ich, sobald ich alle Informationen verarbeitet hatte.

Nach dem Essen gingen Sara-Leigh und ich zusammen in ihr Zimmer und suchten uns etwas zum Spielen heraus. Wenig später verabschiedete Bella sich von uns, mit einem großen Wäschekorb in der Hand und meinte, dass sie wohl eineinhalb Stunden mindestens brauchen würde. Ich nickte, sicher, dass ich es schaffen würde.
Sara-Leigh und ich schauten uns zusammen ein Buch an, in dem man immer wieder kleine Bilder aufklappen konnte, die sich auf das große Bild reimten. Während ich immer wieder selbst versuchte auf die versteckten Bilder zu kommen, hatte Sara-Leigh einfach nur Spaß daran, alle auf und zu zuklappen.
Irgendwann wurden ihre Augen immer kleiner und ich begann eine Melodie zu summen, die mir gerade in den Sinn kam. Es schien, als wollte sie mir folgen, als kenne sie die Melodie, schaffte es aber nicht lange, da verklang ihre Stimme auch schon wieder und ihre Augen waren geschlossen, ihre Atmung ging langsam und regelmäßig. Einige Minuten verharrte ich in meiner Haltung, bis ich mir sicher sein konnte, dass sie wirklich schlief. Vorsichtig erhob ich mich, legte sie in meinen Arm und ging zu ihrem kleinen Bettchen. Ich legte sie langsam hinein und deckte sie zu.
Wie niedlich sie aussah, wenn sie schlief.
Auf einige kleine Bewegungen mit ihrem Mund, griff ich nach ihrem Schnuller neben dem Kopfkissen und legte ihn an ihre Lippen. Sofort öffnete sie diese und ich schob in sanft in ihren Mund. Ihre Augen flackerten kurz, aber sie wachte nicht auf.
Ich beobachtete sie noch etwas, bevor ich mich von dem Anblick löste und mich neugierig in ihrem Zimmer umschaute. Es war, wie Bella bereits gesagt hatte, eher provisorisch eingerichtet und zeigte auch noch Spuren davon, dass es vor Sara-Leigh, als Bellas Abstellkammer gedient hatte.
Ich wollte mich nicht länger in dem Zimmer des schlafenden Kindes aufhalten und so verließ ich es, lehnte die Tür hinter mir an und überlegte, was ich nun mit mir anfangen sollte. Ich unterdrückte den starken Drang mich in Bellas Schlafzimmer umzuschauen und bewegte meinen Körper stattdessen zu dem Fernsehschrank des Wohnzimmers, überflog Bellas Filmauswahl und schließlich die Buchtitel, zog eines davon heraus, um darin zu schmökern bis Bella zurückkehrte, oder Sara-Leigh wieder aufwachte.


10. Edward hits the Orphanage

Ich blickte sofort auf und legte das Buch zur Seite, als die Wohnungstür sich wieder öffnete. Gleich darauf kam Bella um die Trennwand herum und blickte sich um. Ein leichtes Lächeln auf den Lippen, als sie mich auf der Couch entdeckte.
››Hey‹‹, sagte sie.
››Hey‹‹, erwiderte ich. ››Sara-Leigh ist vor einer ganzen Weile eingeschlafen‹‹, teilte ich ihr mit.
Sie nickte. ››Okay. Ich räume nur noch schnell die Wäsche weg, dann können wir uns auf den Weg machen. Ich bin leider etwas spät dran, da ich unten warten musste, da alle Maschinen belegt waren.‹‹
››Kein Problem. Was ist mit Sara-Leigh?‹‹
››Sie schläft mittags nicht lange, da wird es sie nicht stören, wenn ich sie etwas früher aufwecke und im Waisenhaus kann sie immer noch schlafen.‹‹
››Okay. Kann ich dir was helfen?‹‹
››Eigentlich nicht… Obwohl, kannst du mir schnell irgendwas zu trinken einschenken, ich bin gleich wieder da.‹‹ Mit diesen Worten verschwand sie in ihrem Schlafzimmer.
Ich begab mich zu der Küchenzeile und warf einen schnellen Blick in den Kühlschrank. Orangensaft sah mir gut aus. Ich nahm ihn heraus, holte ein Glas aus dem Schrank. Ich füllte das Glas bis zur Hälfte mich Orangensaft und füllte mit Wasser auf. Ich wusste, dass Bella Saft nicht unverdünnt mochte.
Mit dem Glas in der Hand ging ich Richtung Bellas Schlafzimmer, blieb vor der Tür stehen und reichte es ihr.
››Oh danke!‹‹ rief Bella. Sie nahm mir das Glas ab und trank einige große Schlucke. ››Da unten ist immer so eine komische Luft, dass ich richtig durstig werde. Aber das fällt mir immer erst hinterher ein. Komm mit‹‹, forderte sie mich auf.
Sie stellte das Glas auf dem Wohnzimmertisch ab und zusammen gingen wir in das Kinderzimmer. Sara-Leigh schlummerte immer noch friedlich in ihrem Bett. Es schien mir wie eine Gräueltat das Kind jetzt aufzuwecken.
››Können wir sie nicht schlafen lassen und tragen sie einfach so zum Auto?‹‹ fragte ich besorgt.
Bella lachte leicht. ››Kannst du gerne machen. Aber versuch sie nicht aufzuwecken, ich weiß nicht, wie sie reagiert, wenn sie dich als erstes sieht – versteh das nicht falsch, aber ihr kennt euch erst seit heute.‹‹
››Ich versuche mein Bestes‹‹, antwortete ich, nun nicht mehr ganz so sehr von meinem Vorhaben überzeugt. Ich hatte eher erwartet, dass Bella es ausführen würde.
Ganz vorsichtig fasste ich Sara-Leigh unter die Arme und hob sie an und legte sie an meine Brust. In einem kindlichen Reflex krallte sie eine ihrer kleinen Händchen sofort in meinem Hemd fest. Es fühlte sich… gut an.
Bella hatte sich eine Babytasche über gehängt und lächelte mich sanft an. ››Nett‹‹, sagte sie, als sie mich mit dem Kind auf dem Arm musterte. Dann drehte sie sich um und ich folgte ihr aus der Wohnung nach unten zu ihrem Wagen.
Sie half mir Sara-Leigh in ihren Babysitz zu setzen und ging anschließend zur Fahrertür. Unbehagen erfüllte mich, wie immer, wenn ich nicht selbst das Steuer übernehmen konnte. Bella kicherte amüsiert, als sie mich so unsicher neben sich sitzen sah. Ich beobachtete jeden ihrer Handgriffe genau.
››Keine Sorge‹‹, sagte sie. ››Ich bin eine sichere und vorsichtige Fahrerin, ich habe immerhin ein Kind an Bord.‹‹
››Ich traue dir‹‹, sagte ich ehrlich. ››Es ist nur wirklich sehr ungewohnt.‹‹
››Ich weiß‹‹, antwortete sie.
Mir war klar, dass wir ihren Wagen nehmen mussten. Es wäre zu umständlich für einen Tag den Kindersitz in meinem Wagen anzubringen, aber hätte sie nicht mir anbieten können, dass ich fahre? Ich schüttelte innerlich über meine Gedanken den Kopf. Bella war jetzt eine eigenständige, junge Frau, sie wollte nicht mehr überall von mir hinkutschiert werden, so wie ich es mir früher nicht hatte nehmen lassen.
››Was wird Kate denken, wenn wir dort zusammen auftauchen?‹‹ fragte ich nach einer Weile, leise. Sara-Leigh schlief immer noch.
››Ich denke, sie wird sich freuen‹‹, meinte Bella mit einem Schulterzucken.
Verwirrt zog ich eine Augenbraue nach oben.
››Ich habe es ihr erzählt‹‹, erklärte Bella kurz.
Ich nickte. ››Achso.‹‹ Ich wollte nicht fragen, aber ich konnte es auch nicht verhindern. ››Weiß sie alles?‹‹ fragte ich tonlos.
››Ja‹‹, flüsterte Bella.
Sie wusste also alles. Wirklich alles. Und damit viel mehr, als ich. Sie kannte die Antworten auf all die Fragen, die permanent in meinem Kopf waren.
››Tut mir Leid‹‹, setzte Bella noch leise hinterher.
››Muss es nicht‹‹, mein Verständnis war ehrlich. ››Solange ich es nur irgendwann selbst erfahren darf.‹‹
Sie antwortete nicht, sondern starrte konzentriert auf die Fahrbahn.
Wir kamen bald darauf bei dem Waisenhaus an. Bella hielt am Straßenrand und stieg aus.
››Möchtest du Sara-Leigh immer noch nicht wecken?‹‹ fragte sie mockend.
››Nein‹‹, sagte ich bestimmt.
Ich öffnete die Tür zu der Kleinen und schnallte sie vorsichtig ab. Anschließend hob ich sie ebenso vorsichtig heraus. Gemeinsam betraten wir das Grundstück des Waisenhauses. Bella fummelte an dem Saum ihres T-Shirts herum. War sie nervös? In einem Moment grauer Einsicht blieb ich stehen. Bella tat es mir gleich und schaute mich fragend an.
››Wir müssen das nicht machen‹‹, sagte ich eindringlich.
››Was?‹‹ fragte Bella etwas überrascht.
››Das hier. Dass du mich zu deinem Arbeitsplatz mitnimmst. Dass du mich dort vorstellst, nicht als einen Sponsoren, sondern aus einen Freund von dir…‹‹ Ihre Nervosität hatte mich unsicher gemacht. Wollte sie das überhaupt? Oder fühlte sie sich nur dazu gezwungen den Tag mit mir zu verbringen, weil sie mich zum Frühstück eingeladen hatte?
››Sie nicht dumm‹‹, sagte sie. ››Natürlich machen wir das.‹‹ Sie blickte mich unsicher an. ››Du möchtest doch, oder?‹‹
››Sehr gerne‹‹, sagte ich. ››Aber nur, wenn du dich auch wohl dabei fühlst!‹‹
››Oh‹‹, sagte sie, als würde ihr eben erst bewusst werden, dass ihre Nervosität nach außen hin sichtbar gewesen war. ››Ich möchte das wirklich gerne machen‹‹, sagte sie schließlich. ››Es ist nur so… so ungewohnt. Ich habe Kate immerhin noch nie jemanden vorgestellt und du… und… Es ist einfach nur so seltsam, aber das heißt nicht, dass ich es nicht möchte.‹‹
››Okay‹‹, sagte ich, erleichtert. ››Dann lass uns gehen.‹‹
Bella nickte, lächelte mich kurz an und trat an die Haustür um sie zu öffnen. Sofort kam uns lautes Kinderlachen entgegen und kaum wurde Bella entdeckt, riefen sie auch schon alle ihren Namen und kamen auf uns zu gerannt. Wenn sie mich beachteten, dann schauten sie mich mit großen Augen an. Keines der Kinder jedoch fragte, wer ich sei. Weder mich, noch Bella.
Bella scheuchte alle Kinder lachend wieder ins Haus und zurück zu dem, was sie gerade getan hatten, bevor wir gekommen waren. Sehr zu der Enttäuschung der Kinder, ließ sich Bella nicht erweichen ihnen zu folgen und sich ihnen anzuschließen.
››Kate wird in ihrem Büro sein, wollen wir sie schnell begrüßen?‹‹
››Ja‹‹, sagte ich ruhig, mein Herzschlag hingegen verschnellerte sich.
Kate schreckte von ihrer Arbeit auf, als wir eintraten. Als sie mich hinter Bella mit Sara-Leigh auf dem Arm sah, breitete sich aber schnell ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie stand auf und ging um ihren Schreibtisch herum. ››Es freut mich so sehr, Sie wieder zu sehen, Mr. Cullen‹‹, sagte sie und streckte mir ihre Hand entgegen.
Ich schüttelte sie schnell und sicherte dann wieder den Griff um Sara-Leigh. ››Edward, bitte‹‹, sagte ich. ››Es freut mich auch sehr, dich wieder zu sehen, Kate.‹‹
››Was macht ihr beide hier?‹‹ fragte Kate, mehr an Bella gewandt. Offensichtlich war sie unsicher darüber, was sie sagen konnte.
››Ich dachte, wir könnten heute einen Freiwilligen mehr gut gebrauchen und da kam mir Edward genau richtig‹‹, scherzte Bella. ››Da wir gestern nicht so viel Zeit hatten, habe ich ihn heute Morgen zum Frühstück eingeladen und ihm Sara-Leigh vorgestellt.‹‹
››Und von da an ist sie mich nicht mehr losgeworden‹‹, fügte ich hinzu und streichelte Sara-Leigh bedeutend über den Rücken.
››Denkst du, Edward kann heute aushelfen?‹‹ fragte Bella.
››Ja, ich denke, dass wir ihn einen Tag helfen lassen können, ohne ihn komplett durchzuchecken‹‹, sagte Kate und zwinkerte mir zu.
Mir wurde etwas unwohl in der Magengegend. ››Was bedeutet das?‹‹
Die beiden Frauen lachten. ›› Mitarbeiter, die längerfristig für uns tätig sind, brauchen ein polizeiliches Führungszeugnis, desweiteren brauchen sie eine Einführung in Kinderrechte und einen allgemeinen Kurs für Gesundheit und Sicherheit‹‹, erklärte mir Bella.
››Wir stellen die Kurse unseren potentiellen Mitarbeitern zur Verfügung. Bella, so wie ich sind beide dafür ausgebildet. Also, wenn es dir heute gefällt und du öfter kommen möchtest, musst du dieses Prozedere über dich ergehen lassen.‹‹
››Dann schauen wir mal, was der Tag heute bringt‹‹, sagte ich enthusiastisch.
››Fangen wir mit etwas Leichtem an‹‹, schlug Kate vor. ››Das Kino fängt um drei, also in ungefähr einer halben Stunde, an. Was hältst du davon?‹‹
››Kino?‹‹ fragte ich.
››Wir haben einen Raum mit einer Leinwand und einem Projektor, der an einen DVD-Player angeschlossen ist, ausgestattet. Jeden Samstag- und Sonntagnachmittag wählen wir einen Film für die Kinder aus, den sie sich ansehen können. Deine Aufgabe besteht eigentlich nur darin, mit ihnen im Raum zu bleiben und darauf zu achten, dass sie nicht zu laut werden, oder anfangen herum zu rennen. Ansonsten kannst du den Film genießen. Interessiert?‹‹
Ich nickte Kate zu. Das würde ich wohl schaffen.
››Können wir Sara-Leigh hier lassen?‹‹ fragte Bella.
››Aber sicher‹‹, antwortete Kate.
Bella deutete mir das kleine Mädchen auf der großen Couch hier im Büro abzulegen und ihr anschließend nach draußen zu folgen.
››Soll ich dich herumführen?‹‹ fragte Bella, sobald wir das Büro hinter uns gelassen hatten.
››Oh, nein danke, nicht nötig. Kate hat mir schon vor einigen Wochen eine kleine Führung gegeben, aber an ein Kino kann ich mich nicht erinnern.‹‹
››Sie hat es dir wahrscheinlich einfach als das Wohnzimmer vorgestellt‹‹, vermutete Bella. ››Wir haben den Projektor und die Leinwand erst vor kurzem als Spende bekommen. Die Kinder waren ganz hin und weg und kaum noch davon weg zu bekommen. Sie kommen so selten in ein richtiges Kino, da ist das ein wundervoller Ersatz für sie.‹‹
››Oh, ja, an das Wohnzimmer erinnere ich mich.‹‹
››Lass uns gehen, vielleicht kannst du schon einige kennen lernen.‹‹
››Ich hoffe, ich kann mir zumindest die Hälfte der Namen merken‹‹, dachte ich laut.
Bella kicherte und zog mich mit sich.
Im Kino – die Tür des Raumes trug diese Aufschrift – saßen zwei Jungen und ein Mädchen auf einer Couch und unterhielten sich. Sobald sie auf uns aufmerksam wurden, hielten sie allerdings inne.
››Hey ihr‹‹, begrüßte Bella die drei.
››Hi Bella, wer ist das bei dir?‹‹ fragte das Mädchen. Meine erste Vermutung war, dass sie die Anführerin der kleinen Truppe war.
››Das ist Edward, er wird vielleicht in Zukunft öfter helfen‹‹, erklärte Bella. ››Edward, das sind Kurtis, Caitlin und Ben.‹‹
››Freut mich‹‹, sagte ich höflich.
››Ist er dein Macker?‹‹ fragte der Junge, der mir als Ben vorgestellt wurde.
››Nein, Ben, er ist nicht mein Macker, aber er ist ein Freund von mir.‹‹
››Was nicht ist, kann ja noch werden‹‹, meinte Caitlin zuversichtlich.
Kurtis lachte nur.
››Wir kommen in etwa einer halben Stunde wieder, dann fängt der Film an‹‹, teilte Bella den dreien mit.
››Was für ein Film?‹‹ wollten sie sofort wissen.
››Das weiß ich selbst noch nicht, tut mir Leid‹‹, entschuldigte Bella, dann verließen wir den Raum. ››Da war noch nicht viel los‹‹, stellte Bella fest.
Wir stiegen die Treppe wieder nach unten und betraten das Spielzimmer der kleineren Kinder.
››Bella, Bella, Bella!‹‹ war sofort aus allen Richtungen zu hören.
Auch viele der Kinde hier schauten mich mit großen Augen an.
››Ich möchte euch jemanden vorstellen‹‹, sagte Bella in den Raum. ››Das ist Edward, er ist ein Freund von mir und er möchte uns heute ein bisschen hier helfen. Werdet ihr auch alle nett zu ihm sein?‹‹
Die meisten nickten artig, andere ließen ein begeistertes ››Ja‹‹ hören.
Ein kleiner Junge sprang auf, nahm mich an der Hand und ruckelte daran, dass ich ihm Aufmerksamkeit schenkte.
››Spielst du mit mir ›Vier gewinnt‹?‹‹, wollte er wissen.
››Natürlich‹‹, antwortete ich sofort und ging mit ihm. Zusammen setzten wir uns auf den Boden. ››Wie heißt du denn?‹‹
››Preston‹‹, antwortete er sofort.
››Freut mich, dich kennen zu lernen, Preston‹‹, sagte ich.
Doch das schien ihn gar nicht mehr zu interessieren. ››Du bist gelb. Du bist dran‹‹, teilte er mir mit.
››Ich komme später wieder‹‹, rief mir Bella zu und verschwand aus dem Zimmer.
Ich ließ den Jungen zweimal gewinnen und schlug ihn selbst einmal, was aber ungewollt war. Es ließ sich nicht mehr vermeiden. Aber die Hauptsache war, dass er Spaß zu haben schien. Immer wieder kamen andere Kinder zu uns, schauten uns kurz zu, oder wollten mich mitten im Spiel wegziehen, damit ich mit ihnen ein Spiel begann.
Es wunderte mich, dass die Kinder mir gegenüber so gar keine Schüchternheit zeigten.
Nach Preston spielte ich mit zwei Mädchen, Charliez und Dempsey, Schlangen und Leitern, was wirklich sehr viel Spaß machte. Es war offensichtlich, dass die beiden das Spiel liebten.
Während des Spiels kam Bella zurück und meinte, dass ich langsam zum Filmraum gehen sollte. Zusätzlich forderte sie alle Kinder auf mir zu folgen – was auch alle mit Begeisterung machten, sobald sie den Titel des Filmes hörten.
›Horton hört ein Huh‹
Ich kannte den Film nicht, meinte aber davon gehört zu haben. Es war immerhin ein Kinderfilm.
Bella legte den Film ein, startete aber noch nicht, sondern wartete, bis das letzte Kind den Raum betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte, bevor sie mich alles vorstellte. Ich konnte einige bereits bekannte Gesichter ausmachen und entdeckte, dass weiter hinten und einige Teenager saßen.
Fast jedes der Kinder hatte Süßigkeiten in der Hand.
Ich nahm meinen Platz ein und der Film begann. Ich sah, wie eines der Kinder auf mich zugeisterte und vor mir stehen blieb. Preston erkannte ich. Bevor ich etwas sagen konnte, krabbelte der Junge auf meinen Schoß und schien sich von dort auch nicht mehr allzu schnell wieder vertreiben zu lassen. Offensichtlich hatte ich bereits meinen ersten Freund hier gefunden.

Die Kinder waren begeistert von dem Film, auch wenn ich persönlich nicht ganz den Zugang dazu finden konnte, weil ich vermutlich zu alt war. Es gab während der eineinhalb Stunden kaum Störungen, ab und zu ging ein Kind aus dem Zimmer und kam mit einer neuen Tüte Süßigkeiten wieder, oder teilte, bevor es ging, allen lautstark mit, dass es auf die Toilette gehen müsse.
Preston hatte meinen Schoß tatsächlich nicht verlassen, sich nur manchmal ein bisschen anders hingesetzt. Sobald der Film aus war, sah er mich fragend an. ››Spielst du etwas mit mir?‹‹
››Ja, gerne‹‹, sagte ich. ››Geh schon mal vor, ich komme gleich nach, okay?‹‹
››Okay‹‹, sagte der Junge begeistert.
Offensichtlich von der großen ausströmenden Menge angelockt, betrat Kate den Raum. ››Und, wie hat es dir gefallen?‹‹
››Sehr gut, ihr habt hier wirklich ein tolles Kino!‹‹ sagte ich begeistert. ››Und jetzt habe ich eine Verabredung mit Preston zum Spielen‹‹, teilte ich mit.
Kate lächelte. ››Dann will ich dich auch gar nicht lange aufhalten. Kannst du vorher noch vielleicht schnell durch den Raum gehen und schauen, dass alles sauber ist? Normal halten wir die Kinder dazu an, keine Unordnung zu machen, aber manchmal fällt doch etwas herunter, ohne dass sie es bemerken.‹‹
››Natürlich, kein Problem.‹‹
››Danke.‹‹
Ich ging schnell durch den Raum und sammelte hier und da etwas ein, dass ich in den Mülleimer neben der Tür beforderte. Anschließend lief ich durch das Haus auf der Suche nach Bella
››Hey‹‹, sagte ich, als ich sie zwei Stockwerke weiter unten im Büro fand. ››Was machst du?‹‹
››Ich gehe die Finanzen der letzten Woche durch, Buchhaltung, ziemlich langweilig. Aber besser, ich mache es jetzt, wo wir eine Aushilfe da haben, als an einem anderen Tag, wenn ich eigentlich gebraucht werde‹‹, erklärte Bella. ››Was machst du? War im Kino alles in Ordnung.‹‹
››Ja, es lief gut. Jetzt werde ich mich wieder auf den Weg ins Spielzimmer machen.‹‹
››Dann wünsche ich dir viel Spaß. Wir werden erst irgendwann nach dem Abendessen gehen, ist das in Ordnung?‹‹
››Kein Problem‹‹, sagte ich, winkte ihr kurz zum Abschied und machte mich auf den Weg in den ersten Stock zu den spielenden Kindern. Preston erwartete mich schon ungeduldig.

Zum Abendessen fanden wir uns alle im Speisesaal zusammen – früher hatte mich Preston auch nicht gehen lassen. Bella und ich saßen an einem Tisch mit Teenagern. Hannah saß neben mir, dann Lynsay, Ellen, Jack, Ryan und Alice neben Bella. Lynsay und Ellen waren ziemlich laut, ständig am Lachen oder Lästern, Jack war Ellens Bruder. Hannah war eine sehr redselige Person, die ständig versuchte mich in Gespräche zu verwickeln und, wenn mich nicht alles täuschte, mit mir flirtete. Ich hatte alle Mühe mich auf einer normalen Basis mit ihr zu unterhalten.
Bella sprang immer wieder ein um mir zu helfen, wurde aber größtenteils von Lynsay und Ellen beansprucht, die ihr den neusten Tratsch des Tages verkünden mussten. Ich bewunderte Bella, wie sie mit den beiden umging. Ich wäre ihnen schon lange über den Mund gefahren, damit sie endlich ruhig waren, aber wahrscheinlich waren sie immer so und vielleicht gewöhnte man sich auch daran…
Nach dem Abendessen zogen sich die Teenager ins Kino zurück, wo sie sich noch unterhielten, bevor wenig später ihr Film begann. Die kleineren Kinder wurden nach und nach gebeten sich auf ihre Zimmer zurückzuziehen und Bett fertig zu machen. Bella würde in einer Stunde nach ihnen schauen und die Lichter ausschalten.
Da es nun ruhig im Haus war, überließ Kate die Aufsicht Bella und ihrem Ehemann und bat mich ihr in ihr Büro zu folgen.
››Wie fandest du deinen Nachmittag hier?‹‹ fragte sie mich gespannt, sobald wir auf der Couch Platz genommen hatten, auf der Sara-Leigh früher am Tag noch geschlafen hatte.
››Sehr gut, muss ich sagen. Die Kinder scheinen alle wirklich sehr nett und es hat mir ausgesprochen gut gefallen, wie sie mich aufgenommen haben, mit ihnen zu spielen, oder einfach nur einen Film mit ihnen zu schauen.‹‹
››Wie stehen meine Chancen, dass du wieder kommst um zu helfen?‹‹ fragte sie frei heraus.
››Ich denke gut, ich werde darüber nachdenken.‹‹
››Ich würde mich wirklich sehr freuen einen Arzt in meinem Team zu haben-‹‹
››Angehender Arzt‹‹, unterbrach ich sie lachend.
››Wie auch immer, das wäre manchmal doch sehr hilfreich. Natürlich bin ich in erster Hilfe ausgebildet und die anderen auch, aber…‹‹
››Ich verstehe schon. Wie gesagt, ich werde darüber nachdenken.‹‹
››Danke‹‹, sagte sie. Eine Weile schwieg sie, schaute mich aber immer wieder mit einem unsicheren Blick an, der mir sagte, dass unser Gespräch noch nicht beendet war, aber in eine andere Richtung laufen würde. ››Ich… ich möchte mit dir über Bella sprechen‹‹, brachte sie schließlich heraus.
Ich denke, dass ich es erwartet habe. ››Okay.‹‹
››Ich habe früher am Tag mit ihr gesprochen und sie hatte wirklich eine schöne Zeit mit dir, heute. Sie freut sich auch wirklich sehr, dass du dich so gut mit Sara-Leigh verstehst.
Ich denke, ich weiß, weswegen du hier bist und auch Bella hat eine ziemlich klare Ahnung, aber es wäre möglich, dass sie noch nicht soweit ist.
Ich möchte mich eigentlich nicht einmischen, ich möchte dir nur sagen, dass du ihr Zeit lassen solltest und sie wird von ganz alleine zu dir kommen. Die letzten drei Jahre waren nicht einfach für Bella. Vielleicht wirst du es jetzt nicht verstehen, vielleicht nicht einmal sofort, wenn sie es dir erklärt, aber ich weiß, tief in deinem Inneren, wirst du es verstehen, wenn du darüber nachdenkst. Du wirst es nachvollziehen können.
Und ich verspreche dir, dass sie es dir sagen wird. Aber sei ihr bitte nicht böse, wenn es nicht schon morgen ist. Gib ihr Zeit und du wirst zu deinem Ziel kommen. Ich weiß es und es gibt nichts, dass ich euch beiden mehr wünsche.‹‹
Ich nickte andächtig. ››Danke‹‹, sagte ich.
Kate stand auf und zog mich in eine kurze Umarmung. ››Am besten gehst du jetzt nach Sara-Leigh sehen, bis Bella mit ihrer Tour fertig ist. Dann könnt ihr gehen.‹‹
››Okay‹‹, sagte ich und verließ das Büro und ging in das erste Mädchenhaus. Dort hatte Sara-Leigh im Untergeschoss noch ein eigenes, kleines Zimmer, in dem sie sich jetzt befand um die Minuten, bis Bella Schluss hatte schlafend zu verbringen.
Ich lehnte mich über ihr Bett und beobachtete sie beim schlafen. Heute Nachmittag hatte ich sie kaum gesehen. Sie war nur einmal kurz mit Bella ins Spielzimmer gekommen, beim Abendessen war sie bei Kate am Tisch gewesen.
Ich wusste nicht, wie lange ich dort stand, aber irgendwann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Als ich aufschaute, sah ich Bella neben mir stehen.
››Bist du fertig?‹‹ fragte ich leise.
››Ja, lass uns gehen. Nimmst du sie?‹‹
Ich nickte und hob Sara-Leigh vorsichtig aus ihrem Bettchen, die Decke immer noch um sie gewickelt. Bella nahm ihre Tasche und zusammen verließen wir, mit einem kurzen Blick in den Gemeinschaftsraum, das Waisenhaus.
››Es war wirklich ein schöner Tag‹‹, seufzte ich, sobald ich wieder neben Bella auf dem Beifahrersitz saß.
››Ja, das war es wirklich. Die Kinder scheinen dich sehr gemocht zu haben. Besonders Preston und Hannah.‹‹
››Hannah ist wirklich anstrengend‹‹, stellte ich leise fest. ››Ist sie immer so?‹‹
››Ja, sie braucht sehr viel Aufmerksamkeit. Und sie hat ein Ding für alle männlichen Helfer – besonders für die, die neu dazu kommen.‹‹
Ich stöhnte entsetzt. Das Mädchen hatte ein Ding für mich?
››Und da du zu dem noch extrem gut aussiehst, bist du das perfekte Opfer für sie. Aber keine Sorge, sie versteht immer irgendwann, wo sie mehr herausholen kann und wo sie es lassen kann. Übrigens ist es uns nicht gestattet was mit unseren Schützlingen anzufangen.‹‹
››Das hatte ich auch nicht vor‹‹, stellte ich sofort klar und unterdrückte den Zusatz, dass ich mich doch schon lange festgelegt hatte. Das wusste sie, aber ich sollte sie nicht drängen, das hatte mir Kate eben erst bestätigt.
››Gut. Es ist schwer diese Ausnahmen herauszuhauen.‹‹ Bella begann leise zu lachen, offensichtlich amüsierte sie die Tatsache sehr, dass ich Hannah angezogen hatte.
Am liebsten würde ich ihr einen Dämpfer verpassen, aber ich hielt mich auch hier zurück.
››Wann arbeitest du nächstes Wochenende?‹‹ fragte ich stattdessen.
››Ich bin mir noch nicht sicher, wahrscheinlich werde ich aber das ganze Wochenende arbeiten, wie den Rest der Woche. Warum?‹‹
››Nur so…‹‹ meinte ich nebensächlich. ››Ich weiß noch nicht, vielleicht werde ich im Waisenhaus vorbeischauen.‹‹
››Das wäre schön‹‹, meinte Bella.
Wir kamen nicht darauf zu sprechen, deshalb kam ich zu dem Schluss, dass es besser wäre, wir würden uns Morgen nicht sehen. Sondern erst nächstes Wochenende wieder.
An dem Parkplatz zu Bellas Wohnblock angekommen, stiegen wir beide aus, Bella hob Sara-Leigh aus ihrem Sitz.
››Soll ich dir helfen?‹‹ bot ich mich an.
››Nein, danke. Ich schaff das von hier. Gute Nacht, Edward‹‹, wünschte sie.
››Gute Nacht, Bella, träum was schönes.‹‹ Ich streichelte über ihre Wange und gab Sara-Leigh einen Kuss auf die Haare. ››Gute Nacht, kleine Maus.‹‹
Es war in Ordnung, dass sie mich nicht mehr mit nach oben bat. Wahrscheinlich würde es unsere Situation schwierig und im schlimmsten Falle peinlich machen.


11. Talk and Text


››Montag, vierzehn Uhr siebenundreißig:
Edward, ich bin es, Alice. Ruf mich heute Abend nach deinem Dienst an, bitte.‹‹

››Dienstag, elf Uhr neunzehn:
Bruder, hier ist Schwester. Ich weiß, dass du meine Nachricht gestern bekommen hast und ich verstehe auch irgendwie, dass du vielleicht nicht mit mir sprechen willst, nach allem was war, aber ich muss wirklich mit dir sprechen. Ich habe am Sonntag mit Bella telefoniert und jetzt… ruf mich gefälligst an!‹‹

An: Edward
Von: Bella
Hey Edward.
Wir planen für Samstagabend ein Grillfest auf der großen Wiese hinter dem Waisenhaus, du bist herzlich eingeladen zu kommen.
Die Kinder würden sich sehr freuen dich wieder zu sehen, sie haben sofort nach dir gefragt.
Ich würde mich auch freuen,
Bella

An: Bella
Von: Edward
Hi Bella.
Ich würde wirklich sehr gerne kommen, danke für die Einladung.
Ich werde irgendwann im Laufe des Tages eintreffen, wäre das in Ordnung?
Über was hast du mit meiner Schwester gesprochen?
Bis dann, Edward

››Mittwoch, sieben Uhr:
Es kann nicht sein, dass du schon im Krankenhaus bist, Bruderherz. Nimm sofort ab! … … … Okay, möglicherweise bist du schon weg. Ich gebe dir bis heute Abend um neun Uhr Zeit, wenn du bist dahin nicht angerufen hast, werde ich persönlich in Chicago einfliegen, mein Flug geht um halb elf. Check die Zeit im Internet, wenn du mich nicht ernst nimmst!
Neun Uhr, auf die Minute!‹‹

An: Edward
Von: Bella
Ja, das wäre in Ordnung.
Sei ihr bitte nicht böse.
Bella

Verärgert nahm ich den Telefonhörer ab, sobald ich die Nachricht auf meinem Anrufbeantworter abgehört hatte. Mir war klar gewesen, dass ich Alice nicht ewig ignorieren konnte, aber dass sie zu solch drastischen Mitteln griff?
››Auf keinen Fall wirst du irgendwelche Kurse an der Uni verpassen, nur weil du nach Chicago fährst um deinem Bruder die Meinung zu sagen!‹‹ klärte ich, sobald der Hörer am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde.
Alice kicherte vergnügt. ››Ich wusste, dass du darauf eingehen würdest.‹‹
››Hallo Alice‹‹, sagte ich zerknirscht.
››Hallo Edward‹‹, begrüßte sie mich ebenfalls. ››Keine Sorge, ich hatte den Flug noch nicht gebucht, ich habe kein Geld zum Fenster hinausgeschmissen.‹‹
››Wäre nicht das erste Mal‹‹, grummelte ich. ››Also, was willst du?‹‹
››Mit meinem Bruder plaudern, was denn sonst? Wir haben uns schon so lange nicht mehr unterhalten!‹‹ meinte sie unschuldig.
››Okay, dann lass uns unterhalten.‹‹
››Edward, ich muss dir sagen, mit Jasper läuft alles wirklich prima…!‹‹
››Alice‹‹, knurrte ich. ››Was gibt es so dringendes zu sagen, dass du mich nach einem Telefonat mit Bella terrorisierst?‹‹
Sie schnaufte. ››Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich durchgezogen hast, obwohl ich dir gesagt habe, dass du es lassen sollst!‹‹ donnerte sie los. ››Und ich kann nicht fassen, dass du so ein verdammtes Glück hattest nicht nur ihre Adresse herauszubekommen, sondern auch noch Dad dazu überreden konntest etwas für ein – DAS! – Waisenhaus zu spenden und dich da einzuschummeln. Und seid wann hast du ein Händchen für Kinder? Erst Sara-Leigh, dann das ganze Waisenhaus?
Bella ist total verwirrt wegen dem allen, dass du plötzlich wieder da und in ihrem Leben bist!
Warum jetzt Edward? Hättest du nicht noch etwas warten können, vielleicht bis du mit der Universität fertig bist und deinen Abschluss hast? Aber ich rate dir nur eins! Mach es richtig, dieses Mal. So etwas, wie die letzten drei Jahre, halten weder ich, noch Bella oder du selbst noch einmal aus.‹‹
Völlig vor den Kopf gestoßen fiel mir nur eine Antwort ein: ››Du bist ja gut informiert.‹‹
Eine Weile herrschte Schweigen zwischen uns. Zeit, in der ich meine Gedanken ordnete, zu dem, was Alice mir gerade gesagt hatte.
››Alice, was meintest du mit dem letzten Teil?‹‹
››Versprich es mir, bitte!‹‹ forderte sie, anstatt einer Antwort.
Ich stöhnte genervt auf, ich würde sie nicht bekommen. ››Ja, ich verspreche es dir. Ich habe es dir schon die ganze Zeit gesagt und trotzdem wolltest du mir nicht helfen.‹‹
››Ich bin erst überzeugt, wenn du es geschafft hast.‹‹
››Aber du gibst mir kaum die Chance dazu.‹‹
››Weil du es alleine schaffen musst‹‹, flüsterte sie.
››Und das schaffe ich Alice‹‹, versprach ich ihr. ››Das ist mein einziges Ziel.‹‹
››Okay.‹‹
››Warum rufst du eigentlich erst jetzt an? Ich bin schon einige Wochen hier.‹‹
››Ich… nun ja…‹‹ stotterte sie.
››Was?‹‹ fragte ich amüsiert nach. Meine Schwester stotterte normal nie.
››Ich habe mich vor Sonntag nicht getraut mich bei Bella zu melden. Weil ich es nicht geschafft hatte dich zurück zu halten. Und ich war doch auch wirklich der Meinung, dass es besser wäre, wenn…‹‹ Sie unterbrach sich selbst.
››Was wäre besser, wenn…?‹‹ drängte ich zu wissen.
Sie seufzte schwer. ››Wenn du bis nach deinem Abschluss gewartet hättest, bevor die sie wieder siehst.‹‹
››Warum?‹‹
Eisernes Schweigen.
››Bis alles mit Sara-Leigh geklärt wäre?‹‹ startete ich einen Versuch.
Sie antwortete nicht.
››Okay, dann nicht‹‹, sagte ich enttäuscht. ››Es ist ja nicht die einzige offene Frage in meinem Leben und bestimmt nicht die wichtigste. Wir hören voneinander, Alice.‹‹
››Es tut mir Leid‹‹, flüsterte Alice durch den Hörer.
››Es ist okay, Alice‹‹, versicherte ich ihr.
Was sollte ich sonst tun?
››Bis bald‹‹, sagte sie leise. ››Sei vorsichtig mit Bella.‹‹
››Bin ich. Bis bald.‹‹
Ich legte den Hörer auf, nicht wirklich einen Schritt weiter.

››Edward.‹‹
Ich drehte mich um und sah Jessica vor mir stehen.
››Doktor Meier möchte mit dir sprechen. Er ist auf der Intensivstation‹‹, teilte sie mir mit.
Ich nickte und machte mich auf den Weg.
››Sie wollten mich sprechen‹‹, sagte ich, sobald ich bei dem Chefarzt angekommen war.
››Ja, Mr. Cullen, hören Sie, ich weiß, dass ihr Feierabend bereits angefangen hat und auch, dass sie eigentlich keine so lange Überstunden machen sollen, aber wir haben eben ein Spenderherz für einen wirklich interessanten Fall hereinbekommen und wir müssen natürlich sofort operieren. Ich wollte sie fragen, ob sie dem beiwohnen wollen?‹‹
››Natürlich‹‹, sagte ich sofort hellauf begeistert. Von meiner Müdigkeit, die sich normal nach Schichtende breit machte, war nichts mehr zu spüren.
Während Dr. Meier und ich auf den Weg in den Operationssaal waren, weihte er mich in die Einzelheiten des Falls ein. Wir wurden eingekleidet und betraten den Saal.
Die Operation dauerte die halbe Nacht, es war ein sehr großer und komplizierter Eingriff, aber es lief alles gut. Ich blieb zur Nachbesprechung und wurde dann augenblicklich nach Hause geschickt.
Es dämmerte bereits, als ich ankam. Ich würde duschen, mir einige Stunden Schlaf gönnen, abschließend alle meine wichtigen Dinge erledigen, einkaufen gehen und dann zum Waisenhaus gehen. Ich würde später dort ankommen, als ich erwartet und erhofft hatte.

An: Bella
Von: Edward
Hey Bella.
Ich werde erst am späten Nachmittag eintreffen, mir ist etwas dazwischen gekommen.
Gibt es irgendwas, das ich mitbringen soll?
Bis später, Edward.


12. Barbecue (Ladies and one Gentleman)

Am späten Nachmittag kam ich am Waisenhaus an. In einer Hand hielt ich eine große Tüte Marshmallows, die hoffentlich ausreichen würden. Bella meinte, dass sich eigentlich nichts mitbringen müsse, außer mich selbst, aber ich wollte allen Anwesenden eine Freude machen.
Ich folgte dem gedämpften Schreien der Kinder, umrundete die Häuser, ohne eines zu betreten und folgte dem Pfad zu der großen Wiese, die an das Grundstück des Waisenhauses angrenzte.
››Edward!‹‹ ertönte mein Name, sobald ich durch die Baumreihe wieder unter freien Himmel trat.
››Preston!‹‹ sagte ich, da warf er sich auch schon in meine Arme. Überrascht hob ich ihn an und wirbelte ihn kurz durch die Luft, bevor ich ihn wieder auf dem Boden abstellte.
››Edward, schön dass du kommen konntest‹‹, Bella kam auf mich zu, mit Sara-Leigh auf dem Arm.
››Etwas spät, aber besser als nie‹‹, meinte ich. Ich beugte mich nach vorne um dem kleinen Mädchen einen Kuss auf die Stirn zu geben und berührte dabei, wie zufällig, Bellas Wange. ››Und ich habe etwas mitgebracht‹‹, teilte ich mit und schwenkte die Türe durch die Luft.
››Was denn?‹‹ fragte Preston ganz aufgeregt. Seine Händchen fassten nach der Tüte, die ich aber mit meiner freien abwehrte und stattdessen ergriff.
››Später‹‹, sagte ich geheimnisvoll.
Wir gingen zusammen zu der Sitzgruppe auf der Wiese.
Etwas abseits stand ein junger Mann, den ich nicht kannte, neben einem überdimensionalen Grill. Die älteren Mädchen hatten es sich alle auf Decken an einem ruhigen, sonnigen Plätzchen auf der Wiese bequem gemacht, während die Jungs Baseball spielten. Die kleineren Kinder amüsierten sich zusammen mit Fangspielen und ähnlichem.
Bella und ich setzten uns an einen Tisch mit weiteren unbekannten Gesichtern. Preston stürmte zu seinen Freunden zurück.
››Edward, das sind einige unserer Helfer, die unter der Woche kommen. Jonathan sitzt hier neben dir, er ist Sportlehrer und trainiert die Kinder Dienstagabends in Hockey. Miranda kommt fast jeden Nachmittag, sie ist sehr talentiert, wenn es ans Basteln geht. Neben ihr ist Sandy, eine ganz gute Seele und Vanessa, sie ist die Freundin von Jacob, der sich am Grill aufgebaut hat und seinen Mann steht.‹‹
Ich lachte bei der Beschreibung, nickte ihm aber, wie allen anderen, auch zu.
››Und das ist Edward, er wird hoffentlich ein Helfer für die Wochenenden.‹‹
››Freut mich euch kennen zu lernen‹‹, sagt ich in die Runde.
››Du bist also der legendäre Edward‹‹, meinte Sandy nickend. ››Ich habe schon sehr viel von dir gehört.‹‹
Ich warf einen unsicheren Blick zu Bella. Was genau meinte sie damit?
Bella lächelte sanft. ››Hannah hat die ganze Woche nur von dir gesprochen, es gab kein anderes Thema mehr. Es wundert mich, dass sie noch nicht aufgetaucht ist.‹‹‹
››Wahrscheinlich ist sie bei seinem Anblick wieder ganz schüchtern geworden‹‹, nahm Sandy an.
››Ja, sobald sie sich in etwas hineingesteigert hat, hört sie auf mit der Person selbst, zu sprechen. Sobald du weg bist, wird es sicher wieder losgehen‹‹, stimmte Miranda zu.
Die anderen nickten. Sie hatten ihre Meinung über das Mädchen.
››Wo sind Kate und Marc?‹‹ fragte ich verwundert, nachdem mir aufgefallen war, dass sie sich nirgends auf der Wiese befangen.
››Wir haben ihnen freigegeben‹‹, erklärte Bella. ››Wir sind gerade wirklich genug Personen, um auf die Kinder aufzupassen und solche Gelegenheiten bieten sich nicht all zu oft, also lassen wir ihnen dann immer Zeit für sich. Sie sind immerhin ein verheiratetes Paar, haben aber kaum Zeit füreinander.‹‹
››Oh, das ist schön‹‹, stellte ich fest.
Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, wie die Arbeit für die beiden sein musste.
››Sie werden wahrscheinlich später am Abend, wenn die Jüngeren schon im Bett sind, wieder zu uns stoßen.‹‹
Es dauerte nicht allzu lange, da kam Jack zu mir und fragte, ob ich mit den älteren Jungs Baseball spielen wollte. Da Jasper, Emmett und ich früher oft gespielt hatten, sagte ich sofort zu.
Ich wurde als Batter eingesetzt. Offensichtlich wurde mein Können getestet. Ich verfehlte den ersten Ball, da er in unerwartet hoher Geschwindigkeit kam, schoss den zweiten dafür aber weit ins Feld. Ich ließ den Schläger fallen und rannte. Ich kam zur zweiten Base. Wunderbar. Mein Team jubelte und ich hob selbstgefällig die Arme in die Luft.
Die freiwilligen Helferinnen am Tisch lachten.
Ich stellte schnell fest, dass die Jungen keine Punkte zählten, sondern wirklich nur zum Spaß spielten, sich freuten, wenn jemand rennen durfte und enttäuscht stöhnten, wenn ein Batter drei Strikes hatte. Es machte viel Spaß und wir spielten, bis die ersten Würstchen fertig waren.
Völlig außer Puste ließ ich mich wieder auf meinem Platz fallen und griff, da ich selbst keinen hatte, nach Bellas Becher und trank ihn in einem Zug leer.
››Bedien dich doch‹‹, sagte Bella in genervtem Tonfall.
››Ja, danke‹‹, gab ich zurück.
Die anderen am Tisch lachten vergnügt.
››Kaum hängst du mit ein paar Kindern dieses Alters herum, entwickelst du dich auch schon zurück zu einem kleinen Jungen. Du gibst kein gutes Beispiel‹‹, schalt mich Bella und schlug mich leicht auf den Hinterkopf.
››Ach, hat doch keiner gesehen.‹‹ Ich zuckte mit den Schultern, rieb aber mit einer kleinen Schnute meinen Kopf.
››Denkst du.‹‹ Sie griff nach einem umgedrehten Becher auf dem Tisch und stellte ihn vor mich, während sie ihren eigenen zurück verlangte. ››Hier, sei ein großer Junge.‹‹
Lachend griff ich nach einer Getränkeflasche.
Die Kinder hatten sich allesamt an den Tischen eingefunden und begannen mit Sprechgesängen, die eigentlich nur das Wort ››Hunger‹‹ beinhalteten. Vanessa stand auf und dirigierte den ersten Tisch mit sich, beobachtete dass alle einen Teller mit Besteck bekamen und gab Jacob dann Anweisung die Teller zu befüllen. So ging es Tischweise weiter, bis unser Tisch, der letzte, an die Reihe kam.
Da Bella ihr Pflegekind aus Sicherheitsgründen auf dem Schoß sitzen hatte, legte ich ihr eine Hand auf die Schulter und hinderte sie so am Aufstehen. ››Bleib du hier mit Sara-Leigh sitzen‹‹, sagte ich. ››Ich bring euch was mit.‹‹
››Danke‹‹, lächelte Bella. ››Sara-Leigh bekommt nur ein Brötchen.‹‹
Ich nickte und ging los.
Das Essen verlief sehr ruhig. Die frische Luft musste die Kinder wirklich hungrig gemacht haben. Nach dem Essen, jedoch, war die Energie wieder da und ich wurde mit einigen anderen Helfern zum Fangen spielen aufgefordert.
Bella hielt uns zurück. ››Wie wäre es mit einem Wettbewerb?‹‹ fragte sie laut in die Runde.
Alle Kinder schrien begeistert.
Bella stand auf und setzte Sara-Leigh auf eine Decke neben unserem Tisch, dann winkte sie alle Kinder hinter sich her aus der Tischgruppe heraus.
››Okay‹‹, sagte sie motiviert. ››Alle, die teilnehmen wollen, stellen sich bitte auf diese Seite der Wiese, die anderen machen, was sie wollen.‹‹ Bella machte eine ausladende Bewegung mit ihrem linken Arm. ››Sollte ich noch erwähnen, dass Edward eine große Tüte Marshmallows für die Gewinner mitgebracht hat?‹‹

Nun gab es kein Halten mehr, die jüngeren Kinder drängten sich alle auf die Seite der Teilnehmenden und auch die meisten der älteren schlossen sich an.
››Wunderbar. Teilt euch bitte in… Wie viele wollen mitmachen?‹‹ Wir zählten alle schnell durch und kamen auf einunddreißig. ››Okay, wir machen sechs Gruppen, fünf davon mit fünf Mitgliedern und eine mit sechs, okay? Wer seine Gruppe gebildet hat, darf sich noch einen Erwachsenen zum Helfen aussuchen – außer die Gruppe, mit den sechs Mitgliedern.‹‹
Alle riefen durcheinander, aber die Teams hatten sich schnell gebildet. Die dritte Gruppe wählte mich als ihren Erwachsenen, sie bestand aus älteren Mädchen und auch Hannah fiel mir in ihrer Mitte auf. Ich unterdrückte ein Schmunzeln.
Bella lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Sie hatte nun Papier und Stift in ihrer Hand. ››Sucht zusammen einen Namen für eure Gruppe und teilt ihn mir dann mit. Die ersten, die es mir sagen, sind Gruppennummer eins.‹‹
Wieder redeten alle durcheinander. Ich hielt mich aus der Besprechung meiner Gruppe heraus, hörte aber, wie Lynsay Bella den Namen ›Ladys and one Gentleman‹ nannte. Diese schmunzelte und notierte uns als die fünfte Gruppe. Na, da hatten wir aber lange gebraucht.
››Gruppe eins und Gruppe zwei kommt nur bitte zu mir. Jacob wird euch, sobald er selbst mit Essen fertig ist, die ersten Marshmallows zubereiten. Die erste Aufgabe ist…‹‹ Bella machte eine Spannungspause.
Sofort begannen alle Mitglieder der ersten beiden Gruppe wild zu raten. ››Eierlaufen! Buchstabieren! Wörter raten! Wettrennen! Völkerball!‹‹
Bella schüttelte lachend den Kopf. ››Alles falsch, wir spielen ›Hans dreht sich um‹. Kommt hier herüber und stellt euch da in einer Linie auf. Ich bin Hans. Wenn ich mit dem Rücken zu euch stehe, rennt ihr, wenn ich mich umdrehe, friert ihr auf der Stelle ein. Wer sich bewegt, fliegt, aber immer nur einer pro Runde. Die Gruppe, aus welcher der Letzte noch steht, oder aus welcher der Erste bei mir angekommen ist, gewinnt. Alle verstanden?‹‹
Allgemeines Nicken. Auch von mir, ich kannte dieses Spiel zwar nicht, aber ich denke, die Regeln waren allen klar geworden.
Bella entfernte sich einige Meter von der Reihe der Kinder, wandte sich ihnen wieder zu, nickte und drehte sich um. Sofort begann die Kinder zu rennen. Bella rief: ››Hans dreht sich um‹‹ und alle stoppten, so schnell sie konnten. Einige schwankten.
››Proberunde‹‹, rief Bella. ››Geht wieder zurück zum Start.‹‹

Alle gingen zurück und dann begann das Spiel. Gruppe eins gewann. Im zweiten Durchgang gewann Gruppe vier und wir, Gruppe fünf, gewannen den letzten Durchgang des Spiels.
Während wir noch unsere Marshmallows genossen, mussten die zweite und die dritte Gruppe schon wieder gegeneinander antreten. Sie mussten sich hintereinander aufstellen und einen Baseball zwischen ihren Beinen hindurch nach hinten reichen. Die letzte Person musste schnell nach vorne rennen und ihn wieder nach hinten durchreichen. Das ging so lange, bis der Vordermann vom Beginn wieder vorne stand. Von den Gewinnern aus dem ersten Spiel gewann Gruppe vier zweimal, meine Gruppe einmal und Gruppe eins konnte keinen Gewinn erzielen. Somit waren letztere auf Platz drei der Gesamtplatzierung. Desweiteren gewannen Gruppe sechs zweimal, Gruppe drei einmal und die zweite Gruppe nicht.
Das letzte Spiel war Eierlaufen, allerdings nicht mit echten Eiern, sondern Plastikeiern. Zunächst spielten Gruppe eins und Gruppe zwei zusammen, da ihre Plätze schon festgelegt waren. Sie waren ziemlich gleichauf, Gruppe zwei schien aber einen kleinen Vorsprung zu haben. Gruppe drei triumphierte über die sechste, während meine Gruppe leider gegen die vierte verlor und so verblieben wir auf dem Silbertreppchen der Gesamtplatzierung.
Ich war froh, dass so nicht noch eine weitere Runde Marshmallows anstand, ich hatte genug gehabt. Die restlichen süßen Happen wurden unter allen verteilt, die noch welche wollten.
Nach einer kurzen Pause teilten sich alle Spiellustigen in zwei große Gruppen auf, um noch eine Runde Völkerball zu spielen, bevor die kleineren Kinder zurück in die Häuser geschickt wurden, um schlafen zu gehen. Etwas traurig stellte ich fest, dass ich nicht in Bellas Gruppe gezogen wurde.
Das Spiel dauerte lange und ich ließ mich danach völlig erschöpft zurück auf die Bank fallen.
Bella ging mit den kleinen Mädchen, einschließlich Sara-Leigh, zurück zu den Gebäuden und Jonathan kümmerte sich um die Jungen. Einige der Kleinen murrten und wiederum andere folgten schon halb schlafend.
Bis Bella zurückkam und sich wieder – dicht – neben mich setzte, war die Dämmerung schon hereingebrochen. Die Teenager hatten sich um den noch leicht glühenden Grill gesetzt; zwei Jungen hatten nach Gitarren gegriffen und spielten leise vor sich hin, manche der anderen sangen mit.
››Kate hat angerufen‹‹, teilte Bella der Runde mit. ››Sie haben sich entschlossen doch ein Hotelzimmer zu nehmen und werden erst Morgen gegen Mittag wieder kommen. Ich werde also über Nacht hier bleiben, kann sich mir jemand anschließen?‹‹
››Bella‹‹, sagte Jacob mit entschuldigendem Blick. ››Nessie und ich haben nur für heute Abend einen Babysitter und eigentlich sollten wir uns auch langsam auf den Weg machen.‹‹
››Natürlich‹‹, sagte Bella verständnisvoll. ››Vielen Dank und schön, dass ihr heute Abend da ward.‹‹
Die beiden standen auf und verabschiedeten sich.
››Ich werde bleiben, Bella, keine Frage. Ich habe mir schon Sachen mitgebracht, für den Fall der Fälle‹‹, sagte Sandy.
Bella nickte ihr lächelnd zu. ››Jonny?‹‹ fragte sie in seine Richtung.
››Tut mir Leid‹‹, sagte Jonathan, ››du weißt, normal gerne, aber diesen Sonntag ist schlecht. Ich würde es allerdings machen, wenn Edward überhaupt keine Zeit hat…‹‹
››Versteht mich nicht falsch, aber du hast ein bisschen mehr Erfahrung, als Edward.‹‹
››Aber warum sollte genau diese Nacht etwas passieren?‹‹ fragte Sandy. ››Ich denke, Edward wird keine Probleme haben, sollte er denn Zeit haben. Und wir beide sind ja auch noch da.‹‹
››Ich habe Zeit‹‹, meldete ich mich zu Wort. ››Ich würde gerne aushelfen.‹‹
››Danke‹‹, sagte Bella, den Blick gesenkt. ››Ich werde dich gleich noch einführen.‹‹
››Gerne‹‹, sagte ich, stand dann auf. ››Aber davor werde ich schnell nach Hause fahren und das nötigste einpacken.‹‹
Ich verabschiedete mich von allen und ging zu meinem Wagen. Bella kam mit mir.
››Du musst das wirklich nicht machen, nur weil Jonny keine Zeit hat. Wir würden das auch eine Nacht ohne männlichen Helfer schaffen, wirklich!‹‹, meinte Bella, sobald wir an meinem Wagen angekommen waren.
››Ich weiß, Bella. Aber ich würde es wirklich sehr gerne machen. Ich bin gerne im Waisenhaus und helfe aus. Und ich bin…‹‹ ich stieß scharf Luft aus. ››Ich bin gerne bei dir, in deiner Nähe. Und wenn das eine Nacht im Waisenhaus bedeutet, dann habe ich damit überhaupt keine Probleme. Macht dir keinen Kopf, ich hätte es nicht vorgeschlagen, wenn ich es nicht wirklich wollte.‹‹
››Okay‹‹, sagte sie mit gesenktem Blick. ››Danke.‹‹ Dann, plötzlich, hob sie ihre Arme und legte sie um meinen Nacken. Ganz automatisch reagierte ich auf ihre Bewegung, indem ich meine Arme um ihre Taille schlang und sie an mich drückte. ››Schön, dass du hier… bist.‹‹
Sie schien lange über das letzte Wort nachgedacht zu haben. Dass ich hier bin? In Chicago? Im Waisenhaus? In… ihren Armen?
Ich senkte meinen Kopf und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren. Sie duftete immer noch so wunderbar, wie früher.
››Du solltest wieder zurückgehen, die anderen warten sicher schon auf dich‹‹, flüsterte ich gegen ihren Hals.
Sie nickte und löste sich sanft von mir, lächelte vorsichtig. Ich hob, ebenfalls lächelnd, meine Hand und sie drehte sich um und verschwand ins Hauptgebäude.

Hinter dem Steuer atmete ich erst einmal tief durch. Ich würde die folgende Nacht also ganz in Bellas Nähe im Waisenhaus verbringen.
Ich war aufgeregt wie selten in meinem Leben.


13. Secrecy

Mit meiner Tasche betrat ich das Gebäude durch den weit geöffneten Haupteingang. Die Tür schloss ich vorsichtshalber hinter mir, auch auf die Gefahr hin, dass ich jemanden ausschloss. Da ich nicht wusste, wo genau ich meine Nacht verbringen würde, brachte ich meine Tasche ins Büro und machte mich anschließend auf den Weg zum Hinterausgang, um wieder auf die große Wiese zu treten.
Dort fanden gerade die letzten Nachbereitungen statt. Bänke und Tische lagen zusammen geklappt auf dem Boden und schienen offensichtlich darauf zu warten, zurück in den offen stehenden Schuppen im Hinterhof gebracht zu werden. Hilfsbereit ging ich auf die kleine Gruppe zu. Sofort wurde ich von Sandy geschnappt und mit ihr zusammen brachte ich den ersten Tisch zurück.
Als wir fertig waren, verabschiedeten sich auch Miranda und Jonny. Sandy versprach eine Runde im Mädchenhaus zu drehen und anschließend auch die letzten Teenager in ihr Bett zu stecken. Bella forderte mich auf ihr zu folgen.
››Bei den Jungs haben wir meist weniger Probleme, sie ins Bett zu bekommen, da sie am nächsten Tag fit für ihre verschiedenen Sportarten sein wollen. Wenn der eine kein Spiel hat, dann begleitet er seinen Freund zu dessen. Sandy wird es um einiges schwerer haben.‹‹
Wir checkten zunächst das Gebäude der kleineren Jungen, die aber schon alle in ihren Betten lagen und die meisten schliefen auch schon. Sie fanden kaum Kraft zu widersprechen, als Bella sie bat die Lichter auszuschalten.
Die Teenager mussten noch nicht direkt schlafen, schienen aber allesamt nicht mehr in der Stimmung zu sein durch das Haus zu rennen.
Zufrieden brachte Bella mich in einen kleinen Raum im Untergeschoss des Gebäudes, in dem die kleineren Jungen untergebracht waren.
››Das ist für heute Nacht dein Reich. Es ist nicht besonders eingerichtet…‹‹
Ich sah mich um. Viel mehr als ein Bett und eine Kommode hatten hier nicht hereingepasst.
››Es ist nicht mein normaler Standard, aber ich werde schon überleben.‹‹
››Das freut mich‹‹, schmunzelte Bella. ››Was hältst du davon, wenn ich dir schnell das Bett beziehe und du währenddessen deine Tasche holst?‹‹
››Musst du nicht…‹‹
››Kein Problem, ich bin inzwischen recht gut und schnell darin‹‹, zwinkerte sie.
Ich wollte ihr nicht weiter widersprechen – vor allem, da ich wusste, dass es sinnlos sein würde – und ging wieder zurück zum Hauptgebäude.
Als ich zurückkam, saß Bella auf dem Bett und nestelte an ihrem Sommerkleid. Ich setzte mich neben sie, ››Alles okay?‹‹ fragte ich.
Sie sah nicht auf, zuckte kurz mit den Schultern. ››Ich habe mich gefragt, ob du schon schlafen möchtest?‹‹ flüsterte sie.
Mein Herz setzte einen Schlag aus. ››Ich bin offen für Alternativen‹‹, erwiderte ich dennoch.
Sie seufzte, aber ich war mir nicht sicher, ob es sie erleichterte. ››Können wir reden?‹‹
››Hmm‹‹, murmelte ich unsicher. Ich zog mich weiter über das Bett und lehnte mich an die kalte Wand.
Bella folgte mir nicht. Sie schwieg. Lange. ››Vor drei Jahren‹‹, fing sie schließlich leise an.
In mir brach augenblicklich was. Der Zeitpunkt war also gekommen, ich würde endlich die Wahrheit erfahren. Ob ich mich darüber freute?
››Vor drei Jahren, das war der wundervollste Sommer meines Lebens. Wir haben beide die High School abgeschlossen, wir waren zusammen im Urlaub… Du hast mir so viel gegeben und ich konnte dir nur so wenig zurückgeben und meine Gedanken… Ich bin daran zerbrochen. – Bitte lass mich aussprechen!‹‹
Ich war kurz davor gewesen ihr zu widersprechen. Sie hatte mir so viel mehr gegeben, als ich ihr jemals hätte geben können, was redete sie da? Aber ich schwieg und hörte ihr weiter zu.
Bella hatte den Kopf weiterhin gesenkt und blickte auf ihre ineinander verschlungenen Hände. ››Jeder Gedanke an den Herbst schmerzte, immer wenn ich alleine war, musste ich daran denken, dass ich bald nicht mehr einfach so in mein Auto steigen könnte, wenn die Sehnsucht zu dir zu groß sein würde. Wir wären tausende von Meilen voneinander getrennt.
Ich wusste, dass ich das niemals überleben würde und gleichzeitig schmerzte der Gedanke daran dich ziehen zu lassen. Aber hatte ich eine andere Möglichkeit? Wir beide hatten uns unsere Ziele in den Kopf gesetzt und ich wusste, dass nichts daran wieder etwas ändern konnte. Die einzige Möglichkeit die ich sah, um halbwegs mit dem Schmerz zu Recht zu kommen, war das Uns zu zerbrechen. Aber ich wusste nicht wie. Wie könnte ich dir jemals so weh tun? Ich wusste, dass ich für mich die richtige Entscheidung getroffen habe, zumindest glaubte ich das zu dem Zeitpunkt. Und ich hoffte, dass du es auch irgendwann… nein, nicht verstehen könntest, aber darüber hinwegkommen würdest.‹‹
Bella sank weiter in sich zusammen. Ihre Stimme war bei weitem nicht mehr so fest, wie zu Beginn ihrer Rede.
Ich selbst spürte, wie meine Augen feucht wurden. Nein, ich würde niemals darüber hinwegkommen, aber ich begann zu verstehen.
››Ich habe es nicht gemacht, weil ich dich nicht mehr liebte, oder weil ich dich nicht mehr bei mir haben wollte. Ich habe es gerade deswegen gemacht, weil ich dich liebte und weil ich dich bei mir haben wollte – aber nicht mit tausenden von Meilen zwischen uns.
Damals hatte ich die kindische Hoffnung, dass wir uns nach deinem Studium wiedersehen würden und danach alles wieder so werden könnte, wie früher, dass wir wieder zusammen sein könnten, nur wir zwei, am selben Ort.
Wie naiv. Wie egoistisch. Der Gedanke bezog nur mich ein. Ich konnte doch nicht von dir erwarten, dass du dein Leben nicht weiterleben würdest. Dass du all die Jahre auf mich warten würdest, bis ich bereit war es hinzubekommen.
Aber ich hätte niemals damit gerechnet, dass du einfach so wieder in meinem Leben auftauchst. Ich hatte doch so viele Gegenmaßnahmen getroffen. Ich bin in eine andere Stadt gezogen, als ich dir gesagt habe. Ich habe Alice und meinem Vater verboten irgendwas zu erzählen. Ich habe meine Handynummer gewechselt. Und trotzdem bist du hier und bringst mich mehr durcheinander, denn je.‹‹ Bella ließ sich auf dem Bett zurückfallen. Ihre Wangen waren nass, aber ihre Augen weit geöffnet und sie schaute mich an. ››Edward, ich weiß, warum du hier bist, du hast deine Absichten klar gemacht. Aber bevor ich darauf in irgendeiner Weise eingehen kann, verdienst du es, die Wahrheit zu kennen.
Es tut mir Leid.‹‹
Ich blinzelte um die Feuchte aus meinen Augen zu vertreiben, doch es wollte mir nicht gelingen. Ich spürte Bellas Blick auf mir, ich wusste, dass hier war die Szene, in der ich etwas sagen musste, aber ich konnte nicht. Ich wusste nicht was.
Bella rappelte sich auf und kniete sich vor mich, griff nach meinen Händen. ››Edward, wenn du mir schon nicht verzeihen kannst, dann verzeihe bitte Alice und meinem Vater.‹‹
Ich atmete tief durch, schaffte es aber immer noch nicht sie anzuschauen. ››Warum hast du mir das erzählt?‹‹ flüsterte ich. ››Nur um mir zu sagen, dass meine Absichten ganz umsonst sind, weil ich in vier Monaten wieder zurück zur Uni muss und wir dann wieder tausende von Meilen getrennt wären? Dass ich mich, meine restliche Zeit hier von dir fernhalten soll, um es dir nicht noch schwerer zu machen?‹‹
Bella zuckte unter meinen Worten zusammen, schüttelte aber trotzdem vehement ihren Kopf. Ihre Haare berührten meinen Hals, mein Gesicht. Sie musste sich näher zu mir gebeugt haben, als erwartet. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf.
››Nein‹‹, sagte sie. ››Deswegen habe ich es dir nicht erzählt. Ich habe es dir gesagt, weil du die Wahrheit verdienst. Die ganze Wahrheit.
Aber ich könnte dich nicht noch einmal gehen lassen, ohne dich auf eine gewisse Weise an mich gebunden zu wissen – außer du wolltest es selbst. Edward, ich habe dich die ganzen Jahre über geliebt und ich werde dich immer lieben. Ohne dich werde ich niemals weitermachen können, ich habe es versucht und es schien funktioniert zu haben, bis du wieder zurück in mein Leben gekommen bist. Jetzt macht es ohne dich keinen Sinn mehr, nur mit dir.‹‹
››Du wirst mich nicht wieder wegschicken?‹‹ fragte ich ungläubig.
››Nein, nie wieder. Aber ich werde dich gehen lassen, wenn es dein Wille ist.‹‹
››Wie könnte das mein Wille sein?‹‹ flüsterte ich. Ich zog Bella an meine Brust und sie kuschelte sich dagegen. ››Mein Leben ist sinnlos ohne dich, das habe ich schon immer gewusst.‹‹
Bella seufzte zufrieden.
››Aber ich muss wieder gehen, zurück, auf die Uni‹‹, gab ich zu befürchten.
››Ich werde damit klar kommen, wir werden irgendeine Lösung finden. Und wenn ich dich jede Stunde mit einem Anruf nerven muss. Aber bitte, lass uns nicht mehr getrennt sein.‹‹
Ich konnte nicht anders, als ihren Worten glauben zu schenken. ››Nein, nie wieder‹‹, versprach ich. In meinen Kopf schlich sich das Bild eines kleinen Kästchens, das sich in meinem Nachtschrank befand. Es war an der Zeit, dass ich es wieder bei mir trug. Jeden Tag. ›Für immer zusammen‹, fügte ich in meinen Gedanken hinzu.
››Es tut mir Leid Edward, sehr Leid‹‹, murmelte Bella gegen meine Brust.
››Es ist in Ordnung, Bella.‹‹
Sie hob ihren Kopf und sah mir in die Augen. ››Wie kannst du mir so schnell verzeihen, nachdem was ich getan habe? Nachdem was ich Uns angetan habe?‹‹
››Es ist ganz einfach. Ich kann nicht einen weiteren Tag ohne dich Leben‹‹, erklärte ich simpel. Ich wusste, dass es die Wahrheit war.
Bella kletterte auf meinen Schoß und drückte sich an mich, ihr Kopf in meiner Halsbeuge. ››Ich liebe dich‹‹, flüsterte sie.
››Sowie ich dich liebe‹‹, antwortete ich und sah ihr dabei voller Liebe in ihre schönen Augen. Sie erwiderte meinen Blick und meine Hände umschlossen ihr Gesicht. Zärtlich streichelte ich ihre Wangen und mein Gesicht näherte sich dem ihren. Bevor meine Lippen ihre berührten, hielt ich kurz inne. Ich konnte die Luft regelrecht knistern hören. In diesem kurzen Moment verspürte ich soviel Liebe für Bella, wie noch nie in meinem Leben bevor. Ja ich liebte sie, mit jeder Faser meines Herzens. Ich überbrückte den letzten Abstand und unsere Lippen berührten sich sanft, aber doch zögerlich. Ihre Lippen auf den meinen zu spüren, löste eine Vielzahl von Gefühlen in mir aus. Glück! Liebe! Zuversicht! Zukunft!

Als sich unsere Lippen wieder voneinander lösten, zog ich Bella an meine Brust und hielt sie einfach nur in meinen Armen. Wie lange ich mich doch nach diesem Gefühl gesehnt hatte. Das Gefühl zu wissen, angekommen zu sein. Angekommen bei der Liebe meines Lebens.

Nach einiger Zeit, in der wir still die Nähe des anderen genossen, strich ich ihr sanft über ihre Wange
››Lass uns schlafen… Bleibst du bei mir?‹‹ fragte ich leise und voller Hoffnung, dass dieser wundervolle Moment noch nicht enden würde.
››Sehr gerne. Ich gehe mich nur schnell fertig machen.‹‹ flüsterte Bella und stand auf.
Auch ich machte mich nun bettfertig.

Bella kuschelte sich an mich. ››Wir haben Zeit, oder?‹‹
››Ja, das haben wir.‹‹ Trotzdem schlang ich meine Arme fest um sie, als wollte ich sie nie wieder gehen lassen. Nein, das würde ich nicht. Nie wieder.
››Danke‹‹, flüsterte sie und hauchte mir einen Kuss auf die bedeckte Brust.
››Wofür?‹‹ fragte ich überrascht.
››Dass du mich wieder zurück nimmst, trotz der dummen Fehler, die ich gemacht habe.‹‹
Ich antwortete nicht, sondern drückte sie nur kurz fester an mich.
Für den Moment schwiegen wir und ich spürte, wie ich langsam abdriftete.
››Edward?‹‹ riss mich Bellas Stimme wieder zurück. Sie klang wieder unsicher.
››Ja?‹‹
››Sara-Leigh gehört jetzt zu meinem Leben‹‹, flüsterte sie.
››Ich weiß‹‹, antwortete ich geduldig. ››Sie gehört auch zu meinem.‹‹
››Wirklich?‹‹ Bella faltete ihre Hände auf mir und stützte ihren Kopf darauf. ››Ich möchte sie wirklich gerne adoptieren.‹‹
››Auch das weiß ich. Und ich werde dich dabei unterstützen.‹‹
››Aber du bist Student, wird dir das nicht zu viel? Dein Leben hat noch gar nicht angefangen richtig stressig zu werden und dann ein kleines Kind im Haus?‹‹
››Zerbrich dir darüber nicht deinen schönen Kopf Bella. Ich werde wieder zurück müssen, während du hier bleibst um im Waisenhaus zu arbeiten und ich möchte nicht, dass du in dieser Zeit alleine bist und wer könnte dir besser Gesellschaft leisten, als dieser kleine Engel?‹‹
Bella ließ ihren Kopf wieder zurück auf meine Brust sinken. ››Aber ich weiß noch nicht einmal, ob mir mein Antrag angenommen wird. Es dauert schon so lange und ich weiß, dass ich nicht die besten Voraussetzungen habe.‹‹
››Wir werden das schaffen, du wirst schon sehen‹‹, sagte ich zuversichtlich.
Bella seufzte erneut. Erleichtert. ››Gute Nacht, Edward.‹‹
››Gute Nacht, meine Bella.‹‹


14 Tagliolini

Eine Nacht voller wunderschöner Träume ließ mich bei meinem Erwachen aufseufzen. Meine Arme verstärkten ihren, von der Nacht gelockerten Griff, um den warmen Körper wieder, der neben meinem lag.
Bella.
Genauso wenig, wie ich all die Jahre wirklich verstehen konnte, dass sie gegangen war, konnte ich es jetzt fassen, dass sie tatsächlich bei mir lag. Dass sie mir alles erzählt hatte und dass sie mich doch immer noch wollte. Und ich sie wieder hatte.
Ich öffnete meine Augen und blinzelte in die Richtung, in der ihr Kopf lag. Sie schlief noch, ihr Gesichtsausdruck war friedlich und wunderschön. Glücklich drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn und schälte mich anschließend aus dem Bett. Ich legte das Babyfon neben sie auf das Kissen und ging nach draußen.
Das Waisenhaus war noch leise zu diesen Morgenstunden, aber ich rechnete damit, dass sich das bereits in der nächsten Stunde ändern würde.
Ich schlich mich aus dem Jungenhaus, durch das Hauptgebäude zu den Mädchen, wo sich im unteren Stockwerk Sara-Leighs Zimmer befand. Ihre leisen Sprechgeräusche hatten mich aufgeweckt. Ich schlich mich durch die Tür und da lag sie mit offenen Augen, ihr Mund bewegte sich konstant, mit oder ohne Ton.
››Hey meine Kleine, bist du schon wach?‹‹
Sie entdeckte und erkannte mich und streckte mir lächelnd ihre Arme entgegen. Vorsichtig hob ich sie aus dem Bett und setzte sie auf meinem Arm ab. Begeistert fasste sie mir ins Gesicht.
››Hast du gut geschlafen, ja?‹‹ fragte ich sie. ››Ich habe wunderbar geschlafen und soll ich dir verraten warum? Ich hatte einen Engel in meinen Armen, meinen Engel. Deine Mommy ist wirklich jemand ganz besonderes, halte sie ganz gut fest!‹‹
››Mommy‹‹, lachte Sara-Leigh mir entgegen, als hätte sie nur dieses eine Wort aufgeschnappt, von dem, was ich gesagt hatte.
››Ja, die Mommy. Du kannst sehr froh sein, dass du sie hast.‹‹
››Daddy‹‹, sagte Sara-Leigh dann und fasste mir wieder ins Gesicht.
Sprachlos schaute ich sie einen Moment an. ››Ich wäre sehr gerne dein Daddy‹‹, flüsterte ich schließlich.
Ich setzte mich auf den Schaukelstuhl in dem Zimmer und drückte sie fest an mich und sie kuschelte sich in meine Arme. So saßen wir da, bis die Tür erneut aufging.
››Da bist du ja.‹‹ Bella trat, fertig angezogen für den Tag herein und kam direkt auf uns zu. ››Ich habe mich schon gewundert, dass ich noch nichts von ihr gehört habe.‹‹
››Du hast das Beste verpasst‹‹, teilte ich ihr mit.
Bella beugte sich nach unten um zunächst Sara-Leigh einen Kuss auf den Kopf zu geben und anschließend mir einen auf die Wange. ››Ihr gebt ein schönes Bild zusammen ab.‹‹
››Das freut mich‹‹, antwortete ich ehrlich.
››Willst du dich schnell umziehen gehen? Ich gehe dann mit Sara-Leigh helfen, das Frühstück vorzubereiten.‹‹
››Ja, das wäre wahrscheinlich eine gute Idee‹‹, stimmte ich zu und erhob mich vorsichtig aus dem Stuhl.
Ich wollte Sara-Leigh an Bella übergeben, aber letztere zog mich in eine feste Umarmung. ››Ich war erschrocken, als du nicht mehr da warst, als ich aufgewacht bin.‹‹
››Ich gehe nie wieder aus deiner Reichweite‹‹, versprach ich. Vorsichtig küsste ich sie auf das Haar, das einzige, was ich gerade von ihr erreichen konnte, da sie ihr Gesicht in meiner Brust versteckt hatte. ››Bella?‹‹
››Ja‹‹, seufzte sie erleichtert. ››Okay. Ich denke, ich habe einfach noch nicht verstanden, dass du mich so schnell zurückgenommen hast. Ich kann es nicht glauben, dass du wieder bei mir bist.‹‹
››Ich habe nie wirklich verstanden, dass du weg warst‹‹, gab ich zu.
››Aber, Edward‹‹, sie löste endlich ihr Gesicht von mir und schaute mich an, ››kann das erst Mal unser allein bleiben? Ich möchte nicht, dass jeder heute schon davon erfährt, ich möchte es lieber erst einmal nur für mich genießen.‹‹
››In Ordnung‹‹, antwortete ich. ››Wenn das dein Wunsch ist.‹‹
Bella lächelte glücklich, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen kurzen Kuss auf den Mund. Sara-Leigh gab einen juchzenden Laut von sich.
››Ich kümmere mich besser um das Frühstück.‹‹ Sie nahm mir Sara-Leigh ab und verschwand aus dem Zimmer.
Meine Finger wanderten zu meinen lächelnden Lippen. Ich machte mich auf den Weg zurück zu meinem Schlafzimmer.

Kate und Marc kamen gegen Mittag zurück und wirkten sehr ausgeglichen – dabei war mir davor nicht aufgefallen, dass sie gestresst waren. Doch man merkte, dass ihnen die Auszeit gut getan hatte.
Nach dem Mittagessen versammelten wir uns im großen Vorstellungsraum und Kate stellte es allen frei, entweder den Nachmittag in dem großen Familienpark nahe Bellas Wohnung zu verbringen – ein Bus würde später kommen um sie abzuholen -, oder mit Marc im Waisenhaus zu bleiben. Alle schlossen sich an. Auch ich. Mich zog es nicht in meine Wohnung, sondern in mir war der Drang, so viel Zeit wie möglich, mit Bella zu verbringen, bevor die stressige Arbeitswoche wieder begann.
Bella und ich hatten uns darauf geeinigt, zunächst noch als Freunde in die Öffentlichkeit zu treten, doch ich merkte mehr und mehr wie schwer mir das fiel. Es war von Anfang an klar gewesen, dass sich das nicht lange spielen lassen würde, aber als solch eine große Herausforderung hatte ich es nicht gesehen.
Bella und ich fuhren beide mit unseren Wagen zu dem Park, für Bella logisch, da sie direkt dort wohnte und so nicht noch einmal zurück musste. Meine Ausrede war auch schnell akzeptiert, immerhin hatte ich keine Verpflichtungen dem Waisenhaus gegenüber. In Wahrheit wollte ich aber einfach nur den Abend ungestört bei Bella verbringen.
Das Wetter war wunderbar, als wir ankamen. Die Sonne schien, dazu ein leichter Wind, der die erhitzte Haut immer wieder abkühlte. Was für ein schöner Herbsttag. Ich fürchtete, es würde einer der letzten werden.
Die kleinen Kinder fanden sich allesamt an dem großen Spielplatz wieder, während die älteren eigenständig ihren Weg suchten. Mit Marc, Kate und Sandy am Spielplatz fanden Bella und ich schnell ein Schlupfloch. Sara-Leigh setzten wir in den Kinderwagen und so spazierten wir zusammen durch den Park, bis wir an einem mittelgroßen, kreisrunden Teich ankamen.
››Wirklich schön‹‹, bemerkte ich, sobald ich, auf der Parkbank sitzend, die Chance hatte mich genauer umzusehen.
››Ja‹‹, sagte Bella. Sie seufzte. ››Ich bin hier am Anfang oft hergekommen um nachzudenken. Über alles. Ob ich in meinem Leben die richtigen Entscheidungen getroffen habe.‹‹ Sie senkte den Kopf.
Sofort legte ich beruhigend einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an mich. ››Das liegt hinter uns‹‹, raunte ich ihr zu. ››Bitte, denke einfach nicht mehr darüber nach, ich tu es auch nicht. Wir sind hier, zusammen und das ist alles, was zählt. Denkst du nicht?‹‹
Sie nickte. ››Ja, du hast Recht. Und ich bin froh, dass wir hier sind.‹‹
››Ich auch. Sehr sogar.‹‹
Bella zog ihre Beine auf die Bank und lehnte ihren Rücken an mich. Glücklich schloss ich meine Arme um sie. Wir mussten gerade nicht reden. Wir genossen einfach, was wir letzte Nacht wieder gefunden hatten. Uns.
Doch Sara-Leigh ließ uns nicht lange unsere Ruhe, sondern forderte Aufmerksamkeit. Schließlich standen wir wieder auf und schlenderten um den Teich herum, wobei Sara-Leigh jeweils eine unserer Hände umschloss und ich noch den Kinderwagen schob.
Plötzlich riss sie sich aber los und rannte einige Meter vor uns weg. Bella warnte sie, nicht zu schnell zu werden, aber das zeigte wohl keine Auswirkung. Dann blieb sie stehen, drehte sich um und grinste uns breit entgegen. Ich übergab den Kinderwagen an Bella und rannte auf das kleine Mädchen zu. Dieses lief kreischend weiter, aber ich hatte sie schnell eingeholt, hob sie lachend in die Luft und wirbelte sie herum.
Ich stoppte, als Bella mit fröhlichem Lächeln bei uns ankam.
››Mehr, Daddy, Daddy, mehr!‹‹ kreischte Sara-Leigh.
››Hat sie gerade…?‹‹ begann Bella.
››Daddy!‹‹ Sara-Leighs Hand batschte in mein Gesicht.
Ich nahm sie und hielt sie vorsichtig. ››Gleich, Prinzessin‹‹, stoppte ich sie.
Bella legte ihre Hand auf meine, die auf Sara-Leighs lag und schaute mich fragend an. ››Sie nennt dich Daddy?‹‹ wollte Bella wissen. ››Seit wann?‹‹
››Heute Morgen, als du noch geschlafen hast, hat sie es das erste Mal gesagt.‹‹
››Daddy!‹‹ kreischte das Mädchen in meinem Arm, wie zur Bestätigung.
Bella seufzte selig lächelnd. ››Na dann mach mal Daddy‹‹, forderte sie mich auf.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Mit festem, sicherem Griff um Sara-Leigh begann ich mich wieder wild im Kreis zu drehen.

Sobald wir einmal um den Teich herum waren, gingen wir wieder zu den anderen zurück, schließlich konnten wir, besonders Bella, sie nicht alleine die ganze Arbeit machen lassen.
Am Spielplatz herrschte noch wildes Treiben, so als wären wir nicht weg gewesen. Bella setzte sich neben Kate auf eine Bank mit Tisch und sofort hatte sie einen Blätterstapel vor sich liegen, den sie zu bearbeiten begann. Ich ging derweil mit Sara-Leigh zum Sandkasten. Sie war das jüngste unserer Kinder und brauchte somit die meiste Aufsicht.
Wir beschäftigten uns einige Zeit mit Sandkuchen, einige andere, unter anderem auch ganz fremde Kinder, schlossen sich uns an. Nebenher unterhielt ich mich mit deren Eltern, meistens Müttern, die mir gar nicht glauben wollten, dass ich weder Sara-Leighs Vater war, noch sie sonderlich lange kannte. Ich fühlte mich sehr in meinem Tun als Sara-Leighs zukünftiger Vater bestätigt.
Zwei Stunden und einige von mir gekaufte Eiskugeln später kam der Bus wieder und alle machten sich auf den Rückweg. Kate nahm mir das Versprechen ab, möglichst bald wiederzukommen und zu meiner Überraschung freute sie sich auch sehr für mich, dass Bella und ich alles geklärt hatten. Sie wünschte uns alles Gute. Wahrscheinlich sollte ich nicht überrascht sein, dass Bella es ihr sofort erzählt hatte.
Bella und ich schlenderten zu ihrem Wohnblick.
››Bleibst du noch?‹‹ fragte Bella unsicher.
››Solange du möchtest‹‹, gab ich zurück.
››Sag das nicht zu laut‹‹, antwortete sie völlig ernst.
››Ich meine es so. Dadurch, dass ich Freitag so lange im Krankenhaus war, muss ich erst morgen Nachmittag wieder dort sein und wenn es nach mir geht, werde ich bis dahin auch nicht mehr von deiner Seite weichen.‹‹
››Abgemacht‹‹, sagte Bella, was mich innerlich erleichtert aufseufzen ließ.
Ich hatte ängstlich damit gerechnet, dass sie mich über Nacht wegschicken würde, genau wie damals, als sie nicht die Nacht bei mir bleiben wollte, um nichts zu überstürzen. Ich war wirklich froh, dass sich ihre Meinung diesbezüglich geändert hatte. Nicht, dass ich jetzt etwas überstürzen wollte, wir würden uns genau in dem Tempo bewegen, wie wir uns wohl fühlten.
››Wann werde ich deine Wohnung sehen?‹‹ fragte Bella, als ich die Tür zu ihrer aufschloss.
››Wann immer zu willst‹‹, stellte ich ihr frei.
››Morgen früh also‹‹, setzte sie fest. ››Dass du dich für die Arbeit fertig machen kannst. Ich werde dich begleiten und anschließend zum Waisenhaus gehen.‹‹
››In Ordnung.‹‹
››Ist sie kindergerecht, deine Wohnung?‹‹
››Darüber habe ich nie nachgedacht‹‹, gab ich zu.
››Dann solltest du das spätestens jetzt nachholen‹‹, forderte Bella.
››Ich denke schon. Sie liegt im siebten Stock, ist aber mit dem Aufzug leicht zu erreichen. Es ist kein übertriebenes Loft mit Stufen, eigentlich ganz normal. Und ich habe zwei relativ kleine, unbenutzte Zimmer‹‹, fasste ich zusammen.
››Das hört sich doch schon mal gut an‹‹, nickte Bella. ››Ich bin wirklich sehr gespannt. Hast du sie selbst eingerichtet?‹‹
››Nein, die Einrichtung war bereits vorhanden, als ich eingezogen bin. Meine Eltern haben bei der Wohnungssuche mitgeholfen.‹‹
Wir hatten uns auf das Sofa gesetzt, Sara-Leigh holte sich einige Bauklötze aus einem Schrank und begann vor unseren Füßen zu spielen. Ich zog Bella in meine Arme und zusammen beobachteten wir das Mädchen.
››Es wäre so schön, wenn wir sie adoptieren dürften‹‹, seufzte Bella.
››Wie lange dauert es denn normal, bis solche Papiere bearbeitet werden?‹‹ fragte ich neugierig.
››Das ist bei jedem Fall unterschiedlich, aber bei mir hat es jetzt schon überdurchschnittlich lange gedauert. Ich rechne jeden Tag mit einem Brief. Einer Absage.‹‹ Sie ließ den Kopf hängen.
››Warum das denn? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es dir verweigern‹‹, versuchte ich ihr Mut zu machen.
››Das Problem ist, dass es mit jedem weiteren Tag unwahrscheinlicher wird. Es hat einfach zu lange gedauert. Und wie gesagt, meine Voraussetzungen sind nicht die Besten.‹‹
››Vielleicht sind deine Unterlagen nur durch einen dummen Zufall untergegangen. Lass es uns neu abschicken, mit deinen geänderten Lebensumständen.‹‹
››Die wären?‹‹
››Du hast jetzt einen mehr oder weniger wohlhabenden Lebenspartner und Sara-Leigh einen Vater!‹‹
Bella griff nach meiner Hand, die an ihrem Bauch lag und drückte sie. ››Ja, tut mir Leid. Lass uns noch eine Woche warten und wenn bis dahin nichts gekommen ist, dann schicken wir die Unterlagen noch einmal abgeändert ab.‹‹ Bella wandte sich in meinen Armen um. ››Danke. Das habe ich jetzt gebraucht. Manchmal ist die ganze Situation schon zum verzweifeln.‹‹
››Ist okay‹‹, antwortete ich. ››Dafür bin ich da.‹‹Ich küsste sie auf die Stirn und zog sie wieder fester in meine Arme.
Eine ganze Weile saßen wir noch zusammen, bis Bella vorschlug das Abendessen vorzubereiten.
››Ich habe auch schon eine Ahnung, was es geben wird.‹‹ Mit breitem Grinsen verschwand Bella in ihre Küchenzeile.
Neugierig folgte ich ihr und beobachtete, wie sie lange Nudeln aus einem Schrank holte.
››Ich war vor kurzem einkaufen und dabei sind die mir in die Augen gesprungen, ich konnte einfach nicht widerstehen. Tagliolini.‹‹
››Und ich dachte schon, du wärest so berechnend und hättest das alles hier geplant.‹‹ Ich kam ihr einen großen Schritt näher.
››Wer weiß?‹‹ hauchte sie und fuhr mit der Spitze ihres Zeigefingers über meine Wange. ››Jetzt brauchen wir nur noch jemanden der Soße macht.‹‹
››Ich wüsste da jemanden… Zutaten?‹‹
››Was mein ist, ist dein‹‹, Bella machte einen Schritt zurück und erlaubte es mir sie genauer zu betrachten.
Lachend, und schwerfällig, löste ich meinen Blick von ihr und begann die Schränke zu durchstöbern. Viele der Zutaten, die ich brauchte, waren noch frisch und ungebraucht. ››Du hast es also doch geplant‹‹, stellte ich fest.
Bella zuckte die Schultern. ››Ich wollte auf alles vorbereitet sein.‹‹
Zusammen begannen wir mit den Vorbereitungen, die uns noch gekonnt von der Hand gingen. Und so saßen wir bald zu dritt an dem gedeckten Tisch. Sara-Leigh hatte einen großen Spaß mit der Tomatensoße. Wir ließen sie spielen, da wir selbst auch nicht besser waren, nur dass wir uns stattdessen mit den Nudeln vergnügten. Jeder hatte ein Ende im Mund und wir aßen so lange daran, bis sich unsere Lippen kurz berührten. Dann folgte die Nächste und die Nächste. Und die Nächste.

Nicht lange nach dem Abendessen brachten wir Sara-Leigh ins Bett. Bella legte eine CD in den Player, die ich sofort erkannte. Fragend hob ich die Augenbrauen.
››Die CD wirkt wahre Wunder, wenn sie nicht einschlafen möchte. Übrigens nicht nur bei ihr. Deine Musik hat nach wie vor eine magische Wirkung auf mich.‹‹
››Das möchte ich doch hoffen‹‹, erkläre ich eingebildet.
Bella lachte und schlug mir auf die Schulter. Anschließend legte sie einen Finger auf ihre Lippen, stellte das Babyfon auf das Tischchen neben dem Bett und zog mich aus dem Zimmer.
Bella brachte uns etwas zu trinken aus der Küche, während ich einen Film nach dem anderen aus dem Regal zog, bis mir einer für den heutigen Abend zusagte. Ich legte ihn ein und setzte mich neben Bella auf das Sofa. Sie kuschelte sich in meine Arme.
››Ich liebe diesen Film‹‹, seufzte sie.
››Ja, ich mag ihn auch sehr gerne.‹‹ Ich drückte Bella noch ein Stück näher an mich und legte meine Wange an ihre Schläfe. Ich konnte ihr gar nicht nahe genug sein um meine jahrelange Sehnsucht zu stillen.
Bella kicherte. ››Du lenkst mich ab.‹‹
››Du mich auch‹‹, gab ich zurück, versuchte mich aber fortan zu beherrschen. Ich hatte noch unglaublich viel Zeit um ihre Nähe zu genießen.
Doch Bella schien das anders zu sehen, denn plötzlich drehte sie sich um und saß so rittlings auf meinem Schoß. ››Lass uns ins Bett gehen‹‹, forderte sie.
››Bella…‹‹ fing ich an..
››Nein‹‹, unterbrach Bella. ››Lass uns einfach nur zusammen ins Bett gehen. Bitte! Ich möchte bei dir sein, ohne einen störenden Fernseher im Rücken. Ist das so schlimm?‹‹
››Nein, das ist es nicht‹‹, gab ich zu. ››Das möchte ich auch gerne.‹‹
Bella nickte und stand auf. Nachdem Fernseher und DVD-Player ausgeschaltet waren, folgte ich ihr zum ersten Mal in ihr Schlafzimmer.


15 Adoption

Die folgende Woche fuhr ich jeden Abend zu Bellas Wohnung, um dort einige Stunden zu verbringen. Wir genossen die gemeinsame Zeit und auch Sara-Leigh schien es zu gefallen, dass ich so oft kam.
Die ganze Woche über freute ich mich aber auf Freitag, denn wir hatten ausgemacht, dass ich bis Sonntagabend bleiben würde. Meine Tasche dafür hatte ich schon Montagabend gepackt.
Doch dieser Abend verlief ganz anders, als ich es mir ausgemalt hatte.
Ich kam pünktlich zu Feierabend aus dem Krankenhaus und auch die Fahrt zu dem Wohnblock lief ereignislos. Nachdem ich geklingelt hatte, stellte ich die erste Veränderung fest. Denn jeden Abend hatte Bella gefragt, wer sich an der Tür befände. An diesem Tag drücke sie nur den Summer, um mich einzulassen. So fahrlässig war Bella nicht. Neugierig und etwas besorgt erklomm ich die Treppen bis in ihr Stockwerk und schritt durch die offene Wohnungstür. Bella saß auf dem Sofa, Sara-Leigh an sich gedrückt und starrte auf einen Brief, der auf dem Wohnzimmertisch vor ihr lag. Sie sah nicht glücklich aus.
Mit schnellen Schritten ging ich auf sie zu, meine Tasche verlor ich irgendwo auf dem Weg. ››Was ist das?‹‹ fragte ich auf den Brief bezogen.
Sie machte eine auslandende Bewegung mit der Hand, welche ich als die Bestätigung sah, dass ich ihn genauer anschauen durfte.
Ich griff danach und überflog ihn schnell, dann fing ich noch einmal von oben an und ging ihn Wort für Wort durch.
Bella wurde die Adoption nicht gestattet.
Doch es gab auch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Da die Beamten um Bellas Arbeit wussten und somit erkenntlich wäre, dass Bella niemals einen Antrag stellen würde, wenn sie das nicht bewältigen könnte, würde in der nächsten Woche – es wurde kein genauer Termin angegeben – ein freundlicher Mitarbeiter der Behörde kommen um Bellas Leben genau zu überprüfen.
Ich setzte mich neben sie auf die Couch. ››Wir schaffen das‹‹, versprach ich ihr. ››Wir werden diesen Menschen überzeugen, dass Sara-Leigh zu uns gehört. Ich werde einfach nächste Woche frei nehmen und zusammen warten wir dann auf den, der kommt. Glaub mir, wir werden das hinbekommen!‹‹
››Der Brief war da, als ich vom Waisenhaus gekommen bin‹‹, murmelte Bella vor sich hin. ››Ich war erleichtert, dass endlich eine Antwort gekommen ist und dann war ich so enttäuscht.‹‹
››Ich weiß.‹‹
Vorsichtig löste ich Sara-Leigh aus ihren Armen und setzte das kleine Mädchen auf dem Boden ab. Anschließend zog ich Bella selbst in meine Arme und wiegte sie beruhigend hin und her. Immer wieder wiederholte ich, dass wir gemeinsam stark waren und den Beamten überzeugen würden.
Bella schien mehr und mehr zu verstehen und löste sich schließlich wieder aus meinen Armen. ››Ich werde etwas zu essen machen, tut mir Leid, dass noch nichts vorbereitet war.‹‹
››Ist okay, Bella, ich kann es verstehen.‹‹
Mein Blick folgte Bella in die Küchenzeile – sie wollte meist nicht, dass ich ihr half, sondern Sara-Leigh in meinen Augen behielt – wie sie sich auf der Arbeitsfläche abstützte, den Kopf gesenkt und dann plötzlich erzitterte. Sofort eilte ich zu ihr und schloss sie wieder in meine Arme. Sie schlug mit ihren Fäusten gegen meine Brust. ››Und wenn nicht?‹‹ schluchzte sie. ››Was wenn wir es nicht schaffen? Was wenn sie mir Sara-Leigh wegnehmen? Was wenn sie nicht einmal mehr zurück ins Waisenhaus kommt? Was wenn sie schon eine andere Familie für sie gefunden haben?‹‹
Ich reagierte nicht darauf, diese ganzen Zweifel mussten aus ihr heraus. Ich wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte, zu schwach war weiter auf mich einzuklopfen und ihr Gewicht schluchzend auf mich stützte. Vorsichtig bugsierte ich sie in ihre Schlafzimmer und legte sie auf ihr Bett.
››Ich komme gleich wieder‹‹, versprach ich, ging nach draußen und suchte durch ihren Teeschrank. Bald fand ich einen natürlichen Beruhigungstee, den ich aufbrühte. Während er zog, ging ich mit Sara-Leigh zurück ins Schlafzimmer. Das kleine Mädchen kuschelte sich an ihre Pflegemutter und leistete ihr damit Beistand.

Bella war mit Austrinken des Tees eingeschlafen.
Sara-Leigh und ich hatten es uns vor dem Fernseher gemütlich gemacht und schauten zusammen eine Kinder-DVD, in der ein kleines Mädchen mit spanischer Abstammung auf Entdeckungsreise ging und dem Zuschauer einige spanische Wörter beibrachte. Dazu aßen wir einige von mir schnell gemacht Sandwichs.
Anschließend brachte ich Sara-Leigh ins Bett, las ihr eine Geschichte vor, bis sie eingeschlafen und verließ leise das Zimmer.
Entschlossen holte ich Bellas Laptop heraus und fuhr ihn hoch um einige Nachforschungen anzustellen. Ich wusste immer noch nicht genau, wie Adoptionen abliefen, aber ich würde es in dieser Nacht herausfinden und zudem einen Weg, wie wir es auf jeden Fall schaffen könnten, dass Sara-Leigh unsere Tochter wurde.
Man konnte als Single adoptieren, allerdings war der Fall äußerst selten. Als Paar standen die Chancen besser, allerdings müssten wir dann entscheiden, wer von uns Sara-Leigh adoptierte. Ganz klar Bella. Die beste Lösung allerdings war ein verheiratetes Paar.
Ich spürte ein bestätigendes Drücken in meiner rechten Hosentasche. Aber würde sich das einfach so machen lassen? Nicht nur, dass ich Bellas Zustimmung hierzu brauchte, wir mussten auch noch das Gesetz davon überzeugen, dass wir nicht nur wegen Sara-Leigh heiraten würden – würden wir das denn? Ich nicht, aber was war mit Bella?
Ich fragte mich, ob das wirklich die beste Lösung für uns wäre. Nicht, dass der Vorgang dadurch noch einmal verzögert wurde.
Konnte ich Bella einfach so darauf ansprechen?
Ich beschloss es mir in der folgenden Nacht durch den Kopf gehen zu lassen. Halbwegs zufrieden mit meinen Recherchen fuhr ich den Laptop herunter, klappte ihn zu und begab mich ins Badezimmer. Hier zog ich mich um und schlich anschließend ins Schlafzimmer zu Bella ins Bett. Zufrieden murmelnd kuschelte sie sich an mich.

Meine Arme waren leer, als ich das nächste Mal etwas wahrnahm und auch im ganzen Bett vermisste ich den warmen Körper, an den ich mich schmiegen wollte. Die Augen reibend setzte ich mich auf und schaute mich um. Bellas Morgenmantel, der normal über dem Stuhl des Schminktisches hing, war weg. War es wirklich schon so spät? Ein Blick auf die Uhr verneinte, Bella war wirklich sehr früh aufgestanden.
Ich tapste aus dem Zimmer, entdeckte im Wohnraum aber nicht mehr, als einen gedeckten Frühstückstisch. Die Badtür stand offen, die Tür zu Sara-Leighs Zimmer war angelehnt. Zielsicher steuerte ich darauf zu.
Bella saß auf einem Stuhl neben dem Bett und beobachtete das kleine Mädchen beim schlafen. Ich ging neben ihr in die Knie, legte einen Arm um ihre Hüfte und legte die andere auf ihr Bein.
››Es tut mir Leid, dass ich gestern so zusammengebrochen bin‹‹, flüsterte sie. ››Ich hätte mich besser zusammenreißen müssen.‹‹
››Nicht doch‹‹, widersprach ich leise. ››Das war schon okay.‹‹ Ich drängte sie aufzustehen. ››Lass uns frühstücken.‹‹
Bella streichelte Sara-Leigh noch einmal über den Kopf und folgte mir dann nach draußen.
››Was haben wir heute vor?‹‹ fragte ich, während ich einen Toast mit ein wenig Butter bestrich.
››Ich weiß, wir wollten den Tag miteinander verbringen, aber… Als Kate mich gestern gefragt hat, ob ich am Mittag aushelfen könnte, konnte ich nicht nein sagen. Tut mir Leid.‹‹
››Nein, das ist in Ordnung, ich werde natürlich mitkommen.‹‹
Ich verbrachte den Morgen mit Sara-Leigh, während Bella sich um ihren Haushalt kümmerte. Zunächst fuhr ich mit ihr zum Krankenhaus um mir dort für die nächste Woche Urlaub einschreiben zu lassen. Anschließend ging ich mit ihr in den Park, bis es Zeit wurde, zum Waisenhaus zu fahren, wo wir Mittagessen würden.
Wir kamen bis zum Abend nicht dazu, über die Adoption zu sprechen.
Ich sah mich in Bellas Schlafzimmer um, zufrieden mit dem Ergebnis. Es war das Beste, was ich aus dem gegebenen Mitteln herausholen konnte. Auf jeder Abstellfläche brannten zwei Kerzen, sonst brannte kein Licht in dem Zimmer. Mein Herz klopfte wie nach einem hundert Meter Lauf.
Ich hatte während des Tages meine Entscheidung getroffen. Ich würde es versuchen. Ich wollte, dass sie wusste, wie wichtig mir das alles war, mit uns.
Bella stand in der Tür zu Sara-Leighs Zimmer. ››Sie sagte, ich sollte hier so lange warten, bis du mich holst. Du hättest ihr gesagt, dass sie sich ein extralanges Buch von mir wünschen soll und dass ich es bis zum Ende vorlesen sollte. Du kannst mir nicht verübeln, neugierig geworden zu sein.‹‹
Ich lächelte leicht. Der kindliche Drang zur Wahrheit.
Ich machte eine geschmeidige Verbeugung vor Bella. ››Darf ich bitten?‹‹ fragte ich und hielt ihr einladend meinen Arm hin.
Kichernd nahm sie ihn an und folgte mir.
››Womit habe ich das verdient?‹‹ fragte sie überrascht, sobald wir über die Schwelle getreten waren.
››Setz dich, bitte‹‹, bat ich sie nervös.
Sie folgte meiner Aufforderung und sah mich mit großen Augen an.
›Okay‹, versuchte ich mir selbst Mut zu machen. ›Einfach schnell die Frage stellen, kein großes darum herum. Immer heraus damit.‹
Ich ging vor Bella mit einem Knie auf dem Boden in die Hocke und präsentierte ihr den Ring. Sie schluckte.
Ich atmete tief ein. ››Bella, willst du meine Frau werden?‹‹ schoss es aus meinem Mund.
Ich hatte nicht mit einer schnellen Antwort gerechnet, weswegen ich geduldig wartete und versuchte ihre Gesichtszüge zu lesen.
››Du… du musst das nicht machen. Nur wegen der Adoption, meine ich.‹‹
Ich lächelte leicht und legte ihr den Ring in ihre offenen Hände, dann setzte ich mich neben sie und zog sie mit mir in die Mitte des Bettes.
››Kannst du dir nicht denken, wie alt der ist?‹‹ fragte ich auf den Verlobungsring deutend.
Sie schüttelte den Kopf, schaute mich fragend an.
››Fünfeinhalb Jahre‹‹, sagte ich mit geschlossenen Augen, ich wollte ihre Reaktion darauf nicht sehen.
Ich hörte sie laut nach Luft schnappen.
Mit geöffneten Augen erklärte ich weiter. ››Vor fünfeinhalb Jahren, als wir uns entschieden haben, in verschiedene Himmelsrichtungen für unsere Ausbildung zu gehen, wollte ich ihn dir geben, als Zeichen dafür, dass wir trotz Distanz zusammen gehören. Als Zeichen, dass ich dich liebe und als ein Zeichen, dass dich jeden Tag an mich erinnert. Als ein Zeichen, dass du in festen Händen bist und keiner der anderen Typen eine Chance bei dir hat. Ich wollte ihn dir geben, um dir zu zeigen, dass ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen möchte, dass du mein Ein und Alles bist…‹‹‹ Meine Stimme lief aus.
Bella hatte beide Hände über ihrem Mund verschränkt. ››Und ich habe Schluss gemacht!‹‹ flüsterte sie schockiert dahinter. ››Ich hatte ja keine Ahnung.‹‹
››Niemand wusste, was ich vorhatte. Ich habe es niemandem gesagt. Aber ich habe es mir anders vorgestellt, wenn es die erste Person erfährt.
Ich wusste, dass du mich damals nicht geheiratet hättest und das hätte ich auch noch für zu früh gehalten. Hingegen wollte ich dieses Band zwischen uns wissen, bis uns unsere Wege wieder zusammen geführt hätten.
Bella, ich sage dir das ganze, damit du verstehst, dass das hier keine Kurzschlussreaktion ist, damit die Adoption zustande kommen kann. Das hier war schon so eine lange Zeit in meinem Kopf. Ja, vielleicht hätte ich dich unter anderen Umständen erst später gefragt, aber das heißt nicht, dass ich es jetzt weniger will. Ich will es wirklich. Ich möchte, dass du meine Frau bist, ich möchte dein Mann sein. Ich möchte, dass alles, was mir gehört, dein wird. Und ich möchte, dass du so glücklich bist, wie du nur ein kannst – mit einer wunderschönen Adoptivtochter an deiner Seite.
Ich will jetzt auch keine Antwort von dir. Behalte den Ring und denke darüber nach, vergiss nicht, was ich gesagt habe. Und beziehe mit ein, wie du reagiert hättest, wenn ich dich vor fünf Jahren gefragt hätte, denn schon damals gehörte der Ring dir.
Ich liebe dich. Ich liebe dich über alles!‹‹
Sie beugte sich nach vorne und kletterte auf meinen Schoß. Sie drückte mir den Ring zurück in die Hand und streckte mir ihre Hand entgegen. ››Ich brauche keine Zeit zum nachdenken. Ich hätte deinen Ring damals Stolz getragen und ich werde es auch jetzt tun. Ich möchte dich heiraten, Edward. Ich möchte deine Frau werden. Ich liebe dich!‹‹
Sie strahlte mich an, aber ich konnte ihr nicht antworten. Ich war überwältig vor Glück, vollkommen sprachlos.
Bella drückte mich nach hinten auf das Bett und wir ließen unserer Freude über eine gemeinsame Zukunft die ganze Nacht über ihren Lauf.

Ab Montag hatten wir beide frei. Wir hatten uns entschieden, tagsüber das Haus niemals gemeinsam zu verlassen, für den Fall, dass der Beamte kam. Die meiste Zeit jedoch saßen wir im Wohnzimmer und beschäftigten uns mit Sara-Leigh, oder sprachen über die Hochzeit. Bisher hatten wir noch niemandem von der Verlobung erzählt.
››Wann würdest du gerne heiraten?‹‹ fragte ich Bella.
››Auf jeden Fall, bevor du gehst, aber wir sollten es wohl nicht gerade für den nächsten Monat ansetzen. Wie wäre es mit in ungefähr drei Monaten? Dann stehst du kurz vor Ende und wir haben danach noch ein bisschen Zeit, um uns um alles zu kümmern.‹‹
››Das klingt gut‹‹, stimmte ich zu. ››Drei Monate, das wäre die Zeit um Weihnachten, Neujahr. Ich muss am ersten Februar spätestens wieder zurück an der Universität sein. Was hältst du von Neujahr selbst?‹‹
››Ein schöner Tag, allerdings schlecht wegen dem Waisenhaus, tut mir Leid. Wie wäre das Wochenende nach Neujahr?‹‹
››Sehr gut, da hat dann auch jeder seinen Rausch ausgeschlafen.‹‹ Ich holte mein Handy aus meiner Hosentasche und überprüfte das Datum. ››Wie wäre es mit dem dritten. Das ist ein Freitag. An diesem Abend die Feier und das Wochenende danach könnten wir für Flitterwochen nutzen. Nichts Großes, das werden wir irgendwann ein anderes Mal richtig nachholen.‹‹
››Das gefällt mir. Ich möchte eigentlich auch nur eine kleine Feier im engsten Familien- und Freundeskreis. Allerdings kann ich Kate nicht einladen, weil sie sich um das Waisenhaus kümmern muss.‹‹
››Warum lädst du nicht das ganze Waisenhaus ein? Lass die Kinder eine schöne Zeit verbringen. Wann werden sie wieder die Chance haben, auf einer Hochzeit zu sein?‹‹ schlug ich vor.
››Denkst du, das würde sich machen lassen? Das wäre wunderbar! Meine Familie ist nicht sonderlich groß, so hätte ich wenigstens ein paar Leute auf meiner Seite sitzen.‹‹
››Sie sind ein großer Teil deines Lebens und ich denke, es würde sie alle unglaublich glücklich machen, wenn du sie einladen würdest.‹‹
››Wir werden sie einladen‹‹, verbesserte mich Bella. ››Wie schön das klingt, wir laden zu unserer Hochzeit. Ich habe es immer noch nicht ganz realisiert.‹‹
Ich zog Bella auf meinen Schoß. ››Bist du glücklich?‹‹
››Überglücklich‹‹, antwortete sie leise.
››Das ist gut. Ich bin es nämlich auch.‹‹
Ich drückte sie näher an mich und küsste sie verlangend. Sie ging auf mein Spiel ein, aber nicht lange, da drückte sie sich wieder von mir weg.
››Sara-Leigh‹‹, hauchte sie.
Ich vergrub mein Gesicht in ihrem Hals und küsste dort ihre zarte Haut. ››Eltern tun so was, was denkt sie, wie sie entstanden ist‹‹, knurrte ich betört.
Bella gab mir einen halbherzigen Klaps. ››Spar dir das für später auf, wenn sie schläft, Tiger‹‹, japste sie.
Ich biss sie sanft, bevor ich mich schweren Herzens von ihr zurückzog. ››Tiger, hm?‹‹
››Ich bitte darum.‹‹ Damit löste sie sich aus meinen Armen und setzte sich zurück auf ihren Stuhl.
››Und damit lässt sie mich zurück…‹‹ grummelte ich. Ich zog meinen Stuhl weiter unter den Tisch, legte meine Ellenbogen darauf und stützte meinen Kopf mit den Händen ab.

Der viel gefürchtete Besuch kündigte sich am Mittwochnachmittag mit kurzem, zweimaligen Klingeln an.
Ich meldete mich an der Sprechanlage. ››Hallo?‹‹
››Guten Tag, hier ist Mr. Smith. Es geht um die Adoption der Sara-Leigh Martens. Ist das die Wohnung von Miss Isabella Marie Swan?‹‹
››Ja, kommen Sie doch bitte nach oben. Es ist der fünften Stock.‹‹
Ich drückte den Summer und drehte mich dann zu Bella um. Sie saß mit Sara-Leigh am Wohnzimmertisch. Während das kleine Mädchen einfach darauf losmalte, entwarf Bella verschiedene Karten, zu denen ich hin und wieder meine Meinung abgegeben hatte, ansonsten aber in der Zeitung gelesen hatte.
››Er ist da. Sein Name ist Smith.‹‹
Bellas Gesicht verlor jeglichen Farbe.
Ich ging zu ihr und küsste sie sanft. ››Bleib du einfach sitzen. Ich werde ihn begrüßen und hereinbitten!‹‹
Ich öffnete die Wohnungstür und hörte gerade noch das Pling des Fahrtstuhles.
Man sah dem Mann sofort an, dass er ein Beamter der Sozialarbeit war. Er war übergewichtig, was sich besonders an seinem Bauch anzeichnete, das fleischige Gesicht zeigte einen kleinen, gezwirbelten Schnauzer. Die Augen waren klein, rund und wässrig. Er stellte genau dar, was ich mir vorstellt hatte.
Schwer atmend kam er die fünf Stufen hinauf, die ihn noch von mir trennten, da er sich auf de Fahrtstuhlebene befand.
››Guten Tag, Mr. Smith. Mein Name ist Edward Cullen. Kommen Sie doch bitte herein, Bella und Sara-Leigh erwarten Sie bereits.‹‹
Ich schüttelte seine verschwitzte Hand kurz und ließ ihm dann den Vortritt in Bellas vier Wände.
››Und in welcher Beziehung stehen Sie zu Miss Swan?‹‹ wollte er wissen, noch bevor er sie kennen lernte.
››Ich bin ihr Verlobter‹‹, brachte ich die Neuigkeit.
››Wir haben offensichtlich einiges zu klären‹‹, stellte er fest.
Bella stand auf, sobald wir den Wohnbereich betraten. ››Guten Tag, Mr. Smith. Es freut mich, Sie kennen zu lernen. Ich bin Isabella Swan, aber sagen Sie bitte Bella. Und das hier ist die kleine Sara-Leigh.‹‹
Das Mädchen schaute auf, als ihr Name genannt wurde. Neugierig betrachtete sie Mr. Smith. Der beugte sich zu ihr herunter. ››Hallo Sara-Leigh, es ist schön dich kennen zu lernen. Ich habe schon sehr viel über dich gehört.‹‹ Er streckte ihr seine Hand entgegen, welche sie anstupste und ihn dann fröhlich anlächelte.
››Kann ich ihnen etwas anbieten? Kaffee? Tee?‹‹, fragte ich höflich.
››Ein Pfefferminztee, bitte, wenn Sie haben?‹‹
››Natürlich‹‹, antwortete ich und ging in die Küchenzeile.
Während der Tee zog, gab Bella Mr. Smith eine kleine Führung durch ihre Wohnung. Ich stellte ihn auf den Tisch und ging zu Sara-Leigh, um ihr ein Kompliment für ihr neustes Werk zu machen.
››Es tut mir Leid, Mr. Smith, aber wir waren gerade dabei Geburtstagskarten für das Waisenhaus zu basteln.‹‹
››Aber das macht doch nichts, liebe Ms. Swan. Wollen wir uns dann setzen?‹‹
››Bitte‹‹, sagte Bella und bot ihm den Platz an, an dem die Teetasse stand.
Für Bella und mich holte ich ein Glas Orangensaft, dann setzte ich mich neben sie.
››Nun‹‹, begann Mr. Smith. ››Ich bin ganz neugierig, Mr. Cullen, wie passen Sie in das Bild?‹‹
››Edward, bitte‹‹, sagte ich, bevor ich begann meine Geschichte in Kurzfassung zu erzählen. Ich war hier hergekommen, nachdem Bella und ich uns aus den Augen verloren hatten, immer in der Absicht als verlobter oder, mit viel Glück, auch als verheirateter Mann zurückzukehren, um mein Studium abzuschließen. Von Sara-Leigh hatte ich erst hier erfahren und sie sofort in mein Herz geschlossen.
››Sie werden verstehen, dass ich das fragen muss: Sie haben sich nicht nur wegen Sara-Leigh verlobt?‹‹
››Ich gebe zu, dass sie die Angelegenheit vielleicht ein bisschen beschleunigt hat‹‹, antwortete Bella ehrlich. ››Aber das ändert nichts an unseren ehrlichen Absichten. Und Sara-Leigh hat ihn in der Vaterrolle akzeptiert, sonst hätte ich dem nicht zugestimmt. Sie liebt ihn von ganzem Herzen, wie er sie liebt.‹‹
››Interessant. Sie leben hier zusammen?‹‹
››Ich verbringe viel Zeit hier, aber ich habe noch eine eigene Wohnung unweit von hier.‹‹
››Sie erwähnten nicht, wann Sie sich verlobt hatten?‹‹
››Letztes Wochenende‹‹, sagte Bella mit gesenktem Blick
››Wie erwähnt, die Adoption mag in die Entscheidung mit einspielen. Aber wir lieben uns und wir lieben Sara-Leigh. Wir wollen ihr die bestmöglichen Eltern sein. Wir sind uns beide dessen bewusst, auf was wir uns mit einer Ehe und Adoption einlassen. Und wir haben die besten Voraussetzungen, es zu schaffen, mit uns‹‹, fügte ich überzeugt hinzu.
››Ihre Voraussetzungen? Nennen Sie mir einige. Wie steht es mit finanziellen Möglichkeiten? Sie wissen, dass Bella nicht sehr hoch bezahlt wird.‹‹
Ich reichte ihm meinen letzten Kontoauszug. ››Das ist mein aktueller Kontostand. Meine Eltern sind sehr wohlhabend. Mein Vater ist ein anerkannter Arzt im Staat Washington. Ich selbst werde im nächsten Jahr mein Medizinstudium beenden und habe bereits einige Angebote von verschiedenen Krankenhäusern des ganzen Landes, unter anderem von dem, in dem ich gerade hier in Chicago ein halbjähriges Praktikum für Arbeitserfahrung ablege. Mir gefällt es dort sehr gut, weswegen ich denke, dass ich das Angebot im nächsten Sommer annehmen werde.‹‹
Mr. Smith nickte.
››Darf ich Ihnen eine Frage stellen?‹‹ wollte ich wissen.
››Nur zu‹‹, forderte er mich auf.
››Was genau sind Sie hier zu überprüfen, was in Bellas Antrag auf Zweifel gestoßen ist?‹‹
››Nun, da war die Tatsache, dass sie Singlemutter gewesen wäre, was sich mit Ihrer Heirat aufheben würde. Des Weiteren ihr kleines Gehalt, welches Problem sich ebenfalls mit Ihrer Heirat auflösen würde. Die Tatsache, dass sie auf Abruf für das Waisenhaus zur Verfügung steht, was sich kaum lösen kann, denn auch ihre Profession scheint dem nicht gerade zu helfen. Sie planen, sollten Sie zusammen ziehen, eine neue Wohnung zu suchen?‹‹
››Sie meinen etwas, das größer ist?‹‹ wollte Bella wissen.
Mr. Smith nickte.
››Wir haben noch nicht darüber nachgedacht, aber wahrscheinlich wäre es angebracht. Allerdings wird das dann erst kommen, wenn Edward hier einen festen Job hat.‹‹
››Verstehe‹‹, nickte der Beamte.
››Dürfte ich etwas meinen Job als Arzt betreffend bemerken?‹‹
Mr. Smith machte eine auffordernde Bewegung mit der Hand. ››Sie meinten eben, dass auch mein Beruf als Arzt einschließen würde, dass ich auf Abruf bin, richtig? Das wird erst in einigen Jahren soweit sein, bis ich wirklich ein richtiger Arzt bin.‹‹
››Bleibt immer noch das halbe Jahr, in dem sie nicht hier sein werden.‹‹
››Sie wissen, dass ich Sara-Leigh nun schon eine Weile hier bei mir habe, Mr. Smith. Bisher gab es keine Probleme. Zudem haben Sara-Leigh und ich ein Zimmer im Waisenhaus, für die Nächte, die ich dort verbringe. Wenn sie älter ist, wird sie auch ein eigenes Zimmer zugewiesen bekommen. Wir sind dort immer willkommen. Das Waisenhaus stellt Sara-Leighs größeren Familienkreis dar, den wir hier in Chicago haben.‹‹
Wir schwiegen kurz, während der Zeit wir alle zu Sara-Leigh schauten, die immer noch ruhig am Wohnzimmertisch saß und malte.
››Würden Sie mir wohl das Waisenhaus zeigen wollen?‹‹ fragte Mr. Smith schließlich.
Ob er die ganze Zeit darüber gegrübelt hatte, ob er diese Frage aussprechen sollte?
››Natürlich‹‹, sagte Bella sofort und sprang auf.
Wir beschlossen alle zu gehen. Bella zog Sara-Leigh an, während ich mir meine Jacke anzog und anschließend hielt ich ihr ihre Jacke auf. Mr. Smith würde Bellas Wagen folgen.
››Bella, Edward, ich wusste gar nicht, dass ihr heute kommen wolltet. Was für eine nette Überraschung!‹‹ begrüßte uns Kate.
Einige Kinder spielten im Vorgarten und sie beaufsichtigte sie.
››Wir sind mit dem Typen von den Behörden hier‹‹, raunte Bella ihr entgegen, während ich Mr. Smith durch den Eingang winkte.
Kate schaltete sofort. ››Guten Tag, mein Name ist Kate, ich bin die Leiterin des Waisenhauses. Es freut mich sie kennen zu lernen!‹‹
››Einen schönen guten Tag wünsche ich auch ihnen, Kate. Smith. Können wir uns unterhalten?‹‹
››Aber natürlich, warum folgen sie mir nicht in mein Büro. Übernehmt ihr beiden hier draußen?‹‹
››Natürlich!‹‹ riefen wir Kate zu.
Sie verschwand mit Mr. Smith im Haus und wir spielten mit den jüngeren Kindern im Garten. Die älteren waren noch nicht aus der Schule zurück.
››Über was sie wohl sprechen?‹‹ fragte sich Bella.
››Was auch immer es ist, Kate wird ein gutes Ende für uns heraushandeln.‹‹
Es dauerte etwa eine viertel Stunde, bis die beiden wieder auftauchten. ››Ihr beiden seid verlobt? Bin ich hier wieder die letzte, die die großen Neuigkeiten erfährt?‹‹ Sie schloss uns beide lachend in die Arme. ››Ich wusste, dass ihr beiden das wieder hinbekommt, ihr seid so ein schönes Paar. Ich freue mich so für euch!‹‹
››Danke‹‹, lachte Bella. ››Und du bist wirklich die erste, die davon erfährt. Nur Mr. Smith mussten wir es noch erzählen.‹‹
Mr. Smith. Die Erwähnung seines Namens erinnerte mich wieder an ihn. Er stand etwas abseits und beobachtete, wie Kate uns in ihre Arme schloss, besonders Bella immer und immer wieder und fast in Freudentränen ausbrach. Schließlich kam er, sich räuspernd, auf uns zu. Wir schüttelten ihm die Hand und er versprach, dass wir bald von ihnen hören würden.
Bereits die Woche darauf bekamen wir die Bestätigung auf den Antrag. Bella durfte Sara-Leigh adoptieren. Sollten wir warten, bis wir verheiratet sind, könnten wir sie beide adoptieren.


16 Happy Birthday, Esme

››Ich war schon so lange nicht mehr zu Hause‹‹, sagte Bella. ››Seit Sara-Leigh bei mir ist, hatte ich einfach nicht mehr die Zeit. Es ist wunderbar hier zu sein. Aber ich bin auch etwas besorgt, wegen der großen Überraschung.‹‹
Ich lachte leise auf. Eine Überraschung, so konnte man es wirklich nennen. Es war der Geburtstag meiner Mutter und sie rechnete mit mir. Dass sie zusätzlich noch meine Verlobte und mein Pflegekind bekommen würde, das wusste niemand. Nicht einmal Alice war in alles eingeweiht worden, sie wusste nur von Sara-Leigh und dass Bella und ich wieder zusammen waren.
Bella, Sara-Leigh und ich saßen in einem Mietwagen auf dem Weg vom Flughafen zum Haus ihres Vaters. Sie wollte zunächst kurz bei ihm vorbeischauen, bevor wir weiter zu mir gingen.
››Und ich war schon lange nicht mehr hier‹‹, bemerkte ich, als ich vor ihrer Auffahrt parkte.
››Viel zu lange‹‹, stellte Bella fest.
››Aber es ist schön wieder hier zu sein.‹‹
Wir stiegen aus.
››Ich muss zugeben, dass ich etwas nervös bin‹‹, sagte ich, als wir vor der Haustür standen. ››Ich habe ihn nicht einmal um die Hand seiner Tochter gefragt, sondern sie einfach genommen.‹‹
››Er wird es überleben‹‹, lachte Bella. ››Du wärest mit Sicherheit der erste, den er als Schwiegersohn akzeptieren würde, mach dir da mal keinen Kopf.‹‹
Die Tür wurde von einer älteren, mir unbekannten Dame, geöffnet.
››Hallo Sue‹‹, trällerte Bella fröhlich.
››Bella, wenn das mal nicht eine Überraschung ist! Kommt herein, kommt herein. Dein Vater ist, wie immer, vor dem Fernseher.‹‹
Ich schmunzelte in Erkennen. Ja, so war Charlie schon früher immer gewesen.
››Sue, das ist Edward, du hast ja schon von ihm gehört. Und das hier die kleine Sara-Leigh, meine Pflegetochter.‹‹
››Auch von ihr habe ich schon viel gehört. Charlie konnte es gar nicht abwarten, sein erstes, potentielles Enkelkind kennen zu lernen.‹‹ Sie beugte sich auf Sara-Leighs Höhe und streichelte ihr lächelnd über den Kopf, bevor sie sich wieder aufrichtete und mir die Hand reichte. ››Edward, ich bin Sue. Es freut mich, dich kennen zu lernen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich etwas überrascht bin?‹‹
››Wir klären dich gleich auf. Lass uns doch ins Wohnzimmer gehen‹‹, schlug Bella vor.
Wir alle folgten ihr.
››Dad!‹‹ rief Bella aus.
Charlie drehte sich überrascht in seinem Sessel um. Die Fernbedienung noch in der Hand, schaltete er den Ton sofort auf stumm und sprang aus seinem Sitz, um Bella zu umarmen.
››Bella, es ist so schön, dass du da bist. Du hast dich gar nicht angekündigt! – Oder habe ich wieder was vergessen?‹‹ Er warf einen fragenden Blick zu Sue.
››Nein, wir sind auf dem Weg zu Esme, du weißt doch, dass Morgen ihr Geburtstag ist. Und da dachten wir, dass wir auch schnell bei dir vorbeischauen.‹‹
››Wir…‹‹ sagte Charlie leise und ließ seinen Blick weiter durch den Raum schweifen.
››Hallo Charlie‹‹, begrüßte ich ihn nun auch. ››Du hast dich gut gehalten.‹‹
››Edward?‹‹ Er schien, verständlicherweise, irritiert.
Wir schüttelten uns die Hände.
››Und das ist Sara-Leigh‹‹, stellte Bella sie vor. Sie hatte das kleine Mädchen auf ihren Arm gehoben. ››Das ist dein Opa Charlie.‹‹
Wie es zu erwarten war, war Charlie sofort hin und weg von der Kleinen. Sie fasste ihm neugierig an den Schnauzbart, was ihn zum Lachen brachte.
››Warum setzen wir uns nicht alle?‹‹ schlug Sue vor. ››Ich bin furchtbar neugierig, hier scheint sich was getan zu haben? Wollt ihr was trinken?‹‹
Nachdem wir alle mit einem Getränk versorgt waren und einen Platz auf den Sofas und Sesseln gefunden hatten, holte Bella sich von mir einen versichernden Blick ein. Ich nickte ihr zu.
Sie zog einen Umschlag aus ihrer Handtasche. ››Dad, Sue, Edward und ich sind wieder zusammen, genau genommen sind wir verlobt und wollen bald heiraten.‹‹ Sie legte sie Einladung auf den Wohnzimmertisch. ››Und danach wollen wir gemeinsam Sara-Leigh adoptieren.‹‹
Es wurde still im Raum, ich war noch nicht vollkommen davon überzeugt, dass Charlie zum positiven reagieren würde. Auch Sara-Leigh schien verunsichert, aber wahrscheinlich viel eher, weil niemand im Raum etwas sagte.
››Mommy?‹‹ wandte sie sich an Bella.
Bella zog sie abwesend auf ihren Schoß, weiter den Blick auf Charlie gerichtet.
Der pustete die gesamte Luft aus, die er gerade in seinem Körper zu haben schien. ››Das sind nun wirklich große Neuigkeiten‹‹, brachte er schließlich hervor. ››Wann ist das alles passiert, wieso habe ich davon nichts mitbekommen?‹‹
››Das ging alles eigentlich ganz schnell‹‹, begann Bella und erzählte schließlich unsere Geschichte. ››Und wir sollten jetzt wirklich weiter, Esme erwartet uns bereits. Oder zumindest Edward.‹‹
Ich nickte zustimmend.
Wir standen auf. Charlie ebenfalls, er geleitete uns zur Tür.
››Kommt ihr noch einmal vorbei, bevor ihr abreist?‹‹ wollte er wissen.
››Das wird sich sicher machen lassen‹‹, antwortete Bella.
››Warum kommst du nicht morgen Nachmittag zur Geburtstagsfeier? Esme würde sich sicher freuen, wenn du kommen würdest‹‹, schlug ich vor.
››Wir werden darüber nachdenken, danke‹‹, meinte Charlie und blickte zu Sue, die nickte.
Bella öffnete die Haustür, während Charlie mich noch einmal zurückhielt.
››Edward, was ich sagen wollte… Willkommen zurück in der Familie. Ich habe nie verstanden, warum… Aber ich freue mich wirklich, dass ihr euch wieder zusammen getan habt und es ist eine sehr schöne Überraschung, dass ihr heiraten wollt. Ich könnte mir keinen besseren Mann für meine Tochter wünschen.‹‹
››Danke, Charlie. Ich verspreche, dass ich mich gut um sie kümmern werde.‹‹
››Das weiß ich, mein Sohn. Bis morgen.‹‹
››Bis morgen.‹‹ Ich lächelte ihm noch einmal zu und verließ dann das Haus.
››Was wollte er noch?‹‹ fragte Bella neugierig, sobald wir wieder im Wagen saßen und die Straße weiter nach oben zum Haus meiner Eltern fuhren.
››Vertrauliches Gespräch zwischen Schwiegersohn und Schwiegervater‹‹, zwinkerte ich ihr zu.
››Gut?‹‹ wollte sie trotzdem wissen.
››Sehr gut‹‹, antwortete ich zufrieden.
››Dann müssen wir jetzt nur noch an deiner Familie vorbei.‹‹
››Und das werden wir auch schaffen!‹‹ sagte ich zuversichtlich.
Ich hielt an meinem alten Parkplatz. Wir stiegen aus und ich holte unsere Taschen aus dem Kofferraum, während Bella Sara-Leigh schon an der Hand zur Haustür führte. Ich öffnete sie mit meinem Schlüssel, stellte die Taschen ab und durchquerte mit den beiden die kleine Halle. Vor der Tür zum Salon deutete ich Bella zu warten und ging selbst hinein. Meine Eltern saßen zusammen und tranken Tee.
Ich schlich mich an Mom und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Sie zuckte erschrocken zusammen, richtete sich aber sofort freudestrahlend auf, als sie mich erkannte.
››Edward! Endlich! Wir haben dich schon vor einer Stunde erwartet. Komm setz dich zu uns, wir haben noch ein bisschen Tee übrig.‹‹
Ich schüttelte den Kopf und erklärte unsicher: ››Ich habe jemanden mitgebracht.‹‹
››Hast du?‹‹ fragte Mom selig nach.
Sie wartete schon seit Jahren, dass ich nicht mehr alleine nach Hause kam, sondern jemanden an meiner Seite hatte. Sie mochte es nicht, mich unglücklich und einsam zu sehen.
››Ja, meine Frau und unsere Tochter.‹‹ Ich musste die beiden einfach ein bisschen aufziehen.
››Deine… Frau?‹‹ Mom.
››Eure Tochter?‹‹ Dad.
Die beiden waren zweifellos schockiert und fragten sich, wie sie so viel über mein Leben verpassen konnte.
››Wollt ihr sie dann kennen lernen? Soll ich sie hereinholen?‹‹ fragte ich.
››Sicher‹‹, kam es gehaucht von Esme.
Mir auf die Lippen beißend, verließ ich den Salon und winkte Bella und Sara-Leigh zu mir.
››Das ist schon ein bisschen gemein‹‹, warf mir Bella vor.
Ich zuckte nur mit der Schulter, legte meine Hand um ihre Hüfte und führte sie hinein.
››Hallo Esme, Carlisle, es ist schön euch wieder zu sehen!‹‹ sagte Bella, sobald wir einen Schritt im Raum waren.
Die Gesichter der beiden verzogen sich noch weiter, nur dass sie dieses Mal viel glücklicher schienen.
››Bella?‹‹ fragten sie gemeinsam.
››Und Sara-Leigh‹‹, stellte ich vor.
Esme eilte nach vorne schloss meine Verlobte in die Arme. Mein Dad folgte ihr langsamer nach.
››Da hast du uns aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt, mein Junge‹‹, empörte er sich. ››Ich hatte schon befürchtet, ich muss meiner völlig fremden Schwiegertochter gegenüber treten. Und… Enkelin?‹‹
Er musste sehen, dass Sara-Leigh weder mir, noch Bella ähnlich sah.
››Eigentlich‹‹, sagte Bella, als sie ihn ebenfalls umarmte. ››Sind Edward und ich nur verlobt und Sara-Leigh ist unsere Pflegetochter.‹‹
››Ihr seid verlobt?‹‹ frohlockte Esme. ››Ich freue mich ja so für euch beide. Ihr seid wieder ein Paar, das ist wunderbar! Ihr müsst mir alles erzählen, ich fühle mich, als würde ich hinter dem Mond wohnen. Ich weiß gar nichts mehr!‹‹
Wir setzten uns zusammen an den Tisch, Sara-Leigh kuschelte sich auf meinem Schoß zusammen und schlief bald ein. Sie war erschöpft von den ganzen Aufregungen des Tages. Ein Flug und zwei neue Opas und eine neue Oma. Das war zu viel für sie.
››Sie ist so süß‹‹, schwärmte Esme, nachdem wir die Geschichte erneut erzählt hatten. ››Wann wollt ihr sie adoptieren?‹‹
››Nach der Hochzeit, so schnell wie möglich.‹‹
››Ach ja…‹‹ Bella zog die Einladung für die beiden aus ihrer Tasche.
››Danke Liebes.‹‹
››Wann werden die anderen kommen?‹‹ fragte ich neugierig.
››Morgen in aller früh, wahrscheinlich um dieselbe Zeit. Ihre Flüge kommen nur mit einer Stunde unterschied an, deswegen wollen sie sich einen Wagen zusammen mieten. Ihr werdet wahrscheinlich noch schlafen, wenn sie kommen.‹‹
Bella seufzte neben mir. ››Es ist so schön wieder hier zu sein, ein Teil dieser großen Familie.‹‹
››Und die Familie ist froh, dass du ein Teil von ihr bist. Und bald als meine Schwiegertochter‹‹, jubilierte Esme. ››Ich habe immer gedacht, dass Alice und Jasper die ersten wären, aber sie sind noch nicht einmal verlobt. Und Rosalie und Emmett, ich denke, die beiden werden noch eine lange Zeit verlobt sein, ehe sie sich für den Ernst des Lebens bereit fühlen.‹‹
Ich schmunzelte sie bei der Zusammenfassung unserer Familie. Wenn sie wüsste, dass ich mich schon vor Jahren hatte verloben wollen.
Ich erwartete den nächsten Morgen gespannt. Ich war mir sicher, ich würde es mitbekommen, wenn Alice ihr Zimmer neben meinem bezog und dann würde die Show von neuem losgehen. Auch ihr würde ich zunächst ohne Bella gegenüber treten.
Und so war es dann auch. Das erste, was ich hörte, war Jaspers ächzen, vermutlich, als er Alices Koffer nach oben brachte. Ich stand auf und drückte Bella einen Kuss auf die Stirn, die sich schmatzend auf die andere Seite drehte. Schnell zog ich mir ein T-Shirt über, ich wollte nicht nur in Shorts meiner Schwester gegenüber stehen.
Sara-Leigh lag in der anderen Zimmerhälfte auf zwei weichen Matratzen, noch tief schlafend. Ich schnappte den Umschlag von meinem alten Schreibtisch, wo ich ihn bereit gelegt hatte.
Innerlich lachend, betrat ich das Treppenhaus, das mein Zimmer von Alices trennte. Die Tür stand offen und so trat ich einfach ein.
››Edward‹‹, juchzte Alice, als sie mich entdeckte. Sie fiel direkt in meine Arme.
Ich hob sie hoch und drückte sie kurz an mich. ››Hey Schwesterchen.‹‹
››Sind sie mit?‹‹ fragte sie sofort neugierig.
››Wer?‹‹ fragte ich. ››Wie auch immer, sind Rosalie und Emmett mit euch? Ich muss euch was geben.‹‹
››Was denn?‹‹ fragte sie neugierig und blickte gierig auf die Umschläge in meiner Hand.
››Sie sind unten im Gästezimmer‹‹, antwortete Jasper stattdessen. Er kam gerade aus dem begehbaren Kleiderschrank.
Ich begrüßte ihn mit einem Handschlag.
››Lasst uns nach unten gehen.‹‹
Wir gingen nach unten zu dem Gästezimmer, dass Rosalie und Emmett immer bewohnten, wenn sie hier im Haus zu Gast waren. Schnell begrüßte ich die beiden und überreichte zunächst Rosalie und dann Alice je einen Umschlag. Neugierig öffneten sie ihn und erstarrten für einen Moment, als sie die beiden ineinander verschlungenen Ringe auf dem Cover sahen.
Emmett schaute mich mit großen Augen an. ››Du heiratest, Alter?‹‹
Rosalie war schneller und hatte die Karte bereits geöffnet, den Namen der Braut entdeckt.
Ich konnte es nun nicht mehr verhindern und ein breites Grinsen bildete sich auf meinem Gesicht.
››Du und… Bella?‹‹ Sie umarmte mich fest. ››Das ist wunderbar.‹‹
››Warum wusste ich davon nichts?‹‹ jammerte Alice und reichte die Karte schmollend an Jasper weiter.
››Du kannst nicht alles wissen‹‹, besänftigte ich sie. Aber eine Neuigkeit hatte ich noch. ››Und wisst ihr, was das beste ist? Wir werden Eltern!‹‹
››Eltern?‹‹ keuchte Emmett. Der Arme schien die Sache mit der Hochzeit noch nicht vollständig verarbeitet zu haben.
››Ich dachte, nur Bella?‹‹ fragte Alice verwirrt.
Rosalie schien misstrauisch. ››Bella ist schwanger? Aber nicht von dir? Und du heiratest sie? Und bezeichnest dich als Vater?‹‹
››Ihr werdet heiraten und danach könnt ihr beide Sara-Leigh adoptieren, richtig?‹‹ fragte Jasper. Schlauchen.
››Richtig‹‹, antwortete ich.
››Wer ist Sara-… Wer?‹‹ fragte Rosalie.
››Sara-Leigh‹‹, meinte Alice genervt. ››Sie ist Bellas Pflegekind.‹‹
››Bellas und mein Pflegekind‹‹, korrigierte ich.
››Also ich weiß nicht, was ich sagen soll‹‹, bemerkte Emmett.
››Wie wäre es mit ›Ja‹ auf die Frage, ob du und Jasper meine Trauzeugen sein wollt?‹‹
››Ehrsache‹‹, antwortete Emmett sofort.
››Gerne‹‹, meinte auch Jasper.
››Ist Bella da?‹‹ wollte Rosalie wissen.
››Ja, sie schläft noch. Sara-Leigh auch.‹‹
››Ich kann’s gar nicht glauben. Unser Kücken kommt unter die Haube. Und wird Daddy.‹‹ Sie drückte mich noch einmal. ››Was hat denn Esme dazu gesagt?‹‹
››Sie hat sich gefreut.‹‹ Ich lächelte in der Erinnerung an gestern.
››Es kommt so plötzlich‹‹, meinte Rosalie. ››Und die Hochzeit ist…‹‹ Sie checkte das Datum auf der Karte. ››…in zwei Monaten.‹‹
››Was?‹‹ meldete sich Alice auch endlich wieder zu Wort. ››Dann ist ja schon alles geplant? Warum habt ihr mir nicht früher davon erzählt, ich hätte euch geholfen!‹‹
››Du hättest es fertig gebracht, tatsächlich noch die Uni sausen zu lassen, nur um meine Hochzeit zu planen. Wir wollen nichts Großes und ja, das meiste ist bereits geplant. Das was wirklich noch fehlt, sind die Zusagen der Gäste. Also, was sagt ihr?‹‹
››Was nicht passt, wir passend gemacht. Wir kommen auf jeden Fall‹‹, antwortete Emmett und Rosalie nickte zustimmend.
››Wir natürlich auch. Kann ich jetzt Bella sehen? Und Sara-Leigh kennen lernen?‹‹ fragte Alice ungeduldig.
››Du kannst später beim Frühstück mit den beiden sprechen, okay? Ich verspreche, dass wir alle drei unten sein werden.‹‹
››Ich rufe euch‹‹, versprach Alice.
››Darauf verlasse ich mich. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich gehe nach meiner Verlobten sehen.‹‹
Unter dem anzüglichen Lachen der vier verschwand ich wieder nach oben.

Bella gab ein Brummen von sich und legte sich dann quer über mich.
››Guten Morgen‹‹, sagte ich.
Sie antwortete nicht, sondern vergrub ihr Gesicht in der nackten Haut an meiner Schulter. Ihre Hand streichelte über meinen Bauch, mehr und mehr unter mein T-Shirt. ››Warum hast du das an?‹‹
››Ich war vorher meine Schwester begrüßen. Sie freut sich schon auf dich und Sara-Leigh.‹‹
››Zieh es aus‹‹, forderte sie.
Oh, ich hasste es, der Stimmungskiller zu sein.
››Schatz, Sara-Leigh schläft noch und sie ist nur fünf Meter von uns entfernt.‹‹
Bella stöhnte genervt auf.
››Lass uns nach unten gehen, die anderen freuen sich schon auf dich!‹‹ versuchte ich sie auf andere Gedanken zu bringen.
Sie schüttelte den Kopf und klammerte sich enger an mich. Offensichtlich mussten wir noch ein bisschen Pärchenzeit miteinander verbringen und ich müsste mich später mit einer kalten Dusche abfertigen. Morgens, so schien es mir, reagierte ich besonders intensiv auf Bella.
Und sie wusste das.
Sie drängte mich, mein T-Shirt auszuziehen und zog sich selbst ihr Schlaftop aus. Allein dieser Anblick brachte mich beinahe dazu, den Verstand zu verlieren. Als sie sich dann auch noch direkt auf mich legte und unsere nackten Oberkörper aneinander drückte, war es aus. Ich biss mich an ihrem Hals fest und drehte uns, bis sie auf dem Rücken lag. Sofort umschlangen mich ihre Beine und sie stieß sich mir rhythmisch entgegen. Ich ging darauf ein und rieb mich im selben Takt an ihr.
Sie drückte mir ihre Lippen auf und erstickte so die genießerischen Geräusche, dir ihrer und meiner Kehle entsprangen.
Ich seufzte auf, genau wie Bella.
››Hm‹‹, schnurrte sie und küsste mich ein weiteres Mal zufrieden.
››Nimmersatt‹‹, raunte ich ihr zu.
››Aber du.‹‹
Sie hatte Recht. Wir lagen immer noch umklammert im Bett und ich wollte mich nicht von ihr lösen. Also blieben wir in dieser Stellung, bis Sara-Leigh die erste Regung zeigte.
Bella sprang auf und ging ins Bad. Fünf Minuten später folgte ich ihr und stellte mich selbst unter die Dusche, während sie sich anzog und dann nach draußen ging, um Sara-Leigh anzuziehen.
Kurze Zeit später gingen wir zu dritt nach unten zum Esszimmer. Esme, Carlisle und Alice saßen bereits am Tisch, hatten aber noch nicht begonnen. Wir gingen zu Esme und gratulierten ihr, anschließend setzten wir uns an den Tisch.
››Die anderen drei wollten auch gleich kommen‹‹, sagte Esme. Mehr zu mir, denn Bella war schon vollkommen von Alice eingenommen. Tante Alice, wie wir sie ab jetzt zu nennen hatten.
››Der Ring ist so schön‹‹, schwärmte Alice. Sie reichte Bellas gesamten Arm zu Esme hinüber, die ihn allerdings schon gestern ausführlich betrachtet hatte. ››Wo hast du ihn her?‹‹
››Tut das wirklich was zur Sache?‹‹ fragte ich wenig begeistert von der Frage.
››Klar, ich muss doch wissen, wo ich Jasper zu gegebener Zeit hinschicken muss‹‹, antwortete Alice völlig überzeugt. Offensichtlich hatte sie meinem Ton nicht entnommen, dass ich darauf lieber keine Antwort geben wollte.
Bella zuckte mit den Schultern, nickte mir aber zu. Irgendwann würden sie es vermutlich sowieso erfahren.
››Glass Juwelery‹‹, antwortete ich schließlich.
››Aber… der ist doch hier. Hat der auch eine Niederlassung in Chicago?‹‹
››Nein, soweit ich weiß, ist hier die einzige. Ich habe ihn zumindest hier gekauft.‹‹
››Wann? Internetbestellung?‹‹
Bella strich sich schnaufend ihre Haare zurück. Eine leichte Röte zeichnete ihre Wangen. ››Alice, er hat ihn vor unserem High School Abschluss hier gekauft.‹‹
››Oh‹‹, machte Alice. Spätestens jetzt musste sie verstanden haben, dass ihre Fragerei nicht ganz angebracht war.
Betretene Stille breitete sich aus.
Bella schaute leicht verzweifelt zu mir, was ich aber nur mit einem Schulternzucken beantwortete. Ich konnte über die Zeit zwischen unserem Abschluss und heute hinwegsehen, sie sollten es auch können.
Die anderen würden die Stimmung sicher wieder lockern. Lange mussten wir auch nicht auf sie warten.
Rosalie schloss Bella direkt in eine herzliche Umarmung und gratulierte ihr zur Verlobung. Anschließend brannte auch sie darauf, endlich unser kleines Mädchen kennen zu lernen.
Als auch noch Jasper und Emmett dazukamen, vergrub Sara-Leigh sich schüchtern zwischen Bella und mir. Das waren jetzt sicherlich zu viele neue Gesichter auf einmal. Nicht einmal der größte Wildfang würde damit zurecht kommen. Und sie stand im Mittelpunkt des Interesses.
Das Geburtstagsfrühstück wurde serviert. Rosalie und Emmett erzählten von ihrem Leben in Los Angeles. Sie waren nach ihrem Collegeabschluss dorthin gezogen. Rosalie arbeitete derzeit an einem Theater, hoffte aber darauf irgendwann eine Rolle für einen Film in Hollywood zu bekommen. Emmett war in einem Fitnesscenter angestellt, als persönlicher Fitness- und Ernährungsberater.
Auch Alice und Jasper erzählten von ihrem Leben. Alice war in ihrem letzten Jahr für Modedesign und war offensichtlich so gut, dass sie schon einige Stellenangebote hatte. Sie war derzeit am überlegen, ob sie vorerst Erfahrungen sammeln sollte, oder sofort mit ihrer eigenen Firma anfangen. Wir wussten, Jasper würde sie immer unterstützen. Und das Geld war auch da, denn Jasper hatte es zum Baseballspieler der Minor League gemacht, mit Aufstiegschancen.
Zu guter letzt wurden auch Bella und ich ausgefragt. Ich erzählte kurz von meiner Arbeit im Krankenhaus, während Bella die ganze restliche Mahlzeit und darüber hinaus vom Waisenhaus erzählte, kräftig unterstützt von mir.
››Das muss wirklich etwas ganz besonderes sein, dort‹‹, meinte Esme schließlich.
››Es ist wunderbar. Ich liebe meine Arbeit‹‹, schwärmte Bella direkt weiter.
››Da scheint meine Spende auch gut angelegt zu sein‹‹, schmunzelte Carlisle.
››Das ist sie. Und vielen Dank noch mal, das war wirklich mehr als großzügig. Edward war dafür, dass das alte Haupthaus renoviert würde, die Arbeiten werden nächstes Frühjahr beginnen. Und wie es bis jetzt scheint, werden wir dann noch Geld davon übrig haben. Wie genau wir das anlegen werden, wissen wir noch nicht, aber es wird sich ohne Zweifel etwas finden.‹‹
››Gebt es den Kindern als Taschengeld‹‹, meinte Carlisle.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob das ein Vorschlag oder eine Aufforderung war.
››Das ist eine gute Idee. Ab und zu sollten auch mal die Kinder eine Chance haben, sich selbst etwas leisten zu können. Sie müssen immerhin auch lernen mit Geld umzugehen.‹‹
Und schon war Bella mit Carlisle in ein Gespräch über Geld, Kinder und gute Anlagen vertieft. Meine kleine Finanzberaterin.
Ich setzte mich währenddessen zu Mom, die rundum glücklich schien.
Am Nachmittag kamen neben Charlie und Sue noch einige andere Freunde und Bekannte der Familie. Selbst Rosalies und Jaspers Eltern zwängten zwei Stunden Familie in ihren engen Zeitplan, was die beiden sehr glücklich machte. So konnten sie auf ihrem Kurzurlaub auch ihre Eltern sehen.
Wir verbrachten einen schönen Abend, zogen uns aber schon früher, als die anderen, zurück, als Sara-Leigh schläfrig wurde. Bella und ich wollten sie in dem großen, fremden Haus nicht alleine lassen.
Während Sara-Leigh langsam einschlummerte, setzten wir uns zusammen auf die Couch und sahen einen Film an, die Lautstärke weit runtergedreht.
››Ich erinnere mich, wie wir hier waren, als wir Elizabeth hatten‹‹, seufzte Bella leise neben mir.
Ich lachte leicht. ››Du hast mir das Leben zur Hölle gemacht.‹‹
››Stimmt ja gar nicht. Außerdem hast du von Anfang an falsche Signale gesendet‹‹, empörte sie sich. ››Weißt du noch, den einen Sonntag, als wir am Computer saßen und Lauren diese Videounterhaltung wollte?‹‹
››Wie könnte ich das vergessen?‹‹ Dieses Mal lachte ich richtig. ››Und wie sie dann am nächsten Tag krank war und an dem darauf ach so glücklich verliebt mit Mike war.‹‹
››Ich hatte ihnen keine Woche für ihr Schauspiel zugetraut. Aber irgendwie muss daraus so was wie Liebe geworden sein. Brr.‹‹ Bella schüttelte sich.
››Solange dich dieser Miketyp nur in Ruhe gelassen hat, war mir das egal.‹‹ Allerdings ekelte mich auch die Vorstellung an die beiden an.
Bella zog sich auf meinen Schoß. ››Aber wir konnten ihnen noch jedes Mal zeigen, wie es richtig geht.‹‹ Damit küsste sie mich verlangend, genau wie damals, wenn wir uns Bilder verwischen mussten, die wir eigentlich nicht gesehen haben wollten. Blind tastete ich nach der Fernbedienung und schaltete den DVD-Player aus. Ich fasste unter Bellas Po, drückte sie näher an mich und stand auf. An meinem Bett ließ ich sie wieder runter und legte mich neben sie. Mit meiner Hand fuhr ich den Reißverschluss ihres Pullovers nach, öffnete ihn schließlich neugierig. Langsam zog ich ihr die Weste aus und streichelte über ihre nackten Arme. Mein Körper rutschte automatisch noch dichter an ihren heran, unsere Beine verwoben sich ineinander. Ihre Hand streichelte meine Wagen, meinen Hals und legte sich in meinen Nacken.
››Ich liebe dich‹‹, flüsterte sie mir entgegen.
Ich zog sie an meine Brust, atmete tief ein, als sie so nah bei mir war. Ich hauchte ihr einen Kuss auf die Haare.
››Ich liebe dich auch‹‹, seufzte ich zufrieden.


17 Christmas Preparation

Frustriert saß ich an meinem Laptop in meiner Wohnung.
Am vorherigen Abend war im Waisenhaus eine Besprechung die Weihnachtstage betreffend gewesen. Die Freiwilligen hatten angegeben, an welchen Tagen sie aushelfen könnten – es war schön gewesen, dass eine gute Mittellösung gefunden werden konnte, sodass immer genug Personal im Haus war. Wir hatten nun auch ein Thema für das Weihnachtsfest, nicht meine Idee, dafür aber Bellas. Das gute an ihrer Idee, was wahrscheinlich auch alle letztendlich dazu gebracht hatte, für diese zu stimmen, war, dass sie sich über die gesamte Vorweihnachtszeit erstrecken konnte. Frustriert war ich nun, weil ich meinen Aufgabenbereich, um es perfekt zu machen, nicht erfüllen konnte.
Es war erst Mitte November, aber trotzdem schienen sämtliche Kostümverleihe in Chicago nicht in der Lage für den nächsten Monat so viele Kostüme zu bestellen, dass es für das gesamte Waisenhaus ausreichen würde. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass wir ihnen nicht so viel bezahlen konnten und mitunter auf eine kleine Spende angewiesen waren. Es zuckte in meinen Fingern, mein eigenes Geld dafür zu verwenden, allerdings hatte ich Kate hoch und heilig versprechen müssen, nicht noch mehr Privatgeld in das Waisenhaus einfließen zu lassen. Sie hatte auch Recht, die Buchhaltung musste unter dem Strich stimmen.
Letztendlich sah ich nur noch eine Möglichkeit, wie wir alle am Weihnachtsabend in Kostümen, den letzten Jahrhunderten entsprechend, zusammenkommen könnten. Grundsätzlich fand ich es in jeglicher Hinsicht eine ausgezeichnete Idee, nur gab es einige Einschränkungen zu machen, die eingehalten werden mussten.
Seufzend griff ich nach dem Telefon. Einen Versuch war es wert, sie konnte auch nein sagen.
››Cullen?‹‹ meldete sich meine Schwester nach zweimaligem Klingeln.
››Hey Alice.‹‹
››Brüderchen!‹‹ quietschte sie. ››Ich habe gar nicht damit gerechnet, so schnell wieder von dir zu hören.‹‹
››Du weißt doch, ich bin immer für eine Überraschung gut!‹‹
››Was willst du?‹‹
Ich grummelte. Manchmal war meine Schwester einfach ein bisschen zu hellsichtig.
››Ich kenne deinen Tonfall‹‹, lachte sie, wie als hätte ich diese Aussage laut gemacht.
››Okay, okay, du hast recht, ich wollte dich um einen kleinen Gefallen bitten‹‹, gab ich zu.
››Immer heraus damit.‹‹
››Du hast mitbekommen, dass Bella und ich Weihnachten im Waisenhaus verbringen, richtig?‹‹
››Ja, und danach sind es nicht einmal mehr drei Wochen, bis ihr verheiratet seid‹‹, freute sie sich.
››Äh, ja‹‹, antwortete ich etwas aus der Bahn geworfen. Ich schüttelte kurz meinen Kopf. ››Jedenfalls steht dort jedes Weihnachten unter einem Thema, dieses Jahr ist es Weihnachten in der Geschichte. Das Problem, welches wir jetzt haben, wir können uns keine volle Ausstattung für Kostüme leisten und da dachte ich mir-‹‹ weiter kam ich nicht.
››Oh, wirklich, wirklich? Das wäre so toll! Wann soll ich kommen?‹‹ rief mit Alice begeistert entgegen.
››Nein, du musst mich nicht ausreden lassen‹‹, entgegnete ich ihr vorerst ironisch, anstatt einer Antwort. ››Die Kinder beginnen mit den Vorbereitungen für das große Fest ab dem ersten Dezember. Aber, Alice, ich werde dir nur erlauben, aber der dritten Woche zu kommen. Du hast schließlich deine Abschlussarbeiten!‹‹
››Überverantwortungsvoller Bruder‹‹, brummte Alice in den Hörer. ››Die Arbeiten sind doch ein Klacks, außerdem habe ich schon angefangen zu lernen. Aber das wird so ein Spaß!‹‹ freute sie sich. ››Hör zu, ich werden sofort einige Ideen zu euch schicken, okay? Zusammen mit einigen Stoffen, aber auch eine Liste mit Stoffen, die wir noch brauchen werden, dass du die besorgen kannst. Und während ich dir nun die Arbeit abnehme, willst du mir und Jasper nicht einen Flug buchen?‹‹
››Jasper will auch mitkommen?‹‹ fragte ich überrascht. Wahrscheinlich wurde er nicht gefragt, sondern mitgeschleppt.
››Und du wirst für Hin- und Rückflug zahlen‹‹, juchzte Alice. ››Ich muss mein Geld für das Shopping in Chicago sparen, immerhin war ich da noch nie.‹‹
››Oh Freude‹‹, lachte ich. ››Danke, dass du mir hilfst. Ich werde mich sofort um eure Flüge kümmern. Wäre das dritte Dezemberwochenende okay?‹‹
››Natürlich, vielleicht ein oder zwei Tage früher‹‹, chirpte sie. ››Bis bald, Bruder, ich habe zu tun.‹‹
››Grüß Jasper von mir‹‹, rief ich noch, nicht sicher, ob sie es hörte, bevor sie auflegte.
Ich schmunzelte leicht. Meine Schwester.

Ich fuhr am nächsten Tag direkt vom Krankenhaus zum Waisenhaus, suchte nach Kate und bat sie, mit mir ins Büro zu gehen. Noch sollten die Kinder nichts von unseren Plänen für ihr Weihnachten wissen.
››Edward, was kann ich für dich tun?‹‹ fragte Kate, sobald wir auf der bequemen Couch platz genommen hatten.
››Es geht um die Kostüme‹‹, begann ich. ››Ist für das dritte Wochenende schon ein Workshop für die Kinder geplant?‹‹
››Nein, du bist der erste, der auf mich zukommt, demzufolge ist noch alles offen.‹‹
››Gut‹‹, meinte nickend.
››Sollte da etwa erst die Anprobe sein?‹‹ fragte Kate.
››Nun, so kann man es wohl nicht direkt nennen‹‹, sagte ich langsam. ››Ich habe gestern Nachmittag bei allen Kostümverleihen und Theatern angerufen. Allerdings hatten die nicht die richtige Menge und gute Größen und aufgeteilt und hochgerechnet ging der Preis über das absolute Limit. Also hatte ich eine andere Idee.‹‹
Kate schien skeptisch, aber neugierig. ››Sie wäre?‹‹
››Meine Schwester macht eine Ausbildung zur Designerin und sie würde sich sehr freuen, wenn sie uns dabei helfen könnte, die Kostüme zu schneidern.‹‹
››Schneidern?‹‹ Kate nickte nachdenklich. ››Ich denke nicht, dass wir viele Jungen dafür begeistern können. Manche Mädchen würden sich aber vielleicht bereit erklären, mehr als ihr Kleid zu entwerfen. Wahrscheinlich würden wir dazu aber mehr, als ein Wochenende brauchen, oder?‹‹
››Tut mir Leid, da kenne ich mich nicht aus. Alice, meine Schwester, schien aber sehr begeistert von der Idee zu sein. Sie könnte sich Nächte um die Ohren schlagen, nur zum schneidern. Sie hat mir bereits einige Entwürfe geschickt, die ich ausgedruckt habe.‹‹ Ich legte Kate den Umschlag auf den Tisch. ››Außerdem hat sie versprochen einige Stoffe zu schicken und zudem eine Liste mit welchen, die zu besorgen seien. Wenn du einverstanden bist, würde ich die sobald wie möglich besorgen.‹‹
››Ich finde es tatsächlich eine gute Idee. So etwas hatten wir noch nie, unsere Kostüme selbst zu kreieren.‹‹ Sie ging durch die verschiedenen, gedruckten Blätter. ››Das ist wirklich sehr nett von deiner Schwester. Wann will sie kommen?‹‹
››Ich habe ihr und ihrem Freund einen Flug für den siebzehnten Dezember gebucht. Sie werden fünf Tage bleiben. Das ist hoffentlich genug, um die Kleider fertig zu stellen. Und die Kinder haben dann auch schon Ferien, oder?‹‹
››Die meisten. Aber ob man sie fünf Tage an dasselbe Projekt hängen kann?‹‹
››Man könnte es stufenweise machen‹‹, schlug ich vor. ››Ich denke kaum, dass ein einzelnes Kleid fünf Tage dauern wird. Am besten wäre wahrscheinlich, wir würden mit den jüngsten anfangen und uns täglich nach oben arbeiten. Was denkst du?‹‹
››Bestimmt die beste Lösung. Ich mag die Idee. Du hast freie Hand alles so zu entwickeln, wie es am besten passt. Und vielleicht zeigst du Miranda die Entwürfe, es wäre möglich, dass sie das für ihre Dekoration etwas inspiriert.‹‹
››Werde ich. Danke‹‹, sagte ich zufrieden und glücklich.
››Und vergiss nicht, dich in den Plan einzutragen, welche Tage dir gehören sollen!‹‹ erinnerte mich Kate.
Das würde ich nicht.
Ich verließ das Büro, dicht gefolgt von Kate. Ich musste nach Bella suchen. Wenn sie nicht zu beschäftigt war, würde ich sie für einen Moment zur Seite nehmen und sie auf den neusten Stand der Dinge zu bringen.
An Esmes Geburtstag hatte sie sich sehr gefreut, Alice wieder zu sehen. Beide Frauen hatten allerdings darüber getrauert, dass sie sich an Weihnachten nicht sehen konnten, jetzt da unsere Familien wieder zusammen gehörten. Umso mehr würde Bella sich hoffentlich freuen, dass sie Alice bis zwei Tage vor Weihnachten zu Besuch hatte.
Ich lehnte mich in den Türrahmen des Speisesaals, der zu diesem Zeitpunkt noch als Hausaufgabenzimmer verwendet wurde. Bella saß mit der kleinen Demi über deren Bücher gebeugt, allerdings wohl nur, um sie zu beaufsichtigen.
Ich machte nicht auf mich aufmerksam, sondern wartete, bis ihr Blick das nächste Mal prüfend durch den Raum gleiten würde.
Ein Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht und ich winkte sie zu mir. Sie streichelte dem Mädchen einmal über den Rücken, sagte etwas und kam dann zu mir. Ich zog sie mit mir in das, jetzt, unbenutzte Büro.
››Bist du schon lange da?‹‹ fragte sie etwas außer Atem.
Ich drückte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen. ››Nicht so lange. Ich wollte dich was fragen.‹‹
Wir setzten uns auf das Sofa.
››Okay‹‹, forderte sie mich auf.
››Hättest du was dagegen, wenn ich die Woche vor Weihnachten für ein paar Tage zu dir ziehe?‹‹
››Nein?‹‹ fragte sie überrascht, ohne nachzudenken.
››Gut, denn meine Wohnung wird in der Zeit belegt sein.‹‹
››Von wem?‹‹ wollte sie neugierig wissen.
››Meine Schwester und ihr Freund gedenken dem Waisenhaus einen helfenden Besuch abzustatten‹‹, klärte ich sie auf.
››Alice kommt?‹‹ fragte sie aufgeregt, hüpfte auf der Stelle. Allerdings beruhigte sie sich schnell wieder. ››Was ist ein helfender Besuch?‹‹
››Sie will bei den Kostümen für Weihnachten helfen.‹‹
Irgendwie schien Bella diese Information zu beruhigen. ››Gut. Ich dachte für einen Moment, sie würde kommen, um die Hochzeit umzuwerfen. Ich mag, was wir geplant haben.‹‹
››Vielleicht solltest du ihr das noch einmal versichernd sagen‹‹, bemerkte ich mit einem kleinen Lächeln. Alice würde es schaffen, sowohl alle Kleider herzustellen, als auch unsere komplette Hochzeit neu zu planen.
››Das ist eine gute Idee‹‹, meinte sie schließlich. ››Ich freue mich schon darauf. Ich denke, ich werde Alice darin täglich unterstützen.‹‹
Ich lächelte über bei Begeisterung. Hoffentlich würde ich sie überreden können, auch etwas für mich zu entwerfen, ich selbst würde bestimmt keine Nadel auch nur anrühren, selbst wenn es mein Planungsbereich war.
Bella schob sich auf meinen Schoß, legte ihren Kopf an meine Schulter und pustete gegen meinen Nacken. Ihre Hand kitzelte meinen Adamsapfel. ››Ist das der einzige Grund, aus dem du bei mir wohnen willst?‹‹
››Ich bin um jede Ausrede froh, dass ich mich bei dir einnisten kann‹‹, antwortete ich ernst. ››Und wenn es mir gefällt und du brav bist, vielleicht könnte ich mit mir reden lassen, länger zu bleiben.‹‹
››Als würdest du freiwillig fernbleiben‹‹, lachte sie.
Ich fühlte mich durchschaut. ››Was soll ich sagen? Ich liebe es einfach, Zeit mit meiner verlobten zu verbringen.‹‹
››Hm‹‹, schnurrte sie. Es ging schnell in ein Grummeln über. ››Deine Verlobte muss jetzt aber leider weiterarbeiten.‹‹ Sie rutschte von meinem Schoß. ››Ich freue mich auf nächstes Wochenende.‹‹
››Ich mich auch‹‹, antwortete ich ehrlich. ››Sehr.‹‹
Sie hatte diese Woche Nachtschicht, weswegen wir nur schlecht die Abende gemeinsam verbringen konnten.
››Bleibst du noch etwas hier?‹‹ wollte sie wissen.
››Nein, ich wollte noch in die Bibliothek und etwas an meinem Bericht arbeiten.‹‹
››Okay‹‹, seufzte sie.
Ich stand nun ebenfalls auf und zog sie in eine feste Umarmung. ››Morgen bleibe ich länger, versprochen.‹‹
Sie küsste mich zur Antwort und zum Abschied.

Dezember kam schnell und mit ihm der erste Wochenendworkshop für die Kinder. Alle verfügbaren Helfer kamen zu diesen, was das Haus ziemlich voll machte. Das Wetter war sehr ungemütlich, weswegen die nicht teilnehmenden Kinder kaum nach draußen fliehen konnten.
Der erste Workshop widmete sich der Hausdekoration – die Mädchen waren hauptsächlich dahinter her etwas für ihre Zimmer herzustellen. Wir Helfer waren eher auf die Hausdekoration fokussiert.
Am Nachmittag stand die Pflicht aller Jungen und männlichen Helfer aus, auf welche ich mich schon gefreut hatte, seit ich das erste Mal davon gehört hatte. Es war ein Bus gemietet worden und wir würden alle zusammen losziehen, um nach schönen Tannen in einem Wald unweit der Großstadt zu suchen. In der früheren Zeit das, was die Männer zur Hausdekoration beitrugen. Zwar durften wir die Bäume nicht selbst fällen, aber es versprach trotzdem großen Spaß.
Das Wetter war leider nicht geeignet für die perfekte Weihnachtsstimmung. Zwar hatte es über die letzten Tage geschneit, aber meist war es zu warm für richtig schöne, weiße Flocken gewesen und das grauweiß, das den Wald zierte, war matschig und ließ uns frieren.
Der Förster führte uns zum ›Christbaumkindergarten‹. Ich blieb mit Jonathan und den kleineren Jungen in der vorderen Hälfte, wo die kleineren Bäume standen, während Jacob mit den Teenagern in den hinteren Teil zu den großen ging. Wir sollten nach einem großen Baum für den Eingang zum Haupthaus und sechs kleineren suchen. Vier für die Eingangsbereiche der Schlafhäuser, einen für den Speisesaal und einen weiteren für das Kino. Der Förster hatte uns versprochen, sie in den nächsten Tagen zum Waisenhaus zu bringen – wir mussten nur für die Bäume, nicht aber für den Transport zahlen.
Die Jungen hatten ihren Spaß zwischen den Bäumen herum zuspringen und auf jeden einzelnen der Bäume zu zeigen. Alles in allem war es aber an mir und Jonathan letztendlich die richtigen Bäume auszusuchen. Bis auf den sechsten, denn sobald die Teenager mit Jacob zurückkamen, suchten sie den für ihren Eingang aus. Sie waren alt genug sich auf einen zu einigen.
Nachdem alle Bäume für uns markiert waren, bekamen wir alle vom Förster eine kleine Einführung in das Fällen von Bäumen mit einer Axt, mit kleinen Bäumen durften die Älteren es auch schon selbst probieren, während wir anderen uns gierig an unserem mitgebrachten, heißen Punsch bedienten.
Es war ein erfolgreicher Nachmittag, offensichtlich nicht nur für uns, denn als wir zum Waisenhaus zurückkamen, strahlte uns dieses schon weihnachtlich entgegen. Einige Lichter zierten den Eingang, über dem Eingang hing ein Mistelzweig – ich sollte dort stehen bleiben, bis Bella kam.
Auch das Innere des Hauses zeigte Fortschritte. Zwar, so die Frauen, waren sie noch lange nicht fertig, aber in mir machte sich bereits weihnachtliche Stimmung breit. Mir fiel auf, dass ein Hauch Orange und Zimt in der Luft lag. Ich mochte diesen Geruch.

Das nächste Wochenende herrschte in der großen Waisenhausküche ein erbitterter Geschlechterkampf. Mädchen und Jungen traten gegeneinander an, die besten Weihnachtskekse zu backen, drei unparteiische und vor allem unbeteiligte Juroren, es handelte sich um Ellen von den Mädchen, Ian von den Jungen und Sandy von den Helfern, würden am Ende des Tages sämtliche Kekse in zweimaliger Ausführung probieren. Ihre Wahl würde entscheiden.
Wir männlichen Teilnehmer strengten uns sehr für unseren Stolz an, während es von der Mädchenseite eher entspannt zuzugehen schien. Wir nahmen uns vor ihnen zu zeigen, wer die wahren Küchenchefs waren!
Die Pflicht verlangte von uns sehr viele verschiedene Sorten. Manche mit Streuseln verziert, einige mit Zuckerguss, andere ohne alles. Wir machten Gingerbread und Zimtsterne, Dominowürfel und Schokoladenkekse, Butter- und Gewürzplätzchen, einfach alles, was das Weihnachtsherz begehrte. Zwischendurch ließen wir es uns nicht nehmen, unseren Teig selbst zu probieren.
Es war ein langer Tag und in der Küche wurde uns allen wirklich warm, die Ofen rauchten. Aber wir hatten zufrieden stellende Ergebnisse. Nur selten machte sich verbrannter Geruch breit, sowohl von der Jungen- als auch von der Mädchenseite. Ich konnte nicht sagen, von wem öfter. Eine kleine Gruppe wurde von der Hauptbackgruppe abgezweigt, die sich um die erkalteten Plätzchen in einem Nebenraum kümmern sollten. Sie mussten sie nicht nur gut verpacken, sondern auch die drei Plätzchen aussuchen und markieren, die den Juroren vorgelegt werden sollten.
Ich war zuversichtlich, dass wir den einen oder anderen Punkt ergattern könnten.
››Hm, hier riecht es aber gut!‹‹ Bella kam mit einem lauten ›Hallo‹ in die Küche, Sarah-Leigh auf den Armen.
Sie war den ganzen Tag außer Haus gewesen, um sich um die Finanzierung der diesjährigen Weihnachtsgeschenke zu kümmern. Es würde, natürlich, für keines der Kinder etwas Großes geben, teilweise Dinge doppelt und vieles davon war gespendet.
Sie kam zu mir, auf die Gegnerseite, was von meinen Mitstreitern nicht gerne gesehen wurde. Schnell versuchte ich meine Hände etwas an meiner Schürze – ja, wir mussten alle Schürzen tragen – abzuwischen und diese gleichzeitig ein wenig abzuklopfen. Ich nahm ihr Sara-Leigh ab und ließ mich auf die Wange küssen. Mehr bekam ich vor den Kindern nicht, und selbst das wurde von ihnen immer mit einem lauten ›Uuh‹ kommentiert.
››Ich hole sie gleich wieder ab, okay?‹‹
Ich nickte und schaute Bella hinterher, wie sie die Küche wieder verließ. Einer der Jungen, ich wusste nicht welcher, da ich zu sehr mit dem anstarren der Tür beschäftigt war, gab mir einen Stoß in die Seite, damit ich wieder in die Realität zurückkehrte. Ich kniff kurz meine Augen zusammen und wandte mich anschließend wieder dem Teig zu, den ich zu bearbeiten hatte. Mit drei großen Schritten ging ich zum Waschbecken und wusch Sara-Leighs Hände, anschließend zog ich einen Stuhl heran, auf den ich mich setzte und das kleine Mädchen auf meinen Schoß. Sie schien einen großen Spaß damit zu haben, den Teig auseinander zu nehmen und ließ zudem Unmengen von Mehl durch die Luft fliegen. Den Teig würden wir offensichtlich am Ende nicht für Plätzchen verwenden können.
Genau das machte ich auch den Jungen klar, die sich beklagten, dass wir ein Mädchen an unserem Tisch hatten – dass sie erst zwei Jahre war, schien sie dabei nicht zu stören.
Bella schien weniger begeistert, dass ich unsere Pflegetochter diesen dreckigen Bedingungen ausgesetzt hatte, schmunzelte aber dennoch ergeben, als sie sah, wie freudig die Kleine quietschte und gar nicht mehr von meinem Schoß wollte.
Nach dem Abendessen war es Zeit für die Entscheidung. Die drei Juroren hatten nur wenig zu essen bekommen, dass sie auch jedes einzelne der vielen Plätzchen voll und ganz genießen konnten.
Die Entscheidung wurde gegen Ende immer knapper. Wir jubelten, wenn wir einen Punkt bekamen und trauerten, wenn die Abstimmung an die Mädchen ging. Doch der wahre Meister zeigte sich mit dem letzten Plätzchen. Mit verbundenen Augen gaben die Juroren uns Jungen den Punkt, woraufhin wir in lauten Jubel ausbrachen. Die männliche Kochkunst hatte sich gegen die Mädchen durchgesetzt. Wir hatten uns angestrengt, wir bekamen den Preis. Nicht, dass es wirklich einen Preis gab, nur das Wissen, dass wir gewonnen hatten.


18 Alice hits the Orphanage

Meine Finger klopften ungeduldig auf eine der wenigen sauberen Stellen des Tisches, an dem ich saß. In meiner anderen Hand hielt ich einen Pappbecher mittelwarmen Kaffees, den ich beinahe übergoss, als ich meinen Arm ein weiteres Mal drehte, um auf meine Uhr zu schauen.
Ich befand mich mittlerweile eine Stunde am Flughafen und würde wahrscheinlich noch weitere dreißig Minuten meine Zeit vertreiben müssen, ehe der Flieger meiner Schwester endlich landete. Ich verwünschte mich, dass ich nicht früher im Internet nachgesehen hatte, ob ihr Flug rechtzeitig gestartet war. Ich hätte diese Zeit gut mit Bella und Sara-Leigh verbringen können, vielleicht ihr etwas bei den Kochvorbereitungen helfen.
Ich seufzte, als die Anzeigetafel sich aktualisierte. Alices und Jaspers Flieger war endlich gelandet. Langsam stand ich auf und begab mich auf den Weg zum Empfangsbereich für die Neuankömmlinge. Auch hier rechnete ich noch ein wenig Wartezeit ein, es würde kein Ding von fünf Minuten sein, die Koffer meiner Schwester vom Laufband zu hieven und hier herauszubekommen. Ich hoffte, sie hatte nicht zu sehr übertrieben, allerdings wollte sie auch noch einige Stoffe mitbringen, Knöpfe, Bänder und Schleifen, die ihr in letzter Minute noch ins Auge gefallen waren.
››Edward!‹‹ rief sie mir begeistert entgegen.
Sie beschleunigte und warf sich in meine Arme.
Lachend fing ich sie auf. ››Ich hab dich auch vermisst.‹‹
Sie umarmte mich noch einmal fest, bevor wir uns beide zu Jasper umdrehten, der gemütlich mit einem Gepäckwagen auf uns zukam. Wir schlugen ein und machten uns anschließend auf den Weg zur Tiefgarage, wo ich geparkt hatte, Jasper und ich jeweils zwei Koffer in den Händen. Einen für ihn, drei für meine Schwester.
Wir fuhren zunächst zu meiner Wohnung, brachten die Koffer nach oben und ich gab eine kleine Führung. Von hier aus fuhren wir weiter zu Bellas Wohnung, Jasper am Steuer. Er sollte später in der Nacht alleine, vielleicht mit der Hilfe des Navigationssystems zurückfinden. Wir hatten ausgemacht, dass die beiden für die paar Tage meinen Wagen haben würden – Jasper musste mir versprechen gut damit umzugehen, da es nur ein Mietwagen war.
››So habe ich es mir immer vorgestellt, wenn sie darüber geredet hat‹‹, meinte Alice, als wir den Parkplatz von Bellas Wohnblock verließen und auf die Eingangstür zu ihrem Haus zugingen. ››Wirklich eine schöne Gegend.‹‹
››Ja, ich hoffe, dass wir im Sommer irgendwo hier eine größere Wohnung finden können‹‹, sprach ich die Gedanken aus, die ich schon etwas länger mit mir herumtrug.
Von Alice kam kein Nörgeln, als ich direkt die Treppen ansteuerte und nicht den Fahrstuhl. Das hatten wir gemeinsam, wir beide hassten diese engen Transportmittel und mieden sie, wenn wir nur konnten. Jasper hatte sich seiner Freundin schon lange angepasst.
››Bella!‹‹ rief Alice erfreut, sobald wir den Wohnbereich betraten.
Ich hatte schon länger einen Schlüssel. Bella hatte ihn mir als nachträgliches Verlobungsgeschenk gegeben.
Die beiden Freundinnen fielen sich in die Arme und schienen sich gar nicht mehr lösen zu wollen. Ich deutete Jasper währenddessen schon einmal an dem gedeckten Tisch platz zu nehmen. Es war nur für vier gedeckt.
››Wo ist Sara-Leigh?‹‹ fragte Alice auch sofort, als sie sich von Bella gelöst hatte und sich dem Tisch näherte.
››Es wäre zu spät für sie geworden. Ich habe sie vor etwa einer halben Stunde ins Bett gebracht‹‹, erklärte Bella.
››Oh schade‹‹, meinte Alice.
Auch ich war etwas traurig. Ich war gerne dabei, wenn die Kleine einschlief. Ich liebte es, sie zu beobachten.
Bella kam zu mir und griff nach meinem Arm, um mich näher an die Küchenzeile zu ziehen. Ich raubte ihr einen kurzen Begrüßungskuss – wir hatten uns den ganzen Tag noch nicht gesehen – und kam anschließend ihrer Anweisung nach, den Auflauf aus dem Ofen zu holen und ihn auf den Tisch zu stellen. Sie brachte noch einen Salat und setzte sich anschließend neben mich.
››Wie war der Flug?‹‹ fragte Bella, als wir uns alle auftaten.
››Gut. Edward hat uns schöne Plätze gebucht‹‹, lächelte Alice zufrieden. ››Es gab ein paar kleine Turbulenzen, aber was kann man in dieser Jahreszeit auch anderes erwarten? Bella, ich hatte gedacht, wenn wir Morgen erst mittags kommen sollen, willst du uns dann am Morgen eine kleine Führung durch Chicago geben?‹‹
››Sprich, sie will die Shopping-Meile sehen‹‹, führte Jasper halb lachend, halb gequält den Satz zu Ende.
››Irgendwie muss ich den Koffer wieder voll bekommen, der durch die Stoffe belegt wurde‹‹, rechtfertigte sie sich.
››Ich bin fast froh, dass ich arbeiten muss‹‹, bemerkte ich.
››Wegen mir gerne‹‹, stimmte Bella dem Vorschlag meiner Schwester zu. ››Keine Sorge, Jasper, ich werde sie schon unter Kontrolle halten.‹‹
Jasper lachte. ››Na dann, viel Glück. Ich werde mich wohl ausklinken und mir die Stadt tatsächlich ansehen. Hast du was dagegen, wenn ich dir ein paar Meilen mehr auf den Wagen fahre, Edward?‹‹
››Kein Ding‹‹, wehrte ich ab. Jetzt freute ich mich nicht mehr so sehr, dass ich arbeiten musste. Ich hätte gerne etwas Zeit mit meinem alten Freund verbracht. Aber dazu würde ich in den nächsten Tagen sicher noch Gelegenheit haben, während die Damen mit schneidern beschäftigt waren.
Das Gespräch ging weiter, über Alices und Jaspers Pläne zu Weihnachten und Neujahr, den Ereignissen im Waisenhaus zu dieser Zeit, bis hin zu unserer aller Wiedervereinigung am zweiten Januar. Alice schien, was Bellas und meine Hochzeit anging, fast aufgeregter zu sein, als wir selbst. Sie forderte von Bella, ihr alles ganz genau zu zeigen; vor allem auf die Halle, die wir gebucht hatten, war sie sehr gespannt. Ich war davon überzeugt, dass sie uns noch von ein paar Dekorationsideen überzeugen wollen würde.
Ziemlich bald nach dem Essen verabschiedeten sich die beiden, sie waren erschöpft nach dem langen Tag.
Ich ging zu Bella und legte meine Hand auf ihre Hüfte. ››Ich gehe nur schnell mit runter und helfe Jasper mit dem Navigationssystem, dann mache ich den Abwasch, versprochen.‹‹ Ich gab ihr einen sanften Kuss auf die Schläfe.
Bella stellte sich auf ihre Zehenspitzen, ich spürte ihren warmen Atem an meinem Ohr. ››Warum spüle ich nicht das Geschirr und wir widmen uns danach etwas anderem?‹‹
››Hm‹‹, machte ich ergeben. Ich drückte ihr einen gierigen Kuss auf die Lippen. ››Ich bin gleich zurück.‹‹
Ich hörte ihr klares Lachen hinter mir, als ich zur Tür hinausstürmte, meiner Schwester auf den Fersen.

Ich fuhr an diesem Nachmittag direkt vom Krankenhaus ins Waisenhaus. Ich war in Bellas Wagen unterwegs, da Jasper meinen hatte. Es war ausgemacht gewesen, dass er Bella und Sara-Leigh am Morgen abholte und sie überall hinfuhr, wo es ihr Herz begehrte.
Allerdings, als ich jetzt am Waisenhaus ankam, sah ich meinen Wagen nirgendwo. Ich parkte an Bellas üblichem Platz und sprang heraus.
Im Waisenhaus begrüßte mich der übliche Lärm der schreienden und lachenden Kinder. Ich begab mich direkt ins Spielzimmer, das für die nächsten Tage zur Schneiderei umgewandelt war. Ich war mehr als Neugierig, wie meine Schwester sich zwischen all den Kindern schlug.
Als ich den Raum betrat, blieb ich überrascht stehen. Nichts erinnerte an das wirre Chaos auf dem Gang, hier waren alle höchst konzentriert. Eines der älteren Mädchen saß an der geliehenen Nähmaschine, ein jüngeres stand neben ihr und beobachtete sie gespannt. Sie hielt eine Rolle Garn in der Hand. Bella war dabei die Stiche eines kleinen Jungen zu verbessern, ermunterte ihn aber gleich darauf, wieder selbst Hand anzulegen. Ein weiteres Mädchen verlangte sofort Bellas Aufmerksamkeit, sie schien ganz verzweifelt wegen ihrem Werk. Bella sprach kurz mit ihr und zauberte wieder ein Lächeln auf das Gesicht des Mädchens. Auch Sandy und Miranda befanden sich im Raum, sie schienen jedoch im Moment nur mit überwachen beschäftigt zu sein. Und meine Schwester? Sie lehnte über einer großen Stoffrolle und durchschnitt sie wild. Es schien auf den ersten Blick keinen Sinn zu machen, aber heraus kam die Rohform eines langen, dunkelbraunen Kleides.
Vorsichtig, um nicht auf etwas zu treten, bahnte ich mir den Weg durch das Zimmer und blieb bei Alice stehen.
››Du bist ganz in deinem Element, was?‹‹ triezte ich sie.
Sie strahlte mich an. ››Es ist einfach wunderbar! Ich liebe es mit diesen Kindern zusammen zu arbeiten. Ich hatte solche Angst davor, dass es komplett schief gehen würde, aber es ist wirklich einfach nur wunderbar. Ich kann verstehen, dass du so gerne hier bist. Möchtest du helfen?‹‹
››Lieber nicht, du wärest ganz sicher nicht mit dem Ergebnis zufrieden.‹‹
››So kompliziert ist es nicht, den Stoff zu mir zu bringen, den ich gerade brauche‹‹, meinte sie vollkommen ernst.
››Ich muss nicht mein eigenes Kostüm machen?‹‹ fragte ich erfreut.
››Ach was, das würde ich mir nicht antun, dir dabei zuzuschauen. Ich habe die Kostüme von dir und Bella schon zu Hause fertig gemacht. Und sollten sich deine Maße nicht verändert haben, wirst du ganz sicher reinpassen.‹‹
››Ich habe kein Mitspracherecht?‹‹
››Nein. Stell dich nicht so an, Bella ist vollkommen begeistert!‹‹
››Daran kann ich mich nicht erinnern, du hast mir immerhin nichts genaues verraten wollen‹‹, hörte ich meine Lieblingsstimme hinter mir. Bella legte eine Hand an meine Seite und gab mir einen Kuss auf die Wange. ››Du bist früh‹‹, stellte sie fest.
››Ja, ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn ich etwas früher komme‹‹, sagte ich sanft. Ich legte meinen Arm um sie und drückte sie an mich. Meine Lippen gierten nach Bellas. Ich musste sie mit einem Kuss auf ihre Schläfe besänftigen. ››Wo ist Jasper?‹‹ fragte ich, wieder an meine Schwester gewandt.
››Der ist nicht lange geblieben, er meinte, er würde gerne noch ein bisschen durch Chicago fahren. Er hätte am Morgen nicht genug Zeit gehabt‹‹, plötzlich kicherte sie. ››Ich glaube allerdings, dass die vielen Kinder, die ganz neugierig seine Hand halten wollten, ihn verschreckt haben.‹‹
››Er schien wirklich etwas gehetzt‹‹, stellte Bella fest.
Armer Jasper, dachte ich. Ob er sich wohl für den Rest der Woche irgendwo verstecken würde?
Es wurde bald Zeit zum zusammen packen, vor dem Abendessen. Zwei Mädchen konnten nach diesem Nachmittag bereits ihre fertigen Kleider vorweisen. Die beiden waren so begeistert vom nähen, dass sie versprachen, die restliche Zeit auszuhelfen. Es gab auch viele fast fertige Kleider. Von den wenigen Jungen, die teilgenommen hatten, waren meist nur die Hemden fertig und teils einen Entwurf für die Hose gefertigt.
Jasper kam rechtzeitig zum Abendessen zurück, dass er mit uns daran teilnehmen konnte.
Wir blieben danach nicht mehr lange, sondern gingen zurück zu Bellas Wohnung. Ich war, zugegeben, überrascht, wie viele Tüten ich zu tragen hatte.
››Hast du etwas schönes für dich und Sara-Leigh gefunden?‹‹ fragte ich, als ich die entsprechenden Tüten im Schlafzimmer ablegte.
Neugierig versuchte ich in eine hineinzuschauen, aber Bella schlug mir sofort auf die Finger.
Sie händigte mir meine Kreditkarte wieder aus. ››Ich habe schöne Sachen gefunden, aber die wirst du nicht sehen. Noch nicht‹‹, zwinkerte sie.
Bevor sie wieder aus dem Zimmer flüchten konnte, schnappte ich sie mir und schlang meine Arme um ihre Taille. ››Und… wann genau werde ich sie zu sehen bekommen?‹‹ fragte ich, meine Stimme etwas belegt.
››Das… werde ich dir nicht verraten.‹‹ Sie küsste mich auf die Nasenspitzen und kämpfte sich dann frei. In eine meiner Hände legte sie ihr und zog mich mit sich ins Wohnzimmer.

Die nächsten Tage verliefen nicht anders, als Alices erster Tag. Jeden Tag, wenn ich vom Krankenhaus kam, wurde im Spielzimmer konzentriert gearbeitet. Sogar Jasper traute sich wieder ins Waisenhaus und half die meiste Zeit Alice mit den Stoffen. Täglich kamen neue, fertige Kostüme auf den Stapel, selbst einige Helfer hatten ihre mittlerweile beendet. Jeder hatte schon an seinem gearbeitet. Außer Bella und mir. Wir wussten immer noch nicht, was sich genau hinter unseren Kostümen verbarg. Was Alice uns schließlich verraten hatte, war, dass wir uns Sara-Leighs Kleidchen anpassen würden. Für mich sah es aus, wie ein Engelskostüm. Strahlend weiß, mit einer Goldkordel. Ich konnte mir keinen Reim daraus machen, denn ich war mir sicher, dass wir nicht als eine Engelsfamilie gehen würden.

Viel zu schnell brach Alices letzter Tag an, am nächsten Morgen würden sie und Jasper zu unseren Eltern fliegen. Es schien sie überhaupt nicht zu beunruhigen, dass noch viele der Kostüme unfertig waren. Bella hingegen fürchtete schon, dass sie einige selbst fertig stellen musste, was sie sich kaum zutraute.
Alice begab sich direkt in das Nähzimmer, wie es mittlerweile umbenannt war. Da sie keine Stoffe mehr schneiden musste, legte sie selbst Hand an den Kostümen an. Jasper und ich hingegen gingen in den Billardraum, in dem einige der Jüngeren beim Darts spielen überwacht werden mussten. Jasper zog mich etwas abseits, so dass wir die noch sehen konnten, sie uns aber nicht hören.
››Kann ich dich was fragen?‹‹ wollte er wissen, er wirkte fast schüchtern.
››Klar‹‹, nickte ich.
››Schau, ich hab das schon eine Weile in meinem Kopf, aber jetzt… ich weiß einfach nicht, ob es noch passt, nach allem, was sich in den letzten Wochen entwickelt hat, verstehst du?‹‹
››Ehrlich gesagt, nein. Ich habe keine Ahnung, wovon du redest‹‹, meinte ich amüsiert.
››Argh!‹‹ stöhnte er. ››Tut mir Leid. Okay. Ich wollte Alice in der nächsten Zeit fragen, ob sie meine Frau werden möchte. Aber ich fürchte, dass das jetzt so klingen könnte, als hätte ich mich unter Druck gesetzt gefühlt. Du weißt, nachdem Rosalie und Emmett schon so lange verlobt sind und du und Bella jetzt heiraten wollt… Das ist es nicht! Ich möchte sie heiraten und eigentlich wollte ich sie an Weihnachten oder Neujahr fragen. Nur jetzt?‹‹
Ich seufzte schwer und klopfte mit meiner Handfläche auf seine Schulter. ››Das hat dich die letzten Tage beschäftigt, was?‹‹
Er zuckte nur mit den Schultern.
››Wenn das dein Plan war, dann solltest du ihn auch durchziehen. Du solltest dich da weder von deiner Schwester, noch von mir beeinflussen lassen. Es hat nichts mit uns zu tun, sondern mit dir und Alice. Und ich denke, du kennst die Antwort meiner Schwester bereits, nicht?‹‹
››Ich hoffe doch‹‹, grinste er schwach. ››Und du denkst nicht, dass es dann einfach nur nachgemacht aussieht?‹‹
››Nein. Du kannst es natürlich erklären und ich werde dir dann auch den Rücken stärken, aber da das wirklich von Anfang an dein Plan war, wird Alice das auch so verstehen. Und das ist doch das wichtigste, oder?‹‹
››Ich denke. Danke, Alter.‹‹
››Klar‹‹, sagte ich. ››Und du willst mir jetzt also meine einzige Schwester nehmen?‹‹ fügte ich ernst hinzu.
Jasper schaute mich einen Moment erschrocken an, nickte dann aber selbstbewusst.
››Na, dann werde ich sie dir wohl anvertrauen‹‹, lachte ich. Ich wusste, dass er gut zu ihr sein würde und auch, dass er alles war, was Alice wollte. Aber manchmal musste selbst ich meine Rolle als Bruder behaupten. ››Ich finde es toll. Dann werden wir wohl bald die nächste Hochzeit haben. Alice wird kaum eine lange Verlobungszeit haben wollen.‹‹
››Wahrscheinlich nicht, nein. Ich kann es kaum abwarten, sie in weiß zu sehen.‹‹
››Ich weiß, was du meinst.‹‹ Vor meinem inneren Auge tauchte sofort ein Bild von Bella auf. Aber ich wusste, dass das der Realität niemals gerecht werden konnte. ››Hast du schon einen Ring?‹‹
››Schon eine Weile. Ich habe ihn gekauft, sobald ich es mir in den Kopf gesetzt habe. Auch wenn mir zu dem Zeitpunkt klar war, dass ich sie noch nicht fragen würde. Er ist zwischen meinen Socken in meinem Koffer.‹‹
››Dann lass uns hoffen, dass sie ihn da nicht findet.‹‹
››Ich bin recht zuversichtlich, dass ich ein gutes Versteck gefunden habe. Lass uns über etwas anderes sprechen… du wirst doch Bella nichts sagen?‹‹
››Es gibt nicht viel, dass ich ihr verschweige, aber das wir definitiv eines der Dinge sein.‹‹
››Danke.‹‹

Wir aßen an diesem Abend nicht im Waisenhaus, sondern fanden uns im River North Hotel ein. Jenes Hotel, in welchem Bella und ich nach all diesen Jahren wieder aufeinander getroffen waren.
››Ich möchte alles ganz genau hören!‹‹ forderte Alice.
Bella legte unsere verschränkten Hände auf den Tisch und begann zu erzählen.
Ich wusste nicht, ob ich diese Erinnerung als gut oder schlecht behalten sollte. Im Nachhinein war es sicher gut, denn dieses Treffen hatte uns hier her gebracht. Allerdings, das Treffen selbst war eine wenige schöne Erinnerung. Ich erinnerte mich, wie angespannt ich gewesen war. Wie würde Bella reagieren, wenn sie mich dort sitzen sah? Gleich wieder verschwinden, schreien… oder eben so, wie sie letztendlich reagiert hatte. Sie hatte an ihr Waisenhaus gedacht und schließlich, nachdem wir über alle geschäftlichen Dinge gesprochen hatten, konnte ich ihre harte Schale etwas knacken und sie Privat ein wenig ausfragen. Der Anfang von etwas Großem.
Ich denke, das war der Grund, aus dem ich dieses Restaurant für das heutige Abendessen ausgesucht hatte.
Ich hauchte Bella einen leichten Kuss auf die Wange. ››Es war eine der besten Entscheidungen, die du je getroffen hast, dich zu mir an den Tisch zu setzen.‹‹
››Das weiß ich jetzt auch‹‹, kicherte sie. Sie lehnte sich glücklich gegen meine Schulter.
Unser Essen kam.
Alice seufzte leise. ››Ich wünschte, wir könnten noch ein bisschen mehr Zeit miteinander verbringen. Ich hatte nur so wenig Zeit, etwas von Chicago zu sehen und wir haben auch kaum richtig Zeit miteinander verbringen können.‹‹
››Wir werden sicher nächsten Sommer was arrangieren können‹‹, meinte Bella.
››Genau, ihr seid beide herzlich eingeladen, uns beim Umzug zu helfen‹‹, scherzte ich. ››Dann werden wir alle etwas mehr Zeit haben, ganz sicher.‹‹
››Das ist eine gute Idee‹‹, stimmte Alice begeistert zu. ››Wir werden auf jeden Fall kommen! Oder, Schatz?‹‹
››Ich sehe nichts, das dagegen spricht‹‹, antwortete Jasper.
Er und ich waren bald darauf in ein Gespräch über Baseball vertieft, wie so oft die letzten Tage, während Alice und Bella sich mit Sara-Leigh beschäftigten. Die Tante war ganz darauf fixiert, wie Sara-Leigh ihre Nudeln selbst aß und lachte, wann immer die Kleine sich in großer Aufmerksamkeit wonnte und Unfug anstellte. Bella hingegen versuchte Sara-Leigh dazu zu bringen, anständig zu essen und nicht alles um und an sich mit Tomatensoße zu bekleckern. Ein harter Kampf, den man nicht gewinnen konnte, wie auch Bellas Bluse feststellen musste.
Sara-Leigh war bereits auf meinem Schoß eingeschlafen, als wir uns auf den Heimweg machten. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen vor meiner Wohnung, wo wir die beiden einsammeln würden, um sie zum Flughafen zu bringen. Es würde kein einfacher Abschied werden, aber es gab den Hoffnungsschimmer, dass wir uns bereits in zwei Wochen wieder in Chicago sehen würden.


19 Christmas

››Das kann nicht ihr ernst sein!‹‹ stöhnte ich schockiert, als ich das grauweiße Gewand an meinen Körper hielt.
››Doch, ich glaube, dass genau das ihr ernst ist‹‹, meinte Bella. Sie schien selbst negativ überrascht, konnte aber ein leichtes Lachen nicht verkneifen, als sie in meine Richtung schaute. Sie selbst hatte sich gerade ein nachtblaues Tuch über die Haare gelegt.
Vor einer Stunde hatten wir meine Schwester und meinen Bald-Schwager am Flughafen verabschiedet und hatten nun unsere Chance genutzt, um endlich herauszufinden, was für Kostüme für uns an Weihnachten vorgesehen waren. Wir hatten sie in einer Box in meinem Kleiderschrank gefunden.
››Aber… Aber, das ist ein Kleid!‹‹ brachte ich gerade so hervor. Wie etwas sehr Abartiges, hielt ich das Stück Stoff von mir weg.
››Komm schon, früher haben das alle Männer getragen‹‹, versuchte sie mich zu beruhigen, was aber nichts nutzte, da ich das breite Grinsen in ihrem Gesicht kaum übersehen konnte.
››Ich werde das jedenfalls nicht anziehen‹‹, stellte ich klar.
Bella krabbelte um die Kiste herum zu mir. Spielerisch strich sie mit ihren Fingern über meine Brust. ››Du musst das positiv sehen…‹‹ hauchte sie.
››Was soll daran denn bitte positiv sein?‹‹ Das überstieg meine Vorstellungskraft. Alles, was ich sah, war ein langes, sackähnliches Kleid, in einer weniger schönen Farbe, das ich offensichtlich mit einer dunkelbraunen Kordel um meine Hüfte befestigen sollte.
››Du würdest den Kindern eine riesengroße Freude machen‹‹, sagte sie mit unschuldigem Lächeln.
››Da musst du schon was größeres auffahren.‹‹ So schnell war ich nicht zu überzeugen.
››Nun ja…‹‹ ihre Finger glitten tiefer. ››Es lässt sich auch extrem unkompliziert… ausziehen.‹‹ Damit zog sie am Bund meiner Hose. ››Oder einfach nur hochziehen…‹‹
››Ist das ein Versprechen?‹‹ raunte ich und zog sie unkontrolliert an mich heran.
››Hmhm‹‹, brachte sie unter meinen Küssen an ihrem Hals heraus.

Weihnachten kam schnell. Am vierundzwanzigsten trafen Bella, Sara-Leigh und ich am Nachmittag voll verkleidet im Waisenhaus ein. Bella hatte mich letztendlich überzeugt dieses Gewand anzuziehen und selbst auf die Shorts, die ich darunter noch anziehen wollte, hatte ich schlussendlich verzichtet. Ich erwartete meine Belohnung dafür.
Sara-Leigh sah tatsächlich aus, wie ein Engel. Ihre Latina-braune Haut und die dunklen Locken ließen das weiß ihres Kleidchens noch mehr strahlen. Bella hatte ihr einen goldenen Heiligenstrahl in die Haare gewoben.
Bella war für mich, selbst in diesen vielen Stoffschichten, die attraktivste Frau. Sie hatte einen großen, blauen Stoff, nach Alices Anweisungen, mehrmals um ihren Körper geschlungen. An genau den richtigen Stellen waren Arme gewesen. Zudem hatte sie ihre Haare in ein großes Tuch gewickelt, welches auch noch ihren halben Kopf bedeckte.
Sie schien sich auch nicht viel wohler in ihrer Haut zu fühlen, als ich. Hingegen schien sie aber wirklich jedes Opfer für ihr Waisenhaus bringen zu wollen.
››Da hätte ich doch noch lieber Strumpfhosen getragen‹‹, meckerte ich, als der Wind kalt unter mein Kleidchen wehte, direkt an meine nackten Beine.
››Das wäre noch umständlicher gewesen‹‹, lachte Bella. ››Und manchmal ist es wirklich von Vorteil, wenn man etwas Weiteres trägt, als etwas Enges. Denkst du nicht?‹‹ Sie zwinkerte mir zu und drängte ihren Körper ein bisschen dichter an meinen.
Und genau in dem Moment verstand ich vollkommen, was sie damit sagen wollte.
Die meisten Kinder, vor allem die kleineren, denen wir an diesem Nachmittag begegneten, waren bereits umgezogen und schienen voller Vorfreude auf den Abend. Wir hatten sehr lange darüber diskutiert, ob wir eine europäische Tradition übernehmen und die Bescherung schon am Abend dieses Tages machten, hatten uns aber letztendlich dagegen entschieden. Trotzdem war für die Kinder heute eine besondere Nacht. Sie durften aufbleiben, so lange sie die Augen aufhalten konnten und wenn sie es so wollten, durften sie unter dem großen Weihnachtsbaum in der Eingangshalle schlafen. Einige hatten ihr Lager schon aufgeschlagen, um möglichst nah am Geschehen zu sein.
Wir würden an diesem Abend alle zusammen ein großes Essen haben und anschließend einen Weihnachtsfilm anschauen. Etwas eigennützig ließ ich meine kleine Familie den ganzen Abend nicht aus den Augen. Ich brauchte sie beide in meiner Nähe, mehr denn je. Es war das Fest der Liebe.
Unsere Kostüme kamen im Laufe des Abends von mehreren Seiten auf Lacher. Und mehr als einmal bestätigte ich, dass ich das ganz sicher nicht freiwillig trug. Kate bestand darauf, Fotos nur von uns zu schießen, die sie dann Alice per E-Mail schicken wollte. Bella, als wollte sie mich noch mehr leiden lassen, stimmte begeistert zu. Was war ihr Argument? ››Wir haben noch so wenige Familienfotos!‹‹ Vielleicht könnte selbst ich irgendwann darüber lachen, wenn ich dieses schreckliche Gewand nicht mehr tragen musste.
Es war schon fast wieder spät am nächsten Morgen, als wir in dieser Nacht zum schlafen kamen. Um drei waren die letzten Kinder im Haupthaus eingeschlafen und wir, noch wachen Helfer hatten uns anschließend noch einmal in der Küche zusammen gefunden und auf ein schönes Weihnachtsfest angestoßen. Anschließend hatten wir Weihnachtsmann gespielt und die Geschenke unter den drei Bäumen im Haupthaus verteilt. Jedes Kind musste selbst sehen, wo sich seines verbarg.
Wir hatten für diese Nacht arrangiert, dass Sara-Leigh in dem Zimmer neben Bellas schlief. Natürlich hatten wir den ganzen Abend immer das Babyfon dabei gehabt, glücklicherweise aber niemals gebraucht.
››Ich habe etwas für dich‹‹, teilte ich Bella mit, sobald wir die Tür hinter uns geschlossen hatten – abgeschlossen. ››Es ist etwas nützliches. Außerdem, du kannst nicht verlangen, dass ich dir überhaupt nichts schenke. Das meine einzige Chance mit dir als meine Verlobte.‹‹
››Und nächstes Jahr ist es die einzige Chance im ersten Jahr, dass wir verheiratet sind, und das Jahr darauf die einzige im zweiten und so weiter…‹‹
››Willst du es?‹‹ fragte ich, nicht auf ihr triezen eingehend.
››Ja, bitte‹‹, antwortete sie.
Ich legte die große, viereckige Box auf ihre Handfläche und schaute ihr gespannt in die Augen, während sie sie vorsichtig öffnete. In ihr befand sich ein zehnreihiges, perlenbesetztes Kollier.
Ein sanftes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, während sie fragte, ››Und was ist daran jetzt nützlich?‹‹
››Das ist ganz einfach‹‹, sagte ich sachlich. ››Sie wird sich als nützlich erweisen, sobald du eine Hochzeitseinladung von Alice hast und ich kann dann ganz stolz meine Frau mit einen wunderschönen Halsschmuck präsentieren.‹‹
››Alices Hochzeit?‹‹ fragte Bella nach.
››Wenn du noch nichts gehört hast, wird er wahrscheinlich noch nicht gefragt haben. Aber ich denke, dass das nur noch eine Sache von wenigen Stunden ist.‹‹
››Woher weißt du das?‹‹
››Ich bin Alices Bruder, er hat mich um Erlaubnis gefragt‹‹, antwortete ich ernst.
››Hat er nicht!?‹‹ wollte Bella irritiert wissen.
››Nein, hat er nicht. Er hat mir nur davon erzählt und wollte wissen, ob es komisch wäre, wenn er jetzt, kurz vor unserer Hochzeit, fragt.‹‹
››Wäre es nicht!‹‹
››Genau das habe ich ihm auch gesagt.‹‹
Bella schloss die Box wieder und legte sie auf den Nachttisch. Ihre Arme schlang sie um meinen Hals. ››Danke. Sie ist wirklich wunderschön‹‹, flüsterte sie in meinen Nacken. ››Ich habe übrigens auch was für dich.‹‹ Mit diesen Worten knabberte sie an meinem Ohrläppchen.
››Ja? Was denn?‹‹ Ich war mir nicht sicher, ob ich mich in dem Moment auf ein Geschenk konzentrieren könnte.
››Du musst es nur noch auspacken.‹‹
››Was?‹‹ fragte ich irritiert.
Sie drehte uns um und schubste ich auf das Bett. ››Mich!‹‹
In dieser Nacht bekam ich einen kleinen Einblick in Bellas letzten Shopping Trip.

Wir wurden am nächsten Morgen früh von aufgeregt schreienden Kindern geweckt und schließlich stürmten sie auch unser Zimmer selbst. Wir hatten uns vor dem Schlafen wieder anständig angezogen und auch die Tür aufgeschlossen, für den Fall, dass in der Nacht irgendwas wäre.
››Bella! Edward! Santa Clause war hier!‹‹ hörten wir von allen Seiten, als wir uns auf den Weg zum Haupthaus machten.
Sara-Leigh lag noch ganz verschlafen in meinen Armen. Aber ich war mir sicher, dass auch sie bald von der Aufregung gepackt würde.
Wir stiegen über eine Menge Geschenkpapier in der Eingangshalle, wo sich alle zusammen gefunden hatten. Ich ging mit Sara-Leigh unter den Baum, während Bella sich zu Kate setzte, um ihr ein fröhliches Fest zu wünschen.
››Schau mal, Sara-Leigh, da steht dein Name drauf!‹‹ erklärte ich ihr aufgeregt.
Sie schien sich mehr dafür zu interessieren, dass ich mit ihr sprach, als dass sie auspacken sollte.
Ich brachte ihre kleinen Finger zu den Klebestreifen und half ihr beim öffnen.
››Schau mal!‹‹ rief ich begeistert. ››Ganz viele neue Malstifte. Und ein Malbuch!‹‹
Sara-Leigh quietschte begeistert und packte das Buch mit ihren Händchen. Ich nahm die Stifte, hob sie wieder auf meine Arme und ging zu Bella und Kate.
Bald darauf machten wir uns alle auf den Weg in den Speisesaal. Zur Feier des Tages gab es für jeden Heiße Schokolade zum Frühstück. Genau wie Bella und Kate, griff auch ich lieber nach dem Kaffee, da wir alle nur eine sehr kurze Nacht gehabt hatten.
Wir verbrachten den Tag alle ganz unterschiedlich. Die Kinder beschäftigten sich mit ihren neuen Spielen, malten in Büchern, oder einfach nur auf Blätter. Viele probierten auch die großen Geschenke für alle Mitglieder des Hauses aus, wie die zwei neuen Computer, jeweils einer im Teenager Mädchenhaus und im Teenager Jungenhaus oder das neue Spiel für die Wii-Konsole, Guitar Hero. Ich versuchte es auch selbst, gab aber ziemlich schnell die Gitarre wieder weiter – beziehungsweise musste, da ich zu schlecht war – und ärgerte mich, dass es kein Keyboard als Instrument gab.
Am Nachmittag kam Jonathan und schlug eine große Schneeballschlacht auf der hinteren Wiese vor. Ich zog mir eine Jeans unter mein Gewand, bevor ich mich für längere Zeit nach draußen in die eisigen Temperaturen traute.
››Was hast du deiner Schwester böses angetan, dass sie dich mit solch einem Gewand straft?‹‹ wollte Jonathan schadenfreudig wissen, als wir zu Abend aßen.
››Ich habe keine Ahnung, wirklich nicht. Aber ich verstehe inzwischen, warum wir es erst sehen durften, als sie wieder weg war.‹‹
››Ich finde es eigentlich eine schöne Idee‹‹, meinte Nessie, die auch mit Jacob im Laufe des Nachmittags gekommen war. ››Maria, Joseph und das Christkind. Ihr seid die einzigen, die das hier darstellen können und es ist doch immerhin ein großer und wichtiger Teil von Weihnachten, oder nicht?‹‹
››Du bist auch kein Mann, der zwei Tage in einem Kleid herumlaufen muss‹‹, grummelte ich.
››Hast du nichts drunter?‹‹ feixte Jacob. ››Darf ich nachsehen?‹‹
Alle am Tisch Anwesenden kicherten.
Ich hätte beides verneinen müssen, hätte ich antworten wollen. Die Jeans, die ich früher am Tag angezogen hatte, war über den Nachmittag kalt, nass und ungemütlich geworden.
››Sch, seid leise!‹‹ warnte Bella. ››Da sind Kinder am Nebentisch. Und, wenn das jemand prüft, dann bin das ja wohl bitte ich!‹‹
Ich konnte nicht sagen, ob das begründet war, aber mir stieg augenblicklich Hitze ins Gesicht. Jedes Gesicht an diesem Tisch war auf mich gerichtet, einschließlich Bellas, mit einem frechen Grinsen. Vielleicht war es die Erinnerung an den vorherigen Abend, an dem Bella ausführlich überprüft hatte, was sich unter meinem Gewand befand. Ich musste mich selten so zurücknehmen.
››Hast du denn schon?‹‹ fragte Nessie wissend nach.
››Genug jetzt!‹‹ meinte Bella. Auch auf ihren Wangen hatte sich nun ein leichter Rotschimmer gebildet.
Jetzt ging das Gekicher erst richtig los.
Ich beugte mich zu Bella, strich mit meiner Nase über die Seite ihres Halses. ››Was soll ich sagen? Mir hat es gefallen und ich hätte nichts dagegen, wenn du das noch öfter machst…‹‹
Ich spürte, wie sie in ihrer Bewegung stockte, dann aber mit den Schultern zuckte, um mich dazu zu bewegen, mich wieder normal hinzusetzen.
Noch eine Nacht, dann würden wir wieder zu Hause schlafen.
Während wir an diesem Abend im Filmzimmer saßen, um einen weiteren Weihnachtsfilm anzuschauen, klingelte Bellas Handy. Ich denke, selbst wenn ich nicht direkt neben Bella meinen Platz gehabt hätte, hätte ich verstanden, was der erst Satz des Anrufers war.
››Bella! Ich bin verlobt!‹‹ ertönte die Stimme meiner Schwester, sobald meine Verlobte abgenommen hatte.
Bella lachte, griff nach meiner Hand und zog mich aus dem Raum. Wir gingen in ein leeres Nebenzimmer – fast alle hatten sich im Filmzimmer eingefunden. Bella schaltete den Lautsprecher ein, damit wir beide mit Alice sprechen konnten.
››Herzlichen Glückwunsch‹‹, sagten wir beide.
››Wann hat er gefragt?‹‹ wollte Bella wissen.
››Heute, nach dem Mittagessen, als wir alle spazieren waren. Es war so wunderschön. Stellt euch vor! Es hat ein wenig geschneit! Wir waren etwas hinter den anderen zurück – dein Dad war übrigens auch da, mit Sue, Bella. Und unter dem alten Baum, in den wir vor Jahren unsere Initialen eingeritzt haben, holt er plötzlich ein Taschenmesser heraus und fängt an die Rinde zu bearbeiten. Ich durfte aber nicht sehen, was er macht. Er bat mich, meine Augen zu schließen und ihm meine Hand zu geben. Er legte sie auf die Rinde, auf das neu geritzte. Und es waren zwei ineinander verschlungene Ringe! Ich habe einfach ›Ja‹ gesagt, die Augen noch zu, ohne dass er einen Ton gesagt hat. Es war so… so wunderschön! So perfekt!‹‹
Bella neben mir lächelte selig und griff nach meiner Hand. ››Das klingt wirklich wunderbar. Ich freue mich so für dich, Alice.‹‹
››Und, obwohl ich es kaum für möglich gehalten hätte, mein Ring ist noch schöner, als deiner!‹‹ Ich konnte mir Alice in dem Moment richtig vor stellen, wie sie ihre Hand anhimmelte.
Bella lächelte Kopf schüttelnd. Es freute mich, dass sie das offensichtlich nicht so sah.
››Was haben Mom und Dad gesagt?‹‹ wollte ich wissen.
››Die Gruppe hat irgendwann bemerkt, dass wir nicht mehr bei ihnen waren und haben gewartet. Wir sind ihnen bald nachgekommen und es war, als hätte Mom es schon meinem Gesicht angesehen. Sie ist nur direkt auf mich zugekommen, hat mich umarmt und gesagt, dass sie sich sehr für uns freut. Dad meinte, dass wir ja dann bald die nächste Hochzeit hätten. Darauf kann er Gift nehmen! Ich werde sicher nicht so lange verlobt sein, wie Rosalie. Allerdings wahrscheinlich ein bisschen länger, als ihr. Es muss schon Sommer sein und die Vorbereitung braucht auch etwas Zeit!‹‹
››Dann werden wir im Sommer ja einen weiteren Grund haben, zusammen zu kommen.‹‹
››Ich überlege gerade nur, ob ich lieber bis nach unserem Abschluss warten soll… Ist wahrscheinlich besser. Nur muss ich dann noch länger warten.‹‹
››Alice, Jasper wird dir sicher nicht davon laufen‹‹, versicherte Bella ihre Freundin.
››Ja, ich weiß. Ich kann es nur nicht abwarten, endlich seine Frau zu sein.‹‹
››Meine kleine Schwester‹‹, seufzte ich.
Ich ließ die Damen bald alleine und kehrte ins Filmzimmer zurück. So wild war ich dann doch nicht auf Hochzeitsplanung. Vor allem nicht, wenn es sich nicht um meine eigene handelte. Natürlich hatte ich Bella bei unserer geholfen, aber wir hatten auch einiges weniger geplant, als Alice jetzt schon in ihrem Kopf hatte.
Ich freute mich für meine Schwester. Und für Jasper, dass er sie endlich gefragt hatte und dann auch noch so einen schönen Moment gefunden hatte.
Ob Bella auch gerne so einen Antrag gehabt hätte?
Ich sprach sie in der Nacht in unserem kleinen Zimmer darauf an.
››Nein‹‹, antwortete sie, den Kopf auf meine Brust gebettet. ››Natürlich war der von Alice wunderschön und romantisch und vielleicht hat mein Antrag in meiner Mädchenvorstellung immer anders ausgesehen. Aber in dem Moment, in dem du mich gefragt hast, war er perfekt. Er war für mich perfekt. Für uns. Er hat mir gezeigt, wie sehr du mich und Sara-Leigh liebst und wie viel dir an meinem Glück liegt. Du hättest alles für mich getan, aber gleichzeitig bist du nicht der Typ, der seinen Rahmen sprengt und etwas machen würde, dass er später bereut. Ich wusste einfach, dass es aus ganzem Herzen kommt und das war alles, was zählte.‹‹
››Es kam aus vollem Herzen. Ich würde alles für dich tun‹‹, bestätigte ich.
››Einen Grund mehr für mich, dich abgöttisch zu lieben.‹‹
››Ach ja? Und was sind die anderen Gründe so?‹‹ Ich kniff ihr leicht in die Seite, was sie kichern ließ.
››Das wüsstest du wohl gerne…‹‹


20 Wedding and…

Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr zogen viel zu schnell an Bella und mir vorbei. Kaum hatten wir auf das neue Jahr angestoßen, waren auch schon unsere Familien in Chicago und wir trafen uns am Vorabend unserer Hochzeit zu einem gemeinsamen Abendessen in dem Hotel, in dem alle untergebracht waren.
Bella und ich hatten uns zeitig auf den Weg zum Hotel gemacht, da wir selbst noch einchecken mussten. So schwer es mir fiel, aber wir hielten uns an die Tradition und würden die Nacht vor der Hochzeit nicht miteinander verbringen. Sara-Leigh war bereits im Waisenhaus, Kate hatte sich bereit erklärt dieses Nacht, wie auch die nächsten, ein Auge auf sie zu haben. Der Kleinen war die ganze Aufregung, die gerade um uns herum herrschte, ein wenig viel. Ich konnte sie verstehen, selbst ich kam an meine Grenzen.
Es war nicht so, dass ich kalte Füße hätte, ich wusste, dass ich Morgen mitunter die schönsten Stunden meines Lebens verbringen würde, es war vielmehr die Verantwortung, die auf einem lastete. Und da war diese eine, kleine Sache, die immer noch nicht bestätigt war. Aber ich würde niemanden damit beunruhigen.
Ich brachte Bellas Gepäck auf ihr Zimmer und verabredete mich anschließend mit ihr, uns im Speisesaal wieder zu treffen. Anschließend stieg ich wieder in den Aufzug, um ein Stockwerk höher zu fahren, wo sich mein Zimmer befand, umringt von meiner Familie.
››Edward!‹‹ erklang die Stimme meiner Mutter, als ich gerade meine Tür öffnen wollte.
Ich drehte mich um, sie kam gerade, bereits fertig für den Abend gerichtet, aus ihrem Zimmer.
››Mein Junge‹‹, seufzte sie und zog mich in ihre Arme.
››Hey Mom, schön dich zu sehen‹‹, sagte ich ernsthaft und drückte sie an mich.
Sie löste sich etwas, um mir ins Gesicht zu schauen. Tränen standen in ihren Augen.
››Mom, nicht‹‹, sagte ich leicht gequält.
Sie lächelte leicht. ››Ich versuche es ja zu unterdrücken, aber… mein Junge‹‹, wiederholte sie und schloss mich erneut in eine Umarmung.
››Esme‹‹, hörte ich die sanfte Stimme meines Vaters.
Mom nickte schniefend und trat einige Schritte zurück. Dad zog mich ebenfalls in eine kurze Umarmung.
››Ich muss mich fertig machen‹‹, erklärte ich. ››Wir sehen uns unten?‹‹
Die beiden nickten und gingen in Richtung der Aufzüge.
Ich schaffte es, meine Zimmertür nun ungehindert zu öffnen. Ich verschwendete nicht viel Zeit darauf mich umzusehen, sondern ging direkt in das Schlafzimmer der Suite und zog einen der beiden Anzüge aus dem Schrank. Sie waren schon früher am Tag angeliefert worden.
Ich zog mich um, versuchte meine Haare etwas von dem anstrengenden Tag zu zähmen und verließ das Zimmer wieder. Ich konnte es kaum abwarten, Bella wieder zu sehen. Zu wissen, dass ich die erste Nacht seit langer Zeit ohne sie verbringen müsste, ließ mich nicht gerade auf jene freuen.
Sie war noch nicht da, als ich den Saal betrat, stattdessen schloss ich zu meinen Eltern auf, die sich gerade angeregt mit Charlie und Sue unterhielten.
››Edward!‹‹ Sue sah mich als erste.
››Sure, Charlie, es ist wirklich schön, dass ihr gekommen seid‹‹, begrüßte ich die beiden fröhlich. Ich schüttelte den beiden die Hände und drehte mich dann wieder ungeduldig zum Eingang. Doch anstatt meiner Verlobten, sah ich nur meine beiden besten Freunde eintreten.
Ich begrüßte die beiden mit einem Handschlag. ››Jetzt wird es ernst, Alter‹‹, meinte Emmett abgeschreckt.
››Ich freue mich darauf‹‹, entgegnete ich lachend.
››Das will ich dir aber auch geraten haben‹‹, meine kleine Schwester tauchte neben mir auf. ››Hey Großer.‹‹
Wir umarmten uns, ich hob sie kurz an.
››Wo hast du Bella gelassen?‹‹ wollte sie wissen.
Meine Miene veränderte sich schlagartig. ››Sie ist in ihrem Zimmer‹‹, grummelte ich.
››Eine Nacht, Edward, danach hast du sie für den Rest deines Lebens‹‹, versuchte mich Rosalie zu besänftigen.
››Ich weiß. Ich hätte sie nur am liebsten schon um.‹‹
››Theoretisch‹‹, meinte Emmett, ››musst du dich noch auf eine viel größere Durststrecke einstellen. Immerhin gehst du bald auf deine Uni zurück.‹‹
Alice trat ihm auf den Fuß, Rosalie verdrehte die Augen und Jasper ein Lachen unterdrückend den Kopf schüttelte.
››Danke Emmett‹‹, raunte ich böse. ››Reib das Salz noch tiefer in die Wunde!‹‹
››Sorry, Alter‹‹, meinte Emmett leise.
Ich schüttelte nur den Kopf und wandte mich ab. Es war nicht so, als hätte er nicht Recht. Ich stellte mich wegen einer Nacht so an, obwohl ich doch wusste, dass bald eine ganze Reihe folgen würde. Nur dass sie dann auch nicht in wirklich unmittelbarer Nähe war.
Ein Kellner näherte sich mir und fragte, ob man anrichten könnte. Ich antwortete, dass wir noch eine Person warten würden, es dann aber sofort losgehen würde.
Bella ließ nicht mehr lange auf sich warten. Sie trug ein Knöchellanges, dunkelrotes Kleid, das, wie sie mir später mitteilte, ebenfalls aus dem Shoppingtag mit Alice resultierte. Ich fragte mich, ob sie darunter eben so eine Überraschung trug, wie das letzte Mal, als wir darüber sprachen. Ich würde es nie, zumindest heute Abend nicht, herausfinden.
Bevor wir mit essen begannen, sprach ich einige, kurze Begrüßungsworte, in denen ich alle herzlich Willkommen hieß und, auch im Namen von Bella, unsere Freude bekundigte, dass sie alle für unseren besonderen Tag gekommen waren.
Der Abend verlief ruhig, nichts Besonderes. Es gab nur eine kurze Störung, als mein Handy klingelte.
››Hallo?‹‹ sagte ich, genervt und gleichzeitig hoffnungsvoll.
››Guten Abend Edward, hier ist Mr. Smith-‹‹
An dieser Stelle unterbrach ich ihn. ››Einen Moment, bitte.‹‹
Ich entschuldigte mich vom Tisch und begab mich in den Nebenraum.
Fünf Minuten später kehrte ich voll und ganz zufrieden mit der Welt wieder an den Tisch zurück.
››Wer war das?‹‹ flüsterte Bella mir zu.
››Nichts wichtiges‹‹, wehrte ich schnell ab.
Sie hob eine Augenbraue, fragte aber nicht weiter nach.
Es war eine lahme Lüge, das war mir bewusst. Wäre es nicht wichtig gewesen, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, vom Tisch aufzustehen und wäre auch nicht so lange ferngeblieben. Doch im Moment konnte ich ihr nicht sagen, um was es in dem Telefongespräch gegangen war. Noch nicht.
Der Abend klang aus, indem die Mädels Bella mit sich nahmen. Wenn ich es richtig verstanden hatte, wollten sie in den Club des Hotels und einige Cocktails trinken. Ich hingegen wurde von Emmett und Jasper geschnappt. Ich war willig mit ihnen zu gehen und mich ablenken zu lassen, betete jedoch inständig, dass unser Abendprogramm nichts mit strippen zu tun hatte.

Ich wachte am nächsten Tag nicht sonderlich frisch auf. Glücklicherweise hatte ich keinen Kater und konnte mich an alles erinnern, was geschehen war. Meine Gebete waren erhört worden. Die beiden hatten einen kleinen Nebenraum des Hotels gemietet, in dem wir den gesamten Abend verbracht hatten. Wir hatten Poker gespielt, mit echtem Geld, selbstverständlich. Getrunken hatten wir Bier, waren aber im Laufe des Abends zu Cognac umgestiegen und hatten dazu Zigarren geraucht. Die gesamte Zeit über waren wir von drei Mädchen in knappen Röcken und Tops bedient worden; alles verlief sittlich.
Ich schälte mich aus dem Hotelbett und schleppte meinen Körper in das Bad für eine erfrischende Dusche und um den Nachgeschmack des Abends aus meinem Mund zu schrubben. Erst danach wagte ich einen kurzen Blick auf die Uhr. Elf. Ich hatte noch einige Stunden Zeit, ehe ich mich vor dem Altar einfinden musste; acht, um genau zu sein. Ich hatte mir, natürlich, heute von der Arbeit frei genommen und auch die nächsten zwei Tage der kommenden Woche müsste ich nicht dort erscheinen. Was sonst könnte ich heute machen? Es war alles organisiert. Bella war mir verboten zu sehen, meine Schwester war sicher schon mitten in den Vorbereitungen mit ihr. Das Waisenhaus war auch zur Sperrzone erklärt worden.
Ich sollte nach Emmett und Jasper sehen, sie notgedrungen wecken, und herausfinden, was sie für diesen Tag vorhatten. Ihre Frauen würden sie sicher auch nicht zu sehen bekommen.
Jasper traf ich vor Emmetts Zimmertür, an die er wild klopfte. Lachend stimmte ich mit ein und bald öffnete sich die Tür und ein komplett verschlafener Emmetts blickte uns entgegen.
››Mach dich fertig, wir haben einen langen Tag geplant.‹‹ Jasper schubste ihn zurück in sein Zimmer und lud sich selbst ein.
Neugierig folgte ich ihm. ››Was haben wir denn geplant?‹‹ wollte ich wissen.
››Ich dachte, wir könnten zum Navy Pier gehen. Ich habe gelesen, dass es in der Nähe eine tolle Bootsausstellung geben soll. Und vielleicht machen wir die Vergnügungsstände etwas unsicher, was denkt ihr?‹‹
››Wenn wir das machen, sollte ich Rose auf jeden Fall ein Riesenkuscheltier schießen, sonst ist sie sauer mit mir‹‹, murmelte Emmett, während er aus dem Schlafzimmer ins Bad rauschte.
››Das klingt gut‹‹, stimmte ich Jaspers Plan zu.
Wir waren ein Wochenende mit dem Waisenhaus dort gewesen. Wir hatten das Angebot bekommen, das Riesenrad sehr vergünstigt fahren zu dürfen. Das Erlebnis war wunderbar.
Emmett war bald fertig. Auf dem Weg zum Navy Pier hielten wir an einem kleinen Café um zu frühstücken. Nach diesem langen Abend klang ein reichhaltiges Frühstück mit Schinken, Würstchen, Soda- und Kartoffelbrot genau richtig. Dazu noch Tomaten als Beilage und Pfannkuchen mit Sirup für danach. Gestärkt suchten wir einen Parkplatz und liefen dann zu der Bootsausstellung. Sie war sehr groß und sehr interessant, wir verbrachten gut drei Stunden dort.
Vier Stunden, bis zum Altar.
Zurück am Navy Pier holten wir uns alle einen Hot Dog und stellten und anschließend in die Schlange für das Riesenrad an. Glücklicherweise war in dieser Jahreszeit nicht so viel los und wir konnten direkt einsteigen, sobald wir unser Essen verdrückt hatten.
Emmett überredete uns noch an einen Schießstand zu gehen, bevor wir zum Auto zurückeilten und zum Hotel zu fahren, damit wir genügend Zeit hatten uns zu richten.
Ich gönnte mir eine weitere Dusche für diesen Tag. Anschließend rasierte ich mich für ein weiches Gesicht, so wie es Bella am liebsten mochte. Ich rubbelte meine Haare mit einem Handtuch halbtrocken und kämpfte mich mit einer Bürste durch. Vom Badezimmer begab ich mich in mein Schlafzimmer, zog meine Unterwäsche an und holte schließlich ehrfürchtig meinen Anzug aus dem Schrank. Ich hatte ihn mit Marc, Kates Ehemann, ausgesucht, Zeitgleich wie die beiden Damen auf der Suche nach Bellas Brautkleid waren. Beide Kleidungsstücke hatten die letzten Wochen in deren Kleiderschrank verbracht.
Der Anzug war traditionsgemäß schwarz, hatte aber einen modernen Schnitt. Die Anzugjacke war nur mit einem Knopf zu verschließen, darüber die ausgeklappten Falten breiter, als bekannt. Ich hatte keine Unterweste dazu gewollt, sondern nur ein einfaches, weißes Hemd, allerdings mit schwarzen Knöpfen. Dazu eine Fliege. Ich war sehr zufrieden mit meiner Wahl. Die Materialien waren angenehme Stoffe, in denen ich mich für den Rest des Abends wohl fühlen würde.
Sobald ich angezogen war, blickte ich noch einmal in den Spiegel, zupfte an meinen Haaren, die schon wieder wild in alle Richtungen standen. Es war ein fruchtloser Kampf, ich würde sie nicht zähmen können.
Bald klopften Jasper und Emmett und teilten mir mit, dass es Zeit wäre aufzubrechen.
Die Zeremonie fand im selben Gebäude statt, wie die Feier danach auch, allerdings in einem abgetrennten Raum, der speziell für Hochzeiten eingerichtet war.
››Okay, lasst uns gehen‹‹, sagte ich noch einmal tief durchatmend.
Hoffentlich würde alles gut gehen!
Unsere Eltern waren bereits vor der Halle und begrüßten einige weitere Gäste, die im Laufe des Tages eingetroffen waren. Unter ihnen fand ich auch Angela und Ben Cheney, unsere High School Freunde, und Seth Clearwater, meinen Freund von der Universität. Ich stieg aus der Limousine, die uns hier hergebracht hatte und ging direkt auf Seth zu.
››Seth, es ist so schön, dass du kommen konntest.‹‹ Wir schlugen ein und tauschten eine einarmige Umarmung.
››Und die Hochzeit des Jahres zu verpassen? – Und das sage ich am dritten Januar! – Niemals! Ich freue mich so für dich, es scheint, als wäre deine Mission erfolgreich gewesen.‹‹
››Das war sie‹‹, ich seufzte. ››Mehr als das.‹‹
››Und ich freue mich, dass du dich noch an deinen alten Freund erinnert hast‹‹, triezte er.
››Ich habe mich wohl lange nicht gemeldet, was?‹‹ fragte ich schuldig.
››Ich kann voll und ganz verstehen, warum nicht! Und jetzt bin ich mehr als gespannt, endlich deine hinreißende Bella kennen zu lernen.‹‹
››Ich werde sie dir später mit Freuden als mein Frau vorstellen.‹‹ Ich schlug ihm auf die Schulter und bewegte ihn so in Richtung von Angela und Ben. ››Wie war deine Reise? Wann bist du angekommen?‹‹
››Noch nicht allzu lange, ich hatte schon fast befürchtet, dass ich zu spät wäre. Mein Flug hatte ein wenig Verspätung. Ich hätte die Zeit nicht so knapp berechnen sollen.‹‹
››Aber jetzt bist du ja da‹‹, sagte ich fröhlich. ››Angela, Ben, wir haben uns lange nicht gesehen!‹‹ rief ich erfreut aus, als wir bei ihnen ankamen.
Sie hatten gleich im Sommer nach unserem Abschluss geheiratet und waren dann zusammen auf die Universität unweit unserer Heimat gegangen. Ich erinnere mich, wie Bella damals beinahe den Brautstrauß gefangen hatte. Wie ich es für ein Omen gehalten hatte.
Aber dies war nicht der Zeitpunkt um melancholischen Gedanken nachzuhängen.
Angela zog mich in eine leichte Umarmung. ››Ich wusste, dass ihr beide irgendwann zusammen enden würdet. Ich freue mich so für euch‹‹, flüsterte sie.
››Danke‹‹, sagte ich mit breitem Grinsen und schüttelte Ben die Hand.
Meine Mutter schien hinter uns. ››Warum gehen wir nicht alle nach drinnen? Es wird Zeit.‹‹
Ich nickte und stellte mich an den direkten Eingang von draußen, zu dem Raum, in dem die Zeremonie stattfinden würde. Ich begrüßte alle Gäste, die eintraten. Währenddessen kam auch der Bus des Waisenhauses an. Sara-Leigh sah mich, machte sich von Kate los und sprang mit ihren kurzen Beinen auf mich zu. Sie trug ein süßes grünweißes Kleidchen unter ihrer dicken Winterjacke.
››Daddy!‹‹ rief sie begeistert.
Ich beugte mich lachend nach unten, um sie auf meinen Arm zu heben.
››Mommy?‹‹ fragte sie.
››Mommy ist noch nicht da. Aber sie wird ganz bald kommen und wunderschön aussehen‹‹, erklärte ich ihr.
Sobald alle Gäste eingetreten waren, straffte ich meinen Anzug und ging durch den Mittelgang nach vorne. Mein Herz pochte bis zum Hals in der Aufregung Bella endlich wieder zu sehen und ihr eine große Freude zu bereiten.
Nervös vergewisserte ich mich auf Jaspers Uhr nach der Uhrzeit. Zehn vor sieben. Langsam, ganz langsam…
››Edward, da ist ein Herr für dich‹‹, teilte mir Emmett mit und deutete zum Eingang der Halle.
Schnell drehte ich mich um. Genau auf den hatte ich gewartet.
Ich stand auf und ging den Gang wieder nach oben. Mr. Smith stand in seinem gewöhnlichen, graubraunen Anzug am Eingang und schaute sich unsicher um. Er passte nicht ins Bild.
››Mr. Smith‹‹, sagte ich erfreut. ››Schön, dass sie es machen konnten.‹‹
››Edward‹‹, grüßte er mich mit einen Kopf nicken.
Er überreichte mir die Folie mit den Papieren. ››Alles andere klären wir nächste Woche, wie abgemacht‹‹, erinnerte er mich.
››Natürlich‹‹, antwortete ich.
Er wandte sich ab zu gehen.
››Wollen Sie nicht bleiben? Solange Sie wollen?‹‹ fragte ich.
Er hatte mir so geholfen, er hätte es wirklich verdient.
››Nun ja…‹‹ sagte er unsicher.
››Bitte?‹‹
››Ich denke, es könnte nicht schaden‹‹, gab er nach.
Fröhlich wies ich ihm einen Platz in den Sitzreihen zu und begab mich wieder nach vorne, trat auf den Priester zu. Ich übergab ihm die Folie und er nickte lächelnd. Wir hatten alles bereits besprochen.
Ungeduldig nahm ich auf einem Stuhl platz, setzte Sara-Leigh wieder auf meinen Schoß und schaute zu Jasper.
››Nicht mehr lange‹‹, sagte er in beruhigendem Tonfall.
Ich nickte andächtig und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. An der Tür blieb er hängen.
Ich konnte es kaum abwarten, Bella dort stehen zu sehen.
››Okay, mach dich fertig‹‹, forderte Jasper mich auf. Ich schickte Sara-Leigh zu Kate, wo sie die Zeremonie bleiben sollte und stellte mich anschließend an meinen Platz, drei Schritte entfernt von dem Priester.
Ein weiteres Mal straffte ich meinen Anzug.
Währenddessen ging Charlie auf seine Position am Eingang. Gespannt schaute er nach draußen. Er nickte zunächst Alice, dann Rosalie lächelnd zu, ebenso wie ich ihnen, sobald sie ihren Platz auf der anderen Seite des Altars eingenommen hatten. Dann ertönte, endlich, die Melodie, zu der Bella eintreten würde. Charlie trat einen Schritt nach vorne, den Rücken uns halb zugekehrt und streckte seinen Arm aus… Bella kam in Sicht.
Ein einziges, großes Seufzen ging durch die Reihen der Gäste, dem ich mich nur anschließen konnte. Sie sah wunderschön aus, so viel schöner, als in meiner Vorstellung.
Das Kleid war träger los. Die Korsage ging in einem nach unten hin breiter werdenden Rock über, eine breite, kurze Schleppe war hinter ihren Füßen zu sehen. Der Rock selbst war aus drei Schichten Stoff, zwei kürzere, dünne, nach hinten länger werdende und der langen, die bis zum Boden reichte. Ihre Haare waren locker nach oben gesteckt, nur eine lange Strähne fiel über die linke Seite ihres Gesichtes. In dem Dutt war ein halblanger Schleier befestigt. Um den Hals trug sie, zu meiner Überraschung, das Kollier, das ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Es passte perfekt zu den zierlichen Perlenohrringen.
Die beiden Schritte langsam auf mich zu. Wenn ich mich nicht irrte, hielt Charlie Bella im Takt, sie schien ihm immer einen Schritt voraus zu sein. Mit jedem Meter, den sie näher auf mich zukamen, schien mein Herz höher zu schlagen, selbst wenn ich es nicht mehr für möglich hielt.
Meine schöne Bella. In einem Brautkleid auf dem Weg zu mir.
Endlich.
Ich übernahm Bellas Hand von ihrem Vater, ein breites Lächeln auf meinem Gesicht. Wir drehten uns zu dem Priester und gingen die wenigen Schritte auf ihn zu, die uns noch von ihm trennten.
Ich folgte den Worten des Priesters nur halbherzig, wir hatten die Texte ausgesucht. Jedes Mal, wenn mein Name fiel, schreckte ich innerlich auf. Ich versuchte den Worten der Gäste zuzuhören, die über uns und unsere Beziehung sprachen, doch ich konnte mich kaum dazu bringen. Bellas Hand in meiner zog meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich.
Schließlich und endlich kamen wir zu der Stelle, an der ich meine Zustimmung gab. Bella und ich standen uns gegenüber, ich schaute ihr tief in die Augen.
››Ja, ich will‹‹, sprach ich die Worte des Priesters nach.
Ich sah ein Funkeln in ihren Augen, als sie mir noch breiter entgegen lächelte. Sie schien so unendlich glücklich.
Ihr Mund öffnete sie und schließlich bekannte auch sie, ››Ja, ich will.‹‹
Es waren die schönsten Worte, die ich je von ihr gehört hatte, ihre Stimme klang wie Musik in meinen Ohren.
Ich drückte ihre Hände kurz, bevor wir sie voneinander lösten, um uns gegenseitig die Ringe anzustecken. ›Ich liebe dich‹, formten meine Lippen. Sie blinzelte zweimal und schließlich entwich eine Träne ihren glänzenden Augen. Vorsichtig wischte ich sie mit meinem Daumen weg, bevor der Priester noch einmal unsere Aufmerksamkeit auf sich zog.
››Mrs. Cullen, wenn ich Sie nun bitten dürfte, hier zu unterschreiben‹‹, bat er und deutete auf eines der Blätter auf der Folie. Mir übergab er ebenfalls meine Kopie.
Ich setzte sofort meine Unterschrift darunter, während Bella zögerte und die Seite mit großen Augen anschaute.
››Unterschreib es, Liebes‹‹, forderte ich sie. ››Es ist notarisch alles abgedeckt.‹‹
››Aber… aber… wie…?‹‹
Ich legte meine Hand auf ihre Hüfte. ››Nenne es einen Teil deines Hochzeitsgeschenkes‹‹, hauchte ich ihr entgegen. ››Und vergiss nicht mit ›Cullen‹ zu unterschreiben.‹‹
››Niemals‹‹, flüsterte sie, während sie ›Isabella M. Cullen‹ auf die Unterschriftslinie zeichnete.
Ich nickte Kate zu und sie stellte Sara-Leigh auf den Boden. Die kleine rannte direkt in Bellas Arme.
››Sie dürfen die Braut jetzt küssen‹‹, erinnerte mich der Priester.
Bella blickte mir lächelnd entgegen. Ich beugte mich zu ihr und hauchte ich einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Anschließend streichelte ich Sara-Leigh über ihren Lockenkopf und küsste sie auf die Stirn.
Unsere Gäste jubelten, als wir uns ihnen letztendlich ganz zudrehten.
››Ich präsentiere Edward und Bella Cullen, mit ihrer Tochter Sara-Leigh Cullen-Martens‹‹, rief Emmett über die Menge hinweg. ››Bitte folgt dem Paar in den Festraum!‹‹
Ich legte einen Arm um Bellas Taille und zog sie mit mir durch den Mittelgang nach draußen. Ein Fotograf erwartete uns. Viele Bilder wurden nicht gemacht, da es draußen schon dunkel war. Aber er war für den gesamten Abend arrangiert, würde Bilder während des Essens und auch der restlichen Feier machen und uns wahrscheinlich zwischendurch entführen, um noch ein paar Bilder von uns alleine und unseren nächsten Familienangehörigen zu machen.
Die Feier war wunderschön. Wir aßen, tanzten, machten mehr Fotos, hatten Spaß. Alles lief glatt.
Kurz vor Mitternacht fuhr Bella’s und meine Limousine vor, die uns zu unserem Hotel bringen sollten, in dem wir unser flitterwochenähnliches Wochenende verbringen würden.
››Ich verstehe immer noch nicht, wie du das geschafft hast‹‹, meinte Bella gedankenvoll.
Es hatte sie den gesamten Abend nicht losgelassen.
››Ich habe nichts gemacht, was wir nicht auch für nächste Woche gemacht hätten. Und ich verspreche dir, dass ich kein Geld darauf gelegt habe! Ich habe nur geredet.‹‹
››Und das zu einer Frau, nehme ich an?‹‹ Bella hob wissend ihre Augenbrauen.
››Vielleicht, aber das tut nichts zur Sache. Schatz, kannst du es nicht einfach dabei belassen, dass wir heute die Papiere unterschreiben durften? Und nächste Woche gehen wir dorthin und regeln den Rest.‹‹
››Okay‹‹, gab Bella ein. ››Ich danke dir, das war ein wunderbares Geschenk!‹‹
Sie beugte sich nach vorne, um mich dankbar zu küssen.
Kurze Zeit später hielten wir vor dem Four Seasons Hotel Chicago. Die Tür wurde uns geöffnet und gemeinsam traten wir ein. Ein Page folgte uns mit unserem Gepäck, verabschiedete sich aber schnell, sobald wir in der Präsidentensuite angekommen waren.
Endlich konnten unsere Flitterwochen beginnen…


21 Epilogue

Die Anzeige war vor zehn Minuten aktualisiert worden, hatte mir angezeigt, dass der Flug aus Chicago endlich gelandet war. Ich hatte mir noch weitere fünf Minuten gegeben, bevor ich nervös würde. Jedes Mal aufs Neue war ich aufgeregt, wenn ich meine Frau und meine Tochter am Flughafen traf, nur dass es meist andersherum war. Sie warteten auf mich. Meine Frau und meine Tochter. Ich konnte mein Glück immer noch nicht fassen, dass die beiden Mein waren. Aber sobald wir alle wieder in Chicago waren, würde es hoffentlich zu mir durchdringen. Denn dann würden wir endlich zusammenziehen, ein und dieselbe Wohnung und wir müssten uns nicht mehr auch nur für eine Nacht trennen.
Die Wohnung hatten wir bereits gekauft, bei meinem letzten Besuch. Es war eine große, helle fünf Zimmer Wohnung, unweit des großen Parks und ein Stückchen näher am Waisenhaus, als am Krankenhaus, in dem ich nun einen Job angenommen hatte. Auch die Möbel waren schon ausgesucht, Bella hatte die letzten Wochen damit verbracht, sie an den richtigen Stellen in der Wohnung aufstellen zu lassen.
An mir zogen wieder größere Menschenmengen vorbei, und von einigen schnappte ich einen Illinois Akzent auf. Das mussten die Menschen aus Bellas und Sara-Leighs Flugzeug sein!
Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen und wackelte mit meinem Kopf hin und her, um den erstmöglichen Blick auf meine beiden Lieblingsfrauen zu erhaschen.
Und da waren sie. Bella schob einen Gepäckwagen und Sara-Leigh saß breit grinsend auf dem ersten Koffer. Schnell bahnte ich mir meinen Weg zu den beiden.
››Daddy!‹‹ zwitscherte Sara-Leigh vergnügt, als sie mich entdeckte. Sie war drauf und dran von dem Wagen zu springen.
Ich fing sie auf. ››Vorsichtig, Prinzessin‹‹, lachte ich.
Ich drückte sie fest an mich, ehe ich einen Arm von ihr löste und mit ihm Bella an mich zog. Ich vergrub mein Gesicht in ihren Haaren und atmete tief ein.
Sie kicherte leicht. ››Ich habe dich auch vermisst.‹‹ Ihre Hände waren in mein Hemd gekrallt und ich hoffte, sie würde es tatsächlich nie wieder loslassen.
Ich strich mit meinen Lippen ihre Haut entlang, bis ich bei ihren angekommen war und sie zärtlich küssen konnte. Ihre Hände strichen über meinen Nacken in meine Haare, unwillig sich von mir zu lösen.
››Lass uns gehen‹‹ flüsterte ich schließlich. Wir standen immer noch im Ausgangsbereich der Ankommenden.
Bella nickte und nahm mir Sara-Leigh ab, damit ich den Gepäckwagen weiter schieben konnte.
››Wie war der Flug?‹‹ wollte ich wissen.
››Soweit okay. Sara-Leigh ist etwas ungeduldig geworden, als es an die zweite Stunde ging. Und mir konnte es auch nicht schnell genug gehen‹‹, gab sie zu.
››Das will ich doch hoffen‹‹, sagte ich schalkhaft.
Wir stiegen in einen Aufzug, der uns auf ein anderes Level brachte, von dem aus wir durch einen Übergang direkt ins Parkhaus geschleust würden. Ich beglich das Ticket, packte das Gepäck in den Kofferraum und setzte mich anschließend auf den Fahrersitz. Bella hatte Sara-Leigh inzwischen in dem Kindersitz festgeschnallt und sich auf den Beifahrersitz gesetzt, sodass die Fahrt losgehen konnte.
››Ich dachte, wir gehen zurück zu der Wohnung und dann auswärtig essen, dann haben wir heute Abend keinen Stress mehr in der Küche. Was sagst du?‹‹
››Klingt gut für mich.‹‹
Bella war bisher einmal in meiner Wohnung gewesen, für einen kurzen Osterurlaub. Eigentlich hatte ich die beiden besuchen wollen, allerdings hatte ich während der Zeit Vorbereitungskurse für mein Abschlussexamen. Bella hatte keinen Widerspruch zugelassen und für sich und Sara-Leigh Flugtickets gebucht.
Auch dieses Mal hatte es einen bestimmten Grund, warum die beiden eine Reise auf sich genommen hatte und nicht ich. Am nächsten Tag würde ich offiziell aus meinem Studentenleben entlassen werden und mein Diplom bekommen. Anschließend würden wir uns in den nächsten Flieger setzen, um Alices und Jaspers Hochzeit zu feiern. Leider war Alices Diplomausgabe genau am selben Tag, wie meine, so wären Bella und Sara-Leigh meine einzigen, anwesenden Familienangehörigen. Meine Eltern hatten entschieden bei Alice zu bleiben, da sie schon einige Tage zuvor angereist waren, für die letzten Hochzeitsvorbereitungen. Ich war etwas enttäuscht gewesen, konnte sie aber verstehen.

Der nächste Tag war wunderschön. Selten hatte ich mich so glücklich gefühlt, wie in dem Moment, als mein Name aufgerufen wurde, ich über die Bühne ging und mir das Diplom überreicht wurde. Jetzt konnte mein Leben mit Bella richtig beginnen!
Ich stellte meine kleine Familie unglaublich vielen Leuten vor. Mein Leben hatte sich das letzte, halbe Jahr meinen Studienkollegen gegenüber drastisch geändert. Ich wurde offener, schloss mehr Freundschaften, war nicht mehr so zurückgezogen, wie bevor ich nach Chicago ging. Viele waren überrascht und freuten sich, waren verwundert oder enttäuscht darüber, dass ich verheiratet war.
Es gab nur einen Abschied, der mir schwer fiel. Von Seth, meinem besten Freund über die gesamte Zeit, die er ebenfalls an der Uni war. Er sagte, er plane bald einen weiteren Trip nach Chicago und würde sich dann auf jeden Fall bei uns einnisten. Ich meinte, dass er gerne in dem Gästezimmer bleiben könnte, dass wir in der neuen Wohnung hatten. Bella hingegen schien darüber weniger erfreut…
Am nächsten Tag löste ich meine Wohnung auf und wir alle halfen zusammen alle meine Besitztümer in Kartons zu verpacken und sie am Abend an die Umzugsfirma zu übergeben.
Am nächsten Tag begaben wir uns wieder auf den Weg zum Flughafen.

Alices Hochzeit war, was sollte man anderes erwarten, die Feier des Jahrhunderts! Mehr als einmal an diesem Tag, warf sie Bella und mir einen Blick zu, der offensichtlich sagen sollte, ›So feiert man eine Hochzeit!‹ Ich konnte darüber nur schmunzeln, mit dem Gedanken, dass meine Hochzeit immer die schönste sein würde. Komme, was wolle.

Wieder in Chicago, fuhren wir direkt zu unserer neuen Wohnung. Fast alle unsere Besitztümer waren dort, sodass wir problemlos schon die erste Nacht dort verbringen konnten.
In unseren eigenen vier Wänden.
Bella bestand darauf, mir eine Führung zu geben, um mich über die Entwicklungen aufzuklären. Hier und da merkte sie an, was sie noch verändert haben wollte und wo sie noch weiterführende Ideen hatte.
Vor Sara-Leighs Zimmer blieb sie stehen und drehte sich etwas nervös zu mir um, die Hand schon auf der Türklinke.
››Okay.‹‹ Sie biss sich auf die Lippen. ››Den Umständen entsprechend habe ich eigenmächtig etwas an der Zimmerverteilung geändert‹‹, teilte sie mir mit.
Den Umständen entsprechend…?
Ich nickte ihr aufmunternd zu, fort zufahren.
››Sara-Leighs Zimmer wird im geplanten Gästezimmer sein‹‹, erzählte sie weiter.
Ich nickte ein weiteres Mal. ››Aber warum?‹‹
››Okay‹‹, sagte sie wieder, offensichtlich mehr zu sich selbst, um sich zu beruhigen, während sie die Türklinke nach unten drückte und mir endlich das Innere des Zimmers zeigte.
Sie blieb mit verschränkten Armen an der Tür stehen, während ich langsam an ihr vorbei trat, um das Innere genauer zu betrachten. Zu meiner linken war ein Kleiderschrank, dessen Henkel aus Schäfchenwolken bestanden. Etwa einen Meter davon entfernt stand ein Wickeltisch; über ihm ein kleines, dem Schrank ähnliches Regal, das offensichtlich darauf wartete, mit Babyartikeln gefüllt zu werden. Bis jetzt waren dort nur drei Bücher, von denen mir eines anzeigte, dass es für die schwangere Mutter war. Vor dem Fenster an der Stirnseite hingen hellblaue Vorhänge mit weißen Wölkchen. Gegenüber dem Wickeltisch war ein kleines Gitterbett, über dem ein großes, buntes Mobile hing. Mit zitternden Händen griff ich nach der gelb-orangen, lächelnden Sonne.
Bella stellte sich neben mich.
››Den Umständen entsprechend?‹‹ wiederholte ich flüsternd.
Sie nickte und legte ihre Hand auf meinen Arm.
Langsam drehte ich mich zu ihr und legte meine Hände auf ihre Hüfte. ››Du bist schwanger?‹‹ fragte ich leise.
››Ja.‹‹ Sie lächelte unsicher. ››Wir bekommen ein Baby.‹‹
Ich legte meine Stirn gegen ihre. ››Du hast es mir nicht gesagt.‹‹
››Ich wusste nicht wie.‹‹
Ich rutschte an ihrem Gesicht weiter zu ihrem Nacken, vergrub mich darin. ››Wie lange?‹‹ wollte ich wissen.
››Ich weiß es seit fast zwei Wochen sicher. Es muss um Ostern gewesen sein. Ungefähr zwei Monate.‹‹
››Ich erinnere mich‹‹, nuschelte ich. Ich ging vor ihr in die Knie und presste mein Gesicht in ihren Bauch.
Bella streichelte über meine Haare. ››Bist du glücklich?‹‹ wollte sie wissen.
››Sehr‹‹, antwortete ich sicher, obwohl sie mir gerade eine Welt verändernde Neuigkeit überbracht hatte.
Sie ging ebenfalls in die Knie, schloss mein Gesicht in ihre Hände und küsste mich. ››Ich liebe dich‹‹, flüsterte sie.
››Wie ich dich liebe.‹‹ Ich schlang beide meine Arme um sie, fest entschlossen, sie nie wieder gehen zu lassen… bis Sara-Leigh uns entdeckte und sich zwischen uns drängte.


Outtake: Business Lunch – Bellas PoV

Ich war aus einem unerklärlichen Grund nervös.
Es war nicht so, als hätte ich mich nicht schon häufiger mit einem Sponsor zu einem Mittagessen außerhalb des Waisenhauses getroffen, aber meist hatte ich diese Personen zuvor zumindest einmal gesehen und auch schon mit ihnen gesprochen.
Das einzige, was ich von dem heutigen Sponsor wusste, war, dass er auf den Namen ›Cullen‹ hörte, auf dem Cheque war mit ›C. Cullen‹ unterschrieben.
Der Name ließ mir jedes Mal aufs Neue einen Schauer über den Rücken fahren, es hingen einfach zu viele Erinnerungen an ihm. Aber er konnte es nicht sein. Sein Name begann mit ›E‹ und ich würde mich vorsehen, jetzt seinen vollen Namen zu denken.
Ich war überrascht gewesen, als Kate mich am heutigen Morgen direkt zur Seite genommen hatte, um mir zu erzählen, dass dieser Cullen von letzter Woche tatsächlich wieder gekommen war – dabei waren wir uns doch so sicher gewesen, dass er die Spende nur aus einer Kurzschlussreaktion angeboten hatte, weil er dabei erwischt worden war, wie er sich auf unserem Land herumtrieb. Aber er war wieder da gewesen und hätte ihr mit einem äußerst charmanten Lächeln – dass sie beinahe schwach werden ließ und ihr ein schlechtes Gewissen ihrem Ehemann gegenüber machte – einen Cheque von angenehmer Höhe überreicht. Zudem hätte er sich bereit erklärt, sich mit mir zu treffen, allerdings schien er etwas dagegen zu haben, wieder zum Waisenhaus zu fahren.
Ich versprach Kate allerdings, dass ich zumindest zum River North Hotel fahren würde und mir die Situation anzuschauen und notfalls einen Rückzieher machte, sollte es mir nicht seriös vorkommen. Der Cheque, allerdings, war echt, was ich nach einer genauen Untersuchung feststellte. Dieser Mr. Cullen schien es tatsächlich ernst zu meinen.
Und nun saß ich in meinem Wagen, war schon näher an dem Hotel, als am Waisenhaus und bereitete mich im Kopf noch einmal auf das Treffen mit dem gut aussehenden jungen Mann vor – wie Kate ihn mir beschrieben hatte.
Ich hatte einige Mappen dabei, um ihn von unseren geplanten Projekten zu erzählen, die wir in nächster Zeit ausführen wollten und für die wir sein Geld gut verwenden könnten.
Ich fuhr auf den Gästeparkplatz des River North Hotels ein. Ich war noch nie zuvor hier gewesen, aber das äußere gefiel mir wirklich sehr gut. Es war eindeutig eines der besseren Hotels der Stadt. Ich fühlte mich fast ein bisschen schuldig hier essen zu gehen, während Kate im Waisenhaus nur ein schnelles Gericht aus Billigprodukten herstellen konnte.
Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich nach meiner Tasche griff und aus dem Wagen stieg. Per Fernbedienung schloss ich ab und machte mich dann mit schnellen Schritten auf den Weg zum Eingang. Brachte ich die Begegnung schnell hinter mich.
In der Eingangshalle klingelte mein Handy – zum Glück noch bevor ich das Restaurant betreten hatte, sonst wäre es vielleicht unangenehm gewesen.
Kate zeigte das Display an.
››Hi Kate, ich bin gerade im Eingangsbereich.‹‹
››Oh okay, ich dache, ich klingele jetzt schon mal durch, für den Fall, dass du schneller warst, als erwartet – du warst auch schneller. Ich rufe dann so in fünf Minuten noch mal an, okay?‹‹
››Ja‹‹, antwortete ich, warf aber noch eine schnelle Frage ein, bevor ich auflegte. ››Ist mit Sara-Leigh alles in Ordnung?‹‹
››Ja, mach dir keine Sorgen‹‹, lachte Kate am anderen Ende. ››Sie war schon öfter alleine hier.‹‹
››Ich weiß‹‹, antwortete ich uns seufzte. ››Aber irgendwie mache ich mir mehr Sorgen um sie, seit ich sie bei mir habe.‹‹
››Das ist völlig normal, Bella. Vergiss nicht, Mr. Cullen zu fragen, ob er Single ist. Er wäre perfekt für dich…‹‹ Ich konnte ihr Grinsen durch das Telefon erahnen.
››Bis gleich, Kate‹‹, sagte ich lachend.
Es war nicht das erste Mal, dass Kate versuchte, mich mit einem Sponsor zu verkuppeln, allerdings waren sie mir immer zu alt gewesen – einerseits und andererseits war da noch jemand in meinem Leben gewesen, den ich nie vergessen konnte.
Ich begab mich nun den ausgeschilderten Weg entlang zu dem Restaurant des Hotels, meinen Blick ließ ich durch den Raum schweifen, während ich an den Pult herantrat.
››Kann ich ihnen helfen, Miss?‹‹ fragte mich der Angestellte.
Ich zuckte zusammen, aber nicht, weil mich der Mann erschreckt hatte, sondern… ››Nein, danke, ich denke, ich habe meine Verabredung schon gefunden.‹‹
Mit langsamen Schritten ging ich durch den Raum auf den Bronzeschopf zu. Es konnte doch kein Zufall sein, dass Edward hier in diesem Restaurant war, wenn ich mit einem jungen, gut aussehenden Mr. Cullen verabredet war.
Ich ging um den Tisch herum, um Edward von hinten zu erreichen und mir noch einige Minuten Bedenkzeit zu geben, ob ich mich tatsächlich mit ihm an einen Tisch setzen sollte. Würde es nicht um mein Waisenhaus gehen, würde ich meine Beine in die Hand nehmen und rennen. Ich wollte ihn nicht sehen, noch nicht, es war viel zu früh! Ich hatte meine Gründe gehabt ihn damals zu verlassen und daran hatte sich nichts geändert. Viel mehr hatte ich jetzt noch weitere Gründe, ihn nicht zu sehen. Das Waisenhaus, aber vor allem Sara-Leigh!
Alice hatte mich damals nicht verstehen können, warum ich mich zu diesem Schritt überwand – ja, es war eine Überwindung, es war der schrecklichste Tag meines Lebens, denn ich wusste, dass ich ihn und mich damit zerstörte. Allerdings war ich mir sicher, hätte ich es nicht getan, würde es mir noch schlimmer gehen. Es hatte mir wehgetan sein Herz zu brechen und meines im gleichen Moment schmerzvoll herauszureißen. Niemand hatte verstanden, warum ich das getan hatte, nur Alice hatte ich alles erklärt und ihr dann das Versprechen abgenommen, dass sie mich unterstützen würde darin. Sie hatte sich gewehrt, wollte es ihm sagen, wollte mich zur Vernunft bringen, wollte uns wieder zusammen bringen. Aber ich wollte nicht, konnte nicht.
Und jetzt war er hier. Wie hatte er mich gefunden? Woher wusste er, dass ich in Chicago war und nicht, wie ich ihm immer erzählt hatte, in Seattle? Woher wusste er, in welchem Waisenhaus ich arbeitete? Denn über eines war ich mir völlig im Klaren: Es war kein Zufall, dass er ausgerechnet meinem Waisenhaus diese übermäßig große Spende gegeben hatte. Er musste wissen, dass ich dort arbeitete.
Und auf einmal ergab es auch einen Sinn, dass er sich mir nie im Waisenhaus zu erkennen gegeben hatte, sondern letzte Woche geflüchtet war, bevor ich ihn sehen konnte und gestern Abend erst zu so später Stunde gekommen war. Es ergab einen Sinn, dass er sich als Mr. Cullen vorgestellt hatte und nicht einmal seinen Vornamen nannte, als Kate ihm anbot, sie bei ihrem zu nennen. Natürlich wollte er auch bei unserem Aufeinandertreffen alleine mit mir sein und nicht von meinen neugierigen Kindern oder meiner neugierigen Chefin umgeben.
Ob er von Sara-Leigh wusste? Was hatte er alles über mich herausgefunden?
Ich fragte mich, ob ich ihm in die Augen blicken könnte.
Ich war nur noch wenige Meter von seinem Tisch entfernt. Mein Herz pochte mir schmerzvoll gegen die Brust, es wurde schlimmer, je näher ich ihm kam. Ich versuchte meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bringen. Ich war eine toughe Geschäftsfrau, dieses Treffen hier war Business und nicht ein Auffrischen der Vergangenheit.
Aber mir war klar, dass ich nicht so tun könnte, als würde ich ihn nicht kennen. Das wäre ihm gegenüber auch nicht fair.
››Ich hätte es mir denken sollen‹‹, sagte ich schließlich, als ich an dem Tisch angekommen war, an ihm vorbeiging und mich auf dem Stuhl Edward gegenüber niederließ.


Kate nahm mich sofort mit in ihr Büro, als ich nach dem Mittagessen wieder am Waisenhaus ankam. Die Neugierde schien ihr ins Gesicht geschrieben zu sein. Ob sie ahnte, dass dieses Treffen so viel mehr, als nur ein Geschäftsessen, war? Wie konnte sie das wissen? Was hatte mich verraten?
››Erzähl mir alles!‹‹ forderte sie. ››Irgendwas sagt mir, dass ich nicht einmal die halbe Geschichte kenne, von dem, was heute bei deinem Mittagessen vorgefallen war.‹‹
Ich seufzte und ließ mich neben sie auf das Sofa fallen. Ich sollte ihr nichts vormachen, sie war wie meine beste Freundin und gleichzeitig die Mutter, die ich so lange nicht mehr hatte, der ich alles anvertrauen konnte. Und wollte.
››Edward und ich kennen uns schon… länger‹‹, fing ich langsam an. ››Seine Schwester Alice war jahrelang meine beste Freundin, ist es immer noch, auch wenn wir über die letzten Jahre etwas den Kontakt verloren haben. Und das letzte Jahr der High School war ich mit Edward zusammen. Danach habe ich mich von ihm getrennt und ihn bis heute nicht mehr wieder gesehen. Ich weiß nicht, wie er mich gefunden hat, aber er hat heute klar gemacht, was seine Absicht ist. Er will mich zurück.‹‹
››Das ist doch wunderbar!‹‹ meinte Kate. ››Aber irgendwas sagt mir, dass das noch nicht alles war. Warum hast du dich damals von ihm getrennt?‹‹
››Ich… habe ihn geliebt‹‹, gab ich zu. ››Ich habe ihn zu sehr geliebt.‹‹
››Ich verstehe nicht. Hat er dich nicht in selbem Maße zurückgeliebt? Aber würde er nicht, warum sollte er dann nach so langer Zeit hier herkommen, um dich wieder zu treffen?‹‹
››Ich weiß, dass er mich genauso geliebt hat, wie ich ihn. Das war nicht das Problem. Das Problem war, dass wir planten nach der High School in verschiedene Richtungen zu gehen. Er wollte studieren, er ist an allen guten Universitäten angenommen worden, aber meine Pläne waren anders. Bei mir gehörte kein Studium dazu und das hieß, dass wir räumlich voneinander getrennt würden und ich wusste, dass ich das niemals überleben würde, in dem Wissen, dass wir eigentlich zusammen waren und zusammen sein sollten. Ich hatte einen Traum, aber er einen anderen. Ich liebte ihn so sehr, dass ich wusste, dass ich es niemals aushalten könnte, ihn nur alle paar Wochenenden zu sehen. Ich kam zu dem Ergebnis, dass ich es besser aushalten könnte, wüsste ich, dass er nicht mehr Mein war und ich nicht mehr Sein. Ich habe ihm damals gesagt, dass wir uns irgendwann wieder sehen könnten, aber der Gedanken ist für mich über die Jahre immer kleiner geworden. Was sollte er nach all den Jahren noch von mir wollen? Und ich habe jetzt Sara-Leigh. Ich weiß nicht, was er zu ihr sagen wird, ob er begeistert wäre, dass plötzlich ein Kind in meinem Leben eine überaus wichtige Rolle spielt. Aber jetzt ist er auf einmal wieder da und es ist alles anders, als ich es mir gedacht habe und ich weiß einfach nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll!‹‹
Ich wollte stark sein, schaffte es aber nicht. Kate nahm mich in ihre Arme und wiegte mich sanft vor und zurück, während sich immer mehr Tränen in meinen Augen bildeten und langsam ihren Weg nach draußen fanden.
››Liebes, wenn er dir doch noch so viel bedeutet und er extra für dich hier hergekommen ist, findest du nicht, dass er es verdient hätte, dass du ihm alles erklärst und wenn er es dann immer noch will, du ihm vielleicht noch eine Chance gibst?‹‹ fragte sie sanft.
››Aber… er wird nach dem halben Jahr wieder an seine Universität zurückgehen und dann bin ich hier, alleine, mit einem Freund, der so unendlich weit weg ist. Ich würde das nicht aushalten, deswegen habe ich doch damals mit ihm Schluss gemacht. Ich könnte es einfach nicht. Es würde mich umbringen!‹‹
››Das glaube ich nicht‹‹, widersprach Kate mir. ››Du bist so eine starke, junge Frau und sein Studium kann nun nicht mehr lange gehen. Aber das, was danach für euch kommt, wird viele wunderschöne Jahre lang sein, die all den Trennungsschmerz jetzt vergessen lässt. Ich möchte dich zu nichts überreden, Bella, aber ich finde, dass du das alles noch einmal überdenken solltest. Denk an dein Wohl, aber auch an seines und an die kleine Sara-Leigh. Du könntest ihr ein Heim nicht nur mit einer Mutter geben, sondern auch mit einem Vater.‹‹
››Und was, wenn er sie nicht annimmt?‹‹
››Er wird! Ich habe ihn vielleicht noch nicht oft getroffen, aber ich bin davon überzeugt, dass er ein wirklich sehr großes Herz hat und, wenn wir ehrlich miteinander sind, wer würde den kleinen Engel nicht sofort in sein Herz schließen?‹‹
Ich musste von einem weiteren Schluchzer geschüttelt kurz kichern. Sie hatte Recht. Als ich Sara-Leigh das erste Mal sah, war das Liebe auf den ersten Blick.
Kate hatte Recht. Ich würde das alles noch einmal überdenken. Edward wollte mich wieder sehen und ich hatte ihm versprochen, dass ich mich bei ihm melden würde und dass wir uns während seines Aufenthaltes in Chicago noch einmal sehen würden. Ich würde dieses Versprechen nicht brechen…
…und trotzdem dauerte es drei Wochen, in denen meine Zweifel wieder wuchsen, und ein zufälliges, aufklärendes Treffen mit Edward, bis ich mir endgültig eingestehen konnte, dass ich ihn wieder in meinem Leben haben wollte. Ich würde ihm alles erklären. Alles!

An: Edward
Von: Bella
Freitag, 7 Uhr, Cineplexx?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.01.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /